Beiträge zur Ausstellung von Dr. Insa Eschebach, Dr

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Beiträge zur Ausstellung von Dr. Insa Eschebach, Dr
Dr. Insa Eschebach, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück/ Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten
Begrüßung zur Ausstellungseröffnung
"Ravensbrück: Miniaturen. Eine Ausstellung der Miniaturen der Gedenkstätte und der Gemälde der Miniaturen
von Antje Majewski " in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück am 13. April 2014
Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Gäste,
liebe Antje Majewski,
im Namen der Gedenkstätte Ravensbrück möchte ich Sie alle herzlich begrüßen anlässlich der
Eröffnung einer - wie ich finde – sehr besonderen Ausstellung:
Zu sehen sind Bilder. Zu sehen sind aber auch die realen Objekte: Sehr fragile Miniaturen untergebracht in dieser Vitrine – die wiederum auf den Gemälden zu sehen sind. Es ergeben
sich hier verschiedene Berührungspunkte und ich glaube, man kann gar nicht müde werden,
über die Vielschichtigkeit des Verhältnisses der Miniaturen und ihrer Darstellung
nachzudenken.
Zunächst eine kurze Anmerkung zu den Objekten: Die meisten von ihnen sind als
Erinnerungsstücke in die Gedenkstätte Ravensbrück gelangt. Angefertigt von Häftlingen –
Sabine Arend wird darüber gleich noch ausführlicher sprechen – haben Überlebende diese
Erinnerungsstücke seit dem Ende der 1950er Jahre in die Gedenkstätte gebracht, damit sie
hier ausgestellt werden können. Diese Erinnerungsstücke bezeugen die Haft im
Konzentrationslager Ravensbrück. Aber zugleich sind die Miniaturen auch Einsprüche gegen
diese Haft, gegen die Kasernierung, Uniformierung und Zurichtung von Menschen in
Konzentrationslagern - indem sie Individualität behaupten und Phantasie und den Wunsch,
Besonderes zu schaffen noch unter unmenschlichen Bedingungen.
Diese Miniaturen, die wir aus konservatorischen Gründen überhaupt nur eine kurze Zeit dem
Tageslicht und der Öffentlichkeit aussetzen können, gehören zu den wertvollsten Dingen
unserer Sammlung. Ich bin meiner Kollegin Dr. Sabine Arend sehr dankbar dafür, dass sie um
die konservatorischen Herausforderungen dieser Objekte weiß und dazu beitragen wird, dass
diese Objekte trotz ihrer anfälligen Materialität hoffentlich noch einige Zeit überdauern und
unserer Sammlung erhalten bleiben.
Nun aber auch noch ein Wort zu den Bildern. Primo Levi hat sich schon vor Jahrzehnten
beunruhigt gezeigt über einen Riss, „der zwischen den Verhältnissen besteht, wie sie dort (im
Lager) herrschten, und den Verhältnissen, wie sie von der gängigen Vorstellung dargestellt
werden, die durch ungenaue Bücher, Filme und Mythen unterstützt werden. Sie (die
Vorstellung) gleitet unweigerlich in die Simplifizierung und ins Klischee ab.“ Imre Kertesz
beklagt einen „Sentimentalismus, einen Holocaust-Kanon, ein System der Tabus mitsamt
seiner ritualisierten Sprache, Holocaust-Produkte zur Konsumption des Holocaust.“
Die Bilder von Antje Majewski, die wie hier sehen, arbeiten gegen die Dominanz der
Klischees. Es geht hier nicht um Bilder von Ravensbrück, die uns zeigen wollen würden, wie
es ‚eigentlich gewesen‘. Diese Gemälde wollen gar nichts behaupten. Ich sehe sie eher als den
Ausdruck eines Versuchs, sich erst einmal nur den Zeugnissen zuzuwenden, die von den
Ereignissen selbst erhalten sind. Man kann diese Gemälde beschreiben als Annäherungen
ohne Vereinnahmung. Antje Majewski knüpft an die Miniaturen an, indem sie sie darstellt,
aber die Darstellung hält Distanz, schafft eigenes, ohne deshalb losgelöst von den Dingen zu
sein. Ich bin berührt von dieser ungewöhnlichen, feinen und reflektierten Weise einer
Befassung mit der Geschichte dieses Ortes.
