Ein Duo mit traumhaften Aussichten

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Ein Duo mit traumhaften Aussichten
Interview mit Jessica Schwarz und Isabel Abedi
Ein Duo mit traumhaften Aussichten
Vor ihrer gemeinsamen Lesung des Romans „Isola“ in der Hugendubel-Buchhandlung in
Berlin-Steglitz nahmen sich Schauspielerin Jessica Schwarz und Schriftstellerin Isabel
Abedi viel Zeit für hörBücher. Offen sprachen beide über Ängste, Berufsethos, die
heutigen Medien und ihre Lieblingshörspiele.
Interview: Marc Hairapetian | Fotos: Uwe Tölle
Wie ist eure Affinität zum Thema Hörbücher?
Jessica Schwarz: Ich werde mir auf jeden Fall nach unserem
Gespräch hier in der Buchhandlung die neue Folge der „Drei ???“
mitnehmen. Ich höre das total gerne zum Einschlafen! Man kann
so schön mit Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews ins
Reich der Träume gleiten. Ich bin ein EUROPA-Kind! Mit den
Kassetten dieses Labels bin ich groß geworden.
„Bob Andrews“-Sprecher Andreas Fröhlich hast Du aber im
Tonstudio bei der Hörbuch-Aufnahme zu Isabel Abedis
Roman „Isola“ gar nicht getroffen, obwohl er den zweiten
Erzähler-Part übernahm, oder?
Jessica Schwarz: Leider nein. Aber mit Justus Jonas alias
Oliver Rohrbeck habe ich als deutsche Stimme von Kate Winslet
den Ratten-Animations-Film „Flutsch und weg“ synchronisiert.
Während ich auf das Casting warte, höre ich Justus’ Stimme,
drehe mich um und Oliver stellt sich als Regisseur vor! Wir haben
uns bei der Aufnahme später kaputt gelacht – vor allem über den
Satz: „Ich habe gestern so scharf gegessen. Mein Po sieht aus wie
eine japanische Flagge!“
Isabel Abedi: Ich kann mich vor allem für Hörspiele begeistern.
„Hui Buh“ mit Hans Clarin als Schlossgespenst habe ich als Kind
noch auf Schallplatte gehört. Ich war auch „Hanni und Nanni“Fan (Jessica Schwarz fällt ein: „Ich auch!“). Und „Fünf Freunde“
sowie „Pumuckl“ … „Die drei ???“ hört jetzt meine Tochter. Mein
Highlight ist und bleibt aber „Hui Buh“, wo Hans Paetsch den
Erzähler spricht. Ich habe lange in der Werbung gearbeitet und
mein größtes Erlebnis war eine Aufnahme mit Paetsch, in der ich Regie führen durfte. Es ging um ein Beruhigungsmittel für ältere
Leute – und er hat die Off-Texte gesprochen. Es war irre, seiner Stimme zu lauschen: Ich war schlagartig wieder Kind und
dachte mir: „Sprich weiter, egal was – ich höre gebannt zu!“
Jessica und Isabel, wie ist euer Kontakt zustande gekommen?
Isabel Abedi: Auf mein Betteln und Drängen. „Isola“ wird aus der Ich-Perspektive erzählt. Und zwar im Rückblick, aber nicht zu
sehr, also durfte es keine 50-Jährige sein. Ich habe mir Stimmen angehört, unter anderem auch die von Jessica. Da war mir
klar: Das ist Vera!
Jessica Schwarz: Die Geschichte hat mich sofort gefesselt. Zuerst denkt man: Was soll das ganze Casting-Gequassel? Doch
die Zwischentöne, die Isabel reinbringt, und wie sie Menschen und vor allem Jugendliche charakterisiert, sind gelungen. Ich habe es im
Winter gelesen und mich bei dieser literarischen Brasilien-Reise sofort warm und entspannt gefühlt.
„Isola“, ein Jugendbuch auch für Erwachsene, übt harsche Medienkritik an Formaten wie „Big Brother“ und „Ich bin ein
Star – holt mich hier raus!“. Eine Gruppe von zwölf Jugendlichen in einem Dschungel-Camp wird darin zwar durch einen
Regisseur beobachtet, dennoch kommt es zur Katastrophe. Wie seht ihr die heutige Entwicklung der Medien?
