Healthy Body, Healthy Mind, Healthy Music

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Healthy Body, Healthy Mind, Healthy Music
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Healthy Body, Healthy Mind, Healthy Music
Physiophrophylaxe als Möglichkeit der Verbesserung von
Fehlhaltungen bei QuerflötistInnen
Magisterarbeit
in der Studienrichtung Instrumental (Gesangs) Pädagogik
vorgelegt von
Bakk. art Marija Podnar
am
Institut für Musik- und Bewegungserziehung sowie Musiktherapie
Betreut von
OA Dr. med. Bernhard Riebl
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Matthias Bertsch
Wien, März 2009
1
Inhaltsverszeichnis
0. Vorwort und Inhaltsübersicht
5
1. Einleitung: Zur Problematik von MusikerInnenerkrankungen
8
2. Zur Epidemiologie und Ätiologie der MusikerInnenerkrankungen
2.1. Art und Häufigkeit von Erkrankungen
3. Physische Beschwerden von MusikerInnen und Therapievorschläge
3.1. Störungen des Muskeltonus
11
11
18
20
3.1.1. Zur Problematik muskulärer Dysbalancen
20
3.1.2. Muskuläre Verspannungen bei QuerflötistInnen
22
3.2. Nervenerkrankungen
24
3.2.1. Nervenkompressionen im Finger
24
3.2.2. Sulcus ulnaris-Syndrom
24
3.2.3. Karpaltunnelsyndrom
26
3.3. Sehnen- und Gelenkserkrankungen
29
3.3.1.Tendovaginitis
29
3.3.2. Tendovaginitis stenosans de Quervain
30
3.3.3. Epicondylitis
32
3.3.4. Fokale Dystonie (Musikerkrampf)
33
3.3.5. Zwischensehnenschmerz
34
3.3.6. Gelenksarthritis (des Fingers und des Ellbogens)
36
3.3.7. Periarthritis humeroscapularis
37
3.4. Überlastungssyndrom
38
3.4.1. Ursachen und Auslöser für das Überlastungssyndrom
39
3.4.2. Dispositionen bei QuerflötistInnen
40
3.4.3. Schmerzsymptome bei Überlastung
41
3.4.4. Therapeutische Ansätze
42
2
3.5. Weitere typische Erkrankungen von MusikerInnen
44
3.5.1. Emotionaler Stress
44
3.5.2. Andere Probleme (des Sehens, des Gehörs und der Haut)
45
4. Haltungs- und Bewegungsprobleme von QuerflötistInnen
46
4.1. Theorie der Haltung
46
4.2. Von der Haltung zur Bewegung
47
4.3. Zur Körperarbeit von QuerflötistInnen
48
4.4. Typische Haltungsprobleme von QuerflötistInnen
49
4.5. Problemzone Hand
52
4.5.1. Modifizierte Ergonomie meiner Querflöte
5. Maßnahmen zur Therapie und Heilung
56
60
5.1. Medikamentöse Therapien
60
5.2. Thermotherapien
61
5.3. Elektrische Stimulationen zur Schmerzlinderung
62
5.4. Orthesen
63
6. Rehabilitierende Maßnahmen
64
6.1. Dehnung der Muskeln
64
6.2. Lymphdrainage
67
6.3. Triggerpunkttherapie
67
6.4. Spiraldruck-Therapie
68
6.5. Massagen
68
6.6. Übungen zur Muskelentspannung
69
3
6.7. Mentales Üben
7. Strategien der Prävention
72
73
7.1. Prävention als Thema
73
7.2. Theorie der Physioprophylaxe
75
7.3. Prävention in der LehrerInnen-Ausbildung
77
8. Healthy Body: Physioprophylaxe in der Praxis
79
8.1. Sport für MusikerInnen
79
8.2. Entspannungstechniken für MusikerInnen
81
8.2.1. Alexander-Technik
81
8.2.2. Feldenkrais-Methode
82
8.2.3. Qigong
82
8.2.4. Taijiquan
83
8.2.5. Yoga
84
9. Healthy Mind: Prophylaktische Psychologie des Musizierens
85
10. Epilog: Physioprophylaxe für MusikerInnen in der Praxis
88
10.1. Das Projekt „Musik und Muskeln – Locker sein macht stark“
88
10.2. Abteilung für Integrative Atem-, Stimm- und Bewegungsschulung
89
10.3. Mein persönliches Fitness- und Therapieprogramm
90
11. Zusammenfassung
93
Literaturverzeichnis
94
Lebenlauf
103
Erklärung
105
4
0. Vorwort und Inhaltsübersicht
Man sagt, dass man aus eigenen Fehlern am besten lerne. Meine eigene
Leidensgeschichte als Musikerin mit Schmerzen begann in Wien, der Stadt der
Musik. Es war das gesamte „Wien-Gefühl“, das mir Unwohlsein bereitete. Wien war
für mich, einer im Jahr 2001 „Zugereisten“ aus Kroatien, eine Stadt, in der es im
Winter sehr kalt ist, in der ich keine Familie und zu Beginn auch keine Freunde hatte.
Ich wurde immer introvertierter und fühlte mich nicht besonders gut, doch keiner
wollte den Grund dafür erkennen oder bot Hilfe an. Bevor ich nach Wien kam, hatte
ich keine gröberen Schmerzen, relativ uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und
Ausdauer. Als plötzlich Schmerzen beim Querflötenspiel auftraten, musste ich
lernen, in allen Lebenslagen – und vor allem beim Spielen – auf meinen Körper
besonders zu achten.
Ich brauchte viel Zeit und Geduld, um mich in meiner Haut wieder wohl fühlen zu
können. Diese notwendige Zeit bzw. Geduld ist mir nicht von vielen Leuten gegeben
worden. Ich habe deswegen auch sehr gelitten. Die meisten Leute (Lehrende,
Studierende und andere „gesunde“ Personen) in meiner Umgebung haben viel eher
Verständnis, wenn jemand wegen Fieber und Halsweh nicht spielen kann, als wenn
man wegen „unsichtbarer“ Schmerzen das Spiel oder unwichtige Bewegungen
vermeidet. Das also war meine Erfahrung, die mich bis heute in meinem
Musikerinnenleben begleitet.
Die Schmerzen kommen immer wieder, nur gehe ich heute damit anders um. Ich
habe gelernt (und lerne noch immer), auf meine Körpersignale besser zu achten.
Leider gelingt es mir nicht immer, auf diese Signale sofort zu achten – auch weil
Menschen vielfach kein Verständnis dafür haben. Ich versuche, die Signale meines
Körpers zu respektieren und gebe meinem Körper Zeit, sich zu regenerieren. Mit
meinen medizinischen Fachkenntnissen – ich habe ein Diplom in Physiotherapie der
Hochschule für Medizin in Zagreb – und dank meines Interesses an verschiedenen
Arten von Körperarbeit habe ich ein ganzheitliches Körperprogramm für mich
zusammengestellt.
5
Ich praktiziere regelmäßig Wirbelsäulengymnastik nach Pilates und mache BodyfitKörperübungen, Taijiquan1, Qigong (leichte energetische Übungen und Meditation
zum Stressabbau), Feldenkrais, und ich tanze. Bei großen Schmerzen mache ich
Bio-Feedback Training und verwende TENS Physiotherapie, eine Art von
elektronischem
Massagegerät
zum
Schmerzabbau.
Ich
brauche
für
diese
Beschäftigungen neben der Musik sehr viel Zeit. Sie sind aber Voraussetzungen für
meine musikalische Tätigkeit und darüber hinaus für mich und für mein gutes
Körpergefühl wichtig.
In der Musik ganz allgemein und natürlich besonders beim Studium steht das zu
hörende Resultat im Vordergrund, nicht aber, wie dieses zustande kommt. Dieses
Gefühl, zu viel Spannung zu haben, im Körper blockiert zu sein oder Schmerzen zu
haben, wird von anderen Leuten meistens ignoriert – entweder, weil die Leute nicht
emphatisch genug sind, oder weil sie einfach nicht dazu erzogen sind, wie man damit
umgehen soll. Da jeder Mensch physiologisch und psychisch unterschiedlich stabil
ist, äußern sich die daraus resultierenden Folgen bei jedem Menschen anders. Der
Eine verspürt zwar ein gewisses Unbehagen, es kommt aber zu keiner ernsthaften
Erkrankung,
während
ein
Anderer
bei
gleichen
Symptomen
krankhafte
Veränderungen aufweist.
Mit dieser Arbeit möchte ich versuchen, meine Erfahrungen systematisch und mithilfe
wissenschaftlicher Literatur aufzuarbeiten und produktiv zu nützen – um womöglich
anderen KollegInnen Anregungen zur Vorbeugung zu geben, bevor es „zu spät“ ist
und eine Verletzung oder Erkrankung manifest wird.
Nach einer Einleitung, in dem ich die Bedeutung des Themas umreiße, werde ich im
ersten Hauptteil einige Studien zur Epidemiologie von Musikererkrankungen
vorstellen. Im zweiten Hauptteil stehen dann die wichtigsten akuten physischen
Leiden von MusikerInnen im Zentrum sowie erste Therapievorschläge.
1
„Qigong“ und „Taijiquan“ sind die modernen Schreibweisen (Pinyin-Umschrift) der Volksrepublik
China
6
Inspiriert von der „Gesundheits Definition“ der Weltgesundheitsorganisation WHO,
wird auch die Psyche des Menschens oder „Geist – Mentale Ebene“ kurz
beschrieben.2
Dann wird die rein epidemiologische und therapeutische Ebene verlassen, um
einerseits den speziellen Problemen von QuerflötistInnen nachzugehen, aber auch
Vorschläge zu machen, wie neben der Therapie sonst noch mit Krankheiten und
Beschwerden umgegangen werden soll. Und schließlich wende ich mich im letzten
Drittel der Arbeit dann noch möglichen Maßnahmen zu, um zu vermeiden, dass es
gar nicht erst zu Beschwerden kommt: der Physioprophylaxe und anderen
präventiven Strategien. Im abschließenden Kapitel „Wege zum gesunden Körper“
stelle ich mein Trainingsprogramm vor sowie Tipps, die – nicht nur meine –
körperliche Fitness unterstützen.
2
“Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of
disease or infirmity”, zitiert nach Wikipedia, Suchbegriff „Health“ - WHO. "Constitution of the World
Health Organization" World Health Organisation; (2006). URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Health
(13.03.2007)
7
1. Einleitung: Zur Problematik von MusikerInnenerkrankungen
Der Körper ist dein Haus, in dem du wohnst – lerne ihn kennen und
nutzen. 3
Der Alltag eines Musikprofis sieht in der Regel so aus: stundenlanges Stehen bei der
Probenarbeit und bei den Aufführungen, Sitzen auf unergonomischen Stühlen, und
trotz widriger Umstände müssen doch Höchstleistungen gebracht werden. Fast alle
KollegInnen haben deshalb Probleme mit ihren Bewegungen und mit ihrer
Körperhaltung.
Sind MusikerInnen nicht auch irgendwie AthletInnen? Dass ein Profisportler von
einem oder mehreren TrainerInnen, Mentalcoaches, PsychologInnen, ÄrztInnen,
ErnährungswissenschaftlerInnen, PhysiotherapeutInnen und anderen ExpertInnen
betreut wird, weiß heute jeder, der sich nur etwas für Spitzensport interessiert. Was
viele Leute nicht wissen, ist, dass der Körper von MusikerInnen ähnlich stark
strapaziert wird wie der von ProfisportlerInnen. MusikerInnen spielen viele Stunden
unter höchster emotionaler und körperlicher Anspannung. Sie werden aber nach den
Proben oder Konzerten im Normalfall nicht massiert und ihre Muskeln nicht
gelockert. MusikerInnen spielen bei Proben und Konzerten bis zu 30 Stunden pro
Woche. Das tägliche Üben ist dabei noch nicht mitgezählt.
Ich beschäftige mich in dieser Arbeit mit den körperlichen Beschwerden von
professionellen
MusikerInnen,
Therapiemöglichkeiten
aber
vor
allem
auch
vorbeugenden Maßnahmen. Die Bedeutsamkeit dieser Problematik ist offensichtlich:
Alle körperlichen, aber auch psychischen Beschwerden sind Störquellen für das
Musizieren und seine Qualität. Dass ich mich dabei im Speziellen auch mit
Erkrankungen von QuerflötistInnen beschäftige, hat zwei einfache Gründe: Zum
einen bin ich selbst Querflötistin und kann daher einiges aus eigener Erfahrung
beisteuern. Zum anderen ist es so, dass unter den Blasinstrumenten die Querflöte
die meisten körperlichen Beschwerden zu verursachen scheint, ähnlich der Violine,
3
Köbernick und Puls (1999), S. 5
8
mit der sie auch gemeinsam hat, dass die von den InstrumentalistInnen eine
asymmetrische Körperhaltung verlangt.4
Die körperlichen Beschwerden bei MusikerInnen haben oftmals eine lange
Vorgeschichte. Verspannungen schleichen sich allmählich ein, es beginnt schon in
der Schul- und Ausbildungszeit und geht danach im Studium weiter. Oft werden die
Ursachen entweder woanders gesucht – oder überhaupt nicht. Den ProfessorInnen
und KollegInnen fehlt zuweilen das Verständnis für plötzliche oder sogar chronische
Schmerzen. Solche MusikerpatientInnen werden auch oft von den ÄrztInnen nicht
verstanden, denn für die Behandlung sollte der Arzt ein „Musik(er)kenner“ sein, was
aber oft genug nicht der Fall ist.
Eine entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpers und
Geistes spielt der körperliche Ausgleich – wie schon die alten Lateiner wussten:
Mens sana in corpore sano. Oder anders formuliert: Wer körperlich fit ist und
insgesamt einen guten Muskeltonus besitzt, bleibt zumeist resistent gegen
Gesundheitsschäden am Instrument.5 MusikerInnen sollten ihren Beruf als
gesamtkörperlichen Vorgang sehen, bei dem Feinmotorik und Grobmotorik ebenso in
Wechselwirkung stehen wie Emotionalität und Rationalität.
Spätestens dann, wenn die ersten Schmerzen auftreten, ist es wichtig, ein
Übungsprogramm
zur
Verbesserung
der
Körperstatik
zu
beginnen.
Diese
Programme sollten individuell abgestimmt sein, denn es gibt keine einfachen
Patentlösungen, die in jedem Fall wirken.
Es sind zahllose Bücher und Artikel zum Thema Musikererkrankungen geschrieben
worden. Erste Ausführungen darüber finden sich bereits im 1713 gedruckten Buch
„De Morbis Artificum“, das von Dr. Bernadino Ramazzini, einem italienischen Arzt,
verfasst wurde Er schrieb damals unter anderem: „Keine Art von Übung ist so
gesundheitsfördernd oder harmlos, das sie nicht auch Störungen verursacht, wenn
damit übertrieben wird.“6 In Deutschland begann die Entwicklung der Musikermedizin
spätestens 1832 mit dem Erscheinen des „Ärztlichen Ratgebers für Musiktreibende“
von Karl Sundelin. Schon Telemann hatte von einer Sehnenscheidenentzündung in
seiner linken Hand berichtet.7
4
Wurz (1995), S. 87
5
Vgl. Brandfonbrener (1995), S. 113; Puls (2000)
6
Norris (1997), S. 9 (meine Übersetzung, M.P.)
7
Vgl. Samsel et al. (2005), S. 7
9
Eine Institutionalisierung fand das Fach unter anderem, als Prof. Dr. Christoph
Wagner das Institut für Musikphysiologie an der Hochschule für Musik in Hannover
mit dem Forschungsschwerpunkt physiologische Eignungsdiagnostik für das
Instrumentalspiel gründete. Eine wichtige Rolle bei der Etablierung in den USA kam
der 1977 veröffentlichten Publikation „Music and the Brain – Studies in the Neurology
of Music“ zu. Sie gilt als wichtiger Anstoß zur Gründung der „Performing arts
medicine“, also einer speziellen medizinischen Fachrichtung, die sich insbesondere
mit den Problemen von praktizierenden MusikerInnen befasst. In den darauf
folgenden
Jahren
verstärkte
sich
die
fachliche
Auseinandersetzung
über
gesundheitliche Probleme von MusikerInnen. Das kommt auch durch die Gründung
von Fachzeitschriften wie Medical Problems of Performing Artists (1986) zum
Ausdruck.8
In heutigen wissenschaftlichen Studien zu dem Thema geht es zumeist um
BerufsmusikerInnen, die unter körperlichen und psychischen Symptomen leiden.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass alle Profis vor ihrer Tätigkeit als
BerufsmusikerInnen zuerst einmal StudentInnen gewesen sind. Bereits in der
Ausbildungszeit üben die Studierenden intensiv, stundenlang, nicht immer
konzentriert und oft ohne Pausen. Natürlich führt das nach einiger Zeit zu
Beschwerden wie Überlastungen, Verspannungen, Schmerzen oder geistiger
Erschöpfung, die als Folge lang gewohnter Bewegungsmuster und mechanischer
Bewegungsabläufe auftreten. Dazu kommt, dass MusikerInnen eben nicht nur von
und mit Musik (Proben, Üben, Konzerte) leben, sondern auch ihren alltäglichen
Verpflichtungen nachgehen müssen. Für vieles andere (wie zum Beispiel Sport als
Ausgleich) gibt es oft wenig Zeit.
8
Vgl. Samsel et al. (2005), S. 7
10
2. Zur Epidemiologie und Ätiologie der MusikerInnenerkrankungen
Warum sich die Musikermedizin als eigene Disziplin etablieren konnte, hängt auch
damit zusammen, dass die betroffene Berufsgruppe nicht zu unterschätzen ist. Allein
in Deutschland arbeiten zurzeit etwa 11.500 BerufsmusikerInnen in Sinfonie- und
Theaterorchestern, weitere 35.700 in Musikschulen. In den Musikstudiengängen sind
etwa 25.500 Studenten eingeschrieben und an den staatlichen Musikschulen nahezu
eine Million Schülerinnen und Schüler angemeldet.9
2.1. Art und Häufigkeit von Erkrankungen
Einschlägige Statistiken zeigen, dass bis zu acht von zehn BerufsmusikerInnen unter
Schmerzen, Ermüdung, Verkrampfung leiden und als Folge davon über Verluste an
Kraft, Ausdauer, Geläufigkeit, Leichtigkeit und Kontrolle klagen. Bei der ersten
deutschen Untersuchung zu gesundheitlichen Beschwerden, die 1985 an 1.803
Orchestermusikern durchgeführt wurde, gaben 40 bis 80 Prozent an, unter
gesundheitlichen
Beschwerden
zu
leiden,
deren
Ursachen
sie
in
ihrer
Berufsausübung sahen.10 Ein Jahr später wurden in einer groß angelegten Studie
2.212 professionelle OrchestermusikerInnen aus 48 US-amerikanischen Orchestern
in der so genannten ISCOM-Studie befragt. In der Gesamtheit berichteten 76
Prozent der MusikerInnen von mindestens einem gravierenden gesundheitlichen
Problem, das sie im Zusammenhang mit dem Musizieren sahen.11
Später durchgeführte Studien kamen zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Und auch die
Zahlen über gesundheitliche Beschwerden von MusikstudentInnen sehen ganz
ähnlich aus. Zudem erleiden knapp unter zehn Prozent aller AbsolventInnen einer
Instrumentalausbildung an der Universität eine Art von Verletzung, die mit der
Ausbildung zu tun hat. 12
9
Vgl. Samsel et al. (2005), S. 10
10
Held (1994), S.11
11
Vgl. Fishbein und Middlestadt (1988)
12
Vgl. Manchester et al. (1991)
11
Grundsätzlich gibt es zwei mögliche Typen von Risikofaktoren für eine Überlastung
bzw. Verletzung: intrinsische und extrinsische. Unter intrinsischen Risiken verstehen
wir funktionelle Charakteristiken der MusikerInnen selbst; extrinsische Risiken
dagegen beziehen sich auf deren Umgebung. Diese Risiken kann man aber auch
danach unterschieden, ob sie veränderbar sind (zum Beispiel Übungsstunden) oder
im Normalfall nicht (zum Beispiel Geschlecht).
Wie wichtig der Faktor Geschlecht ist, haben mehrere Studien gezeigt, die dabei
durchwegs zum Resultat kommen, dass Musikerinnen sich häufiger verletzen oder
an Schmerzen leiden als männliche Kollegen.13 So berichtet Fry davon, dass es bei
10,9 Prozent der Instrumental-Absolventinnen zu Verletzungen kommt und nur bei
6,2 Prozent der männlichen Absolventen.14 Eine Studie, die zwischen den
Studienjahren 1986/87 und 1988/89 bei MusikstudentInnen in der Northeast Iowa
School of Music zum Thema Handverletzungen und Überlastungen durchgeführt
wurde, zeigte folgende Resultate: bei den 114 StudentInnen, die medizinische Hilfe
in Anspruch nahmen, traten insgesamt 122 Verletzungsfälle auf. 73 Musikerinnen
hatten 78 akute Vorfälle und erlitten damit öfter Verletzungen als ihre männlichen
Kollegen (41 „Patienten und 44 Vorfälle).15
Es
wird
einerseits
Körpermuskulatur
vermutet,
nicht
kräftig
dass
genug
Frauen
ist
für
empfindlicher
verschiedene
sind
und
ihre
Anforderungen.
Andererseits erklären andere Forscher die unterschiedlichen Zahlen damit, dass
Frauen früher professionelle Hilfe suchen als männliche Kollegen.16
Im Hinblick auf die betroffenen Hände kommen Manchester und Flieder bei ihrer
Studie zum Schluss, dass StreicherInnen öfter bei der linken Hand Verletzungen
entwickeln, während BläserInnen öfter mit der rechten Hand Probleme bekommen.
Die StudentInnen, die unter hoher Belastung standen, haben auch leichter
mikrotraumatische
Verletzungen
entwickelt.
Im
Hinblick
auf
die
Art
der
gesundheitlichen Probleme kamen die beiden Studienautoren zu folgenden
Prozentzahlen:
13
Vgl. u.a. Goodman und Shaz (1989), S. 9ff.
14
Vgl. Fry (1986)
15
Manchester und Flieder (1991), S.11 und 14.
16
Vgl. Cayea und Manchester (1998)
12
•
Überlastungssyndrom hatten 50 Prozent17
•
Tendinitis hatten 16 Prozent
•
Muskuloskeletal Diagnosen (Entzündungen alle Art, Bandscheibenvorfälle in
der
Halswirbelsäule,
Muskelzerrung
oder
Muskelkrampf,
Epicondylitis,
Bursitis, Arthritis und Fibrositis) hatten 16 Prozent
•
Neurologische Diagnosen (Nervenkompressionen im Finger, Sulcus ulnaris
Syndrom , Karpaltunnelsyndrom) hatten sieben Prozent
•
Ein Studierender litt unter dem Thoracic-outlet-Syndrom18
•
Bei sechs StudentInnen wurde keine Diagnose gestellt, da sie nur bei der
Krankenschwester und nicht beim Arzt waren
Die beiden Autoren beschrieben zudem das so genannte „Back to School“
Phänomen, bei dem Studierende nach eine Pause erneuert vermehrt übten.
Kenntnisse mögliche Präventions-Strategien könnten helfen, diesem Phänomen
vorzubeugen.
Eine Untersuchung von Kathryn Roach und Kollegen aus dem Jahr 1994 an USStudierenden (sowohl InstrumentalistInnen wie auch Studierende, die kein
Instrument an der Universität lernten) zeigt ebenfalls, wie weit verbreitet
Beschwerden bei angehenden InstrumentalistInnen sind: 65 Prozent, also fast zwei
Drittel, klagten über Schmerzen in der Wirbelsäule oder in den Muskeln. Da diese
Studie anonym durchgeführt, wurde, ist das Schmerzresultat entsprechend hoch.
