nicki engel honkland

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nicki engel honkland
NICKI ENGEL
HONKLAND
Germany`s Biggest Sackgesicht
And here we go...
HL - GBS
April 2009 - Januar 2010
Honkland-Verlag, Honkland
[email protected]
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Eine ganze Generation zapft Benzin, räumt Tische ab, schuftet als
Schreibtischsklaven. Durch die Werbung sind wir heiß auf Klamotten
und Autos. Machen Jobs, die wir hassen, und kaufen dann Scheiße, die
wir nicht brauchen. Wir sind die Zweitgeborenen in der Geschichte.
Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine
große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller. Unsere große
Depression ist unser Leben. Wir wurden durch das Fernsehen
aufgezogen in dem Glauben, daß wir alle irgendwann mal Millionäre
werden, Filmgötter, Rockstars. Werden wir aber nicht. Und das wird
uns langsam klar. Und wir sind kurz, ganz kurz vor`m Ausrasten.
(Tyler Durden)
Bisexuelle wollen mich töten!
(Dr. Gonzo)
Vorwort
Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Kauf / Download dieses Buches
haben Sie eine sehr gute Wahl getroffen, soviel steht mal fest. Sicher, es
gibt bestimmt einige Bücher, die besser sind als dieses hier. Aber dafür
kaum welche, die noch schlechter sind. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Ferner unterstützen Sie mit Ihrem Kauf eine vom Aussterben bedrohte
Spezies, nämlich den Honk. Ja, ganz genau, den Honk. Denn ich bin ein
Honk. Aus Überzeugung. Aus Leidenschaft. Vielleicht auch ein klein
wenig aus Protest, wer weiß. Ein obsessiver Honk, möglicherweise
sogar ein Vollhonk. Tollkühnheit und Skurrilität stehen bei mir ganz
oben auf der Liste. Ich honke mich durch diese lustige Welt.
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Honk for life, Honk forever, Honkytonk. Unglaubliche Szenarien
bestimmen mein Leben. Für mich gibt es sogar 20% auf Tiernahrung,
ist das zu glauben?! Eigentlich nicht. Aber es stimmt.
Da wohl nur die wenigsten von uns wissen, was denn überhaupt ein
Honk ist, werden wir die nächsten gut 300 Seiten damit verbringen,
dieses Mysterium zu lüften. Und auch noch andere Sachen. Wir werden
uns auf eine Reise begeben, begeben müssen, eine Reise nach
Honkland. Ich kann nur hoffen, daß jeder genügend Alkohol, Zigaretten
und Tabletten im Gepäck hat, denn das kann zuweilen eine recht
haarsträubende, ja geradezu hanebüchene Reise werden. Aber es nützt
nichts, da müssen wir jetzt gemeinsam durch, Hand in Hand.
Leider muß ich bereits jetzt vorwegnehmen, daß nicht jeder von uns von
dieser Reise gesund zurückkommen kann. Also obenrum. Einige
können überhaupt nicht mehr zurückkommen, darüber sollten wir uns
bitte gleich von Anfang an im klaren sein. Wiederum andere wollen
vielleicht gar nicht mehr zurück, so wie bei einem besonders
zauberhaften Malediven-Urlaub. Kann auch passieren, kann alles sein
im Honkland, ist alles möglich. Ich weise nur lieber gleich darauf hin.
Gleich die Karten auf den Tisch, zack, gleich die Hosen runter. Gibt
dann hinterher wenigstens keine bösen Überraschungen.
Der Begriff des Honk läßt sich am ehesten durch Vergleich mit bzw.
Abgrenzung von anderen Charakteren definieren. Mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit ist in unserer heutigen, überaus lustigen
Gesellschaft von vier dominanten Charakteren auszugehen:
Idioten – Vollidioten – Opfer – Honks
Liest sich zugegebenermaßen auf den ersten Blick ein wenig negativ.
Eigentlich sogar ziemlich negativ, ziemlich unerfreulich, wenn wir mal
ehrlich sind. Etwas unerquicklich. Ist es aber nicht. Ist alles überhaupt
nicht negativ und unerfreulich und so, ist nämlich alles ziemlich positiv,
ziemlich erfreulich. Teilweise sogar total positiv und höchst erfreulich,
wie sich im Laufe des Buches herausstellen wird.
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Neben oben erwähnten vier Haupt-Charakteren existieren vereinzelt
noch diverse Randgruppen wie beispielsweise intelligente Menschen.
Mit Intelligenz ist an dieser Stelle eine praxisnahe Intelligenz gemeint.
Also eine Intelligenz, die dem Inhaber -und im Idealfall noch weiteren
Personen- einen gewissen praktischen, lebensnahen Nutzen beschert.
Nicht etwa ein Trottel, der ein Telefonbuch auswendig lernt oder
mathematische Wurzeln im Kopf zieht oder ein feistes Sudoku löst oder
ähnlichen Blödsinn macht. Nein, hier ist eine lebensrelevante
Intelligenz gefragt. Eine lebensrelevante, praxistaugliche Intelligenz.
Beispielsweise so wie bei dem Kerl, der die Glühbirne erfunden hat.
Das hat doch irgendwie Sinn gemacht, da konnten wir doch alle großen
Nutzen daraus ziehen. Oder der erste Kokabauer. Mal eben schön paar
Palmen angebaut und gemolken, davon profitieren doch auch ganz
viele. Oder hier, der Erfinder des Fernsehens, meine Fresse. Vielen
Menschen würde ohne die Erfindung der Glotze jedweder Lebensinhalt
entzogen. Ferner stelle man sich nur einmal vor, wie viele C- bis FPromis auf einmal arbeitslos wären. Schauderhafter Gedanke. Also ich
bin jedenfalls heilfroh, daß die schöne Glotze erfunden wurde. Und
zwar von einer Person, die bestimmt ganz schön intelligent war.
Menschen mit solch einer Intelligenz sind in der heutigen Zeit und
Gesellschaft allerdings in so verschwindend geringer Anzahl vertreten,
daß auf sie nicht näher eingegangen werden muß. Sie können komplett
unberücksichtigt bleiben, so selten sind sie vertreten. Die
Wahrscheinlichkeit, einem richtig intelligenten Menschen zu begegnen,
ist ungefähr vergleichbar hoch mit der Wahrscheinlichkeit, eine
Nuklearexplosion direkt auf dem eigenen Schädel zu überleben. Also
nicht so hoch. Eigentlich überhaupt nicht hoch. Eher gering.
Beschränken wir unsere Abhandlung also auf oben genannte
Hauptcharaktere: Idioten, Vollidioten, Opfer und Honks.
Bitte anschnallen.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
3
Inhaltsverzeichnis
6
I. Der Idiot
9
II. Der Vollidiot
13
1. Definition
13
2. Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten
16
3. Alternative Vorgehensweise
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4. Dialog mit dem Vollidioten
a) Ignorieren
b) Beleidigen
c) Gewalt androhen
d) Zwischenergebnis
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5. Exkurs: Melvin
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6. Gesellschaftliche Bedeutung des Vollidioten
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7. Telemediale Bedeutung des Vollidioten
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8. Ergebnis
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6
III. Das Opfer
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1. Das Fremdopfer
a) Definition
aa) Angst
bb) Logik
cc) Erfahrung
aaa) Früher
bbb) Heute
dd) Weitere Gründe
b) Eingliederung
aa) Fremdwahrnehmung
bb) Eigenwahrnehmung
cc) Tatsächlicher Status
aaa) Mentale Ebene
bbb) Emotionale Ebene
c) Prominente Fremdopfer
d) Ergebnis
2. Das Eigenopfer (Vollopfer)
a) Definition
b) Alternative Definition
c) Eingliederung
aa) Eigenwahrnehmung
aaa) Eigene Eigenwahrnehmung
bbb) Eigenwahrnehmung untereinander
bb) Fremdwahrnehmung
cc) Tatsächlicher Status
aaa) Warum keine Klobürste?
bbb) Und die Werbung?
ccc) Ergebnis
dd) Ergebnis
ee) Metamorphose
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42
42
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48
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68
68
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78
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123
125
IV. Der Honk
128
1. Definition
128
2. Eingliederung
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a) Der Honk als Anarchist
aa) Zum Wohle der Allgemeinheit
bb) Zum Wohle des Honk
aaa) Wo sind denn die Grün-Weißen?
bbb) Heizöl kommt noch krasser
ccc) Und was sagen die Nachbarn?
cc) Ergebnis
133
135
144
146
157
168
184
b) Der Honk als Ignorant
aa) Im Kapitalismus
bb) In der Glotze
cc) Und die Werbung? (Part II)
dd) Ergebnis
186
188
216
239
246
c) Der Honk als Sackgesicht
aa) Honk und Frauen
bb) Honk allein zu Haus
cc) Honk in Gesellschaft
dd) Honk ist der Beste!
ee) Und was kommt jetzt noch?
ff) Ergebnis
249
252
258
266
283
297
306
3. Ergebnis
310
V. Gesamtergebnis
327
VI. Epilog
334
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Die Vorsehung beschützt Kinder und Idioten. Ich weiß das, weil ich es
ausprobiert habe.
(Mark Twain)
I. Der Idiot
(griechisch: idiotes
(Unwissender, Laie))
(eigentümlich,
seltsam);
lateinisch:
idiota
Die Figur der Idioten ist relativ simpel gestrickt und infolgedessen
einfach zu charakterisieren und flott abzuhandeln.
In der früheren Medizin differenzierte man zwischen drei verschiedenen
Graden des Schwachsinns: Debilität, Imbezillität und Idiotie. Debilität
verkörperte einen leichten, Imbezillität einen mittleren bis schweren und
Idiotie den schwersten Grad an Intelligenzminderung. Diese Definition
ist jedoch über die Jahre veraltet und wird heute in der Medizin nicht
mehr angewandt.
In der heutigen Zeit ist der Begriff des Idioten gemäß herrschender
Meinung als Synonym für einen Dummkopf erhalten geblieben. Ein
Idiot ist demnach umgangssprachlich eine Bezeichnung für eine Person,
welche -an der Allgemeinheit gemessen- überdurchschnittlich dumm
oder ungeschickt agiert. Dies beschreibt die Figur unseres Idioten
allerdings viel zu oberflächlich und völlig unzureichend, wenn nicht gar
komplett falsch. Unser heutiger Idiot ist viel facettenreicher.
Entgegen herrschender Meinung ist der moderne Idiot ziemlich smart.
Unerwartet smart sozusagen. Er ist dumm, und das weiß er auch. Er
akzeptiert sein Schicksal und kann bzw. will nicht nach Höherem
streben. Manchmal soll er auch nicht. Aber er hadert diesbezüglich nicht
mit sich selbst oder anderen. Der Idiot ist sozusagen einsichtig.
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Nicht besonders weitsichtig, aber zumindest einsichtig. Die Einsicht in
seine Dummheit und deren radikale Akzeptanz macht ihn so unerwartet
smart. Folglich kann man dem Idioten kaum nachtragend oder gar bös
gesonnen sein. Was er tut, tut er nach bestem Wissen und Gewissen,
wobei sein Gewissen zumeist etwas markanter ausgeprägt ist als sein
Wissen. Der Idiot weiß also recht gut zwischen Recht und Unrecht zu
unterscheiden, wogegen sein Differenzierungsvermögen zwischen Gut
und Böse oftmals eher getrübt ist.
Was nicht heißen soll, daß der Idiot nicht weiß, was Gut und was Böse
ist. Nein, er weiß sehr wohl, was Gut und Böse ist. Nur läßt er sich
aufgrund seiner offensichtlichen Einfältigkeit durch andere oftmals
täuschen oder benutzen. Unser Idiot erkennt also eine dritte Person, die
ihm unter Umständen bös gesonnen sein könnte, zu spät bzw. überhaupt
nicht. Was man ihm aber nicht übel nehmen darf, weil er es ja nicht
besser wissen kann.
Merke: Unser Idiot ist meist gutgläubig.
Man kann unseren Idioten also am ehesten mit einem Alzheimerkranken
in einem Bordell vergleichen: Er wundert sich stets darüber, auf`s Kreuz
gelegt zu werden und kann zudem überhaupt nicht verstehen, dafür auch
noch bezahlen zu müssen. So oder so ähnlich muß man sich das
vorstellen. Also durch und durch ein braves Schaf.
Wer mit einem modernen Idioten nicht zurechtkommt, ist selbst schuld.
Denn so negativ die herrschende Meinung den Begriff des Idioten auch
definieren mag, so positiv ist der Idiot als Gesamtfigur zu sehen. Die
Bezeichnung „dumm“ sollte daher auch eher relativ gesehen werden.
Dumm ist dumm. Nicht mehr, nicht weniger. Dumm ist an sich gar nicht
mal so schlecht in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft. Saudumm
wäre da schon schlechter. Oder doof. Doof wäre auch nicht so gut.
Strohdoof. Debil. Schwachsinnig. Bekloppt. Behämmert. Alles nicht so
gut. Mit einer Intelligenz gesegnet, die einen sogar unter dummen
Schweinen zur dümmsten Sau macht. Also das wäre dann aber auch
nicht so gut, das wäre ganz schön krass. Dann spräche man auch nicht
mehr von einem normalen Idioten, sondern schon von einem ziemlich
krassen Vollidioten.
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Oder wenn man rein hypothetisch eine Person nimmt und über Wochen
hinweg mit dem Kopf in einen Türrahmen hält und die Tür dann die
ganze Zeit zuknallt. Zack. Pausenlos. Volle Pulle. Ohne Unterbrechung,
zack, die ganze Zeit die Tür volle Pulle an die Birne. Und nach drei
Wochen oder so steht diese Person dann auf und geht zu einer anderen
Person hin und sagt zu dieser, daß sie die dümmste Sau auf der ganzen
Welt sei. Das wäre dann aber auch ganz schön krass. Das wäre bald
schon besorgniserregend. Ziemlich deprimierend für denjenigen, der das
dann zu hören kriegt. Und dann auch noch von jemandem, der drei
Wochen stillhält, während ihm ein anderer Knecht permanent eine Tür
vor die Rübe knallt. Da sollte man sich dann aber mal lieber ein paar
Gedanken darüber machen. Aber ist ja alles zum Glück hier nicht der
Fall, ist ja zum Glück nur hypothetisch.
Dumm könnte man hier vielmehr so verstehen, als daß es
voraussichtlich wohl nicht so schnell zu einer Situation kommen wird,
in welcher ein Idiot den Nobelpreis verliehen bekommt. Oder einen
Doktortitel in Atomphysik erhält. Wie gesagt, dumm ist in unserer
modernen Gesellschaft gar nicht mal so übel. Es gibt einige, die cleverer
sind, logisch, und das ist auch gut so. Aber die Anzahl derer, die richtig
dumm oder sogar komplett geistig derangiert sind, ist viel größer.
Dumm ist also eigentlich ziemlich gut. Nur, daß wir uns mal über den
Gesamtkontext hier im klaren sind. Ich selbst würde mich auch als
dumm bezeichnen. Und ja, natürlich bin auch ich ein Idiot. Vielmehr
war ich ein Idiot, der in Laufe der Jahre eine Metamorphose zum Honk
vollzogen hat. Doch dazu später mehr.
Der Idiot zieht sich beruflich gesehen durch alle Schichten. Von der
Friseuse zum Freiberufler, von der Arzthelferin zum Akademiker, vom
Weiblein zum Männlein und umgekehrt, ganz egal. Der Idiot hat
Freunde und Hobbys. Er trifft sich mit anderen Idioten und hat einen
überschaubaren Bekanntenkreis, welcher größtenteils auch aus Idioten
besteht. Man schaut zusammen fern, trinkt gemeinsam ein Bier, leiht
sich gegenseitig Werkzeug aus, feiert Geburtstage, läßt die Kinder
zusammen spielen und dergleichen. Vielleicht engagiert man sich sozial
oder sitzt im Elternrat, ist alles denkbar. Es ist ein überwiegend
positives und angenehm angepaßtes Leben, welches unser Idiot führt.
Und er ist zufrieden damit.
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Für die Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft ist der Idiot
unverzichtbar. Er ist fleißig, arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten
und strebt Tugendhaftigkeit an. Letzteres mal bewußt, mal unbewußt. Er
trägt zum Bruttoinlandprodukt bei, zahlt brav seine Steuern und geht
natürlich auch zur Wahl. Das Leben unseres Idioten verläuft
phasenweise und nach folgendem Schema: Geburt, Schule, Ausbildung,
Job, Frau, Haus, Kind, Enkelkind, Rente, Tod. Hierbei handelt es sich
um eine grobe Darstellung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit
erhebt. Üblicherweise wird irgendwo zwischen Haus und Kind auf
Drängen der Idiotin noch ein feister Multivan (Ford Galaxy oder
vergleichbare Schüssel) gekauft. Oder vereinzelt zwischen Job und Frau
noch ein Sabbatical eingelegt, beispielsweise sechs Monate lang
Mantelpavianen in Südwestafrika die Klöten kraulen, phantastisch. Aber
eine solch detaillierte Differenzierung sprengt an dieser Stelle unseren
Rahmen.
Zunächst sollte unser Idiot also ausreichend beschrieben sein: Ein liebes
Schaf wie Du und ich. Oft vertreten, gern gesehen und unverzichtbar für
die Gesellschaft. Wir werden in den Folgekapiteln noch häufiger auf
unseren Idioten als Referenz oder zum Vergleich zurückgreifen müssen.
Und das werden wir auch unheimlich gern tun, weil unser Idiot so eine
smarte Figur ist. Daher können wir es an dieser Stelle mit seiner
Charakterisierung belassen und uns einer etwas heikleren, ja geradezu
delikaten Thematik widmen: Nämlich der Charakterisierung unseres
Vollidioten.
Ach ja, kleine Ansage vorab, falls sich einer wundert: In Honkland
werden die alten Rechtschreibe- und Grammatikregeln benutzt, weil die
neuen Scheiße sind. Ist so. Oder es wird gleich so geschrieben, wie man
gerade lustig ist. Kann auch sein, kann alles sein, macht alles Sinn.
Ganz nach Lust und Laune, nur eben nicht der neue Schrott.
Weiter.
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Homer, Du bist dümmer als ein Esel und zweimal so häßlich. Wenn ein
Fremder Dich fragt, ob er Dich mitnehmen soll, nimm die Chance wahr,
und steig` ein.
(Abraham Jay Simpson)
II. Der Vollidiot
1. Definition
(vgl. Idiot, gesteigerte Form von Idiot)
Jetzt wird`s schon ganz krass:
Unser Vollidiot unterscheidet sich vom Idioten lediglich durch zwei
Eigenschaften: Unser moderner Idiot weiß, duldet und billigt, daß er ein
Idiot ist. Es erscheint bisweilen sogar so, als würde er es mit einem
spitzbübigen Augenzwinkern geradezu darauf anlegen, als Idiot entdeckt
und katalogisiert zu werden. Diese Eigenschaft fehlt dem Vollidioten
gänzlich.
Der Vollidiot ist zu keiner Zeit bereit und in der Lage, seine
verheerende Debilität zu erkennen oder sich gar mit dieser Thematik
auseinanderzusetzen. Ihm fehlt bereits von vornherein jedes
Grundverständnis, jede Sensibilität für das Dilemma. Ja nicht einmal
eine Art Vorahnung hat er. Alles komplett nicht vorhanden. Klingt
etwas vermessen, sicher, ist aber leider nunmal so. Denn besäße unser
Vollidiot die Fähigkeit zur Erkenntnis, Duldung oder gar Billigung
seines Status, stiege er unweigerlich in der Rangfolge auf. Und zwar in
den Rang des normalen Idioten. Falls sein Hirn nicht schon zu sehr
gelitten hat, was aber meist der Fall ist. Dies ist ein signifikanter
Unterschied zwischen dem landläufigen, oben beschriebenen Idioten
und dem hier beschriebenen Vollidioten.
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Ferner hat unser Vollidiot überhaupt keine Latten mehr am Zaun.
Während unser Idiot noch angenehm positiv dumm ist, ist der Vollidiot
komplett am Arsch. Er hat nicht nur keine Latten mehr am Zaun,
vielmehr ist der komplette Zaun weg. Zack, weg. Komplett weg. Nicht
einmal mehr die Pfosten da. Alles weg. Als wäre nie einer da gewesen.
War er wahrscheinlich auch nicht. Weiß keiner so genau, ganz
undurchsichtig. Es fehlt also an allen Ecken und Enden, alles paßt
hinten und vorne nicht. Kopf-Kirmes ist die Devise, Kabel-Salat das
Motto, und völlig zu Recht ist man geneigt, mal eben lieber die
Feuerwehr zu rufen. 112, Hilfe, Vollidiot. Tatü-tata.
Unser Vollidiot ist also gänzlich unbefangen, um es mal freundlich
auszudrücken. Er sticht durch das vollständige Ignorieren jedweder
Logik aus der Masse hervor. Vollidioten verständigen sich
untereinander in der Regel auf eine recht primitive Art und Weise. Um
es mal ganz direkt und nonchalant auszudrücken, steht die
Kommunikationsebene unseres Vollidioten nur ganz knapp über der
Kommunikationsebene von Schweinen. Grunz, grunz, quiek. Und furz.
Furz nicht zu vergessen. Das beschreibt es im Großen und Ganzen auch
schon inhaltlich.
Wer je in den Genuß kam, eine zur Mittagszeit ausgestrahlte Talkshow
im Privatfernsehen verfolgen zu dürfen (vielleicht, weil er einen Tag
Urlaub hat oder so hart gearbeitet hat, daß er eine Woche krank ist),
weiß, wovon hier die Rede ist.
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Ich habe in vielen Mistfilmen gespielt, weil ich die Welt kennenlernen
wollte. Aber Talkshow im Fernsehen? Mein Gott, da kann man ja gleich
auf den Strich gehen.
(Richard Widmark)
Ein Praxisbeispiel: Jacqueline (Hausfrau, 23) will von Vera am
Nachmittag wissen, welcher Penner sie im Vollrausch geschwängert
und zur glücklichen Mutter ihres vierten Sohnes Justin gemacht hat.
Bevor das Geheimnis mittels eines vom Sender bezahlten
Vaterschaftstests gelüftet wird, diskutieren drei bis sechs potentielle
Erzeuger die Problematik untereinander und mit der glücklichen
Hausfrau und Mutter. Hierbei kommt es teilweise zu erheblichen
verbalen Entgleisungen. Diese Entgleisungen werden vom anwesenden
Publikum, welches zu 90% ebenfalls aus Vollidioten und auch einigen
Alkoholikern besteht, gern gesehen und auch vereinzelt sehr sinnvoll
kommentiert oder sogar analysiert. Einem unbefangenen Betrachter
erscheint diese Konversation ziemlich skurril und nur ansatzweise
nachvollziehbar, was größtenteils an der Primitivität des eingesetzten
Vokabulars und an den abenteuerlichen grammatikalischen
Formulierungen liegen dürfte.
Ein weiteres Praxisbeispiel: Ali (Schüler, 21) erzählt bei Oli Geissen
einer fetten Kuh, daß sie fett ist. Herzlichen Glückwunsch! Prinzip
sollte jetzt klar sein.
Nichts gegen Talkshows. Talkshows sind toll, Talkshow sind klasse. Ich
stehe total auf Talkshows, da werde ich total geil von. Geil, geil, sehr
geil. Geile Talkshows. Sie dienen uns hier als sehr nützliches und
anschauliches Fallbeispiel, um das Portrait des Vollidioten allgemein
verständlich zu illustrieren.
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Ich werde Vitali die Fresse polieren!
(Juan Carlos Gomez)
2. Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten
Okay, Spaß beiseite. Gehen wir in medias res. Wie sollten wir mit
einem Vollidioten umgehen? Was ist im Umgang mit einem Vollidioten
zu beachten?
Die sinnvollste Vorgehensweise im Umgang mit einem Vollidioten
besteht darin, ihm permanent und konsequent die Fresse zu polieren. In
der Praxis könnte das so aussehen, daß man dem Vollidioten einen
Wecker stellt, zum Beispiel auf 6 Uhr morgens. Nee, wird nix. Besser
stellt man sich gleich selbst den Wecker auf 5.30 Uhr, macht sich dann
frisch, frühstückt, und dann weckt man den Vollidioten um Punkt 6 Uhr
direkt mit einem Schlag in die Fresse, zack.
Es kann sein, daß unsere frühmorgendliche Vorgehensweise bei
unserem Vollidioten Irritation hervorruft. Diese Irritation könnte daraus
resultieren, daß er acht Stunden früher wach wird als sonst, noch dazu
mit einer Faust in der Fresse statt einer Marihuana-Tüte. Oder er nur
zwei Stunden schlafen konnte, weil er bis 4 Uhr morgens WOW im
Netz gezockt hat oder anderen sinnvollen Aufgaben nachgegangen ist.
Weiß man nicht, tut aber auch nicht zur Sache.
Der größte Fehler, den wir jetzt begehen können, besteht darin, unserem
Vollidioten die ungewohnte Situation erklären zu wollen. Das hätte
überhaupt keinen Sinn, denn er verstände uns überhaupt nicht. Und
selbst wenn er uns verstände, würde er uns die Geschichte nicht
glauben. Also keine große Debatte, keine große Diskussion, Ruhe.
Stattdessen sollten wir ihm nach dem Weck-Schlag in die Fresse etwas
Zeit für ein Frühstück oder eine Flasche Bier geben.
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Nach dieser besonders opulenten Stärkung geht`s dann aber los. Das
Prinzip ist ganz einfach und für alle verständlich, es entspricht dem
eines typischen Arbeitstages. Der Vollidiot bekommt jetzt von 6.30 Uhr
bis 9 Uhr die Fresse poliert. Rechts und links und oben drauf auf die
Birne, zack, immer volle Kanne, Spencer und Hill lassen grüßen. Es
folgt dann um 9 Uhr eine viertelstündige Pause, die dem Vollidioten zur
freien Verfügung steht. Er kann nun beispielsweise etwas Marihuana
rauchen, ein zweites Bier trinken oder kurz ein wenig im Netz mit
anderen Vollidioten chatten, ganz nach Belieben.
Nach dieser kleinen Pause geht es weiter bis 12.30 Uhr, immer voll rein,
auch ab und an mal mit Backpfeiffen, um den Handrücken zu entlasten.
Zack, zack, klatsch. Wer Probleme mit den Sehnen im Handgelenk hat,
sollte sich in der Mittagspause besser die Handgelenke kühlen und dann
bandagieren. Dadurch wird gewährleistet, daß man nach der
Mittagspause wieder voll durchstarten kann. Man kann sich auch gleich
frühmorgens ein bißchen Voltaren draufschmieren und bandagieren,
dann geht man auf Nummer sicher.
Um 13 Uhr ist Mittag vorbei, weiter geht`s, gleiches Spiel, gleiche
Kandidaten. Unser Vollidiot sollte ab 13 Uhr ziemlich entspannt sein.
Zum einen ist er jetzt an die Behandlung gewöhnt. Er weiß also, was ihn
erwartet und erlebt nicht erneut sein blaues Wunder wie am frühen
Morgen. Und zum anderen hat er seine halbstündige Mittagspause mit
allerlei Ferkeleien verbracht, die hier lieber nicht detailliert beschrieben
werden sollten. Ist besser so. Aber egal, volle Kraft voraus, in die Fresse
bis 16 Uhr. Und zack.
16 Uhr. Feierabend. Uff. Was für ein Tag, Halleluja! Was für ein Tag.
Und das Schlimmste dabei ist, daß es absolut nichts gebracht hat.
Nichts, gar nichts, überhaupt nichts. Njet, nada, nitschewo. Man selbst
hat sich völlig verausgabt, ist völlig fertig, total kaputt. Und der
Vollidiot hat nach dem nun folgenden allabendlichen Vollrausch am
nächsten Tag nur das Gefühl eines Déjà-vu, wenn er ab 6.30 Uhr wieder
in die Fresse gedroschen bekommt. Ätzend! Man müßte diese Prozedur
wahrscheinlich über Wochen oder gar Monate fortsetzen, bis erste
Erfolge erkennbar wären. Super ätzend, voll zum Kotzen.
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Und nicht nur voll zum Kotzen, sondern auch überhaupt nicht zu
bewerkstelligen. Unmöglich. Zum einen gibt es einfach viel zu viele
Vollidioten in unserer Gesellschaft. Schätzungsweise 15 bis 20 Prozent,
Tendenz dramatisch steigend. Auf der anderen Seite gibt es leider viel
zu wenige von denen, die das Fresse-Polieren übernehmen könnten und
auch wollten. In erster Linie wahrscheinlich aus Zeitgründen. Vielleicht
auch mangels physischer Voraussetzungen. Zu dünne Arme, zu wenig
Kondition, kann alles sein. Man kann also ruhigen Gewissens
behaupten, daß die potentielle Nachfrage das Angebot bei weitem
übersteigt.
Wir sind also nicht in der Lage, die überproportional ansteigende
Nachfrage zu befriedigen. Allein schon die Vorstellung, welch immens
hohe konditionelle Anforderungen an den menschlichen Körper gestellt
würden, wenn man den ganzen Tag einer anderen Person in die Fresse
dreschen müßte. Hochleistungssport! Im Endeffekt für denjenigen, der
ununterbrochen dreschen muß, viel anstrengender als für den, der die
ganze Zeit nur die Fresse hinhält. Ein hammerharter Fulltime-Job. Man
selbst verausgabt sich total, während der Vollidiot sich irgendwann an
die Situation gewöhnt hat und nichts mehr merkt. Wenn er denn
überhaupt was merkt.
Vom Zeitfaktor her also eher eine Möglichkeit zum Abbau von
Arbeitslosigkeit. Statt Blödsinn wie Ein-Euro-Jobs oder HartzIV lieber
Fressen-Politur auf 400-Euro-Basis. Das wäre doch mal was, was ganz
Feines wäre das. Und die Kilojoules, die dabei an Energie freigesetzt
würden, könnte der Polierende in einem am Körper befestigten Akku,
beispielsweise in einem aufgeschulterten Rucksack, speichern. Und
hinterher in das Energienetz einspeisen. Zack, ab, rein ins Netz.
Sozusagen ein handfester Beitrag zur Gewinnung erneuerbarer
Energien. Von der Fresse direkt in die Leitung, phantastisch. Geradezu
revolutionär in der heutigen Zeit. Großer Haken an der Sache: Alle drei
bis sechs Monate müßte derjenige, der pausenlos poliert, für mindestens
ein Jahr ins Sabbatical. Beispielsweise ein Jahr Kühe melken in
Schottland, als Erholung für die geschundenen Hände. Ran an die Euter,
zack, immer schön mit Melkfett. Lustige Vorstellung, allerdings
unfinanzierbar.
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Nimm nie einen Menschen, wenn Du eine Maschine dafür nehmen
kannst.
(Agent Smith)
3. Alternative Vorgehensweise
Manuelles Fresse-Polieren wird also aus den genannten Gründen
verworfen. Ist schade, aber geht halt nicht. Bleibt eigentlich nur noch
automatisches Fresse-Polieren. Also schön mit einer Maschine und so.
Womit wir auch schon beim nächsten Problem ständen: Wer baut uns so
eine Poliermaschine? Und wie wird gewährleistet, daß diese von
unserem Vollidioten dann auch konsequent angewendet wird? Wir
wollen ja schließlich nicht mit Bohnen kalkulieren.
Die Finanzierung des Baus einer solchen Maschine stellt hier die größte
Herausforderung dar. Es gibt so etwas noch nicht, und etwas
Vergleichbares gibt es auch nicht. Sicher, die Maschine müßte mit
einem Elektromotor betrieben werden. Es müßte ein Schalt- bzw.
Steuergerät eingesetzt werden. Eine Menge Kabel, Verschraubungen
und ähnliches. Eine Kupplung, um das Drehmoment entsprechend in die
Fresse zu übertragen. Das sollte alles klar sein. Aber das wissen wir
vom Automobil auch. Und trotzdem können nur wenige von uns ein
Automobil bauen. Und das, obwohl man von anderen Automobilbauern
kopieren könnte.
Ein Fresse-Politur-Apparat ist also etwas völlig Neues. Eine Menge
Zeit, Arbeit und somit Geld wird für die Forschung und Entwicklung
dieser Spezialapparatur vonnöten sein. Es werden Probleme zu lösen
sein, an die bis dato noch gar nicht gedacht wurde. Wie sieht es
beispielsweise mit dem Schallschutz aus? Acht bis neun Stunden
Geklatsche täglich, die daraus resultieren, daß eine Maschine einem
Vollidioten die Fresse poliert, stellen ein ernstzunehmendes
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Lärmproblem für die Allgemeinheit dar. Wie kann man hier vorgehen?
Findet man die Lösung hierfür etwa im Bereich Lärmschutz? Ist unter
Umständen eine individuell auf Maschine und Vollidioten angepaßte
Schallschutzhaube der Weisheit letzter Schluß? Oder entwickelt man
gleich eine Apparatur, die imstande ist, mehrere Vollidioten gleichzeitig
zu behandeln? Das könnte in der Praxis so aussehen, daß beispielsweise
15 Vollidioten an einem runden Tisch sitzen. In der Mitte des Tisches
ist an einer senkrechten Achse waagrecht ein rotierender, mechanischer
Arm angebracht, der die gesellige Runde am Tisch gleichmäßig bedient.
Zack, zack, zack, immer schön im Kreis, jeder bekommt seinen Anteil.
Eine sehr faire und zugleich auch sehr illustre Methode.
Fragen über Fragen werden auftauchen, Fragen über Fragen müssen von
hiesigen Experten beantwortet und umgesetzt werden. Und das kostet.
Geld. Viel Geld. Es kostet viel Geld. Man könnte sich sogar zu der
Aussage hinreißen lassen, daß es sehr viel Geld kosten wird. Eine
unglaublich kostspielige Angelegenheit. Geld, welches man vielleicht
hätte, aber besser nicht zur Verfügung stellen möchte. Vielleicht
deshalb, weil man dem Vollidioten das Leben durch immense direkte
und indirekte Staatsabgaben, die der Staat dann auch ganz gern und
schnell weiterleitet, bereits zu Genüge versüßt. Keine Ahnung.
Also sind Sponsoren für das Vorhaben zu begeistern. Aber die Mühe
kann man sich gleich sparen, hat keinen Sinn. Es wird in einer Farce
enden. Allein das Vortragen der Idee der Entwicklung eines FressePolitur-Apparates wird bei potentiellen Sponsoren auf Unverständnis
stoßen. Suspekt wird man unser Vorhaben finden. Zwielichtig.
Vielleicht sogar ominös. Unethisch. Die Präsentation unserer Idee vor
Sponsoren ersparen wir uns also besser. Und daß der Vollidiot selbst die
Kohle für den Polier-Apparat aufbringt, kann man auch gleich mal
wieder vergessen. Zum einen hat er kaum Geld, zum anderen investiert
er dieses wenige Geld lieber in Alkohol, Tabak und Pornographie. Und
man wird den Vollidioten kaum dazu bringen können, sein geliebtes
Saufen, Rauchen und Onanieren gegen ein paar in die Fresse
einzutauschen. Wozu auch?! Läuft ja wie geschmiert für ihn. Daher
sollten wir zunächst von der Idee des Fresse-Polierens Abstand nehmen.
Es muß also eine andere Alternative her. Aber was kann man nur tun?!
Bin ich fasr ein bißchen überfragt jetzt gerade.
20
Vielleicht einfach unsere Vollidioten irgendwo aussetzen? Also
Reisebus mieten, alle Vollidioten, die man greifbar hat, rein, und
Abfahrt, zack. Reiseziel eigentlich egal, könnte Italien sein. Norditalien.
Ja, Norditalien kommt gut. Vielleicht ins beschauliche, relativ nahe
gelegene Aosta-Tal. Hübsche Gegend. Sehr pittoresk. Und in 2009
aufgrund diverser Geschehnisse total bekannt und beliebt geworden.
Ganz beliebtes Reiseziel für Vollidioten, geradezu prädestiniert. Also
nichts wie los, ab ins Aosta-Tal!
Im Aosta-Tal angekommen, könnten wir mit unserer grenzwertig
debilen Reisegruppe vielleicht schön zum Essen gehen, schön happihappi machen. Es soll dort einige sehr empfehlenswerte Pizzerien
geben, die kulinarischen Höchstgenuß versprechen. Besonders
empfehlenswert ist die direkt in Aosta gelegene Pizzeria Il Capanno.
Quasi ein echter Insider-Tip. Den ich von einem bekannten Paar
bekommen habe. Von Ina-Caterina R. und Sascha S., einem absoluten
Vorzeige-Paar. Im Il Capanno soll man ganz gut Leute aussetzen
können. Insbesondere Kinder. Könnten wir ja auch mal mit unserer
Vollidioten-Gruppe versuchen. Einfach kurz nach draußen gehen, eine
rauchen, und dann einfach abhauen. Ganz einfach. Zack und weg.
Einfach Fersengeld geben.
Lustige Idee, aber es wird nicht klappen. Zumindest nicht dauerhaft.
Das Problem dabei ist, daß man uns unsere lustige Truppe wieder
zurückbringen wird. Wahrscheinlich sogar noch auf unsere Kosten. Nee,
ganz sicher sogar auf unsere Kosten. Und oben drauf noch ein paar
Tausend Euro Pizza-Rechnung, von wegen literweise Grappa und so.
Voll ätzend. Nein, das sind alles keine praktikablen und dauerhaften
Lösungen. Anscheinend ist hier etwas mehr Sachverstand und
Feingefühl gefragt. Vielleicht können wir ja auf kommunikativer Ebene
etwas erreichen?! Im Dialog quasi. Sollten wir tatsächlich den
wahnwitzigen Versuch unternehmen wollen, mit unserem Vollidioten in
einen Dialog zu treten?!
21
Unsere Vibrations wurden langsam unangenehm. Aber warum? Gab es
in diesem Wagen keine Kommunikation? Waren wir auf das Niveau
dumpfer Kreaturen gesunken?
(Raoul Duke)
4. Dialog mit dem Vollidioten
Man verfügt also nicht immer über die erforderliche Zeit, Motivation
und Energie, um einem Vollidioten mit der notwendigen Intensität
ganztätig die Fresse zu polieren. Die Entwicklung einer entsprechenden
Apparatur scheitert am lieben Geld, wie so oft. Aussetzen ist auch keine
dauerhafte Lösung, sondern vielmehr ein ziemlich kostspieliger
Erholungsurlaub für unsere Rasselbande.
Ungeachtet dessen wird der Tag kommen, an dem wir mit einem
Vollidioten kommunizieren müssen. Zwangsweise sozusagen. Es ist
unvermeidlich. Vielleicht in der U-Bahn, an der Kasse im Supermarkt,
im Fitness-Studio, wo auch immer. Der Tag wird kommen. Nein, der
Tag ist längst schon da gewesen. Nein, noch schlimmer: Bei 15 bis 20
Prozent Vollidioten-Bevölkerungsanteil werden wir sogar täglich mit
Vollidioten konfrontiert! Auweia! Naja, nun wissen wir es wenigstens.
Aber das macht es auch nicht besser. Eher sogar noch schlimmer.
Wir stehen nun also einem waschechten Vollidioten gegenüber. Statt
ihm die Fresse zu polieren, möchten wir ihn gern verbal oder manuell
(per Handzeichen, z. B. Vogel zeigen oder Scheibenwischer) auf seinen
geistig labilen Zustand hinweisen. Wir wollen zum Ausdruck bringen,
daß wir den Dialog suchen. Wie wird der Vollidiot reagieren? Was wird
er tun? Drei Alternativen sind vorstellbar: Ignorieren, beleidigen,
Gewalt androhen.
22
Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente,
Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente,
Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente, Ente.