Und ich danke Dir, Antje, dass Du diese Bilder nach Ravensbrück gebracht hast, damit sie
hier zu sehen sind. Meinen Mitarbeiterinnen Sabine Arend, Sabine Röwer und Britta Pawelke
danke ich für Kreativität und Engagement beim Zustandekommen dieser Ausstellung –
Charlotte Meiwes (FSJlerin) und Marvin Tauchner (Gedenkdiener) für die qualitätsvolle
wissenschaftliche Mitarbeit.
Ich freue mich, dass die Galerie neugerriemschneider hier heute prominent vertreten ist – wir
danken für die freundliche Kooperation. Der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) sind
wir sehr dankbar, dass sie zwei der Bilder von Antje Majewski als Leihgabe für diese
Ausstellung aus der Sammlung Zeitgenössische Kunst der Bundesrepublik Deutschland zur
Verfügung gestellt hat.
Last not least danke ich herzlich Renate Germer für Ihre Stimme /musikalische Begleitung –
und Ihnen allen, dass Sie heute nach Ravensbrück gekommen sind.
Dr. Sabine Arend, wiss. Mitarbeiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück/Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten:
Miniaturen aus dem Frauen-KZ Ravensbrück (1939-1945)
Fertigung
Die Häftlinge des KZ Ravensbrück leisteten in verschiedenen Arbeitskommandos Zwangsarbeit.
Dazu zählte der Arbeitseinsatz sowohl innerhalb des Lagers, wie z.B. in den Textilfabriken der SS
(Texled) oder im Kunstgewerbekommando als auch außerhalb. Hier sind zum einen
Arbeitskommandos in Betrieben in der näheren und weiteren Umgebung zu nennen, wie z.B. in der
Schneiderei in Fürstenberg oder den Faserstoffwerken. Zum anderen wurden ab 1942 bis 1945
insgesamt 44 Außenlager neben Rüstungsbetrieben gegründet. Durch diese Arbeitseinsätze hatten
die Häftlinge Zugriff auf verschiedene Materialien, die in den Miniaturen verarbeitet wurden.
In den Textilfabriken wurden Stoffstücke, Knöpfe, Nadeln und Garne „organisiert“, d.h. entwendet.
Stroh konnte in der Strohschuhflechterei, aber auch in landwirtschaftlichen Arbeitskommandos
besorgt werden. In den Rüstungsbetrieben waren Materialien wie transparenter Kunststoff (z.B. in
den Mechanischen Werkstätten Neubrandenburg GmbH (MWN)), Gummi, Elektrokabel oder
Metalldrähte vorhanden. Im Kunstgewerbekommando, in dem viele polnische Frauen arbeiteten,
wurden u.a. Spendenzeichen für das Winterhilfswerk produziert und die Frauen hatten hier
vermutlich Zugriff auf verschiedene Materialien.
Ein Großteil der Objekte ist aus Zahnbürstenstielen aus Kunststoff gefertigt. Zahnbürsten gehörten
neben einem Kamm, einem Stück Seife, einem Waschlappen und Stofftaschentüchern zu den
einzigen Objekten, die den Frauen bei der Aufnahme ins Lager nicht abgenommen wurden. Wer als
Häftling eigenes Geld hatte oder geschickt bekam, konnte in einem Lagereigenen Laden
Zahnbürsten kaufen. Zahnbürsten konnten außerdem durch Pakete von Angehörigen ins Lager
gelangen, da mit Ausnahme der Jüdinnen und den sogenannten Nacht und Nebel-Häftlingen ab
Herbst 1941 Pakete empfangen werden durften.
Unter den Frauen gab es Kunsthandwerkerinnen und Künstlerinnen (Bildhauerinnen) sowie
Näherinnen und Schneiderinnen. Zum Schnitzen und Feilen wurden vermutlich gestohlene oder
selbst hergestellte Messer, Werkzeuge aus den Fabriken oder Steine verwendet.
Motive
Von den 140 in den Sammlungen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück befindlichen
Miniaturen stellen Tiermotive (25 Objekte) und darunter kleine Hunde (11) die größte Gruppe dar.