Jessica Schwarz: Ich finde sie teilweise erschreckend. Natürlich hat man bei der ersten „Big Brother“-Staffel auch mitgebangt.
Doch es ist sehr traurig, wenn ein toller Film wie „Der Seewolf“ produziert wird und dann 8,6 Millionen Quotenmenschen
beschließen, „Bauer sucht Frau“ zu schauen, und sich nur 2,7 Millionen die Jack-London-Adaption ansehen. Für unsere Branche
ist das schlimm, weil die Reality-Shows anscheinend eine größere Faszination ausüben. Es sind die realen Probleme der anderen,
die interessieren, um von den eigenen abzulenken. Dadurch gehen aber Geschichten verloren.
Isabel Abedi: „Isola“ ist tatsächlich kein Kinderbuch, sondern wendet sich an Jugendliche und Erwachsene. Es geht um Sex
und auch Mord. Meine Figur Vera könnte ich mir niemals bei „Big Brother“ vorstellen. Es sollte so angelegt sein, dass der
Regisseur, der selbst eine Art Experiment macht, die ganze Sache medienkritisch angeht. Das scheitert dann doch, weil es
aus dem Ruder läuft. Ich fand die Frage spannend: Welche drei Dinge würde ich mitnehmen auf eine einsame Insel? Dazu
kommt noch das Agatha-Christie-Spannungs-Element.
Jessica, die Illustrierte „Gala“ hat dich trotz „Buddenbrooks“ und dem Mitwirken in anspruchsvollen Dominik-GrafFilmen als „B-Star“ kategorisiert. Würdest Du, wenn das Honorar stimmt, ins Dschungel-Camp gehen?
Jessica Schwarz: Das lehne ich kategorisch ab. Wenn ich in den Dschungel gehe, dann nur privat. Meine Eltern sind
Globetrotter. Mit vier war ich das erste Mal im Dschungel. Ich mache jetzt Ende Januar für zwei Monate bei einem Studentenfilm
in Buenos Aires mit, an dem ich nichts verdienen werde. Manchmal kann es nur ein Satz sein, der mich dazu bewegt, einen Film
oder dieses Hörbuch zu machen. Bei dem Studentenfilm war es der Satz: „Vielleicht wollte sie einfach nicht mehr leben, weil sie
nicht mehr lieben wollte.“ Da geht es nicht um die Gage. Gut, dann muss ich eben ein bisschen knapper leben, bis vielleicht wieder
jemand mit Geld kommt.
Triffst du also nach deinem Berufsethos die Auswahl deiner Angebote?
Jessica Schwarz: Ja, das ist schließlich meine Lebenszeit. Doch man kann sich auch irren. Bei „Buddenbrooks“ bin ich ehrlich
gesagt sehr enttäuscht. Ich war manchmal mit der etwas antiquierten Machart, die uns Darstellern keinen Spielraum ließ,
unzufrieden. Ich habe dennoch daraus gelernt: Gerade, wenn viel Geld in einem Projekt steckt, gelingen die Dinge nicht immer,
weil zu viele Leute, die keine Ahnung vom Film haben, mitreden wollen.
Du wirst demnächst auch als Romy Schneider zu sehen sein. Ist das nicht schwierig, eine zeitgeschichtliche Person zu
verkörpern, die uns allen noch so nah durch ihre Filme ist?
Jessica Schwarz: Natürlich. Es ist mir klar, dass das beim Publikum auch nach hinten losgehen kann. Aber ich bin jeden
Morgen mit großer Leidenschaft in diesen Film hineingesprungen! Dabei habe ich durch meine Auseinandersetzung mit der Rolle
Romy an manchen Tagen gehasst. Locker einen auf Romy machen geht nicht. Jeder Tag ist eine Ohrfeige ins Gesicht. Aufstehen,
Romy Schneider sein – und dann fängt man an zu spielen. Gerade gestern habe ich wieder einige Teammitglieder getroffen: Wir
lieben uns, sind uns nur zwei Wochen nach Drehschluss in die Arme gefallen – und das hat diese Frau möglich gemacht!