(Ralph Wiggum)
a) Ignorieren
Erste Möglichkeit: Der Vollidiot ignoriert unseren Einwand komplett!
Nicht, weil er es nicht hören oder glauben will oder mag; er kann den
Einwand schlichtweg nicht verstehen. Es ist ihm zu hoch, die
Gesamtsituation überfordert ihn, was auch immer. Folglich antwortet er
instinktiv mit einem Argument zu einer völlig anderen Thematik.
Gern wird hierbei eine Thematik ausgewählt, die bis zu diesem
Zeitpunkt überhaupt noch nicht zur Diskussion stand bzw. mit dem
eigentlichen Thema nicht das Geringste zu tun hat. Vermutlich handelt
es sich um eine Antwort, die sich der Vollidiot als eine Art
Musterantwort zurechtgelegt hat, um in einer delikaten oder sich
zuspitzenden Situation blitzschnell schlagfertig kontern zu können.
Hier bitte noch einmal das Ganze anhand unseres gern genommenen
Talkshow-Beispiels, weil es so schön einfach verständlich ist:
RTL, Montag, 14 Uhr, Oli-Geissen-Show, zwei Vollidioten zu Gast,
Thema: Du asoziale Drecksau, mach` endlich Deine zugeschissene
Gammelbude sauber!
Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“
Gast 2 (als Antwort darauf): „Wegen Dir hat der Ulf neun Monate in
Knast gesessen!“
23
Ein äußerst gelungener Einwand unseres zweiten Gastes. Die seitens des
ersten Gastes aufgestellte These, daß sich die Wohnung des zweiten
Gastes allem Anschein nach in einem desaströsen Hygiene-Zustand
befindet, wird seitens des zweiten Gastes komplett ignoriert. Vielmehr
legt es unser zweiter Gast darauf an, blitzschnell zu kontern. Was ihm
auch gelingt. Auf Kosten der Logik, klar, aber alle Beteiligten werden
ihm folgen können (wir sind in einer Talkshow). Denn die eigentliche
Aussage des zweiten Gastes, daß eine gewisse Person namens Ulf
scheinbar durch Verschulden des ersten Gastes eine gewisse Zeit hinter
schwedischen Gardinen verbracht haben soll, muß ja nicht zwangsläufig
falsch sein. Die mangelnde Logik in der Argumentationskette impliziert
nicht automatisch die Falschheit der Aussage.
Wäre unser zweiter Gast jetzt nicht komplett gehirnamputiert, hätte er
auf die seitens des ersten Gastes aufgestellte These antworten können:
„Da hast Du nicht ganz Unrecht. Zuweilen weist meine Behausung in
der Tat einige hygienische Mängel auf. Wenn Du Dich dadurch bei mir
nicht mehr so wohl fühlst wie früher, können wir ja vielleicht
gemeinsam nach einer Lösung suchen, um die vorliegenden Mißstände
zu beseitigen.“
Dies wäre eine mögliche Antwort, die wir dem ersten Vollidioten-Gast
entgegenbringen könnten. Rein hypothetisch natürlich, denn wir sitzen
ja nicht in der hirnverbrannten Talkshow. Zudem sind wir auch keine
Vollidioten.
Versteht sich von selbst, daß Gast 1 mit dieser Antwort komplett
überfordert wäre und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nun von sich aus den Ulf ins Spiel bringen würde:
„Da kann ja auch der Ulf mal um 12 aus dem Bett aufstehen!“
Alles klar?!
24
Grobe Menschen, welche sich beleidigt fühlen, pflegen den Grad der
Beleidigung so hoch als möglich zu nehmen und erzählen die Ursache
mit stark übertreibenden Worten, um nur in dem einmal erweckten Haßund Rachegefühl sich recht ausschwelgen zu können.
(Friedrich Wilhelm Nietzsche)
b) Beleidigen
Zweite Möglichkeit: Es wird mit einer Beleidigung geantwortet.
Effiziente Methode. Schnell und direkt. Zack. Wie aus der Pistole
geschossen. Zwar unerfreulich bzw. in vielen Fällen sogar ärgerlich für
den Gegenüber, aber egal.
Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“
Gast 2 (als Antwort darauf): „Du bist doch selbst die allergrößte
Drecksau wo gibt!“
Im Gegensatz zur ersten Möglichkeit, dem Ignorieren, greift unser
zweiter Gast in diesem Fall zumindest die Thematik des Einwandes des
ersten Gastes auf. Hieraus läßt sich schließen, daß Gast 2 an sich keine
Einwände gegen die Aussage des ersten Gastes hat. Zumindest blockt er
die Aussage des ersten Gastes nicht ad hoc ab, sondern kontert vielmehr
im Gegenzug mit der Verwendung eines Superlativs.
Der Superlativ „allergrößte“ impliziert in diesem Fall, daß sich unser
zweiter Gast zwar darüber im klaren ist, gewisse Hygienemängel in
seinen eigenen vier Wänden vorliegen zu haben. Diese sind seiner
Ansicht nach jedoch nicht so gravierend wie die Hygienemängel in der
Behausung des ersten Gastes. Ein genialer Schachzug! Mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bewußt gebracht, aber trotzdem
schlichtweg genial.
25
Denn unter Vollidioten ist dies die Idealform der Kommunikation.
Beide sind sich instinktiv bewußt, daß sie über geistig streng limitierte
Kapazitäten verfügen, und sind dabei trotzdem in der Lage, sich den
Ball gegenseitig zuzuspielen. Zack, hier, Ball. Denn nun hat sich das
Blatt gewendet, Gast 1 steht in der Pflicht. Er sieht sich jetzt mit der
problematischen Situation konfrontiert, den Einwand, daß er selbst in
einem noch größeren Schweinestall wohne, entweder zu entkräften oder
so anzunehmen. Eines von beiden. Eine Steigerung ist hier nicht mehr
möglich, da Gast 2 in einem selten hellen Moment den Superlativ-Joker
bereits ausgespielt hat.
Vermutlich wird nun Gast 1 die Sachebene verlassen und etwas
antworten, was mit der bisherigen Diskussion eigentlich nicht viel zu
tun hat. Beispielsweise:
„Und die Tatty kriegt auch schon wieder ein Blag von Dein Ulf.“
Womit wir wieder bei Punkt a), dem Ignorieren, angelangt wären.
Allerdings wurde uns mit der Beleidigung eine potentielle
Reaktionsmöglichkeit in der Kommunikation mit einem Vollidioten
aufgezeigt. Allem Anschein nach handelt es sich hierbei um ein sehr
probates Mittel. Der Vollidiot versteht die Beleidigung an sich und ist
nun in einer Art Bringschuld. Und das geht selbstverständlich komplett
in die Hose, was wiederum sehr zu unserer Belustigung beitragen kann.
Merke: In der Kommunikation mit einem Vollidioten stellt eine
Beleidigung -im Idealfall unter Verwendung eines Superlativs- stets ein
geeignetes Mittel dar. Als Antwort, siehe oben, gern aber auch gleich
als Eröffnung der Diskussion.
26
Wenn ich einen Film drehe, dann schrei` ich oder schrei` ich nicht. Und
Du sagst es mir nicht, ob ich schreie oder nicht. Leck` mich doch am
Arsch, Mensch! Der Moment ist überhaupt gekommen, wo ich Dir in die
Fresse haue. Diesmal schlag` ich Dir in die Fresse, darauf kannst Du
Dich verlassen, Du. Diesmal sitz` ich in dem Kostüm in Deiner ScheißKarre in Holland. Diesmal schlag` ich Dich zusammen, Du. Weil du zu
frech wirst.
(Klaus Kinski)
c) Gewalt androhen
Dritte Möglichkeit: Es wird angedeutet, im Ernstfall auch die verbale
Ebene verlassen zu können.
Gast 1: „Bei Dir in die Wohnung ist alles verdreckt!“
Gast 2 (als Antwort darauf): „Ich hau` Dir gleich in Deine Scheißfresse
rein!“
Herrlich! Vollidiot poliert Vollidiot die Fresse!
Womit wir wieder beim Ausgangspunkt (Fresse-Polieren) angekommen
sind. Ein Teufelskreis! Aber wenn Vollidioten unter sich sind, ist nichts
dagegen einzuwenden.
Für uns stellt die Androhung von Gewalt allerdings keine Option dar.
Denn es besteht ja immerhin die Möglichkeit, daß unser Vollidiot das
Angebot, einen in seine „Scheißfresse rein“ zu bekommen, annimmt.
Was uns dann wieder zum Ende von Punkt 3 dieses Kapitels führen
würde, als wir das Fresse-Polieren nach ausführlichem Abwägen von
Pro und Contra leider verwerfen mußten.
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Es erfordert zuweilen mehr Mut, dem Gegner zu entfliehen, als ihn
anzugreifen.
(Heinrich Waggerl)
d) Zwischenergebnis
Demnach bieten sich uns zwei Möglichkeiten im Umgang mit einem
Vollidioten: Prophylaxe ist das vorzuziehende Mittel. Also stets darauf
achten, keinem Vollidioten zu begegnen. Den direkten Kontakt
vermeiden. Notfalls weglaufen. Flüchten. Das ist für alle Beteiligten am
besten, ergibt den größen Sinn. Feige Flucht, ganz feige. Aber immer
noch besser als hirntot. Der sichere Hirntod. Braindead. Flatline.
Auweia. Bloß weg hier, Vollidiot in Sicht, zack, ab.
Wird man jedoch mit einem Vollidioten konfrontiert, empfiehlt es sich,
ihn (oder sie) von der ersten Sekunde an mit primitivstem FäkalVokabular zu bombardieren. Gleich voll durchstarten. Volle Kanne.
Kompromißlos durchbeleidigen. Nicht zögern. Nicht erst abwarten, ob
der / die etwas sagt, kommt eh nichts Gescheites bei raus. Gleich voll
ran an die Buletten, gleich voll die Fäkalschleuder raus und immer volle
Kanne drauf. Zack, drauf, ab dafür.
Okay, Prinzip sollte verstanden sein, gehen wir ein bißl vögeln...
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Ich ficke, Du fickst, er fickt, wir alle ficken, wir müssen ficken, warum
fickt er nicht mit ihr?!
(Marcel Reich-Ranicki)
Fuck forever.
(Pete Doherty)
5. Exkurs: Melvin
Eine krasse Ausnahme dessen bildet mein Kumpel Melvin. Melvin ist
ein absoluter Vollidiot, das steht außer Frage. Aber er trägt das Herz am
rechten Fleck. Man möchte meinen, der Herrgott habe ihn mit einem
großen Herzen und einem kleinen Hirn gesegnet. Oder bestraft. Kommt
ganz auf die Betrachtungsweise an.
Da ich Melvin nun schon etliche Jahre kenne und irgendwo auch ins
Herz geschlossen habe, kann ich ihn unmöglich meiden oder gar
tagtäglich konsequent beleidigen. Das wäre irgendwo nicht fair, zumal
man Melvin ganz ausgezeichnet beobachten und studieren kann, was bei
der Charakterisierung der Figur des Vollidioten von unschätzbarem
Wert ist. Es wäre also nicht gänzlich falsch, zu behaupten, daß ich in
gewisser Art und Weise von Melvin profitiere.
Und von einem Vollidioten zu profitieren, stellt die oben angesprochene
krasse Ausnahme dar. Zumindest, wenn man eine Privatperson ist. Denn
daß die Medien von der Zielgruppe des Vollidioten profitieren, sollte
jedem klar sein. Der Vollidiot als denkbar dankbarer Konsument jedes
erdenklichen telemedialen Schwachsinns. Etlichen Medien würde ohne
29
die Zielgruppe der Vollidioten sogar jedwede Existenz entzogen, so viel
ist mal sicher. Sie gingen sang- und klanglos unter, wie die Titanic.
Dieser Thematik werden wir uns später noch sehr detailliert widmen
müssen, ob uns das gefällt oder nicht. Aber erstmal wollen wir hier mit
Melvin weitermachen, das kommt schon krass genug.
Melvin ist Anfang 30. Er hat keinen Schulabschluß, hat nichts gelernt
und auch das Arbeiten nicht gerade erfunden. Hier und da mal ein
Gelegenheitsjob oder ein wenig Schwarzarbeit, um seine HartzIVBezüge aufzustocken. Chronischer Geldmangel ist angesagt, tote Hose
in der Brieftasche, und er ist andauernd krank oder depressiv.
Deswegen entschloß sich Melvin in einem besonders seltenen und
hellen Moment, daß es doch sehr sinnvoll sein könnte, seine Freundin
Daniela zu schwängern. Immerhin kannte er sie zu dem Zeitpunkt schon
zwei Monate. Und wenn unsere Vollidioten eines können, dann ist das
knattern und Kinder kriegen. Darin sind sie unschlagbar. Königinnen
der Empfängnis. Könige des Ejakulates! Fick & Foxy. Wahnwitzige
Bumsgranaten, die komplett die Kontrolle über ihre Genitalien verloren
haben. Wenn irgendwo irgendwie irgendwas reinpaßt, dann rein damit!
Zack, ab, rein. Heiliger Bimbam! Kein Wunder, daß bei der ganzen
Bumserei keine Zeit und Energie mehr für Arbeit übrig bleibt.
Melvin rammelte und rammelte und rammelte seine Daniela, aber nichts
passierte. Unerwarteterweise blieb der gewünschte Kindersegen trotz
aller Rammelei aus. Ein hieraus resultierender Arztbesuch ergab
nämlich, daß unser Melvin nur mit Platzpatronen schießt, wenn Ihr wißt,
was ich meine. Tja, und dann war auch die Beziehung plötzlich im
Arsch. Melvin zog aus, zurück in seine geile HartzIV-WG. Und Daniela
hatte ruckzuck einen neuen Blitzficker am Start und war keinen Monat
später schwanger. Herzlichen Glückwunsch.
Ich sehe jetzt schon Daniela mit Melvin und dem anderen Kasper bei
Vera am Nachmittag. Vaterschaftstest! Halleluja! Scheiß auf das
Ergebnis, Hauptsache, hinterher geht wieder die Post ab. Wer mit wem
ist völlig egal, alles Glücksspiel, wie beim Roulette. Oder zu dritt. Fick,
Fick und Fack. Hauptsache, die Lenden zucken und der Lattenrost
knarrt! Alles andere ist sekundär, alles andere ist völlig egal.
30
Wie auch immer, Melvin ist jetzt erstmal bei Mandy eingezogen.
Mandy ist -im Gegensatz zu den anderen Protagonisten hier- keine
Vollidiotin. Wobei sich das durch den Einzug Melvins bei ihr schnell
ändern dürfte. Nein, Mandy ist eine ganz normale Idiotin.
Geschlechtsverkehr steht für sie zwar auch ganz oben auf der Liste,
jedoch neben anderen Dingen. Mandy geht ihrer -zugegeben recht
einfach gestalteten- Arbeit nach, zahlt ihre Rechnungen pünktlich und
ist mit ihren 25 Jahren noch nicht glückliche Mutter eines oder mehrerer
Kinder. Wobei sich auch das durch den Einzug Melvins bei ihr schnell
ändern dürfte, herzlichen Glückwunsch im voraus.
Melvin läßt sich jetzt also erst einmal schön aushalten von Mandy.
Vielleicht steuert er 20 oder 30 Euro zum wöchentlichen
Haushaltsbudget bei. Ist aber eher unwahrscheinlich, denn sein Geld
weiß unser Melvin besser anzulegen.
Wenn Mandy also morgens gegen 7 Uhr die Wohnung verläßt, um zur
Arbeit zu gehen, dreht sich unser Melvin noch einmal seelenruhig im
Bettchen um, wohlwissend, noch mindestens sechs Stunden Schlaf vor
sich zu haben. Gegen 13 oder 14 Uhr ist dann aufstehen angesagt, und
nach ein bißchen Internet-Surfen und Cannabis-Rauchen kommt die
Playstation zum Einsatz, die natürlich in allen drei Versionen zur
Verfügung steht.
Vielleicht trinkt Melvin auch zunächst erst einmal ein, zwei Bier, um
dann bei der grazilen Nachbarin zu klingeln und diese durch
einstweilige Penetration von der Verfolgung einer spannenden TVGerichtssendung abzuhalten. Penetration unter den wachsamen Augen
von Staatsanwalt Römer, wie geil. Kann alles passieren, Melvin ist da
flexibel. Schön erstmal rüber über den lustigen Zweitonner von
nebenan, alles andere kann warten. Wenn Mandy viel Pech hat, fickt
unser Melvin das nette Monster von nebenan sogar in ihrer Bude,
wahrscheinlich sogar in ihrem Bett. Äußerst delikat, das Ganze.
Wenn Melvin so weiterfickt, wird er spätestens mit Mitte 30 ins
Sabbatical müssen. Schön sechs Monate Camping in der Antarktis,
schön die Klöten im Polarmeer kühlen. Zack, rein da, schön Klöten rein
ins Polarmeer. Ahh! Herrlich.
31
Um Melvin von seiner Vögelei abzuhalten, müßte man ihm einen
Keuschheitsgürtel anlegen, so ein Ding aus dem Mittelalter. Aber
Pustekuchen, den würde unser Melvin mit seiner genialen Genitalkraft
aufsprengen. Zack! Bamm! Oder wenn man ihn stattdessen einsperren
würde, beispielsweise in einen Stahlkäfig, dann würde er die Stahlstäbe
durch Penetration aufbiegen. Wie Supermann. Nur mit dem Pimmel.
Boing. Quasi als Pimmelmann. Alles andere ist labil, nur der Riemen
hat Zauberkräfte.
Kein Medikament, beispielsweise eine Art Anti-Viagra, kann seinen
Geschlechtstrieb stoppen. Das macht ihn nur noch geiler. Man müßte
ihm mit einem Hammer auf den Penis schlagen. Aber dann würde dieser
nur noch stärker anschwellen. Man müßte ihm also den Penis
abschneiden. Und selbst dann würde dieser noch zucken und zucken
und zucken. Es ist zum Verzweifeln, man kriegt das verdammte Ding
einfach nicht kaputt. Wie bei Jason aus Freitag der 13. oder Freddy
Krueger. Unkaputtbar, nichts geht. Stehen immer wieder auf.
Man müßte also Melvin den Penis abschneiden, diesen dann in einem
Mixer pürieren, die pürierte Masse lufttrocknen und dann gesiebt ins
offene Meer streuen. Aber dann wären Flipper & Friends auf
Dauerlatte. Unfaßbar, wie krass das Zeug ist. Unfaßbar krasses Zeug.
Vielleicht sollten wir das krasse Zeug dann doch lieber zusammen mit
Backpulver im Ofen aufbacken und dann rauchen. Eine Spitzenidee.
Das gibt den absoluten Kick, das bringt den Flash der Woche. Den
Royal-Flash sozusagen.
Schmeckt aber beschissen, bah, kann ich aus Erfahrung sagen. Also
lieber ganz weg mit dem Zeug, schießen wir die Pimmelmasse in einer
Kapsel zum Mond. Das ist die Lösung. Zack, ab auf den Mond. Guter
Mond, Du stehst! Bekommt gleich eine ganz andere Bedeutung. Der
geht dann überhaupt nicht mehr unter. Nur noch auf und auf und auf.
Wahrscheinlich dreht sich dann irgendwann die Sonne um ihn. Nein,
das ist jetzt doch ein wenig weit hergeholt.
32
Ich grüße meinen Vater, meine Mutter und ganz besonders meine
Eltern.
(Toni Polster)
6. Gesellschaftliche Bedeutung des Vollidioten
Irgendetwas müssen wir also tun. Irgendwas. Denn wenn wir Melvin
und seinen kongenialen Zeitgenossen nicht den Penis abschneiden,
passiert folgendes Fiasko: Sie vermehren sich explosionsartig und
unaufhaltsam. Sie setzen überproportional viele Kinder in die Welt. Ihre
Geburtenrate -bzw. die ihrer überaus cleveren Weibchen- verhält sich
umgekehrt proportional zu ihrer geistigen Kapazität.
Während der normale, in Kapitel 1 beschriebene Idiot noch Herr über
seine Genitalien ist und sich auch damit auseinandersetzt, wie viele
Kinder er überhaupt unterhalten bzw. finanzieren kann (in der Regel ein
bis zwei), spielt diese Thematik für unseren Vollidioten überhaupt keine
Rolle. Da wird munter drauflos gepoppt, scheißegal, was, wie, wann
und von wem dabei rauskommt. Poppen, poppen, poppen, alles andere
ist völlig sekundär. Insoweit wird man keinen repräsentativen
Vollidioten-Haushalt mit weniger als drei Kindern finden können.
Wahrscheinlicher sind vier, eher noch fünf mittelprächtige Blagen.
Bei Melvin wird das ungefähr so ablaufen: Erst eines mit Mandy, dann
völlig unerwartet eines von / mit der lustigen Tonne von nebenan, dann
wieder eines von Mandy, und irgendwann erfährt er via TV, daß eines
der mittlerweile fünf Bälger seiner Ex Daniela nun doch von ihm ist.
Vielleicht aus der vergangenen Beziehung, vielleicht hat man sich auch
später noch einmal zufällig getroffen, und dabei ist es passiert. Ist alles
möglich, alles denkbar, geht ja schnell. Ich schätze Melvin später mal so
bei insgesamt sechs Kindern, mit drei bis vier dazugehörigen
glücklichen Müttern.
33
Ist doch phantastisch, möchte man spontan aufschreien. Viele kleine
Krümelmonster, die später mal meine Rente zahlen werden.
Pustekuchen! Bullshit! Demjenigen, der das glaubt, muß man sofort den
Kopf aufschneiden und fünf Fischerman`s Friend reinstecken. Damit er
klarkommt. Denn daß von Melvins Kreaturen später einmal auch nur
eine einzige einen einzigen Cent zu meiner Rente beiträgt, ist so
wahrscheinlich, also würde ich mich auf meine Schüssel setzen,
ordentlich einen abseilen, hinterher den Kopf in die Schüssel stecken
und dort statt Scheiße Gold finden.
Es dürfte ja wohl jedem Einfaltspinsel klar sein, daß ich der
Rasselbande für die nächsten 40 Jahre die Stütze zahle. Ohne Wenn und
Aber. Kompromißlos durchgezahlt, zack. Der Apfel fällt nicht weit vom
Stamm, so sieht es dann doch mal aus. Und dafür kann ich denen nicht
einmal die Fresse polieren, siehe Punkt 3 dieses Kapitels. Unfaßbar
haarsträubend, man möchte am liebsten aufstampfen. Eine
Hochrechnung, wie unsere Gesellschaft in 50 oder 60 Jahren aussieht,
erspare ich uns lieber. Denn daß bei der Paarung eines Vollidioten mit
einer Vollidiotin kein Genie hervorkommt, sollte dann auch mal klar
sein. Minus und Minus ergibt Plus. Aber leider nur in der Mathematik,
in der Physik. Nicht im realen Leben. Hier wird leider nicht aus dumm
und dumm schlau. Eher nicht. Eher genauso dumm, schlimmstenfalls
noch dümmer.
Ist ja auch logisch, wir können der Evolution kein Schnippchen
schlagen. Wenn Melvin (mit einem geschätzten IQ von 50) seine Mandy
oder Daniela oder wen oder was auch immer (auch mit einem IQ von
50) schwängert, warum sollte dann daraus was mit mehr Grips in der
Birne entstehen?! Die IQs addieren sich ja nicht auf, schön wär`s. Also
50 plus 50 macht 100. Oder besser noch multipliziert. 50 mal 50 macht
2.500! Dann hätten Melvin und Geschlechtspartnerin quasi The Brain
schlechthin gezeugt. Haut aber nicht hin, und vielleicht ist das aber auch
besser so.
Wie auch immer, trotzdem habe ich Melvin gern. Soll er sich um Kopf
und Kragen poppen, ich kann und will es nicht ändern. Soll er die ganze
Welt mit seinem Gen-Müll überschwemmen, mir scheißegal, ich kann
es nicht ändern.
34
Der mündige Bürger soll selbstverständlich selbst entscheiden, welche
Fernsehsendungen er ein- oder ausschaltet, aber man soll ihm diese
Entscheidung erleichtern, indem man einige Sendungen nicht herstellt,
die er dann abschalten könnte.
(Dieter Hildebrandt)
Normales Fernseh` brauch` kei` Sau, mer habbe ASO-TV.
(Badesalz)
7. Telemediale Bedeutung des Vollidioten
Daneben hat Melvin aber auch eine positive Funktion. Zwar passiv, aber
durchaus positiv. Denn ohne die Zielgruppe der Melvins gäbe es diverse
sinnvolle, überwiegend telemediale Phänomene nicht. RTL2!!! möchte
man spontan aufschreien, sich nackt ausziehen und dann -sich selbst mit
einer Peitsche geißelnd- durch den Stadtpark rennen. Aber so einfach ist
es leider nicht. Man kann nicht einen einzelnen Sender an sich als AsoTV schlechthin ausmachen. Vielmehr sind es die verschiedenen
Formate aller privatisierten Sender. RTL2 an sich ist nicht Scheiße. Nur
die meisten Formate, die dort laufen, sind es.
Als Flaggschiff ist ganz klar der Asi-Container anzuführen. Eine Anzahl
grenzdebiler Vollidioten wird über einen gewissen Zeitraum eingesperrt
und widmet sich überaus anspruchsvollen Zeitvertreiben wie Scheiße
labern und vögeln. Das Ganze wird von diversen Kameras
aufgezeichnet und dann direkt auf den 128er Plasma im VollidiotenHaushalt projiziert. Der aufmerksame Zuschauer darf von Zeit zu Zeit
eine der Hackfressen aus dem Bumscontainer rauswählen, und der letzte
35
Verbleibende bekommt dann 200.000 Euro oder sowas. Und liegt dann
für ca. 18 Monate mal nicht Vater Staat auf der Tasche, ganz toll.
Versorgt sich mit dem Gewinn also selbst für eine gewisse Zeit mit
Alkohol, Tabak, Marihuana und Pornographie. Vielleicht probiert er
auch etwas ganz Neues aus. Filterzigaretten statt Selbstgedrehte. Oder
Kokain anstelle von oder kombiniert mit Marihuana. Man stellt ja jetzt
jemanden dar, feine Herrschaften. Vielleicht kann man sogar einige
Wochen Gastmoderator bei 9Live werden oder einen Porno drehen.
Kann alles sein, ist alles möglich.
Wesentlich günstiger kommt man beim Frauentausch weg:
Schätzungsweise 3.000 Euro bekommt unser Vollidiot dafür, daß er
seine Zweieinhalb-Zentner-Grazie für eine gewisse Zeit gegen die
verschrumpelte Hardcore-Friseuse mit den hübschen bunten PlastikFingernägeln und polnischen Hairextensions des anderen Vollidioten
eintauscht. Oder gegen eine ganz bezaubernde 26-jährige 8-fach- Mutter
aus Chemnitz. Kann auch sein, ist alles möglich im Aso-TV.
Es sind also nicht die Sender, sondern deren Formate. Generell läßt sich
wie folgt differenzieren: Die ganzen Eigenformate und
Eigenproduktionen der Sender sind absolute Gehirnrotze. Voll zum
Kotzen. Bei allen Privatsendern. Ohne Ausnahme. Als hätte das Gehirn
Dünnschiß und wüßte sich nicht anders zu helfen, als die ganze Kacke
auf den TV-Schirm zu ballern. Grundgütiger, was für ein geistiger
Dünnschiß. Cerebral-Diarrhoe, der Verstand wendet sich mit Grausen
ab! Richter Salesch und Konsorten. Angelika Kallwass! Ingo Lenßen.
U20 Asi-Teenies. Jamba-TV (früher Viva). Katharina Saalfrank und die
stille Ecke. We Are Family! Das Grausen kennt kein Ende!
Peter Zwegat, Raus aus den Schulden. Hier mal die Beschreibung einer
Folge (O-Ton TV Digital): „Christian (25) und Nadine (24) leben schon
seit Jahren über ihre Verhältnisse. Die arbeitslosen Eltern eines Kindes
sind HartzIV-Empfänger, wollen aber auf nichts verzichten. Kann Peter
Zwegat die beiden zur Vernunft bringen?“ Nein, nein, kann er natürlich
nicht! Und soll er auch nicht. Er soll sie lieber zur Fickerei animieren,
um Himmels Willen! Mit 24 bzw. 25 Jahren erst ein Kind, wo soll das
denn enden?!
36
Also Pille absetzen. Falls überhaupt eingenommen. Denn die meisten
Vollidioten nutzen weitsichtigerweise den Coitus Interruptus zur
Verhütung. Also kurz vorher rausziehen. Eine sehr sinnvolle Methode,
eine der sichersten Verhütungsmethoden überhaupt.
Wie auch immer, für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Vollidiotin
die Pille einnimmt, kann sie diese jetzt absetzen. Für die gesparten 20
oder 30 Euro monatlich kann man sich Premiere ziehen, falls man
keinen geknackten Decoder hat. Und gleich Blue Movie freischalten
lassen, das lenkt die Gedanken vom Elend im eigenen Bett ab. Dann
können die Lenden wieder schön zucken, zack-zack. Das alte ReinRaus-Spielchen, rund um die Uhr, den ganzen Tag. Wenn die beiden 29
und 30 sind und acht Kinder haben, dann, ja dann kann Zwegat nochmal
anklingeln. Bis dahin soll er sich um andere Pflegefälle kümmern. Oder
ein bißchen Gras rauchen, vielleicht zusammen mit Jugendcoach Oliver
Lück. Oder mit einem der besonders cleveren Vorzeige-Sonderschüler
von Die Superlehrer, mir scheißegal.
Oder hier, die dürre Tante mit der stillen Ecke (auch O-Ton TV Digital):
„Marianne hat vier Kinder von zwei Männern, zu den Vätern von Kris
(10), Justine (9), Alizee (6) und Felix (1) aber kaum Kontakt. Die 31jährige lebt von HartzIV, ist verschuldet und oft schlecht drauf. Auch
die Gören zoffen sich permanent. Die Familie braucht eindeutig mehr
Ruhe und Routine im Alltag. Katharina Saalfrank versucht, Einfluß zu
nehmen.“
Ja herrlich, ganz wunderbar, bitte nimm Einfluß, liebe Katharina, bitte
nimm Einfluß. Sonst bekomme ich nämlich bald Ausfluß, dicklichhellroten Ausfluß. Und zwar aus den Ohren, denn mein Bregen wird
auslaufen, und ich werde sterben müssen. Flatline, Braindead, Hirntod.
Aus, Schluß, vorbei. Was für ein Wahnsinn, was für ein Bullshit. Was
für eine gequirlt-gekräuselte Affenkacke!
Und dann geht die Saalfrank hin in die Asi-Bude und läßt die fünf
Gehirnamputierten irgendwelche bekloppten Schilder malen und auf
eine Pinnwand tackern. Na phantastisch, genau das hat denen gefehlt.
Also wenn die irgendwas brauchen, dann das. Das wird helfen, das wird
die Probleme lösen, wunderbar, Glückwunsch. Vielleicht sollte man hier
37
mal präventiv und etwas eher ansetzen. Damit es erst gar nicht so weit
kommt, daß uns die fünf Pflegefälle ein Leben lang auf der Tasche
liegen und dabei trotzdem noch unglücklich und mit ihrem verkorksten
Leben völlig überfordert sind. Ganz offensichtlich hat da doch keiner
der Beteiligten was von. Die nicht, ich nicht, keiner. Aber nee, das wäre
ja zu einfach. Außerdem hätten wir dann gar keinen Stoff mehr für
unser geliebtes Aso-TV, und das wäre ja wohl für viele Vollidioten der
absolute Super-GAU.
Also lieber alle völlig plan- und hirnlos querbeet rumvögeln lassen, und
hinterher, wenn eh alles am Arsch ist, Saalfrank, Zwegat, Lück und
Konsorten hinschicken. Und die ganze Kacke aufzeichnen, damit andere
Voll-Asis wieder was in der Glotze zu sehen haben. Hammerharter
Tobak, extremst krass. Man könnte laut auflachen, wenn das alles nicht
so traurig wäre. Hammerharter Tobak.
Und dann dieser ganze Boulevard-Bullshit. Überflüssig wie ein Kropf,
leck` mich einer am Arsch, aber echt jetzt. Völlig sinn- und
bedeutungslos, völlig nutzlose Informationen, komplett beknackt.
Komplett bescheuerte, banalstmögliche und besonders hirnfreie
Thematiken von und mit eben solchen Protagonisten und
Protagonistinnen. Kein Anspruch an nichts, an gar nichts, an absolut
und überhaupt rein gar nichts.
Frauke Ludowig, Sybille Weischenberg, Annemarie Warnkross,
Constanze Rick und wie sie nicht alle heißen. Verkäuferinnen des
telemedialen Dünnpfiffs, Banalitäten-Dealerinnen, Ausgeburten der
Boulevard-Hölle. Heiliger Bimbam, Grundgütiger! Nicht mit
Weihwasser, Knoblauch oder Sonnenlicht beizukommen. Bei denen
hilft nur hoffen und beten. Und natürlich bei Vollmond den Besen gut
wegschließen. Sonst fliegen sie darauf weg. Zack, weg, ab. Auf zur
Walpurgisnacht. Oder zu irgendeinem anderen beschissen-banalen CPromi-Event. Zisch und weg. Echt gruselig.
Exclusiv, taff, Prominent, red und wie sie nicht alle heißen. Was für
eine banale Affenkacke, da stehen mir doch echt die Haare zu Berge.
Mal abgesehen vom beschissenen Inhalt, wird Exclusiv genialerweise
gleich mal falsch geschrieben. Im Deutschen wäre es mit k, also
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Exklusiv. Womöglich will man hier den unbedarften RTL-Zuschauer
ans Englische heranführen? Nein, dann hätte man ein e am Ende
ergänzen müssen, also Exclusive. Französisch fällt auch flach, hier wäre
es Exclusif, also mit f am Ende. Was ist denn bloß los hier?
Legasthenie? Unglaublich, ungeheuerlich. Legasthenie im Aso-TV, das
paßt ja irgendwie überhaupt nicht zusammen, abfeier. Oder will sich
RTL hier etwa insgeheim über sein hauseigenes, extrem cleveres
Stamm-Publikum belustigen?! Denkbar wäre es. Interessiert aber auch
nicht wirklich. Keine Ahnung, wer da wem und warum in den Kopf
kacken will.
Man kann diese ganze Boulevard-Gülle nur den ganz abgewichsten
Hardlinern unter den Vollidioten empfehlen. Mit einer für normale
Menschen absolut nicht mehr nachvollziehbaren Detailverliebtheit wird
ausgeschmückt, wie irgendein toller F-Promi auf irgendeiner tollen DPromi-Party irgendwas total Spannendes tut oder läßt. Also
beispielsweise zeigt, was er / sie in der Handtasche hat. Nein, wie
interessant, endlich wissen wir das auch. Oder wenn Blöd-Bumse Paris
Hilton gerade etwas total Nobelpreisverdächtiges über ein total
wichtiges Thema faselt, beispielsweise, wie anstrengend doch Shopping
in New York sein kann. Wow, wie aufregend, kaum zu glauben. Oder
wen oder was Boris Becker gerade vögelt. Oder, oder, oder. Als iTüpfelchen noch mit einer selten dämlichen Grimasse von VorzeigeFratzenzieherin Heidi Klum garniert, fertig ist die Soße. Die banale
Boulevard-Soße, die fiese Soße für`s Gehirn, bah.
Okay, Schnauze voll, Prinzip sollte verstanden sein. Wir verdanken
unseren Melvins also viele geniale TV-Formate, welchen wir uns später
noch konkreter widmen werden. Für die Veranschaulichung der
gesellschaftlichen und telemedialen Bedeutung unseres Vollidioten
reicht dies zunächst.
Ich kann nicht mehr. Und ich will aber auch nicht mehr.
39
Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche
Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.
(Albert Einstein)
8. Ergebnis
Wir kommen also zu folgendem Ergebnis:
15 bis 20 Prozent unserer Gesellschaft sind Vollidioten, also krass
beknackte Schwachsinnige und Pansen ohne jedwede Einsicht in
irgendetwas. Diese schwachsinnigen Pansen sollte man unbedingt
meiden. Ist der Kontakt mit ihnen unvermeidbar, nützt es nichts, ihnen
die Fresse zu polieren. Auch der Versuch einer Kommunikation schlägt
fehl. Stattdessen ist es zwingend notwendig, sie ex tunc konsequent mit
primitivstem Fäkal-Vokabular zu bombardieren. Das wissen sie zu
schätzen, und das wird auch gern gesehen.
Unser Vollidiot stürzt sich auf eine Möse wie ein Penner auf eine Pulle
Fusel und überschwemmt infolgedessen die ganze Welt mit den
stumpfsinnigen Früchten seiner Lenden. Glückwunsch und besten Dank
dafür! Zu unserer Gesellschaft selbst trägt der Vollidiot samt seiner
Höllenbrut außer Aso-TV nichts bei. Nicht das Geringste. Er will nicht,
und er kann wohl auch nicht, und vielleicht ist das aber auch besser so.
Mir persönlich ist das scheißegal.
40
Unter Jungen und männlichen Jugendlichen ist es im übrigen
inzwischen verbreitet, das Wort „Opfer“ auch als Schimpfwort zu
gebrauchen, und es gibt Schulen, die unter anderem als „Opferschulen“
bezeichnet werden. Der Begriff „Opfer“ löst offenbar nicht mehr
selbstverständlich Empfindungen aus, die von Empathie gekennzeichnet
sind, sondern er wird benutzt, um sich der eigenen Identität zu
versichern und alles abzuwehren, was mit dem Opfersein verbunden
wird.
(Stephan Voß)
III. Das Opfer
Nunmehr haben wir zwei unserer insgesamt vier Hauptcharaktere
kennengelernt: Den Idioten und den Vollidioten. Tabellarisch
strukturiert sieht das Ganze so aus:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
Hierzu addiert sich nun das Opfer, unsere dritte Figur. Gemäß
Definition im Duden versteht man unter einem Opfer etwas, das man
hergibt oder auf das man verzichtet, obwohl es sehr schwerfällt. Dies
trifft es in unserem Fall nur zur Hälfte: Wir müssen nämlich äußerst
trennscharf zwischen Eigenopfern und Fremdopfern differenzieren.
Obenstehende Beschreibung aus dem Duden definiert in unserem Fall
das Fremdopfer. Widmen wir uns zunächst also diesem.
41
Das ist so, als wenn Dir einer ein Messer in den Bauch rammt, und Du
mußt noch dabei lächeln.
(Christoph Daum)
1. Das Fremdopfer
(auch passives Opfer oder tatsächliches Opfer)
a) Definition
Unter einem Fremdopfer versteht man ein tatsächliches Opfer im Sinne
der klassischen Definition. Also eine Person, die schweren Herzens
etwas hergeben oder auf etwas verzichten muß, obwohl sie es eigentlich
nicht möchte.
aa) Angst
Das Hergeben bzw. der Verzicht erfolgt hierbei nicht aus freien
Stücken, wie es beispielsweise bei einer Geldspende der Fall sein kann.
Im Falle einer Spende gibt der Spender freiwillig, ungezwungen und aus
edlen, tugendhaften Gründen. Zumindest sollte das so sein. Das
Fremdopfer dagegen gibt bzw. verzichtet passiv. Hierbei sind zwei
Varianten denkbar:
Das Fremdopfer wird tatsächlich zur Hergabe oder zum Verzicht
gezwungen, also durch das Einwirken dritter Personen. Dies kann auf
vielfältige Art und Weise geschehen, fast alles ist vorstellbar. So kann
beispielsweise eine Mutter das Kind zwingen, den Teller aufzuessen.