Neben den Hunden wurden u.a. kleine Elefanten (7), Pferde (2) oder Vögel (2) geschnitzt. Der
Hund, in der Kunstgeschichte ein Symbol für (eheliche) Treue, drückte ggf. die Hoffnung aus, dass
der Partner einem die Treue hielt. Er war vermutlich aber auch deshalb ein häufig gewähltes Motiv,
da er als Gefährte des Menschen gilt und an das heimatliche Haus- bzw. Hoftier erinnerte. Elefanten
als exotische Tiere waren ggf. mit Assoziationen an ferne Länder und Reisen und damit die Freiheit
verbunden. Es könnte aber auch sein, dass Elefanten als häufiges Motiv in Kunstkammern bekannt
und daher im Bildgedächtnis der Frauen präsent waren.
Glückssymbole (22) und religiöse Motive (21) gehören ebenfalls zu den mehrfach auftretenden
Motiven. Kleine Herzen drückten die Verbundenheit zur Beschenkten aus und gaben dem Wunsch
nach Überleben Ausdruck. Ein Schlüssel konnte als Symbol zur Erlangung der Freiheit stehen
(Toröffner) oder auch als Hausschlüssel die Sehnsucht nach dem eigenen Zuhause, einem eigenen
Raum, ausdrücken. Hufeisen sind altbekannte Glückssymbole. Kleine Kreuze oder
Madonnenfiguren brachten religiöse Überzeugungen zum Ausdruck, waren Zeichen der Hoffnung
auf Erlösung vom Leid. Als weltliche Talismane oder religiöse Fürsprecher oder Patrone hatten die
kleinen Objekte vermutlich die Funktion, die Hoffnung auf das Überleben, auf eine Wende zum
Glücklichen, dass heißt das Überleben und die Heimkehr, zu stärken.
Eine große Motivgruppe stellen Haftnummern (20) dar. Diese wurden zum Teil in einem Block mit
einem Haftwinkel in der Farbe der eigenen Haftkategorie oder bei Ringen auf der Ringplatte aus
Knöpfen oder Zahnbürstenstielen geschnitzt. Da die Miniaturen vielfach als Freundschaftszeichen
untereinander verschenkt wurden (siehe unten), gaben die Schenkenden quasi ein Teil von sich
selbst. Es ist bemerkenswert, dass hier die Haftnummer und nicht der eigene Name eingeschnitzt
wurde. Bei Taschentüchern, die untereinander verschenkt wurden, wurden vielfach die Namen der
befreundeten Häftlinge eingestickt. Dass im Fall der Ringe und Miniaturen die Nummer gewählt
wurde, mag praktische Gründe haben, da der Platz begrenzt und der Aufwand geringer war. Diese
Selbstbezeichnung mit Nummer und Haftwinkel deutet aber auch darauf hin, dass Kategorien der
Deklassierung und Dehumanisierung von den Betroffenen affirmativ gewendet wurden. Nummer
und Winkel waren eindrückliche Symbole der Haft, der mit der Gabe erinnert wird. Es waren
zugleich Erinnerungen an die Menschen, mit denen man gemeinsam in Haft war. So hatten die
Objekte Memorialfunktion.
Neben diesen häufigsten Motiven gibt es eine Vielzahl weitere Motive. Erwähnt werden sollen
noch die Miniaturpantoffeln und –schuhe (14), ein beliebtes folkloristisches Motiv. Hanka
Hausková hat überliefert, dass Schuhe „Für den Weg....“ –standen. Damit meinte sie sicherlich den
Weg nach Hause, nach dem sich die Gefangenen sehnten. Nationale Symbole sind so gut wie nicht
zu finden. Eine kleine tschechische Fahne ist hier eine von zwei Ausnahmen.
Die Motive wie Herzen, Kreuze, Tiere und Pantöffelchen entsprechen weitgehend dem seit dem 19.
Jahrhundert verbürgten Motivinventar. Im Kontext des KZ erhielten sie aber zusätzliche
Bedeutungen, wie am Beispiel der Schuhe und der Hunde oben thematisiert wurde. Bis heute sind
Miniaturanhänger ein beliebtes Geschenk. Seit einigen Jahren sind Armbänder, die durch kleine
Motivanhänger individuell gestaltet werden können, in Mode.