Zwar treffen Muskelschmerzen bzw. Beschwerden der Wirbelsäule nicht nur die
StudentInnen mit einem Instrument im Hauptfach. InstrumentalistInnen werden von
diesen Schmerzen aber sehr viel häufiger geplagt als ihre „normalen“ KollegInnen:
17
Die Autoren der Studie geben keine Definition des Überlastungssyndroms. Für eine detaillierte
Beschreibung des Syndroms in dieser Arbeit vgl. Kap. 3.4.
18
Bei dieser Erkrankung liegt eine zeitweise oder ständige Kompression eines Gefäßnervenbündels,
bestehend aus Plexus brachialis, der Arteria subclavia und der Vena subclavia vor. Das Thoracicoutlet-Syndrom ist ein Phänomen, bei dem im Bereich des oberen Brustkorbes Nerven oder
Blutgefäße eingeklemmt werden. Dies kann verschiedene Ursachen haben, führt aber immer zu
Schmerzen, neurologischen Ausfallserscheinungen oder Thrombosen. Je nach Ursache kann das
Thoracic-outlet-Syndrom medikamentös, physiotherapeutisch oder chirurgisch behandelt werden. Vgl.
u.a. http://p5965.typo3server.info/index.php?id=2&uid=1457 oder http://de.wikipedia.org/wiki/Thoracicoutlet-Syndrom (29.03.2009)
13
sie klagen zu 3,7 Mal öfter Schmerzen in Nacken, 6,3 Mal öfter über Schmerzen im
oberen
Wirbelsäulenbereich
und
6,5
Mal
häufiger
über
Schmerzen
im
Schulterbereich als „gewöhnliche“ Studierende (also Studierende, die kein
Instrument an der Universität lernen).19
Roach et al. haben für ihre Untersuchung 249 Studierende befragt (98 männliche,
149 weibliche; 2 Studierende gaben kein Geschlecht an). Dabei zeigte sich
abermals, dass Frauen „empfindlicher“ sind als ihre männlichen Kollegen.
Studentinnen klagten 1,9 Mal öfter über Schmerzen in den oberen Körpergelenken,
3,6 Mal öfter über Schmerzen im Oberkörper und 2,8 Mal öfter über Schmerzen im
Schulterbereich. Die Annahme der Autoren ist, dass Frauen deshalb mehr
Schmerzen spüren, weil ihre Rumpfmuskulatur im Vergleich mit jener der Männer
viel schwächer ist. Aus diesem Grund gehen sie davon aus, dass insbesondere
Frauen den Schmerzen vorbeugen könnten, in dem sie Trainingsprogramme zur
Stärkung der Muskulatur sowie der Ausdauer absolvieren. 20
Für meine Arbeit von besonderem Interesse ist ein weiteres Untersuchungsergebnis:
Studierende (InstrumentalistInnen), die keine Schmerzen hatten, gaben zu Protokoll,
an 26 Stunden pro Woche physische Aktivität (Bewegung, Sport etc.) auszuüben. Im
Vergleich dazu kam Studierende mit Schmerzen im Schnitt nur auf 17,3 Stunden
physische Aktivität pro Woche.
Eine rezente Studie, die an 103 schwedischen Symphonie- und KammerorchestermusikerInnen und 106 SchauspielerInnen durchgeführt wurde, kam zu ganz
ähnlichen Ergebnissen:
•
Schmerzen im Hals- und Schulterbereich kamen besonders oft vor: 25
Prozent der MusikerInnen und der SchauspielerInnen hatten akute, 20
Prozent hatten chronische Schmerzen.
•
Von Schmerzen im Handbereich waren zehn Prozent der MusikerInnen
und fünf Prozent der SchauspieIerInnen betroffen.
•
Über Schmerzen im Bereich des Mundes (Oral Region) klagten zwölf
Prozent der MusikerInnen und 18 Prozent der SchauspielerInnen.21
19
Vgl. Roach et al. (1994)
20
A.a.O., S. 127f.
21
Vgl. Engquist et al. (2004). Die Studie macht dabei keinerlei Angaben zu den konkreten Problemen
der Mundregion (vgl. S. 58 und 59).
14
Die Autoren der schwedischen Untersuchung versuchten auch zu ergründen, woher
die Schmerzen kamen. Dafür erfragten sie auch die Übungspraktiken. Dabei stellte
sich heraus, dass während der Schulzeit und später in der Orchesterlaufbahn vor
allem Folgendes geübt bzw. praktiziert wird: die musikalische Präzision, viele kleine
sich wiederholende Bewegungen, Stabilisierungen des Instrumentes in manchmal
extremer anatomischer Haltung, Konzentration, künstlerische Tadellosigkeit, sowie
Integration und Anpassung an andere InstrumentalistInnen im Orchester.
Das erklärte Ziel diese Studie war die Erforschung des Zusammenhangs von
physischer Überarbeitung und dem psychosozialem Faktor, zumal bereits frühere
Studien gezeigt haben, dass Beschwerden der Skelettmuskulatur nicht nur durch
physische Überarbeit zustande kommen, sondern auch mit psychosozialen Faktoren
verbunden sind. 22
Im Detail zeigte sich bei den 103 MusikerInnen aus drei Symphonieorchestern sowie
von drei Kammerorchestern zudem, dass die Schmerzen in Schulter und
Halswirbelsäule
mit
25
Prozent
Betroffenheit
nicht
nur
die
häufigsten
Schmerzregionen der InstrumentalistInnen sind, sondern dass diese Schmerzen
oftmals als chronische Schmerzen wahrgenommen und erlebt worden sind. Hände
bzw. Ellbogen (zehn Prozent) waren von der chronischen Ausprägung nicht so sehr
betroffen wie Wirbelsäule und Schulter.
Im Hinblick auf die Therapie berichten die Autoren der Studie, dass die
InstrumentalistInnen aufgrund von Schmerzen in der Schulter, Brustwirbelsäule und
Halswirbelsäule
ihre
Übe-
bzw.
Spielzeit
stark
reduziert
haben.
Manche
Instrumentalisten haben auch Umstellungen in der Spieltechnik vorgenommen.
Eine Detailstudie über ein englisches Kammerorchester wurde von Mathews und
Mathews durchgeführt, nämlich über die Mitglieder der Manchester Camerata, die
nahe am psychischen Limit arbeiten und auch unter erheblichen physischem Stress
stehen. Neun bis 20 Prozent der befragten MusikerInnen dieses Orchesters waren
krank oder auf dem Weg krank zu werden. Im Hinblick auf die Krankheiten zeigten
sich
bei
den
Betroffenen
vor
allem
muskuläre
Dysbalancen,
Sehnen-
(scheiden)entzündungen, Gelenkserkrankungen und fokale Dystonien, also so
genannte Musikerkrämpfe.23
Eine vorläufig letzte Untersuchung, die ich zitieren möchte, stammt aus Brasilien. Sie
ist deshalb von Relevanz, weil sie neben den Schmerzen der MusikerInnen auch
22
Vgl. Engquist et al. (2004). S. 55
23
Mathews und Mathews (1993), S.14
15
psychische Probleme wie Schlafstörungen, emotionalen Stressgrad, Alkoholismus
bzw. Medikamentenabhängigkeit und Drogenmissbrauch unter die Lupe nahm
(Rauchen
und
Alkoholkonsum
sind
sehr
oft
Begleiter
der
MusikerInnen).
„Untersuchungsgegenstand“ war in dem Fall das Symphonieorchester São Paulo.24
Die Schmerzen der MusikerInnen wurden mit der so genannten visuellen-analogen
Skala gemessen. Dazu wurde sensorisch, affektiv analysiert und evaluiert. Auch in
dieser Studie berichteten Frauen drei Mal häufiger über Schmerzen.25 Die
AutorInnen der Studie gehen davon aus, dass dies mit der Anatomie der Hand und
der Ausdauer bzw. Kraft (im Vergleich zu den Männern) zu tun hat und zudem mit
dem jeweiligen Gewicht des Instruments zusammenhängt.
Darüber hinaus zeigte diese Untersuchung aber auch den starken Zusammenhang
zwischen psychischen und physischen Beschwerden: So werden Schmerzen in
Kombination mit Schlafstörungen 4,5-mal stärker wahrgenommen als Schmerzen,
die keine Schlafstörung als verschlimmernden Begleiter haben. Frauen sind davon
drei Mal öfter betroffen als Männer. Konkret berichteten 241 MusikerInnen von
Schmerzen, 62,7 Prozent von ihnen hatten auch Schlafstörungen. Davon wiederum
hatten 25 Prozent Probleme beim Einschlafen, 17 Prozent wachten mehrmals in der
Nacht auf, und 57 Prozent klagten über Müdigkeit nach dem Aufwachen. Die
AutorInnen gehen davon aus, dass Schlafstörungen im Zusammenhang mit
emotionalem Stress stehen.
Hinsichtlich der betroffenen körperlichen Regionen ergab sich bei der Studie das
folgende Bild: Am häufigsten betroffen waren der Reihe nach:
•
Das Lendenwirbelsäule mit 11,4 Prozent
•
die linke Seite der Halswirbelsäule (paracervical) mit 7,2 Prozent
•
die linke Schulter mit 6,8 Prozent
•
die Brustwirbelsäule mit 6,2 Prozent
•
die rechte Schulter mit 5,8 Prozent
•
der linker Arm mit 5,8 Prozent
Zu viel psychologischer Stress – also vor allem der Druck, eine gute künstlerische
Darstellung abzuliefern – und emotionaler Stress (Hauptgrund für Überaktivierung
24
Kaneko et al. (2005), S. 168-173
25
A.a.O., S. 169
16
des Sympathikus) und schlugen sich bei den untersuchten KünstlerInnen in
Angstzuständen, Nervosität, Unsicherheit, Ruhelosigkeit, Schwitzen, trockenem
Mund, Herzklopfen, Herzrasen und Harndrang nieder. MusikerInnen, die mehr
emotionalen Stress hatten, haben zudem mehr Alkohol konsumiert, wie die Studie
zeigte.
Auch die häufigsten Arten von Therapie wurden in dieser Studie erhoben. Das waren
neben Relaxation und Stretching noch Spielpausen, Massage und Medikationen.
Mit diesem Thema, den konkreten Leiden und ersten Therapievorschlägen werden
wird uns im Folgenden beschäftigen, nachdem durch diese referierten Studien zur
Epidemiologie von MusikerInnenerkrankungen klar geworden sein sollte, wie weit
verbreitet und relevant das Problem ist.
17
3. Physische Leiden von MusikerInnen und Therapievorschläge
Die IASP (International Association for the Study of Pain) definiert Schmerz als „an
unpleasant sensory and emotional experience associated with actual or potential
tissue damage, or described in terms of such damage“, also als eine unangenehme
sensorische und emotionelle Erfahrung, die mit tatsächlicher oder möglicher
Gewebsschädigung einhergeht bzw. in Begriffen der Schädigung beschrieben
werden kann.26 Schmerz sollte entsprechend als Warnsystem betrachtet werden, das
den Organismus vor einer Schädigung schützt. Dafür ist es nötig, auf schädigende
Reize rechtzeitig zu reagieren sowie bereits geschädigte Strukturen zu schonen.
Der Schmerz beginnt im Normalfall als Akutschmerz Warnsignale zu schicken. Im
Gegensatz dazu hat chronischer Schmerz seine Warnfunktion verloren. Studien
zeigen, dass chronisch Kranke häufig unter einem erniedrigten Serotoninspiegel27
sowie einem erhöhten Anteil der Substanz P (P wie englisch „pain“ – Schmerz)
leiden. P steht hier für ein Neuropeptid, das als Neurotransmitter für die Arbeit von
Nozizeptoren bzw. Nozirezeptoren verantwortlich ist, die auf drohende Verletzungen
des Körpergewebes reagieren. Die Substanz P bei chronisch Kranken konnte auch
im Liquor (Flüssigkeit welche das Gehirn und das Rückenmark umspült)
nachgewiesen werden.28
Wie aber kommt es dazu, dass Schmerzen chronisch werden? Aus Erfahrungen und
klinischen Untersuchungen ist seit langem bekannt, dass akute Schmerzen sich
dann zu chronischen Schmerzen entwickeln, wenn sie nicht ausreichend gelindert
werden. Eine wichtige Rolle bei der so genannten Chronifizierung spielt das
Schmerzgedächtnis. Wenn sensible Nervenzellen immer wieder Schmerzimpulsen
ausgesetzt sind, verändern sie sich und ihre Aktivität. Das kann dazu führen, dass
schon ein leichter, sensibler Reiz wie eine Berührung, Wärme oder Dehnung
ausreicht, um als Schmerzimpuls registriert und als unangenehm empfunden zu
werden.
Die Neurowissenschaften haben in der Zwischenzeit auch erforscht, was sich dabei
auf molekularer und zellbiologischer Ebene abspielt. Die Veränderungen in den
Nervenzellen sind nicht nur biochemisch nachweisbar. Sie manifestierten sich sogar
26
Vgl. IASP (1979)
27
Vgl. Russel (1992)
28
Vgl. Junker und Eckey (2001)
18
als Spuren im Aufbau der Zellen. Eine Schlüsselposition nimmt dabei die Aktivierung
von so genannten IE-Genen ein (IE = Immunitätseinheit), von denen es über 100
gibt.
Eine Arbeitsgruppe um den deutschen Neurowissenschafter Walter Zieglgänsberger
hat herausgefunden, dass es eine Wechselbeziehung gibt zwischen der Menge der
IE-Gen-kodierten Eiweißmoleküle, die von Nervenzellen des Gehirns produziert
werden, und dem Ausmaß der synaptischen Erregung nach einem akuten
Schmerzreiz.29
Solche und ähnliche neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass sich der
Schmerz in den Körper und das Gehirn quasi einschreibt und so bewirkt, dass sich
PatientInnen davor fürchten, eben jene Dinge wieder zu tun, die den Schmerz
auslösten und auslösen. Das führt oft zu einem Teufelskreis aus Schmerz und
Furcht, aus dem man kaum ausbrechen kann, zumal er auch durch eine niedere
Schmerzschwelle bedingt ist: SchmerzpatientInnen (und andere besonders sensible
Menschen) nehmen bestimmte Empfindungen leichter als Schmerz wahr als
Menschen, bei denen Schmerzschwelle relativ hoch ist.30
Im Folgenden werde ich auf alle möglichen physischen Leiden von MusikerInnen zu
sprechen kommen, unter besonderer Berücksichtigung der Erkrankungen von
QuerflötistInnen und gegliedert nach den unterschiedlichen physiologischen Arten
und „Orten“ des Auftretens. Ich beginne mit den Muskeln, fahre dann mit den Nerven
fort, ehe ich in diesem Kapitel systematisch die Sehnen und die Gelenke bzw. ihre
Erkrankungen abhandle. Besonderem Augenmerk gilt dann dem Overuse Syndrom
bzw. Überlastungssyndrom, das oftmals am Beginn bestimmter Krankheiten steht
bzw. selbst eine Erkrankung ist. Am Ende dieses Abschnitts stehen dann noch
weitere Erkrankungen neben den vier klassischen Krankheitstypen. Für jede der
angesprochenen Krankheiten werden auch Therapievorschläge gemacht.
29
Vgl. Azad et al. (2005); http://www.medizinfo.de/schmerz/chgedaechtnis.htm (12.2. 2009)
30
Gerewitz (2004)
19
3.1. Störungen des Muskeltonus
3.1.1. Zur Problematik muskulärer Dysbalancen
Bogner und Marn bezeichnen muskuläre Dysbalance als Vorstadium des
Fibromyalgie-Syndroms.31 Normalerweise sollten der aktive und der passive
Bewegungsapparat in einem empfindlichen Gleichgewicht stehen. Das bedeutet,
dass möglichst geringer Energieaufwand für die Haltearbeit des Muskeln und
Gelenke benötigt werden. Ein Ungleichgewicht zwischen aktivem und passivem
Bewegungsapparat bedingt Immobilität, Fehlbelastung, Überbeanspruchung und
dadurch Fehlhaltungen. Das muskuläre Funktionsdefizit muss ausgeglichen werden,
sonst kommt es zu fehlerhaften Verbindungen hinsichtlich der Aktivierung,
Spannung, Kraftentwicklung von verschiedenen Muskelgruppen.
Muskuläre Dysbalance kann damit auch als ein Ungleichgewicht im Sinne verstärkter
Muskelverkürzungen oder Muskelabschwächungen zwischen den Muskelgruppen
Agonisten und Antagonisten (Spieler und Gegenspieler) definiert werden. Dabei
handelt
es
sich
um
eine
einseitige
Kraftentwicklung
bei
gleichzeitiger
Vernachlässigung ihrer Dehnungsfähigkeit. Benutzte Muskeln werden dadurch
angepasst, dass sie sich stärker ausbilden. Jene dagegen, die weniger benutzt
werden, verkümmern.32 Dieses Ungleichgewicht wird durch mangelnde bzw.
fehlende körperliche Beanspruchung, einseitige Belastung beim Sport oder im Alltag,
durch ungenügende Regeneration, falsche Bewegungsausführung aber auch
Verletzungen am Bewegungsapparat hervorgerufen.33
Falls Ruhephasen und Dehnungen nicht gemacht werden, werden die benutzten
Muskeln weiterhin angespannt. Diese verlängerte Anspannung kann dazu führen,
dass Muskelfasern durch Bindegewebe ersetzt werden, wie Nestvogel schreibt.34 Auf
physiologischer Ebene werden durch Überlastung oder durch ein traumatisches
Geschehen die Myofibrillen bzw. Muskelfibrillen in der Muskulatur zerstört. Da dabei
ständig der Neurotransmitter Acetylcholin freigesetzt wird, entsteht eine permanente
elektrische Aktivität an der motorischen Endplatte.35 Auch Kalziumionen werden
31
Bogner und Marn (2006), S.19 , Vgl. Kreutzberg (2003)
32
Schnack (1994), S. 51
33
Vgl. Lenhart und Seibert (2001)
34
Nestvogel (1994), S. 178
35
Bogner und Marn (2006); S. 24
20
freigesetzt. Das wiederum bedingt, dass sich so genannte Myosinköpfchen in die
Aktinfilamente verhaken und sich nicht mehr lösen, was zu Myogelosen, also
Muskelverhärtungen, oder Triggerpunkten führt. Letztere sind druckempfindliche
Irritationen in den myofaszialen Anteilen der Muskelbäuche.36 Dauerbelastung führt
dann zur Kompression der Kapillaren im betroffenen Muskel, was Sauerstoffmangel,
sowie Stoffwechselstörung im Muskelgewebe zur Folge hat.37
Für MusikerInnen machen sich muskuläre Dysbalancen dadurch bemerkbar, dass
verkürzte
Muskelgruppen
die
abgeschwächten
Muskelgruppen
hemmen.
Druckerhöhung in Gelenken aktiviert Schmerzsignale, die ins Rückenmark geschickt
werden. Der Reflexbogenmechanismus arbeitet dann als motorische Abwehr zur
Entlastung des Schmerzes. Überschreitet man einen Grenzwert, signalisiert der
Schmerz Überdosierung. Dabei werden geeignete Muskelgruppen aktiviert, die sich
automatisch verkürzen. Es dauert nicht lange bis andere muskuläre Gruppen als
Dominoeffekt mit Anspannung und Verkürzung antworten. Es kommt zu chronischer
Überforderung, weil viele Muskelgruppen nicht für eine zusätzliche Haltearbeit
„gemacht“ worden sind. Muskelarten können mit unterschiedlichem Verhalten
reagieren: mit so genannten tonischen, phasischen und gemischten Reaktionen.
Im Berufsalltag der Musikstudierenden und MusikerInnen können im Zusammenhang
mit muskulären Dysbalancen folgende zwei komplexe Fehlentwicklungen auftreten,
die durch langes Sitzen charakteristisch sind:
•
verkürzte lumbale Rückenmuskulatur und verkürzter Hüft-Lendenmuskel
(Musculus iliopsoas)
•
Fehlrotation des Beckens sowie Lendenlordose mit abgeschwächter Bauchund Gesäßmuskulatur 38
Vorab sei schon hier darauf hingewiesen, dass diese Fehlentwicklungen präventiv
oder therapeutisch zu behandeln sind:
•
Dehnung nach Intenstivstretching-Methode39
•
Stärkung der abgeschwächten Bauch- und Gesäßmuskulatur und die
Ausbildung eines „muskulären Korsetts“ durch ständiges Aufbautraining.
36
Laser (2004), S. 24, Vgl. Bogner und Marn (2006), S.33
37
Vgl. Hubbard (1996), Vgl. Bogner und Marn (2006), S.24
38
Schnack (1994), S. 54
39
A.a.O., S. 53ff.
21
3.1.2. Muskuläre Verspannungen bei QuerflötistInnen
In der Halswirbelsäule, in Nacken und Schultern
Beim Spiel der Querflöte ist Region des Halses, des Nackens und der Schultern
besonders beansprucht, denn beim Spiel ist der Kopf nach links rotiert und nach
rechts geneigt. Vor allem für Menschen mit langem Hals ist es schwierig, ein
Hochziehen der Schulter und eine gewisse Neigung des Halses während des
Spielens zu vermeiden. Das führt zu Anspannungen der Halsmuskulatur und
inkludiert auch den Musculus trapezius und der Musculus levator scapulae.
Schmerzen der Hals- und Nackenmuskulatur sind darüber hinaus oft auch mit
Psyche des Menschen verbunden. Man sagt, die Hals- und Nackenmuskulatur sei
„der Mistkübel der Psyche“.40
Therapiemöglichkeiten könnten folgendermaßen aussehen:
•
„Warm Up“ und Strech-Übungen für Hals-, und Schultermuskulatur sowie für
das Bindegewebe41
•
Pausen während der Übungszeit – mit bewusstem Aussteigen aus der
Position42
•
TENS Therapie
•
Massage der schmerzenden und geschwollenen Stellen
Verspannungen der Rückenmuskulatur
„Gewöhnliche“ InstrumentalistInnen spielen in Übe- bzw. Spielphasen meistens
sitzend, während Soloinstrumentalisten meist stehen, um so ihre besondere Rolle zu
unterstreichen. Eine sitzende Position bringt oft Schmerzen in der lumbalen
Wirbelsäule. Es ist durch internationale Studien gut belegt – so etwa über
Symphonie- und Oper-Orchestern MusikerInnen (ICSOM) aus dem Jahr 1986 – dass
muskuläre Dysbalancen und muskuloskeletale Schmerzen in dieser Region sehr
häufig vorkommen.43
40
Zitiert nach Berhard Riebls Lehrveranstaltung „Atempysiologie für Bläser“
41
Zitiert nach Vorträgen von Dr. Hartmut Puls und PT Alexandra Türk-Espitalier
42
Zitiert nach Berhard Riebls Lehrveranstaltung „Atempysiologie für Bläser“
43
Norris (1997), S. 39f.
22
Hier bieten sich Therapiemöglichkeiten an, die folgendermaßen aussehen könnten:44
•
Dehnungs- und Streckungsübungen für Musculus iliopsoas, Kniesehnen und
anderen verkürzten Muskeln
•
Krafttraining
sowie
Übungen
zur
besseren
Beweglichkeit
der
Wirbelsäulenmuskulatur
•
Stärkung von Zwerchfell, der Bauchmuskulatur und anderen geschwächten
Muskeln
44
Zitiert nach Berhard Riebls Lehrveranstaltung „Musikpysiologie“
23
3.2. Nervenerkrankungen
Lokale Kompressionen eines Nervs zählen bei MusikerInnen zu den häufigen
Erkrankungen. Die wichtigsten Probleme dieser Art sind Nervenkompressionen im
Finger, Karpaltunnelsyndrom und Sulcus ulnaris-Syndrom. Elektrodiagnostisch ist es
leicht möglich, die eingeklemmte Stelle zu finden. Bei dieser Untersuchungsmethode
wird die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen. Dadurch kann schnell und zuverlässig
eine Diagnose abgegeben werden.