Weil es sonst Dresche mit dem Nudelholz bekommt. Oder eines der vier
Handys eingezogen wird. Beispielsweise könnte auch ein
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Abfallentsorgungsbetrieb einen Kunden dazu zwingen, seinen Hausmüll
vorbildlicher zu trennen. Indem einfach die gelben Säcke nicht mehr
mitgenommen werden. Und zwar so lange, bis sie keine alten Batterien,
benutzte Tampons oder tote Katzen mehr enthalten. Unser Kunde wäre
in diesem Fall Fremdopfer, da er durch Dritte (hier die Müllabfuhr)
dazu gezwungen wird, etwas herzugeben (vernünftig sortierte gelbe
Säcke) bzw. auf etwas zu verzichten (tote Katzen in gelbe Säcke zu
stecken). Ein klassisches Fremdopfer.
Die zweite denkbare Variante ist, daß unser Fremdopfer scheinbar
freiwillig etwas hergibt oder auf etwas verzichtet, etwas unterläßt. Weil
es befürchtet, daß es ansonsten eine negative Konsequenz erwarten
muß. Es wird also aus Angst gehandelt, man läßt es besser erst gar nicht
so weit kommen wie in der ersten Alternative beschrieben. Das Kind ißt
von vornherein den Teller leer. Weil es weiß, daß der Arsch sonst
Kirmes hat oder ein Handy weg ist. Oder der Kunde unterläßt es von
Anfang an, Schweinskram in den gelben Sack zu stecken. Weil er weiß,
daß die Sauerei sonst nicht mitgenommen wird und ihm dann noch
weitere vier Wochen die Bude vollstinkt. Das ist die zweite denkbare
Variante.
In beiden Varianten wird also durch Dritte Zwang auf unser Fremdopfer
ausgeübt, daher auch die Bezeichnung Fremdopfer. Der Verzicht ist in
beiden Fällen passiver Natur. Im ersten Fall weiß das Fremdopfer, was
es erwartet, im zweiten Fall malt es sich aus, was es erwarten könnte.
Motiv für den Verzicht ist demnach in beiden Fällen Angst. Unser
Fremdopfer muß also ausgesprochen subtil agieren.
43
Philosophen verderben die Sprache, Poeten die Logik, und mit dem
Menschenverstand kommt man durchs Leben nicht mehr.
(Friedrich von Schiller)
bb) Logik
Neben Angst kann es weitere, andere Motive geben. Logik
beispielsweise. Also wenn ich weiß, daß in einer Ortschaft ein fest
installiertes Blitzgerät steht. Dann fahre ich dort natürlich nicht
schneller als 50 km/h. Aus Angst vor einer negativen Konsequenz, also
einer Geldbuße oder schlimmstenfalls sogar einem Fahrverbot, je nach
Geschwindigkeit. Denkbar wäre auch, daß ich mit 140 km/h durch den
Blitzer ballere. Aus Versehen, mit Absicht, völlig egal. Und nachts dann
mit dem Fahrrad erneut dorthin fahre, den Blitzer hochklettere, ihn mit
einem Metallbohrer aufbohre, mit Shell V-Power (100 Oktan) befülle
und dann anzünde.
Ganz klassisches Fremdopfermuster. Das Wissen, daß ich dabei
photographiert wurde, wie ich recht sportlich mit einem
Geschwindigkeitsüberschuß von ca. 90 km/h durch die Ortschaft
gefahren bin, zwingt mich dazu, nachts den Blitzer abzufackeln. Ganz
typisches Fremdopfer. Ganz radikales Zwangverhalten. Ansonsten hätte
ein saftiges Bußgeld plus drei Monate Fahrverbot gedroht. Sozusagen
die einzig logische und zwingend erforderliche Vorgehensweise zur
Vermeidung der negativen Folge.
Für den Fall, daß das Ganze in die Hose geht, beispielsweise weil uns
die Polizei beim Zündeln erwischt und infolgedessen vom Radargerät
runterschießt, sollte man bereits im Vorfeld eine schlüssige Strategie
und Argumentationskette vorbereitet haben. Unter Umständen werden
wir uns dann nämlich vor Gericht wegen des abgefackelten Blitzers
verantworten müssen. Also besser auf alles vorbereitet sein.
44
Vor Gericht sollten wir uns dann zunächst ganz frech und flapsig auf
den § 32 StGB (Notwehr) berufen:
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist,
handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um
einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder
einem anderen abzuwenden.
Als Hobbyjurist vermute ich allerdings, daß wir hier Probleme mit dem
Nachweis eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs hätten. Nicht,
daß es uns nicht gelingen könnte, eine Radarkontrolle als rechtswidrig
feststellen zu lassen. Das sollte klappen. Allerdings wäre hierfür ein
Fachanwalt vonnöten. Und zwar ein ganz gewitzter. Ein ganz
abgebrühter Winkeladvokat, ein schlitzohriges kleines Kerlchen
ominöser Herkunft, ein mieser, gemeiner und selten ausgebuffter
Rechtsverdreher. Ein Hans Meiser des Verkehrsrechts sozusagen
Völlig überflüssig, zu erwähnen, daß wir so einen Anwalt nicht finden
werden. Vielleicht bei Salesch, Hold und Konsorten, wenn wir unserem
Nachbarn im Schlaf den Penis abgeschnitten hätten. Oder einen GEZFahnder mit einem Staubsauger verprügelt hätten. Dann vielleicht. Aber
nicht in solch einem brisanten Fall wie dem unseren. Davon ab würde es
viel zu lange dauern, bis wir uns durch die ganzen Instanzen geklagt
hätten. Denn Recht haben und Recht bekommen sind zwei paar Schuhe.
Wir müßten klagen und klagen und nochmals klagen, eine aberwitzige
Klagerei wäre das. Zudem eine enorme finanzielle, zeitliche und vor
allen Dingen psychische Belastung, ganz klar. Stets auch in der Angst
lebend, man könnte eines Tages als Exzentriker bezeichnet werden. Sehr
unerfreulich, sehr ernüchternd.
Nein, das wäre es nicht wert. Dann doch lieber ex tunc ganz penibel
darauf achten, beim Anzünden des Radarkontrollgerätes erst gar nicht
erwischt zu werden. Oder besser gleich einen guten Bekannten, dem
man vielleicht auch schon einmal aus der Patsche geholfen hat, zu der
Tat überreden bzw. anstiften. Eine kleine Gefälligkeit, ein kleiner
Freundschaftsdienst. Eine Hand wäscht die andere, man kennt sich ja.
45
Sollte das alles nicht klappen, und wir werden doch bei unserer
nächtlichen Zündelei erwischt, könnten wir uns vielleicht auf § 20 StGB
(Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen) berufen:
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer
krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden
Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer
schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das
Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu
handeln.
Was für ein Fest, meine Herren! Abfeier! Allein beim Verlesen des
Textes läge man quer unter der Anklagebank. Tiefgreifende
Bewußtseinsstörung. Schwachsinn. Andere seelische Abartigkeit. Leck`
mich am Arsch, seit wann sind denn Gesetzestexte so lustig?! Total
abgefahren, man wird doch wohl nicht ernsthaft von uns erwarten
können, beim Verlesen eines solch hanebüchenen Kokolores nicht in
Lachkrämpfe ausbrechen zu müssen?! Unfaßbar amüsant, geradezu
höchstrichterlich amüsant. Also wir werden uns auf gar keinen Fall auf
§ 20 berufen können. Völlig ausgeschlossen. Der ganze Gerichtssaal
würde frohlocken und sich halb bis voll totlachen.
§ 20 wäre also eine Mordsgaudi, hilft uns aber auch nicht wirklich
weiter. Mist. Bockmist. Was kann uns jetzt noch retten? Wie können
wir unseren Arsch noch aus der Schlinge ziehen? Wonach kann man
noch suchen? Wir müssen uns nun ganz unverblümt folgende Frage
stellen: Was ist stets eine sinnvolle Lösung in verzwickten Situationen
und Lebenslagen? Wenn man kurz davorsteht, auszurasten, alles
hinzuschmeißen und vielleicht sogar aufzustampfen? Wenn einem alles
bis hier oben steht? Richtig, § 323a StGB (Vollrausch):
(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische
Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch
versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine
rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden
kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil
dies nicht auszuschließen ist.
46
Hurra, der gute, alte Vollrausch. Auf den ist immer Verlaß, der läßt
einen nie hängen, phantastisch. Nervennahrung, Wunderwaffe,
Allheilmittel. Medizin! Wir werden also an dieser Stelle glaubhaft
machen müssen, daß wir zu besoffen waren, um mitzukriegen, was wir
da überhaupt getan haben. Wir waren so sternhagelvoll, daß wir uns
sowieso an nichts mehr erinnern können. Es ist uns von vornherein
schon entgangen, daß wir überhaupt durch diese ominöse Ortschaft
gefahren sind und dort geblitzt wurden. Weil wir schon vormittags voll
einen im Arsch hatten. Bis zur Unterkante aufgetankt. Und überhaupt
haben wir das Gefühl, daß man uns da was anhängen will.
So plausibel diese Argumentation auf den ersten Blick erscheint, so
schnell fällt das ganze Kartenhaus leider auch schon wieder in sich
zusammen. Nicht, daß Alkohol keine Lösung wäre. Nein, Alkohol ist
immer eine sehr sinnvolle Lösung. Nur bekommen wir in unserem Fall
trotzdem ordentlich aufgebrummt. Und das nicht zu knapp.
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Wahnsinn! Fünf Jahre! Das darf man
sich jetzt gar nicht vorstellen, wie lange das ist. Schlagartig ist alles
Vertrauen in Justitia dahin. Was muß man denn da gemacht haben? Mit
2,6 Promille eine Atombombe auf der Loveparade gezündet? Im
Kokswahn einen Angriffkrieg gegen die USA vorbereitet? Voll auf
Ecstasy Saddam Hussein bei StudiVZ als Freund eingeladen? Keine
Ahnung, will ich aber auch gar nicht wissen.
Ist aber auch Jacke wie Hose, denn wir wissen jetzt, daß wir mit
unserem schönen Vollrausch leider nicht ungestraft davon kommen. Wir
werden also einsitzen oder ordentlich blechen müssen. Bei unseren
Vorstrafen also eher einsitzen, was für eine Schande, was für eine
Ironie, bah. Es lohnt sich heutzutage offensichtlich nicht mehr, besoffen
zu sein. Der blanke Hohn! Da wird doch regelrecht der Hund in der
Pfanne verrückt, eine Farce! Salopp ausgedrückt: Man fühlt sich ganz
schön verhohnepiepelt. Als Ergebnis müssen wir demnach
traurigerweise festhalten, daß Gesetzgebung und Rechtsprechung ganz
offensichtlich nicht an Logik anknüpfen bzw. auf Logik basieren, und
daß man als Fremdopfer weitestgehend schutzlos den langsam
mahlenden Mühlen der Justiz ausgeliefert ist. Furchtbar.
47
Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: Erstens durch
Nachdenken, das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmen, das ist der
leichteste. Und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.
(Konfuzius)
cc) Erfahrung
Erfahrung kann ein weiterer Grund für die Erbringung eines Opfers
sein. Man verzichtet also bewußt und aus Erfahrung auf ein Handeln,
auf ein Unterlassen oder auf irgendein anderes Verhaltenmuster. Weil
man weiß, daß es eh keinen Sinn macht. Daß es zu nichts führt, nichts
bringt, sich nicht lohnt. Unter Umständen die ganze Angelegenheit
vielleicht sogar noch verschlimmert.
Die Gründe für einen Verzicht aus Erfahrung sind mannigfaltig. So
kann eine Sache an sich schon aussichtslos bzw. mit wenig Aussicht auf
Erfolg behaftet sein. Beispielsweise eine politische Diskussion mit
irgendeinem x-beliebigen Politiker, völlig egal, welcher Partei dieser
angehört. Aus Erfahrung weiß man, daß das in 99% aller Fälle zu
keinem befriedigenden oder gar vernünftigen Ergebnis führt. Daß man
hinterher sogar verärgert ist, überhaupt auf die Diskussion eingestiegen
zu sein. Sehr ärgerlich sowas, sehr unerfreulich. Also läßt man es gleich
bleiben. Von Anfang an und aus Erfahrung.
Man verzichtet bewußt auf das Darlegen der eigenen Meinung, man
verzichtet bewußt auf die komplette Diskussion. Und das macht auch
Sinn. Man fängt erst gar nicht damit an, man läßt es von vornherein
bleiben. Nichts als Zeitverschwendung. Zeit, die man erheblich
sinnvoller nutzen könnte, beispielsweise mit einem schönen Vollrausch
oder einer Radtour. Insoweit also keine politische Diskussion. Ein
Opfer, daß man aus Erfahrung bringt. Und in diesem Fall zugleich auch
eine sehr vernünftige Entscheidung.
48
Oder man hat bereits die Erfahrung machen dürfen, daß ein gewisses
Tun oder Unterlassen durch den Staat sanktioniert wird. Also die
übliche Leier: Zuerst die Polizei. Guten Tag, die Herren, man kennt
sich. Dann eigentlich immer die Staatsanwaltschaft, kennt man auch
schon ganz gut. Besser, als einem eigentlich lieb ist. Zumindest, wenn
man nicht selbst Staatsanwalt ist. Dann ab vor`s Amtsgericht, mit viel
Pech vor`s Landgericht. Hier kennt man uns noch nicht, und das ist aber
auch gut so. Leider kennt man aber unsere Akte, denn die hat man mal
eben ganz nonchalant angefordert, und das ist dann aber auch wieder
nicht so gut. Egal. Wir haben also die Erfahrung gemacht, daß wir für
gewisses Handeln staatliche Sanktionen zu erwarten haben. Deswegen
erbringen wir das ein oder andere Opfer.
Beispielsweise würde ich nie wieder auf einem vollbesetzten DiscoParkplatz auf der Motorhaube meines Mercedes eine Nase Koks ziehen
und diese dann mit einer halben Pulle Sambuca runterspülen. Zumindest
nicht als Fahrer. Oder wenn der Benz gerade neu ist. Oder unter einer
Laterne geparkt steht.
Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß dies mit Sanktionen vergolten
werden kann. Nicht immer, aber irgendwann hat man eben mal Pech.
Also bringe ich ganz bewußt und aus Erfahrung das Opfer, nicht mehr
öffentlich auf Motorhauben zu koksen. Zumindest dann nicht, wenn
zwei Autos weiter die Zivilbullen stehen.
Merke: Selbstinfektion mit kolumbianischer Grippe, landläufig auch
Hollywood-Schnupfen genannt, kann staatlich sanktioniert werden.
Insbesondere auf Motorhauben.
Neben staatlicher Sanktion existiert die Möglichkeit der Sanktion durch
Dritte. Unter Dritten ist in der überwiegenden Zahl aller Fälle der Ehebzw. Lebenspartner zu verstehen. War eigentlich klar, oder?! Wer sollte
es sonst sein?!
49
Haß gehört nicht ins Stadion, solche Gefühle soll man gemeinsam mit
seiner Frau daheim im Wohnzimmer ausleben.
(Berti Vogts)
aaa) Früher
Zu Opas Zeiten war ganz klar die Frau das klassische Opfer. Ihr
Mitspracherecht im Haushalt war stets gering bis nicht vorhanden. Der
Opa -also der Mann- schaffte das Geld ins Haus, und die Oma -also die
Frau- mußte sich fügen. Sie mußte das Essen rechtzeitig auf den Tisch
bringen, die Kinder betreuen, Bude und Hof sauber halten und
gelegentlich sexuellen Pflichten nachkommen. Freizeit gab es für sie
keine, während sich der Mann das Recht herausnahm, sich nach
verrichteter Arbeit sonntags nach der Kirche volles Programm und
kompromißlos zu besaufen. Die Frau hatte also nur Pflichten und so gut
wie keine Rechte.
Dies nahm die Frau als gegeben hin. Sie opferte also ein eigenständiges,
gleichberechtigtes Leben mit allen Rechten und Pflichten. Aus
Erfahrung. Weil sie wußte, daß ihr Handeln sanktioniert würde. Daß der
Alte die Kohle nach Hause bringt und die ganze Bude zusammenschreit,
wenn nicht Punkt 18 Uhr sein Fressen auf dem Tisch steht. Mahlzeit!
50
Auch nach meinem 30-jährigen Studium habe ich immer noch nicht
herausgefunden, was Frauen überhaupt wollen.
(Sigmund Freud)
bbb) Heute
Glücklicherweise hat sich das im Laufe der Jahre durch die
Emanzipation der Frau geändert. Die Frau wurde zum
gleichberechtigten
Lebenspartner
mit
einer
eigenständigen
Persönlichkeit. Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, weil sie
das ja auch ist. Allerdings ging die ganze Emanzipationskiste viel zu
weit, so daß wir heute genau das gegenteilige Bild verzeichnen müssen:
Den Mann als klassisches Fremdopfer.
Das Ganze ist irgendwann vor 15 oder 20 Jahren komplett aus dem
Ruder gelaufen. So gegen Ende der 80er hatten wir ein schönes,
harmonisches, gleichberechtigtes Mit- und auch Nebeneinander von
Mann und Frau, ganz im Sinne der Emanzipation. Der Höhepunkt der
gleichberechtigten Evolution war erreicht. Konnte man wirklich sagen.
Die alten Sitten und Bräuche waren begraben, und Mann war gespannt,
wie es sich mit der neuen, gleichberechtigten, dauergewellten Frau so
leben läßt. Es war der erste Schritt in ein neues, modernes und besseres
Zeitalter.
Doch dann wollten die kleinen Carries, Mirandas, Samanthas und
Charlottes mehr! Viel mehr. Sie wollten alles. Im Zuge der 90er und zu
Beginn des neuen Jahrtausends wurde die Emanzipation zunehmend
umgedreht. Und zwar gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen ging es
nicht mehr positiv gleichberechtigt voran, sondern steil bergab. Und
zum anderen war diesmal der Mann betroffen und nicht mehr die Frau.
Das Zeitalter der Demanzipation des Mannes wurde eingeleitet. The
Age of Kastration! Zack!
51
Schrittweise wurde dem Mann fast alles genommen, was ihn vormals
als Mann ausmachte. Elementare Eigenschaften, männliche Attribute.
Eigene Meinung, Kompetenz, Entscheidungsfreudigkeit, Souveränität,
Entschlossenheit, Mut, Stärke und vieles mehr. Alles irgendwie
irgendwann weg, irgendwo hin. Der Mann wurde gezwungen, sein
Testosteron zu unterdrücken, ja sogar zu verleugnen. Wahrscheinlich ist
der Großteil seines Testosterons bis heute dann auch verschwunden.
Unwiederbringlich fort, futsch, weg. Oder noch viel schlimmer: Ersetzt
durch Östrogen!
Es wird also keine 20 Jahre mehr dauern, und dem modernen,
demanzipierten Mann wächst ein gescheites paar Titten. Feiste Glocken,
prachtvolle Tüten, super Dinger. Natürlich nicht so prachtvoll wie die
Tüten der Frau, versteht sich. Denn selbst die Evolution weiß
mittlerweile, daß sie sich beim Männchen etwas zurückhalten muß, weil
es sonst wieder Rambazamba mit der Ollen gibt. Die Evolution schützt
unser Männchen also. Indem sie kleine optische Abstriche bei seinen
Tüten macht.
Das ist allerdings vollkommen nebensächlich. Wichtig ist nur, daß die
Dinger funktionieren. Also zum Stillen und so. Denn eines sollte
mittlerweile auch klar sein: Nach den Titten wird es keine weiteren 20
Jahre dauern, bis unser ehemaliges Alpha-Männchen diese auch
benutzen muß. Zum Stillen, kein Witz. Nachdem er die Kinder
ausgetragen hat. Keine Ahnung, wie oder wodurch. Aber Carrie & Co.
werden uns schon Mittel und Wege aufzeigen, so viel ist mal sicher.
Aus heutiger Sicht käme da nur ein Kaiserschnitt in Betracht. Aber das
wird in der Zukunft -also dann, wenn der Mann mit dem Gebären an der
Reihe ist- mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom AlphaWeibchen als unethisch verworfen. Bleibt also nur noch Geburt aus dem
Arschloch. Hinten raus. Hinten unten. Rausgefurzt sozusagen.
Rausgedrückt und abgeseilt. In die Welt geschissen. Hat auch Vorzüge.
Befindet sich das neugeborene Kind gleich auf dem Boden der
Tatsachen. Wird gleich mit der rauen Realität konfrontiert. Was für eine
Scheiß-Welt, möchte es aufschreien, wenn es könnte. Kann es aber noch
nicht, und das ist aber auch besser so. Es wird durch das Stillen an
behaarten Männerbrüsten später gestört genug sein.
52
Wie auch immer: Der Mann trägt die Kinder aus. Furzt sie in die Welt.
Wickelt sie, stillt sie, zieht sie auf. Und wird danach vom Weibchen
aufgefressen. Oder darf niedere Dienste verrichten. Ganz wie es dem
Weibchen beliebt.
Der heutige Mann ist also zumeist Fremdopfer. Seine Opferrolle liegt
unter anderem darin bekräftigt, daß er dem Weibchen überhaupt nicht
mehr widerspricht. Es findet also eine einseitige Einigung zwischen
beiden statt. Ansage und Annahme. Die moderne Frau sagt an, der
moderne Mann nimmt an. Aus Angst vor Sanktionen, wie
beispielsweise sexueller Verweigerung auf unbestimmte Zeit.
Verdeutlichen wir uns das Gesagte an einem Praxisbeispiel: Sie will mit
ihm am Sonntagnachmittag zu ihren Eltern, Kaffee und Kuchen oder
vergleichbarer Mist. Er hingegen will sich lieber die schöne BundesligaKonferenz auf Premiere anschauen. Ohne sie, ohne ihre Eltern und ohne
Kaffee. Aber mit Bier. Und es liegt ihm sehr am Herzen. Folgender
Dialog findet dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
irgendwann im Laufe des Samstages statt:
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“
Er: „Alles klar.“
Wahrscheinlich sogar noch eine Nummer krasser, noch eine Nummer
schwuler:
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“
Er: „Freu` mich.“
Hier opfert unser Mann also ganz bewußt und aus Erfahrung ein
gewisses Verhaltenmuster (hier: das Widersprechen), aus Angst vor den
potentiellen, bekannten Sanktionen (hier: Vorenthaltung des Beischlafs
oder einen in die Fresse). Er weiß, daß es nichts bringt, seiner Frau zu
erörtern, daß er lieber mit einem Sechserpack Krombacher vor der
Glotze säße, um sich zwei stupide Sonntags-Fußballspiele anzusehen.
Die Frau würde es nicht dulden. Allein der Einwand würde mit hoher
53
Wahrscheinlichkeit bereits sanktioniert. Bereits ein skeptischer oder
erschrockener Blick wäre zu viel des Guten. Also lieber nicht blicken,
lieber einfach geradeaus gucken, einfach dummdreist an die Wand
gucken. Mit den Augen konzentriert einen Punkt an der Wand fixieren.
Und dann ganz schnell antworten. „Alles klar.“ oder „Freu` mich.“ und
dabei unabläßlich die Wand anstarren. Ganz unterbelichtet. Im Idealfall
dabei noch etwas Sabber im Mundwinkel und ein leises, langgezogenes
„Öööööhhhhh...“ auf den Lippen. So wie Patrick Star, der knuffige
Seestern bei Spongebob. Öööööhhhhh...
Vor 15 bis 20 Jahren wäre dieser Dialog richtigerweise komplett anders
abgelaufen. Und zwar so:
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“
Er: „Du Schatz, fahr` doch bitte allein hin und richte schöne Grüße aus.
Sag` ihnen, ich läge mit Grippe im Bett, Du weißt doch, sonntags ist
immer Konferenz.“
Die Idealform des Dialogs, was für ein Fest! Zu einer Zeit, als die Welt
noch in Ordnung war. Eine freundliche, aber bestimmte Antwort. Das
absolute Non-plus-ultra der zivilisierten Kommunikation, Hut ab!
Heutzutage allerdings völlig undenkbar. Allein der Gedanke ist schon
vermessen. Solch eine schnippische Antwort würde unsere postmoderne
Amazone komplett auf die Palme bringen. Also bitte auf keinen Fall
nachmachen, gibt Ärger.
Und vor 50 Jahren wäre es mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit zu folgendem Dialog gekommen:
Sie: „Wir sind morgen zum Kaffee bei meinen Eltern eingeladen.“
Er: „WAAAAAS?!“
Egal. Wir wollen also festhalten, daß in der heutigen Zeit zumeist ein
Mann die Rolle des klassischen Fremdopfers besetzt.
54
Weshalb sollte Gier gut für uns sein, wenn sie auf Zellebene zur
Zerstörung führt?! Denn schließlich ist Gier der Grundfehler der
Krebszellen.
(Deepak Chopra)
dd) Weitere Gründe
Wir haben mit Angst, Logik und Erfahrung nunmehr drei plausible
Gründe für die Motivation zur Erbringung eines Opfers definiert. Wir
haben ferner feststellen können, daß jeder dieser drei Gründe selten für
sich allein steht, sondern vielmehr in einer Art Koexistenz zu den beiden
anderen. Also Angst gepaart mit Erfahrung oder Logik gepaart mit
Angst oder was weiß ich.
Bei dem Kerl mit der toten Katze am Anfang dieses Kapitels ist es nicht
nur Angst, die ihn von seinem perversen Treiben abhält. Daneben ist es
vielleicht auch Erfahrung. Weil die Müllabfuhr die Whiskas-Säcke
schon dreimal stehen ließ. Oder auch noch Logik. Weil die Säcke
mittlerweile so stinken, daß man eine krasse Gasmaske im Haus tragen
muß. Logischerweise wird unser Kerl die Säcke dann in den Kofferraum
packen und nachts an irgendeiner Autobahnabfahrt entsorgen.
Oder der Blitzer in dem anderen Beispiel. Ich habe ihn seinerzeit aus
tiefgehender, logischer Überzeugung anzünden müssen, keine Frage.
Doch neben dieser Logik auch aus Angst und Erfahrung. Angst, den
Führerschein entzogen zu bekommen. Zu Fuß gehen zu müssen. Das
Rad zu nehmen. Oder irgendeine bekackte Mitfahrgelegenheit,
womöglich noch den Scheiß-Bus. Vielleicht auch aus Erfahrung. Daß
die Pappe gewiß weg ist, weil ich da nicht zum ersten Mal mit 140
Sachen durchgeballert bin. Daß ich vielmehr kurz vor einem
hochoffiziellen Schreiben aus Flensburg stehe. Die Motive vermischen
sich also, und das ist auch gut und richtig so, aber eigentlich auch egal.
55
Neben Angst, Logik und Erfahrung gibt es weitere Gründe für die
Motivation zur Erbringung eines Opfers. Geilheit zum Beispiel. Geilheit
ist auch oft Motivation. Ein Mann ist beispielsweise so besoffen und
notgeil, daß er eine ganz fiese Schabracke pimpert. Ganz klassisches
Fremdopfer-Verhalten. Der eigene Anspruch an eine halbwegs
gescheite Frau wird im Vollrausch zugunsten banaler Vögelei mit einer
x-beliebigen, absurden Dorfmatratze geopfert.
Oder Gier. Das naive, kleine Girlie läßt sich ganz fein casten. Bei
Topschnute Heidi Klum zum Beispiel. Es hüpft mit ihren 40 Kilo
Lebendgewicht im Bikini und vor Kälte zitternd nachts irgendwo in
Manhattan im Regen herum, und irgendein Starfotograf knipst es dabei.
Es nimmt an einem Fotoshooting teil! Hach, sind wir heute wichtig.
Very professional! Ist das alles aufregend! Uiuiui... Unser Girlie opfert
also jedwedes Selbstwertgefühl für die schizophrene Vorstellung, durch
ein grenzdebiles TV-Format berühmt oder sogar reich zu werden.
Vielleicht auch nur, um die eigene dumme Fresse mal im TV zu sehen.
Und den ganzen Bullshit aufzuzeichnen. Kann man ja später mal den
Kindern zeigen. Seht her, Mama war mal im Fernsehen. Meine Fresse.
Leider doch ein ganz schlechtes Beispiel. Unser seichtes Girlie ist
nämlich vielmehr Eigen- als Fremdopfer. Dazu im Folgekapitel mehr.
Nichtsdestotrotz kann auch Gier Motivation für die Erbringung eines
Opfers sein. Geldgier, Drogengier, Machtgier, Sonstwasgier. Im
Endeffekt kann nahezu jedes menschliche Bedürfnis, jedes Verlangen,
jedes Gefühl Motivation zur Erbringung eines Opfers sein.
Für uns ist damit die Motivation und die charakterliche Definition des
Fremdopfers ausreichend beschrieben. Unser Fremdopfer muß also
etwas hergeben oder auf etwas verzichten, obwohl es (eigentlich)
überhaupt nicht möchte.
56
Wenn ein Intelligenter die falsche Sache vertritt, ist das noch
schlimmer, als wenn ein Dummkopf für die richtige eintritt.
(George Clemenceau)
b) Eingliederung
Halten wir uns unsere bisherige Hierarchie noch einmal vor Augen. Wir
haben den Idioten und den Vollidioten charakterisiert:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
Mit unserem Fremdopfer taucht nun eine dritte Figur auf, die es in
diesen Rahmen einzuordnen gilt.
Da unser Fremdopfer bereit und in der Lage ist, sich mit einer kritischen
Situation auseinanderzusetzen bzw. sogar schlußfolgern kann, daß es in
einer gewissen Situation unumgänglich ist, aus diversen Gründen ein
Opfer zu erbringen, muß von einer gewissen Grundintelligenz
ausgegangen werden.
Es verhält sich hier also nicht wie bei unserem stets sehr dummen bis
völlig debilen Vollidioten mit nicht vorhandener Eigenwahrnehmung,
sondern eher wie bei unserem smarten, normalen Idioten. Im einzelnen
verhält es sich wie folgt:
57
Ein guter Chef nimmt heute von seinen Mitarbeitern weitaus mehr
Belehrungen entgegen, als er diesen erteilt. Das ist jedenfalls meine
Erfahrung. Und das ist auch unvermeidlich. Denn erstens sind die
Mitarbeiter, wie es auf bayerisch heißt, „die Mehreren“. Und zweitens
kennt sich der mit einem Spezialgebiet befaßte Mitarbeiter im Zweifel in
diesem besser aus als sein Chef. Jedenfalls ist es seine Aufgabe, sich
besser auszukennen.
(Manfred Rommel)
aa) Fremdwahrnehmung
Unser Fremdopfer wir von unbeteiligten Dritten meist auch als solches
erkannt und bemitleidet. Man sieht eine normal dumme bis zuweilen
recht clevere Person vor sich, die nicht so kann bzw. soll, wie sie gern
könnte oder möchte. Eine überaus tragische Figur, fürwahr. „Hey Du,
mach` zu, mach` zu, trau` Dich nur!“ möchte man unser Fremdopfer
ermutigen. Aber es wird nichts nützen. Einmal drinnen, kommt man aus
der Fremdopferrolle so gut wie nicht mehr raus. Es wird sehr schwer,
sogar sehr, sehr schwer. Es läßt sich kaum in Worte fassen, wie schwer
das wird. Es ist nahezu unmöglich.
Den größten Fremdopferanteil findet man traurigerweise im normalen
Berufsalltag. Wer kennt sie nicht, die Situation: Man hat einen
todlangweiligen Drecksjob als kaufmännischer Angestellter in
irgendeiner lohlappigen 08-15-Klitsche. Eine ausgemachte Mistbude,
die irgendeinen Scheißdreck herstellt und vertreibt. Vielleicht
irgendwelche Rohre oder Muffen. Oder Schrauben. Zurrgurte vielleicht.
Irgendwas total Spannendes eben. Und man ist persönlich für die
Beschaffung des dazugehörigen Materials zuständig. Man kauft also
Blech oder Garn oder sowas ein, damit andere Knechte daraus
irgendeinen Blödsinn basteln können. Vielleicht ist man ja sogar ein
kaufmännischer Sachbearbeiter. Unfaßbar, wie geil das ist.
58
Und als wäre das eigene, tagtägliche Leid in diesem Drecksjob nicht
schon Bestrafung genug, muß man sich in den meisten Fällen auch noch
permanent mit irgendeinem völlig inkompetenten und inkontinenten
kackfrechen Riesen-Arschloch von Vorgesetzten oder Abteilungsleiter
auseinandersetzen. Eine Witzfigur, die von Tuten und Blasen keine
Ahnung hat. Ein Mistviech. Das man eigentlich auf den Hinterhof
zerren und erschießen müßte. Ein ganz großer Peniskopf mit einer
monumental großen Schnauze. Und null Peilung noch dazu. Ein
vehementer Schwachkopf, ein Hoschi, ein Oimel, ein Affenkopf.
Den man am liebsten mit der hohlen Birne zuerst in Zuckerguß tauchen
und danach kopfüber in einen Ameisenbau stecken möchte. Und danach
noch einen Ameisenbär auf den Kopf drauf, zack. Eine bizarre
Vorstellung! Aber durchaus lustig. Und angemessen. Oder einen MettIgel auf den Kopf drauf, schön Halb und Halb, und dann ab ins
Löwengehege. Wäre auch eine überaus angebrachte Behandlung.
Allerdings nicht so lustig wie die Geschichte mit dem Ameisenbären,
das sollte vorher klar sein.
Alles in allem also ein selten dummes Schwein.
Vielleicht sollten wir ihm lieber die Genitalien in ein Salzfaß tunken
und ihn dann nackt ausziehen und mit Sekundenkleber am Arsch an den
Innenzaun eines Ziegenbock-Geheges kleben. Der würde johlen, mäh.
Vielleicht hat der da auch noch Spaß dran?! Das gibt`s doch wohl nicht,
so eine alte Sau! Da hört der Spaß jetzt aber auf!
Also dann doch lieber den guten, alten LSD-Trip im Nudelsalat, und
danach schön ins Kino zum großen Splatter-Marathon. Saw 1 bis 5 oder
die ganze Zombie-Holocaust-Reihe oder so. Das sollte eigentlich
reichen. Danach wird sich unser Affenkopf mal ein paar Gedanken über
alles machen. Nein, Späßchen: Nach acht Stunden Saw oder Texas
Chainsaw auf LSD wird sich unser Affenkopf nie wieder irgendeinen
Gedanken über irgendetwas machen können, so viel ist mal sicher. Aber
ist ja auch nicht das Schlechteste. Also machen wir es so, ziehen wir es
so durch. Und zack, wieder einmal konnte ein grundlegendes,
zwischenmenschliches Problem durch die Anwendung hochdosierter,
synthetischer Drogen behoben werden. Glückwunsch.
59
Nein, Spaß beiseite. Denn genau hier haben wir eines der größten
Fremdopfer unserer modernen Gesellschaft vorliegen: Wir erschießen
die Ameisen-Birne nicht. Wir ziehen ihr auch nicht unser 9er-Eisen
durch die Visage oder das sprichwörtliche Fell über die Ohren. Und
auch nicht zu den Ziegenböcken oder auf Crack in einen besonders
ausgefallenen Kannibalen-Film. Nein, das unterlassen wir alles. Wir
bleiben lieber höflich und freundlich sitzen und machen gar nichts.
Überhaupt nichts. Wir erzählen dem Mett-Igel sogar noch ganz keck
und unverfroren, wie froh und dankbar wir doch sind, daß wir so einen
ejakulationsverdächtig geilen Job haben dürfen. Daß es schon immer
unser größter Wunsch war, eines Tages mal Garne oder Sockelleisten
oder sogar Aluminium-Zuschnitte für so eine überaus tolle und
sensationell renommierte Firma einkaufen zu dürfen. Unser
Lebenstraum, echt jetzt. Sachbearbeiter aus Leidenschaft, heiliger
Bimbam. Geil, geil, geil. Endgeil, geiler geht nicht mehr. Besten Dank
dafür, Glückwunsch, bla.
Das war jetzt zugegebenermaßen etwas ironisch portraitiert. Fakt bleibt
jedoch, daß unsere normalen Angestellten und Arbeiter heutzutage ganz
tragische Fremdopfer sind, denen zudem noch größte Opfer abverlangt
werden. Allem voran, Vorgesetzte nicht abzustrafen oder zu
mißhandeln, wie sie es eigentlich verdient hätten. Dieses Verhalten bzw.
dieses Opfer erkennen und honorieren Außenstehende, was das
Fremdopfer insgesamt zu einer tragischen, jedoch positiven Figur
macht. Sozusagen zu einer positiv-tragischen Figur.
Und eines dürfte spätestens jetzt auch langsam klar werden: Ohne
unsere Fremdopfer wäre die komplette Gesellschaft und insbesondere
unsere Wirtschaft voll am und im Arsch.
Merke: Das Fremdopfer ist -genau wie der Idiot- immens wichtig für die
Aufrechterhaltung
unserer
zivilisierten
Gesellschaft.
Unter
Berücksichtigung der beängstigend stark ansteigenden VollidiotenQuote hätten wir sonst ganz schnell sehr bizarre und obskure Zustände,
fast wie in Holland.
60
Bender, Du mußt mir hoch und heilig versprechen, daß Du Dich nicht
hinter`s Steuer setzt ohne ein alkoholisches Getränk in Deiner Hand.
(Turanga Leela)
bb) Eigenwahrnehmung
Leider nimmt sich das Fremdopfer selbst nicht als solch positive Figur
wahr. Leider, leider. Aber wer will es ihm verübeln?
Im Gegensatz zum normalen Idioten, der sich selbst als recht zufrieden
wahrnimmt, ist unser Fremdopfer eher unzufrieden. Was auch völlig in
Ordnung ist, angesichts oben beschriebener Zustände. Unser
Fremdopfer merkt aufgrund vorhandener Grundintelligenz, daß es
irgendwie durch irgendwas oder irgendwen gebremst wird. Daß alles
viel besser laufen könnte, wen man unser Fremdopfer nur mal machen
ließe. Bisweilen neigt unser Fremdopfer also zu einem leichten Anflug
von Anarchie. Natürlich nur innerlich. Nach außen hin darf man so
etwas nämlich nicht zeigen.
Unser Fremdopfer stellt sich demzufolge immer öfter die Was-wärewenn-Frage. Was würde denn passieren, wenn man mal so dürfte, wie
man könnte. Wenn man mal sein volles Potential, welches permanent
aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterdrückt bzw. geopfert werden
muß, entfalten könnte?
Nehmen wir mal die Polizei. Polizisten sind ganz klassische Fremdopfer
mit entsprechender Eigenwahrnehmung. Meist sind sie dazu
gezwungen, vernünftiges Handeln zu verwerfen (also zu opfern), weil es
ihnen ganz einfach untersagt ist. Durch Gesetz, durch ihren PolizistenEid, durch sonstwas. Der durchschnittliche Polizist weiß nämlich meist
ganz genau, wie in einer Situation vernünftig zu handeln wäre, gäbe es
nicht Gesetz oder diesen komischen Eid.
61
Tun wir mal so, als ob: Wir fahren mit unserem Auto in eine Disco, in
einen Club oder zu einem Event in einer Location, wie man so schön
sagt. Nachdem wir die ersten ein, zwei Stunden Cola getrunken haben,
weil wir heute Fahrer sind, treffen wir dann doch den Entschluß, auf
alkoholische Getränke umzusteigen. Was natürlich auch Sinn macht.
Bestimmt hat sich jeder von uns schon einmal gefragt bzw. gewundert,
was das für schräge Vögel sind, die von 23 Uhr nachts bis 5 Uhr
morgens komplett ohne Alkohol und Drogen in der Disse durchfeieren.