Funktion
Nanda Herbermann berichtet, wie rührend sie es fand, „wie die Häftlinge sich gegenseitig durch
kleine, streng verbotene Geschenke, zu erfreuen suchten, da sie selbst doch nichts hatten.“ Vera
Hozáková bezeichnet die Freundschaft als den „wertvollsten Schatz für das leidende Herz“. Die
Miniaturen wurden als Ausdruck der Verbundenheit, der Freundschaft zu Geburts- und
Namenstagen verschenkt. Etliche der Miniaturen sind als Anhänger gearbeitet, so dass sie eng am
Körper getragen wurden. Sigrid Jacobeit sprach in diesem Zusammenhang von einem intimen
Näheverhältnis. Im österreichischen Gedenkraum im Zellenbau werden die Objekte als "Ausdruck
der Solidarität und der Gemeinsamkeit des Widerstandes gegen die Unmenschlichkeit" bezeichnet.
Für Weihnachten 1944 beteiligten sich viele Frauen an der heimlichen Produktion von Geschenken
an die Kinder im Lager. Geschnitzte Objekte sollen auch als Weihnachtsschmuck gedient haben.
Die Objekte konnten aber auch als Tauschobjekte für Lebensmittel dienen oder um
Funktionshäftlinge für sich günstig zu stimmen.
Durch Überlebendenberichte ist auch bekannt, dass SS-Personal solche kleinen Kunstwerke privat
für sich arbeiten ließen. Im Zuge von Nachkriegsprozessen legten ehemalige Aufseherinnen oder
Funktionshäftlinge solche Stücke zum Zweck der Entlastung vor, die sie nach eigener Aussage im
Lager als Geschenk erhalten hätten. Die Objekte wurden in diesem Zusammenhang zu juristischen
Beweisstücken, wie Insa Eschebach einmal formulierte.
Präsentation
Die kleinen Objekte wurden von den Häftlingen auf verschiedene Weise gerettet. Einigen gelang es,
sie bei ihrer Entlassung aus dem KZ mitzunehmen. Andere brachten sie bei ihrer Befreiung durch
das schwedische und internationale Rote Kreuz mit in die Freiheit. Frauen, die kurz vor Auflösung
des Lagers nach Nordwesten getrieben wurden, nahmen die kleinen Objekte am Leib versteckt mit.
Bis heute werden viele dieser Kostbarkeiten im Familienbesitz aufbewahrt.
1956 gründete sich das Internationale Ravensbrück-Komitee, um die Einrichtung der Nationalen
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zu begleiten. Da die Gedenkstättengründung von
Überlebenden unterstützt wurde, trennten diese sich von einer Vielzahl von Objekten, um diese im
ersten Lagermuseum zu zeigen. Die ersten Miniaturen kamen bereits 1958/1959 in die Sammlung.
Am 12. September 1959 wurde die Gedenkstätte Ravensbrück als eine von drei nationalen Mahnund Gedenkstätten in der DDR eröffnet. Viele der Miniaturen waren schon in der ersten
Ausstellung im Zellenbau zu sehen. (Foto Heinz Nixdorf, Berlin).
Auch nach der Neugestaltung des Museums des antifaschistischen Widerstandskampfes, nun in der
ehemaligen Kommandantur lokalisiert, dienten Miniaturen als Exponate. (Foto).
Im Zellenbau wurden von den verschiedenen Überlebendenverbänden oder anderen Repräsentanten
nationale Gedenkräume eingerichtet. Bis heute sind auch dort zahlreiche Miniaturen (Foto Britta
Pawelke) ausgestellt.
Auch die nach der Gründung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten 1993 erarbeiteten neuen
Dauerausstellungen in der ehemaligen Kommandantur präsentierten Miniaturen (Foto H.
Heuschkel, Berlin).
Ebenso zeigt die im April 2013 eröffnete Hauptausstellung eine Auswahl der Miniaturen im
Original (Foto Britta Pawelke).
