MTM Bimoto Presse
Transcription
MTM Bimoto Presse
MTM Bimoto Presse Quelle: Auto, Motor und Sport Titel: Reih und Speed Ein gelber Albtraum für Chiropraktiker: der Bimoto, ein Audi TT mit 740 PS. Schleudcrtrauma-Gcfahr schon im Stand. Erst recht bei maximalem Ladedruck, wenn er wie Mike Tyson zuschlägt. Der Kopf knallt gegen den Sitz, der Oberkörper fliegt nach. Dazu einschüchterndes Dröhnen. Der Name Bimoto verrät: zwei Motoren. Die Tuningfirma MTM realisiert in dem Boliden auf TT-Basis ihren derzeitigen Lcistungs-Status quo. Ein Auto, in dem Vollgas irrwitzigen Vortrieb entfacht. Selbst jenseits der 300 km/h reckt der Bimoto seine Schnauze, visiert die untergehende Sonne an. Und zuvor die 400 km/h. 400 Kilometer pro Stunde, und Frankfurt-Rom wäre in drei Stunden abgehakt. Rein fiktiv natürlich. Aber real ist, dass Tuner Autos verkaufen, die 300 km/h und schneller laufen sollen. Und die bat auto motor und Sport zum Messen, um sie auf Tempoversprechen und Fahrbarkeit zu überprüfen. Natürlich nicht auf die Autobahn, sondern auf eine abgesperrte Hochgeschwindigkeits-Pistc nach Nardo. Sechs lautstarke Gäste rotten sich auf dem 12,6 Kilometer langen Rondell am italienischen Stiefelabsatz zusammen: eine Mercedes S-Klasse von Brabus mit 475 PS, ein Porsche 996 R-Turbo von Ruf mit 520 PS, ein Ferrari 360 Spider von Di-gi-Tec mit 425 PS, ein Lotus Elise von Brandes und Dschüdow mit 381 PS, ein Audi RS4 Kombi mit 602 PS von MTM und der Bimoto. Zur V^a^-Party sind nur Straßenautos mit TÜV-Segen geladen. Und die Reifenindustrie, deren Freigabe für die angepeilte Geschwindigkeit unabdingbar ist. Bei Tempi jenseits der 300 km/h ist der Pneu das schwächste Glied in der Kette. Deshalb überwachen Techniker von Dunlop und Pirelli Luftdruck, Temperatur und Zustand der Gummis. Pirelli reist mit ge-nauestens untersuchten Serienreifen an, die Tempo 400 verkraften sollen. Wichtig für das Team von MTM aus dem bayerischen Wettstetten und ihren Bimoto, den Audi TT mit acht Zylindern, verteilt auf zwei Motoren - einer vor, einer hinter dem Fahrer. Wo ab Werk 225 PS recht ordentlich anschieben, reißen im Über-TT Ehrfurcht gebietende 740 PS respektive 950 Nm an den Antriebswellen. Diese Leistungsexplosion verantworten mächtige Turbolader, die ab etwa 5000/min Ansaugluft mit 1,75 bar Überdruck in die Brennräume pressen. Beim Gaswegnehmen husten die Wastcgatcs überschüssige komprimierte Dosicrbarcr und weniger furchteinflößend als im Bimoto setzt der Turbola-dcr im Ruf ein. Was eher der Beschleunigung durch einen Bogen als durch ein Katapult entspricht. Effektiv, wie sich herausstellt: Zwar verfehlt er die Höchstgeschwindigkeit des Bimoto knapp Um die 300er-Markc zu passieren, will der Tuner dem Biturbo zusätzliche Leistung entlocken. Und Standfestigkeit. Dass im RS4-Motor unbändige Kraft steckt und dass er trotz Nachfolgers in den Startlöchern nicht zum Alteisen gehört, beweist MTM mit dem RS4 Avant, dem Luft durch das mittlere der drei Auspuffrohre. Unter Volllast dominiert dagegen das Dröhnen der beiden Vierzylinder, die erwartungsgemäß selbst addiert nicht entfernt wie ein Achtzylinder bollern. Mit der Sonne sinken die Temperaturen, und die Luftdichte steigt leistungsfÖr-dernd. Der Bimoto geht auf die erste Runde. Nach 3,6 Sekunden rast der LED-Tacho über die Ziffer 100 hinweg, nach zehn Sekunden sind die 200 passiert, 13 Sekunden später liegen, als existierten keine Fahrwiderstände, 300 km/h an. Zum Vergleich: Ein Formel l benötigt neun Sekunden aus dem Stand auf 300 km/h. Leitplanken rasen in einer Endlosschleife vorbei, der Blick fixiert hochkonzentriert ein imaginäres Ziel am Ende des Lichtkegels. Nicht nur der anhaltende Schub bannt sämtliche Sinne. Mit zunehmendem Tempo reagiert der Bimoto nervöser auf Lenkbewegungen, verlangt nach einer geübten Hand und nach feinfühligen Kurskorrekturen. Tanz einladen. Das sorgt beim Fahrer für ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Erstaunlicherwcise