3.2.1. Nervenkompressionen im Finger
Eine Nervenkompression im Bereich der Finger tritt
bei QuerflötistInnen am
häufigsten am Zeigefinger der linken Hand auf. Die Therapiemöglichkeiten bei
Nervenkompressionen könnten wie folgt aussehen: 45
•
Reduktion der Übe- bzw. Spieldauer in Abhängigkeit von der Schwere des
physischen Leids und der Schmerzen
•
In Ruhephasen ist die Benutzung von beweglichen Orthesen, also von
medizinischen Schienen, die Flexionen nur bis 90 Grad erlauben, sehr
empfehlenswert
•
Entzündungshemmende Medikamente
•
Vermeidung von Extension und/oder Flexion des Handgelenks
•
Behandlung mit Ultraschall (oft gepulst), mit oder ohne Einbringung von
Medikamenten (Phonophorese)
•
Iontophorese
•
Laser
3.2.2. Sulcus ulnaris-Syndrom
Das Sulcus ulnaris-Syndrom (oder Kubitaltunnelsyndrom) ist ein Engpass-Syndrom,
bei dem es zur Kompression des Nervs im Bereich des Ellbogens kommt. Dieses
Syndrom tritt vor allem bei jenen MusikerInnen auf, die den Ellbogen besonders stark
45
Vgl. Norris (1997), S. 15, S. 20 und Berhard Riebl, mündliche Kommunikation.
24
beugen müssen. Das sind unter anderem CellistInnen und KontrabassistInnen (linker
Ellbogen), und die rechten Ellbögen von Piccolo-SpielerInnen.46
Am Ellbogen (lat. cubitus) verläuft der Nervus ulnaris durch eine enge Röhre, den so
genannten Kubitaltunnel, der zwischen einer Rinne, einem Band und einer
Sehnenplatte liegt. Die Rinne (Sulcus nervi ulnaris) bildet die seitliche Wand des
Tunnels, in welchem der Nervus ulnaris verläuft. Sie befindet sich an der Rückseite
des inneren Knochenvorsprungs (Epicondylus medialis), der den Ansatz für den
Muskel darstellt.47
Symptome sind vor allem:
•
Schmerzen auf der Ulnarseite des Arms (also auf der Seite des kleinen
Fingers)
•
Taubheitsgefühl
•
Empfindungsstörung
•
Rückgang des Muskelgewebes, speziell der kleinen Muskeln zwischen den
Mittelhandknochen (Musculi interossei),
•
Verformung des kleinen Fingers und Veränderungen des Nagels48
•
Schmerzgefühl wie „stechende Nadeln“ in der Handfläche sowie durch den
Meridian des kleinen Fingers49
Therapien des Sulcus ulnaris-Syndrom könnten folgendermaßen aussehen:50
•
Kältepackungen auf die betroffenen Stellen legen (mehrmals täglich circa
zehn Minuten lang)
•
Entzündungshemmende Medikamente bzw. Cremen auf Salizylsäure-Basis
•
B6 sowie B-Komplex-Vitaminpräparate
•
Medizinische Orthesen, die Bewegungen in Richtung volle Extension
erlauben, Bewegung in Richtung voller Flexion verhindern.
46
Norris (1997), S. 53
47
MedizInfo Portal Jürgen Wehner,
http://www.medizinfo.de/orthopaedie/engpass/kubitaltunnelsyndrom.shtml (26.09.2008)
48
A.a.O.
49
Norris (1997), S. 54
50
A.a.O., S. 56f.
25
•
Iontophorese
•
Phonophorese (gepulster Ultraschall)
•
Laser
3.2.3. Karpaltunnelsyndrom
Das Karpaltunnelsyndrom ist ein Kompressionssyndrom des Nervus medianus im
Bereich der Handwurzel.51 Der Mittelhandnerv wird dabei im Bereich des
Handgelenks oder des Handballens eingeklemmt, und man spürt einen Schmerz
beim Händeschütteln sowie eine Veränderung beim kontrollierten Handgriff. Die
Feinmotorik der betroffenen MusikerInnen ist beeinträchtigt. Am stärksten zeigt sich
das Syndrom an Mittelfinger, Zeigefinger, Ringfinger und Daumen. Es kann sich
sogar in den Unterarm und bis ins Schultergelenk ausbreiten.
Betroffene erleben das Syndrom als Verlust der Handkompetenz, und es bereitet
Schwierigkeiten, wenn man mit kleinen Objekten arbeiten muss.
Für
acht
bis
zehn
Prozent
der
Bevölkerung
besteht
das
Risiko,
ein
Karpaltunnelsyndrom zu bekommen.52 Frauen sind dabei zwei- bis dreimal öfter
betroffen als Männer.53
Symptome sind unter anderem Schmerzen besonders in der Nacht (!), muskuläre
Atrophie eines Teils des Daumenballens, Stumpfheit und/oder Stechen.
Die Ursache sind enge anatomische Verhältnisse im Karpaltunnel, verstärkt durch
dauernde Handgelenksflexion. Die so genannte Gelbermann-Studie aus dem Jahr
1981 zeigte, dass der Druck auf den Nervus medianus im Handgelenk ausgeprägter
ist, wenn Flexion oder Extension des Handgelenks in Richtung 90 Grad geht. Bei
FlötistInnen passiert dies sehr häufig im linken Handgelenk, besonders wenn man
auf einer so genannten Inline-Querflöte spielt. Dabei wird der Nervus medianus im
engen Karpaltunnel gedrückt.54
51
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Karpaltunnelsyndrom (26.09.2008)
52
Vgl. Vita, Nr. 173, 15. Jahrgang, S. 38f.
53
In der Abteilung für Handchirurgie am St. Josef Krankenhaus Kupferdreh (Chefarzt: Dr. med. Kurt
Steffens) beträgt das Verhältnis an Karpaltunnelsyndrom Erkrankten zwischen Frauen und Männern
sogar fünf zu eins; vgl. http://www.handerkrankungen.de/Karpaltunnelsyndrom/ (26.09.2008)
54
Norris (1997), S. 61
26
Das Karpaltunnelsyndrom wurde früher neurologisch mit Palpation sowie schlagend
am mittleren Nerv (Nervus medianus) der Hand diagnostiziert. Dabei kommt es zur
Empfindung von Schmerzen und/oder zur Empfindung eines elektrischen Schocks
/Stromschlags in Richtung Handgelenk und Daumen bis Mittelfinger. Dieser
„eingebildete“ Stromschlag ist als so genanntes Tinnel- Zeichen bekannt. Heute wird
das Syndrom mit Hilfe der ENG (Elektroneurographie) die Nervenleitgeschwindigkeit
(NLG) diagnostiziert, die entsprechende Rückschlüsse zulässt.55
Eine Kompression des Mittelhandnerven kann aber auch gleichzeitig an anderen
Stellen passieren (z.B. im Bereich der Halswirbelsäule oder im thoracic outlet Bereich). Das wird in der Fachliteratur „Double-crash“ genannt.56
Die Therapiemöglichkeiten für dieses Syndrom könnten folgendermaßen aussehen:57
•
Kältepackungen (mehrmals täglich rund zehn Minuten)
•
Entzündungshemmende Medikamente, nur in der akuten Phase der Krankheit
•
200 mg Vitamin B658 sowie B-Komplex-Vitaminpräparate
•
Cremen basierend auf Salizylsäure
•
Iontophorese
•
Phonophorese (gepulster Ultraschall)
•
Laser
•
Medizinische Orthese für das Handgelenk.
Das Handgelenk sollte in der so genannten Null-Stellung fixiert werden. Dabei
muss einerseits kompakt sein, zugleich sollten die Fingern frei bewegt werden
können. Die medizinische Orthese sollte immer in Nacht getragen werden, um
mögliche ungewollte schmerzhafte Bewegungen zu vermeiden. Norris meint,
dass die Orthese auch am Tag zu tragen sei, aber ab und zu abgenommen
werden sollte, damit leichte Finger- und Handgelenkübungen praktiziert
werden können, um so Verhärtungen zu vermeiden.59
55
Homepage von Dr. med. Ingo Pfeiffer, Dr. med. Maximilian Lederer, Dr. med. Marita Ant (2007).
URL: http://www.onc-duesseldorf.de/nlg.htm (27.09.2008)
56
Norris (1997), S. 63
57
Vgl. Norris (1997): S. 63ff. und Bernhard Riebl (mündliche Kommunikation)
58
Norris (1997), S. 65
59
A.a.O. S. 64
27
•
Wenn alle oben genannten physikalischen Anwendungen nicht helfen, wird
eine konventionelle oder endoskopische Operation nötig. Wichtig ist, dass die
Hand nach der Operation mindestens vier bis sechs Wochen geschont
werden muss. Die betroffene Hand sollte in weiterer Folge bis zu sechs
Monate nicht für anstrengende Arbeiten eingesetzt werden.
28
3.3. Sehnen- und Gelenkserkrankungen
Sehnen- und Gelenkserkrankungen treten am häufigsten rund um das Handgelenk
auf. Sie sind so häufig, dass etwa die Sehnenscheidenentzündung bzw.
Tendovaginitis mittlerweile als Berufskrankheit anerkannt ist. Zu den am häufigsten
betroffenen Gruppen zählen neben MusikerInnen (PianistInnen, GitarristInnen usw.),
Schreibkräfte aber auch MasseurInnen und PhysiotherapeutInnen.60
3.3.1.Tendovaginitis
Als Tendovaginitis wird die Entzündung der Sehnenscheide bezeichnet. Am
häufigsten sind die Sehnen des Handgelenks betroffen, jedoch können die
Beschwerden auch an jeder anderen Sehne auftreten, die in einer Sehnenscheide
verläuft. Typisch für die akute Entzündung ist ein Druckschmerz entlang des
Sehnen- und Muskelverlaufs. Andere Zeichen für eine Tendovaginitis sind
Überwärmungen bzw. Rötungen. Chronischen Formen der Krankheit machen sich
zum Teil nur durch knotige Verdickungen der betroffenen Sehne bemerkbar. Mitunter
kann es sogar zu schmerzhaftem „Knirschen“ und Reiben der Sehne kommen.
Dadurch kann es (in Verbindung mit engen Verhältnissen im Halteapparat der
Fingerbeugersehnen,
dem
so
genannten
Ringband)
zum
Phänomen
der
„schnellenden Finger“ (Tendovaginitis stenosans) kommen: Dabei steckt die
verdickte Sehne zunächst in der Sehnenscheide fest. Bei stärkerem Muskelzug
gleitet sie dann plötzlich aus der Verengung heraus.
Eine erste Reaktion bei Verdacht auf eine Sehnenscheidenentzündung sollten
Ruhephasen und Erholung sein. Die Übungszeiten sollten zwischen zehn Minuten
bis maximal zwei Stunden täglich (mit Pausen) betragen. Falls beim Üben dennoch
Schmerzen auftreten, sollten MusikerInnen gar nicht spielen. Von einer schnellen
Zunahme der Übungszeiten ist abzuraten, weil Rückfälle sehr oft auftreten. Falls die
Schmerzen auch bei „normalen Aktivitäten“ zu spüren sind, sollte man eine
medizinische Orthese über die Länge der ganzen Hand tragen.
60
Homepage (2008). URL: http://www.onmeda.de/krankheiten/tendovaginitis.html?p=2 (27.09.2008)
29
Dabei empfiehlt es sich, die Orthese über den Tag ein paar Mal zu entfernen, um
Dehnungsübungen für Finger und Handgelenk zu praktizieren, um Verhärtungen
oder Verschlechterungen zu vermeiden. 61
Es ist zudem sehr empfehlenswert, ein mentales Übungsprogramm zu erstellen:
„Mind-mapping“ in Form von Musikanalysen sowie Trockenübungen. Das sind
Übungen, die man ohne Instrument machen kann, um so während der Phasen mit
Schmerzen dennoch Fortschritte zu erzielen.
Weitere geläufige medizinische Behandlungsformen sind:62
•
Kältepackungen (mehrmals täglich zirka zehn Minuten)
•
Entzündungshemmende Medikamente
•
Cremen auf Salizylsäure Basis
•
Leichte Dehnungsübungen
•
Ultraschall
•
Phonophorese (gepulster Ultraschall)
•
Iontophorese
•
Laser
•
eventuell Infiltrationen
•
Topfen-Packungen
3.3.2. Tendovaginitis stenosans de Quervain
Tendovaginitis
stenosans
de
Quervain
beschreibt
eine
Sonderform
der
Sehnenscheidenentzündung, welche die Daumensehnen betrifft und Schmerzen an
der Daumenseite des Handgelenks verursacht. Die Tendinitis de Quervain wurde
nach dem Schweizer Arzt Fritz de Quervain (1868–1940) benannt, der die Krankheit
zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben hat. Die Krankheit kommt spezifisch in
der rechten Hand von StreicherInnen (also der Bogenhand insbesondere von
GeigerInnen und BratschistInnen) sowie der rechten Hand von FlötistInnen, sowie
bei PianistenInnen und GitarristInnen vor. Auch im „normalen“ Leben kann
61
62
Norris (1997), S. 70
Neben den medizinischen „Standards“ kommen die Vorschläge von Norris (1997): S. 22 und
Bernhard Riebl (mündliche Kommunikation)
30
Tendovaginitis stenosans de Quervain auftreten: etwa bei Müttern, die ihre Babys oft
hochnehmen und tragen.
Abb. 1: Anatomie des rechten Handgelenks63
Tendovaginitis stenosans de Quervain ist leicht zu diagnostizieren. Der Arzt Harry
Finkelstein
hat
einen
einfachen
Test
zur
Bestimmung
der
Sehnenscheidenentzündung an der Basis des Daumens entwickelt (FinkelsteinTest): Man zieht den abgewinkelten Daumen in der Fauststellung nach unten. Das
normale Gefühl ist ein leicht ziehendes Gefühl. Falls dabei aber Symptome wie
Schmerz, Stechen oder Ausstrahlung auftreten, ist der Finkelstein-Test positiv.
Abb. 2: Der Finkelstein-Test
64
Als Therapie sind unter anderem folgende Maßnahmen angeraten:65
•
Entzündungshemmende Medikamente
•
Iontophorese
•
Phonophorese (gepulster Ultraschall)
63
nach Norris (1997), S. 69; Podnar (2004), S.18
64
Nach Norris (1997), S. 71; Podnar (2004), S.19
65
Vgl. Norris (1997), S. 16 und 71f. sowie Bernhard Riebl (mündliche Kommunikation)
31
•
Immobilisierung von Anfang des Daumens bis zur Hälfte des Unterarms, die
ein paar Mal am Tag unterbrochen werden muss
•
Leichte Dehnungsübungen
•
Kraftübungen mit einem Minisoftball
•
Kortison-Injektionen
3.3.3. Epicondylitis
Epicondylitis ist eine relativ häufige Erkrankung, die bei SportlerInnen, MusikerInnen,
SekretärInnen und Hausfrauen relativ stark verbreitet ist. Es kommt dabei zu
schmerzhaften entzündlichen oder degenerativen Veränderungen mit Mikroeinrissen
von Sehnenansätzen und/oder jenen Muskeln des Unterarms, die dem distalen Teil
des Oberarmknochens entspringen. Diese Veränderungen sind an der radialen oder
auch der ulnaren Seite des Arms möglich, also auf der Daumenseite bzw. jener des
kleinen Fingers.
Die bekannteste Variation dieser Erkrankung ist Epicondylitis radialis humeri,
allgemein bekannter als Tennisarm bzw. genauer: Tennisellbogen. Diese Form
macht sich durch schmerzhafte Einrisse der Sehnenansätze am äußeren
Epikondylus des Oberarmknochens bemerkbar (Strecker des Handgelenks und der
Finger).
Epicondylitis ulnaris humeri wiederum ist als Golferellbogen bekannt. Das sind
schmerzhafte
Einrisse
der
Sehnenansätze,
die
am
Epikondylus
Oberarmknochens spürbar sind (Beuger des Handgelenks und der Finger).
des
66
Symptome dafür sind ausstrahlende, ziehende Schmerzen im ganzen Unterarm
sowie Druckschmerzen an den betroffenen Muskeln. Die Symptome werden
verstärkt bei Belastung gespürt, danach auch in „normalen“ Situationen.
Als die wirkungsvollsten Therapiemöglichkeiten für Epicondylitis-Erkrankungen
gelten die folgenden:67
•
Belastungspause(n)
•
Entzündungshemmende Medikamente
66
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Epicondylitis (26.09.2008)
67
Norris (1997): S. 16 und Bernhard Riebl (mündliche Kommunikation)
32
•
Leichte Dehnungsübungen und Aushängen an der Reckstange
•
Friktionsmassage der ansetzenden Muskel
•
Iontophorese
•
Phonophorese (gepulster Ultraschall)
•
Laser
•
Kortison-Injektionen
Epicondylitis ist in den meisten Fällen eine so genannte selbst limitierende
Erkrankung. Nach zirka einem Jahr sind 90 bis 95 Prozent der PatientInnen mit oder
ohne Therapie wieder beschwerdefrei.68 Wenn keine dauerhafte Besserung erzielt
werden kann, kann eine Operation erforderlich sein.69
3.3.4. Fokale Dystonie (Musikerkrampf)
Die fokale Dystonie (dys = fehlreguliert, tonus = Spannung, wörtlich übersetzt: „auf
bestimmte
Muskelgruppen
beschränkte
Fehlanspannung)70
gehört
zu
den
neurologischen Erkrankungen und äußert sich in nicht beeinflussbaren und oft lang
anhaltenden Muskelkontraktionen. Fokale Dystonie ist eine schwerwiegende
Krankheit, die bei etwa einem Prozent der MusikerInnen vorkommt71 – meist nach
sehr intensivem, forciertem und langem Üben. Es wird auch Musikerkrampf oder
Beschäftigungsneurose genannt. Dies bezeichnet jedoch eine spezielle Form der
Erkrankung, die Aktionsspezifische Fokale Dystonie (auch Gliederdystonie), zu
denen unter anderem auch der Schreibkrampf zählt.72 Fokale Dystonie ist der Verlust
der
motorischen
73
voraussetzen.
Kontrolle
für
Bewegungen,
die
große
Geschicklichkeit
Die Störung ist lokal und betrifft meistens Körperregionen, die unter
äußerster Präzision komplexe Bewegungen ausführen.
Der Musikerkrampf ist dadurch gekennzeichnet, dass zwar der Bewegungsapparat
im Allgemeinen intakt ist, aber beim Ausführen einer erlernten Bewegung wie etwa
68
http://de.wikipedia.org/wiki/Epicondylitis (26.09.2008)
69
A.a.O
70
http://www.musikermedizin.net/literat/Fokale%20Dystonie.pdf (03.04.2009)
71
Jabusch und Altenmüller (2006), S. 267
72
http://de.wikipedia.org/wiki/Fokale_Dystonie (02.04.2009)
73
Norris (1997), S. 89
33
die Anschlagsbewegung an der Gitarre oder dem Klavier, der Finger oder die Hand
nicht in der Lage sind, diese Bewegung zu vollführen, während die gleiche
Bewegung ohne Instrument oder in einem anderen Kontext oft völlig störungsfrei
verläuft.74 Der Musikerkrampf tritt bei komplexen, lang geübten Bewegungsfolgen am
Musikinstrument auf. Die Symptomatik beginnt meist schleichend. Die betroffenen
MusikerInnen bescheiben das Leiden als körperfremd empfundenen motorischen
Kontrollverlust. 75
Als Ursache wird eine Störung der unbewussten Regulation der Motorik im Bereich
der Basalganglien im Gehirn vermutet. Bei (Blech-)BläserInnen etwa wird die LippenMund- Muskulatur nach einiger Zeit nur mehr schlecht koordinierbar.
Als Therapie schlagen Jabusch und Altenmüller Trihexyphenidyl, Botulinum-ToxinInjektionen, eine Verbesserung der Ergonomie des Instruments, das Wieder-Erlernen
von Bewegungabläufen und „nicht spezifische“ physikalische Übungen (auch
Feldenkrais) vor – Maßnahmen, die sich bei vielen PatientInnen als hilfreich
erwiesen haben.76
3.3.5. Zwischensehnenschmerz
Die Sehnen des Flexors vom vierten und fünften Finger bzw. des dritten und vierten
Fingers können an unterschiedlichen Orten des Handgelenks und/oder Unterarmes
zusammengewachsen sein. Das ist eine häufige anatomische Variante: Das Journal
of Hand Surgery schreibt, dass 45 Prozent77 bzw. 40 Prozent78 der gesamten
Population solche anatomische Verhältnisse haben. Nach Norris handelt es sich
dabei um eine fehlerhafte Trennung der Sehnen in der Embryonalzeit.
74
http://de.wikipedia.org/wiki/Fokale_Dystonie (02.04.2009)
75
http://www.musikermedizin.net/literat/Fokale%20Dystonie.pdf
76
Vgl. Jabusch und Altenmüller (2006), S. 273-278
77
Norris (1997), S. 85
78
Lahme et al. (2000), S. 10
34
Abb. 3: Zwischen dem vierten und fünften Finger zusammengewachsene Sehnen
79
Beim Üben spreizen viele MusikerInnen die betroffenen Finger, und ein
mechanischer Stress und Schmerz entsteht. Bei StreicherInnen und GitarristenInnen
äußern sich Bewegungseinschränkungen bis hin zum
Schmerz besonders oft
aufgrund der Verwendung von Doppelgriffen.
Auch in diesem Fall gibt es einen kleinen klinischen Test zur Diagnose. Falls sich der
kleine Finger bei Extension des Zeigefingers, Mittelfingers sowie Ringfingers nicht
ganz beugen lässt, kann eine Anomalie bei den Beugesehnen festgestellt werden.
Abb. 4: Test auf selbständige Sehne des Flexors
Abb. 5 a und b: Test für Zwischensehnen
Therapiemöglichkeiten
könnten
80
81
im
Fall
von
solchen
Sehnenvarianten
folgendermaßen aussehen:82
•
Reduktion der Übungszeit
•
Kältepackungen (mehrmals täglich rund zehn Minuten)
•
Entzündungshemmende Medikamente
•
Iontophorese
79
Norris (1997), S. 86
80
Norris (1997), S. 87
81
A.a.O.
82
Neben den medizinischen „Standards“ kommen die Vorschläge von Norris (1997): S. 86 und
Bernhard Riebl (mündliche Kommunikation)
35
•
Phonophorese (gepulster Ultraschall)
•
Laser
•
Massage (kann auch alleine durchgeführt werden)
•
Bewegungsübungen wie Gleiten der Finger auf dem Oberschenkel83
Falls eine Therapie nicht hilft, ist es möglich, chirurgisch eine Trennung
herbeizuführen. Auch ein Wechsel des Repertoires oder letztendlich des Instruments
ist in Erwägung zu ziehen.
3.3.6. Gelenksarthritis (des Fingers und des Ellbogens)
Die Arthritis ist eine entzündliche Gelenkserkrankung, die verschiedene Auslöser
haben kann. Grundsätzlich unterscheidet man bakterielle, rheumatische, mit dem
Stoffwechsel zusammenhängende und mechanische Ursachen. Bakterielle Arthritis
ist eine entzündliche Gelenkserkrankung, bei der durch Verletzung oder durch den
Blutweg Bakterien in das Gelenk gelangen. Die Keime der Bakterien sind
nachweisbar. Bei rheumatischer Arthritis handelt sich um einen Autoimmunprozess.
Dabei identifiziert der Körper seine eigenen Substanzen als „fremd“, wodurch das
Abwehrsystem aktiviert wird.