Konservierung
„Alle Materialien, auch Kunststoffe, zerfallen im Alter.“ Hat der Zerfallsprozess – die
Konservatoren sprechen von Degradation - bereits eingesetzt, ist er nicht mehr zu stoppen oder
umzukehren. Die Gedenkstätte plant, 3 D Scans von den Miniaturen anfertigen zu lassen und sie
somit in ihrer Form für die Nachwelt zu sichern. Das würde auf längere Sicht auch die Möglichkeit
bedeuten, Nachbildungen auszustellen, so dass die Originale im geschützten Depot verbleiben
können.
Für diese Vorhaben bitten wir daher um eine Spende auf das Konto der Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten, Stichwort "Miniaturen".
Kontonr. 301 79 07
BLZ 100 208 90 Hypovereinsbank
Die Gemälde von Antje Majewski sind käuflich zu erwerben. Bei Interesse melden Sie sich bitte bei
der Galerie neugerriemschneider GmbH,
Linienstr. 155, D-10115 Berlin, Telefon t: +49 30 288 77277.
Zwei der Bilder wurden bereits an die Bundesrepublik Deutschland - Sammlung Zeitgenössische
Kunst verkauft.
Die Hälfte des Erlöses sowohl von der Künstlerin als auch der Galerie neugerriemschneider kommt
dankenswerter Weise den Sammlungen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zugute, die
andere Hälfte dem Verein STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative.
Antje Majewski: Miniaturen
Antje Majewski beschäftigt sich in ihren Gemälden und Videos mit der sozialen
Bedeutung von Objekten, besonders in musealen Zusammenhängen. Sie lebt und
arbeitet teilweise in Himmelpfort, nicht weit von der Mahn- und Gedenkstätte
Ravensbrück. Im Frühjahr 2013 fielen ihr in der neuen Präsentation der Gedenkstätte
kleine Objekte auf, die von den Gefangenen des Frauen-Konzentrationslagers
Ravensbrück gemacht wurden. Sie wurden meist anderen Gefangenen (und in
seltenen Fällen auch SS-Aufseherinnen) geschenkt. Viele dieser Gegenstände
wurden aus Plastikzahnbürsten geschnitzt. Nur wenige der Miniaturen sind zu sehen,
da sich das Plastik abbaut und durch Ausdünstungen auch die benachbarten
Gegenstände zerstört.
Antje Majewski entschied sich, diese Objekte in der Serie Miniaturen zu malen, um
sie zu vergrößern und sichtbar zu machen ; gleichzeitig konservieren die Gemälde ihr
Abbild für eine Zeit, in der die Objekte selbst vielleicht zerfallen sein werden. Die
Serie von Gemälden fügt sich so in die Aufgabe der Gedenkstätte ein, die Erinnerung
an die Frauen wachzuhalten, die in diesem KZ gelitten haben. Im Falle eines
Verkaufes wird der Erlös dabei helfen, Restaurierungsarbeiten an der Originalen
sowie 3D-Scans zu finanzieren.
In der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück gibt es zwei unterschiedliche Formen
ihrer Präsentation. Im früheren Gefängnisblock wurden einige Zellen von den
Verbänden ehemaliger Häftlinge aus den verschiedenen Herkunftsländern als
Gedenkräume eingerichtet – hier werden die Miniaturen zu Reliquien. Die neue
Ausstellung dagegen, kuratiert von einem Team um die Leiterin Dr. Insa Eschebach
im Gebäude der ehemaligen Kommandantur, hat einen eher soziologischen und
didaktischen Ansatz, der die BetrachterInnen über die sozialen Beziehungen unter
den Inhaftierten unterrichtet.1
Viele der Gegenstände stellen Miniaturhunde dar; es gibt auch einige Elefanten,
Katzen, einen Schlüssel und mehrere Miniatur-Brieföffner. Möglicherweise ähneln sie
Objekten, die diese Frauen in der Freiheit gemacht hätten, um sie Freundinnen zu
schenken. Sie gehören zu einer Tradition, die in die Zeiten der Wunderkammern
zurückreicht: Handwerkskunst in Form von Miniaturtieren, Schühchen und Tässchen
zu zelebrieren, oder tausend Gesichter in einen Kirschkern zu schnitzen. Während
die luxuriös unbrauchbaren Gegenstände in der Wunderkammer dazu bestimmt
waren, die Oberschicht zu amüsieren, scheint es seltsam, dass einige der
gefangenen Frauen ihre kostbare Zeit und Energie darauf verwenden sollten, solch
unbrauchbare Objekte aus ihren Zahnbürsten herzustellen – oder sogar aus einem
Kirschkern.