Also nüchtern! Vielleicht zwei kleine Cola in den sechs Stunden. Sonst
nichts. Wie kann denn sowas sein? Also entweder haben die keine
Kohle für Stoff oder einen kompletten Lattenschlag. Eines von beiden.
Wir haben bei Geldknappheit früher mit Hansa-Pils oder Rotwein aus
dem Tetrapack vorgeglüht, aber sowas?! Keine Ahnung, aber wir
schweifen auch langsam ab.
Der Konsum von Alkohol und synthetischen Drogen jeder Art ist also
elementares Grundbedürfnis bei unserem Disco-Besuch. Weiß man
eigentlich auch vorher schon. Die ein, zwei Stunden Cola-Saufen am
Anfang sind nur für die Galerie. Man hätte ja gekonnt, wenn man
gewollt hätte und so weiter, bla. Also ballern wir uns mit allerlei
verfügbarem Material die Birne zu, bis wir ganz winzig kleine Augen
haben und wie eine Spitzmaus aus der Wäsche gucken. Und entscheiden
dann sternhagelvoll, trotzdem selbst mit dem Auto nach Hause zu
fahren, was auch zu begrüßen ist.
Die Gründe für unsere Fahrt im Vollrausch können vielschichtig sein.
Vielleicht hat man sich ab 1,8 Promille getraut, Kontakt zu einem
Weibchen aufzunehmen. Und möchte dieses dann schnellstmöglich in
den eigenen vier Wänden besteigen. Bevor es zu besoffen ist oder ein
anderer Asi es tut. Also rein ins Auto und ab nach Hause. Oder es
hängen zwielichtige Figuren ausländischer Herkunft auf dem Parkplatz
herum, und man hat deshalb Angst, das Auto über Nacht dort stehen zu
lassen. Üblicherweise fehlt nämlich tags darauf der Mercedes-Stern.
Oder der ganze Benz ist weg. Soll auch vorkommen.
Wie auch immer, man entscheidet sich klaren Verstandes und reinen
Gewissens nach langem Überlegen zu einer sogenannten
Trunkenheitsfahrt. Zum einen geht das in 99,9% aller Fälle gut. Zum
62
anderen können wir als Gewohnheitstrinker mit 2,2 Promille eh immer
noch besser fahren als andere nüchtern. Außerdem ist unser Verstand
durch den exzessiven Konsum von Kokain und Amphetamin so klar und
wachsam wie schon lange nicht mehr. Sogar unser Taxigeld haben wir
verkokst, was für eine Überraschung. Es liegen also ideale
Voraussetzungen für eine Trunkenheitsfahrt vor.
Also versuchen wir, unser Auto zu finden, um dann selbst nach Hause
zu fahren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Findet eigentlich auch die
Polizei. Eigentlich. Doch was wird tatsächlich passieren, wenn wir 200
m vor unserer Haustür am Steuer angehalten werden?
Wäre unser Polizist nicht Fremdopfer, käme es zwischen ihm und uns
nun zu einem charmanten, vor Wortwitz sprühenden und aufgrund
unseres Drogenkonsums sehr warmherzigen Dialog. Nach einer
freundlichen Begrüßung und dem obligatorischen Vorzeigen von
Führerschein und Fahrzeugschein würde unser Polizist nun nicht die
selten dämliche Frage stellen, ob wir Alkohol getrunken oder Drogen
genommen hätten. Wozu auch?! In unserer Karre stinkt es wie in einer
drittklassigen Hafenkneipe, wir selbst haben eine Fackel wie ein toter
Russe, und beim Leuchten der Taschenlampe in unsere Augen zucken
wir zurück wie ein Vampir im Sonnenlicht.
Deswegen erspart sich unser moderner Polizist diese dilettantische
Frage. Was sollten wir auch antworten? „Nein.“? „Weiß nicht.“? „Ist
das eine Fangfrage?!“? So dämlich die Frage, so dämlich sind auch die
potentiellen Antworten.
Unser moderner Polizist bittet uns nun, auszusteigen, um mit uns in
einen Dialog zu treten. Auf den Einsatz des Atemalkohol-Meßgerätes
wird zunächst verzichtet, weil dies uns schlagartig unsere gute Laune
verderben könnte. Und das gehört sich nicht an einem schönen
Samstagabend, das paßt nicht. Und unser Polizist weiß das auch, weil er
sehr gute Manieren hat. Gegenüber uns zumindest. Also versucht unser
Polizist zunächst, unseren Trunkenheitsgrad auf andere Art und Weise
festzustellen, nämlich im Gespräch. Vielleicht danach noch ein wenig
geradeaus gehen oder einen Kopfstand machen, aber zunächst wird sich
unterhalten. Das könnte so aussehen:
63
Polizist:
Schönen guten Abend. Polizei. Leider müssen wir Sie
anhalten, weil Ihr linkes Bremslicht defekt ist.
Fahrer:
Ja, weiß ich, ist schon seit zwei Wochen kaputt.
Polizist:
Ach so. Na dann will ich mal nichts gesagt haben. Dann
wissen Sie es ja schon.
Fahrer:
Genau.
Polizist:
Um ehrlich zu sein, haben wir Sie schon im Visier, seit
Sie vorhin die Disco ... verlassen haben. Ihr Gang war
stark schwankend, sie haben lauthals gesungen, und kurz
vor Ihrem Auto haben Sie beim Urinieren in die Büsche
erbrochen. Was war denn da los? Fühlen Sie sich nicht
gut? Haben Sie vielleicht etwas Falsches gegessen?
Fahrer:
Ach iwo, mir geht`s blendend. Ich bin sturzbesoffen,
und vorhin beim Pissen lief mir die letzte Nase Koks so
bitter den Hals runter, daß ich kotzen mußte. Aber sonst
ist alles in Ordnung, alles im grünen Bereich, Chef.
Polizist:
Ja, das hört man auch ganz klar an Ihrem glasklaren
Artikulationsvermögen. Überhaupt ist Ihr Fahrstil die
ganze Zeit sehr gut und sicher gewesen. Sehr
vorbildlich, Hut ab.
Fahrer:
Na klar, ist ja auch nicht das erste Mal.
Polizist:
Na dann weiterhin noch gute Fahrt und einen schönen
Abend mit der heißen Biene da neben Ihnen. Treiben
Sie`s nicht zu dolle. Auf Wiedersehen.
Fahrer:
Bis dann. Tschö.
64
Phantastisch! Ein Dialog, wie er sinnvoller nicht mehr sein kann.
Unglaublich. Überhaupt war die ganze Situation sehr entspannt und
kollegial. Wir waren ehrlich und konnten den Polizeibeamten damit
überzeugen. Aufgrund unseres ehrlichen und souveränen Auftretens hat
unser lieber Polizist dann auch instinktiv richtig gehandelt und uns
weiterfahren lassen. Eine schöne Geste, eine sehr faire Geste. Quasi als
Belohnung für unsere Aufrichtigkeit und unseren vorbildlichen Fahrstil.
So sollte es sein, und in Honkland wäre das auch so.
Leider sind wir aber (noch) nicht in Honkland, sondern in der Realität.
Und die sieht dann doch nicht mehr ganz so rosig aus. Denn in der
Realität ist unser Polizist Fremdopfer und darf wie eben beschrieben
nicht agieren. Nicht mehr. Denn vor ein, zwei Jahrzehnten hätten wir
nach einer ernsten Ermahnung und dem feierlichen Gelöbnis, nie wieder
besoffen zu fahren, die restlichen 200 m bis nach Hause fahren dürfen,
um dort unseren Vollrausch auszuschlafen. Aber heute geht das so nicht
mehr. Heutzutage geht es gleich voll scharf, und das ist ungeheuerlich
und sehr ärgerlich. Weil sich im Laufe der letzten Jahre immer mehr
Vollidioten, Asis, Teenies und andere Gehirnakrobaten besoffen hinter`s
Steuer gesetzt und dann irgendeinen Bockmist verzapft haben, mußte
der Gesetzgeber irgendwann einschreiten. Und die ehemals so
populären und gern gesehenen Trunkenheitsfahrten ganz radikal
reglementieren. Und das kann einen als souveränen und abgebrühten
Trunkenheitsfahrer echt auf die Palme bringen.
Als müßte man nicht schon genug büßen, indem man Vollidioten und
Konsorten die ganze Vögelei und Kinderkriegerei und den ganzen
anderen Blödsinn finanziert. Jetzt nehmen sie einem auch noch das
schöne Privileg der Trunkenheitsfahrt, ja quasi das Recht auf
Trunkenheitsfahrt. Teilweise sogar die Pflicht zur Trunkenheitsfahrt,
wenn alle anderen noch besoffener sind. Ist doch so. Echt voll zum
Kotzen. Irgendwo ist man da auch schon fast so eine Art Fremdopfer.
Unsere Begegnung mit der Polizei wird also ziemlich ernüchternd
verlaufen. Erschreckend ernüchternd sogar. Ernüchternd aber leider nur
im Hinblick auf das Ergebnis, denn wir selbst bleiben weiterhin voll wie
ein Putzeimer, was uns nun ärgerlicherweise zum Verhängnis wird. Wir
werden also sternhagelvoll und abgespeeded wie ein Radieschen von
der Polizei angehalten. Glückwunsch, Jackpot.
65
Diskutiert wird von Anfang an gleich mal gar nicht. Vielmehr spielt
sich eine Szenerie ab, die an ein frühes Stasi-Verhör in der DDR
erinnert. Zackige Begrüßung. Salut! Führerschein & Fahrzeugschein.
Zack, zack. Pusten. Auweia. Scheiße. Zu viel. Sicherstellung unseres
Führerscheines. Sicherstellung! Und zack, ab in die grüne Minna. Auf
zur Wache. Endlos viele dumme Fragen. Fahrzeugschlüssel weg. Arzt
kommt. Blutabnahme. Noch mehr dumme Fragen. Abenteuerliche
Rumhampelei. Dann Taxi, nach Hause, noch fünf Weizenbier rein, und
ab ins Bett. Am nächsten Morgen: Fuck! Haßkappe! Ein ganz schlechter
Film. Pay-TV. Kopfsalat. Ist das wirklich alles passiert?!
Ja, tragischerweise ist alles genau so passiert. Und die grün-weißen
Spitzbuben haben uns nicht nur Autoschlüssel und Restkoks
weggenommen. Vielmehr müssen wir bei einem flüchtigen Blick in
unsere Brieftasche erschrocken feststellen, daß auch unser Lappen fehlt!
Den haben die auch, der wurde nämlich sichergestellt! Was für ein Fest.
Sichergestellt! Uiuiui! Saddams Plutonium kann man sicherstellen.
Oder
irgendwelche
Sowjet-Geheimpläne
zum
Bau
einer
Strahlenkanone. Aber nein, unser Lappen wird sichergestellt. Und unser
Auto steht auch nicht da, wo es eigentlich stehen sollte. Ätzend.
Es ist nun eine Situation eingetreten, die für alle Beteiligen völlig
unbefriedigend ist: Wir mußten bis frühmorgens vollbreit auf der
Polizeiwache rumkaspern, statt ordentlich zugedröhnt eine geile
Brünette zu vögeln. Denn der geilen Brünetten war das dann auch mal
irgendwann zu blöd. Dieser ganze Tamtam mit den Grün-Weißen und
die ganze hohle Phrasendrescherei, von wegen Sicherstellung und so.
Da ist ihr mal so richtig schön alles vergangen. Aber gründlich. Also hat
sie sich irgendwann aus dem Kaspertheater ausgeklinkt, ist allein zu
sich nach Hause gegangen und hat es sich dort dann ganz fein selbst
besorgt. Was für eine Verschwendung, was für eine Ironie.
Naja, und der betroffene Polizist hätte natürlich auch viel lieber mal ein
Auge zugedrückt. Wohlwissend, was da gleich für eine Sauerei bei mir
zu Hause mit dem Brünettchen abgegangen wäre. Meine Fresse. Aber er
ist ja nun einmal Fremdopfer. Und als solches darf er eben nicht. Als
Fremdopfer muß er leider den sprichwörtlichen Stock im Arsch haben,
ob er will oder nicht. Was für eine Tragik.
66
Am nächsten Morgen wird sich unser Polizist dann auch selbst als
Fremdopfer wahrnehmen. Beim Frühstück ist er total übel gelaunt. Er
könnte glatt drauflos heulen. Am liebsten wäre er sogar im Bett
liegengeblieben und hätte sich krank gemeldet, so übel ist er jetzt
gelaunt. Er muß sich sogar richtig zusammenreißen, um nicht mit seiner
Dienstwaffe einen Warnschuß abzugeben. So fies ist der jetzt drauf, so
schlecht steht es um sein Mütchen. Und man kann es ihm nicht einmal
übel nehmen.
Denn gerade wird ihm bewußt, daß er letzte Nacht mal wieder gegen
seinen Willen zum wehrlosen Fremdopfer prostituiert wurde. Indem er
einem zwar alkoholisierten, aber jederzeit charmanten und vorbildlichen
Autofahrer die Fahrerlaubnis entziehen mußte. Bei dem Gedanken daran
steht ihm die Schamröte ins Gesicht geschrieben. Es wurmt unseren
Polizisten an diesem Morgen so heftig, daß ihm die frisch gewaschenen
Haare zu Berge stehen, als er sich zu seiner Frau an den reichhaltig
gedeckten Frühstückstisch setzt. Was für ein Drama, er könnte glatt aus
der Haut fahren.
Und wenn seine Frau ihn jetzt fragt, was denn los sei, wird er ihr unter
Tränen die ganze Geschichte erzählen. Daß er mal wieder Dienst nach
Vorschrift machen mußte. Schluchz. Daß er ein notgeiles, besoffenes
und zugekokstes Paar durch das starre Befolgen nicht mehr zeitgemäßer
Vorschriften um eine endgeil verschärfte Nacht gebracht hat. Heul. Und
daß er sich selbst auch gern mal wieder ordentlich die Nase pudern und
dann mit seiner Alten wie ein Kesselflicker hökern möchte. Jaul. Denn
so schlecht, wie alle immer sagen, findet unser Polizist das dann doch
wieder nicht. Snief. Aber das darf er lieber keinem sagen.
Tut aber alles auch nicht weiter zur Sache, sowas geht nämlich nicht,
denn unser Polizist ist und bleibt Fremdopfer. Das muß er in dieser
Sekunde leider wieder selbst erkennen. Und er ist nicht sehr zufrieden
damit. Er ist absolut nicht zufrieden damit. Er ist sogar ziemlich
unzufrieden damit.
67
Laß die Leute reden, und lächle einfach mild, die meisten Leute haben
ihre Bildung aus der BILD. Und die besteht nunmal, wer wüßte das
nicht, aus Angst, Haß, Titten und dem Wetterbericht.
(Die Ärzte)
cc) Tatsächlicher Status
In unserer Tabelle sieht unser Fremdopfer bislang also so aus:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
Fremdopfer
normal dumm
positiv
tragisch
irgendwie clever
unzufrieden
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
Bleibt demnach nur noch der tatsächliche Status unseres Fremdopfers
festzustellen. Dieser liegt irgendwo in der Mitte zwischen Eigen- und
Fremdwahrnehmung.
aaa) Mentale Ebene
Unter Punkt bb) dieses Kapitels haben wir bereits feststellen können,
daß unser Fremdopfer über eine gewisse Grundintelligenz verfügt. Weil
es bereit und in der Lage ist, zu erkennen, daß es irgendwie durch
irgendwas oder irgendwen gebremst wird. Diese Grundintelligenz liegt
demnach irgendwo zwischen normal dumm und irgendwie clever.
68
Irgendwie clever insoweit, daß unser Fremdopfer seine Lage erkennt.
Und normal dumm andererseits, weil es nichts daran ändert. So einfach
ist das. Nicht mehr, nicht weniger. Daher sollten wir uns auf die
Charakterisierung fast clever einigen, wenn keiner was dagegen hat, was
aber wohl nicht der Fall sein dürfte.
bbb) Emotionale Ebene
Auf der emotionalen Ebene haben wir positiv und tragisch als
Fremdwahrnehmung und unzufrieden als Eigenwahrnehmung. Wie sieht
es hier tatsächlich aus? Wie steht es tatsächlich um unser Fremdopfer?
Von den genannten Attributen trifft positiv am ehesten den Kern. Allein
schon die unter Punkt aa) herauskristallisierte Theorie, daß die
komplette Wirtschaft bzw. sogar die ganze Gesellschaft ohne
Fremdopfer voll am und im Arsch wäre, wiegt so schwer, daß jede
andere Attribution jenseits von positiv an sich schon als ziemlich
schlechter Witz bezeichnet werden muß
Und bei aller Tragik und Unzufriedenheit wollen wir doch nicht
vergessen, daß sich die dargestellten Personen nicht komplett in ihrer
Rolle als Fremdopfer verlieren. Obwohl sie es sicher könnten. Und man
könnte es ihnen nicht einmal verübeln. Doch nein, nichts da. Sie stehen
erhobenen Hauptes, wie der Fels in der Brandung, zumindest innerlich.
Sie trotzen ihrem Schicksal, ohne sich komplett zu fügen, ohne sich
selbst zu verleugnen. Na, wenn das nicht positiv ist! Wenn wir da nicht
noch alle was von lernen können.
Der tatsächliche Status des Fremdopfers ist so radikal positiv, daß sich
eine ziemlich bekannte Tageszeitung mit vier großen Buchstaben
komplett auf die Zielgruppe der Fremdopfer eingeschossen hat. Kleiner
Tip: Der Name der Zeitung beginnt mit B und endet mit D. Und
Herausgeber ist der Axel-Springer-Verlag. Ach ja, und meist finden sich
sehr sinnvolle Schlagzeilen wie diese auf der ersten Seite:
Elektriker verhaftet! Jetzt ist es aus mit der Schwarzarbeit!
69
Hurra! Welches Fremdopfer liest so etwas nicht gern?! Denn es
bestätigt unser Fremdopfer auf seinem Weg. Weil es selbst vorbildlich
Steuern zahlt und alles akkurat abrechnet. Weil es selbst auf
Schwarzarbeit verzichtet, obwohl es weiß, daß Schwarzarbeit an sich
eine feine und äußerst lukrative Sache ist. Und nun zu sehen, wie ein
anderer Arsch eben wegen Schwarzarbeit inhaftiert wird, bestätigt unser
Fremdopfer auf seinem Pfad der Tugend. Ganz klar, daß unser
Fremdopfer bei der Lektüre dieser anspruchsvollen Schlagzeile
innerlich frohlockt und ihm aber auch ein Stein vom Herzen fällt.
Skandal! Polnische Billigarbeiter klauen unsere Arbeitsplätze!
Auch eine gern gelesene Schlagzeile, die unsere Fremdopfer sehr
wohlwollend zur Kenntnis nimmt. In dem Wissen, selbst einen
absoluten Kackjob zu haben. Aber daneben scheint es ja wohl noch Jobs
zu geben, die noch viel beschissener sind. Ja sogar Jobs, die geklaut
werden. Ist das zu fassen?! Blitzartig relativiert sich das eigene Übel im
eigenen Drecksjob. Ist ja dann doch alles nicht ganz so schlimm, gibt ja
noch viel größeren Mist. Und das macht unserem Fremdopfer Mut, ja,
das gibt Hoffnung, das gibt die Vitamine zurück!
Unser Fremdopfer kann also tatsächlich nur als positiv charakterisiert
werden, wobei gewisse tragische Grundzüge nicht vernachlässigt
werden dürfen. Die tabellarische Eingliederung unseres Fremdopfers ist
damit abgeschlossen:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
Fremdopfer
normal dumm
positiv
tragisch
irgendwie clever
unzufrieden
Phantastisch!
70
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
fast clever
positiv
tragisch
Dir Federn in den Arsch zu stecken, macht Dich noch nicht zum Huhn.
(Tyler Durden)
c) Prominente Fremdopfer
Ja genau, phantastisch.
Ganz, ganz doll phantastisch.
Höchst phantastisch, aber zum besseren Verständnis hier jetzt noch
einige Beispiele an prominenten Fremdopfern. Also Fremdopfer, die
mehr oder weniger reich oder berühmt oder sonstwas sind.
Jeder, der jetzt nicht sofort Verona Feldbusch aufschreit, hat das Prinzip
von eben nicht verstanden. Oder Verona Pooth. Kann man auch
aufschreien. Völlig egal, jeder weiß, wer gemeint ist. Man kann jetzt
also beides aufschreien, ergibt beides Sinn, ist beides richtig. Denn
Verona ist das prominente Fremdopfer schlechthin. Der Prototyp des
modernen Promi-Fremdopfers.
Verona machte dies und das, heiratete dann 1996 Dietze Bohlen und
hatte danach einige schlechte TV-Formate wie Peep! und Veronas Welt.
Trotzdem mauserte sie sich im Laufe der Jahre immer mehr zur
ultimativen Werbe-Ikone mit breitgestreuter, gesellschaftlicher
Akzeptanz, was auch gut und richtig so war. Eine sympathische,
hübsche und liebenswerte kleine Lady, die ganz charmant zu ihrem
kleinen Naivitäts-Makel steht. Phantastisch. Gäbe es mehr solcher
Frauen, müßten nicht so viele Männer schwul werden. Gibt es aber
leider nicht. Und die wenigen, die es gibt, heiraten dann Typen wie
Bontempi-Dietze oder Maxfield-Franjo. Tragisch, tragisch, echt jetzt.
Sehr tragisch, äußerst tragisch, ist aber nunmal so. Und ich kann es aber
auch nicht ändern. Sehr tragisch.
71
Ein Fremdopfer par excellence also.
Veronas Eigenwahrnehmung sollte demnach auch bei irgendwie clever
und unzufrieden liegen. Na klar, sie weiß, daß die mittlerweile echt was
auf dem Kasten hat. Tolle Mutter, clevere Geschäftsfrau, sonstwas. Also
echt irgendwie clever. Tragischerweise aber ebenso unzufrieden. Was
nicht an ihr liegt, sondern an den Luftpumpen, die sie heiratet. Mal
ehrlich, die Süße hätte echt mehr Glück bei ihrer Männerwahl verdient.
Mich zum Beispiel. Verona und Honk, das absolute Traumpaar. Verona
Honk hieße sie dann, klingt doch nicht schlecht. Aber nein, stattdessen
kriegt sie den Super-Dietze und den Inkasso-Franjo. Das ist mal krass,
das ist mal ganz krass. Und wo wir gerade beim Thema sind: Ich kriege
auch noch Geld von Franjo Pooth!
Bei der Fremdwahrnehmung läuft es auf normal dumm, positiv und
tragisch hinaus. Tragisch wegen der eben beschriebenen Ehemänner.
Normal dumm, weil die meisten Gehirnakrobaten nicht in der Lage sind,
Veronas Cleverness auch nur annähernd zu erkennen. Deswegen stufen
sie sie eher in die Dummchen-Sparte ein. Und positiv dürfte wohl auch
jedem klar sein. Denn wenn unsere Vroni kein kleiner Sonnenschein ist,
wer denn wohl dann?!
Veronas tatsächlicher Status ist demnach auch fast clever und positiv.
Positiv ist klar, kleiner Sonnenschein und so. Sympathisch, liebenswert,
einfach nur gut, haben will. Und fast clever, eben leider nur fast clever,
eben wegen ihrer dubiosen Männerwahl. Wäre sie hinsichtlich der
Auswahl ihrer Männer etwas geschickter gewesen, wäre sie schlichtweg
genial. Klingt komisch, ist es auch.
Im Ergebnis also Verona als Paradebeispiel für unser prominentes
Fremdopfer. Daneben gibt es natürlich zuhauf weitere prominente
Fremdopfer, ganz viele, wie Sand am Meer. Allein schon diese ganzen
D- bis F-Promis, leck` mich einer am Arsch. Wobei diese wohl eher der
Vollopfer-Sparte zugeordnet werden müßten, doch dazu kommen wir
gleich. Zunächst nochmal einige prominente Fremdopfer, die wir aber
nicht mehr ganz so ausführlich abhandeln wollen. Denn das Prinzip
sollte mittlerweile verstanden sein. Also hier, zack:
72
Nehmen wir doch gleich mal die männliche Verona: Oliver Kahn!
Unser Oli, Halleluja! Da trifft das Gesagte nämlich alles genau so zu
wie bei der Verona, alles total synchron. Oli wäre echt genial, wenn, ja
wenn er nicht diese Blitzleuchte abgeschleppt hätte. Wobei ein- bis
dreimal Abschleppen ja noch okay gewesen wäre. Aber der läßt seine
scharfe Ehefrau sitzen. Und ist jetzt immer noch mit der Blitzleuchte
zusammen, trotz Fremdvögelei ihrerseits mit so einem komischen
Volltrottel. Oder auch mit mehreren, keine Ahnung, irgendwas muß die
ja schließlich auch können. Auf jeden Fall ist unser Oli immer noch ihr
Stamm-Stecher. Ach Oli! Vorher Stamm-Keeper beim FC Hollywood
und in der Nationalelf, jetzt Stamm-Stecher eines dummblondierten
Wanderpokals, den jeder H-Promi schon ein- oder mehrmal hatte.
Armer Oli, was für eine Tragik, was für ein Drama. Was für ein
Fremdopfer, unser armer Oli.
Oder Bill Clinton, mal ganz andere Sparte. Eigentlich auch clever,
positiv, ziemlich smart sogar. Und steckt dann einer pottenhäßlichen
Unke von Praktikantin einen Stumpen in die Möse. Ja leck` mich am
Arsch! Wieso Bill, wieso??? Wieso gerade die Lewinsky? Was ging da
in Deiner Birne bzw. in Deinen Eiern vor? Warst Du high? Sind die
anderen Praktikantinnen noch fieser? Schwer vorstellbar. Du warst
besoffen, stimmt`s?! Voll wie ein Putzeimer, na klar. Deswegen auch
die Zigarre in die Muschi. Hast den kleinen Bill nicht mehr hoch
gekriegt, was?! Oder Du warst nüchtern und hast beim Ausziehen des
kleinen Monsters etwas Grauenvolles entdeckt. Etwas so Grauenvolles
und Ekelerregendes, daß Little Bill nicht mehr konnte. Vielleicht
Filzläuse in Monikas Pelz? Ach woher denn, das würde einen echten
Kerl nicht stören. Ein echter Kerl hält auch bei Filzläusen rein!
Menstruation vielleicht? Schnickschnack, das macht alle Beteiligten nur
noch geiler. Ganz egal, was es war, Bill und Little Bill konnten oder
wollten nicht mehr. Und um die kleine Kröte nicht komplett zu
verstören und abzuweisen, gab es eine von Fidels Besten in die Büchse,
abfeier. Endgeil. Allein die Vorstellung, was ein Fest! Geil, geil, geil,
Bill. Sehr geil. Aber eben auch dumm. Sehr dumm. Und echt tragisch,
und deswegen ist Bill Clinton leider auch echt Fremdopfer. Und muß
heute zusehen, wie seine Gattin politische Karriere macht, während er
allen nur als Stumpen-Billy in Erinnerung bleiben wird. Tragisch, Bill,
echt tragisch. Ganz üble Geschichte.
73
Bleiben wir in der Politik. Arnold Schwarzenegger. Arnie. Die coolste
Sau der 70er Jahre, der beste Bodybuilder der Welt. Siebenfacher Mr.
Olympia im Bodybuilding: 1970 bis 1975 und dann nochmal 1980.
Yeah, Baby! 1982 dann Conan, 1984 der Terminator. Hasta la vista,
Baby, der Rest ist Geschichte. Für viele ist Arnie die absolute Ikone
überhaupt. Es gab keinen Besseren, und es wird auch in Zukunft keinen
Besseren geben. Und dabei hätte es unser Arnie dann auch belassen
sollen. Hat er aber nicht. Tragischer- und dummerweise ging er
irgendwann in die Politik. Und wurde damit zum Fremdopfer. Denn als
Gouverneur von Kalifornien wird er niemals wieder die Freiheiten und
die Popularität genießen können, die er als King of Bodybuilding und
Mr. Terminator bzw. sogar Mr. Hollywood innehatte. Schade für uns,
tragisch für alle, daher Fremdopfer.
Wir könnten diese Aufzählung beliebig fortführen, teilweise mit den
bizarrsten, schillerndsten und zwielichtigsten Persönlichkeiten. Sie alle
sind irgendwo Fremdopfer aufgrund irgendeiner Tragik:
Donald Duck. Opfer seiner eigenen Aggressionen. Osama Bin Laden.
Opfer von George W. Bush. Boris Becker. Unser Bobbele. Opfer von
irgendwem oder irgendwas, keine Ahnung, was da schief lief. Ralf
Schumacher. Opfer von Cora. Und in sportlicher Hinsicht natürlich von
Michael. Doppelopfer! VW und Porsche. Opfer von Herrn Wendelin
Wiedeking. Also Splitopfer! Xavier Naidoo. Opfer des Marihuanas.
Frau Schaeffler. Maria-Elisabeth Schaeffler. Opfer des Größenwahns.
Die Continental AG. Opfer von Frau Schaeffler. Profisportler. Opfer
des Dopings. Tick. Opfer von Trick und Track. Christoph Daum. Opfer
von Uli und Koka. Auch Doppelopfer, uiuiui! Die Deutsche Bank.
Opfer von Josef Ackermann. Seal. Seal Klum. Opfer von Heidi Klum,
ganz schlimme Sache sowas. Oder hier, die SPD. Opfer von Gesine
Schwan. Noch irgendwer? Ja, Kleinaktionäre. Nein, doch nicht.
Kleinaktionäre sind immer voll am Arsch.
Undsoweiter, undsoweiter, undsoweiter. Die Liste wäre beliebig lang
fortführbar. Für uns an dieser Stelle jedoch völlig ausreichend, um unser
Fremdopfer erschöpfend kategorisiert zu haben. Wir wollen ja
schließlich nicht zu doll auf den Bus(c)h klopfen.
74
Also Du mußt doch schrecklich frustriert sein?! Wie schaffst Du es,
nicht irgendwann über `ne rote Ampel zu fahren und einen Bullen so
lange zu reizen, bis er Dich abknallt?
(Charlie Harper)
d) Ergebnis
Mit unserem Fremdopfer (auch passives Opfer oder tatsächliches
Opfer) haben wir nunmehr den zweiten signifikanten Grundpfeiler
unserer Gesellschaft definiert. Unser Fremdopfer kann als clever und
positiv charakterisiert werden, zugleich aber auch als tragische Figur.
Diese Tragik ist es dann letztlich auch, die den Hauptunterschied
zwischen unserem Idioten und unserem Fremdopfer ausmacht, wer hätte
das gedacht?!
Unser Idiot akzeptiert sein Schicksal mehr oder weniger als gegeben. Er
weiß, es ginge vielleicht das ein oder andere mehr oder besser oder
anders, aber nicht für ihn. Ihm reicht das. Vielleicht muß es ihm auch
reichen, vielleicht soll es ihm reichen, alles denkbar. Dies akzeptiert
unser Idiot, damit hadert er nicht. Und daher lebt er eben auch recht
zufrieden, wird von Dritten sogar häufig als smart angesehen.
Vergleichbare Umstände liegen beim Fremdopfer vor. Mit dem
relevanten Unterschied, daß unser Fremdopfer sein Schicksal nicht als
gegeben ansieht, jedoch auch nicht in der Lage ist, etwas dagegen zu
unternehmen. Das Fremdopfer trägt sein Schicksal vielleicht, aber es
akzeptiert es nicht bzw. nur dem Anschein nach. Unser Fremdopfer
hadert geradezu mit seinem Schicksal. Das ist die Tragik, ja die
Dramatik, die das Fremdopfer vom Idioten differenziert. Man könnte
diese Tragik geradezu als ausschlaggebendes Kriterium bezeichnen.
Und diese Tragik macht unser Fremdopfer unzufrieden, sehr
unzufrieden, es wird regelrecht frustriert.
75
An diversen fiktiven Sachverhalten haben wir diese Unzufriedenheit
bzw. Frustration erörtern können. Da war der in Brand geratene Blitzer,
bei dem uns die Justiz komplett im Stich ließ. Voll zum Kotzen. Wir
hatten unsere postmoderne Amazone, der man unter keinen Umständen
widersprechen sollte. Besser warten, bis uns die Evolution mit
prachtvollen Glocken segnet. Es gab die tote Katze im gelben Sack, es
gab die Ameisen-Birne, es gab den Mett-Igel. Alles Dinge, die wir
opfern mußten, ob wir wollten oder nicht.
Ganz übel wurde auch dem armen Polizisten mitgespielt, der unsere
souveräne Trunkenheitsfahrt auf Kokain unterbinden mußte. Ganz
derbes Opfer. Für ihn, für uns, für alle. Ganz schlimme Sache. Allesamt
Sachverhalte, aus denen die Beteiligten sehr frustriert als Fremdopfer
herausgehen. Alles ganz, ganz schade.
Unser Fremdopfer möchte also aufgrund dieser eklatanten
Unzufriedenheit am eigenen Zustand ganz dringend etwas verändern,
traut sich aber aus diversen Gründen (noch) nicht. In den meisten Fällen
frißt unser Fremdopfer diese Frustration in sich hinein. Und wird
dadurch zwangsläufig irgendwann depressiv. Was dann richtig tragisch
und auch nicht mehr witzig ist, logisch. Ich möchte nicht wissen, wie
hoch die Depressiven-Quote unter normalen Angestellten derzeit ist.
Alle Opfer des Mett-Igels. Oder der arme Polizist, der kurz vor`m
Warnschuß steht. Sehr beunruhigend. Für alle Beteiligten.
Unheilschwanger. Geradezu prekär. Die Situation hat sich zugespitzt. Es
ist also nicht ratsam, die Unzufriedenheit in sich hineinfressen.
Kompensation ist auch Scheiße. Extrem viel Sport. Andauernd neue
Klamotten. Oder ein ziemlich voluminöser Pseudo-Freundeskreis, der
überwiegend aus Arschlöchern besteht, denen man eigentlich lieber
Fußpilz oder Vaginitis gönnt. Alles Scheiße. Bringt alles nichts, löst
alles nicht das Kernproblem. Unser Fremdopfer muß sich trauen, eine
grundlegende Veränderung einzuleiten und diese Veränderung dann
voller Überzeugung auch umzusetzen. Es muß die Umstände, die es in
seiner Fremdopfer-Rolle gefangen halten bzw. es überhaupt erst zum
Fremdopfer machen, mit allen dazugehörigen Konsequenzen abstellen.
Sobald unser Fremdopfer sich einmal dazu entschlossen hat, diesen
steinigen Pfad zu beschreiten, gibt es kein Zurück mehr:
76
Es wird zum Honk! Das ist ganz klar. Das kann man jetzt schonmal
ganz klar sagen. Ohne etwas vorwegnehmen zu wollen. Auf der
emotional-kreativen bzw. vielmehr auf der emotional-aggressiven
Ebene findet folgende Metamorphose statt (so sie denn stattfindet):
Idiot Fremdopfer Honk
Heißt ganz einfach: Unser Idiot wird vielleicht eines Tages mit seinem
Idioten-Status unzufrieden, warum auch immer. Und mutiert dann aus
dieser Unzufriedenheit heraus zwangsläufig und völlig frustriert zum
Fremdopfer. Kann so sein, muß aber nicht. Er kann auch glücklich bis
an sein Lebensende als Idiot leben, geht auch. Einmal in der
Fremdopfer-Rolle drin, kommt der Idiot jedoch nicht mehr aus ihr
heraus. Außer durch erneute Mutation. Zum Honk.
Brisanterweise läßt sich also festhalten, daß Idiot, Fremdopfer und Honk
hierarchisch eine Ebene bilden, wobei die Entwicklung vom Idioten
zum Honk zwingend notwendig über die Stufe des Fremdopfers erfolgen
muß. Eine direkte Entwicklung vom Idioten zum Honk ist
evolutionsbedingt völlig ausgeschlossen. Logisch. Denn wieso sollte ein
normaler Idiot, der mit seinem Leben zufrieden ist, quasi über Nacht
zum Honk mutieren?! Das wäre geradezu lächerlich, wenn es nicht eh
schon unmöglich wäre. Zudem völlig unspektakulär. Zum Honk also
immer über das Fremdopfer. Doch dazu später mehr.
Nachdem wir nun den hierarchischen Kontext von Idiot, Fremdopfer
und Honk verifiziert haben bzw. im Rahmen der Behandlung der HonkThematik später noch verifizieren werden, sollte uns aufgefallen sein,
daß unser Vollidiot noch völlig ohne hierarchische Bindung dasteht.
Nicht, daß ihn das sonderlich stören würde. Nein, den stört das nicht,
der kommt eh nicht klar. Wir aber. Wir kommen klar, glasklar, klarer
geht kaum noch. Und da wir besonders klar klarkommen und zudem
noch faire Sportsfreunde sind, suchen wir unserem Vollidioten nun
einen hierarchischen Bezugspunkt. Ja, ganz recht. Das tun wir, denn so
sind wir. Hut ab!
77
Life`s about filmstars and less about mothers, it`s all about fast cars and
cussing each other. But it doesn`t matter `cause I`m packing plastic, and
that`s what makes my life so fucking fantastic. I am a weapon of massive
consumption, and it`s not my fault, it`s how I`m programmed to
function. I look at the sun, and I look in the mirror, I`m on the right
track, yeah I`m on to a winner.
(Lily Allen)
2. Das Eigenopfer
(auch aktives Opfer oder Vollopfer)
a) Definition
Irgendwie wache ich morgens mit einer Scheiß-Laune auf. Augen auf,
zack, gleich alles Scheiße. Ätzend. Aber wieso? Kater? Nein, gestern
Abend war ich früh zu Hause. Und ausnahmsweise auch mal nüchtern,
unfaßbar. Vielleicht krank? Erkältung, Infekt? Nein, auch nicht, das
hätte sich irgendwie angekündigt, von wegen kratziger Hals und so.
Aber was ist denn nur los? Warum ist mir denn so flau im Magen? Liegt
heute vielleicht irgendetwas Unangenehmes an? Nee. Nicht, daß ich
wüßte. Eigentlich nicht. Oder doch? War da nicht doch noch was?!
Plötzlich trifft`s mich wie der Schlag!
Sofort springe ich auf und flitze ins Bad. Hose weg, zack, rauf auf die
Schüssel! Und Abfahrt! Dünnpfiff. Dünnpfiff der allerübelsten Sorte.
Wie aus einem voll aufgedrehten Wasserhahn schießt es hinaus.
Genauso stark, genauso flüssig. Es schwallt geradezu aus meinem
winzigen Popoloch heraus. Ganz wässrige Konsistenz, extrem fies dünn.
Bah. Glücklicherweise befindet sich direkt gegenüber der Kloschüssel
die Badewanne, vielleicht 60 cm Luftlinie. Und das ist auch gut und
78
sehr sinnvoll, das wurde beim Hausbau damals in weiser Voraussicht so
geplant. Denn just im selbem Augenblick kotze ich dort hinein. Voll in
die Wanne. Derselbe Schwall wie der aus dem Arsch. Bah! Das ist ja
widerlich. Zumindest frühmorgens um 11 Uhr.
Es ist nun nicht so, daß beides genau gleichzeitig geschieht, also
Dünnpfiff und Kotzerei im selben Moment. Nein, eher abwechselnd.
Alternierend sozusagen. Also erst hinten raus, dann oben raus. Dann
wieder hinten raus, nochmal hinten raus und wieder oben raus. Arsch,
Mund. Arsch, Arsch, Mund. Und wieder von vorn, hurra. Könnte man
ein hübsches Liedchen draus komponieren, wenn man musikalisch
etwas begabter wäre. C-D-C-C-D. Freude schöner Götterfunken, was
für eine Ironie. Aber egal. Darüber kann ich mir gerade keine Gedanken
machen, weil mir diese alternierende Arschkotzerei alles abverlangt.