MusikerInnen können selbstverständlich auch all die genannten Arthritis-Formen
entwickeln. Was bei ihnen aber besonders häufig auftritt, ist eine „aktivierte Arthrose“
oder Osteoarthritis. Dabei kommt es zu einer Gelenkentzündung durch mechanische
Überlastung. Wiederholende Bewegungen über die Jahre können zu einer
Entzündung des Knorpels führen, was Schmerzen und Schwellungen des
betroffenen Gelenks nach sich zieht. Ein Verlust von Knorpelmasse führt in weiterer
Folge zu einer begrenzten Beweglichkeit des Gelenks. Die entsprechenden
Symptome sind: Gelenkssteifigkeit, eingeschränkte Bewegungen, Schwellungen
sowie Fingerknacken.84
83
Vgl. Berhard Riebl in seiner Lehrveranstaltung „Atemphysiologie für Bläser“
84
http://www.medicinenet.com/osteoarthritis/article.htm (11.11.2008)
36
Therapiemöglichkeiten im Fall der Osteoarthritis sind physiotherapeutischer Standard
und sehen wie folgt aus:
•
Leichte Dehnung der Muskulatur
•
Kältepackungen (mehrmals täglich rund zehn Minuten lang)
•
Entzündungshemmende Medikamente
•
Iontophorese
•
Phonophorese (gepulster Ultraschall)
•
Laser
•
TENS-Schmerztherapie
mit
elektrischen
Impulsen
(TENS
steht
für
Transkutane Elektro-Nerven-Stimulation)
•
Akupunktur
•
Physiotherapie
•
Stresskontrolle
•
Kortison-Injektionen
•
Operation
3.3.7. Periarthritis humeroscapularis
Periarthritis humeroscapularis ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Störungen im
Bereich der Schulter und des Schultergürtels. Häufige Ursache ist das so genannte
Supraspinatus-Sehnen-Syndrom, das durch eine schmerzhafte Einschränkung der
Bewegung beim Hochheben, Drehen und Abspreizen des Arms charakterisiert ist.
Die Ursache dieser Erkrankung liegt darin, dass die Sehne des Muskulus spinatus
durch die knöcherne Enge unter dem Schulterdach oder durch Überlastung überreizt
wird, weiters kann es zu einer Reizung des dazwischen liegenden Schleimbeutels
kommen, was zu Schmerzen und danach zu Bewegungseinschränkung führt.
Manchmal formieren sich im Bereich der Schulter und des Schultergürtels so
37
genannte Hydroxylapatit-Kristalle, die Bewegungsmuster einschränken können und
im Extremfall sogar bis zur Schultersteife führen.85
Als Therapien bieten sich für Beschwerden dieser Art die folgenden Maßnahmen
an:86
•
Belastungspause(n)
•
Entzündungshemmende Medikamente (kortisonfrei)
•
Physiotherapie zur Wiederherstellung der Beweglichkeit
•
Leichte Dehnungsübungen und Aushängen an der Reckstange
•
Tragen einer kleines Kissens unterhalb der Schulterachse, um eine totale
Adduktion des Arms zu vermindern oder ganz zu verhindern
•
in rund 10 bis 15 Prozent der Fälle ist eine Operation nötig, um den verengten
Kanal zu erweitern
3.4. Überlastungssyndrom
Im Folgenden möchte ich mich nach den typischen Erkrankungen von Muskeln,
Nerven und Gelenken noch im Detail einem Syndrom widmen, das in gewisser
Weise noch „vor“ den manifesten Schädigungen liegt, aber unmittelbar dazu führen
kann. Ein so genanntes Overuse- oder Überlastungssyndrom entwickelt sich, wenn
MusikerInnen zu lange spielen und zu wenig Pausen machen. Ein Muskel oder eine
Sehne kann dabei „over-used“ bzw. „over-stretched“ werden, also überlastet oder
überdehnt werden.
Das Überlastungs- oder Überbeanspruchungssyndrom ist ein Krankheitszustand, der
sich aufgrund der Ausweitung der Übungs-(Spiel-)Zeit bzw. Veränderung der
Spieltechnik einstellt. Am Anfang des Overuse Syndroms liegen noch keine
strukturellen Schädigungen des Gewebes vor. Doch in den Mitochondrien (den
kleinen Kraftwerke in den Zellen, ovalen Körnchen im Zellplasma, die wichtig für
85
Langer (2006). URL: http://www.rheuma-online.de/a-z/s/supraspinatus-sehnen-syndrom.html
(12.11.2008)
Langer (2006). URL: http://www.rheuma-online.de/a-z/p/periarthritis-humeroscapularis.html
(12.11.2008)
86
Norris (1997), S. 48 und eigene Therapieerfahrungen.
38
Atmung
und
Stoffwechsel
der
Zelle
sind)
findet
man
(gelegentlich)
87
elektronenmikroskopisch Veränderungenen.
Eine medizinische Studie des Medical Center for Performing Artist der Cleveland
Clinic Foundation, die in von Jänner 1984 bis Juni 1987 durchgeführt wurde, zeigt,
dass Probleme, die eine Überbeanspruchung verursachen, bei Musikerinnen
besonders oft vorkommen. Außerdem fanden die AutorInnen heraus, dass die rechte
Hand bei den meisten MusikerInnen häufiger betroffen war.88
3.4.1. Ursachen und Auslöser für das Überlastungssyndrom
Wie und wo kommt es zu Manifestationen des Overuse-Syndroms? Grundsätzlich
gilt, dass unvorbereitete, unaufgewärmte, ungeschmeidige Sehnen, Muskel, Bänder
und Gelenke die Entstehung berufsbedingter Erkrankungen fördern. Die Muskel, die
am
meisten
betroffen
Nackenmuskulatur,
die
sind,
sind
jene
der
Schultermuskulatur,
Halswirbelsäule,
der
zudem
Unterarmstrecker,
die
der
Unterarmbeuger, der Bizepssehnenansatz, die Processus styloideus radii et ulnae
(handseitigen Fortsätze von Elle und Speiche). 89
Dazu kommen – insbesondere bei MusikerInnen – zahlreiche Prädispositionen für
das Überlastungssyndrom. Zuerst wäre da die Körperhaltung zu nennen. Eine
falsche Haltung kann dazu führen, dass Muskeln durch das Ungleichgewicht beim
Musizieren geschwächt oder zu stark beansprucht werden. Genau das macht sie
aber auch empfindlicher für Überlastungen.
Dazu kommen anatomische Unterschiede bzw. anatomische Anomalien wie zum
Beispiel die folgenden:
•
Abnormale Merkmale des Muskels
•
Halsrippe, die aus dem siebenten Halswirbel hinauswächst
•
Enger und kleiner Karpaltunnel
•
Extrasehne(n) neben dem Daumenanfang
•
Sehnen des Flexors des vierten und fünften bzw. dritten und vierten Fingers
können an unterschiedlichen Orten des Handgelenks zusammengewachsen
sein, vgl. Kap. 3.3.5.
87
Lahme et al. (2000), S. 45
88
Goodman und Staz (1989), S. 9-14
89
Lahme et al. (2000), S. 45
39
Aber auch bestimmte Aktivitäten wie zum Beispiel das Tippen auf einer Tastatur,
Stricken,
Putzen
oder
Bügeln
können
bei
entsprechender
Intensität
ein
Überlastungssyndrom provozieren. Deshalb ist es in jedem Fall wichtig, genügend
lange Pausen zu machen sowie die Intensität nur langsam zu steigern.
Wie wir bereits im Kapitel zwei gezeigt haben und anhand zahlreicher zitierter
Studien
belegen
konnten,
entwickeln
junge
Musikerinnen
öfter
Überlastungssyndrome als ihren männlichen Kollegen. Der Grund dafür ist nicht
ganz geklärt. Eine Rolle spielen aber sicher der unterschiedliche Körperbau von
Männern und Frauen und die spezifischen Unterschiede in Kraft, Ausdauer und
Schmerzempfindlichkeit.90
3.4.2. Dispositionen bei QuerflötistInnen
Im Folgenden möchte ich noch im Detail auf die besonderen Dispositionen bei
QuerflötistInnen für das Überlastungssyndrom eingehen. Diese Dispositionen
beginnen beim Instrument und seiner Eigenschaften: Wenn eine Querflöte nicht
optimal eingestellt bzw. angepasst ist oder sie nicht der Bedürfnissen des Musikers
entspricht, kann das neben physischen Belastungen eine zusätzliche psychische bei
der Tonproduktion bedeuten.
Bei der Querflöte gibt es verschiedene Variationen im Bau wie zum Beispiel die EMechanik, die Inline- oder die Offset-Querflöte, aber etwa auch im Hinblick auf die
Polsterdichtung. Bei undichten Klappen etwa muss man mehr Druck erzeugen, der
wiederum mit viel mehr Spannung in der Halsmuskulatur einhergehen kann.
Wenn man ein neues Instrument oder ein Leihinstrument zu spielen beginnt, sollten
daher Übe- und Spielzeit drastisch reduziert und erst allmählich wieder verlängert
werden, um ein gutes Resultat ohne Schmerzen zu bekommen.
Es gibt aber auch noch weitere Faktoren, die zu einem Überlastungssyndrom
beitragen oder es auslösen können – und die sich im Normalfall mit etwas Verstand
und wenig Anstrengung leicht vermeiden ließen, wie etwa falsche Gewohnheiten
beim Üben. Denn viele MusikerInnen und zumal Studierende im Instrumentalfach
üben meistens ohne aufzuwärmen, ohne Konzentration, ohne Pausen und ohne
Cool-Down-Übungen, was (natürlich) leichter zu Überlastungen führt. So etwa sind
Muskeln, die nicht gedehnt und kräftig sind, auch empfindlicher für Verletzungen und
Überlastungen.
90
Vgl. Engquist et al. (2004), S. 55; Norris (1997), S. 12
40
Ein anderer Auslöser kann übermäßiges Üben wegen einer bevorstehenden
Prüfung,
eines
Konzerts,
oder
eines
Wettbewerb
sein.
Aufgrund
des
psychologischen Drucks vor solchen Ereignissen üben MusikerInnen oft viel mehr
als gewöhnlich. In Kombination mit falschen Gewohnheiten und/oder falscher
Spieltechnik beim Üben kann es besonders häufig zu Schmerzen und Überlastungen
kommen.
Oft genug spielen FlötistInnen grundsätzlich mit viel zu viel Muskelkraft, was die
Muskeln zu sehr zur Arbeit zwingt. Das wiederum kann zum Hypertonus sowie
metabolischen Störungen im Muskel selbst führen. Das kann im Prinzip durch eine
gute physische Kondition abgefangen werden, über die MusikerInnen nach
Möglichkeit verfügen sollten.
Ein weiterer Faktor, der vor allem OrchestermusikerInnen trifft, die oft in TheaterOrchestern spielen sind Augenprobleme aufgrund des schlechten Lichts. Das
Spielen in Kirchen oder im Freien führt auf Grund der Kälte zu einer schlechteren
Gleitfähigkeit im Bindegewebe, insbesondere in den Sehnenscheiden. Weitere
beeinträchtigende Faktoren sind Notenpult, Raumklima, beengter Raum
Sitzmöbel.
Viele
Sitzmöbel
sind
(überhaupt)
nicht
nach
sowie
ergonomischen
Gesichtspunkten gefertigt oder entworfen.
Ein anderer Faktor sind Probleme bei der Rehabilitation und der Behandlung bereits
eingetretener Verletzungen. Krankheiten, die nicht völlig ausgeheilt sind, sind oft
genug und besonders leicht Ursachen für erneute Schmerzen und Verletzungen.
Eine Therapie sollte daher immer bis zum Ende durchgezogen werden, um zu
verhindern dass die Schmerzen wieder auftreten oder gar chronisch werden.
3.4.3. Schmerzsymptome bei Überlastung
Es ist besser eine Krankheit zu verhindern, als (sie) später heilen zu
müssen. 91
Symptome wie
Schmerzen, Verspannungen, entzündliche Prozesse, Unwohlsein
wirken gefährlich und bedrohlich. Betroffene reagieren darauf oft mit Angst. Es ist ein
„normaler“ Hinweis, ein Zeichen des Körpers, dass er jetzt eine Grenze seiner
91
Kroatisches Sprichwort, meine Übersetzung, M.P.
41
Aktivität erreicht hat. In den meisten Fällen wird die Schmerzstelle geschwollen und
empfindlich sein oder sich unbehaglich anfühlen.
Nach Norris können die Symptome in fünf Kategorien eingeteilt werden:92
•
Schmerzen nur an einer bestimmten Stelle und das nur während des
Instrumentalspiels
•
Schmerzen an mehreren verschiedenen Stellen
•
Schmerzen, die länger andauern, auch wenn MusikerInnen nicht mehr spielen
•
Schmerzen begleiten auch einige andere tägliche Aktivitäten
•
Schmerzen sind Begleiter bei allen täglichen Aktivitäten
Je früher man Symptome erkennt und etwas dagegen unternimmt, desto schneller
wird eine dementsprechende Erholung folgen und desto erfolgreicher wird der Weg
zurück zum Instrument und zum schmerzfreien Musizieren sein.
Wir dürfen dabei aber auch nicht vergessen, dass Schmerz nicht nur individuell
variabel, sondern auch je nach Geschlecht verschieden wahrgenommen wird. Es gibt
freilich noch andere Typologien von Schmerzen, etwa Abstufungen von keinem
Schmerz über Minimaler Schmerz (manchmal bzw. beständig), mäßiger und ernster
Schmerz (auch wieder manchmal und beständig). Während der minimale Schmerz
die Aktivität nicht stört, limitiert der mäßige Schmerz entweder die Belastungsdauer
oder die Belastungsintensität oder beides, während der ernste Schmerz Aktivitäten
auf allen Ebenen beschränkt.93
3.4.4. Therapeutische Ansätze
Wie die bereits erwähnte Studie von Goodman und Staz bzw. des Medical Center for
Performing Artists zeigt, wirken richtig angewendete therapeutische Programme bei
Musikern mit Overuse-Sydrom im Normalfall sehr effektiv: Symptome werden rasch
vermindert, und die Arbeitsproduktivität steigt.94
92
Norris (1997), S. 13
93
Bogner und Marn (2006), S. 18 und 25
94
Goodman und Shaz (1989), S. 9ff.
42
Wenn die Beschwerden schon aufgetreten sind, kann man sich von erfahrenen
PhysiotherapeutInnen ein speziell auf die eigenen Probleme abgestimmtes
Therapieprogramm zusammenstellen lassen. Bewährt hat sich dabei unter anderem
die so genannte RICE-Therapie, wobei RICE ein Akronym ist, das für die vier
englischen Begriffe „Rest“, „Ice“, „Compression“ und „Elevation“ steht. 95
Rest, deutsch: Rast, bedeutet nicht anderes, als dass alle musikalische Aktivitäten
abgebrochen werden sollten. Ice bzw. Eis weist darauf hin, dass kühlende
Packungen Schmerz und Anschwellung vermindern. Dabei sollte beachtet werden,
dass die Eispackungen maximal 20 Minuten einen Bereich kühlen dürfen. Die
Prozedur sollte bei Bedarf erst nach 60 Minuten wiederholt werden.
Compression bzw. Kompression wiederum steht dafür, dass der verletzte Körperteil
umwickelt wird – allerdings nicht zu fest, um weitere Schwellungen zu verhindern.
Topfen
bzw.
Topfenpackungen
haben
sich
dabei
als
probates
Heilmittel
herausgestellt. Elevation schließlich bedeutet Hochlagerung: Der verletzte Körperteil
sollte (soweit wie möglich)
oberhalb des Herzens positioniert werden, um
Schwellungen zu vermindern.
Darüber hinaus bieten sich im Fall des Überlastungssyndroms noch eine ganze
Reihe von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen an, die mir aus
dem Physiotherapiestudium geläufig sind:
•
Evaluation der Funktionsfähigkeit
•
Relaxationstraining
zur
besseren
Bewältigung
der
physischen
und
psychischen Stresszustände
•
Änderungen alltäglicher Bewegungsmuster
•
Einbauen von „Warm up“- und „Cool down“-Programmen in das Üben, um das
Gewebe (langsam) für folgende Aktivitäten vorzubereiten
•
Bewegungstherapie zur Anhebung der Flexibilität, Ausdauer, Fingerfertigkeit,
Geschichtlichkeit und Koordination
95
Northwest Orthopaedic Associate (2002). URL: http://www.nwortho.com/help/rice_therapy
(02.08.2008)
43
3.5. Weitere typische Erkrankungen von MusikerInnen
3.5.1. Emotionaler Stress
Psychische Belastungen gelten bei MusikerInnen als besonders großes Berufsrisiko.
Perfektion und Virtuosität sind Hauptziele beim „Endprodukt“ des Musikers, während
das Publikum zugleich den oft dahinter stehenden Druck, Stress und Angst nicht
mitbekommen darf. Angst ist daher oft ein Musikerbegleiter, weil der dem Beruf
eigene Zwang zur Perfektion krank machen kann und teilweise unmenschlich ist. Die
Angst bei MusikerInnen hat alle möglichen Auswirkungen wie stark schwitzende
Hände, Atemnot, Schlafstörungen, Depressionen und Angstzustände.
Statt eines psychologisch hilfreichen Cool-Downs finden die Erholungsphasen oft
genug im Restaurant mit und durch Alkoholkonsum statt. Da es oft sehr schwer ist,
ohne Stress Musik zu erzeugen und der Druck immer mehr steigt, neigen viele
Musiker zu solchem „Doping“ davor oder danach. Der britische Geiger Nigel
Kennedy meinte kürzlich, Kokain und Haschisch seien in der klassischen Musik
mindestens „so populär wie in allen Gesellschaftsschichten“.96 Drogen schienen im
Musikgeschäft längst Alltag zu sein, wobei hier Drogen insbesondere in Gestalt von
Tabletten- und Alkohol gemeint sind.
Bei Tabletten geht es entweder um Psychopharmaka wie Antidepressiva oder
Betablocker. Antidepressiva sind häufig in Gebrauch, diese machen aber
normalerweise müde. Bei Betablockern wird die Herzfrequenz niedrig gehalten
(Noradrenalinwirkung und Adrenalinwirkung werden gebremst) und so entsteht das
Gefühl, die Ängste kontrollieren zu können. Betablocker sind auch bei niedriger
Dosierung sehr wirksam.97 Das Gefährliche an Betablockern ist, dass sie zwar im
Normalfall zu keiner physischen, aber sehr oft zu einer psychischen Abhängigkeit
führen. Wenn man dann ohne Medikamente spielen soll, kann das einen Teufelskreis
von Misserfolg, Selbstmitleid und Angst produzieren.
Alkohol
ist
ebenfalls
selbstverständlich
96
Vgl. Nagel (2008)
97
Nube (1991), S. 61ff.
auch
ein
zur
häufig
verwendetes
Abhängigkeit
führen
Mittel
kann.
gegen
Da
Angst,
der
Alkohol
die
44
Reaktionsfähigkeit und Motorik beeinträchtig, kann ein Musiker in alkoholisiertem
Zustand im Normalfall sicher nicht perfekt spielen.98 Im Falle besonders starker
Angstzustände oder Lampenfieber ist unbedingt empfehlenswert, Hilfestellungen zu
suchen und zum Beispiel eine Psychotherapie zu machen.
3.5.2. Andere Probleme (des Sehens, des Gehörs und der Haut)
Sehschwierigkeiten kommen bei MusikerInnen sehr oft vor. Fast 60 Prozent der
MusikerInnen einer Mainzer Studie beklagen sich neben „normalen SehErkrankungen“ über allzu stark blendendes Licht, schlechte Notenqualität, Zugluft,
die sich negativ auf die Bindehaut auswirkt, und den ständig wechselnden Blick
zwischen Notenpult und Dirigenten.
Ein anderer Sinn, der bei MusikerInnen oft beeinträchtig ist, ist der Hörsinn. Fast 24
Prozent der MusikerInnen99 klagten über Irritationen, meist in Form eines Verlusts
der Wahrnehmung hoher Frequenzen. Tinnitus ist ein anderes Problem, das nur
selten angesprochen wird.
Von Hauterkrankungen sind vergleichsweise oft StreicherInnen betroffen. 44,6
Prozent aller befragten GeigerInnen und BratschistenInnen gaben in einer
Untersuchung an, Erfahrungen mit dem so genannten „Geigenfleck“ zu haben. Das
ist eine ziemlich ernsthafte dermatologische Reaktion auf den Druck der Instrumente,
die zu massiven, eitrigen, kraterartigen Veränderungen führen kann.100
98
Klöppel (2005), S. 153f.
99
A.a.O.
100
Blum (1994), S. 39
45
4. Haltungs- und Bewegungsprobleme von QuerflötistInnen
Haltung ist Verhalten und verrät eine innere Befindlichkeit. Wie der
Charakter einer Bewegung von der Vorstellung geprägt ist, so hat auch
eine Körperhaltung immer mit einem inneren Bild zu tun.101
Eine schlechte Körperhaltung kann grundsätzlich zu vielen Probleme führen:
Deformation oder Schädigung von Bindegewebe, Sehnen, Bändern und Knochen,
die einem ungünstigeren Druck und Zug standhalten müssen. Die logische Folge ist
eine
Abnahme
der
Beweglichkeit
und
eine
schnellere
„Abnützung“
des
Bewegungsapparates. Ein weiteres Problem ist die Entwicklung muskulärer
Dysbalancen, wobei manche Muskel sich verkürzen, andere sich abschwächen und
uns dadurch in einer suboptimalen Körperhaltung fixieren.
Verbessern wir die Haltung, so arbeitet der gesamte Organismus effizienter. Der
einfachste und direkteste Einstieg die Beweglichkeit zu verbessern, besteht darin, die
Haltung zu optimieren. Es gibt keine Wundermittel. Nur die klare Entscheidung und
der Wille des einzelnen Menschen, etwas zu verändern, werden auch hier zum
Erfolg führen.
4.1. Theorie der Haltung
Bei dem Titel „Theorie der Haltung“ erwartet man etwas anderes (biomechanisches),
vielleicht wäre passender „allgemeine Gedanken zur Haltung“ o.ä.
Es gibt keine richtige Haltung, wohl aber eine richtige Richtung.102
Haltung kommt vor Bewegung, und dazu braucht man guten Bodenkontakt, da
dadurch neurophysiologisch betrachtet posturale Aufrichtungsreflexe ausgelöst
werden, um der Schwerkraft zu widerstehen.103 Für MusikerInnen kann Haltung nicht
ohne die Anpassung des Instrumentes sowie der Feinmotorik betrachtet werden.
Verbale Erklärungen sind ein grobes Instrument, um die vielfältigen Sinneseindrücke
und Zusammenhänge zu beschreiben, die für ein gutes Körpergefühl notwendig sind.
101
Vgl. Stockmann (1996), S. 22
102
Alexander-Technik-Flyer von Norma Espejel
103
Stockmann (1994), S. 208-216
46
Dieses Körpergefühl zu erlernen, bedeutet, sich selbst fühlen zu lernen, ja sich selbst
kennen zu lernen. Eine schlechte Haltung kann sehr oft die Auswirkung von
Unaufmerksamkeit, einer ungenauen Vorstellung von dem, was „richtig“ ist bzw. von
„sich nicht bewusst gemachten“ Sinnesempfindungen sein.
Die Haltung beeinflusst den Energiekreislauf des Körpers. Menschen mit einer
schlechten Haltung (gekrümmter Rücken, eingefallene Brust, nach vorne hängender
Kopf,...) brauchen bei allen Tätigkeiten im Leben mehr Energie. Sie müssen sich bei
jeder Bewegung zusätzlich anstrengen.
Bemühungen, die „perfekte“ Haltung einzunehmen und halten zu wollen, schränken
andererseits aber auch die Bewegungsfreiheit und das natürliche Körpergefühl ein.
Sich Mühe zu geben oder sich anzustrengen sind Befehle, die die linke Gehirnhälfte
(jener Teil des Gehirns, der für Logistik, Analyse, Sprache und Begriffe zuständig
ist)104 aktivieren und die ein homolaterales Bewegungsmuster zur Folge haben.
Diese Art der Haltung bedeutet für den Körper Stress und versetzt ihn in einen
„unzentrierten“ Zustand, in dem sich beide Gehirnhälften im Ungleichgewicht
befinden. In den meisten Fällen gilt daher: Je geringer die Anstrengung, desto feiner
die Empfindungen, desto besser das Resultat. Dieser Denkansatz sollte auf den
ganzen Lernprozess am Instrument übertragen werden.