1 Siehe
auch: Insa Eschebach, Ravensbrück – Erinnerungsstücke. Zum Ausstellen von Dingen in
nationalen Gedenkräumen. Museumsblätter: Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg /
Doch diese Objekte hatten einen anderen, sehr wichtigen Nutzen. Oftmals waren es
Geschenke. Freundschaft war innerhalb des Lagers keineswegs ein Luxus.
Freundschaft war eine Möglichkeit, zu überleben. In der Lage zu sein, etwas
schenken zu können, einem anderen Menschen eine Freude zu machen, half, die
Bindungen zu festigen, die angesichts des Todes von größtmöglicher Bedeutung
sein konnten. Viele der Frauen blieben ihr Leben lang befreundet, wenn sie das
Lager überlebten.
Die Miniaturen wurden auch als Glücksbringer angesehen. Einige der Gegenstände
waren religiöser Natur, meistens handelt es sich um Kreuze oder Rosenkränze. Aber
die kleinen Hunde, Katzen oder Elefanten hatten keine kodierte Bedeutung.
Der Akt des Schaffens einer Form ist in sich ein Akt der Freiheit, besonders wenn
diese Form keinen offensichtlichen Nutzen hat. Indem sie ein Messer nahmen und
etwas aus ihrer Vorstellung heraus schufen, während sie unter den Bedingungen
eines extrem regulierten Tagesablaufs lebten, in dem beinahe jeder Schritt
beobachtet wurde und ihr Leben in Sklavenarbeit aufging, muss dies für die
Gefangenen ein Moment der Rückkehr zu sich selbst gewesen sein, ein Widerstand
dagegen, in eine Maschine verwandelt zu werden, die benutzt werden konnte, bis sie
abgenutzt war. Mit Aby Warburgs Worten lässt der Akt des Erschaffens von Formen
einen »Distanz-Raum« entstehen, der helfen konnte, die Angst zu bannen. Wenn die
Gabe der Objekte an eine Freundin mit einer kleinen Zeremonie verknüpft war, der
Feier eines Geburtstages oder Feiertages, dann war das ebenfalls eine sozial
geteilte Form. Diese Objekte scheinen heute die Unterpfänder der Freiheit zu sein:
der Freiheit, Gefühle zu haben, für andere zu sorgen, von einem Leben nach dem
Lager zu träumen – und der Freiheit, Formen ohne Nutzen zu erschaffen.
Formen ohne Nutzen, aber möglicherweise mit doppelter Bedeutung: Ein Schlüssel –
um das Gefängnis aufzuschließen. Ein Brieföffner – um die zensierten Briefe zu
öffnen, die ihnen von der Welt draußen berichteten. Oder ein Brieföffner, den man als
Waffe gebrauchen konnte? Winzige Schuhe – während viele Gefangene blutende,
offene Füße von der Arbeit oder vom langen Stehen im Appell ohne Schuhe hatten.
Ein Pferd oder ein Vogel – um davonzufliegen oder zu galoppieren. Haushündchen –
um die deutschen Schäferhunde zu ersetzen, die darauf trainiert waren, fliehende
Gefangene anzugreifen und ihnen die Gedärme herauszureißen.2
Antje Majewski sieht sich als die zweite Autorin der gemalten Objekte – eigentlich
bereits die dritte Autorin, denn die Objekte konnte sich nur auf der Grundlage von
Fotografien malen, das sie viel zu fragil sind, um selbst Modell zu stehen. Die Serie
basiert deshalb auf Fotos von Dr. Cordia Schlegelmilch, die freundlicherweise von
der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zur Verfügung gestellt wurden.