Wirklich alles. Die Grenzen physischer und psychischer Belastbarkeit
werden ausgelotet.
Gerade als ich mich daran gewöhnt habe, ist es auch schon wieder
vorbei. Aus, Schluß, Feierabend, ganz toll. Oben kommt nichts mehr
raus, und hinten unten tropft es auch langsam ab. Was für ein
beschissener Start in den Tag! Fieser geht`s kaum noch, aber mal echt
jetzt. Ich fühle mich wie nach einem Exorzismus. Als hätte man mir den
Leibhaftigen ausgetrieben. Die Waage neben dem Klo zeigt vier Kilo
weniger an als gestern. Doch was ist denn nur los? Was soll denn der
ganze Zirkus bloß?
Der Blick in den Kalender läßt die schlimmsten Befürchtungen brutale
Realität werden. Heute ist Donnerstag. Meine Hände zittern. In der 20Uhr-Spalte steht etwas eingetragen. Tränen rinnen mir aus den Augen.
Der Würgreiz kommt wieder hoch, doch es kommt nichts mehr raus.
Hinten unten allerdings schon noch. Was ziemlich unpassend und
unangenehm und auch etwas ärgerlich ist, weil ich mir mittlerweile
meine Shorts angezogen hatte. Egal, kann man waschen. Notfalls ihm
Garten abfackeln oder verbuddeln.
Mein zitternder rechter Zeigefinger fährt unterhalb der in der 20-UhrSpalte eingetragenen Worte entlang, während mein Verstand sich
sträubt, die Signale, die ihm meine Augen senden, zu akzeptieren:
79
G - e - r - m Scheiße, das war`s. Nur ein instinktiv und blitzschnell eingeschenkter
doppelter Bacardi verhindert meinen plötzlichen Hirntod.
Germany`s Next Topmodel
Und noch ein doppelter Bacardi hinterher. Instinktiv. Zack. Eigentlich
könnte man sich jetzt gleich einen Mixer voll Mai Tai machen und
wieder ins Bett legen. Aber drauf geschissen, Verdrängen ist was für
Früh-Ejakulierer, Flucht was für Feiglinge. Aber nicht für mich, nicht
für den Honk. Und so werde ich mich meinem Schicksal stellen. Stellen
müssen. Und mein Schicksal liegt heute eben darin, um 20.15 Uhr
PRO7 einzuschalten und Germany`s Next Topmodel zu verfolgen. Es
aufzusaugen. Zu analysieren. Vielleicht sogar zu verstehen.
Meine Motivation hierfür ist ebenso simpel wie logisch: Denn wie soll
man höchst professionell und völlig neutral und wertungsfrei ein TVFormat beurteilen können, wenn man es noch nicht einmal selbst
gesehen hat?! Plumpes Abstänkern kann jeder Pansen. Sarkastisch sein
auch, ist auch nicht besonders schwer. Aber eine persönliche,
professionelle und unabhängige Studie eines modernen TV-Formats
erfordert schon etwas mehr. Sowas erfordert nämlich ein ganz explizites
und kompromißloses Auseinandersetzen mit der zu bewertenden
Materie. Knallharte Recherche! Brilliante Analyse! Und dem werde ich
mich heute Abend stellen. Ich ziehe es durch. Bis 20.15 Uhr habe ich ja
noch genug Zeit, einen der speziellen Situation angemessenen und
gehirnbekömmlichen Promillepegel aufzubauen.
Der Rest des Tages verläuft dann eigentlich ganz normal. Nach zwei
Mai Tai und weiteren sieben Stunden Schlaf bin ich bereit, mich der
abendlichen Herausforderung zu stellen.
Und dann ist es auch schon so weit. 20.15 Uhr. Fahr` ab die Scheiße!
Schnell noch einen Jim Beam rein, und schon werden unsere
potentiellen Topmodels mit einer Hummer-Stretch-Limo abgeholt. Es
geht zu einem Casting mit anschließendem Fotoshooting, Wahnsinn.
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Mit von der Partie ist auch Rolf, der in der Limo zwischen den Hühnern
sitzt. Und sich auf dem Weg zur Casting-Location ganz spontan zu
einem kecken Hinweis auf die größte Modelagentur von Los Angeles,
an welcher man gerade vorbeifährt, hinreißen läßt. Weitere spannende
Details der Fahrt werden dem Zuschauer dann aber leider vorenthalten.
Noch ein Jim Beam, und wir sind da. In unserer Casting-Location
warten bereits drei Typen mit schlechten Frisuren auf die Models. Einer
von denen soll ein Shootingstar irgendeiner Designerszene sein. Kann
sein, kann nicht sein, keine Ahnung. Ich kenne ihn nicht. Ist mir aber
eigentlich auch ziemlich scheißegal, ich kaufe meine Klamotten bei
Karstadt. Es wird dann kurz erklärt, daß man sich in einer äußerst
denkwürdigen Location befinde, die schon Filmen wie Big Lebowski
und Charlie`s Angels als Kulisse diente. Aha. Gut zu wissen.
Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem ich das ganze Kaspertheater
eigentlich schon wieder ganz lustig finde, was aber einzig und allein auf
den Pegel, den ich mir mittlerweile angesoffen habe, zurückzuführen ist.
Bei entsprechendem Pegelstand schleppe ich auch Hühner ab, die ich
nüchtern nicht mal mit dem Arsch angucken würde. Ist nunmal so. Aber
back to Business. Jetzt wird nämlich das große Geheimnis gelüftet, jetzt
kommt der große Paukenschlag: Und zwar darf heute eines unserer
putzigen Teenie-Models anläßlich des fünfzigsten Geburtstags der
Barbie-Puppe von Mattel eben diese in einem Fotoshooting
repräsentieren. Wahnsinn! Die kommen immer auf verrückte Ideen. Das
sind mir doch ein paar verrückte Hunde. Vor lauter Verzückung muckt
mein Arsch schon wieder auf.
Bevor es allerdings soweit ist, kommt es zu einem Go-and-See mit
anschließendem Testshooting. Soll heißen, unsere Mädels müssen sich
zunächst einzeln vor den drei Aushilfsfriseuren in der Jury präsentieren.
Ein bißchen smalltalken. Die kesse Frage, warum man denn glaube, die
perfekte Barbie darstellen zu können, beantworten. Banale
Dummschwätzerei eben, bla. Ein Mädchen gibt vor, bestens für die
Besetzung der Rolle der Barbie geeignet zu sein, weil es als Kind früher
immer mit Barbie-Puppen gespielt habe.
Ein äußerst gelungener Einwand!
81
Bei mir ist das nämlich ganz genauso: Weil ich früher immer mit
Skeletor von den Masters of the Universe gespielt habe, bin ich heute
ein 130-Kilo-Bodybuilder mit hellblauer Haut und Knochengesicht und
reite mit einem halbierten Zauberschwert -dessen andere Hälfte He-Man
besitzt- auf einem lila Panther durch die Innenstadt. Und in den Krieg
gegen andere bunte Bodybuilder, allen voran gegen besagten He-Man.
Und auch gegen Man-At-Arms. Gegen das ganze Gesockse halt, das
sich so auf Castle Grayskull rumtreibt. Oder ich setze mir einen
überdimensionalen, schwarzen Helm auf und fuchtele mit einem roten
Lichtschwert in der Gegend herum. Luke, Obi-Wan hat Dir nie erzählt,
was wirklich mit Deinem Vater passiert ist.
Hach, wie geil das wäre...
Egal. Unsere Girlies müssen nun unter anderem ein Puppengesicht
simulieren. Wat? Ein Puppengesicht? Erste Zweifel kommen in mir auf.
Wie soll denn das bitte gehen? Wie soll man denn bitte ein
Puppengesicht simulieren? Ein Arschgesicht vielleicht. Das ginge. Oder
ein Backpfeiffengesicht. Ginge auch. Ein Blockflötengesicht. So mit
ganz spitzem Schnäuzchen. Das könnte man auch sehr gut simulieren.
Aber ein Puppengesicht? Entsprechend sinnfrei blicken auch einige der
Mädels aus der Wäsche.
Nachdem das dann aber auch irgendwie geklärt wird, ist das See-andGo vorbei, und die erste Entscheidung steht an: Welche drei Mädels
dürfen am nun folgenden, heißbegehrten Testshooting teilnehmen?
Die Auswahl unserer drei smarten Friseure fällt auf Marie, Sarah und
Mandy! Ich persönlich hatte zwar gedacht, daß Sarah, Mandy und
Larissa das Rennen machen, aber egal. Die Jury wird sich schon ihre
Gedanken gemacht haben, so viel steht fest. Große Enttäuschung
natürlich bei den anderen Mädels. Ein Mädchen ist traurig, daß es nicht
mit ausgewählt wurde, weil dieses Testshooting ja doch eine ziemlich
große Sache sei. Doch plötzlich läßt die Jury die Bombe platzen: Heute
darf ausnahmsweise ein viertes Mädel mit dabei sein. Ist das zu fassen?!
Ihr verrückten Hunde, Ihr! Immer für eine Überraschung gut. Ein viertes
Mädel, genial! Und es ist Larissa, hurra! Alles wieder gut, alles wieder
toll, Leben macht wieder Sinn.
82
Und Schnitt. Es folgt das erste Highlight der Sendung. Ach was, es folgt
das Highlight schlechthin. Der Bildschirm erstrahlt in hellem Glanze,
denn nun gibt Heidi Klum ihr erstes Statement ab. Ja, ganz recht, Heidi
Klum herself. Amazing! Exciting! Unbelievable! Heidi Klum! Die
Grandmother of Grimasse. Die Königin des Schnute-Ziehens und
Augen-Rollens. Die Göttin der geilen Gestiken. Das Schnäuzchen, unser
Schnäuzchen. Die Maske. The Face. Uschi Augenroll. Unser Klümchen
eben. Nie zu schade für eine alberne Grimasse oder ein super-trendy
Handzeichen.
Aber schade, heute zeigt Frau Klum keine lustige Grimasse, wie sie es
sonst immer so gern tut, wenn sie ihre Schnute in irgendeine Kamera
hält. Schade, schade, sehr schade. Denn ich hatte mich sehr auf eine
Grimasse gefreut. Doch leider gibt es heute keine. Heute gibt es nicht
einmal eines ihrer beliebten Handzeichen, wie zum Beispiel den Peace
oder das Victory, vom doppelten Victory ganz zu schweigen. Auch nicht
den hohen Daumen, nicht den Schumi und erst Recht nicht den Alonso.
Mist. Bockmist. Also letzteren hätte sie ruhig mal bringen können.
Immerhin hat sie mit Vorzeige-Lustgreis Flavio Briatore ein Kind
zusammen. Aus den guten, alten Zeiten. Als auf Flavios Porno-Yacht
noch so richtig schön die Post abging, heiliger Bimbam. Aber nee, auch
den Alonso gibt es heute nicht.
Ferner gibt es nicht den Colt, den Revolver, den doppelten Revolver
(weder parallel, noch versetzt), den Ackermann, den Ackermann light,
die Fist, die Double-Fist, die Reverse-Fist, die Reverse-Double-Fist,
den Vader, den Van-Vader, den Big-Van-Vader, den Tomahawk, den
Gipsy King, die Säge, die doppelte Säge, die Handsäge, die Kettensäge
und leider auch nicht die Kreissäge oder die Laubsäge. Und schonmal
gar nicht den Hacksaw bzw. die Jigsaw. Ja nicht einmal den Spaceball,
die Air-Fist oder den Mitsubishi. Und aber auch den Last-Ride und den
Big-Trouble-in-little-China nicht. Nein, nein, nein, das alles gibt es
heute nicht. Und das ist sehr, sehr schade. Und zudem sehr, sehr
ungewohnt. Geradezu beunruhigend ungewohnt. Ein ungewohntes Bild,
denn Frau Klum ist heute sehr, sehr ernst. Ungewohnt ernst, könnte man
sagen. Und so gibt es heute weder Grimassen, noch Handzeichen, noch
Kombinationen hieraus. Und das ist aber auch gar nicht weiter
verwunderlich, wenn wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind:
83
Denn schließlich sind wir ja hier nicht in irgendeiner beliebigen
Boulevard-Zeitung oder irgendeiner Katjes-, Douglas-, McDonald`soder Sonstwas-Reklame. Nein, wir sind hier bei Germany`s Next
Topmodel. Bei GNT! Und das ist hartes Business. Hammerhartes
Business. Keine Mätzchen, keine Faxen! Wir suchen hier unser nächstes
Supermodel, die neue Repräsentantin unserer Nation auf den
internationalen Laufstegen. Die Angela Merkel des Catwalk. Ich glaube,
den meisten von uns ist gar nicht klar, wie wichtig das ganze Format ist.
Und deswegen ist dann auch mal Schluß mit lustig hier.
Also ganz klar: Das ganze Format ist so impertinent wichtig, daß eine
lustige Grimasse von Frau Klum völlig unangemessen und deplatziert
wäre. Und das weiß sie auch, deswegen läßt sie es ja bleiben. Vielmehr
schlüpft sie in die Rolle der eiskalten Pseudo-Domina, wenn die
Bewertung eines ihrer Mädchen ansteht. Zack. Rohrstock raus und
drauf. Zack! Ein Schauer läuft mir den Rücken runter. Mein Blut
gefriert in den Adern. Kurz: Ich grusel` mich ganz fürchterlich. Ich
grusel` mich so sehr, daß ich schon wieder einen feuchten Futzi in der
frischen Unterhose habe. Also hinten unten. Vor Angst. Nicht vorne und
vor Glück. Leider nicht. Hinten unten, vor Angst. Obwohl mich die
Vorstellung mit dem geilen Rohrstock dann doch auch noch ein bißchen
scharf gemacht hat.
Egal. Ich habe genug gesehen. Mehr als genug, wenn ich ganz ehrlich
bin. Es ist also an der Zeit, die Glotze abzuschalten. Und sich mal
ordentlich den Arsch abzuwischen. Eigentlich könnte man auch mal
unter die Dusche gehen. Den Mischmasch aus frischer Kacke von eben
und den Überresten des morgendlichen Dünnpfiffs, die nunmehr
verkrustet und verkräuselt in den Arschhaaren kleben, mal schön heiß
abduschen. Naja, vielleicht später. Denn ohne es zu wissen, haben wir
soeben unser Eigenopfer charakterisiert. Unser Vollopfer. Vielmehr den
Prototypen des modernen Vollopfers. Das Vollopfer schlechthin.
Anmerkung: Bitte die zwei Folgeseiten zunächst überspringen und
mit der Lektüre auf Seite 87 fortfahren.
84
Ohhh... Du bist wundervoll, egal was Du machst. Es ist wundervoll,
wenn Du weinst, weil Du lachst. Was ich sagen soll, weiß ich selbst
nicht mehr. Du bist geboren, um wundervoll zu sein.
(Giovanni Zarrella)
b) Alternative Definition (Ich will nicht in die Hölle!)
Also irgendwie wache ich morgens mit einer spitzenmäßigen Laune auf.
Augen auf, gleich alles spitze, alles total geil. Was für ein total endgeiler
Tag das heute wird, das weiß ich jetzt schon. Denn heute ist Donnerstag.
Und Donnerstag bedeutet Topmodel-Tag für mich. Ja, ganz richtig,
Topmodel-Tag. Und zwar nicht nur für mich, sondern für unsere
gesamte Nation. Für uns alle. Denn jeder von uns fiebert dem
Donnerstag entgegen. Und wer da nicht mitfiebert, dem ist dann aber
auch nicht mehr zu helfen. Früher freute man sich auf Freitag, auf
Wochenende, heute freut man sich auf Donnerstag. Scheiß auf Freitag,
wir freuen uns auf Donnerstag. Auf Donnerstag, 20.15 Uhr. Auf die
nächste brandheiße, megatrendyge und topaktuelle Ausgabe von
Germany`s Next Topmodel!!!
Yeah, Baby, das ist der geile Stoff! Scheiße, ich bin so geil drauf und
aufgeregt und so voller Vorfreude, daß mir gleich voll einer abgeht. So
geil bin ich morgens schon drauf, wenn ich weiß, daß abends meine
Stars von GNT wieder meinen TV-Bildschirm voller Glanz und Gloria
erstrahlen lassen. Wenn ich weiß, daß ich abends wieder das Klümchen
sehe. Das Klümchen, unser Klümchen, mein Klümchen! Unfaßbar, wie
geil das Leben sein kann. Und unser Klümchen läßt uns voller Gnade an
diesem geilen Leben teilhaben. Mann, Mann, Mann, mal lieber ganz
schnell einen doppelten Bacardi rein, bißchen runterkommen. Sonst
schnalle ich noch ab vor lauter Vorfreude und guter Laune. Mann, ist
das wieder sowas von geil heute.
85
Und wer mich jetzt ein bißchen besser kennt, der weiß auch, daß ich das
völlig ernst meine. Daß ich der absolute Hardcore-GNT-Fetischist bin.
GNT ist mein Leben! Also zack, schön Bacardi rein und hoffen, daß es
so schnell wir möglich 20.15 Uhr wird.
Der Rest des Tages verläuft dann eigentlich ganz normal. Nach acht
Stunden Internet-Chat mit meinen Freundinnen und Freunden aus dem
GNT-Forum und dem daraus einhergehenden Konsens, daß Larissa
unsere absolute Favoritin ist (und zwar vor Mandy und Sandy), ist es
dann endlich so weit. 20.15 Uhr, hurra!
Unsere bezaubernden Mädels werden heute zusammen mit Rolf in einer
atemberaubenden Hummer-Stretch-Limo zu einer international
bekannten Casting-Location gefahren. Dort werden Sie von drei
gutaussehenden Superstars der aktuellen Mode- und Designerszene
empfangen. Hintergrund ist nämlich der, daß unsere Mädels nach einem
kurzen Meet-and-Greet die legendäre Barbie-Puppe von Mattel
repräsentieren sollen. In diesem Hide-and-Seek geht es dann zunächst
darum, ein Puppengesicht zu simulieren. Meiner Meinung nach ein
besonders genialer Schachzug, denn so kann man am ehesten erkennen,
wer die beste Besetzung für den Barbie-Job sein könnte. Und so kommt
es dann auch, daß das Rest-in-Peace vorbei ist und Marie, Sarah, Mandy
und auch noch Larissa das Casting für das begehrte Barbie-Shooting
bekommen. Ich freue mich riesig, obwohl ich nicht sonderlich
überrascht bin. Denn diese Reihenfolge hatten wir heute Nachmittag im
GNT-Forum bereits intern online gevotet.
Es folgt das erste Highlight der Sendung, denn nun gibt Heidi Klum ihr
erstes Statement ab. Unsere Heidi, endlich! Sofort erstrahlt mein
Gesicht ebenso hell wie der Fernsehschirm. Der ganze Raum ist von
einer Aura erfüllt, die mit normalen Worten nicht mehr zu beschreiben
ist. Halleluja! Heidi Klum, unser Klümchen, unser Topmodel. Vergeßt
Naomi, vergeßt Claudia, vergeßt Gisele. Klümchen, sonst keine.
Klümchen, ich liebe Dich! Peace, Victory, Knutschmaul.
Muß reichen...
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Wenn es um Eitelkeit und das Versprechen von Popularität geht,
nehmen diese Menschen alles auf sich: Die größte Demütigung, den
größten Schmerz, die größte Lächerlichkeit und tiefe Häme.
(Wolfgang Joop)
c) Eingliederung
„Was ist denn mit dem los?“ höre ich die Leute schon aufschreien. „Der
ist wohl vom Wickeltisch gefallen?!“ Mitnichten! Weder vom
Wickeltisch gefallen, noch zu heiß gebadet, noch mit dem Kopf in den
Mixer, noch sonstwas. Daß ich heute so ein verdorbenes und asoziales
Subjekt bin, verdanke ich einzig und allein Klümchen und Konsorten.
Die haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Eine niedere
Kreatur. Ein Asozialer. Ein Pansen! Ein exzentrischer Wirrkopf. Ein
ausgemachtes Stück Blödheit. Ein Lump, ein Oimel, ein Schakal. Ein
Kretin, eine miese Kröte. Ein Honk! Ja genau, ein Honk. Ist aber alles
nicht meine Schuld, alles deren Schuld. Ich kann da mal gar nichts für.
Mein Leben war so schön, ich war sogar auf der Uni!
Alles hätte so richtig gut laufen können, so richtig schön. Aber nein. Es
lief nicht gut. Nichts lief gut. Und auch nicht schön. Es lief komplett
anders. Es lief schlecht, es lief ziemlich schlecht. Es lief eigentlich total
beschissen, es ging voll in die Hose. Denn irgendwann hat es im Kopf
Klick gemacht. Klick, Flatline, Braindead, hurra. Und jetzt haben wir
den Salat. Jetzt bin ich voll am Arsch. Aber so richtig. Mal so richtig
schön voll am Arsch, aber sowas von. Nichts geht mehr, rien ne va plus.
Sendepause. Eigentlich ein ganz klassisches Fremdopfer. Ganz
klassisch. Wenn ich nicht bereits der Honk wäre. Ziemlich komisch
gelaufen, die ganze Geschichte. Ziemlich crazy, könnte man sagen.
Amazing. Exciting. Nein, eigentlich doch nicht. Eigentlich dann doch
eher etwas disgusting. Denn ganz so lustig ist das dann auch wieder
nicht. Egal.
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Halten wir also fest, daß dieser ganze Topmodel-Zirkus nicht nur selten
hohl und an Banalität nicht mehr zu überbieten ist, sondern ferner
anständige und unbescholtene Zeitgenossen zu Vorzeige-Asis und
Hobby-Gangstern mutieren läßt. Schlimmer noch, zu Honks! Ich habe
die Transformation am eigenen Leib erfahren. Erfahren müssen, denn
das hier ist ein Tatsachenbericht. Ein Tatsachenbericht! Allein die
Folge, in der die olle Transe vom Beckham da war. Leck` mich am
Arsch. Victoria Beckham. Was für eine Nebelkrähe. Voll die Mumie,
und das in dem Alter. Und selbstverständlich auch absolutes Vollopfer.
Das sollte mittlerweile aber jeder selbst eruieren können. Auf jeden Fall
paßt die da bestens rein bei Klum und Konsorten. Wie die Faust auf`s
Auge. Die ist sogar doppelt schuldig. Hat aus ihrem Mann, der einst ein
echt geiler Typ und klasse Fußballer war, ein Fremdopfer par excellence
gemacht. Schämen sollte die sich!
Stattdessen turnt die da mit ihren 32 Kilo Lebendgewicht im Opfer-TV
rum. Superkrass. Also Fernsehen von Opfern und mit Opfern, für Opfer
und mit Opfer-Gästen. Also wir reden hier über reine Vollopfer, damit
es keine Mißverständnisse gibt. Komplettes Vollopfer-TV. Imbezillität.
Unfaßbar. Allein die Folge mit Posh Spice Beckham hat mich mehr
Gehirnzellen gekostet als 80 Flaschen Sambuca. Wahnsinn. Habe ich
alles recherchiert, alles absoluter Wahnsinn. Und Posh Spice sieht
mittlerweile aus wie ein lebendig gewordener Headknocker, also eine
Wackelfigur aus Kunstharz, bei der ein riesiger, überdimensionaler
Schädel auf einem verhältnismäßig extrem kleinen Körper sitzt.
Beziehungsweise aufgrund der Schwere des Kopfes im Verhältnis zum
Rumpf aus physikalischen Gründen unentwegt hin und her wackelt. Die
ganze Zeit. Völlig absurd.
Tja, und da verwundert es kaum, daß Tante Heidi heute keine Lust auf
einen Augenroller oder eine lustige Grimasse hat. Einen Mundwinkel
hoch, den anderen runter, dabei frech nach außen geschielt. Und dazu
ein Victory-Zeichen und mit der anderen Hand den doppelten Schumi.
Nein, der Spaß ist ihr mal ganz gründlich vergangen. Denn sie weiß
über den Wahnsinn Bescheid, sie weiß über die Headknocker Bescheid,
über alles! Sie ist sich ihrer Schuld voll bewußt. Und deswegen erfriert
ihr heute jede Grimasse bereits im Ansatz. Schade für uns, also für uns
Grimassen-Liebhaber, aber nicht zu ändern.
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Ein Topmodel ist sie nicht, sondern ein Werbegirl. Wo in der High
Fashion hat jemand dieses Dauergrinsen? Heidi Klum ist ein
Musterbeispiel einer gewissen Perfektion, aber in der Mode suchen wir
nicht den Mainstream, sondern das Einzigartige, das Individuelle. Sie
hingegen ist der Durchschnitt in Perfektion.
(Wolfgang Joop)
aa) Eigenwahrnehmung
Okay, der Spaß ist ihr natürlich nicht vergangen. Unser Klümchen muß
deshalb so fies und schnippisch sein und auf lustige Grimassen
verzichten, weil das zum Konzept der Sendung gehört. Ist doch klar.
Stichwort Pseudo-Domina. Und zack.
Sie kann ja wohl kaum einen auf Grinsekasper machen und dann eines
ihrer epochalen Statements ablassen. „Trallali, trallala, Du bist zu fett
und damit jetzt auch draußen. Ätschi-Bätsch und Bussi-Bussi.“ Und
Knutschmund dazu. Das wäre ziemlich unpassend. Und ein bißchen
schizo obendrein.
Wir stellen also fest, daß sich die ganze Thematik offensichtlich
ziemlich diffizil und verzwickt gestaltet. Daher müssen wir jetzt auch
bei unserer Analyse der Eigenwahrnehmung des Vollopfers sehr penibel
zwischen eigener Eigenwahrnehmung des Vollopfers und
Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander differenzieren.
Ist nunmal so.
89
Heidi Klum kenne ich nicht. In Frankreich hat es sie nie gegeben. Auch
Claudia Schiffer kennt Heidi Klum nicht.
(Karl Lagerfeld)
aaa) Eigene Eigenwahrnehmung des Vollopfers
Der Spaß ist ihr also nicht vergangen. Keineswegs, nicht im geringsten.
Niemals. Wie sollte er auch?! Voraussetzung hierfür wäre ein bewußtes
Auseinandersetzen mit der Realität. Also Realität insoweit, als daß man
selbst nicht annähernd so endgeil und oberwichtig ist, wie man immer
tut bzw. wie man es gern wäre. Daß man eigentlich nichts weiter tut, als
unentwegt heiße Luft in die Welt zu furzen. Und zwar aus dem Maul
raus, nicht aus dem Arsch. Daß es bis auf ein paar Handvoll
fehlgeleiteter Teenies und Aushilfs-Nageltanten absolut kein Schwein
interessiert, was man da ständig rausposaunt. Daß man eigentlich nervt
und bei der überwiegenden Mehrheit derer, die man pausenlos mit der
Darstellung der eigenen Selbstgeilheit malträtiert, diverse Mißstände
und Kotzkrämpfe und sogar Suizid-Gedanken verursacht.
Das wäre doch mal ein bewußtes Auseinandersetzen. Ein bewußtes und
ehrliches Auseinandersezen mit der Realität. Doch dazu kann und wird
es nie kommen. Denn unser Vollopfer wiegt sich selbst in permanenter,
allumfassender und vollkommener Sicherheit. Es käme nie auf die Idee,
daß es auf diesem Planeten auch nur einen einzigen Menschen geben
könnte, der es nicht total endgeil und very important findet und sofort
wie vom Blitz getroffen in Verzückung gerät. Es fehlt also von Anfang
an bereits jedwede Erkenntnis in alles. Zumindest in alles, was mit der
Realität zu tun hat. Man müßte unser Vollopfer zu solch einer
Erkenntnis geradezu zwingen. Leider. Wahrscheinlich sogar mit
Gewalt. Denn Gewalt ist immer eine sehr gute Lösung. Und leider geht
es hier auch nicht anders.
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Um also die Verantwortlichen auf die Mißstände und Kotzkrämpfe und
Suizid-Gedanken aufmerksam zu machen, die deren grenzdebiles
Model-Format bei uns verursacht, müßten wir folgerichtig erstmal bei
PRO7 auftauchen. Zack, da wären wir. Dann bei denen die Tür
eintreten. Und mit der bis zum Anschlag vollgeladenen, polnischen
Pumpgun eines der 40-Kilo-Surfbretter in Geiselhaft nehmen. Amazing!
Nein, nicht die Pumpgun. Besser ein Nutella-Brot. Die krass fette
Nutella-Stulle! Wer mir zu nahe kommt, kriegt das Ding hier in die
Fresse! Exciting! Oder hier, die Sahnetorte. Zack! Nimm hin.
Unbelievable! Oder noch besser, gleich Peyman und den anderen
Hampelmann als Geisel. Knüppel auf den Kopp und ab in Sack. Kann
man alles machen, macht alles Sinn, alles sehr positive Gewalt. Ist alles
vertretbar, wenn man auf diverse Mißstände aufmerksam machen
möchte. Ist sozusagen Notwehr, können wir uns wieder drauf berufen.
Klümchen selbst könnten wir allerdings nicht als Geisel nehmen,
versteht sich wohl von selbst. Weil dabei stets die Gefahr bestände, daß
sie uns völlig überraschend mit einer besonders ausgefallenen, uns bis
dato nicht bekannten Grimasse um den Finger wickeln könnte. Oder
sogar mit einer Grimassen-Handzeichen-Kombo. Beispielsweise Zunge
raus und Augen zu, dazu den rechten kleinen Finger hoch und in die
Luft gepiekst. Oder den Gipsy-King voll aus der Hüfte geschossen. Und
zack, wär`s um uns geschehen.
Also Klümchen nicht als Geisel. Nein, natürlich nicht. Ist doch auch eh
alles nur Spaß hier. Alles nur Jux. Klümchen ist cool, ihre Sendung ist
cool, und die Alte vom Beckham natürlich auch, na klar. Alle cool, alle
geil. Ich aber leider nicht. Und deswegen bin ich eigentlich auch nur
neidisch. Weil ich niemals so geil sein werde bzw. werden kann wie
Heidi & Friends. Alles Neid, purer Neid, blanker Neid. Und
Hochachtung. Krasse Hochachtung. Echt jetzt. Im wahren Leben bin ich
sogar Klümchen-Fan! Ehrlich. Denn unser Klümchen kann man nur
beneiden. Es hat alles, was ein Mensch sich nur wünschen kann.
Einfach alles. Viele kleine Kinder, ein paar originelle Väter dazu,
Kohle, Ruhm, blonde Haare, einfach alles. Bestimmt auch zwei, drei
schöne Häuser, vielleicht sogar in Malibu. Und bestimmt auch den
größten und schnellsten Multivan der Welt, so von wegen 20 Sitzplätze
und 650 PS. Wahnsinn, absoluter Wahnsinn.
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Einfach nur Wahnsinn. Wahnsinn auch, was unsere Heidi da immer für
außergewöhnlich krasse Typen und besonders schillernde
Persönlichkeiten als Lover am Start hat. Mein lieber Herr
Gesangsverein! Selbst verglichen mit mir finde ich die Jungs echt
hammerhart und übelst krass. Und das soll mal was heißen.
Ric Pipino, ein völlig bizarrer Friseur. Habt Ihr den schonmal gesehen?
Müßt Ihr Euch unbedingt mal im Netz angucken, kann ich nur
empfehlen. Immens smarter Spitzbube, vom Feinsten. Dann Affäre und
Kind von Porno-Opa Flavio Briatore. Von Briatore! Allein der
Gedanke! Boah. Heftig. Zwischendurch noch ein bißchen was mit
Sexmaniac Anthony Kiedis, dem verschnupften Frontmann der Red Hot
Chili Peppers. Heiliger Bimbam! Und jetzt ist Seal an der Reihe.
Ja was ist denn da los?! Grundgütiger, ist das eine fiese Mischung. Da
ist ja gar kein System erkennbar. Ist ja schlimmer als ein Kleinkind in
Disney-World. Erst Pommes, dann Karussell, dann Zuckerwatte, dann
Achterbahn. Wer kommt als nächstes? Udo Lindenberg? Krusty der
Clown? Mahatma Gandhi? Alf? Keine Ahnung, will ich nicht wissen.
Irgendwer wird es sein. Tut für unsere Bewertung aber auch nicht weiter
zur Sache.
Denn zumindest haben wir nun mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit feststellen können, daß sich unser Vollopfer
mittelschwer bis komplett realitätsfremd selbst wahrnimmt. Anders ist
der ganze Wahnsinn hier nicht mehr zu erklären. Im schlimmsten Fall
muß man sogar mit Schizophrenie rechnen. Schwere Schizophrenie
sogar, allein schon die Beckham, unglaublich.
Unser Vollopfer selbst ist dabei weitestgehend schmerzfrei, und das ist
auch gut so. Es hat in seinem Größenwahn um sich herum eine Art
Scheinwelt aufgebaut, die weitestgehend mit ähnlich realitätsfremden
bzw. schizophrenen Individuen bevölkert ist. Widmen wir dieser
Scheinwelt nun unser Augenmerk, bevor wir völlig den Verstand
verloren haben. Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn.
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I don`t know what it is, that makes me feel like this. I don`t know who
you are, but you must be some kind of superstar. `Cause all got their
eyes on you, no matter where you are.
(Jamelia)
bbb) Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander
Die Vollopfer-Scheinwelt ist also durch das Miteinander mehrerer
Vollopfer in einer nicht realen bzw. vielmehr surrealen Phantasiewelt
gekennzeichnet. Die Protagonisten dieser Phantasiewelt nehmen sich
selbst natürlich nicht als Vollopfer wahr. Sie könnten es auch gar nicht,
selbst nicht, wenn sie wollten. Stattdessen feiern sie sich selbst.
Pausenlos und unabläßlich wir gefeiert. Man feiert sich selbst, man
feiert die eigene, grenzenlose Tollkühnheit. Man feiert die epochale
Feistigkeit. Und die der anderen, koexistierenden Vollopfer. Nicht ganz
so heftig wie die eigene, aber immerhin. Die ganze Society feiert sich
selbst. Unermüdlich. Unabläßlich. Unbeirrbar. Unfehlbar. Und
unerreichbar, na klar. Prosecco, Baby. Einem außenstehenden Dritten
erscheint die ganze Szenerie dagegen ziemlich skurril.
Tun wir noch einmal so, als ob: Es ist Samstagabend. Es ist spät, aber
noch nicht so spät. Vielleicht ist es 23 Uhr. Und wir wollen ausgehen.
Nicht chic zum Essen oder auf ein Cocktailchen oder sowas. Nein, wir
wollen mal wieder so richtig die Kuh fliegen lassen. Wir wollen voll
abgehen. Also einen Jumbo-Kopf Crack geraucht und ab in Puff! Nein,
Späßchen, nur Späßchen. So sind wir nicht, sowas machen andere. Wir
nicht. Denn wir wollen in die Disse, in den Club, in eine very angesagte
Party-Location, yeah! Wir wollen krasse Beats und softe Drogen, harte
Drinks und leichte Mädchen. Doch wo bekommen wir das? Klar, auf
der Reeperbahn, ganz toll. Aber wo sonst noch, wenn wir keinen Bock
darauf haben, jedes Wochenende auf den Kiez zu ballern? Mal sehen,
machen wir mal eine kleine, fiktive Disco-Tour:
93
Zuerst könnten wir ja mal bei der Teenie-Disco um die Ecke anklopfen.
Um uns dort mit ein paar 12- bis 16-jährigen Kids, deren Eltern wir sein
könnten, per Flatrate volles Rohr ins Koma zu saufen. Und drei bis vier
Tage später auf der Intensivstation mit einem Mordskater und 1,6
Promille Restalkohol aufzuwachen. Gute Idee? Mitnichten. Nee, das
wollen wir doch lieber sein lassen. Es reicht, daß all diese Kiddies in
fünf bis zehn Jahren schwerste Alkoholiker sind. Wir können uns das
nicht leisten. Wir dürfen uns das auch gar nicht leisten. Wir müssen
halbwegs klar in der Birne bleiben. Wer soll die ganzen Alki-Kids denn
sonst pflegen und mit Stoff versorgen, wenn es so weit ist?! Bleibt ja
außer uns wohl kaum noch jemand übrig. Nein, in die Teenie-Disco
können wir also nicht gehen.
Wir gehen auch nicht in einen dieser angesagten Black-Clubs oder in
eine trendy Russen-Disco oder ähnliche Hottentotten-Hütte. Die Gefahr,
daß wir im Vollrausch eine heiße Alte anquatschen und dies nicht
überleben bzw. am nächsten Morgen mit einem Messer im Kopf und
fünf Fingern weniger an jeder Hand aufwachen, ist einfach zu groß.
Nein, das möchten wir dann auch nicht, und deshalb lassen wir unsere
sympathischen ausländischen Mitbürger lieber in Ruhe unter sich bzw.
mit unseren Frauen feiern. Wir haben dort nichts verloren, wir bleiben
da weg. Doch wo können wir hin? Wir wollten doch ordentlich auf den
Putz hauen. Was bleibt uns denn noch?
Vielleicht sollten wir in eine dieser populären Hütten-Gaudi- und AprèsSki-Butzen einkehren? Das wäre doch was für uns. So schön mit VodkaEnergy in der einen und einer 80-Kilo-Beauty-Queen oder einem HartzIV-Groupie in der andern Hand zu Michael Wendler abdancen? Also zu
dem Wendler. Wäre das nicht ganz geil? Nein, das wäre überhaupt nicht
geil, das wäre mal so richtig schön voll beschissen. Ich möchte nicht
wissen, wie viel Ecstasy wir einschieben müßten, um diese groteske
Pißnelken-Trällerei und die extrem fiesen Low-Budget-Matratzen auch
nur annähernd halbwegs akzeptabel bzw. vögelbar finden zu können.
Und morgens darauf dann völlig verkatert und immer noch voll
verbimmelt neben so einer 80-Kilo-Granate oder der kleinen Zahnfee
vom Vorabend aufwachen? Oder mit viel Pech sogar neben dem
Wendler höchstpersönlich? Igitt. Geht alles mal gar nicht. Und daher
auch nicht in die Hüttenzauber-Zauberhütte.
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Nein, wir gehen jetzt in einen richtigen Trend-Schuppen. So mit richtig
Schickimicki und VIP und so. Wie das legendäre P-1 in München. Nur
eben nicht in München, sondern in einer total abgefuckten und
zugeschissenen Studenten-Stadt wie Göttingen. Voll angesagt, voll
verschärft, ganz klar. Also ab in den Schicki-Bunker, denn hier geht`s
voll scharf:
Auf drei Etagen wird uns hier alles geboten, was das Herz begehrt: Im
Keller ein Dancefloor mit Lounge und VIP-Bereich. Im Erdgeschoß
dann der Mainfloor mit einer kleinen Stage. Und im ersten Stock dann
eine Galerie, von der man auf den Mainfloor herabsehen kann. Und
natürlich einen viel zu kleinen, stinkigen Raucher-Bereich. Das hört sich
doch geil an, das ist unser Laden, das wird unsere Nacht!
Also mischen wir uns unter die Party-People. Yeah! Wir feiern
ordentlich ab, geben uns das volle Programm. Es wird gedanced,
gefeiert, alle drei Etagen werden unsicher gemacht. Flasche Jim Beam
mit Flasche Cola bestellt, noch `ne Flasche Sambuca dazu, für die
Schnallen Pulle Sekt auf Eis, volles Programm eben. Alles super-coole,
trendy People, die hier mit uns feiern. Oder? Oder etwa nicht? Vielleicht
sollten wir uns doch einmal etwas genauer umschauen?! Die PartyPosse etwas genauer unter die Lupe nehmen?! Fuck! Schlagartig wird
uns bewußt, was uns schon beim Eintritt hätte bewußt werden müssen.