Stehst du da mehr unter Druck, weil es noch die andere Verfilmung mit Yvonne Catterfeld gibt?
Jessica Schwarz: Nein, Konkurrenz belebt das Geschäft! Sie wird, genau wie ich, alles Mögliche versuchen. Ich bin durch
Szenen durch, wo ich acht Stunden am Stück geheult habe – und zwar ohne Hilfe. Szenen, wo ich mich richtig reingeleiert
habe, nach dem Tod ihres Sohns David, wo ich meine Kontaktlinsen herausnahm und niemand mehr sehen wollte auf der FilmBeerdigung. Dafür ist meine Minus-vier-Dioptrien genau richtig.
Isabel, für dich ist mit der Schriftstellerei ein Traum in Erfüllung gegangen. Hast du schon im Vorfeld daran gedacht,
dass aus dem Roman ein Hörbuch wird?
Isabel Abedi: Eine Idee zu haben ist wie ein Flirt. Da ist man total verknallt. Dann fängt man an, das Buch zu schreiben. Und
dieses Gefühl ist für mich wie ein „Ja“ zur Ehe. Wenn ich ein Buch schreibe, versuche ich alles andere wegzublenden. Was
daraus später wird, damit beschäftige ich mich überhaupt nicht. Obwohl ich sehr filmisch denke, möchte ich bei einer Verfilmung
durch ein Vorgespräch mit den Machern in der Lage sein, meine Vorlage loslassen zu können. Beim Hörbuch ist es etwas anderes,
da bin ich stärker involviert. Jessica betont beim Vorlesen manches anders, als ich es beim Schreiben gefühlt habe, aber dennoch
sage ich mir häufig: Ja, genau! So ist es viel besser!
Jessica, beim Hörbuch bist du mehr oder minder auf dich allein gestellt. Bevorzugst du den Solopart oder bist du eher
eine Ensemble-Schauspielerin?
Jessica Schwarz: Beides. Ich war bei der „Isola“-Aufnahme irre erkältet, musste mit dem Atem kämpfen, weil auch längere Sätze
enthalten waren. Doch dann fing ich an, mich einzulesen, weil die Geschichte auf einmal viel stärker wurde als die Erkältung.
Man kennt es von Schauspielern: Sie sind krank, doch kaum geht die Kamera an – bums! –, sind sie gesund. Beim Hörbuchlesen
hatte ich immer meine Neffen im Kopf und natürlich die Roman-Figuren inklusive Hund Mephisto. Lesungen sind für mich mit
Lampenfieber verbunden – auch die heutige mit Isabel im Anschluss an das Interview. Ich kenne Live-Auftritte höchstens vom
Moderieren her, was ich aber wirklich verdrängt habe. Wenn ich eine Laudatio halten soll, wie letztens für Tom Tykwer, brauche ich
vorher Beruhigungstabletten. Mit dem Alter wird auch die Angst größer zu versagen.
Ihr beide scheint euch gut zu verstehen. Gibt es eine Fortsetzung der Zusammenarbeit?
Isabel Abedi: Bei Lesungen auf jeden Fall. Beim nächsten Roman könnte ich mir auch wieder ein Hörbuch mit Jessica
vorstellen. Das Buch hat mit Träumen zu tun und, Jessica, wo du eben mit deiner Schwester das Hotel „Die Träumerei“ in
Michelstadt eröffnet hast …
Jessica Schwarz: ... und ich Dir erzählt habe, dass ich letzte Woche dort in der Jade-Mansarde geschlafen habe. In jedem
Hotelzimmer liegt ein selbstgebundenes „Traumbuch“, in dem die Leute ihre Träume festhalten können: Tagträume,
Lebensträume etc. Es stehen bereits tolle Sachen drin. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich las, was die Menschen
empfinden, wenn sie in diesen Zimmern wohnen! Wir haben schon überlegt, gemeinsam daraus vorzulesen. Vielleicht wäre das
auch der Stoff für ein schönes Hörbuch …