2 Wie
zum Beispiel erzählt in: Charlotte Müller, Die Klempnerkolonne in Ravensbrück, Dietz, 1981 Da ihre eigentlichen Urheberinnen aber die Gefangenen sind, schien es Antje
Majewski richtig, mit diesen Gemälden kein Geld verdienen zu wollen. Auch die
Galerie neugerriemschneider, von der Antje Majewski vertreten wird, beteiligt sich
hier zur Hälfte. Im Falle des Verkaufs eines der Gemälde der Serie Miniaturen wird
die Hälfte des Erlöses der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück zur Verfügung
gestellt. Die andere Hälfte wird dem Verein STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative
zugute kommen. Aus der Serie der Miniaturen wurden bisher zwei Arbeiten an die
Sammlung der Bundesrepublik Deutschland verkauft, der Erlös wurde gespendet.
Viele deutsche Staatsbürger, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden,
überlebten nur, weil andere Länder sie aufnahmen. Das Recht auf Asyl ist auch
deshalb in unserer Verfassung verankert: jeder Flüchtling, der aus politischen,
rassistischen oder anderen Gründen verfolgt wird, darf in Deutschland Asyl suchen.
An die Stelle dieses unbedingten Grundrechts ist heute ein Recht getreten, das an
bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Deutschland hat eine Regelung im
europäischen Recht ausgehandelt, die einem Flüchtling das Recht abspricht, um
Asyl zu bitten, falls er/sie über ein sicheres Drittland einreist (§ 26 a AsylVfG).
Das Recht auf Asyl sollte für jede/n gelten, der Asyl braucht und Deutschland erreicht
– egal auf welchem Weg. STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative betreut Flüchtlinge
auch ohne gültige Papiere bei Behördengängen, medizinischen Notfällen und mit
psychologischer Beratung.
Antje Majewski bedankt sich besonders bei Frau Dr. Insa Eschebach und ihren
Mitarbeitern in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück für die wunderbare
Zusammenarbeit; bei der Galerie neugerriemschneider für die Beteiligung an der
Spendenaktion und ihr Vertrauen; bei der Sammlung des Bundes für den Ankauf;
außerdem bei Eva Scharrer, Svenja Reichenbach, Kenan Darwich und Omar Nicolas
für ihren Anteil an der ersten Ausstellung der Miniaturen in der Deutschen Bank
Kunsthalle 2013.
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Antje Majewski: Miniaturen / Miniatures
In recent years, Antje Majewski’s paintings and videos have questioned the social
significance of objects, specifically in the context of museums. She lives and works
partly in Himmelpfort, not far from the Memorial Museum Ravensbrück. In spring
2013 she noticed small objects made by the prisoners of the concentration camp for
women Ravensbrück. They were exchanged or given to other prisoners (and in rare
instances, to SS guards) as gifts. Many of these objects were carved out of plastic
toothbrushes. Only very few items are on display, because the plastic they are made
of disintegrates and its evaporations even destroy objects nearby.
Antje Majewski decided to paint these objects in the series Miniatures. She wanted
to enlarge them in order to bring them back in into visibility; at the same time, the
paintings conserve the image of the objects for the time in which they themselves
might have disintegrated. The series of paintings tries hereby to take part in the
responsibility of the Memorial to keep the memory of the women alive that have
suffered in this concentration camp. In the case the paintings are sold, they will help
to finance restauration work and 3D-scans of the original objects.
Within the Memorial Museum Ravensbrück, the miniatures are presented in two
different ways. In the former prison cellblock, some cells have been turned into
memorial rooms by former prisoner organizations from the different countries of their
origin. Here, the miniature objects become relics. The new exhibition curated by a
team around the director Mrs. Insa Eschebach in the former »Kommandantur«
building has a more sociological and didactic approach, teaching us about social
relationships among the prisoners.3
Many of the objects show pet dogs; there are also some elephants, cats, a key, and
miniature letter openers. They may be similar to familiar objects, which these women
would have made in freedom in order to give them to friends. The objects belong to a
tradition of celebrating craftsmanship dating back to the times of the Wunderkammer:
in miniature animals, shoes or cups; or carving hundreds of faces into a cherry pit.
The luxury items in the Wunderkammer were meant for leisurely pleasure of the
upper classes and most of the times they are not useful in any other sense. But it
seems strange that some of the imprisoned women would spend their precious time
and energy on producing such un-useable objects, made out of their toothbrushes –
or even a cherry pit.