Wenn wir nicht schon wieder so besoffen und abgedichtet gewesen
wären. Wir sind hier unter lauter Vollopfern! In einer Vollopfer-Disse.
Heiliger Bimbam! Hilfe!
Schmächtige kleine Kerlchen in C&A-Jackets und mit modifizierten, an
den Seiten kurzrasierten VoKuHiLas umgeben uns. Sie unterhalten sich
oder tanzen mit gestiefelten Dumpfbacken, denen vorher ganz
offensichtlich mit einer Make-Up-Pumpgun aus 30 cm Entfernung voll
übelst in die Fresse geschossen wurde. Übel. Echt übel, ganz übel.
Überschwängliche Cola-Laune. Hier und da sogar ein Prosecco.
Stößchen!!! Unglaublich. Eine Armee von Friseusen, Arzthelferinnen
und Kosmetikerinnen in Ed-Hardy-Uniformen. Machen Prösterchen mit
70-Kilo-Männchen, die stolz ihren 30 cm Bizeps im CK-Shirt Größe S
präsentieren. Bereit für das letzte Gefecht. Die letzte Bastion. Die finale
Vollklatsche. Man muß uns umgehend hier rausholen.
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Dummerweise holt uns aber niemand da raus. Keiner da, keine Hilfe in
Sicht. Und wir sind jetzt sogar noch so bescheuert und gehen in den
Keller. In den Keller! Also zack, Treppe runter, Keller, spitze. Und da
wird es richtig heftig. Da kommt es jetzt besonders krass. Noch krasser
als oben sogar. Immens krass. Wir werden es wahrscheinlich nicht
überleben können. Nein, ganz bestimmt sogar werden wir es nicht
überleben können. Kurz: Wir werden sterben müssen.
Also ab in den Keller, Richtung VIP-Area. Vor der geilen VIP-Area, die
sich als zugequalmte 3x4m-Stinkebutze entpuppt, steht schonmal das
geilste Toastbrot überhaupt. Bauch- und hirnfrei, nichts gelernt, blond.
Kompromißloses Toastbrot eben. Ist jetzt hier aber gerade besonders
wichtig. Darf hier nämlich jetzt die VIP-Area-Managerin mimen.
Exciting. Weil sie sich von einem der Teilhaber des Ladens schön
durchknattern läßt. Disgusting. Während ihr armer, planloser Boyfriend
in dem Scheißladen die Gläser abräumen darf. Amazing. Und die ist
jetzt vielleicht mal wichtig, meine Fresse! Was für eine steile Karriere.
Die ist ja mal sowas von wichtig, das kann man mit Worten schon bald
nicht mehr beschreiben, so wichtig ist die mal. Very important,
importanter geht kaum noch. Kurz gesagt: Wenn hier und jetzt
überhaupt irgendjemand wichtig ist, dann die.
In der VIP-Area selbst wird aber alles noch geiler, viel geiler, auch
wenn man sich das jetzt eigentlich nicht mehr vorstellen kann. Hier geht
jetzt mal so richtig High-Society. Hühnerbrüstige Frühejakulierer im
galanten D&G-Shirt von Ebay, die heute mal mit Papas Benz oder dem
geleasten Boxter unterwegs sein dürfen, geben vor lauter Euphorie und
Selbstgeilheit gleich mal eine Runde Veuve Clicquot aus. Oder sogar
eine ganze Flasche, mein lieber Mann, Stößchen. Vielleicht sogar
Schälchen Erdbeeren dazu, wer weiß. Was uns und die anwesenden
Plastik-Uschis natürlich schwer beeindruckt, denn diese Leute haben es
geschafft. Hut ab! Stars der regionalen Regional-Szene. ProvinzProminenz könnte man sagen. Also die richtig guten Jungens und
Mädels unter sich, alle geil, alle VIP, alle Stößchen.
Es werden Gespräche geführt, die an Belanglosigkeit nicht mehr zu
überbieten sind. Oder vielmehr zu unterbieten. Kommt ganz auf den
Standpunkt des Betrachters an. Wie hart man doch in seinem very
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interesting Job arbeitet. Perhaps 60 Stunden per week. Oder wo und wie
geil man doch die letzten Holidays gespendet hat. Exciting. Und die
sexy VIP-Uschis präsentieren stolz ihre besonders chicen, neuen
Handtäschchen, neue trendy Wampen-Piercings und die hübschen, bunt
angepinselten Krallen aus Plastik. Unbelievable. Da kann einem glatt
einer abgehen, so geil und VIP sind die Leute hier. Styling and Profiling
ist also angesagt, es ist phantastisch.
Daß unser Abend nun aber komplett verschissen ist, dürfte wohl jedem
klar sein. Zum einen haben wir absolut null Ambitionen, eine
dummblondierte Plastikfrau zu vögeln. Zum anderen hätten wir gegen
die anwesenden C&A-Poser eh keine Chance, weil die echt wirklich
richtig geil sind. Ich wüßte auch überhaupt nicht, was ich mit so einer
Schranse machen sollte. Also nachts dann bei mir zu Hause und so.
Wenn ich die dann schön auf acht doppelten Jägermeister und zwei
pakistanischen Viagras nach allen Regeln der Kunst mal so richtig
ordentlich durchballern würde, ohne Wenn und Aber. Kompromißlos
durchzwiebeln. Ein, zwei, drei Stunden, ganz wie es der Dame beliebt.
Keine halben Sachen, richtig soft rangegangen und dann knallhart
durchgezogen, zack. Der sanfte Vulkan! Also mal so richtig ordentlich
das Getriebe schmieren und den Kolben ölen. Die Innenwände
streichen, den Igel kämmen, die Büchse stopfen. Alles ganz easy, völlig
easy, alles kein Problem. Und alles gratis, Stößchen!
Das wäre ein Fest. Unsere kleine VIP-Uschi würde wahrscheinlich
ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Weil die gar nicht glauben
kann, was ihr da widerfährt. Beziehungsweise was ihr da einfährt. Wie
Rotkäppchen, nachdem der böse, geile Wolf über sie rüber ist. Eher
noch wie ein Blinder im Porno-Kino. Oder ein ADHS-Kind auf Speed.
So in etwa. Weil die das so gar nicht kennt und gewohnt ist, was da
gerade abgeht. Also von den VIP-Hampelmännern, mit denen die sonst
so hökert. Schön zehn Minuten die Salami in die Turnhalle, na klar,
besten Dank auch. Motorschaden im ersten Gang. Super. Viel mehr
kommt da nämlich nicht rum bei den Luftpumpen. Das kann man dann
auch gleich bleiben lassen, wäre zumindest ehrlicher.
„Hey Baby, ich mache hier zwar ziemlich einen auf dicke Tasche, aber
untenrum ist eher dünnes Lüftchen angesagt.“
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Das wäre doch mal eine ehrliche Ansage. Sehr solides Statement. Und
ziemlich cool obendrein. Meinen Respekt hätte er.
„Süße, meiner ist zwar nicht besonders lang, aber dafür echt dünn.“
Nein, so weit wird es nie kommen, sowas gibt keiner gern zu. Ist aber
vielleicht auch besser so. Also für den Fall, daß wir mal so eine VIPse
abschleppen. Dann haben wir zumindest das Überraschungsmoment auf
unserer Seite. Gleich am Anfang, wenn unser Aal rausguckt. „Guten
Abend, die Dame, ich bin Herr Aal und werde Sie durch diese Nacht
begleiten.“ Uiii... Oder wenn unser Aal dann loslegt. Und zack, bricht
unserer kleinen VIPse doch glatt ein Zacken aus der Krone. Oder
vielmehr aus der Dose. Aus ihrem kleinen VIP-Döschen.
Und wenn die dann am nächsten Morgen mit knallroter Birne und
Muskelzerrung in den Adduktoren bei uns aufwacht. Was erzählt man
denn mit so einer morgens? „Willste auch ein Krombacher zum
Frühstück?“ Wohl kaum. „Na Schwester, haste ordentlich Schlacke auf
der Dose?“ Wäre auch ganz geil. Wäre total lustig, aber nicht für sie.
Also auch nicht. „Hast was von der Ecstasy gemerkt, die ich Dir letzte
Nacht in den Sekt gebröselt habe?“ Also das sollten wir dann wohl
besser mal auch nicht fragen. Man kann sich drehen, wie man will, es
kommt einfach kein sinnvoller Dialog zustande. Es macht überhaupt
keinen Sinn, irgendeine Unterhaltung anfangen zu wollen. Es ist fast so
wie mit unserem Vollidioten aus Kapitel 2. Mit dem muß man auch
nicht reden wollen. Kann man ja auch gar nicht. Kommt bestenfalls
Schwachsinn und / oder ein paar auf`s Maul bei raus.
Also lassen wir unsere kleine Zaubermaus lieber gleich da, wo sie ist.
Nämlich bei ihren VIPs. Ist für alle Beteiligten am besten so. Unser
Abend ist eh gelaufen, drauf geschissen. Denn zumindest konnten wir
nun die Eigenwahrnehmung der Vollopfer untereinander abgrenzen.
Was ja auch Primär-Ziel dieses kleinen VIP-Exkurses war. Unsere
Vollopfer nehmen sich demnach untereinander als impertinent wichtige
und einzigartige, vor Selbstgeilheit hell erstrahlende Schneeflöckchen
wahr, deren banale Scheiß-Laberei als der Weisheit finaler Schluß
untereinander und auch vor Dritten präsentiert wird. Herzlichen
Glückwunsch dazu. Und natürlich Stößchen!
98
Solange man lebt, soll man rauchen.
(Helmut Körschgen)
bb) Fremdwahrnehmung
Die Fremdwahrnehmung unseres Vollopfers -also wie unser Vollopfer
durch eine außenstehende dritte Person wahrgenommen wird- hätten wir
somit ansatzweise auch bereits analysiert. Denn unser Vollopfer nimmt
sich selbst und andere Vollopfer komplett realitätsfremd wahr. Also
geil, einzigartig, clever, important, blabla. Haben wir alles zu Genüge
durchgekaut, mehr als uns lieb ist, muß reichen. Und daß unser
Vollidiot das ähnlich sieht, sollte auch klar sein. Unserem Vollidioten
reicht schon der Anblick von ein paar blondierten Haaren oder
aufgepolsterten Hupen. Am besten noch ein paar Stiefel oder
sogenannte High Heels dazu, und zack, ist es wieder geschehen. Schon
hat unser Vollidiot wieder die Hand an seinem Genital und muß
onanieren. Ahhh! Er streichelt den Aal, zähmt die Natter, macht die
Nudel al dente, na klar. War nicht anders zu erwarten gewesen.
Aber er kann nichts dafür, wir dürfen es ihm nicht übel nehmen. Er muß
es tun, er kann nicht anders. Sein Hirn sitzt nunmal knapp 90 cm tiefer
als bei anderen Menschen, und es ist voll mit weißer, nutzloser Grütze.
Folglich muß unser Vollidiot das Vollopfer anhimmeln. Er findet es also
auch sehr geil, einzigartig, clever, important, amazing, exciting,
sonstwas. Wodurch sich unser Vollopfer dann natürlich noch geiler
findet, soweit das überhaupt noch möglich ist. Ein Teufelskreis! Zudem
allerdings auch die erste Verbindung zwischen Vollidioten und
Vollopfer. Der Erstkontakt, in der Tat. Später mehr dazu. Uns soll an
dieser Stelle vielmehr interessieren, wie andere Menschen unser
Vollopfer wahrnehmen. Andere, normale Menschen, die nicht
irgendwas mit Voll zu tun haben. Also eben ganz normale Idioten,
Fremdopfer und Honks wie Du und ich.
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Und wie gehen wir hierbei am besten vor?! Wie kriegen wir das am
ehesten raus?! Wie können wir diese Fremdwahrnehmung am
schnellsten eruieren?! Richtig, mit dem Konsum von TV. Und zwar mit
dem Konsum von Aso-TV und Opfer-TV. Also von beidem. Beides
muß konsumiert werden, idealerweise in einer Art Mischform. Ist zwar
voll Scheiße, aber muß sein. Denn es dient einem höheren Zweck. Es
dient der Recherche. Ätzend, voll ätzend. Aber nicht zu ändern. Also
Augen auf, Arsch zu, und durch!
Zwei Wodka-RedBull rein, Glotze an, Abfahrt. Idealerweise an einem
Sonntagabend. Da hat man noch genug Rest-Alk von Freitag und
Samstag drin. Da ist man quasi noch ziemlich sediert, da puckert es
nicht ganz so doll im Kopf. Eventuell noch 25 bis 50 mg Doxepin dazu,
Hardliner können auch Tetrazepam anwenden, ganz nach Belieben. Uns
reicht heute der Rest-Alk zuzüglich der leckeren zwei Wodka. Man muß
sich auch mal quälen können. Sagt man doch immer so schön bei
Sportlern. Und wir sind dann heute halt mal Sportler. Extrem-Sportler
sogar. Gehirn-Akrobaten. Also Glotze an, heute gucken wir mal VOX,
mal was anderes.
Nachdem wir vier C-Promis gefühlte sechs Stunden und weiteren vier
Wodka-RedBull beim Kochen, Fressen und Dummschwätzen zusehen
durften, folgt unser Highlight des Abends: Prominent! Hurra! Mit
Constanze Rick, ganz toll. „Guten Abend und herzlich Willkommen zu
einer neuen Ausgabe von Prominent. Mein Name ist Constanze Rick,
und das sind heute unsere Themen.“ Und schon wird kurz aufgezählt,
welche spannenden Themen heute behandelt werden:
Der Wendler hat irgendwelche Schulden für seine Eltern bezahlt.
Glückwunsch, schönes Ding, interessiert mich einen Scheißdreck. Von
mir aus kann sich der Wendler auch in das Wendler oder ihm sein
Wendler oder Wum & Wendolin umbenennen, mir völlig Latte. Solange
er mich mit seiner Kirmes-Mucke verschont, kann er tun und lassen,
was er will. Soll er meinetwegen Nadja von den NoAngels knattern,
denn über die folgt der nächste Beitrag. Nadja hat scheinbar HIV und
wohl auch die ein oder andere Person damit infiziert. Glückwunsch,
Stößchen. Und daß bald die ganze Dritte Welt an AIDS abnippelt,
interessiert kein Schwein. Aber egal.
100
Denn als nächstes will man jetzt analysieren, wie man prominente
Personen beim Lügen ertappt. Uiii, also das wollte ich ja schon immer
wissen, da bin ich ja total gespannt drauf. Und das ist bestimmt auch
ganz anders als bei nicht-prominenten Personen. Denn während eine
normale Person errötet oder verlegen nach unten blickt, sieht das bei
Promis nämlich gleich ganz anders aus. Man denke da nur an Jim
Carrey in Der Dummschwätzer. Da hat man es ja gleich bemerkt. Der
hat sich ja nur noch verhaspelt und verplappert. Oder an Pinocchio. Mit
der langen Nase, die alte Sau. Auch ziemlich offensichtlich. Oder
beispielsweise Osama Bin Laden. Bei dem geht bestimmt der Turban
hoch, wenn er lügt. Ich hab` mit dem 11. September nix zu tun! Und
zack, klebt er mit der Birne an der Höhlen-Decke, abfeier.
So, und diese sensationellen Erkenntnisse will man uns dann an der
hiesigen Promenaden-Prominenz verdeutlichen. Super, ich freue mich
jetzt schon auf diesen besonders sinnvollen Beitrag. Einen Beitrag, auf
den die Welt lange hat warten müssen. Und ganz besonders ich. Man
kann mit normalen Worten bald nicht mehr umschreiben, wie lange ich
schon auf solch einen Beitrag gewartet habe. Echt jetzt, kein Witz.
Wahrscheinlich saufe ich deshalb auch immer so viel. Weil ich die
Ungewißheit, ob ein Promi lügt oder nicht, anders nicht mehr ertragen
kann. Ganz toll, hätten wir das also auch endlich geklärt.
Letztes spannendes Thema soll dann ein Beitrag zu Chiara Ohrhovens
neuer Frisur sein. Okay, darauf hat die Welt noch viel länger warten
müssen. Endlich! Chiara Ohrhovens neue Frisur! Ich vermute mal, daß
das die Olle von dem Ich-muß-weg!-Typen von Stefan Raab ist?! Oder?
Ist aber eigentlich auch komplett scheißegal, denn die Glotze muß
wieder aus. Ich muß nämlich auch weg. Und zwar sofort. Runter in den
Garten. Sofort. Bißchen Hecke rauchen, runterkommen. Ganz schnell
jetzt. Hecke kommt jetzt gut, gute Hecke, lecker Hecke. Ich hätte die
zweieinhalb Stunden Promi-Dinner vorher nicht gucken dürfen. Und
davor noch den feisten Klops auf PRO7, der sonntags immer für Galileo
in einem winzigen Auto durch die Gegend fährt und irgendeinen XXLSchweinefraß testet. Auweia, der gute Galileo Galilei würde sich im
Grabe umdrehen, wenn er wüßte, daß er gut 350 Jahre nach seinem Tod
Namens-Pate für so einen Nonsens ist. Galileo, das Wissensmagazin. Na
ganz toll, ganz tolles Wissensmagazin.
101
In besagter Folge zeigen sie erst 40 Minuten lang den Dicken, wie er
drei Pizzerien testet und sich dabei mit allerlei absurden Spar-Witzen
um Kopf und Kragen kalauert. Nachdem das dann geklärt ist, dürfen für
den Rest der Sendezeit die Zwillinge Pia und Tinka irgendwelche
schwachsinnigen Gartengeräte testen. Nein, sorry, Garten-Gadgets muß
es ja heißen. Weil Inspektor Gadget die gebaut hat. Und weil es
besonders trendy klingt. Wobei ich mich an dieser Stelle vielmehr frage,
wo man eigentlich solche Leute wie die Zwillinge Pia & Tinka
herkriegt?! Die müssen ja von irgendwo her sein. Aber von wo? Spricht
der Sender die irgendwo auf der Straße an? Oder fotografieren die ihre
Fressen und bewerben sich dann bei diversen Sendern, um bei
entsprechender Gelegenheit für irgendeinen blödsinnigen Beitrag
sinnloses, schmückendes Beiwerk darzustellen? Um Bafög oder Stütze
aufzustocken? Oder auch endlich mal im TV zu sein? Keine Ahnung,
auf jeden Fall sind die nun da und grinsen und testen diverse besonders
sinnvolle Garten-Gadgets.
Wahrscheinlich züchtet PRO7 solche Leute per Gentechnik im
hauseigenen Untergrund-Labor. Direkt unter dem Sender. Und Daniel
Aminati klingelt dann kurz telefonisch durch, wenn er mal wieder
welche braucht. „Hallo, hier ist der Daniel von Galileo, ich bräuchte mal
wieder zwei eineiige Männchen für die nächste Folge G, braune Haare,
schläulich dreinblickend, so um die Mitte 20. Besten Dank.“
Schauderhafter Gedanke.
Wobei der arme Aminati ja derzeit taff moderieren muß. Ja, ganz
richtig, taff. Der Ärmste. Was hat der denn wohl verbrochen? Keinen
blassen Schimmer, aber es muß irgendwas ganz Furchbares gewesen
sein, irgendwas unfaßbar Entsetzliches. Ansonsten wäre diese
Strafversetzung nicht erklärbar. Bei PRO7 wird man nämlich nicht
abgemahnt, bei PRO7 wird man gleich strafversetzt. Und taff ist die
Höchststrafe, taff ist Zuchthaus, Arbeitslager, ganz klar. Im Gegenzug
darf Lachkasper Stefan Gödde jetzt Galileo moderieren. Na klar, Stefan
Gödde und ein Wissensmagazin. Wie authentisch. Und ich gewinne
morgen mit dem Drecksbuch hier den Pulitzer-Preis. Und feiere dann
drei Wochen Koks-Party mit den Zwillingen Pia & Tinka. Ein absurd
geiler Gedanke, abfeier. Und der Dicke von Galileo darf uns den Stoff
in XXL-Paketen anliefern. Stößchen!
102
Wie auch immer, ich hätte das alles vorher nicht ansehen dürfen. Das
alles hat mich schon zu weit ans Limit gebracht. Man könnte durchaus
behaupten, daß ich mich in diesem Fall etwas zu weit aus dem Fenster
gelehnt habe. Was für eine Überraschung. Erst Galileo, dann PromiDinner, und dann auch noch Prominent! Unmöglich. Nicht zu schaffen.
Eine ausgemachte Torheit war es von mir, sich der Illusion hinzugeben,
nach diesem ganzen Kaspertheater noch eine komplette Ausgabe
Prominent! verfolgen zu können. Was bin ich doch für ein wirrer
Schafskopf. Denke ich mir beim Rauchen der frischen Hecke. Ein
ausgemachter, überheblicher Hornochse. Aber was soll`s, jetzt ist es zu
spät. Muß ich das eben morgen nachholen, muß ich mir morgen eben
taff reinziehen. Auf PRO7.
Oh nein, nicht schon wieder PRO7. Die haben doch schon mit GNT den
Vogel abgeschossen. Was ist denn bloß aus meinem schönen PRO7
geworden?! PRO7 war doch mal PRO7! Und jetzt?! Jetzt haben wir
PRO-BLÖD. Nur blöd. Na toll. Wahrscheinlich mußte man auch bei
PRO7 dem Zeitgeist Tribut zollen. Beziehungsweise dem Umstand, daß
von 8 bis 18 Uhr nur Goons und Pansen vor der Glotze sitzen. Wäre für
mich die einzige plausible Erklärung. Genau, so muß es sein. Mit dieser
weisen Erkenntnis -und umnebelt von der schönen Hecke- kippe ich
bewußtlos in Garten um. Endlich. Was für ein Tag.
Mein Vater weckt mich gegen 14 Uhr mit einem Eimer Wasser über den
Kopf, weil ich ihm die freie Fahrt beim Rasenmähen versperre.
Unerhört, was für ein uncharmantes Vorgehen. Und das am frühen
Morgen. Wutentbrannt springe ich auf und will ihm dafür gerade eine
Ermahnung aussprechen, da kriege ich einen Mords-Nachdurst von der
doch sehr würzigen Vorabend-Hecke. Also verlasse ich zunächst den
Garten und gehe zielstrebig ins Haus, um den nassen Klamotten zu
entsteigen und mir einen Durstlöscher zuzubereiten.
Richtig gut kommt bei so einem Nachdurst immer ein leckerer Eistee.
Also ran an den Mixer. Jeweils 12 cl Tequila, Cointreau, Gin, weißer
Rum, Wodka, Zitronen- und Orangensaft rein, und das Ganze mit etwas
Cola aufmixen. Nach Belieben noch ein wenig Eis dazu, fertig. Schon
hat man einen guten Liter leckeren Eistee. Für mich sowieso der
absolute Eistee-Klassiker. Rezept ist aus Long Island. Sehr isotonisch,
103
sehr vitaminreich. Unerhört aromatisch noch dazu, fast schon
unverschämt aromatisch. Und der Pegel ist auch gleich wieder auf
einem erträglichen Level. Das Aroma schmeichelt eben noch dem
Gaumen, und zack, schon ist der Stoff im Kopf. Ein sehr ehrliches
Getränk, moralisch einwandfrei. Eben ein absoluter Klassiker.
Es folgt ein opulentes Frühstück. Zwei Long-Island-Eistee und eine
vom letzten Grillabend übrig gebliebene grobe Bratwurst lassen den
Nachdurst unglaublich schnell verschwinden. Den dritten Eistee fülle
ich mir in einen trendy To-go-Pappbecher mit Plastikdeckel und
Strohhalm, wie man ihn von McDonald`s und so kennt. Nur ist mein
Pappbecher nicht To-go, sondern To-ausflipp, weil ich dies just im
selben Moment leider schon wieder tun muß. Soll heißen, daß ich
meinen rasenmähenden Vater schon wieder rügen muß. Daß der nie
wieder meinen Rasen mähen darf, wenn er das mit dem Eimer Wasser
noch einmal macht. Aber er wird es doch wieder tun. Ungeheuerlich. Er
tut es immer wieder! Im Sommer ist das ja nicht so schlimm, aber wenn
er das im Winter tut, kann es sehr verheerende Folgen nach sich ziehen.
Geradezu irreparable Schäden verursachen. Von der Kopfgrippe anno
1998 habe ich mich bis heute nicht erholt. Behaupten zumindest böse
Zungen. Das dürfte dann auch einiges hier erklären.
Aber damit kann ich mich jetzt leider nicht befassen. Denn es liegt
Arbeit vor mir. Viel Arbeit, harte Arbeit. Also schnell wieder ab ins
Haus. Und ab ins Bett. Ich schaffe es gerade noch, den Wecker auf
16.45 Uhr zu stellen. Danach falle ich erschöpft ins Bett. Dieser
Vormittag hat mir alles abverlangt. Ich habe mich total verausgabt.
16.45 Uhr. Das ging mir aber viel zu schnell, und ich bin auch noch
wahnsinnig müde. Also zügig zwei Eistee rein, die ich in weiser
Voraussicht bereits neben das Bett gestellt habe. Die helfen natürlich
sofort. Glotze an, Popo-Loch zugekniffen, und ab dafür.
taff startet um 17 Uhr und wird derzeit von Annemarie Warnkross
(logisch) und vom strafversetzten Daniel Aminati moderiert. Wobei
moderieren wohl eher das falsche Wort ist. Ganz großes Tennis
umschriebe es besser. Epochalstes Laienschauspiel. Luke, ich bin Dein
Vater. Und Annemarie hier ist Deine Mutter. Neeeeeeiiiiiin!!!!!
104
Egal. Los geht`s mit einem Bericht über den Deutschen Filmpreis 2009.
Zwei Hauptfragestellungen sollen dem interessierten Zuschauer hierbei
erörtert werden. Erstens: Wie wird man eigentlich Filmstar? Und
zweitens: Warum gibt es bei dieser Veranstaltung so wenig zu essen?
Diesen beiden Fragestellungen wird mit dem anwesenden CateringPersonal und einigen mir nicht näher bekannten Promis auf den Grund
gegangen. Schöner Eröffnungsbeitrag, reicht.
Es folgt eine sehr gelungene Schauspiel-Einlage der Moderatorin
Warnkross, die aus einem hysterischen Kreischen besteht. Aha. Wir
erfahren dann nämlich, daß es im nächsten Beitrag um die spannende
Frage gehen soll, wo die Fans am lautesten kreischen: Bei Zac Efron in
Berlin oder bei Ciley Myrus in München. Und noch einmal hysterisch
aufgekreischt von Fräulein Warnkross, sehr schön, sehr talentiert.
Spricht mich total an, weiter so. Während ich mir allerdings die
brennende Frage stelle: Who the Fuck sind Zac Efron und Ciley Myrus?
Wird hoffentlich in dem nun folgenden Beitrag geklärt. Und tatsächlich,
Zac Efron ist ein junger Schauspieler, der gerade einen Film abgedreht
hat und diesen nun in München vorstellt. Man erfährt, daß seine Fans
hauptsächlich Teenies sind. Oho! Dagegen stellt Ciley Myrus gerade
einen Film in München vor, und ihr Publikum besteht hauptsächlich aus
Kindern. Soso. Die spannende, themeneröffnende Frage, welche Fans
denn nun lauter kreischen, wird dann aber leider irgendwie doch nicht
erörtert.
Ist egal, weiter geht`s mit dem taff-Klatsch. Aha, jetzt kommt Klatsch.
Ach so! Und was war der andere Mist bis jetzt? Wirtschaftswoche? Das
literarische Quartett? Bildungsfernsehen? Unglaublich. Auf jeden Fall
wird nun festgestellt, daß Sharon Stone viel zu dünn ist (vgl. PoshSpice-Headknocker), ganz toll. Und daß Mark Terenzi, der süße, kleine
Ex-Stecher von Sarah Connor, nun mit einer gewissen Lisa Gina
zusammen ist, die ich aber auch nicht kenne. Die dafür aber ganz tolle
Hairextensions hat, die auch total echt aussehen, echter geht schon bald
nicht mehr. Und deren Stimme sich anhört, als würde Axl Rose voll auf
Crack ein Duett mit Alf singen. So oder ähnlich. Auf jeden Fall
stimmlich absolut kein Vergleich zum Delmenhorster Nasenbär, so viel
steht mal fest. Wobei mir persönlich die ganze Kiste völlig am Arsch
abgeht. Sorry, ist aber nunmal so.
105
Als nächstes erfahren wir, daß Englands Vorzeige-Plastik-Bumse Katie
Price nun Marathon läuft, was auch besonders viel Sinn macht.
Während der Schwangerschaft schön saufen und koksen, um dann
logischerweise ein schwerbehindertes Kind zur Welt zu bringen, und
jetzt Marathon laufen. Kopfschuß! Kann die bitte mal jemand von ihrem
Leid erlösen?! Bitte irgendjemand?! Irgendeiner hier?! Nein? Dann muß
ich es wohl machen. Gewährt mir vollständige Amnestie, und ich mache
es. Kein Witz, versprochen. Viel schlimmer aber noch, daß selbst taff
sich nicht zu schade ist, über diese Transe zu berichten. Herr, bitte
schmeiß Hirn vom Himmel. Bitte schnell. Und für alle Beteiligten.
Grenzenloses Aso-Opfer-TV, nichts ist mehr heilig.
Und als wäre das alles nicht schon pervers genug, nimmt man
Moderator Aminati jetzt noch den letzten Funken Würde und gibt ihn
vollends der Lächerlichkeit preis, indem man ihn den nächsten Beitrag
in Unterhose anmoderieren läßt. Es geht nämlich um die neueste Mode
der Saison für Männer. The latest Fashion quasi. Yeah, Baby! Und laut
Dolce & Gabbana soll es in diesem Frühjahr besonders chic aussehen,
sich mit Cowboyhut, Hemd, Krawatte, Hot Pants und Kniestrümpfen zu
kleiden. Lächerlich. Ich laufe schon seit Jahren so rum. Das ist schon
seit Jahren Trend bei mir. Man kennt mich schon gar nicht mehr anders.
Schön Strohhut auf den Kopf, Unterhemd, weite Buchse mit schön
Klöten raus an einer Seite und weiße Tennissocken schön hoch bis in
die Kniekehle. Yeah, Baby! Und bei der Gartenarbeit noch ein paar
schöne Biker-Boots dazu an, das kommt krass. Voll krass. Alles in
allem also der erste Beitrag, den ich nachvollziehen kann. Weil ich ein
Fashion-Victim bin. Wenn ich auch nicht damit übereinstimme, daß das
erst jetzt Trend geworden ist.
Ein weiteres Laienschauspiel unserer beiden Moderatoren, diesmal
beide mit Hut, Sonnenbrille und Mundschutz. Der Witz an der Sache
soll wohl sein, daß man nun einen Beitrag anmoderiert, der sich mit der
Thematik auseinandersetzt, wie man sich wohl als Promi fühlt. Meines
Erachtens ein sehr gelungener Scherz. Wirklich sehr gelungen, zudem
eine besonders kecke Anmoderation. Voller Jux rümpfe ich die Nase,
denn das hat mir äußerst gut gefallen. Und im PRO7-Untergrund-Labor
hat man dazu auch gleich einen Witzbold geklont, der das alles testen
soll, indem er sich als Jacko Jackson verkleidet.
106
Okay Freunde, gönnt mir eine kleine Pause. Ich habe ja wohl ziemlich
gut durchgehalten bis hierhin, oder?! Bis hierhin, und erstmal nicht
weiter. Erstmal bitte Pause, kurzes Päuschen, ja?! Also nur kurz runter
in Garten, bißchen Rest-Hecke, bißchen Wodka, dann geht`s gleich
weiter. Bißchen Nervennahrung, kleines Gehirn-Knoppers, kurz den
Kanal freiblasen. Meine Kapazitäten sind limitiert, bis gleich.
Mann, war das mal erfrischend! Unfaßbar erfrischend! Und auf PRO7
ist auch gerade Pause gewesen, so daß wir nicht allzu viel verpaßt
haben. Weiter geht`s mit Lady Gaga, die nach eigener Aussage „die
Welt mit Glitzer und Glamour verändern“ will und sich unter anderem
mit Paris Hilton unterhält. Ein löbliches Unterfangen, sehr edel. Denn
wenn man heutzutage mit irgendetwas die Welt verändern kann, dann ja
wohl mit Glitzer und Glamour. Gut zu wissen. Ich Naivling hatte
nämlich gedacht, daß das eher mit Macht, Geld und Waffen ginge. Aber
jetzt weiß ich es besser. Und mit dem Gedanken im Kopf, wie 1683 die
Türken vor Wien Paris Hilton in eine Kanone stecken und gegen die
Stadttore Wiens abschießen, lache ich laut auf und widme mich dem
nächsten Beitrag. Hach, wie geil das nun wieder wäre.
Es folgt eine Vorschau auf die nächste GNT-Folge, in der sich die
Mädels unter anderem in Zweier-Paaren selbst fotografieren sollen. Bei
einem Paar klappt das aber nicht so gut, und Peyman und Rolf gefallen
die Photos dann auch überhaupt nicht. Dafür wird den beiden Mädels
dann auch eine Rüge erteilt. Peyman kann das alles nicht mehr mit
ansehen und geht sogar noch einen Schritt weiter: Nach eigener
Aussage würde er sich jetzt am liebsten die Haare raufen, wenn er denn
welche hätte. Amazing, Peyman, ganz amazing. Und natürlich auch
Overselling to the extreme, wie sich das für GNT eben gehört.
Es folgt eine weitere Werbepause, in der unter anderem ein neues
Show-Format von PRO7 beworben wird. Es ist ein Format mit DJ Bobo
und trägt den sehr originellen Titel Germany`s Next Showstars. Da wäre
ich ja nie drauf gekommen. Ihr verrückten Hunde, Ihr! Wie originell ist
das denn bitte?! Ihr kommt immer auf Ideen, verrückt. Und sensationell
originell, phantastisch. Auf jeden Fall ist nach der Werbung bei GNT
dann wohl auch alles wieder in Ordnung, denn abermals wird albern
und dummdreist rumgekreischt, sehr schön.
107
Es folgt der taff-Trend, welcher mit ganz wichtigen News über Ciley
Myrus beginnt. Wat? Ciley Myrus? Schon wieder? Déjà-vu? Besoffen?
Nein, es geht tatsächlich schon wieder um Ciley. Irgendwas besonders
Wichtiges, das ich mir aber nicht merken konnte. Sorry.
Wir erfahren dann, daß pink und blau die Farben dieses Frühlings sind,
ferner Keilabsätze und selbst angepinselte T-Shirts, die total beschissen
aussehen. Ach ja, und bauchfrei ist auch wieder total in. Na klar,
bauchfrei. Ist ja wieder sowas von in, das glaubt man gar nicht mehr.
War aber eigentlich auch nie out. Genau wie hirnfrei. Ist ganz
offensichtlich auch wieder voll in. Bauchfrei tragen ja zum Glück auch
nur die, die es sich wirklich leisten können. Also vorne schön gepiercte
Wampe, an den Seiten ordentlich Hüftgold, und hinten als Krönung ein
hübsches Arschgeweih, sorry, Steißtribal. Ich stehe total auf bauchfrei,
bin ein absoluter Bauch-Fetischist. Zumindest beim Vorliegen eben
beschriebener Wampe-Hüftgold-Arschgeweih-Kombo. Ahh, da werde
ich schon wieder scharf wie ein Radieschen.
Top der Woche sind Hippie-Klamotten, logisch. Flop der Woche sind
irgendwelche pottenhäßlichen Louis-Vuitton-Latschen für 2.000 Euro,
wie sie Headknocker Posh Beckham trägt. Da fällt mir ja ein Stein vom
Herzen. Denn diese Louis-Vuitton-Latschen standen ganz oben auf
meiner Must-have-Liste. Glücklicherweise schicke ich den Boten immer
erst mittwochs los, um meine Besorgungen zu erledigen. Kann ich die
Latschen erstmal von der Liste streichen, ruckzuck mal eben schön
2.000 Euro gespart. Vielen Dank, liebes taff-Team.
Und damit endet taff auch schon für heute. Ufff!!! Vor lauter
Verzückung pfeifft mein Arschloch die schönsten Töne, die man sich
vorstellen kann. Melodien für Millionen! Beethovens Für Elise. Nein,
sogar Beethovens Neunte. Komplett. Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium. Herrlich. Ich bin happy! Vor lauter Euphorie
merke ich gar nicht, wie die Nachrichten noch an mir vorbei rauschen.
Nein, sorry, bei PRO7 muß es ja Newstime heißen. Klinsi bei den
Bayern raus, Schweinegrippe in Europa, billige Fahrradhelme sind
besser als gar keine. Dankeschön, Danke für nix. Schnell noch das
Wetter, und dann die Simpsons. Freude, schöner Götterfunken, ich bin
gerettet. Ab durch die Hecke! Herzlichen Glückwunsch. Stößchen!
108
Alles in allem ein unfaßbarer Abend. Beziehungsweise später
Nachmittag. Ein unfaßbarer später Nachmittag also. Es ist ja erst kurz
nach 18 Uhr. So früh noch, und schon alles erledigt. Morgenstund hat
Gold im Mund. Eine überaus angebrachte Bemerkung. Zumindest, wenn
man um 16.45 Uhr aufgestanden ist. Und anderthalb Stunden später
bereits sein komplettes Tageswerk vollbracht hat. Insoweit eigentlich
vielmehr ein unfaßbarer früher Morgen. Also jetzt mal rein von der
inneren Uhr betrachtet. Phantastisch. Zur Feier des Tages werde ich
heute wohl mal einen trinken. Stößchen!
Stößchen? Von wegen. Nix da, nix Stößchen, hat sich was mit
Stößchen. Kein Stößchen mehr, hat sich ausgestößelt. Denn jetzt ist es
vorbei mit Stößchen, jetzt gibt es nämlich den Stoß. Den Kopfstoß. Den
krassen Kopfstoß, den Headbutt. Zack! Es gibt den Zidane!
Denn nicht nur, daß wir bereits unser Tageswerk verrichtet haben und
nun ganz ad hoc ein Saufgelage am frühen Abend veranstalten können,
was sehr ungewöhnlich ist. Nein, vielmehr haben wir eben gerade ganz
unbewußt die Fremdwahrnehmung unseres Vollopfers durch Dritte
illustriert. Ein ganz entscheidender Schritt, geradezu bahnbrechend für
die folgende Analyse. Welche nun lediglich noch darin besteht, eine
Attribution für das soeben Illustrierte zu finden. Nur noch eine
abschließende Frage zu beantworten:
Wie bewertet ein geistig relativ normal gebliebenes Individuum (z. B.
Idiot, Fremdopfer, Honk) das auf den letzten Seiten beschriebene,
hanebüchene Szenario? Wie beurteilt also ein normales Individuum
soeben erschöpfend beschriebenes Aso- bzw. Vollopfer-TV bzw. diesen
ominösen Mischmasch daraus inkl. der Protagonisten?
Klare Antwort: Absurd, banal, beschissen.
Sonst noch ein Wunsch?! Damit sollte eigentlich alles gesagt sein.
Einfach nur Scheiße. Hingekackt und hingeschissen. Abgeseilt,
weggedrückt, rausgequetscht. Bah! Für einen halbwegs normalen
Menschen unerträglich. Unwichtiger als ein Mückenfurz. Und nicht
einmal halb so aussagekräftig. Die banalste Gülle auf der ganzen Welt,
jedem Bauern ginge Kraut und Rüben ein, würde er damit seinen Acker
109
düngen. Bah, voll zum Kotzen. Nichts als heiße Luft und Maulfürze von
und mit und über irgendwelche Hampelmänner und Orgelpfeifen, die
keiner kennt. Die man auch gar nicht kennen will. Die nur einschlägigen
Toastbroten und Gehirnakrobaten bekannt sind. Aus suspekten, niederen
und nicht mehr nachvollziehbaren Gründen.