4.2. Von der Haltung zur Bewegung
Wir denken, und wir denken über unser Denken. Unsere Gedanken haben
eine Gefühlsdimension.105
Im Gehirn finden wir alle „Rezepte“ oder Programme der Bewegungen, die wir
ausführen können. Diese Programme wurden alle gespeichert, als wir eine neue
Bewegung lernten oder eine alte veränderten. Die Bewegungsqualität und Effizienz
wurden dabei gleich mitgespeichert und hängen von der Klarheit der Vorstellung ab,
die wir von einer Bewegung haben. Um eine Bewegung gut ausführen zu können,
sollten wir deshalb ihre Elemente kennen.
Einflüsse auf die Körperhaltung haben unter anderem:
•
physiologische Faktoren wie individuelle Körperproportionen
104
http//web.utanet.at/stanglyc/psychoblogger/2008/01/right-brain-vs-left-brain.html
105
Held (1994), S. 7
47
•
Krankheiten,
Verletzungen
und
Unfälle
und
daraus
hervorgehend,
Veränderungen in der Bewegung, um den verletzten Körperteil zu schützen
bzw. Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit
•
Ernährung und ihr Einfluss auf Wachstum und Entwicklung
•
psychologische Faktoren
•
die Art der Möbel, die wir täglich benützen
•
das kulturelle Umfeld
4.3. Zur Körperarbeit von QuerflötistInnen
Bei QuerflötistInnen gibt es viele Probleme, die durch die Haltung entstehen und die
Gelenke, Muskeln und Nerven betreffen können. Vor allem das Halten der Querflöte
ist anatomisch ungünstig. Deshalb dürfte sie unter den Blasinstrumenten die meisten
körperlichen Beschwerden verursachen, ähnlich der Violine, mit der sie auch
gemeinsam hat, dass die von den Ausübenden eine asymmetrische Körperhaltung
verlangt.106
Ich gebe im Folgenden zunächst eine schematische Darstellung und dynamischstatischen Körperarbeit von QuerflötistInnen, ehe ich mich den eigentlichen
Problemzonen bei den Muskeln, Gelenken und Nerven zuwende.
Schematische Übersicht der Körperarbeit sieht wie folgendes aus: 107
Art der Tätigkeit
Muskuläre Arbeit
Aufrechter Stand bzw.
Bauch (tiefe Muskulatur)
Sitz
Rücken
Bein (alles statische Arbeit)
Gewichtsausgleich
Arme
Schulter (alles statische Arbeit)
106
Wurz (1995), S. 87
107
Aus dem Workshop Physioprophylaxe für QuerflötistInnen bei PT Alexandra Türk-Espitalier, am 4.
und 5. April 2007, Neuer Konzertsaal am Rennweg 8, 1030 Wien
48
Halten der Querflöte
Fingermuskulatur (dynamische Arbeit)
Rechter Daumen
(statische muskuläre Arbeit)
Fünfter Finger rechts
(statische und dynamische Arbeit)
Ausatmung
(dynamische und koordinierte Arbeit)
Art der Tätigkeit
Gelenkstellung
Aufrechter Stand bzw.
Linksrotation
Sitz
nur Halswirbelsäule
gesamte Wirbelsäule
Gewichtsausgleich
Schultergelenke Abduktion um 30 bis 60
Grad
Halswirbelsäule leichte Seitneigung nach
rechts
Halten der Querflöte
Linkes Handgelenk
fast maximale Streckung
Zeigefinger-Endgelenk
links fast maximale Beugung
eventuell linker Daumen
maximale Beugung
4.4. Typische Haltungsprobleme von QuerflötistInnen
Beide Hände müssen von QuerflötistInnen stark gegen die Schwerkraft angehoben
werden. Die immer wiederholenden Bewegungs- und Haltemuster verursachen
Verspannungen der Hals- und Schultermuskulatur bis zu Skoliosen (seitliche
Verkrümmung der Wirbelsäule) aufgrund der typischen Drehung der Halswirbelsäule
nach links gemeinsam mit der Seitenneigung nach rechts. An der Wirbelsäule ergibt
sich durch die Instrumenthaltung eine Asymmetrie. Die Rotationsstellung der
49
Wirbelsäule
liegt
in
Höhe
der
Halswirbelsäule,
Brustwirbelsäule
und
der
Lendenwirbelsäule. Der wesentliche Rotationsimpuls des Kopfes bewirkt eine
Bandscheibenentlastung im Abschnitt der Halswirbelsäule.108
Abb. 6: Drehung und Neigung des Halswirbelsäule
109
Typische Folgen der Haltungsprobleme sind unter anderem:
•
Probleme im Bereich der Halswirbelsäule wegen lateralen Flexionen und
Rotationen
•
Probleme mit dem linken Zeigefinger und dem rechten Daumen
•
Probleme mit Lippen- und Mundmuskulatur
Muskulaturbereiche, die bei QuerflötistInnen besonders stark belastet werden, sind
die Musculi rhomboidei (Rautenmuskeln) sowie von beiden Seiten Musculus
trapezius (Trapezmuskel, Kapuzenmuskel oder Kappenmuskel), Musculus levator
scapulae
(Schulterblattheber)
und
Musculus
serratus
anterior
(vorderer
Sägezahnmuskel). Das Gewicht der Arme und der Querflöte müssen gleichsam vom
Rumpf getragen, die Stellung des Schultergürtels muss vom Rumpf gehalten
werden.
Durch
asymmetrische
Gewichtsverteilung
wird
die
linksseitige
Rumpfmuskulatur und Musculus erector spinae (Rückenstrecker) stark beansprucht.
Die Länge der Querflöte zwingt zur Kopfrotation, damit die Überlastungen im linken
Schulterbereich verkleinert werden. Wenn die Querflöte parallel zum Boden gehalten
wird, müssen die QuerflötistInnen keine Lateralflexion – also Seitenbiegung
gemeinsam mit
Seitwärtsneigung – durchführen, sondern nur eine leichte
108
Ich halte mich hier im Wesentlichen an Norris (1997) und Wye (1988).
109
Nach Norris (1997), S.77
50
Kopfrotation vornehmen. Dann verlegt sich jedoch die Überlastung in die rechte
Schulter, weil der rechte Ellbogen fast automatisch nach oben „wandert“, und somit
die rechte Schulter und Halsmuskulatur nach links dehnen würde, um den
Schulterbereich zu balancieren.
Ein Kompromiss wäre eine kleinere Lateralflexion und ein etwas weniger gehobener
rechter Ellbogen. Diese Haltung bringt aber mit den Jahren eine Unausgewogenheit
von Muskelkraft und Halsflexibilität, was in Folge zu einer mechanischen
Verkleinerung der Foramina intervertebralia, durch die die Spinalnerven austreten,
führen kann. Vom Körper selbst können auch Osteophyten (Knochenwucherungen)
gebildet werden, die Nervenprobleme verursachen. Die Person verspürt die gleichen
Symptome wie bei einem Karpaltunnelsyndrom, also zum Beispiel Schmerzen im
Halsbereich und/oder Kribbeln und Stechen in der Hand. Die Diagnose ist Radikulitis
oder Radikulopathie, welche durch die Druckschädigung des Nervs entsteht. Die
Druckschädigungen im Halswirbelsäulenbereich können unter anderem auch zu
Durchblutungsstörungen führen. Grundsätzlich gilt, dass der Hals ein sehr
empfindlicher Bereich zumal bei QuerflötistInnen ist, da er eine überaus komplexe
Struktur hat und viele Nervenstränge ihn durchlaufen.
Der Wiener OA Dr. Bernhard Riebl hat im März und April 2008 eine Untersuchung an
mehreren 15- bis 18 -jährigen MusikschülerInnen im Rahmen der Magisterarbeit von
Ursula Matejka in der Wiener Krankenanstalt Rudolfstiftung durchgeführt. Es stellte
sich heraus, dass QuerflötistInnen eine verstärkte Schulter-Becken-Drehung, sowie
Nackenschmerzen, segmentale Irritationen und/oder Blockierungen beim Spielen
zeigten. Allgemein wurde bestätigt, dass bei allen Probanden Beschwerden im
Wirbelsäulenapparat anstiegen, wenn der Stress in ihrem Leben höher war als
üblich.110
In einer von Univ. Prof. Barbara Gisler-Hasse und Ursula Matejka durchgeführten
Untersuchung aus dem Jahre 2008 an mehreren Volksschulkindern zeigte sich, dass
Haltungsschwächen und Problemen bei QuerflötistInnen vorgebeugt werden kann,
wenn im Kindesalter eine „passende Kinderflöte“ (Aluminiumflöte, Yamaha Fife,
Picco-Flöte) verwendet wurde.111
110
Matejka (2009), S. 81-82
111
Matejka (2009), S. 77-80
51
4.5. Problemzone Hand
Eine andere Problemzone ist die rechte Hand. Sie muss so gehalten werden, dass
die Querflöte auf dem Daumen liegt, was mehr Balance bringt und die Querflöte hält.
Die Finger liegen Idealerweise abgerundet auf den Klappen. Das Handgelenk muss
in die Richtung vom Querflötenfuß, also leicht nach rechts verschoben sein. Der
Winkel zwischen dem Handgelenk, der Hand und den Fingern soll ungefähr 150
(nicht nur 120) Grad betragen (siehe Abb. 7a).112
Abb. 7 a und b: Die Handwinkel bei QuerflötistInnen
113
Den rechten Daumen hält man unter der Flöte. Sie dient dort einerseits zum Halten
des Instruments, andererseits aber auch als Widerstand für die Finger, die die
Klappen betätigen. Der Daumen wirkt als Kraftbasis und stabilisiert die Flöte beim
Spielen der „offenen“ Positionen wie zum Beispiel h1, c2, cis2, h2, c3, cis3, d3. Die
Flöte ist in diesen Positionen sehr instabil, weil die mechanischen Klappen außerhalb
der Kraftbasis liegen. Es kann zum Rutschen und somit zu Kompensationen
kommen, wobei die linke Hand den Druck sowohl zwischen Flöte und Kinn, als auch
zwischen rechtem Daumen und kleinem Finger vergrößert.
112
Erklärung durch Dr. Riebl –
Hier ist, wie die Abb. beweist, den Autoren ein erstaunlicher Fehler unterlaufen: der korrekt
dargestellte Winkel beträgt ca. 30° Ulnarabduktion, das bedeutet auf 150° in der Abb. 7a.
(120° würden in der dargestellten Messweise 60° Ulnarabduktion bedeuten)
113
Nach Soldan und Mellersh (1990), S. 31
52
Abb. 8a und b: Die rechte Hand bei QuerflötistInnen114
Der linke Zeigefinger ist die eigentliche Stütze der Querflöte. In dieser Position
kommt es oft zu Nervenkompressionen, die zu schmerzhaften, oft brennenden
Empfindungen führen können, die die ganze Hand betreffen und bis zur Ellenbeuge
oder sogar bis zur Schulter und zum Nacken ausstrahlen können.
Abb. 9: Die linke Hand115
Die meisten QuerflötistInnen versuchen die rechte Schulter zu lockern. Dann lassen
sie das Querflöten-Ende in Richtung Boden „wandern“ und drücken die Querflöte mit
dem linken Zeigefinger gerade, um zu verhindern, dass die Querflöte zu Boden fällt.
Das Problem vergrößert sich, wenn die Querflöte ein Inline-Modell ist, was bedeutet,
dass alle Klappen in einer Linie gebaut sind. Der vierte Finger der linken Hand ist für
Klappe, die „in der Linie steht“, steht zu kurz. Die Sehne des vierten Fingers ist
jedoch mit der Sehne des fünften Fingers verbunden. Wenn die Querflöte noch dazu
Ringklappen hat, kommt es zu gravierenden Problemen, die oft zu Tendovaginitis
(Sehnenscheidenentzündung) führen.
Eine Lösung dieses Problems ist die Offset-Flöte (siehe Abb. 10, 11 und 12), bei der
die
G-Klappe
nach
außen
gezogen
ist
und
somit
dem
vierten
Finger
„entgegenkommt.“
114
Nach Norris (1997), S. 81
115
Nach Soldan und Mellersh (1990), S. 30
53
Abb. 10: Inline- und Offset G-Klappen (Foto 1 zeigt deutlich den mittleren Teil der Flöte
in einer Linie; Foto 2 zeigt, wie der Teil nach unten gezogen ist), Foto 3 stellt den C-Fuß
dar und Foto 4 den H-Fuß (der deutlich länger ist als der C-Fuß)
116
Abb.11: Drei Flötenteile: ein H-Fuß (3 Klappen), Offset Modell und Flötenkopf
116
Werbeprospekt von Miyazawa
117
A.a.O.
117
54
Abb.12: Offset Modell
118
Probleme treten allerdings auf, wenn die linke Hand nach links verschoben und der
Zeigefinger abgeknickt wird. Denn die Flöte wird zwischen Grundgelenk und ersten
Gelenk des Zeigefingers fixiert. Alle anderen Finger knicken ebenfalls ab, wobei
wichtig
ist,
dass
es
keine
Verkrampfungen
(Versteifungen)
in
den
metacarpophalangeale Gelenken der Finger (also jenen der Mittelhandknochen) gibt.
Abb. 13: Die Verkrampfungen (Versteifungen) in den carpometacarpalen Gelenken der Finger
im linken Hand119
Neben den bereits genannten Problemen kann es bei QuerflötistInnen aber auch
noch zu Problemen im Mundbereich kommen: Zwei häufige orale und dentale
Probleme sind das Lockerwerden und Verschiebungen der unteren Zähne und
Schmerzen im Kiefer wegen des jahrelangen Drucks an der Stelle. Dies kann sowohl
spielerische als auch psychische Probleme, bedingt durch die kosmetische
Entstellung, nach sich ziehen.
118
Prospekt von Miyazawa
119
Nach Soldan und Mellersh (1990), S. 30
55
4.5.1. Modifizierte Ergonomie meiner Querflöte
Nach einer schweren Verletzung meines rechten Daumens und des Handgelenk im
Jahr 2003 (Sehnenriss) musste ich ein Jahr lang mit dem Querflötenspiel pausieren.
Während der Therapiezeit hatte ich auch keinen Wunsch zu üben. Als es
gesundheitlich wieder besser ging, habe ich auch meine Querflöte wieder in die
Hand genommen, aber sofort gemerkt, dass etwas einfach nicht passt. Ich fühlte
mich eingeschränkt und verkrampft – und in so einem Zustand kann man auch nicht
gut spielen. Da gerade Ferien waren, verwendete ich viel Zeit darauf zu
recherchieren, was mich an der Querflötenhaltung stört. Im Laufe der nächsten
Wochen und Monate baute ich meine Querflöte um; die Chronologie dieser
Veränderung ist auch mit Fotos dokumentiert worden.
Aufgrund der Bauweise der (Inline-)Flöte kann es passieren, dass diese einfach
wegrutscht. Daher ist es wichtig, die wichtigsten Stützpunkte des Instruments zu
kennen: Das Kinn, der linke Zeigerfinger und der rechte Daumen
sind jene
Körperteile, die den Druck auf die Flöte ausüben und die wichtigen „Stützpunkte“
sind. 120
Abb. 14a und b: Die Stützpunkte
Bei
der
Stützung
durch
den
linken
Zeigefinger
kommt
es
oft
zu
Nervenkompressionen, die zu Schmerzen werden können, die wiederum bis zur
Ellenbeuge, die Schultern und bis dem Nacken ausstrahlen. Ich habe deshalb für
mich beschlossen, aus meiner ursprünglichen Inline- eine Offset-Querflöte zu basteln
und eine Polsterstütze für den linken Zeigefinger zu integrieren. Die Polsterstütze
fühlt sich erstens wesentlich angenehmer an als das kalte Metallrohr und ist zweitens
wärmer. In Sachen „Offset“ wurde später ein Profi beauftragt, die Klappe
120
Nach Soldan und Mellersh (1990), S. 16
56
entsprechend
zu
verlängern
und
dabei
auch
den
optischen
Aspekt
zu
berücksichtigen.
Wie bereits geschildert, kommt dem rechten Daumen die wichtige Aufgabe zu, die
Querflöte (in Balance) zu halten. Da mein rechter Daumen keine Kraft hatte, die
Querflöte zu stützen, wurde ich – auch im Rahmen meiner Physiotherapieausbildung
– kreativ. Ich habe dabei das von Norris entwickelte Konzept des „StediRest“121 [sic!],
also einer Art von Schiene für den rechten Daumen als Stützhilfe (siehe Abb. 15), als
Grundidee „benutzt“, dann aber in meinem Sinne weiterentwickelt.
Abb. 15: StediRest
122
Ich habe für meine Zwecke meinen rechten Daumen immobilisiert, wobei die
Fingerkuppe die Flöte von der vorderen Seite stützt. Dadurch wurden die anderen
Finger geläufiger, gestreckter und schneller. Die Immobilisation bzw. Abstützung des
Daumens wurde später in Form einer Thermoplastik ausgeführt.123
121
Norris (1997), S. 81
122
Nach Norris (1997), S. 81
123
Das geschah an der Ergotherapie-Abteilung des Sozialmedizinisches Zentrums Baumgartner
Höhe. Mein Dank gilt Dipl. Ergotherapeutin Daniela Krehan und Dipl. Ergotherapeutin Sigrid Pircher.
57
Abb. 16a und b: Meine Daumenorthese und wie sie auf meinem Daumen aussieht
Abb. 17: Mein zweiter Versuch eines Wärme-Stütz-Kissens für den linken Zeigefinger
Abb. 18: Aus Inline wurde Offset gemacht
58
Abb. 19: Vergleichsfoto : Unten mein 1. Versuch und oben (leider) nach Generalüberholung der
Firma Wienerflötenwerkstatt (Werner Tomasi), wobei Teile von Abb. 17 und Abb. 18
weggeworfen wurden
59
5. Maßnahmen zur Therapie und Heilung
In der zweiten Hälfte meiner Arbeit wende ich mich nach der Epidemiologie, der
Ätiologie, der Diagnose und ersten Therapievorschlägen von Krankheiten, die in der
ersten Hälfte Thema waren, nun im Detail den Maßnahmen zur Therapie, der
möglichen Heilung, aber insbesondere auch zur Vorbeugung zu. Dabei möchte ich
mit den akutesten Fällen beginnen, also den Therapien von bereits eingetretenen
Erkrankungen
und
der
Rehabilitation,
ehe
ich
mich
abschließend
der
Physioprophylaxe in Theorie und Praxis zuwende.
5.1. Medikamentöse Therapien
Entzündungshemmende Medikamente sind in der akuten Phase in jeden Fall sehr zu
empfehlen. Entzündungshemmende Medikamente sollten aber stets in Kombination
mit anderen Therapiemethoden Anwendung finden.
Nichtsteroidale Antirheumatika wirken schmerzlindernd bei entzündlich bedingten
Schmerzen. Die Wirkung ist von kurzer Dauer, tritt aber schnell ein, ohne süchtig zu
machen. Folgende Wirkstoffe bzw. Präparate sind unter anderem bekannt:124
Acemetacin (z.B. Rantudil®), Diclofenac (z.B. Voltaren etc.), Ibuprofen (z.B. Imbun),
Indometacin (z.B. Amuno), Meloxicam (z.B. Mobec), Naproxen (z.B. Proxen),
Piroxicam (z.B. Felden). Diese Präparate enthalten kein Kortison.
Analgetika sind schmerzlindernde Medikamente. Zumeist sind es „periphere“
Analgetika, die keine Wirkung auf das Gehirn haben. Die sensorische Wahrnehmung
und andere Funktionen des Zentralnervensystems und Bewusstsein sind nicht
beeinflusst. Die bekanntesten sind Aspirin, Diclofenac, Ibuprofen, Paracetamol.125
Antiphlogistika schließlich sind nichtsteroidale Medikamente für die Behandlung von
Schmerzzuständen bei Haltungs- und Bewegungsorganen. 126
124
Vgl. http://www.rheuma-online.de/a-z/c/cortisonfreie-entzuendungshemmer.html (12.11.2008)
125
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Analgetikum (12.11.2008)
126
Happel (1997), S. 67
60
Anästhetika wiederum sind Betäubungsmittel, die zumeist injiziert werden.
Injektionen werden beim Karpaltunnelsyndrom, Tendinitis de Quervain und
Epicondylitis als Therapie gegen akute Schmerzen verwendet. Normalerweise sind
Spritzen pharmakologisch ein Cocktail aus einem Anästhetikum und Steroiden. Intraartikuläre Injektionen wirken lokal begrenzt. Damit besteht keine Gefahr, dass sie
den ganzen Körper beeinflussen.
5.2. Thermotherapien
In der häuslichen Therapie haben sich Kältepackungen, die man entweder im
Gefrierfach kühl hält oder in der Mikrowelle wärmen kann, als hilfreiche Methoden
gezeigt. Jede akute Verletzung benötigt Kühlung, jede chronische Schmerzstelle
verlangt hingegen Wärme. Wie immer sind auch hier subjektive Erfahrungswerte –
etwa im Hinblick auf die Temperatur oder die Dauer – von großer Bedeutung.
Der Effekt der Schmerzlinderung wird durch Inhibition der Schmerzweiterleitung von
Neuronen durch das Rückenmark erreicht. Um eine dauerhafte Schmerzlinderung zu
erreichen, sollten aktive Maßnahmen in Anspruch genommen werden.
Kältetherapie oder Kryotherapie kann in Form von Umschlägen, Packungen, Sprays
(mit Medikamenten und Menthol) oder „Eislollis“ auf schmerzenden Muskeln bzw.
Stellen appliziert werden. Die Kälte auf der Haut wirkt im peripheren und im zentralen
Nervensystem als vorübergehende Schmerzhemmung. Zudem haben sich bei
MusikerInnen so genannte „Topfen-Kälte-Packungen“ als hilfreich erwiesen. Dabei
ist es gewissermaßen „Geschmacksache“, ob der Topfen halbfett oder fett ist.
Wärmebehandlungen werden oft als besonders angenehm und wirksam empfunden.
Wärme bewirkt eine reflektorische Entspannung von Muskeln und Gefäßen. Die
Wärmequelle wird in physiotherapeutischer Weise auf verschiedene Arten
angewendet – als Fangopackungen, Heublumenpackungen, in Form heißer Bäder,
durch Bestrahlungen mit Infrarot oder Heißluft.
61
5.3. Elektrische Stimulationen zur Schmerzlinderung
Durch elektrische Stimulationen mittels Elektroden werden – je nach Stromform –
leichte rhythmische Muskelkontraktionen in der Schmerzzone ausgelöst. Diese
helfen, die Schmerzen zu lindern. So werden Ödeme beseitigt, und mehr Blut kann in
die Muskeln fließen. Es sind dies sehr hilfreiche Methoden für die Muskelstärkung –
mit dem Ziel, einen Funktionsverlust zu verhindern.
Einer der erfolgreichsten dieser Therapieformen nennt sich TENS und ist eine
nichtmedikamentöse
Schmerztherapie,
die
bei
muskulo-skeletalen
und
posttraumatischen Schmerzen, Neuralgien und Durchblutungsstörungen angewendet
wird und besonders bei der Linderung von akuten Schmerzzuständen in der
Muskulatur
erfolgreich
ist.
Eine
der
Theorien
der
Wirkmechanismen
der
Elektrotherapien und damit der Wirkung von TENS ist die „Gate-Control-Theorie“
bzw. Kontrollschrankentheorie: Ihr gemäß können innere und äußere Schmerzreize
von Schmerzrezeptoren in Haut, Muskeln, Gelenken und inneren Organen
aufgenommen werden. Diese werden im Hinterhorn des Rückenmarks auf das
zweite
Neuron
der
Schmerzbahn
verschaltet.
Durch
Stimulation
der
Mechanorezeptoren in der Haut durch TENS werden inhibitorische Neuronen im
Rückenmark aktiviert – und so kommt es zu einer Schmerzlinderung.127
Der angewendete Wechselstrom hat eine Frequenz bis zu 300 Hertz, aber eine
niedrige Intensität. Auf der Haut spürt man ein angenehmes Kribbeln. TherapieElektroden werden auf periphere Nerven oder auf die Triggerpunkte appliziert. Die
Therapiedauer sollte mindestens 30 Minuten betragen, und sie sollte täglich
durchgeführt werden. Nach einiger Zeit merkt der Patient, dass die Frequenz höher
sein kann, was bedeutet, dass der Körper eine höhere Schmerzgrenze erreicht hat.