But they had a different usefulness, and a very important one. These objects often
served as gifts. Having friendships inside the camp was by no means a luxury;
maintaining friendships was a way to survive. The luxury of being able to make a gift,
to elicit joy in another human being, helped to strengthen the ties that could become
of utmost importance in the face of death. Many of the women stayed friends for life
after having survived the camp.
These miniatures were also thought of as good luck charms. Some of the items were
of a religious nature, mostly crosses or rosaries. But the small dogs, cats or
elephants have no coded meaning.
3
See also: Insa Eschebach, Ravensbrück - Erinnerungsstücke. Zum Ausstellen von Dingen in
nationalen Gedenkräumen. Museumsblätter: Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg / [Ed.
Museumsverband des Landes Brandenburg e. V.], Heft 10 / 2007, pp. 34 – 39. Insa Eschebach,
Ravensbrück. Die Gedenkstätte im Kontext der deutschen Nachkriegsgeschichte. Museumsblätter:
Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg /
[Ed. Museumsverband des Landes Brandenburg e. V.] Heft 20 / 2012, pp. 50 – 55 The act of creating a form is in itself an act of freedom, especially if this form has no
obvious use. In taking a knife and creating something out of their imagination, when
forced to live under an extremely regulated daily routine, with almost every step
watched and life spent in slave labor, this in itself must have been a moment of return
to oneself, to resist being turned into a machine that could be used until it was used
up. In Aby Warburg’s words, the act of creating forms created a »Distanz-Raum«
(distancing room) that could help to ban fear. If the act of giving an object to a friend
took place in a small ceremony: celebrating someone’s birthday, or a religious event
– this was also a socially shared form created by the prisoners. These objects were
tokens of freedom: the freedom to have emotions, to care for and about others, to
dream of a life after the camp – and the freedom to create, to create forms of no use.
Of no use, but with a possible double meaning: A key – to open the prison. A knife to
open a letter – the censored letters telling them about the world outside. Or a knife to
be used as a weapon? Tiny shoes – when many prisoners had bleeding, open feet
from working or standing for long hours while being counted - without shoes. A horse
or a bird – to fly away, to gallop away. Pet dogs – to replace the German shepherd
dogs that were trained to attack fleeing prisoners and tear their intestines out.4
Antje Majewski sees herself as the secondary author of the painted objects – in fact
even the third author, because the objects themselves are by far too fragile to serve
as models. The series of paintings is therefore based on photos taken by Dr. Cordia
Schlegelmilch, generously provided by the Ravensbrück Memorial Museum.
Since the original authors were the prisoners it seemed evident to Antje Majewski not
to earn any money herself by selling these paintings. The gallery
neugerriemschneider, by whom Antje Majewski is represented, also decided to
donate their half of any possible sales. If a painting of the series of Miniatures is sold,
half of the profit will be donated to the Ravensbrück Memorial Museum, and the other
half to the association STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative. Until today, two of the
paintings of the series of Miniatures were sold to the collection of the German
Federal Republic, and this money was donated.
Many German citizens persecuted by the National Socialists only survived because
some other countries took them in as refugees. This is one of the reasons why the
right to apply for asylum is guaranteed in our constitution: any refugee who is
persecuted because of political, racial, or other reasons is allowed to seek asylum in
Germany. This basic right now has been negotiated to become a right linked to
certain conditions. Germany has negotiated a regulation within European law, that
does not allow a refugee to apply for asylum if he/ she enters from a safe third
country (§ 26 a AsylVfG). The right for asylum is one of the most important rights and
should apply to anyone in need of asylum who manages to reach Germany, no
4 As
for example told in: Charlotte Müller, Die Klempnerkolonne in Ravensbrück (Dietz, 1981) matter in which way. STAY! Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative helps refugees with and
without papers to deal with the authorities and have access to medical and
psychological help.
Antje Majewski would like to thank Dr. Insa Eschebach, Dr. Sabine Arend and their
colleagues at the Memorial Museum Ravensbrück; the gallery neugerriemschneider
for their participation in the idea of a donation and their trust; the collection of the
Federal republic of Germany for their acquisition; and Eva Scharrer, Svenja Gräfin
von Reichenbach, Kenan Darwich and Omar Nicolas for their contributions to the first
exhibition of the Miniaturen in Deutsche Bank Kunsthalle, 2013.