Und wenn dann doch mal einer / eine mit dabei ist, den / die man kennt,
wird der / die dann scheinbar schlichtweg von irgendwem zum ScheißeLabern genötigt. Meist durch irgendeine selten dämliche Frage
irgendeiner selten dämlichen Grinse-Hackfresse mit einem Mikro in der
Hand. Ätzend, voll ätzend. Ein total ätzendes Szenario. Und GNT toppt
alles. Alles! Allein die fratzenziehende Protagonistin, reicht schon. Und
wenn die dann auch noch ihr dummes Maul aufmacht, um unentwegt
und unaufgefordert banalsten Verbal-Diarrhoe in die Welt zu kotzen, na
dann gute Nacht. Das ist das absolute Non-plus-ultra, das ist der SuperGAU. GNT toppt alles!
Für uns läßt sich das Gesagte tabellarisch also wie folgt einordnen:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
Fremdopfer
normal dumm
positiv
tragisch
sehr banal
dümmlich
ungeil
irgendwo clever
unzufrieden
Vollopfer
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
fast clever
positiv
tragisch
sehr wichtig
clever
geil
So, jetzt ist es raus. Die Bombe ist geplatzt, der Drops gelutscht.
Herrlich! Endlich! Einmal mußte es gesagt werden, und jetzt wurde es
gesagt, abfeier! Ahh! Ich fühle mich komplett erleichtert. Genau wie
nach der Arschkotzerei zu Beginn dieses Kapitels. Doch diesmal nicht
physisch, sondern psychisch. Ahh! Phantastisch, Stößchen! Bleibt nur
noch der tatsächliche Status unseres Vollopfers zu klären.
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Wo haben Sie eigentlich gelernt, so zu reden? In Panama-City, in einer
Du-Ficki-Ficki-Seemans-Bar? Oder machen Sie heute Ihren Abflug und
haben sich mit seinem Whisky vollgetankt? Verkaufen Sie diesen
Wahnsinn woanders. Wir sind damit eingedeckt, bis obenhin.
(Melvin Udall)
cc) Tatsächlicher Status
Die Leute fragen mich immer, ob ich keine Klobürste habe. „Sag` mal,
hast Du eigentlich keine Klobürste?“ Tolle Frage. Eigentlich eine selten
dumme Frage, weil komplett überflüssig. Denn die Person, die mir diese
Frage stellt, kommt ja zwangsläufig gerade von meinem Lokus und hat
dort feststellen müssen, daß es keine Klobürste gibt. Es existiert keine.
Nicht auf dem Lokus und sonst natürlich auch nirgendwo im Haus. Also
eine ziemlich dumme und unnötige Frage, ganz klar. Okay, wäre die
Person, die mir diese Frage stellt, Vertreter für WC-Artikel, dann
meinetwegen. Dann kann man das ruhig mal fragen. Quasi als Offerte
für ein folgendes Verkaufsgespräch. Dann ja, dann macht das Sinn.
Oder wenn diese Frage von einer mittelschwer schizophrenen Person
käme, die in ihrem paranoiden Schädel vermutet, daß die Klobürste
vielleicht irgendwo versteckt ist, weil es in Wirklichkeit gar nicht die
Klobürste ist, sondern das Zepter des Heiligen Benjamin von Persien, ja
dann könnte man diese Frage auch sehr gut nachvollziehen. Dann wäre
das sogar eine äußerst sinnvolle Frage. Aber unter normalen Umständen
eben nicht. Unter normalen Umständen bzw. bei normalen Gästen
absolut nicht nachvollziehbar.
Unter normalen Umständen ist diese Frage sogar richtig hohl und
unverschämt und kackfrech noch obendrein. Ich muß mich dann immer
richtig zusammenreißen, damit ich dem Fragesteller nicht eine reinhaue.
Weil ich nämlich überhaupt nicht weiß, ob der tatsächlich so bescheuert
ist, oder ob er mich nur verarschen will.
111
Um nicht stets in Verlegenheit zu geraten, meinen Gästen eine
reinhauen zu müssen, habe ich mir seinerzeit für solche und ähnliche
Notfälle bzw. überflüssige Fragen, die mich wütend machen, eine Art
Erste-Hilfe-Box zusammengestellt. Ein Survival Kit, um selten dämliche
Fragen gewaltfrei meistern zu können. So könnte man es nennen, das
umschreibt es ziemlich gut. Vielmehr sind es mehrere, identische
Boxen, die allesamt denselben Inhalt aufweisen, und von denen ich stets
eine in greifbarer Nähe haben muß.
So habe ich beispielsweise in meinem Haus in jedem Zimmer eine
solche Box positioniert. Im Wohnzimmer zwei, im Flur sogar drei. Für
den Fall der Fälle. Wenn`s mal wieder soweit ist, wenn`s mal wieder
brennt. Um dann blitzschnell reagieren zu können. Also beispielsweise
für den kritischen Moment, wenn mich einer meiner Gäste nach dem
Besuch meines WC fragt, ob ich denn keine Klobürste hätte. Auweia!
Reflexartig greife ich dann in diese besagte First-Aid-Box, deren Inhalt
aus zwei Tabletten Diazepam, einem Fläschchen Jägermeister 10 cl,
einem Morphium-Zäpfchen und einer kleinen Habanero-Chili besteht.
Das ist eine vom mir mittlerweile zum Patent angemeldete SpezialKombination, die ich in jahrelanger, mühsamer und liebevoller
Kleinarbeit selbst entwickelt habe. Die Anwendung muß stets nach
folgendem Schema verlaufen:
Sobald man den belastenden Sachverhalt (hier also die unnötige
Klobürsten-Frage) zur Kenntnis genommen hat und merkt, daß man
gleich ausflippen wird, muß man zunächst die Habanero-Chili in zwei
gleich große Teile zerbrechen. Dadurch entfaltet sich ihr Aroma
besonders intensiv. Und das ist auch gut so, denn sie ist eine der
schärfsten Chili-Arten der Welt. Sehr pikant. Mit der linken Hand jetzt
sofort die eine Hälfte in den Mund stecken und gründlich durchkauen.
Die andere Hälfte zeitgleich mit der rechten Hand ins eigene Auge
stecken und ordentlich verreiben. Aber nur in ein Auge, nicht in beide.
Schön draufhalten, zack. Das hört sich im ersten Moment vielleicht
etwas unangenehm an, ist es aber nicht. Denn unser Körper befindet
sich nun sehr ausgewogen in einer Art Yin-Yang-Situation: Die
unerträglichen Schmerzen im Mund harmonieren nämlich ganz
vortrefflich mit den Höllenqualen des gerade erblindenden Auges. Eine
Art Win-Win-Situation für den Körper, phantastisch.
112
Also alles in allem eine sehr harmonische, erquickende und überaus
effiziente Methode, um sich von der haarsträubenden, kackfrechen
Klobürsten-Frage abzulenken. Und sich auf die nächsten Schritte der
Anwendung unserer First-Aid-Box konzentrieren zu können, denn diese
haben es jetzt wirklich in sich.
Nachdem ein Teil der Chili nun verspeist oder auf den Boden
ausgespuckt wurde, können wir auch den anderen Teil aus dem Auge
nehmen. Unverzüglich hierauf spülen wir die zwei Diazepam mit dem
Fläschchen Jägermeister runter. Dadurch, daß Mund und Rachenraum
durch das Chili-Fiasko total verbrannt sind, schmeckt der Jägi wie
Malzbier und sollte mühelos in einem Schluck zu trinken sein. Im
Magen wirkt unser Jägi dann schön beruhigend. Ferner geht er sofort in
die Birne, was ja auch Sinn der Veranstaltung ist. Er hält uns also ruhig
und bei Laune, bis die Diazepam wirken, während wir zwischenzeitig
den letzten Schritt der Prozedur vollziehen und uns das MorphiumZäpfchen in den Arsch stecken. Und zwar zusammen mit dem Teil der
Chili-Schote, den wir zuvor im Auge stecken hatten. Beides rein, ganz
wichtig. Und zack, ab ins Rosettchen! Halleluja! Wer je dachte, daß
Geschlechtsverkehr unter Homosexuellen schlimm sei, wird nun eines
besseren belehrt. Garantiert. Wobei man bei unserer Prozedur leider nur
ansatzweise erfährt, welche Qualen der menschliche Körper aushalten
kann, da der sanfte Schleier des Morphiums den analen Todes-Schmerz
schnell verfliegen läßt.
Wie gesagt, diese besondere Methode ist mittlerweile zum Patent
angemeldet. Kann aber jeder gern mal ausprobieren, hilft wirklich.
Höchst effizient. Denn daß uns nach Durchführung dieser Prozedur am
eigenen Körper nun die Klobürsten-Frage im wahrsten Sinne des
Wortes total scheißegal ist, kann sich wohl jeder denken. Viel
wahrscheinlicher ist, daß wir hiernach gar nicht mehr wissen, wo unser
Klo überhaupt ist. Ob es überhaupt ein Klo im Haus gibt. Oder ob noch
im Garten über den Balken geschissen wird. Und das ist auch gut und
richtig so, das war ja Sinn der Sache. Wir haben nun also ganz andere
Sorgen und müssen unserem Gast für seine unerfreuliche Frage nicht
mehr ohrfeigen. Unser Mittel hat gewirkt, uns ist geholfen. Bei riesigen
Nebenwirkungen fressen Sie die Packungsbeilage und schlagen Sie
Ihren Arzt oder Apotheker. Stößchen.
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Kriegste nix mehr zu fressen, kannste Deine eigene Scheiße fressen.
(Walter Saxer)
aaa) Warum keine Klobürste?
Ich bin nun also bereit und auch in der Lage, meinen Gast verbal auf
dessen unverschämte, anmaßende und völlig überflüssige Frage, ob ich
denn keine Klobürste hätte, hinzuweisen. Vielmehr vermittle ich ihm,
daß er mich doch lieber fragen solle, warum ich keine Klobürste habe.
Er hat ja gesehen, daß keine da ist, aber warum ist denn wohl keine da?!
Das wäre mal eine kecke Frage. Ganz unverblümt, ohne um den heißen
Brei herumzureden. Denn während man die überflüssige Frage, ob man
denn keine Klobürste habe, mit einem schlichten Nein beantworten
kann, gerät man bei der Frage nach dem Warum schon eher in
Erklärungsnot.
Die Gründe, warum ich keine Klobürste habe, sind vielschichtig. Allen
voran erschließt sich mir nicht der Sinn eines solchen Utensils. In
meinen Augen macht eine Klobürste keinen wirklichen Sinn, sie macht
sogar Unsinn. Ein unsinniges WC-Utensil. Zumindest für mich. Für
meine Gäste vielleicht nicht, aber für mich auf jeden Fall. Und letzten
Endes ist es ja wohl immer noch mein Lokus.
Wenn also ein Gast bei mir vom Lokus kommt und mir die an sich
richtige Frage stellt, warum ich denn keine Klobürste habe, dann
vergeht mir gleich mal alles. Angewidert zucke ich dann zurück,
zuweilen schreie ich unbeabsichtigt kurz und schrill auf. Aiii! Denn was
jetzt gerade passiert ist, kann man sich wohl an fünf Fingern abzählen:
Da hat einer gerade meinen Thron bestiegen und voll abgeseilt.
Kompromißlos abgeseilt, alles zugeschissen. Und zwar so heftig krass,
daß die Hälfte des Abgeseilten selbst nach dem Spülen noch unten in
der Schüssel hängt. Bäh. Und diese Abseil-Reste hätte unser Gast nun
114
gern unter Zuhilfenahme einer Klobürste beseitigt. Das muß man sich
jetzt wirklich einmal vorstellen. Also bildlich. Denn wenn es bis hierhin
lediglich widerlich gewesen ist, wird es nun völlig abartig. Unser Gast
schrubbelt jetzt also schön mit der Klobürste die Restkacke in der
Schüssel hin und her und hoch und runter, voll bäh, und dann?! Genau,
dann stellt er die schöne Klobürste wieder zurück in das dazugehörige
Behältnis. Ins Behältnis! Also in irgendein geschlossenes Behältnis, das
der Aufbewahrung der Klobürste dient und irgendwo auf dem Boden
neben der Schüssel steht oder an die Wand geschraubt ist. Na, fällt der
Groschen langsam?!
Das ist ja wohl die mit Abstand perverseste Sauerei im Haushalt, seit
der Mensch nicht mehr mit den Schweinen unter einem Dach lebt.
Einfach nur widerlich, aber echt jetzt. Bei dem Gedanken daran
sträuben sich mir die Nackenhaare. Ein Schauer läuft mir den Rücken
runter. Ich ekle mich so doll, daß ich gar nicht weiß, ob ich mich
überhaupt schon jemals in meinem Leben so geekelt habe wie jetzt
gerade jetzt. Wie bei dem Gedanken daran, daß man permanent ein
Behältnis mit Anteilen von Restkacke diverser Personen in seinem
Haushalt aufbewahrt. Ein Behältnis, welches vor sich hin siecht, sifft,
gammelt, müffelt, gimpt. Unfaßbar. Und die ganzen Baktereien bzw.
vielmehr Bakterien-Kulturen, die darin wachsen und gedeihen und stets
und ständig mit neuer Kacke genährt werden. Igitt. Es verschlägt mir
schlichtweg die Sprache, und das soll mal was heißen. Mir fehlen die
Worte. Kurz: Es schlägt dem Faß den Boden aus! Widerlich.
Denn im Normalfall läuft es nämlich so: Person X kackt ab, benutzt die
Bürste und stellt sie dann wieder zurück. Die gröbsten Brocken
vielleicht abgeklopft oder abgespült, muß aber nicht sein. Und selbst
wenn, dann ist trotzdem noch genug dran, ganz klar. Durch das bißchen
Abspülen mit Wasser aus der Klospülung kann das Ding ja nicht
besonders sauber werden, leuchtet ja wohl ein. Person Y verfährt
ebenso, Person Z auch, alle verfahren so. Weil sie die Bremsspuren in
der Schüssel eben gern beseitigt hätten. Ist ja auch verständlich, ist sonst
nämlich peinlich. Was für eine Schrubbelei, sensationell, pfui.
Generationen von Gästen und Besuchern schrubbeln und schrubbeln
und schrubbeln ihren Kot mit ein und derselben Bürste aus unserem
Pott. Da muß man jetzt nur noch Eins uns Eins zusammenzählen.
115
Somit entsteht im Laufe der Zeit eine Art Kacke-Zepter, welches in
einem Gülle-Behälter vor sich hin siecht. Zwangsläufig. Selbst dann,
wenn man das Ding ab und an erneuern würde. Selbst dann würde es
innerhalb kürzester Zeit wieder zum heiligen Kacke-Zepter. Denn man
käme ja wohl nie im Leben auf die schwachsinnige Idee, die bekackte
Klobürste mal von Grund auf zu reinigen. Also so richtig schön mit den
Fingern zwischen die Borsten und die Bröselchen da rauspulen. Selbst
mit Haushaltshandschuhen nicht. Definitiv nicht. Und wer jetzt doch
was anderes behauptet, ist verrückt. Und ziemlich pervers noch dazu.
Allein der Gedanke daran ist schon ziemlich verdächtig.
Es ist also völlig unmöglich, die Klobürste dahingehend zu reinigen,
daß sie einem gewissen Hygiene-Anspruch genügt. Ausgeschlossen. Es
ist und bleibt eine fiese Fäkal-Schleuder. Und am besten geht man dann
eines Tages selbst noch bei und will mit dieser Fäkal-Schleuder sein
WC putzen. Also so richtig, schön mit Putzmittel und WC-Ente und so.
Das ist dann der Super-GAU. Pure Perversion. Das ist so pervers, daß es
fast schon wieder lustig ist. Aber leider nur fast, es bleibt unvorstellbar
ekelig. Das miefende, vor sich hin siechende und mit vielfacher
Fremdkacke besudelte Fäkal-Zepter als Zauberstab für eine generelle
WC-Säuberung. Was für ein Paradoxon! Scheiße zu Gold. Schön mit
der WC-Ente in die Schüssel reinhalten, und dann die Kacke-Fackel
nehmen und alles hübsch verteilen und einmassieren. Grundgütiger, was
für ein Fiasko. Als würde man seinen nagelneuen Mercedes mit einem
Lappen polieren, mit dem man zuvor das Restöl vom Ölwechsel
aufgewischt hat. Mindesten genauso schwachsinnig.
Und vielleicht könnte diese kleine Illustration nun auch die Frage
beantwortet haben, warum ich denn wohl keine Klobürste habe. Eben
genau darum habe ich keine. Weil`s unvorstellbar pervers ist. Ein
überflüssiges, widerliches und völlig überbewertetes Utensil. Und wenn
so ein Ding dann erstmal neben der Schüssel steht, ist es nur eine Frage
der Zeit, bis irgendein Stinker es auch benutzt. Und damit den Stein ins
Rollen bringt. Beziehungsweise das Zepter zum Stinken.
Für Anwendungen der Grundreinigung ist so eine Klobürste demnach
vollkommen ungeeignet. Also wenn ich meinen Dampfer mal wieder
auf Hochglanz polieren will, also so von Grund auf, dann wird die
116
ganze Schüssel erstmal bis zum Anschlag mit Sagrotan vollgepumpt.
Voll rein, bis nichts mehr geht. Und dann gehe ich da mit dem ScheuerSchwamm bei. Und zwar volle Kanne. Bis mir der Schweiß auf der Stirn
steht. Bis der Thron strahlt und funkelt. Bis der so hell erleuchtet, daß
ich ihn nicht mehr direkt ansehen kann. Dann ist der sauber. Richtig
sauber. Der ist dann chemisch rein. Und zwar so krass, daß es einem
beim nächsten Stuhlgang die Arschhaare wegätzt. Also ganz was
anderes, als mit einer Klobürste rumzufuchteln, selbst wenn diese
sauber oder gar neu ist. Die Gewalt, die man über einen ScheuerSchwamm hat, könnte man niemals auf eine Klobürste ausüben.
Physikalisch schonmal gar nicht, der Stiel bräche durch. Also in der Tat
denkbar ungeeignet.
Und für Fremd-Scheißer habe ich seit einiger Zeit statt einer Klobürste
irgendeine chemische Keule neben der Schüssel stehen. Irgendein
Granulat, ein hochätzendes Pulver oder sogar Drano Power Gel. Das
kann dann derjenige bei etwaigen Bremsspuren in der Schüssel
problemlos anwenden. Einfach was davon rein in die Schüssel, zack, 30
Sekunden warten, abermals spülen und gut. Alles weggeätzt, alles blitzt
und blinkt. Hygienisch vorbildlich, hygienisch einwandfrei. Denn
schlimm war früher auch immer, wenn ich mal ein Mädel abgeschleppt
hatte. Und die dann sagte, sie müsse mal für kleine Mädchen. Und dann
nach fünf Minuten vom Lokus wiederkam und fragte, ob ich denn keine
Klobürste hätte. Bah, das ging dann mal gar nicht. Da wußte man
gleich, daß die Stunde geschlagen hat. Daß die Süße nicht für kleine
Mädchen war, sondern vielmehr einen großen Fisch in den Teich gelegt
hatte. Und zwar so groß, daß der Teich braun genug war, um eine
Klobürste benutzen zu wollen. Bäh, das ging dann mal gar nicht. Dieses
Mädchen mußte dann leider wieder nach Hause fahren, denn an Sex war
nun nicht mehr zu denken.
Vielleicht rührt daher meine Antipathie gegen die Klobürste. Ruinierte
Sex-Phantasien. Das könnte es sein. Ist aber auch egal, wird nie wieder
vorkommen. Nie, nie wieder. Denn seit ich das ätzende Zeug neben der
Schüssel stehen habe, noch dazu mit der aufgeklebten Notiz, dieses bitte
bei Restkacke und Kackeresten in die Schüssel zu kippen, hat nie
wieder eine Lady nach der Scheiß-Klobürste gefragt. Und das ist auch
gut so, denn davon profitieren alle! Stößchen!
117
Du hast `ne Stimme wie `ne alte Oma. Aber beim Kacken.
(Dieter Bohlen)
bbb) Und die Werbung?
Manchmal beschleicht mich sogar das dumpfe Gefühl, daß einige Leute
nur zum Kacken zu mir kommen. Nicht, daß ich das nicht irgendwo
nachvollziehen könnte. Ich würde es wahrscheinlich genauso machen,
wenn ich nicht bereits so ein monumentales, preisgekröntes, ja geradezu
epochales Gäste-WC hätte. Alles vom Feinsten. Alles feinster Marmor,
edelste Grohe-Wasserhähne, eine höhenverstellbare Schüssel von
Villeroy & Boch, ebenso wie Bidet und Waschbecken. Zwar alles ohne
Klobürste, logisch, dafür aber mit vielen anderen tollen Extras.
Wahlweise Paul Kalkbrenner oder Chillout-Musik, sobald man den
Lichtschalter bedient, je nach Geschmack. Peruanische Handseife.
Seidene Vorhänge. Beistelltische im Biedermann-Stil. Zwei
rombenförmige Kronleuchter. Porzellanfiguren aus der Ming-Dynastie.
Und, und, und. Keine Frage, dieses WC hat Stil.
Vierlagiges Toilettenpapier vom Charmin-Bär, wahnsinnig soft, der
absolute Arsch-Schmeichler. Hakle Feucht, falls die Wurst mal wieder
ein bißchen dünner war und man sich untenrum hygienisch noch nicht
ganz einwandfrei fühlt. Dann ein schönes Hakle Feucht, zack, und die
Welt ist wieder in Ordnung. Und natürlich auch Brise Airwick, den
Geruchsbeseitiger. Beseitigt Stinkerei jeder Art und hinterläßt einen
sehr zarten und leicht blumigen Hauch von Minze, ganz tolle Sache. Mir
fällt dabei gerade auf, daß es mir eigentlich exakt so ergeht, wie den
Figuren aus der Brise-Airwick-Werbung im TV. Wo das Kind nicht zu
Hause kacken will, sondern lieber bei Paul. Weil es zu Hause scheinbar
ganz gewaltig stinkt auf dem Lokus. Zur besseren Veranschauung hier
mal kurz der zugegebenermaßen etwas hanebüchene Dialog zwischen
der Brise-Mutter und dem Brise-Kind:
118
Kind:
Mama, ich muß mal groß.
Mama:
Na dann komm`.
Kind:
Nee, ich geh` lieber bei Paul auf`s Klo.
Mama:
Sei` nicht albern.
Kind:
Ich geh` aber lieber bei Paul auf`s Klo.
Mama:
(überlegt) Hmmm.
Soviel dazu. Im wahrsten Sinne des Wortes ein total beschissener und
völlig absurder Dialog. Realistischer geht es kaum, meine Fresse.
Herzlichen Glückwunsch dazu. Und natürlich Stößchen. Aber egal, das
Produkt ist gut. Umgekehrt wäre schlimmer. Also toller Dialog und
Scheiß-Produkt. Das wäre schlimmer, unbestritten.
So, und mich beschleicht so schön langsam mal das unheilschwangere
Gefühl, daß ich scheinbar Paul bin. Mal eben schön zu Paul, mal schön
gepflegt einen abkacken, zack. So wird`s doch gemacht. Manche
kommen doch tatsächlich nur zum Abseilen zu mir, kaum zu glauben.
Guten Tag, abgeseilt, auf Wiedersehen. Kack-and-go. Meine Fresse, ich
bin tatsächlich Paul! Mist. Und ich dachte, ich wäre der Honk.
Bockmist. So kann man sich täuschen. Wobei das ja eigentlich Blödsinn
ist, fällt mir gerade auf. Es existiert ja überhaupt keine umgekehrte
Kausalitätskette zwischen Paul und Honk. Wenn ich der eine bin, heißt
das ja nicht zwangsläufig, daß ich nicht zugleich auch der andere sein
kann. Schließt sich ja gegenseitig nicht aus. Ich bin ja auch Honk und
Sohn, Honk und Autofahrer, Honk und Raucher. Kann ja alles
koexistieren, schließt sich ja nicht aus. Gott sei Dank.
Okay, um die Sache abzukürzen: Ich bin und bleibe der Honk, fühle
mich aber zuweilen wie Paul. Das trifft es am ehesten und vermeidet
unnötige Haarspaltereien. Dabei belassen wir es. Wobei aber immer
noch die Frage im Raum steht, ob dieser ominöse Paul überhaupt
mitkriegt, daß das andere Kind ihn nur zum Kacken besucht. Lassen wir
119
jetzt aber auch mal dahingestellt, die Werbung läßt das ja schließlich
auch offen. Ich krieg`s auf jeden Fall mit, wenn hier einer nur zum
Abdrücken herkommt. Und ich bin darüber nicht sehr erfreut, not
amused, wie man sich sicher denken kann.
Auf jeden Fall ein völlig haarsträubender und absurder Dialog zwischen
der Brise-Mutter und dem Brise-Kind. Im realen Leben unvorstellbar.
Im realen Leben würde das Kind von vornherein gar nichts sagen und
dann bei Paul abkoffern. Und zwar kommentarlos. Oder es ginge gleich
in den Garten. Hinter den Busch. Um die Ecke. In Nachbars Garten.
Oder sonstwo hin. Irgendwo hin, egal. Alles viel wahrscheinlicher als
dieser absurde Dialog. Käme es dann aber doch zu einem Dialog, dann
sähe dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so aus:
Kind:
Mama, ich muß mal groß.
Mama:
Na dann komm`.
Kind:
Nee, ich geh` lieber bei Paul auf`s Klo.
Mama:
Geht`s noch?! Wenn Du kacken mußt, dann kack`. Oder
halt` den Rand und warte, bis Du bei Paul bist, und kack`
dann da. Aber erzähl` mir nicht, daß Du kacken mußt und
hier aber nicht willst oder kannst, Du komisches Kind. Was
paßt Dir denn an unserem Lokus nicht?!
Kind:
Hast eigentlich Recht, war blöd.
Keine Frage, dieser Dialog läge etwas näher an der Realität. Also wenn
überhaupt irgendein Dialog, dann dieser. Oder ein ähnlicher mit
entsprechendem Inhalt. Fakt aber bleibt, daß viele Menschen meine
naive Gastfreundschaft scheinbar ausnutzen, nur um ihr Geschäft in
vollendeter Atmosphäre verrichten zu können. Und obwohl ich das als
Hommage an mein schönes WC verstehen könnte, mich vielleicht sogar
geehrt fühlen könnte, fühle ich mich schlichtweg verarscht.
120
Spieler haben Scheiße gespielt. Tut mir leid, kann ich nichts für, würde
ich auch gerne anders sagen. Aber Spieler haben Scheiße gespielt.
Absolute Scheiße.
(Aleksandar Ristic)
ccc) Ergebnis
Na was ist denn jetzt los? Hat der jetzt völlig den Verstand verloren?
Mag sein. Wozu das alles? Wen interessiert der Scheiß? Und was hat
das alles überhaupt mit dem Thema zu tun? Mit der Festlegung des
tatsächlichen Staus unseres Vollopfers?
Einiges. Vieles sogar. Eigentlich alles. Ja genau, alles. Metaphorisch
gesehen haben wir nämlich auf den letzten paar Seiten nichts anderes
gemacht, als den tatsächlichen Status unseres Vollopfers zu definieren.
Rein metaphorisch natürlich. Die fehlende Klobürste, der
haarsträubende Brise-Dialog, unser pompöses Klosett. Das alles ist
unser Vollopfer. Das alles entspricht dem tatsächlichen Status unsers
Vollopfers. Alles natürlich rein metaphorisch, versteht sich.
Zuerst die überflüssige Frage, ob ich denn keine Klobürste habe. Eine
haarsträubende Frage, die ich nur durch Selbstverletzung (Habanero in
Auge und Arsch) und unter Zufuhr diverser Betäubungsmittel gewaltfrei
beantworten konnte. Alles in allem also ganz genau so wie beim
Vollopfer-TV: Überflüssig, haarsträubend, nüchtern nicht zu ertragen.
Man möchte den Protagonisten und Protagonistinnen am liebsten
permanent in die Fresse hauen oder sich selbst geißeln.
Dann die unheilschwangere Frage nach dem Warum. Warum ich denn
wohl keine Klobürste habe. Ganz klar, weil sie unsinnig, widerlich,
schauderhaft und überbewertet ist. Bah, bah, bah. Also auch Eins zu
Eins mit unserem voll geilen Opfer-TV und dessen bizarren Figuren,
121
alles identisch: Widerliche, schauderhafte TV-Formate, allen voran
GNT, bah. Eine völlig überbewertete Protagonistin, überbewerteter geht
es nicht mehr. Inmitten einer Horde völlig verwirrter und
orientierungsloser Kinderchen. Kleine, liebe Mädchen, die permanent
irgendeinen unfaßbar hanebüchenen Schwachsinn in irgendeine Kamera
posaunen, als hinge die Existenz der Menschheit davon ab. Als stände
das Jüngste Gericht kurz bevor. Die Apokalypse. Auweia! Aber alles
schön analog zu unserer fiesen Klobürste, alles original übertragbar.
Alles dieselbe Thematik. Warum? Möchte man aufschreien. Wozu das
alles? Wozu der ganze Zirkus? Es macht doch keinen Sinn?!
Man möchte den fehlgeleiteten Darstellern und Teilnehmern am liebsten
dieses ätzende Scheißhaus-Granulat aus meinem Lokus in die Rübe
kippen, damit ganz oben mal wieder ordentlich durchgespült werden
kann. Das würde helfen, genau wie es in meiner Schüssel auch hilft.
Man möchte helfen, einfach nur helfen, aber es geht nicht. Jede Hilfe
kommt da zu spät, es ist leider so. Einem Vollopfer kann nicht mehr
geholfen werden, so tragisch es auch ist. Keine Chance, der Zug ist
abgefahren.
Und dann diese Brise-Familie. Heiliger Bimbam. Was für ein geiler
Dialog! Völlig banal und absurd. Voll an der Realität vorbei
geschossen. Aber sowas von. Endgeil. Und dazu mein Ärgernis über
Gäste, die nur zum Scheißen zu mir kommen. Von denen ich mich
verarscht fühle. Die ich teilweise nicht einmal kenne! Alles genau wie
bei unseren Vollopfern. Die leben auch in einer Scheinwelt jenseits jeder
Realität, auch alle endgeil. Banalstes Geschwätz, absurdeste Themen.
Absolut nicht mehr nachvollziehbar, jeder geistig halbwegs normal
situierte Mensch kommt sich da komplett verarscht vor.
So sieht`s jetzt mal aus. Das ist der Stand der Dinge. Also keine banale
Phrasendrescherei über Klobürsten und ähnlichen Mist, sondern
vielmehr metaphorisches Eruieren des tatsächlichen Status unseres
Vollopfers. Und zwar als überbewertet, sehr banal und realitätsfremd.
Oder kurz: Voll Scheiße! Womit die Charakterisierung unseres
Vollopfers dann übrigens auch abgeschlossen wäre. Phantastisch, ganz
phantastisch, ganz großes Tennis hier. Und -na klar- Stößchen!
122
You sit there and you thump your bible and you say your prayers. And it
didn`t get you anywhere. Talk about your psalms, talk about Johannes
3:16. Well, Austin 3:16 says: I just kicked your ass!
(Stone Cold Steve Austin)
dd) Ergebnis
Was für ein Fest! Ich möchte nicht wissen, in wie viele Ärsche ich
gerade getreten habe. Also die letzten 40 Seiten. Wie viele Vollopfer
sind jetzt not amused? Wie viele Vollopfer halten das alles hier für very
disgusting? Na? Ist mir scheißegal, ist mir total Latte. Von mir aus kann
allen ein Zacken aus der Krone brechen. Abfeier! Zack, hier:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
Fremdopfer
normal dumm
positiv
tragisch
sehr banal
dümmlich
ungeil
irgendwo clever
unzufrieden
Vollopfer
sehr wichtig
clever
geil
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
fast clever
positiv
tragisch
sehr banal
überbewertet
realitätsfremd
Bitteschön! Da habt Ihr`s. Schwarz auf weiß. Und es gehört alles Euch!
Es war mir ein Vergnügen, the pleasure was all mine. Was für ein Fest!
Amazing! Stößchen! Wahrscheinlich war`s das jetzt für mich mit Heidis
Halloween-Party. Egal, drauf geschissen. Mir hat es da eh noch nie
gefallen zwischen den ganzen Voll- und Halbvollopfern. War eh nichts
für mich, immer dieses Hin und Her, mal LA, mal New York...
123
Und es ist noch nicht vorbei, das Leiden hat noch kein Ende. Im Laufe
des nächsten Kapitels werden wir uns noch einmal mit Opfer-TV
auseinandersetzen müssen. Allerdings nur noch sehr kurz und knapp.
Wir wollen ja nicht, daß unser schönes Sachbuch hier zu einem
kommerziellen Boulevard-Schundheftchen verkommt. Nein, das wollen
wir mal nicht. Aber keine Bange, schlimmer wird`s eh nicht mehr.
Schlimmer geht`s auch gar nicht mehr. Hoffe ich zumindest.
Mit dem Vollopfer haben wir nun also ein hierarchisches Pendant zu
unserem Vollidioten aus dem zweiten Kapitel gefunden. Gesucht,
gefunden. Wobei wir bei dem telemedialen Dünnpfiff, den unsere
Vollopfer tagtäglich verzapfen, nicht lange suchen mußten. Während
wir also auf der einen Ebene den Idioten, das Fremdopfer und den Honk
haben, erschließt sich uns auf der anderen Ebene dieses Bild:
Vollidiot Vollopfer
Hierbei verhält es sich aber nicht zwangsläufig so, daß der Vollidiot
irgendwann eine Metamorphose zum Vollopfer durchläuft oder
umgekehrt. Das kann in einigen Fällen geschehen, ist aber eher selten.
Vielmehr existiert eine Art Abhängigkeits-Verhältnis zwischen beiden.
Beide sind aufeinander angewiesen und zwar recht stark: Ohne den
Vollidioten hätte unser Vollopfer nur noch identische Vollopfer und das
ganze Casting-Gesocks als Publikum. Und umgekehrt hätte unser
Vollidiot ohne das Vollopfer nur noch Aso-TV, während sein geliebtes
Opfer-TV komplett wegfiele. Leuchtet ein, oder?! Also ein sehr stark
ausgeprägtes Abhängigkeits-Verhältnis.
Und das ist auch gut so. Denn immerhin hatten wir uns ja am Schluß des
Fremdopfer-Kapitels vorgenommen, unserem Vollidioten einen
hierarchischen Bezugspunkt, vielmehr sogar einen Freund zu suchen.
Diesen Freund haben wir nun in unserem Vollopfer gefunden. Unser
Vollopfer weist nämlich alle grundlegenden Eigenschaften auf, die sich
unser Vollidiot nur wünschen kann. Und umgekehrt verhält es sich
genauso. Alles in allem also ein ziemlich runde Sache, sehr harmonisch,
sehr ausgeglichen, ich freu` mich.
124
Das Gefühl der inneren Leere ist eine Form der chronischen
Depression, so als trauere man ständig um den Verlust des eigenen,
wahren Selbst.
(John Bradshaw)
ee) Metamorphose
Bleibt abschließend nur noch zu klären, welche unserer bisher
charakterisierten Figuren zum Vollopfer mutieren können, und warum
bzw. wodurch eine solche Mutation vollzogen wird. Wer wird wann und
warum zum Vollopfer? Und was passiert dann?
Unser landläufiger Idiot eher nicht. Dazu ist er viel zu bodenständig und
in das bestehende System eingegliedert. Gott sei Dank! Sollte unser
Idiot durch irgendeine Gegebenheit eines Tages Reichtum oder Ruhm
erlangen, oder sollte ein anderer Umstand eintreten, der ihm Tür und
Tor zur Vollopfer-Welt öffnet, würde er diesem Umstand mit
angemessener Achtung begegnen. Und die Offerte zur VollopferTransformation gebührend ablehnen. Dazu ist das Idioten-Dasein in
seinem Inneren viel zu tief verwurzelt. Klar, Ausnahmen gibt es immer.
Auch unter unseren Idioten wird es einige geben, die dann in die
Vollopfer-Rolle abdriften, völlig den Verstand verlieren und dann einen
auf Baron Zitzewitz von Bad Sacksausen machen.
Aber solche Spinner gibt es überall und in allen Schichten. Unter den
Idioten sind sie dann aber doch eher die Ausnahme, und das ist auch gut
und richtig und wichtig so. Eine Metamorphose unseres Idioten zum
Vollopfer kann daher weitestgehend ausgeschlossen werden. Die
Wahrscheinlichkeit liegt unter einem Prozent, nur um mal eine Zahl in
den Raum zu werfen. Wenn unser Idiot überhaupt zu irgendetwas
mutiert, dann zum Fremdopfer. Und dann darüber hinaus in seltenen
Fällen vielleicht zum Honk, was dann aber auch sehr zu begrüßen ist.
125
Bei unserem Fremdopfer selbst sieht das schon etwas anders aus.
Während bei unserem Vollopfer der Begriff des Opfers als Synonym für
eine Pappnase steht, die in ihrer durch Banalitäten geprägten, eigenen,
absurden Welt lebt, verhält es sich diesbezüglich bei unserem
Fremdopfer komplett anders. Wie wir feststellen konnten, steht bei
unserem Fremdopfer der Begriff des Opfers vielmehr für ein
tatsächliches Opfer im Sinne der klassischen Definition. Also für einen
widerwilligen Verzicht auf etwas aus diversen Gründen.
Die hieraus resultierende Unzufriedenheit treibt unser Fremdopfer oft in
Frustration und macht es damit anfällig für eine Mutation. Diese
Mutation kann einerseits zum Honk, anderseits jedoch auch zum
Vollopfer erfolgen. Wenn denn überhaupt mal eine Mutation erfolgt.
Denn in schätzungsweise 97% aller Fälle verharrt unser Fremdopfer in
seiner Fremdopfer-Rolle und wird dann irgendwann, nachdem alle
Kompensations-Versuche kläglich gescheitert sind, depressiv. Da
müssen wir uns nichts vormachen, das ist so sicher wie das Amen in der
Kirche.
Von den verbleibenden, mutationswilligen drei Prozent transformieren
zwei Prozent zum Vollopfer und vielleicht ein Prozent zum Honk, wenn
überhaupt. Denn die Transformation zum Honk ist ein steiniger Weg,
der mit viel Skepsis und vielen Rückschlägen gepflastert ist. Den
meisten Fremdopfern ist so eine Transformation einfach viel zu krass.
Sie fürchten sich schlichtweg davor. Was dann der Mutation zum
Vollopfer Tür und Tor öffnet, weil dies ein vergleichsweise einfacher
und allgemein bekannter Weg ist. Die meisten Fremdopfer wissen
nämlich gar nicht, daß es überhaupt einen Honk-Weg gibt. Die kennen
nicht einmal einen Honk. Beziehungsweise kennen schon, wissen aber
nicht, das es ein Honk ist. Die erkennen den Honk also erstmal gar
nicht. Was wir unseren Fremdopfern allerdings nicht übel nehmen
dürfen. Die meisten Fremdopfer merken nicht einmal, wie sie im Laufe
der Jahre depressiv werden bzw. geworden sind. Die Rolle des
Fremdopfers ist daher eine sehr tragische und oftmals verkannte Rolle.