Bei chronischen Schmerzen helfen die Erkenntnisse der Gate-Control-Theorie auch
nicht weiter. Entsprechend anders sieht die TENS-Behandlung in diesen Fällen aus.
Bei chronischen Schmerzen wird eine niedrige Frequenz bis zehn Hertz angewendet,
dabei aber eine hohe Intensität appliziert. Schmerzhemmung kommt hier über die
Stimulation von A-Delta-Fasern auf supraspinaler Ebene zustande. Die Elektroden
können in diesen Fällen auch vom Schmerzgebiet entfernt werden.128 Die
Therapiedauer sollte empfehlenswerter Weise mindestens 30 Minuten lang dauern.
127
Shealy und Mauldin (1993), S. 175-186
128
Bogner und Marn (2006), S. 43. Vgl. auch die Gebrauchsanweisung zu TENStem eco
62
5.4. Orthesen
Medizinische Orthesen sind kompakte medizinische Hilfsmittel für die Stabilisation
eines
oder
mehrerer
Gelenke
bzw.
zur
Unterstützung
von
eingeschränkt
funktionstüchtigen Körperteilen. Das Wort setzt sich zusammen aus den Teilbegriffen
ortho (auf Deutsch richtig bzw. recht-) und Prothese.
Orthesen vermeiden, in der Nacht getragen, mögliche ungewollte schmerzhafte
Bewegungen. Auch tagsüber ist es wichtig, die Orthesen zu tragen. Diese
stabilisierenden Hilfsmittel sollten aber immer wieder abgenommen werden, um
physiotherapeutische Übungen zu praktizieren, damit keine Verhärtungen oder
Unbeweglichkeiten eintreten können bzw. um eine Dekonditionierung der betroffenen
Muskeln zu vermeiden.
63
6. Rehabilitierende Maßnahmen
Unter medizinischer Rehabilitation versteht man vereinfacht ausgedrückt die
Bestrebung, eine Person wieder in ihren vormals existierenden körperlichen Zustand
zu versetzen. Im Zusammenhang dieser Arbeit unterscheide ich rehabilitierende
Maßnahmen von den konkreten medizinischen Therapien aber auch von
prophylaktischen Strategien, auch wenn die Übergänge fließend sind. Zur
Rehabilitation dienen hier insbesondere Übungen, bei denen es um eine
Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit geht. Klar ist aber auch, dass
die meisten rehabilitierenden Maßnahmen auch als Prophylaxe eingesetzt werden
können.
6.1. Dehnung der Muskeln
Nach Schnack verkürzt sich beim intensiven Üben der Leistungsmotor der MuskelSehnenkette durch Sauerstoffmangel, was medizinisch Hypoxie genannt wird. Jeder
Muskel und Muskelmotor benötigt für seine Arbeit Sauerstoff, besonders jene
muskulären Bereiche, die unter intensiver Spannung stehen. Unphysiologische
Überlastung verhindert Durchblutung und Stoffwechsel. Bei hoher Leistung der
ganzen Muskulatur
wird bereits nach 60 bis 90 Minuten eine maximale
Verkürzungswirkung sowie eine Reduzierung der Gelenkbeweglichkeit eintreten. Die
Muskelverkürzungen, die bei Kraftübungen bzw. Krafttraining entstehen, können als
Gegeneffekt den Bewegungsumfang um fünf bis 13 Prozent reduzieren. Wenn die
Überlastung zu groß ist, reagiert die tonische Muskulatur also mit Verkürzung.129
Die Sauerstoffversorgung der verkürzten Muskel-Sehnenkette kann sich mit
gezielten und wiederholten Dehnung verbessern. 1981 wurde in einer schwedischen
Sportstudie nachgewiesen, dass durch Dehnung eine Bewegungsverbesserung von
fünf bis zwölf Prozent erreicht werden kann, die dann rund 90 Minuten andauert.130
Um
Muskelverkürzungen
vorzubeugen,
sollten
daher
nach
dem
Spielen
Dehnübungen gemacht werden, die einseitig beanspruchte Muskeln in den
„Normalzustand“ zurückversetzen. Dehnungsübungen sind grundsätzlich günstig.
129
Schnack (1994), S. 92f.
130
A.a.O., S. 93
64
Sobald man allerdings an die Schmerzgrenze stößt, sollte man diese auf keinen Fall
fortsetzen. Ebenfalls Vorsicht ist beim Dehnen angebracht, wenn Hypermobilität
vorliegt.
Muskelverspannungen in Rücken-, Hals- und Nackenbereich bringen Probleme mit
sich wie z.B. eingeschränkte Beweglichkeit, verminderte körperliche Ausdauer, Kraft
und Koordination sowie einen ständigen Spannungszustand im Körper. Durch
Dehnung der verkürzten Muskeln und durch Kräftigung der phasischen Muskeln wird
das muskuläre Gleichgewicht wiederhergestellt. Dehnungen von gestressten
Muskelfasern bringt dabei wieder Leben in die betroffenen Muskelgruppen, da ein
gedehnter Zustand besser für metabolische Prozesse ist.
Grundsätzlich gibt es zwei Methoden zur Dehnung der Muskulatur:
•
Die Schwunggymnastik oder „dynamisches Dehnen“
•
Das Stretching oder „statisches Dehnen“
In einer weiteren Übersicht lassen sich folgende Untertypen unterschieden:131
dynamisch
Statisch
Schwunggymnastik
Stretching
passive
neuromuskuläre
statische
Dehnübungen
Dehnübungen
Annspannungsdehnen
Aktives Dehnen
Entspannungsdehnen
statisches Dehnen
Dehnungsübungen können sehr gut mit Atem- und Yogaübungen kombiniert und
sollten nach vorhergehendem Aufwärmen praktiziert werden. Man kann Stretching
auch nach dem Duschen machen, weil die Wasserwärme die verspannte Muskulatur
sanft lockert und die Muskelfasern besser auf Dehnungsübungen vorbereitet sind.
Generell ist es wichtig, Dehnungsübungen immer beidseitig durchzuführen, um ein
„Ungleichgewicht“ zu vermeiden. Da die Kopfhaltung bei QuerflötistInnen leicht nach
131
Vgl. Bogner und Marn (2006), S. 46.
65
links gedreht und gleichzeitig sehr oft zur rechten Seite geneigt ist, neigen die
Muskeln der rechten Seite zur Verkürzung und müssen gedehnt werden.
Mit dem Alter nimmt die Elastizität des Sehnengewebes (Kollagen) ab. Das ist ein
weiterer Hinweis darauf, dass MusikerInnen vor und nach dem Musizieren ein
prolongiertes Stretch Übungs-Programm absolvieren sollten.
Bei intensiver musikalischer Tätigkeit werden die gesamte Rücken-, Hand- und Arm
Muskulatur sehr stark beansprucht. In den ersten ein bis zwei Stunden danach ist
eine Entspannungsdehnung zu empfehlen.
Beim Passiv-Stretching wird eine intensive Dehnungsposition angestrebt. Die
Gelenkeinheiten werden langsam in Extremstellung geführt – unter Ausnutzung
äußerer
Kräfte
und
ohne
die
Schmerzgrenze
zu
überschreiten.
Die
Intensivstretchingmethode wiederum kann wesentlich zur Erhaltung von Leistung
und
Elastizität
der
Muskel-Sehnen-Gelenk-Kette
der
InstrumentalistInnen
beitragen.132
Anspannungs- und Entspannungstechniken beim Stretching sind in der Fachliteratur
auch als PNF-Verfahren (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) bekannt.133
Reizung wird nicht über maximale Dehnung erreicht, sondern über intensive
isometrische Kontraktion. (Das aus dem Altgriechischen abgeleitete Wort isometrisch
steht für „gleiches Maß, gleiche Länge“.) Diese ergibt sich, wenn ein Muskel
ausschließlich eine Spannungsänderung durchführt, jedoch keine Längenänderung.
Bei der PNF-Methode wird versucht, gestörte Bewegungsabläufe zu normalisieren.
Dazu werden die Druck- und Dehnungsrezeptoren in Muskeln (Propriozeptoren)
durch Druck, Dehnung, Entspannung oder auch Streckung stimuliert. Diese Abläufe
werden in bestimmten festgelegten Reihenfolgen durchgeführt. PNF-Verfahren
gehören zu den basalen Methoden der Physiotherapie und zeichnen sich durch
komplexe Bewegungsmuster aus, welche grundsätzlich in diagonalen Mustern
verlaufen.134
132
133
Vgl. Schnack (1994), S. 97
Zur Vertiefung vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Propriozeptive_neuromuskuläre_Fazilitation (13.
März 2009)
134
A.a.O.
66
6.2. Lymphdrainage
Wenn es zu Stauungen im betroffenen Gewebe kommt, spricht man von einem
Ödem. Zur Behandlung werden extrem langsame und behutsame Bewegungen in
bestimmte Richtungen hin zu den großen Lymphknoten angewendet, die man
manuelle Lymphdrainage nennt. Als Resultat kommt es zu Entstauung im
betroffenen Gewebe.
Nach
den
Richtlinien
der
Gesellschaft
medizinischer
Assistenzberufe
für
Rheumatologie sollte diese Therapieform täglich 30 Minuten lang durchgeführt
werden135
6.3. Triggerpunkttherapie
Triggerpunkte sind nach Bogner und Marn druckempfindliche Irritationen in den
myofaszialen Anteilen der Muskelbäuche.136 Ein Triggerpunkt hat normalerweise
einen Durchmesser von weniger als einen Millimeter, kann sich aber bis zu einem
Zentimeter erweitern, falls mehrere empfindliche Punkte auf einer Stelle auftreten.
Das kann als ödematöses Knötchen ertastet werden.137 Der Muskel weist an der
schmerzhaften Stelle einen erhöhten Muskeltonus auf. Wenn ein Triggerpunkt länger
besteht, führt es zu einer Abschwächung des Muskels, was wiederum ein Auslöser
für muskuläre Dysbalancen sein kann. Dabei werden bei aktiven Triggerpunkten
Schmerzen in eine andere Körperregion ausgestrahlt.
ÄrztInnen behandeln die Triggerpunkte mit Nadeln, PhysiotherapeutInnen die
betroffenen Muskeln mit manuellen Techniken. Eine Spannungsminderung des
Muskels
wird
durch
Druck
erzielt,
dabei
werden
Hüllstrukturen
und
das
intramuskuläre Gewebe gedehnt. Ziel ist eine Verbesserung der Durchblutung im
Muskelgewebe.
Aufgrund
der
Spannungslösung
kommt
es
auch
zur
Schmerzreduktion.138
135
Bogner und Marn (2006), S. 41f.
136
A.a.O., S. 33
137
A.a.O.
138
A.a.O., S. 35
67
6.4. Spiraldruck-Therapie
Eine spezielle Unterart der Drucktherapien ist die so genannte Dehn’sche
Spiraldruck-Therapie. Das ist eine manuelle Ganzheits-Heilmethode, die von Inge
Dehn entwickelt wurde. Sie hat herausgefunden, dass Verspannungen in Becken
und Schultergürtel (muskuläre Wirkungsketten) auch Schmerzen in peripheren
Körperteilen reflektieren, wo diese dann pathologisch wirken.139 Die an den
Reflexzonen
orientierte
Spiraldrucktherapie
kann
schnell
und
einfach
bei
Schmerzsyndromen helfen, die durch muskuläre Verspannungen und Triggerpunkte
verursacht werden.
Die Diagnose wird mittels Fußreflexzonen, Akupressur und Bauchmassage erstellt.
Dabei werden jene Muskeln identifiziert, die verspannt sind. Ausgesuchte
Muskelketten und Triggerpunkte werden unter Druck ausgesucht und spiralförmig in
Längsrichtung ausgestrichen. Der Spiraldruck wird direkt auf den betroffenen
Muskeln ausgeübt. Die Lösung der Verspannung ist am Anfang schmerzhaft. Die
vorher bestehende Bewegungseinschränkungen und Schmerzen werden aber
meistens nach kurzer Zeit behoben.140
Die Dehn’sche Spiraldrucktherapie kann auch als physioprophylaktische Methode für
die Korrektur der Haltungsmuskulatur bei aktiven MusikerInnen angewendet werden.
6.5. Massagen
Massagen sind – nicht nur für MusikerInnen – grundsätzlich empfehlenswert. Sie
dienen der Erholung und Entspannung der Muskeln, der Verbesserung von
Stoffwechselprozessen und können die Verminderung von Ödemen unterstützen.
Klassische Massagen werden bei akuten Schmerzen und Funktionsstörungen des
Bewegungsapparates angewandt. Die Grifftechniken (unter anderem Knetung,
Friktion) dienen der Spannungsregulation und können den Muskelstoffwechsel
positiv beeinflussen. Die Durchblutung wird gefördert, und Stoffwechselschlacken
139
Jacoby (1994); S. 252f.
140
Vgl. Volker Verse (kein Jahr). URL: http://www.muenster.de/verse/was/spiraldruck.html
(17.01.2009)
68
werden
abtransportiert.
Die
Folge
sollte
allgemeine
Entspannung
sein.141
Grundsätzlich lassen sich verschiedene Formen der Massage unterscheiden, die
unterschiedlich eingesetzt werden.
Mobilisierende Massagen dienen vorwiegend der Rehabilitation und sind eine
Kombination
aus
Massage,
Gelenksbewegungen.
Sie
Dehnungen
werden
sehr
der
Muskeln
langsam
und
durchgeführt,
von
den
um
eine
Gegenspannung zu verhindern. So werden wie bei der klassischen Massage
Rezeptoren
in
Haut,
Muskeln
und
Gelenken,
aber
auch
physiologische
Gelenksbewegungen angeregt.142
Die Fußreflexzonenmassage ist eine alternative Diagnose- und Heilmethode
verschiedener Schulen. Die Idee ist, dass der ganze Körper sich an Händen und
Füßen reflektorisch spiegelt. Als Pionier der neueren Reflexzonenmassage gilt der
US-amerikanische Arzt William Fitzgerald (1872–1942). Fitzgerald teilte den Körper
in zehn senkrechte Zonen ein. Dieses Konzept und die von ihm entwickelte
„Zonentherapie“ waren 1917 der Grundstein für die heutige Reflexzonenmassage.
Die Fußreflexzonenmassage ist bei der Rehabilitation insbesondere dann von
großem Vorteil, wenn der Schmerz im Muskelareal bei den PatientInnen so groß ist,
dass bei den direkt betroffenen Stellen keine klassische Massage ausgeübt werden
kann.143
Die Bindegewebsmassage wurde 1929 von Elisabeth Dicke begründet. Im Rahmen
dieser Behandlung wird ein Zugreiz auf das Gewebe geübt, was ein schneidendes
Gefühl bringt. Das Resultat ist eine Mehrdurchblutung des Gewebes.144
6.6. Übungen zur Muskelentspannung
Das Ziel von Entspannungstechniken ist es, Muskelspannungen möglichst genau
spüren und regulieren zu lernen. Dadurch können unnötige Spannungen entdeckt
und
vermieden
werden,
was
der
Besserung
bereits
vorhandener
Überlastungsschäden oder ihrer Vorbeugung dient.
141
Bogner und Marn (2006), S. 39
142
A.a.O.
143
Zitiert nach Chirurgie Portal Forum (o.J.). URL: http://www.chirurgie-portal.de/alternative-
medizin/fussreflexzonenmassage.html (31.10.2008)
144
Zitiert nach http://de.wikipedia.org/wiki/Bindegewebsmassage (31.10.2008)
69
Zu den geläufigen Entspannungstechniken gehören Meditationsübungen, die unter
anderem die Konzentrationsfähigkeit verbessern. Sie führen dazu, den eigenen
Körper besser zu verstehen, in sich zu gehen, und wo immer man ist, ganz
gegenwärtig zu sein.145 Das ist insbesondere für MusikerInnen wichtig, die sich bei
einem Konzert sicher fühlen sollten, da man nur so Musik in idealer Weise
„geschehen lassen“ kann.146
Bei
der
so
genannten
progressiven
Muskelentspannung147,
die
vom
US-
amerikanischen Arzt Edmund Jacobson (1888–1933) entwickelt wurde, werden
nacheinander folgende Muskelgruppen jeweils für sechs bis sieben Sekunden
maximal angespannt. Anschließend soll man augenblicklich die Spannung loslassen
und sich für etwa 30 Sekunden die Konzentration auf möglichst tiefe Entspannung
ausrichten, die sich nach der Anspannungsphase ganz von selbst einstellt. Das ist
die Reihenfolge der Muskelgruppen:
1. Rechter Fuß und rechter Unterschenkel
2. Rechter Oberschenkel
3. Linker Fuß und linker Unterschenkel
4. Linker Oberschenkel
5. Becken und Gesäßbereich
6. Schultern: Nach unten und gleichzeitig nach hinten zum Rücken, sodass sich
die Schulterblätter aufeinander zu bewegen
7. Rechter Oberarm: Arm beugen, Spannung im Bizeps entstehen lassen, den
Arm dabei an den Oberkörper drücken
8. Rechter Unterarm und rechte Hand: Mit der Hand eine Faust bilden und
Unterarmmuskel fest Anspannen
9. Linker Oberarm: wie rechts
10. Linker Unterarm und linke Hand: wie rechts
11. Nackenbereich: Schultern hochziehen, den Kopf zwischen die Schulter
einziehen
12. Kopfhaut und Stirn: Augenbrauen hochziehen und Kopfhaut anspannen
13. Gesichtsmuskulatur: Eine Grimasse ziehen
145
Klöppel (2005), S. 133
146
A.a.O., S. 132
147
Die Lehrzettel für Biofeedback und progressive Muskelentspannung stammen von der
Schmerzambulanz des Wiener AKH im Mai 2005
70
14. Kinn und Halsbereich: Das Kinn in Richtung Brustkorb ziehen, die
geschlossenen Mundwinkel nach außen ziehen
15. Brustmuskulatur: Die Schultern nach unten ziehen, die Oberarme gegen den
Brustkorb drücken und die Schultern etwas nach vorne ziehen
16. Bauchmuskulatur
17. Rücken
Eine weitere Form, die zur Entspannung führen kann, ist Biofeedback, eine Methode,
die ebenfalls vom US-amerikanischen Arzt Edmund Jacobson erfunden worden ist.
Ziel des Biofeedbacks ist es, Kontrolle über bestimmte Körperfunktionen zu erlangen
und diese Kontrolle in den Alltag zu übernehmen. Mit Hilfe des Computers, von
Elektroden und Sensoren werden bestimmte körperliche Indikatoren registriert, die
normalerweise nicht bewusst wahrgenommen und beeinflusst werden können. Zu
den körperlichen Funktionen, die gemessen werden, gehören Puls, Temperatur,
Atmung, Hautwiderstand und Muskeltonus. Durch Feedback mittels optischer
Darstellung auf einem Bildschirm werden Lernprozesse in Gang gesetzt, um diese
körperlichen Funktionen positiv zu beeinflussen. Das wiederum führt dazu,
körperliches Wohlbefinden zu erzielen. Biofeedback ist damit ein Lernprozess, bei
dem Kontrolle über unseren Körper wieder erlangt werden kann.
Zum weiteren Bereich der Entspannungspraktiken zählen neben den bereits kurz
vorgestellten Techniken unter anderem:
•
Autogenes Training
•
Alexander-Technik
•
Feldenkrais
•
Konzentrationspraxis
•
Qigong
•
Taijiquan
•
Yoga (als Meditationsübung)
Auf diese Techniken wird um Teil noch weiter unten im Zusammenhang mit
Prophylaxe für MusikerInnen eingegangen (vgl. Kapitel 8.2.).
71
6.7. Mentales Üben
Besondere Stellung unter den Rehabilitationsmaßnahmen nimmt das mentale Üben
ein. Es ist nicht nur für MusikerInnen sinnvoll, die verletzt sind bzw. unter
Beschwerden leiden, sondern auch für gesunde MusikerInnen, um Zeit und Energie
zu sparen. Mentales Üben heißt, sich die Abläufe einer Bewegung genau
klarzumachen und mit dieser Erkenntnis die Bewegungen zu steuern. Es ist
wissenschaftlich bewiesen, dass mit gedanklich vorgestellten Musizierbewegungen
in den Muskeln, die für diese Bewegungen benötigt werden, schwache elektronische
Impulse ausgelöst werden können.148
Der erste, der dies festgestellt hat, war der britischer Arzt und Physiologe William B.
Carpenter. Er hat im Jahre 1852 festgestellt, dass auch reine Beobachtung oder
Vorstellung von Bewegungen jene Muskelnerven innervieren bzw. von der
entsprechenden
Muskelgruppe
interpretiert
werden,
welche
die
Bewegung
ausführen, ohne diese wirklich durchzuführen. Das nennt sich heute „CarpenterEffekt“.149
Dieser Effekt weist darauf hin, dass MusikerInnen auch mit „trockenem Üben“ und so
genanntem
„Mind-Mapping“
realistische
Bewegungen
trainieren
können.
Muskelrezeptoren innervieren, auch wenn de facto gar keine Bewegung gemacht
wird.. 150
Mentales Üben und das so genannte Mind-Mapping sowie Singen können auch
spieltechnische Bewegungsfunktionen am Instrument verbessern. Natürlich kann
mentales Üben das Üben am Instrument nicht ersetzen. Es kann es aber ergänzend
verbessern.
148
Klöppel (2005), S. 127
149
A.a.O., S. 125f.
150
A.a.O., S. 125f.
72
7. Strategien der Prävention
Wie im vergangenen Kapitel zu zeigen war, resultieren viele der körperlichen
Beschwerden von QuerflötistInnen aus der unnatürlichen Haltung beim Spiel bzw.
einer schlechte Vorbereitung auf eben diese Spielpraxis. Dabei stellt sich die
grundsätzliche Frage, ob solche Fehlhaltungen nicht nur Symptome oder
Konkretisierungen einer Fehlhaltung sind, die womöglich auch in der persönlichen
Lebensgeschichte zu finden sind.151 Es könnte ja auch so sein, dass die auf der
personalen Fehlhaltung beruhende Verspannung sich am schwächsten Punkt des
Flötenspielers niederschlägt und dort schließlich zur Erkrankung führt.
Wenn dem so sein sollte, dann müssten auch Prävention und Therapie von
MusikerInnenerkrankungen auf zwei Phasen aufgeteilt sein: Zum einen müsste die
personale Fehlhaltung als leib-seelische Indisposition behandelt und korrigiert
werden. Darauf aufbauend könnten dann mit der Behebung der zum Teil subtilen
Spannungen begonnen werden.152
7.1. Prävention als Thema
In den folgenden Abschnitten meiner Magisterarbeit geht es nun darum, Strategien
aufzuzeigen,
wie
man
solchen
Beschwerden
bereits
durch
entsprechende
Vorbereitungen vorbeugen kann. Tatsächlich ist es in der Musikermedizin in den
vergangenen Jahren zu einer Art Paradigmenwechsel gekommen: Statt sich
ausschließlich mit den Krankheiten der MusikerInnen und Therapien zu befassen,
wurden in den vergangenen Jahren vermehrt Strategien entwickelt, damit es erst gar
nicht so weit kommt.
Es geht also viel mehr um die Erhaltung eines gesunden Körpers und eines
gesunden
Geistes,
wobei
sich
Gesundheit
nach
der
Definition
der
Weltgesundheitsorganisation WHO weniger als die Abwesenheit von Krankheit oder
Schwäche versteht, sondern als Zustand des vollständigen physischen, mentalen
und sozialen Wohlbefindens.153
151
Vgl. Wurz (1995), S. 102
152
A.a.O.
153
“Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of
disease or infirmity”, zitiert nach Wikipedia, Suchbegriff „Health“ - WHO. "Constitution of the World
73
Im Hinblick auf die Ausbildung von MusikerInnen stellt sich entsprechend die Frage,
welche Methoden der Prävention wann, von wem und wie vermittelt werden sollen.