vermittelt gerade der Ferrari 360 Spider bei Tempi jenseits der 250 km/h ein der S-Klasse ähnliches Vertrauen in Spurstabilität. Trotzdem ist sich der Pilot jederzeit der anliegenden um sieben km/h, doch aus dem Stand pfeilt er ein Zehntel schneller auf 100 km/h. Falls einer diese Beschleunigung toppen kann, dann der Lotus Elise von Brandes & Dschüdow, genannt Esthi <2.7. Das mathematische Zeichen im Namen deutet auf das Leistungsgewicht hin: kleiner als 2,7 Kilo pro PS. Diesen Formel 3-ähnli-chen Wert verantwortet der 2,7-Liter-Bi-turbo des Audi RS4 mit 381 PS. Um ihn unterzubringen, konstruierte der Lotus-Tuner die Motoraufhängung neu. Vollgas startet einen Höllenritt, voller Ladedruck bewirkt einen Raum- und Zeitsprung. Die Landschaft scheint in sieh zusammenzustürzen. Wie ein Rennwagen schießt der kleine Zweisitzer los und bietet auch dessen Geräuschkulisse: ein Blaskonzert mit Hörsturz-Risiko aus Pfeifen, Kreischen, Mahlen und Röcheln. Zornig und fast so effektiv wie der Rufstürmt der Esthi in 3,8 Sekunden auf 100. Dann der Leistungseinbruch: Ende ijer Beschleunigung bei 261 km/h. Ratlose Mienen. Möglicherweise der Luftmassenmesser, möglicherweise der Klopfsensor. Testfahrten bringen keine Klärung, sondern das Desaster: Mit einem dumpfen Plopp fliegt der Deckel des Was" ^crkühlers auseinander, der Traum von 300 km/h löst sich in Dampf auf. Bei einem Nachtemiin bringt es der reparierte Esthi immerhin auf 295 km/h, büßt allerdings seine Antriebswellen ein. zweiten bayerischen Brachialumbau. Bearbeiteter Zylinderkopf, zwei größere Turboladcr und dicke Auspuffanlagc litten die Leistung auf 602 PS. Wer jemals vollen Ladedruck im blauen Kombi erleben durfte, wird an diesen Eckdaten kaum zweifeln. Hat sich der antrittslethargische Biturbo erst einmal in Richtung 4500/min geschleppt, scheint jedes der über 600 PS blitzartig den Trainingsstand der Nackenmuskulatur überprüfen zu wollen. Dank Allradantrieb mündet der ballistische Leistungseinsatz nicht in Kreischen und Rauch, sondern in vier Sekunden von null auf 100 km/h. In Verbindung mit seiner problemlos handhabbaren Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h gebührt dem RS4 von MTM die Medaille „Schnellster Transporter der Welt". Doch Meister im Understatement ist die S-Klasse von Brabus. Basierend auf dem Zwölfzylinder-Sauger des abgelösten S 600 baut der Mercedes-Tuner aus Bottrop einen 6,7-Liter-Motor mit 475 PS auf. Dessen schiere Kraft kommt unspektakulär und weniger gewaltig als die des Biturbos im aktuellen S 600. Im Gegensatz zu diesem darf der Brabus allerdings unbeschränkt losstürmen - bis 310 km/h. Solches Tempo erzwingt Aufmerksamkeit. Zu spielerisch pfeilt der Koloss über die Piste, atomisiert Bodenwellen, die Bimoto, Ruf und Esthi zum nervösen Geschwindigkeit bewusst. Regt die rote Flunder schon im Stand den Spcichelfluss an, so gesellt sich bei laufendem Motor G änsehaut hi nzu. Grund ist die ekstatisierende Auspuffanlage von Digi-Tech. Sie lässt den Ferrari wärmer und weniger blechem röhren als der Seriendämpfer. Mit einer größeren Airbox sowie höherem Drehzahllimit verspricht der Tuner 25 zusätzliche PS sowie über 300 km/h Höchstgeschwindigkeit. Mit dem Modena scheinen 300 km/h möglich, doch der Tuner hat kein Coupe parat. So klingt das Ferrari-Cabrio nur rekordverdächtig: Bei 295 km/h bremsen Verwerfungen im Stoffdach den Vortrieb knapp oberhalb der Werksangaben. Thermische Belastung hat dagegen beim Bimoto die Leistung gehemmt, soviel ergab die Fehlersuche. Eis soll nun die Ladcluftkühler milde stimmen. Und tatsächlich: Im zweiten Anlauf saugt sich der Bimoto ohrenbetäubend an die 400, verfehlt sie nur um etwa sieben Prozent. 371 km/h - ein Rekord mit Folgen. Selbst das Eis verhindert nicht den Hitzekollaps des hinteren Zylinderkopfs. Spätestens jetzt ist klar: Bis zum Äußersten ausgereizte Motoren ermöglichen zwar den HÖllcnritt Richtung 400 km/h offensichtlich aber nur einmal.