Eine der rezentesten und zugleich aber wohl auch einflussreichsten Aktivitäten im
Bereich Prävention von Musikererkrankungen ist die US-amerikanische Initiative
„Health Promotion in Schools of Music“ (also in etwa Gesundheitsförderung in
Musikschulen, kurz: HPSM). Sie wurde im Herbst 2004 mit einer Konferenz gestartet,
auf der GesundheitsexpertInnen mit Musikfachleuten zusammenkamen, die an der
Ausbildung von MusikerInnen beteiligt sind. Bei der Tagung und nachfolgenden
Treffen wurde ein Empfehlungsprogramm zur Gesundheitsförderung erarbeitet, das
im Herbst 2005 und im Frühjahr 2006 vom Exekutivkomitee der Nationalen
Gesellschaft der Musikschulen bzw. -akademien vorgelegt und von dieser
abgesegnet wurde.154
Zu den Erklärungen des Programms HPMS zählen die folgenden vier Feststellungen:
•
Musikererkrankungen können vermieden werden. Ein holistischer Ansatz zur
Prävention ist nötig, der Wohlbefinden und persönliche Verantwortung fördert
•
Musikschulen beeinflussen studentisches Verhalten durch kollektive Werte,
Glaubenssysteme und Handlungen. Das muss zu allererst in Betracht
gezogen werden, um Probleme zu vermeiden.
•
Neben der muskuloskeletalen und der mentalen Gesundheit sowie jener der
Stimme ist insbesondere auch das Problem der Gehörschädigungen durch
laute Musik zu berücksichtigen.
•
Bereits
vor
der
universitären
Ausbildung
müssen
Musikschulen
gesundheitsbewusste und beschwerdefreie junge MusikerInnen heranbilden.
Da
leistungsabhängige
Probleme
vermeidbar
sind,
sollten
Schulen
bzw.
Universitäten Kurse anbieten, die angehende MusikerInnen dazu bringen, für den
eigenen Körper die Verantwortung zu übernehmen. Die Lehrveranstaltungen sollen
unter anderem folgendes vermitteln:
•
Wertschätzung, Bewusstsein und Wahrnehmung des gesunden Körpers
•
Fachwissen über spezielle Probleme, die auftreten können
Health Organization" World Health Organisation; (2006). URL: http://en.wikipedia.org/wiki/Health
(13.03.2007)
154
Vgl. Chesky et al. (2006), S. 142
74
•
Fachwissen über auffällige Diagnosen
•
Verständnis für Prävention
•
Ergonomie der Instrumente („orthopädische Instrumente“)
•
Ergonomie beim Üben und beim Spielen (Sitzen, Licht, Temperatur,
Ablenkungen...)
•
Haltung
•
Bewegungsphysiologie
•
Anatomie
•
Muskuläre Physiologie beim Training
•
Sensomotorische Zusammenhänge
•
Selbsthilfe
•
Suche
für
professionelle
Hilfe
bei
Schmerzen
bzw.
auftretenden
Köperproblemen
Mittlerweile setzen sich in Nordamerika mehr als 20 professionelle Organisationen
für dieses Ziel der „Prävention und Ausbildung über Musikerkrankheiten“ ein.155
„Health
Promotion
in
Schools
of
Music“
(HPSM)
bietet
Kurse
bzw.
Lehrveranstaltungen an, die aus den Teilbereichen Anatomie des Menschen,
Prävention der Muskel-Skelett-Beschwerden, aus physikalischen Körperübungen,
Pilates, Yoga, Feldenkrais-Technik, Alexander-Technik, Tai Chi Chuan, Qi Gong und
Antistress-Management zusammengestellt wurden.
7.2. Theorie der Physioprophylaxe
Ein
Schlüsselwort
zu
all
diesen
neuen
Präventionsstrategien
nennt
sich
Physioprophylaxe. Das Wort wurde unter anderem vom deutschen Sportphysiologen
Hartmut
Puls
geprägt
und
fasst
viel
bereits
vorhandenes
sport-
und
musikmedizinisches Gedankengut in einem neuen Begriff zusammen und bringt es
zur Anwendung. Der Terminus besteht aus zwei geläufigen Wörtern: „Physio“
bedeutet physisch bzw. körperlich und erinnert an Physiotherapie. „Prophylaxe“
155
Unter diesen sind unter anderem die Ohio University School of Music, die University of
Indianapolis, University of North Texas, Northwestern University, Eastman School of Music University
of Rochester, Shepherd University, University of Southern Maine, Michigan State University, George
Mason University, Royal College of Music, London und die Hannover University of Music and Drama.
75
wiederum bedeutet „Vorbeugung“. „Prophylaxe“ ist während des 18. Jahrhunderts
aus dem lateinischen prophylacticum ins Deutsche entlehnt worden. Dieses
wiederum stammt von der griechischen !"#$%&'()*, proph+laxis, „Vorbeugung“.156
Das Wort „Physioprophylaxe“ ist eigentlich ein Kunstwort, wörtlich könnte man es mit
„körperliche Vorbeugung“ übersetzen.
Der Vorteil des Begriffs liegt darin, dass er eine Assoziation zum Wort
„Physiotherapie“ herstellt und Körperübungen assoziiert. Physiotherapie weist
allerdings bloß auf die Möglichkeiten der Therapie hin, sprich: auf Übungen und
Behandlungen, die MusikerInnen in einer unangenehme Situation für ihren Körper
machen könnten. Was ist das Ziel der Physioprophylaxe?
Es geht dabei – wie auch ganz allgemein in der Musikmedizin – unter anderem
darum,
•
eine Übehygiene und das richtigen „Aufwärmen“ zu erlernen. Das bedeutet,
dass Übungsstunden mit körperlichen Aufwärmübungen begonnen werden
sollten. Es geht aber auch darum, mit zielgerichtetem Verstand zu spielen,
immer wieder Pausen zu machen und die Muskulatur nach dem Spiel wieder
ins Gleichgewicht zu bringen.
•
auf seinen eigenen Körper „hören zu lernen“ um Ermüdungszeichen
rechtzeitig zu erkennen, sowie eine innere Sensibilität zu erhöhen
•
das eigene Körpergefühl sowie Körperbewusstsein zu verbessern
•
alternative und anpassende Wege für das Üben und Lernen zu entwickeln,
wenn Probleme auftreten
•
mögliche Probleme an der Haltung zu erkennen und Lösungen zu finden
•
die Basis für gute physiologische Voraussetzungen für das Üben und
Musizieren zu entwickeln
•
die anatomischen Grundlagen zu kennen und zu berücksichtigen wie zum
Beispiel Muskel, Bindegewebe, Bänder und Gelenke funktionieren und wie sie
zusammenspielen
•
nicht bis zu den Grenzen der körperlichen Möglichkeit bzw. Erschöpfung zu
üben
•
zu wissen, dass sich Angst vor Schmerzen negativ auf unsere Psyche
auswirken
156
Vgl. Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/Prophylaxe (13.05.2007)
76
Als Ausgangsüberlegung der Physioprophylaxe gilt, dass funktionelle Probleme
leichter zu behandeln sind als Erkrankungen. Medizinische Therapien gestalten sich
zumeist weitaus schwieriger und aufwändiger – zumal, wenn das Problem bereits
chronisch geworden ist. Und so manche Probleme sind gar nicht mehr therapierbar.
Das alles weist auf das enorme Potenzial von Physioprophylaxe hin, die im Idealfall
schon im Vorschulalter beginnen sollte.
Individuell
abgestimmte
Bewegungs-
und
Übungskonzepte
steigern
ganz
grundsätzlich die somatische Befindlichkeit und sind eine gute Vorbeugung gegen
Haltungs- und Bewegungsschäden. Auch bei bestehenden Erkrankungen können sie
spürbare Verbesserungen bewirken.
Bei MusikerInnen bleiben die Muskeln oft nach dem Musizieren ganz „unbewusst“
auch im Alltag angespannt. Diese Anspannung führt, vor allem wenn sie über einen
längeren Zeitraum andauert, zu einer weiteren Verstärkung der Schmerzen. Und
diese wiederum lösen reflektorische Reaktionen wie Änderungen bei der Atmung und
im Kreislauf aus, sowie erhöhten Blutdruck und eine erhöhte Herzfrequenz.
Für
MusikerInnen
ist
daher
eine
sinnvoll
abgestimmte
Kombination
von
Körperübungen vor dem Üben (zur Verbesserung der körperlichen Voraussetzungen
beim Musizieren) und Lockerungsübungen nach dem Spielen sehr empfehlenswert.
Das Konzept der Physioprophylaxe bedeutet aber auch, dass Musik-Lehrende – und
vor allem solche im Bereich der Instrumentalausbildung – zusätzlich in den Fächern
Anatomie und Physiologie ausgebildet sein sollten. Das Ziel dabei ist, dass sich die
Lehrenden und Studierenden dazu bringen, erstens sich selbst und zweitens sich
gegenseitig körperlich im Hinblick auf ihr Musizieren zu verstehen. Wenn dabei
allerdings die Lehrenden als Vorbild den Studierenden nicht helfen können, weil sie
nicht wissen, wie etwas richtig bzw. normal geht bzw. gehen soll und wie man das
Falsche verbessern kann, sind die Studierenden auf sich selbst angewiesen.
7.3. Prävention in der LehrerInnen-Ausbildung
Jeder Teil des Körpers bewegt sich dann am besten, wenn er sich in
Harmonie mit den anderen Knochen, Muskeln und Gliedern bewegt. Für
mich ist das Geigen ein Vorgang, bei dem sich der Körper des Spielers
77
seiner selbst und seiner inneren Harmonie bewusst wird. Wie störanfällig
diese Harmonie ist, weiß jede ausübende Musikerin, weiß jeder Lehrer.157
Es ist für Studierende sehr wichtig, wenn die Lehrenden während des Unterrichts an
die Gesundheit und an allgemeine Schmerzprävention ihrer SchülerInnen denken
und diese auch gezielt fördern. Eine Studie für MusiklehrerInnen und deren
SchülerInnen vom Juni 2004 an der Musikhochschule Winterthur Zürich zeigte, dass
physiologische Lektionen, die gemeinsam mit dem Instrumentalspiel im Unterricht
angeboten werden, nicht nur für Präventionen von Musikerkrankheiten geeignet sind,
sondern auch ganz allgemein präventiv wirken:158 Sie können Studierende unter
anderem
vor
Fehlhaltungen
schützen,
aber
auch
wertvolle
Beiträge
zur
Psychodynamik der auszubildenden Person leisten.
Es sollte also darum gehen, dass Lehrende ihren Unterrichtsstil mit präventiven
Strategien optimieren. Für eine gute präventive Qualität des Unterrichts wäre unter
anderem die Berücksichtigung der folgenden Punkte wichtig:159
•
Die didaktisch-methodische Arbeit sollte durch Motivation und Anregungen
gestützt sein.
•
Neu auftretende rhythmische Ungenauigkeiten sowie die Müdigkeit der Finger
sind Signale, dass zu lange geübt bzw. gespielt wird.
•
Während des Unterrichts sollte ein Fokus auf die Überwindung von
physischen und psychischen Problemen gelegt werden.
•
Die Ausgangsposition von kinetischen Ketten bzw. „Spiel-Bewegungen“
sollten unbedingt definiert werden (d.h. wie eine Bewegung sein soll, wann
und in welche Richtung sie gehen soll)
•
„Nicht-analytische“ Anweisungen sind geistig und physiologisch leichter zu
verstehen.
157
Menuhin (1987), S. 12
158
Hildebrandt et al. (2004), S. 62-69
159
A.a.O.
78
8. Healthy Body: Physioprophylaxe in der Praxis
Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für
das, was wir nicht tun. (Molière)
Gesundes professionelles Musikmachen kommt nicht von selbst. Dafür muss man
zuerst viel in sich selbst investieren. Viel Bewegung, viel Trinken, erholsamer Schlaf,
gesundes
Essen,
Vitamin
Präparate,
gute
familiäre
und
freundschaftliche
Beziehungen, Hobbys, Verzicht auf Drogen, Zigaretten und Alkoholmissbrauch sind
prophylaktische Vorraussetzungen für einen gesunden Körper und einen gesunden
Geist. Durch regelmäßige sportliche Aktivitäten und Entspannungstechniken kann
eine physiologische Bewegung wiederherstellt sowie die Erschöpfung im Alltag
verringert werden.
Doch welche sportlichen und rekreativen Betätigungen eignen sich für MusikerInnen
besonders
gut,
um
eine
aktive
Verbesserung
der
körperlichen
Fitness
herbeizuführen? Und was soll mit Physioprophylaxe erreicht werden? Eines der Ziele
sollte jedenfalls eine Ökonomisierung allen Tätigkeiten sein, was bedeutet, dass man
mit minimalem Kraftaufwand eine maximale Leistung bringt.
Zu Beginn der (Wieder-)Gewinnung körperlicher Fitness stehen passive Maßnahmen
im Vordergrund. Im Verlauf der prophylaktischen Maßnahmen soll die Person dann
aktiv
an
ihrem
Gesund-Zustand
arbeiten.
Das
physioprophylaktische
Therapieprogramm soll aus Übungen für normalen Muskeltonus, Übungen für
Ausdauer und Übungen zur Flexibilität bestehen.
8.1. Sport für MusikerInnen
Durch bewusste, regelmäßige sportliche Aktivitäten und Entspannungstechniken wird
es leichter, den Alltag zu meistern. Schmerz, ständige Körperspannung, verminderte
körperliche Kraft und Ausdauer, Müdigkeit, psychische Probleme, die früher einmal
mögliche tägliche „Begleiter“ waren, können auf diese Weise im Idealfall überwunden
werden.
Beim moderaten aeroben Training wird bei einem Muskel eine Ermüdungsresistenz
geschaffen. Dadurch kommt es zur Verbesserung der Regenerations- sowie
79
Erholungsprozesse160, und es wird dafür gesorgt, dass der Muskel ausreichend
Sauerstoff zur oxidativen Verbrennung der Energieträger161 bekommt. Bei der
aeroben Trainingmethode bekommt ein Muskel durch oxidativen Abbau von Fett,
Eiweiß und Kohlenhydraten Energie.
Wenn
die
Sauerstoffzufuhr
für
die
Muskelaktivität
aufgrund
von
hoher
Belastungsintensität nicht ausreicht, entsteht im Muskel ein Sauerstoffsmangel und
die Ausdauer wird vermindert. Der Körper stellt dann auf die anaerobe
Energieverbrennung um.
Eine Verbesserung der allgemeinen aeroben Ausdauer kann durch Training mit
niedrigen Intensität und hoher Wiederholungszahl erreicht werden. Das Training
sollte dabei regelmäßig und ohne größere Unterbrechungen erfolgen. Wichtig ist
erstens zu wissen, wo die richtige Trainingsbelastung liegt und zweitens, zu welchen
Zeitpunkten pausiert werden soll. Dafür gibt es ausgebildete PhysiotherapeutInnen,
die dabei helfen, einen Trainingsplan zu erstellen. Ein ideales Training soll sich im
gesamten Körper, im Herz-Kreislaufsystem, in der Atmung, im Stoffwechsel, in der
Muskulatur, den Knochen, Sehnen und Bändern sowie der Psyche positiv
niederschlagen.
Die Sportarten für MusikerInnen sollen auf den Körper ausgleichend wirken und nicht
zusätzliche Belastungen bringen. MusikerInnen sollten sich selbst vertrauen und
intuitiv ihre Sportart finden. Zusätzliche Kriterien für solche Sportarten sind unter
anderem:
•
Training des Herz-Kreislauf-Systems
•
Bewegung und Mobilisierung vieler verschiedener Muskeln
•
Förderung der Balance zwischen statischer und dynamischer Muskulatur
Natürlich
können
alle
möglichen
Bewegungs-
sowie
Sportarten
individuell
praktizieren werden. Grundsätzlich gilt, dass die Ausdauer nach allen Aktivitäten des
täglichen Lebens und sportlichen Belastungen für die effektive Wiederbelastbarkeit
verantwortlich ist.162 Schwimmen oder Kraftübungen mit elastischen Bändern (Thera160
Vgl. Hüter-Becker et al. (2005).
161
Wieneck (1994), S.142
162
Bogner und Marn (2006), S. 51ff.
80
Band mit verschiedenen Stärken) sind für Ausdauer und den normalen Muskeltonus
gut geeignet.
Aerobe Aktivitäten wie zum Beispiel Schwimmen, Taijiquan oder Qigong empfehlen
sich, weil eine tiefere Atmung gefördert wird und die Muskelzellen dadurch mit mehr
Sauerstoff versorgt werden und so ausdauernder arbeiten können.
8.2. Entspannungstechniken für MusikerInnen
Neben den bereits geschilderten speziellen Muskelentspannungstechniken (vgl.
Kapitel 6.4.) gibt es eine ganze Reihe von bewährten Methoden, die sich auch für
MusikerInnen im Besonderen eignen. Sie sollen im Folgenden kurz vorgestellt
werden:
8.2.1. Alexander-Technik
Ursprünglich nicht als Therapieform gedacht war die so genannte AlexanderTechnik. Sie ist nach ihrem Erfinder, dem australischen Schauspieler Frederick
Matthias Alexander (1869–1955), benannt, der diese Methode zu Beginn des 20.
Jahrhundert
entwickelte.
Ursprünglich
sollte
die
Alexander-Technik
ein
pädagogisches Verfahren sein. Sie bietet nämlich die Möglichkeit, sich bewusst mit
allgemeinen gewohnten Bewegungs- und Denkmustern auseinanderzusetzen. Man
lernt, wie selbstverantwortlich auf sich zu achten und – unterstützt durch einen
erfahrenen
Lehrenden
der
Alexander-Technik
–
ein
körperlich-geistiges
Gleichgewicht zu bewahren.
Der Lehrende weist mit Hilfe der Hände die Qualität zu einem ausbalancierten
Muskeltonus. Ziel des Patienten ist es, die allgemeinen Bewegungen lernend zu
beobachten und sie danach im Zusammenhang den alltäglichen Tätigkeiten und
beim Musizieren experimentierend anzuwenden. Hauptziel ist es, für alle Tätigkeiten
möglich wenig Muskeltonus einzusetzen bzw. möglichst sparsam mit der Energie
umzugehen. Die Alexander-Technik hilft, richtig angewendet, die Wahrnehmung zu
vertiefen, Gewohnheiten spielerisch zu verändern, Koordination von Geist und
Körper zu verbessern, „Leichtigkeit“ zu gewinnen.163
163
Vgl. Alexander-Technik Workshop-Flyer von Norma Espejel
81
8.2.2. Feldenkrais-Methode
Einen ähnlichen Zweck verfolgt die Feldenkrais-Methode, die vom israelischen
Physiker und Judo-Lehrer Dr. Moshe Feldenkrais (1904–1984) erfunden wurde. Sein
Motto war es, „das Unmögliche möglich, das Mögliche leicht und das Leichte
harmonisch und elegant werden lassen“. Die von ihm konzipierten Übungen sind
langsame und aufmerksame Bewegungsabläufe, die meist auf dem Boden liegend
ausgeführt werden. Die Übungen sind besonders für MusikerInnen geeignet, weil sie
der Haltung, der Atmung und der allgemeinen Beweglichkeit dienen.
Bei korrekter Anwendung der Feldenkrais-Methode kann man im Idealfall ein
besseres Verständnis für den eigenen Körper und eine bessere Körperhaltung
entwickeln.
Feldenkrais-Übungen
fördern
bei
MusikerInnen
zudem
mehr
Selbstständigkeit bei musikalischen und technischen Fragen sowie mehr Klarheit und
Ruhe in Stresssituationen. Bei technischen Schwierigkeiten am Instrument können
leichter Lösungen gefunden werden. Bei Univ. Prof. Adrian Cox an der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien heißt die entsprechende Lehrveranstaltung in
Anlehnung an einen wesentlichen Teil der Lehrmethodik von Moshe Feldenkrais
„Feldenkrais: Bewusstheit durch Bewegung“. 164
8.2.3. Qigong
Eine aus China stammende Technik der Energieaktivierung sind so genannte Qi
Gong165 bzw. Qigong-Übungen.166 Qigong Übungen sind Übungen zur Förderung der
Lebenskraft und einer langlebigen Gesundheit. Das Wort Qigong besteht aus den
Wörtern Qi („Energie“, „Arbeitsbereitschaft“) und Gong („Methode“, „Übung“). Es sind
ungefähr 10.000 Qigong-Stile dokumentiert, was mit der Größe und Vielgestaltigkeit
der Bevölkerung des Landes China zu tun hat.
Durch
Kombination
und
Zusammenwirkung
von
Bewegung,
Atmung
und
Imaginationstechniken wird die Lebendigkeit von Körper-Seele-Geist verbessert. Der
meditative Aspekt der Qigong-Methode ermöglicht ein Loslassen von Ängsten und
164
Feldenkrais für Musiker. Folder von meinem Feldenkrais Lehrer Univ. Prof. Adrian Cox
165
nach der so genannten Wade-Giles Umschrift, Lautbildung aus englischsprachigen Raum
166
nach der so genannten Pinyin-Umschrift, moderne Schreibweise der Volksrepublik China
82
Sorgen zugunsten einer wachen Präsenz in „Hier und Jetzt“. So kann das Training
der sinnlichen Intelligenz und der intuitiven Wahrnehmung auch als Sprungbrett für
„spirituelle“ Erfahrungen dienen.167
8.2.4. Taijiquan
Taijiquan168 oder Tai Qi Quan169 ist eine Form des Körpertrainings zur Stärkung der
Köperkräfte, zur Vorbeugung von Krankheiten und zur Selbstverteidigung. Taijiquan
folgt den gleichen Prinzipien wie Qigong und geht auf alte chinesische GymnastikTraditionen
zurück.
Taijiquan
ist
eine
harmonische
Verbindung
von
Körperbewegungen, Bewusstseins- (Shen), und Vorstellungsübungen (Yi) sowie
Atemtechniken zur Gewinnung von Lebenskraft bzw. Energie (Qi).170 Das Wort
Taijiquan besteht aus Wörter Taiji („das höchste Letzte“) und Quan („Boxen“,
„Faust“).
„Das höchste Letzte“ beschreibt dabei den perfekten Zustand von Gesundheit und
Wohlbefinden des Menschen (Kreis) sowie die Wandlungsphasen von Yin und Yang,
welche die stets sich erneuernde
Schöpfung repräsentieren. Beim „Boxen“ ist
perfekter Einklang mit sich selbst und Natur gemeint. Taijiquan ist aus der
Kampfkunst entstanden. Eine sehr kämpferische Form ist der so genannte Chen-Stil.
Die Hauptaspekte des Taijiquan sind drei fundamentale Elemente chinesischer
Weisheit: Selbstverteidigung, Heilgymnastik und Meditation.
Das „Schattenboxen“ ist ein populärer Yang-Stil, der neben dem Wu-Stil am
weitesten verbreitet ist und zu den gesundheitlich bedeutsamsten Stilen des
Taijiquan
zählt.
Die
körperlichen
Übungen
trainieren
Hingabefähigkeit,
Selbstwahrnehmung, vergrößern das kreative Potenzial und fördern das bewusste
Ruheerleben. Eine heilende Wirkung wird durch den achtsamen Umgang mit sich
167
Qigong- und Taiji-Folder von meinem Taiji- und Qigong Meister Dr. Wendelin Munter
168
So genannte Pinyin-Umschrift, moderne Schreibweise der Volksrepublik China
169
Nach der so genannten Wade-Giles Umschrift, Lautbildung aus englischsprachigen Raum
170
Pawlett (2004), S. 6f.
83
selbst erzielt. Was „für mich“ gut und wertvoll ist, wird auch ein Wegweiser zur
Gesundheit, Ganzheit und Sinn.171
8.2.5. Yoga
Eine
andere
asiatische
Entspannungs-,
Meditations-,
Kräftigungs-
und
Beweglichkeitsschule ist Yoga, das die Einheit von Körper, Geist und Seele fördern
soll. Yoga bedeutet Verbindung, Verbundensein, Zusammenhang, Einheit von zwei
Dingen bzw. von allem: „Unter-eines-Stellen“. Beim Yoga geht es immer um einen
individuellen Weg innerhalb eines Ganzen, um so Wohlbefinden, innere Freiheit,
Konzentration, Atemwahrnehmung und Selbstverantwortung zu trainieren. Primäres
Ziel ist es, den Zusammenhang von (äußerer und innerer) Haltung und Wohlbefinden
verstehen und praktizieren zu lernen.
Es gibt viele verschiedene Formen des Yoga, die meist mit einer eigenen
Philosophie und Praxis verbunden sind. In Westeuropa und Nordamerika denkt man
bei Yoga oft nur an körperliche Übungen, die Asanas. Es gibt aber auch meditative
Formen von Yoga, die ihren Schwerpunkt auf die geistige Konzentration legen,
andere sind mehr auf körperliche Übungen, Positionen und Atemübungen fokussiert.
Nach einiger Zeit des Trainings sind bessere Beweglichkeit, bessere Wahrnehmung
des eigenes Körpers, der eigenen Gedanken und der eigenen Gefühlen spürbar.172
All
diese
Eigenschaften
sind
gerade
auch
für
MusikerInnen
besonders
wünschenswert.
171
Qigong und Taiji Folder von meinem Taiji und Qigong Meister Dr. Wendelin Munter
172
USI-Vorlesungsverzeichnis SS 2008, S.143
84
9. Healthy Mind: Prophylaktische Psychologie des Musizierens
Nur ein gesunder Körper ist für ein gutes musikalisches Resultat nicht ausreichend.
Manche PsychologInnen sagen etwa, dass die eigene Körperhaltung bei Menschen
Ergebnis langjähriger Erfahrungen reflektiert.173 Anhand der Körperhaltung und der
Stimme sieht bzw. hört man, wie sich jemand fühlt. Aus psychoanalytischer Sicht
werden viele muskuläre Verspannungen bereits in der Kindheit aufgebaut, da wir uns
vor den intensiven Gefühlen, die Schmerz auslösen, schützen mussten.
So entstehen sichtbare muskuläre Verspannungen, der so genannte „Muskelpanzer“
der wiederum unsere innere seelische Struktur widerspiegelt, den so genannte
Charakterpanzer. Der „Charakterpanzer“ ist laut dem aus Österreich stammenden
Psychoanalytiker Wilhelm Reich (1897–1957)
Wünschen,
Einstellungen,
Glaubenssätzen,
Schmerzverarbeitungsprozesse
als
die Summe von Werten, Motiven,
die
„Weltauffassung“
sich
als
Ergebnis
herausgebildet
der
haben.174
Wilhelm Reich hatte dazu zwei Thesen: 1. Muskelpanzer und Charakterpanzer sind
funktionell identisch, 2. Atemhemmungen reflektieren emotionale Hemmungen.
Reichs Schüler Alexander Lowen hat in weiterer Folge fünf VerspannungsmusterTypen beschrieben, die Kinder als Reaktion auf spezifische Erlebnisse des
Versagens entwickelt haben. Diese Verspannungen, die in der Kindheit nicht gelöst
wurden, können zu „Lebens-Verspannungen“ werden und blockieren laut Reich und
Lowen die Lebensenergie.175
Lowens
fünf
typenspezifischen
Verspannungsmuster
sind:
schizoid,
oral,
psychopatisch, masochistisch, rigid / hysterisch. In ein Schema gebracht, ergibt sich
folgende Typologie:
TYP
ENTSTEHUNGSZEIT
KOMPENSATORISCHES VERDRÄNGTER
ZIEL
Schizoid
STRESS
Vor- während Geburt, SICHERHEIT
Bedrohung
erste Lebensmonate
Unsicherheit
Verlassenheit
Oral
1. – 2. Lebensjahr
173
Vgl. Jacoby (1994)
174
A.a.O., S. 254
175
A.a.O., S. 101
ZUWENDUNG
Mangel
85
Psychopatisch 2. – 4. Lebensjahr
MACHT,
Unterdrückung
MANIPULIERUNG
Masochistisch 2. – 4. Lebensjahr
FREIHEIT
Unfreiheit
Rigid /
LEISTUNG
Ablehnung
5. – 7. Lebensjahr
Hysterisch
Lowen und andere entwickelten davon ausgehend eine ganze Reihe von Therapien
und Methoden zur Auflösung des Muskelpanzers, die im Folgenden kurz vorgestellt
werden sollen, weil sie auch für die psychische Prophylaxe von MusikerInnen
bedeutsam sind.176 Grundsätzlich kann dabei zwischen so genannten funktionalen
und so genannten konfliktorientierten Methoden unterschieden werden, die
komplementäre Wege zum Abbau der Blockaden darstellen. (Ich folge dabei der
Typologie nach Jacoby.)
Funktionale
Methoden
fokussieren
auf
die
Haltung,
Bewegung,
Atmung,
Energierhythmus und den Energiefluss, um Körper und Seele in Gleichgewicht zu
bringen. Zu den funktionalen westlichen Bewegungsmethoden zählen unter anderem
die bereits vorgestellte Alexander-Technik (vgl. Kap. 8.2.1.), die so genannte
Eutonie, die Feldenkrais Methode, die Konzentrative Bewegungstherapie, TakeTina
oder die Trance-Tanz-Therapie und Body Sense. Als funktionale östliche
Bewegungstherapien gelten die ebenfalls bereits vorgestellten Schulen des Qigong,
Taijiquan, Yoga oder die Sieben Tibeter-Übungen.
Als funktionale Entspannungsmethode wiederum wird Autogenes Training oder die
progressive Muskelentspannung empfohlen bzw. als kinesiologische Methode EduKinestetic. Weiters unterscheidet die Typologie der funktionalen Methoden noch so
genannte manipulative Ansätze. Zu diesen werden unter anderem gezählt:
Chiropraktik, cranio-sacrale Arbeit, der Dehn’sche Spiraldruck, Shiatsu oder Touch
for Health. Und schließlich wären auch noch die meditiativen Ansätze zu nennen wie
so genannte Transzendentale Meditation oder Zen-Meditation.
Im Vergleich dazu wird bei den konfliktorientierten Methoden durch Konfliktdynamik
der Muskelpanzer
aufgelöst. Zu diesen Methoden zählen unter anderem die
Bioenergetik-Therapie (A. Lowen), die biodynamische Therapie (G. Boyesen), die
Core-Therapie (J. Pierrakos), die Gestalttherapie (F. Pearls), die Hakomi-Therapie
176
Jacoby (1994), S. 108f.
86
(R. Kurtz), die Integrative Bewegungs- und Leibtherapie (H. G. Petzold) und
schließlich noch die Vegeto- bzw. Orgon-Therapie (W. Reich).177
Muskuläre Übungen werden mit Massage ergänzt. Dabei wird der Tonus der Muskel
verändert, die Muskeln werden elastischer, und Abfallprodukte des Metabolismus
werden leichter abtransportiert. Dabei können Erbrechung, Durchfall, Schwindel,
Zittern, Hitzewellen das Resultat des Reinigungsprozesses sein. Tränen und
Schweiß sind Nebenprodukte der emotionalen Reinigung. Dies sind Reaktionen die
für die Auflösung von Muskelverspannungen sehr wichtig sind.
177
Jacoby (1994), S. 108f.
87
10. Epilog: Physioprophylaxe für MusikerInnen in der Praxis
Nach so viel Theorie möchte ich mich abschließend noch der praktischen Umsetzung
widmen. Ich nehme dabei zum einen auf meine eigenen Erfahrungen und Tätigkeiten
Bezug. Zum anderen stelle ich kurz eine Initiative und eine Abteilung vor, die an
„meiner“ Universität eingerichtet wurden und die in beispielhafter Weise den Trend
zur Prophylaxe bzw. zur Vermittlung in der Musikausbildung umsetzen.
10.1. Das Projekt „Musik und Muskeln – Locker sein macht stark“
Die Initiative „Musik und Muskeln – Locker sein macht stark“178 geht auf das Institut
Franz Schubert zurück und da wiederum auf Univ. Prof. Walter Wretschitsch.
Projektpartner ist das Institut für Musik- und Bewegungstherapie (Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien) und Evaluierungspartner das Institut für
Sportwissenschaft und Universitätssport Institut (Universität Wien). Dieses Projekt
wird
für
den
Zeitraum
März
2008
bis
Februar
2010
von
der
Wiener
Gebietskrankenkasse und vom Fonds Gesundes Österreich unterstützt.
Die Initiative ist sowohl für Studierende wie auch für Lehrende gedacht und soll
helfen, Dispositionen, die muskuläre Dysbalancen, Asymmetrien und Schmerzen
verursachen, frühzeitig zu erkennen bzw. überhaupt nicht erst entstehen zu lassen.
Das Ziel ist eine Physioprophylaxe – also eine Vorbeugung, um körperliche
Beschwerden bzw. Krankheiten von MusikerInnen zu vermeiden.
Für die TeilnehmerInnen des Kursprogramms ist vorgesehen, über einen Zeitraum
von zwei Jahren jeweils zumindest einen Sportkurs pro Semester zu belegen, wobei
das Kursangebot sowohl reines Körpertraining umfasst, um sich fit zu machen, wie
auch ein Training zur Entspannungs- und Stressbewältigung.
Zur Auswahl sind dabei unter anderem folgende Lehrveranstaltungstypen:
Im Modul 1, das sich Teamteaching nennt und für Lehrende der Universität für Musik
und darstellende Kunst Wien sowie vier bis sechs Studierende gedacht ist, die mit
eine/m/r Trainer/in zusammen arbeiten, gibt zwei Kurse zur Auswahl: Zum einen ein
Kurs nach der Franklin-Methode, mittels der „ein wenig menschliche Anatomie und
Körperbewegung“ vermittelt und „spielerisch durch Bilder und mentale Denkmuster
178
Materialien dazu unter anderem aus qu[ART] Zeitschrift der HochschülerInnenschaft an der
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien 05/2008, S. 14f.
88
gegen Fehlhaltungen“ trainiert wird. Zum anderen ein Kurs zur „Spiraldynamik“: In
diesem Kurs lernen die TeilnehmerInnen die „normalen“ Bewegungsmuster bewusst
zu verstehen und in Bewegung (auch mit Instrument) zu setzen.
Das Modul 2 versteht sich als Gruppentraining, und auch dabei stehen wieder
mehrere verschiedene Kurse zur Auswahl – unter anderem die folgenden:
•
Bewegungsimprovisaton – ein Training, das eher ruhig und entspannt ist. Die
Körperübungen sind sehr spielerisch gestaltet.
•
„Bodyfit“ – ein Fitness-Programm mit rhythmischer unterstützender Musik.
•
Krafttraining
für
MusikerInnen
mit
Dehn-,
Koordination-
und
Mobilisationsübungen
•
Pilates, das Präzision und Kontrolle des „Powerhouse“ (Stützmuskulatur im
unteren Rumpfbereich) in Kombination mit Zwerchfellatmen trainiert.
10.2. Abteilung für Integrative Atem-, Stimm- und Bewegungsschulung179
Diese Abteilung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, geleitet
von OA Dr. med. Bernhard Riebl, bietet ein umfangreiches Lehrangebot zur
Verbesserung
der
eigenen
Wahrnehmungsschulung,
Atem-,
Stimm-
und
Bewegungspraxis,
Entspannungstechniken und Konzentrationspraxis an.
Diese Lehrveranstaltungen sind zum Teil Pflichtfächer, zum anderen Teil im
Wahlfachbereich angesiedelt.
Zielsetzung dieser Lehrveranstaltungen ist:
•
Vorbeugung von berufsbedingten Beschwerden
•
Optimierung von Übe- und Trainingsabläufen mit sensomotorischen Methoden
•
Schulung
der
Eigenwahrnehmung
und
Wahrnehmungsfähigkeit
im
pädagogischen Sinn; Biofeedback
179
•
Verbesserung der psychophysischen Fitness und Präsenz
•
Überwindung von physischen und psychischen Blockaden
•
Positiver Umgang mit der Auftrittssituation
http://www.mdw.ac.at/I113/a3/ (29.03.2009)
89
Die wichtigsten Unterrichtsmethoden sind Atem, Stimme und Bewegung nach Hilde
Langer-Rühl,
Feldenkrais,
Autogenes
Training,
Dispokinese,
Funktionelle
Entspannung, Musikalische Körpersprache, Qi-Gong, T'ai Chi.
Die theoretischen Hintergründe und der Umgang mit physischen Problemsituationen
werden in musikphysiologischen Vorlesungen und Praktika bearbeitet.
10.3. Mein persönliches Fitness- und Therapieprogramm
Zuletzt
möchte
ich
noch
über
mein
eigenes
körperliches
und
geistiges
Fitnessprogramm berichten, das in gewisser Weise unter dem taoistischen Motto
„Werde du selbst“ steht. Ich möchte an meinem Beispiel zudem zeigen, was zu
beachten ist, wenn ein Training effektiv sein soll.
Für ein effektives Training sollte man seinen eigenen Körper gut kennen. Ich zum
Beispiel weiß für mich, dass ich nach Übungseinheiten sehr viel Regenerationszeit,
also viel Ruhe und Schlaf, brauche. Das liegt einfach an meinem physischen und
psychischen Allgemeinzustand. Wenn sich der Körper zwischen einzelnen
Trainingseinheiten
nicht
ausreichend
regenerieren
kann,
kehrt
sich
der
Trainingseffekt um: Der Körper wird anfällig für alle möglichen Viren und Keime, und
dieser Zustand kann Stunden und auch Tage andauern. Umgekehrt hilft die
Regeneration auch, damit das Gehirn die eingeübten Bewegungen bzw. Muster
abspeichern kann.
Das führt mich zu einem weiteren wichtigen Punkt: Sport ist gesund – aber nur in der
richtigen Dosierung, die jeder für sich selbst finden muss. Ich weiß, welche Sportart
ich in meiner jeweiligen Verfassung in welcher Intensität praktizieren kann. Am
Anfang der jeweiligen Übungen brauche ich zudem Zeit: Zeit für mich selbst und um
die Übungen zu genießen. Diese Zeit muss ich mir nehmen, denn nur so fühle ich
mich beim Sport gut. Danach kann ich dann mit neuer Kraft an meinem Instrument
üben.
Ich habe mich in letzter Zeit asiatischen Gymnastik- und Meditationpraktiken
zugewendet und dabei die Erfahrung gemacht, dass es günstig ist, ein Bild, einen
Klang, eine Farbe, einen Spruch, oder einen Geruch vor sich zu haben. Diese Bilder,
Klänge, Farben, Sprüche, Gerüche können mich leichter zu „meiner Mitte“ führen.
90
Dabei wiederum halte ich mich an folgende Weisheit der Tibeter:
Finde deine Mitte. Dieses Zentrum ist die Quelle deines Lebens. Es ist wie
ein stiller See, der von keiner Leidenschaft bewegt ist. Es ist eine tiefe,
spirituelle Stille, die entsteht, wenn das Denken mit seinen Worten und
Bildern zum Stillstand kommt. Schöpfe deine Handlungen aus dieser
Stille.
Zu meinem Übungsprogramm:
Ich praktiziere Pilates-Übungen zu Hause. Dabei verwende ich die Audio-CD (bzw.
die DVD) „Pilates – Allein zu Hause“ und Audio-CD „Pilates für Anfänger“ von
Barbara Mayr. Das sind Übungsprogramme, die rund eine Stunde lang dauern. Es
gibt aber auch zwei Kurzversionen von jeweils acht Minuten, die ich ebenfalls gerne
mache.
Wenn ich nicht Lust auf viel Bewegung habe, aber neue Energie tanken will,
praktiziere ich Qigong-Übungen, und zwar mit der CD „Entspannt, gelassen und
Hellwach“ oder einer DVD.
Wenn ich Taiji üben will, brauche ich eigentlich mehr Raum dafür als in meiner
Wohnung vorhanden ist. Deshalb mache ich zumeist nur Übungen, die sich auch auf
wenig Platz machen lassen. Was mir sehr viel bedeutet, sind gemeinsame TaijiStunden mit meinem Taiji- und Qigong-Meister Dr. Wendelin Munter und meinen
KollegInnen vom USI Wien. Ab Frühling können wir die wieder im Prater praktizieren.
Das Besondere am Taiji ist für mich, dass mir diese Art von langsamem Tanz viel
Energie gibt.
Außerdem besuche ich den Bodyfit-Kurs im dritten Semester. Das sind Kraft-,
Lockerung-, Tanz- und Geschmeidigkeitsübungen, die gemeinsam mit netten
Kolleginnen, mit Lachen und guter brasilianischer Musik praktiziert werden.
Das Standardtanzen macht nun im Winter gerade Pause, weil ich mit Magisterarbeit
und dem Flötenspiel zu sehr beschäftigt bin. Wenn dabei starke Schmerzen
auftreten, ist mein TENS-Gerät (neben Antirheumatika) mein bester Freund.
91
Zu meinem Therapieprogramm zählt außerdem craniosakrale Selbstwahrnehmung.
Ich gönne mir einmal im Monat eine Sitzung mit meinem Physiotherapeuten und
Osteopathen Alexander Eibensteine, um gespeicherte Blockaden in meinem Körper
zu lösen und den „Flow“ des craniosakralen Rhythmus wiederherzustellen.
Schließlich betreibe ich auch noch Hatha-Yoga. Das Ziel von Hatha-Yoga ist das
Erreichen eines ausgewogenen Zustandes der polarisierten Kräfte in uns, um so
leichter das innere „Ich“ zu finden.
Ich versuche mindestens drei Workouts pro Woche zu machen und habe besondere
Freude daran, wenn ich mich nicht zwingen muss, die Einheiten zu machen und
wenn ich die Zeit davor, währenddessen und danach genießen kann. Dann bin ich
glücklich und kann den täglichen Herausforderungen, den Schwierigkeiten und
manchmal auch den Schmerzen, besser widerstehen, die mich zu letztlich zum
Thema dieser Magisterarbeit gebracht haben.
92
11. Zusammenfassung
In dieser Magisterarbeit werden Musikererkrankungen und –beschwerden behandelt
– und zwar unter zwei spezifischen Aspekten. Zum einen geht es nicht nur um
körperliche Probleme von MusikerInnen ganz allgemein, sondern im Speziellen um
jene, von denen QuerflötistInnen betroffen sind. Und zum anderen widme ich mich
nicht nur der Diagnose und den Therapien dieser Erkrankungen, sondern
insbesondere auch der Prophylaxe, damit es erst gar nicht so weit kommt.
In den ersten Kapiteln zeige ich die Relevanz der lange vernachlässigten der
Musikerkrankheiten anhand zahlreichen epidemiologischer Studien der vergangenen
Jahrzehnte.
Diese
internationalen
Untersuchungen
zeigen,
dass
nicht
nur
ProfimusikerInnen anfällig für Berufskrankheiten sind, sondern auch schon
InstrumentalistInnen in der Ausbildung.
Nach einer Darstellung der wichtigsten Musikerleiden wende ich mich den
spezifischen Problemen des Querflötenspiels zu – einerseits, weil ich selbst
Querflötistin mit einer eigenen Leidensgeschichte bin. Andererseits aber auch
deshalb, weil die Querflöte unter den Blasinstrumenten als jenes Instrument gilt, das
aufgrund der asymmetrischen Spielhaltung bei den Ausübenden am ehesten zu
Fehlhaltungen, Verspannungen und Verletzung führt.
In der zweiten Hälfte meiner Arbeit wende ich mich im Detail den Maßnahmen zur
der Heilung und Rehabilitation zu. Dann aber vor allem auch der Vorbeugung zu, die
in den vergangenen Jahren innerhalb der Musikermedizin einen wichtigeren
Stellenwert
bekommen
hat.
Ich
gebe
einen
Überblick
über
geeignete
physioprophylaktische Maßnahmen und die dahinter stehende Theorie, ehe ich zum
Abschluss Beispiele der praktischen Umsetzung und meine eigene präventive Praxis
vorstelle. Das Fazit der Arbeit ist einfach: Dass zum Musizieren ein gesunder Körper
und ein gesunder Geist gehört, um auch „gesunde“ Musik machen zu können:
„Healthy body, healthy Mind, healthy music“.
93
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Overuse Injuries: Biomechanical Modeling as a Platform to Intergrate Information
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Wagner, Christoph (Hg.) (1995). Medizinische Probleme bei Instrumentalisten,
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Weinek, Jürgen (1994). Optimales Training. Leistungsphysiologische Trainingslehre
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Verlag, Balingen.
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Wye, Trevor (1988). Proper Flute Playing; Novello, London.
102
Lebenlauf
Persönliche Angaben
Geburtsdatum:
20. Juli 1979, geboren in Zagreb
Staatsbürgerschaft:
Kroatien
Schulausbildung
1985 – 1993
Volksschule in Zagreb
1986 – 1997
Musikschule in Zagreb, Abteilung Klavier
und Abteilung Querflöte
1993 – 1997
Realgymnasium, Matura
1997
Musikschule:
Querflöten-Matura
mit
Auszeichnung bestanden
1997– 2001
Studium
Zagreb
Musikakademie
(Klasse
Universität
Marina
Novak),
Abschlussdiplom Akademische Flötistin
und Flötenprofessorin mit Auszeichnung
bestanden
1998
Musikschule
Klavier-Matura
mit
Auszeichnung bestanden
1998 – 2004
Physiotherapie-Studium
an
der
Hochschule für Medizin, mit Auszeichnung
bestanden
2001 – 2005
Studium
Universität
für
Musik
und
darstellende Kunst Wien, Abschluss IGP
Bakk. art. Querflöte (Klasse Robert Wolf),
Schwerpunkt Klavier (Klasse Klara HarrerBarany) mit Auszeichnung bestanden
2005
Magisterstudium an der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien
Querflöte (Klasse Furugh Karimi DjafarZadeh),
Klavier-Begleitpraxis
(Klasse
Karin Wagner)
103
2007
Magisterstudium an der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien
Querflöte
(Klasse
Dorit
Führer-
Pawikovsky)
104
Erklärung
Hiermit erkläre ich, die Arbeit selbständig verfasst und die verwendete Literatur
vollständig zitiert zu haben. Etwaige nicht ausgewiesene Quellen mit Bezug auf die
Anatomie und Therapievorschläge stammen aus meinen praktisch erworbenen
Fachkenntnissen im Rahmen meines Physiotherapie-Studiums in Zagreb.
Marija Podnar
105
Danksagung
Ganz besonders und zuvorderst möchte ich mich bei meinen Betreuern Ao. Univ.Prof. Mag. Dr. Mathias Bertsch und OA Dr. med. Bernhard Riebl für die hilfreiche
Unterstützung, für ihre Literaturhinweise (sowie die zur Verfügung gestellten
Zeitschriften) und Beratung der Magisterarbeit bedanken.
Bei der Entstehung meiner Magisterarbeit wurde mir freundliche Unterstützung von
verschiedenen Seiten zuteil. Ich danke meinen lieben FreundInnen, die mir bei dieser
Magisterarbeit geholfen haben:
Besonderen Dank sage ich meinem Freund Dr. Klaus Taschwer, der den Fortgang
der Magisterarbeit in vielfältiger Weise mit Rat und Tat gefördert hat.
Ferner bedanke ich mich bei Frau Mag. Katrin Taschwer für das erste
Korrekturlesen, das viel in Bewegung brachte.
Bedanken möchte ich mich bei Frau Silvia Erdik für das Korrekturlesen,
administrative
(kopieren,
drucken,
binden)
und,
vor
allem,
menschliche
Unterstützung.
Dankeschön sage ich auch Herrn Martin Furch für administrative (kopieren, drucken)
und menschliche Unterstützung.
Ich hätte es ohne Euch nicht so leicht geschafft. Ein herzliches Dankeschön für Eure
kostbare Zeit und Eure Freundschaft!
Last but not least sage ich meiner Hauptfachlehrerin Ao. Univ. Prof. Dorit FührerPawikovsky besonderen Dank für fachliche und menschliche Unterstützung in jeder
Hinsicht.
106