Deshalb verharrt unser Fremdopfer auch zumeist in ihr. Im Ergebnis
halten wir also fest, daß immerhin zwei Prozent der Fremdopfer zum
Vollopfer mutieren. Und daß es sich dabei fast ausschließlich um
Frauen handelt, sollte auch jedem klar sein.
126
Dagegen beträgt bei unserem Vollidioten die anzunehmende
Metamorphose-Wahrscheinlichkeit nahezu 100%. Soll heißen, sobald
ein Umstand eintritt, der unserem Vollidioten die Möglichkeit bietet,
seinen Status in den eines Vollopfers umzuwandeln, wird dieser keine
Sekunde zögern und sofort mutieren. Kompromißlos mutieren. Zack.
Blitzschnelle Transformation. Also beispielsweise, wenn unser Vollidiot
eine Million im Lotto gewinnt. Die Zusatzzahl ist noch nicht ganz
gezogen, zack, steht der SL 500 vor der Tür. Oder vergleichbarer
Luxus-Schlitten. Und zack, ist man in prominenter Gesellschaft, na klar.
Dauert keinen Abend, ruckzuck ist man wer, Stößchen.
Überflüssig zu erwähnen, daß das Vollopfer-Dasein unseres Vollidioten
dann auch nicht allzu lange andauert. Geht alles ziemlich schnell. Die
Kohle ist logischerweise schnell durchgebracht, und da unser neues
Vollopfer außer Kohle nicht viel zu präsentieren hat in der sexy High
Society, mutiert sein Status ähnlich rasant zum Vollidioten zurück, wie
sein Konto ins Minus schießt. Was nichts daran ändert, daß unser
Vollidiot jede Chance zur Metamorphose nutzen wird, so sie sich ihm
denn anbietet. Metamorphose-Prognose zum Vollopfer also bei 100%.
Fehlt nur noch unser Honk. Unser Honk, le Honk, il Honko. Und die
Wahrscheinlichkeit, daß ein Honk bei sich bietender Gelegenheit zum
Vollopfer mutiert, beträgt schlanke 0%. Ja, in der Tat, schlanke 0%. Ein
glatter Nuller, was für eine Überraschung! Nein, nicht wirklich. Sollte
sich mittlerweile eigentlich jeder selbst denken können. Und wer sich
das aber jetzt doch noch nicht selbst denken kann, dem kann ich dann
auch nicht mehr helfen. Vielleicht sollte der- oder diejenige dann die
letzten 50 Seiten, auf denen die Figur des Vollopfers äußerst subtil von
einem Honk charakterisiert worden ist, lieber doch noch einmal lesen.
Könnte vielleicht Sinn machen.
Alle anderen möchten bitte gewarnt sein:
Jetzt wird scharf geschossen!
127
Da geht er hin. Einer von Gottes eigenen Prototypen. Ein aufgemotzter
Mutant von der Sorte, die nie zur Massenproduktion in Betracht
gezogen wurde. Zu spleenig zum Leben, und zu selten zum Sterben.
(Raoul Duke)
Da siehst Du endlich mal, was in mir steckt: Ich bin `ne Bourbon
durchtränkte, nach Zigarren stinkende Kotztüte, wozu Gott mich in
seiner unendlichen Weisheit berufen hat. Wozu er alle Männer berufen
hat!
(Charlie Harper)
IV. Der Honk
1. Definition
(englisch: to honk (hupen; ugs. auch kotzen))
Der Begriff des Honk leitet sich aus dem englischen to honk ab, was
übersetzt soviel wie hupen oder umgangssprachlich auch kotzen
bedeutet und identisch ist mit dem Begriff des Honk in diesem Buch. An
die wörtliche Übersetzung angelehnt, können wir unseren Honk
demnach als eine Art lärmende Kotztüte verstehen. Also ein kecker
bzw. zuweilen sogar ziemlich frecher Stinkstiefel, der oftmals vorlaut ist
und irgendwelche mehr oder weniger sinnvollen Formen von Lärm und
Krawall jeder erdenklichen Art produziert. Eine lärmende Kotztüte halt.
So könnte man es am ehesten beschrieben, das träfe so den Punkt
ziemlich genau. Punktgenau sozusagen. Und deswegen wollen wir das
hier auch so handhaben.
128
Mit der gängigen, umgangssprachlichen und vorwiegend im Internet
vertretenen Definition des Honk hat unser Honk demnach nicht viel
gemein. Dort wird der Honk zumeist als Synonym für einen „Trottel,
Dummkopf oder Versager“ verwendet, aber auch für „eine
Dumpfbacke, einen Primitivo oder einen niedrig gebildeten Rüpel“.
Vereinzelt wird der Begriff des Honk auch als Abkürzung verstanden.
Hierbei sind „Hauptschüler Ohne Nennenswerte Kenntnisse“ und „Hirn
Ohne Nennenswerte Kapazität“ am häufigsten zu finden. Diese
Definition ist für unsere Zwecke jedoch abzulehnen, da sie
fälschlicherweise und ohne erkennbaren Grund die geistigen Ressourcen
unseres Honk limitiert.
Denn die geistigen Ressourcen eines Honk sind keineswegs limitiert.
Vielmehr kann ein Honk über ein ganzes Spektrum an Intelligenz
indizierenden Parametern verfügen. Kann, muß nicht. Alles geht, nichts
muß. Vorstellbar ist hierbei auch, daß ein Honk lediglich über ein
einziges Intelligenz-Parameter verfügt, welches bei ihm jedoch so
außergewöhnlich markant ausgeprägt ist, daß es sein ansonsten
vielleicht eher schlichtes Gemüt vollends in den Schatten stellt. Also ein
sogenannter Mega-Skill bzw. Mega-Soft-Skill, wie es so schön important
im Yuppie-Neudeutsch heißt.
Mich zum Beispiel hat der Herrgott mit einem Kopf voll Scheiße
bedacht. Die ganze Birne voll Kot, voll zugeschissen, bis obenhin. Paßt
nichts mehr rein, alles voll, besten Dank auch. Ich habe sogar schon
ganz braune Augen bekommen, so voll zugeschissen ist der Kürbis.
Bäh. Gleichzeitig wurde ich jedoch mit einem fulminanten, ja geradezu
exorbitanten Artikulations-Vermögen gesegnet, dessen voluminöse
Bandbreite situationsspezifisch von sehr subtil bis hin zu
Vorschlaghammer reichen kann. Und noch dazu mit der Gabe, beides
kombinieren zu können.
Ja, und das macht Laune, das macht Spaß. Wunderbar. Das ist Honk
live, Honk uncensored. Den ganzen Tag hübsch verpackte Scheiße
sabbeln. Laber, laber, Rhabarber. Und sülz, bla. Phantastisch. Als würde
man bunte Blümchen furzen. Für mich ganz klar der Soft-Skill der
Woche, wenn nicht sogar des Monats. Zugegebenermaßen etwas
verwegen, keine Frage, aber durchaus interessant. Hochinteressant.
129
Unter`m Strich ist das eigentlich nichts anders als das Tagesgeschäft
eines Politikers. Der macht das nämlich auch so, falls es jemanden gibt,
dem das noch nicht aufgefallen sein sollte. Den ganzen Tag
irgendwelche mehr oder weniger zusammenhängenden Sprachbrocken
auskotzen, deren hanebüchene Intention -falls überhaupt vorhanden- nur
noch von der Unverschämtheit übertroffen wird, diesen Quatsch
überhaupt laut auszusprechen. Und so kackfreck zu verfloskulieren, daß
ein normaler Durchschnitts-Idiot bestenfalls im Ansatz erahnen kann,
worum es überhaupt geht. Ist das zum Kotzen?! Ist das frech?!
Für solche und ähnliche Frechheiten müßte es eigentlich direkt einen
Schlag in die Fresse geben, zack. Machen wir aber nicht, wir wollen ja
gewaltfrei leben, wie bereits mehrfach erörtert. Anarchie ja, Gewalt
nein. Der einzige Unterschied ist, daß bei uns im Ergebnis wenigstens
was bei rauskommt, nämlich ein sehr schönes Sachbuch, während die
Kalkleisten in Berlin nichts als kostspielige Totalausfälle vorzuweisen
haben, die sie sich auch noch fürstlich entlohnen lassen. Aber egal, die
können nicht anders, die müssen so. Lassen wir sie machen, uns als
Honk geht dieses ganze politische Kapertheater eh voll am Arsch ab. Es
interessiert uns Honks nicht. In keinster Weise. Ein Honk geht allenfalls
zur Wahl, um sich zu amüsieren. Erststimme PDS, Zweitstimme NPD,
ist das geil?! Viel geiler kann man gar nicht mehr wählen. Und viel
besser eigentlich auch nicht. Darüber könnte ich mich jedesmal
kaputtlachen. Immer das bedepperte Gesicht des armen Knechtes, der
diesen Scheiß hinterher auszählen muß, im Hinterkopf. Der arme
Teufel. Was dem wohl durch den Kopf geht, wenn er sowas auswerten
muß?! Aber das ist ja gerade Ziel der Sache, das macht es ja gerade so
lustig, so amüsant. Amok-Wahl könnte man es nennen. Der Honk ist ein
Amok-Wähler. Ein amüsierter Amok-Wähler, was zugleich in diesem
Kontext auch eine Art Schlüsselwort darstellt.
Daneben finden wir einen weiteren Indikator für die Annahme einer
gewissen Intelligenz in der Metamorphose-Fähigkeit des Honk: Auch
hier müssen wir zumindest von einer gewissen Grundintelligenz
ausgehen, ohne welche der Honk gar nicht in der Lage gewesen wäre,
überhaupt zum Honk zu mutieren. Denn als Honk wird man nicht
geboren, zum Honk muß man sich erst entwickeln. Den Honk muß man
sich quasi erst verdienen, könnten böse Zungen munkeln.
130
Folgenden, zwangsläufigen Evolutionsverlauf hatten wir bei unserer
Fremdopfer-Charakterisierung herausgearbeitet:
Idiot Fremdopfer Honk
Und daran hat sich auch nichts geändert.
Der Idiot kann also irgendwann unzufrieden werden mit seinem Status
als Idiot und mutiert aufgrund eben dieser Unzufriedenheit dann
zwangsläufig zum Fremdopfer. Und aus der Fremdopfer-Rolle heraus
dann weiter zum Honk, wenn er mutig genug ist, die daraus
resultierenden Strapazen auf sich zu nehmen. Der Honk ist somit stets
als das Endprodukt zu betrachten.
Diesem Endprodukt einer beschissenen Evolutionskette wollen wir nun
unser Augenmerk schenken. Was ist ein Honk? Klar, per Definition eine
lärmende Kotztüte. Aber was heißt das? Wie ist der Honk zu
charakterisieren? Was zeichnet ihn aus? Wie kann man ihn von anderen
Charakteren abgrenzen und unterscheiden? Und vor allen Dingen: Wie
und warum wird man Honk? Was tut so ein Honk? Wie lebt, liebt und
arbeitet er? Und dann die alles entscheidende Schlüsselfrage: Ist es
überhaupt erstrebenswert, Honk zu werden?
Diese und andere Fragestellungen werden wir auf den folgenden Seiten
ausgiebig erörtern müssen. Pro und Contra abwägen. Vor- und
Nachteile aufzeigen. Mythen und Vorurteile ausräumen. Und zu einem
höchst überraschenden Ergebnis kommen, nach welchem dann jeder frei
und subjektiv selbst entscheiden können sollte, ob er auch ein Honk
werden möchte oder lieber nicht.
131
Rede nicht so wie die, so bist Du nicht. Auch wenn Du`s gerne wärst.
Für die bist Du nur ein Freak, wie ich. Im Moment brauchen sie Dich.
Aber wenn nicht, verstoßen sie Dich wieder. Wie einen Aussätzigen.
Weißt Du, ihre Moral, ihr Kodex ist ein schlechter Witz. Verworfen
beim ersten Anzeichen von Ärger. Sie sind nur so gut, wie die Welt
ihnen erlaubt zu sein. Ist doch so. Es kommt hart auf hart, und diese
zivilisierten Menschen fressen sich gegenseitig. Weißt Du, ich bin kein
Monster. Nur der Zeit voraus.
(The Joker)
2. Eingliederung
Die Eingliederung unseres Honk verläuft divergent zur Eingliederung
unserer bisherigen Figuren. Denn aufgrund seines Facetten-Reichtums
ist es unmöglich, den Honk nach irgendeinem festgelegten Schema zu
charakterisieren. Also beispielsweise nach unserem gewohnten Schema
Eigenwahrnehmung, Fremdwahrnehmung, tatsächlicher Status und dann
Feierabend. Das hat vielleicht bisher ganz gut so geklappt, aber bei
unserem Honk klappt das dann aber auch mal nicht. Klingt komisch, ist
es auch. Aber nicht zu ändern. Und ich erwähne es lieber auch gleich,
nicht, daß hinterher einer traurig ist oder so.
Womit natürlich nicht automatisch ausgeschlossen ist, daß wir
letztendlich nicht doch mit einem finalen Vergleich unseres Honk mit
unseren anderen bereits charakterisierten Figuren abschließen werden.
Nein, so ist das jetzt nicht gemeint, so darf man sich das jetzt nicht
vorstellen. Ein abschließender Vergleich muß und wird auf jeden Fall
erfolgen, soviel steht fest. Ohne geht es auch gar nicht. Nur ist eben der
Weg bis dorthin ein dem bisherigen Schema abweichender Weg. Zudem
ein etwas skurriler Weg, keine Frage, aber eben auch einer, der dem
facettenreichen Honk den gebührenden Tribut zollt. Also auf!
132
Die Anarchisten sind völlig im Recht, nur nicht in der Frage der
Gewalt. Eine erstaunliche Geistesverwirrung. Wie können die
Anarchisten nur die Schädlichkeit der Gewalt nicht erkennen?!
(Leo Tolstoi)
a) Der Honk als Anarchist
Wie sich der ein oder andere nach den bisherigen Ausführungen
vielleicht bereits selbst denken kann, ist unser Honk ein Anarchist. Ein
überzeugter Anarchist. Und das völlig zu Recht!
Wat? Ein Anarchist? Ach Du meine Güte! Ein pöbelnder Proletarier, der
sich nicht an Recht und Ordnung hält? Ein Lump? Ein mit Steinen
schmeißender Fusel-Penner? Ein Erster-Mai-Krawallbruder? Ein Asi?
Mitnichten! Der Honk als Anarchist lehnt Gewalt -insbesondere gegen
Lebewesen- weitestgehend ab. Gewalt ist nur dann eine akzeptable
Lösung, wenn alle anderen Bemühungen fruchtlos verlaufen, die Sache
an sich aber eine Durchsetzung erfordert. Da den wenigsten hier eine
grundlegende Definition des Anarchie-Begriffs geläufig sein dürfte,
werden wir hierüber zunächst ein paar Worte verlieren müssen:
Der Begriff Anarchie ist aus dem Griechischen abgeleitet und beschreibt
einen Zustand der Abwesenheit jedweder Herrschaft. Unter Herrschaft
ist hierbei eine Art Macht durch Unterdrückung zu verstehen. Ein
Anarchist lehnt demnach Machtverhältnisse nicht grundlegend ab,
sondern nur solche, die auf Unterdrückung anderer basieren.
Grundlegende Werte und Normen existieren auch für den Anarchisten.
Im Idealfall verfügt der Anarchist sogar über einen sehr hohen
Anspruch an Moral und Ethik, ferner über ein ausgeprägtes Bewußtsein
von Gut und Böse. Mit der durch die Medien geprägten Definition von
Anarchie als Chaos, Gewalt und Gesetzlosigkeit hat unser Verständnis
von Anarchie demnach nichts zu tun.
133
Anarchie bedeutet vielmehr, daß sich jedes Individuum ohne
unterdrückende Autorität und in freier Assoziation mit anderen
Individuen entfalten kann. Hierbei wird in Kooperation mit anderen
Individuen Verantwortung für die eigenen Lebensumstände
übernommen, ohne daß dabei eine lenkende zentrale Gewalt (wie
beispielsweise ein Staat oder sonstwer) eingreifen muß. Folglich können
wir Anarchie als eine Art Ordnung ohne Herrschaft bzw. Ordnung ohne
Zwang verstehen. Und diese Definition entspricht dann auch dem
Anarchie-Verständnis unseres Honk, ganz klar. Also kein besoffener
Wirrkopf, der ein paar Mal im Jahr irgendwas anzündet oder irgendwen
mit Steinen bewirft. Nein, das auf jeden Fall nicht. Wozu auch?! Macht
doch keinen erkennbaren Sinn. Außer der Befriedigung seltsamer, im
Suff aufkommender Aggro-Phantasien bringt das absolut rein gar
nichts. Zeit- und Energieverschwendung. Absurder, überflüssiger
Krawall. Nicht mehr, nicht weniger. Unser Honk lehnt das
selbstverständlich ab, weil kein mittelbarer oder unmittelbarer Sinn oder
Nutzen dahinter zu erkennen ist. Niemand profitiert davon. Und deshalb
tut und billigt unser Honk sowas nicht.
Unser Honk ist vielmehr eine Art moderner, verantwortungsvoller
Selbstversorger mit hohen ethischen und moralischen Ansprüchen an
sich selbst, der staatliche Interventionen einerseits und Gewalt
andererseits so weit als möglich ablehnt. Unser Honk lenkt und ordnet
sein Leben selbst und sorgt zuweilen auch in seinem Lebensumfeld für
Recht und Ordnung. In der Praxis sieht das so aus, daß Gesetze und
Rechtsprechung nur dann eingehalten werden können, wenn sie dem
hohen Ethik- und Moralkodex des Honk genügen. Sollte dies einmal
nicht der Fall sein, muß der Honk in einer kontroversen Situation also
eher nach seinem Verständnis von Recht und Unrecht als nach dem
Gesetz handeln, was dann aber auch sehr zu begrüßen ist. Grundsätzlich
können hierbei zwei Motivationen vorliegen: Zum einen kann der Honk
sein Handeln zum Wohle der Allgemeinheit über Recht und Ordnung
stellen. Zum anderen kann der Honk auch völlig eigennützig
anarchistisch handeln.
134
Ich lege hier für den Fall meines Todes das Bekenntnis ab, daß ich die
deutsche Nation wegen ihrer überschwänglichen Dummheit verachte
und mich schäme, ihr anzugehören.
(Arthur Schopenhauer)
aa) Zum Wohle der Allgemeinheit
Vorweg gleich der Super-GAU: Wenn man beispielsweise einen Kerl
auf frischer Tat ertappt, wie er sich gerade an einer Frau oder einem
Kind vergehen will, sollte man umgehend die Polizei verständigen und
die Sache somit in die Hände des Staates legen. Und das tut man als
Honk auch, keine Frage. Unser Honk alarmiert die Polizei. Anonym.
Und auch erst, nachdem der ertappte Typ seine eigenen Eier fressen
durfte. Roh und ungewürzt. Kein Witz. Nicht bei solch einem Thema.
Denn die staatlichen Sanktionen für solch eine verwerfliche Tat sind
vielmehr ein schlechter Witz. Sie genügen den moralischen und
ethischen Ansprüchen unseres Honk in keinster Weise. Am besten noch
so ein seelen- und gewissenloses Mistviech von Anwalt dazu, und der
perverse Typ muß nicht einmal in den Knast. Glückwunsch.
Da dies völlig inakzeptabel ist, muß hier ganz entschieden interveniert
werden. Und da unser schöner Nachtwächter-Staat hierzu ganz
offensichtlich außerstande zu sein scheint, muß jemand anders
intervenieren. Beispielsweise ein Honk. Ja genau, ein Honk. Der Honk
wird geradezu zu solch einer Intervention gezwungen. Wo der Staat
versagt, ist Zivilcourage gefragt. Beziehungsweise Honk-Anarchie.
Denn genau das ist Honk-Anarchie, genau das muß man sich darunter
vorstellen. Soll der Typ doch zwei Jahre auf Bewährung kriegen. Drauf
geschissen. Seine gefressenen Eier sind nicht auf Bewährung. Die sind
real, die sind echt. Echt weg, echt futsch. Unwiederbringlich fort, Gott
sei Dank. Reduziert die Rückfallquote gleich auf Null. Und das ist in
solchen Fällen das Primär-Ziel. Spezial-Prävention.
135
Spezialpräventive Maßnahmen sprechen eine überaus deutliche
Sprache. Das sind ganz klare, unmißverständliche Ansagen, die keinen
Spielraum für sinnlose Endlos-Diskussionen und schwammige
Ausreden jedweder Natur lassen. Und zack. Wieder einer weniger. So
soll es sein. So muß es sein. Hätte sich derjenige ja vorher überlegen
können. Und zack. Honk-Anarchie zum Wohle der Allgemeinheit. Ein
sehr ernstes Thema, keine Frage. Ein sehr ernstes Thema, bei dem uns
Vater Staat leider im Stich bzw. im Regen stehen läßt.
Doch nicht nur Gewalt gegen schwächere oder ältere Menschen zwingt
einen Honk zum Einschreiten. Auch Gewalt gegen Tiere kollidiert ganz
erheblich mit den ethischen und moralischen Grundsätzen unseres
Honk. Als Praxisbeispiel könnte man hier die Abstrafung eines
Tierquälers anführen. Als Honk ist man da nämlich sehr sensibel, wenn
wehrlosen Tieren Leid zugefügt wird. Wenn der tierliebe Honk
beispielsweise sieht, wie ein Typ einen Hund schlägt, schlägt der Honk
im Gegenzug den Typen und nimmt ihm den Hund weg. Zack, paar in
die Fresse, Feierabend. So schnell kann das gehen. Ohne Ansage, ohne
Diskussion, Sachverhalt ist ja klar. Und zack, und weg ist der Hund.
Ganz klare Angelegenheit.
Welche Option hätte man denn sonst? Die Grün-Weißen anrufen?! Oder
vielmehr die Blau-Weißen?! Sind ja jetzt nicht mehr grün-weiß, sind ja
jetzt blau-weiß oder so. Egal. Gemeint ist die Polizei, bleiben wir bei
grün-weiß. Also was tun? Die Grün-Weißen anrufen?! Nein, nicht die
Grün-Weißen. Hier, viel geiler, das Ordnungsamt! Wir rufen das
Ordnungsamt an, abfeier. Das Ordnungsamt! Und die kommen dann
natürlich auch gleich raus und sülzen allen Beteiligten in gewohnt
spannender Manier erstmal ein Sülz-Kotelett ans Ohr. Sülz, bla, gähn.
Irgendwelchen Kram, irgendwelchen Nonsens, den die selbst nicht
verstehen. Total abgefahren. Da kommt man dann allenfalls in
Verlegenheit, denen auch gleich mal noch eine kleben zu müssen. Zack!
Und dann geht`s wieder ab in die grüne Minna! Nein, besten Dank,
nicht schon wieder. Nicht schon wieder die grüne Minna, das hilft hier
keinem. Denn hier muß gehandelt werden. Hier ist keine alberne
Phrasendrescherei gefragt, hier ist ein Honk gefragt. Hier muß der
Honk wieder selbst aktiv werden, und das ist auch gut so. Also paar in
die Fresse, Hund mitgenommen, fertig. Stößchen.
136
Oder hier, wenn ein Kind Kleintiere quält. Machen meist kleine Jungs.
Kleine Jungs mit genetisch vorprogrammiertem Lattenschlag, siehe
RTL-Super-Nanny. Solche Blagen halt. Fiese Blagen, die haarscharf am
positiven ADHS-Test vorbeigeschlittert sind. Völlig ätzend. Und wenn
dann so ein kleines Rotzbalg beispielsweise einer Fliege die Flügel
ausreißt oder einen Regenwurm zerschnippelt oder Schnecken zertritt
und dann darin rumpatscht. Keine Frage, dieses schreckliche Kind muß
vom Honk zur Räson gebracht werden, bevor es zu spät ist. Diesem
Kind muß professionell geholfen werden. Und das stellt der Honk dann
auch mal sicher, denn dieses Kind bekommt nun vom Onkel Honk eine
private Nachhilfestunde im Sachen Werte und Normen. Also ein paar
Backpfeifen, einen Satz heiße Ohren und den höchst gutgemeinten
Insider-Tipp, daß es beim nächsten Mal nicht nur bei ein paar
Backpfeifen und heißen Ohren bleiben wird. Das hilft, das wirkt.
Immer. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es
danach kein nächstes Mal geben. Und das ist auch sehr gut so. Ein
weiterer Honk-Beitrag zu einer besseren Welt. Gern geschehen.
Auch krass: Wenn ein Mistblag an einem Zaun steht und Steine nach
Weidetieren wirft. Nach Kühen und kleinen Kälbchen. Oder vielleicht
nach Pferden und ganz kleinen Fohlen. Nach Schäfchen, Lämmern,
Ziegenböcken, alles denkbar, alles möglich. Also das sollte der Honk
dann lieber auch nicht sehen. Allein das Werfen ist bereits höchst
verächtlich und muß sanktioniert werden. Und dabei sollte das Kind
beten, daß es keines der Tiere trifft. Beziehungsweise wenn es trifft,
sollte es sich ganz schnell umdrehen und versuchen, den Honk ebenfalls
mit einem Stein an die Birne außer Gefecht zu setzen. Denn die
Sanktionen, die unser gestörtes Kind nun zu erwarten hat, sind nicht von
schlechten Eltern. Und auch nicht von guten Eltern. Die sind von gar
keinen Eltern, die sind nämlich vom Honk. Und somit auch sehr
angemessen, denn das Kind bekommt nun zunächst Ohrfeigen mittlerer
Intensität. Mittlerer Intensität deshalb, weil es nicht zu erschöpft sein
darf, wenn es gleich laufen muß. Und es wird gleich laufen müssen, das
ist sicher. Denn das, was das feine Kind gerade mit den armen Tieren
gemacht hat, macht der Honk nun mit dem feinen Kind. Im Klartext:
Das mäßig geohrfeigte Kind bekommt nun kurz Zeit, durchzupusten
und seine Sinne etwas zu ordnen. Diese Zeit nutzt der Honk, um ein
paar Handvoll mittelgroßer Steine zu sammeln.
137
Und dann geht das eigentlich alles ziemlich schnell. Der Honk trägt die
Steine, die in etwa die Größe von Golfbällen haben sollten, zusammen
zu einem kleinen Häufchen. Das Kind wird daraufhin ordentlich
durchgeschüttelt, um seine Adrenalin-Ausschüttung zu maximieren.
Und dann startet mit den Worten
Lauf Forrest, lauf!!!
ein fünfsekündiger Countdown, den unser Kind zur freien Verfügung
nutzen kann. Idealerweise nutzt es diesen Countdown allerdings, um
wegzurennen, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Denn nach
Ablauf dieser fünf Sekunden wird scharf geschossen. Im wahrsten
Sinne des Wortes. Dann fliegen wieder Steine. Aber diesmal in eine
andere Richtung. Also nicht mehr vom Kind in Richtung Tiere, sondern
jetzt vom Honk in Richtung Kind, was auch sehr zu begrüßen ist. Denn
diese Vorgehensweise ermöglicht es unserem Kind, sich einmal in die
Rolle des armen Tieres hineinzuversetzen. Es verschafft ihm eine
ausgezeichnete Gelegenheit, zu sehen und insbesondere auch zu fühlen,
wie es ist, auf der anderen Seite des Zauns zu stehen.
Völlig unbestritten eine pädagogisch besonders wertvolle Maßnahme.
Unschätzbar wertvoll geradezu. Learning by doing heißt es doch immer
so schön. Feeling by throwing trifft es in unserem Fall wohl besser.
Witzigerweise hat noch nie ein Kind nachgefragt, was es denn wohl auf
sich hat mit dem Lauf Forrest, lauf!!! Nein, noch nie. Die nutzen ihre
Zeit lieber sinnvoller. Hat sich wohl schon rumgesprochen, was danach
passiert. Gut so. Werden andere Kids gleich abgeschreckt. Außerdem
sagt ein Blick in die irren Augen unseres Honk bei diesem Ausruf
scheinbar mehr als 1.000 Worte. Und es entbehrt auch jedweder
Ermahnung an das Kind in Bezug auf eine potentielle Wiederholungstat.
Mach` das nie wieder, Du Asi-Kind! Muß man dann gar nicht mehr
sagen. Denn eines ist sicher: Jedes Kind, daß den pädagogischen Wert
meiner Forrest-Methode am eigenen Leib schätzen lernen durfte, wird
niemals wieder in seinem ganzen Leben einem Tier Leid zufügen. So
viel steht fest. Die meisten entwickeln dadurch sogar eine so hohe
Wertschätzung gegenüber den Tieren, daß sie Vegetarier werden. So
effektiv und prägend ist diese Methode. Honk-Anarchie zum Wohle
aller. Bitte sehr. Stößchen
138
Unter Umständen wird man dann den aufgebrachten Eltern des
sanktionierten Kindes noch ein paar auf`s Maul hauen müssen, falls die
wahnsinnig genug sein sollten, diese wertvollen erzieherischen
Maßnahmen des Honk zu reklamieren. Aber halb so wild. Die Sache
erfordert es, nehmt hin. Und zack. Paar auf`s Maul haben noch keinem
geschadet. Im Gegenteil, vielleicht rüttelt das die grenz-devoten Eltern
dann auch gleich mal ein bißchen mit wach. Und veranlaßt sie, ihren
anti-autoritären Versager-Erziehungsstil einmal ganz unverbindlich und
selbstkritisch zu überdenken. Das wäre doch mal was. Also unter
Umständen sogar eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Für das
Kind und dessen Eltern, für die Tiere, für den Honk und für die
Allgemeinheit. Der einzige, der da wieder was dran zu scheißen haben
könnte, wäre Vater Staat. Nachtwächter Staat. Und deswegen muß ein
Honk hier auch überstaatlich handeln. Sollte einleuchten.
Und weil unser schöner Nachtwächter-Staat bei solchen und ähnlichen
Banalitäten stets mit entschiedenster Härte interveniert, sollten wir
zwingend notwendig sicherstellen, daß unser überstaatliches Handeln
hier gänzlich unbemerkt bleibt. Was sich eigentlich immer ganz gut
bewerkstelligen läßt, indem man nachhaltige Drohungen mit
entsprechender Entschlossenheit gegenüber den potentiellen
Denunzianten ausspricht. Also beispielsweise dem geohrfeigten Kind
und dessen Eltern ganz unverblümt und ebenso unmißverständlich
klarmacht, welche Konsequenzen sie zu erwarten hätten, wenn sie
unsere kleine Handgreiflichkeit zum Wohle der Allgemeinheit bei den
Grün-Weißen petzen gingen. Da muß man denen dann nämlich mal
ganz plakativ und völlig unerschrocken und abgebrüht suggerieren, was
denn da so alles passieren kann. Also so kleine Unfälle im alltäglichen
Leben und so. Das wirkt. Und das muß es auch, denn ansonsten kennt
Vater Nachtwächter mit uns keine Gnade. Da wird dann gnadenlos
abgestraft, drakonisch abgestraft, ohne Sinn und Verstand. Unter
Umständen sogar Knast, Glückwunsch, Stößchen.
Vater Nachtwächter kann aber auch sehr milde sein. Äußerst milde.
Erschreckend milde geradezu. Mir fällt da spontan ein, wie Ende 2006
so ein ekeliger Kerl, der wegen einer einschlägigen, bewiesenen und
wiederholten Sexualstraftat an einer Minderjährigen in der JVA
Dresden einsaß, irgendwie auf das Dach der JVA geklettert war. Und da
139
dann rumposiert und auch noch große Fresse gehabt hat. Hat da richtig
die Welle gemacht, hat da die ganze Presse und Psychologen und ein
ganzes Polizei-Aufgebot antanzen lassen. Und als wäre das nicht schon
pervers und bizarr genug, haben die ganzen angetanzten Nachtwächter
und Weihnachtsmänner mit dem Penner auch noch lang und breit
rumdiskutiert. Keine Ahnung, worum es da eigentlich ging. Ist aber
auch scheißegal. Denn anstatt den mit einem Gummi-Geschoß da oben
runter zu schießen, wurde diskutiert. Stundenlang diskutiert. Meine
Fresse! 20 Stunden haben die den da oben auf dem Dach gelassen.
Unfaßbare 20 Stunden! Das muß man sich jetzt mal vorstellen. Eine
Decke und Tee haben sie ihm noch gereicht. Könnte ja kalt werden da
oben auf dem Dach, feine Herrschaften.
Und nach 20 Stunden ist das Mistviech dann freiwillig vom Dach
runtergekommen, weil ihm dann doch zu kalt wurde. Zu kalt! Mit einer
Hebebühne hat er sich dann da oben runterholen lassen, Gott sei Dank
ist ihm nichts passiert. Wäre dem nicht zu kalt geworden, säße der da
heute noch, und Dutzende Nachtwächter und Weihnachtmänner würden
mit dem rumdebattieren. Was für eine Bananenrepublik! Ich bin mir
auch ziemlich sicher, daß der gar nicht vor Kälte da oben runter ist. Ach
was, dann hätten sie ihm eher einen Schlafsack und einen Wintermantel
hingegeben. Nein, die haben den plattgelabert. Dem lief das Blut aus
den Ohren raus. Der ist da oben runter, weil der keinen Bock mehr auf
diese unsägliche Sabbelei hatte. Deshalb ist der da runter. Runtergesülzt.
Krass, sehr krass, aber leider wahr.
In Honkland bekäme der nach einer Minute da oben auf dem Dach die
erste Warnung. Und dann schone keine zweite mehr. Wäre der
wahnsinnig genug, nach knapp zwei Minuten immer noch da oben
rumturnen zu wollen, bekäme er ein Gummi-Geschoß an die hohle
Birne. Zack. Oder einen Betäubungs-Schuß irgendwo hin. Und zack. So
einfach ist das. Ist gar nicht schwer. Zack. Und runter. Ab dafür. 20
Stunden diskutieren? Ach woher denn! Nicht einmal 20 Minuten. Zwei
Minuten, und dann ist Feierabend. Zumindest in Honkland. In
Bananenland leider nicht, in Bananenland wird lieber debattiert und
diskutiert und analysiert. Völlig schizophren, absurder geht es nicht.
Und deswegen wäre ein Honk auch eingeschritten, wenn denn einer in
der Nähe gewesen wäre. War wohl aber leider keiner.
140
Deshalb mußten wir diesen grotesken Schwachsinn auch stundenlang
mit ansehen. Furchtbar. Wenn das ganze Kaspertheater nicht mehrere
Autostunden weit von meinem Wohnort entfernt gewesen wäre und ich
gewußt hätte, daß man den Penner so lange da oben sitzen läßt, hätte ich
mich ins Auto gesetzt und wäre selbst dahin gefahren. Hätte mich an der
versammelten, diskutierenden Nachtwächterschaft vorbei geschlichen
und wäre über die Regenrinne ebenfalls auf das Dach der JVA
geklettert. Schön hoch auf`s Dach, schön hoch zum Mistviech.
Und dann wäre Achterbahn gewesen. Ich hätte dem sowas von die
Fresse poliert, das kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen.
Unvorstellbar, wie ich dem die Fresse poliert hätte. Ja, und dann hätte
ich den ganz einfach vom Dach runtergeklatscht. Ganz einfach. Zack.
Und runter. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Und zack. Ich
kann`s doch nicht ändern, er hätte ja nicht raufklettern müssen. Also
zack, ab, runter. Das wäre eine adäquate Vorgehensweise gewesen.
Angemessen sicherlich auch aus dem Blickwinkel des Opfers. Aber
leider völlig unangemessen und unadäquat aus Vater Nachtwächters
Bananen-Blickwinkel. Denn Vater Nachtwächter läßt in solch einem
Fall lieber Milde walten. Vater Nachtwächter läßt den Penner lieber so
lange auf dem Dach rumhampeln, bis sogar dem die schwachsinnige
Laberei bei Kaffee und Kuchen zu blöd wird und der sich freiwillig da
oben runterholen läßt. Herzlichen Glückwunsch!
Wir können also festhalten, daß immer dann, wenn Vater Staat mal
wieder einen absoluten Totalausfall produziert und seinem Synonym als
Vater Nachtwächter alle Ehre erweist, ein Honk gefragt ist. Zumeist
handelt es sich dabei um Fälle, in denen ein starkes Individuum einem
schwächeren Leid zufügt. Oder um ein perverses Szenario wie zuletzt
beschrieben, in dem sich Vater Staat komplett handlungsunfähig der
Lächerlichkeit preisgibt. Wenn man als Honk in solchen Fällen die
Möglichkeit hat, einzuschreiten, dann muß man es auch tun. Denn es
gibt genug Weihnachtsmänner, die sich um die armen Täter kümmern.
Möchte nicht wissen, wie viele Leute da unten rumstanden und dem
Kasper vom Dach stundenlang ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt
haben. Möchte ich echt nicht wissen. Ist aber eigentlich auch scheißegal.
Denn die Aufmerksamkeit eines Honk gilt niemals dem Täter, sondern
stets dem Opfer.
141
Ja wie, was ist denn jetzt los? War vorhin nicht von gewaltfrei die
Rede? Von Gewalt weitestgehend vermeiden? Na? Und jetzt das? Jetzt
sogar Selbstjustiz? Aber hallo! Auf jeden Fall! In den beschriebenen
Fällen handelt es sich um so gravierende moralisch-ethische
Verwerflichkeiten, daß man mit jedem erdenklichen Zögern selbst eine
Teilschuld auf sich nimmt. Wer zusieht, obwohl er / sie in der Lage
wäre, vehement gegen das Unrecht vorzugehen, macht sich mit
schuldig. Die ganzen Hampelmänner, die 20 Stunden mit Karlsson vom
Dach diskutiert haben. Alle schuldig. Schuldig im Namen der Opfer.
Schuldig voll am Arsch! Die Medien, die dem Szenario
uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenkten. Auch schuldig, alle
schuldig. Der Befehlshabende, der Betäubungs-Schuß oder GummiGranate hätte befehlen können. Schuldig. Schuldig durch Unterlassen.
Und die größte Schuld? Die tragen wir. Ja, ganz richtig, wir. Wir alle,
die diese kranke Scheiße in der Glotze sehen oder in der BILD lesen
wollen. Wir alle, die diesen medialen Bullshit nachfragen. Wir
Nachfrager, wir Konsumenten. Die Medien trifft dabei keine direkte
Schuld. Die können machen, was sie wollen. Die haben Pressefreiheit,
wie es so schön im tollen Grundgesetz heißt. Hier, zack:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und
Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die
Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch
Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet
nicht statt.
Die dürfen diese Kacke drucken oder zeigen, kein Thema. Die müssen
das sogar zeigen. Weil es sonst nämlich ein anderer tut. Bling-Bling, nur
darum geht es. Um Geld, um Kohle, um Umsatz. Und um nichts weiter.
Um Verkaufszahlen. Denn ruckzuck liest morgen kein Schwein mehr
die BILD, sondern ein vergleichbares Drecksblatt, das diese kranke
Scheiße bis ins letzte Detail auseinanderfummelt. Logisch, denn wir
wollen das lesen, wir müssen das wissen. Unsere tolle BILD muß sich
höchstens ankreiden lassen, diesen Rotz auch noch so marktschreierisch
anzupreisen. Aber auch das wollen wir so, auch das brauchen wir so. Je
perverser, je skandalöser, desto besser.
142
Oder diese tollen, unglaublich seriösen Nachrichten auf RTL, PRO7 und
Co., phantastisch. Zeigen die den Dreck nicht, zeigt es ein anderer
Sender im Aso-TV. Aso-TV macht`s möglich, na klar. ARD und ZDF
werden das sicher nicht zeigen, zumindest nicht so reißerisch
aufgemotzt. Aber ansonsten macht doch die Asi-Klitsche das Rennen,
die unsere perverse Nachfrage am krassesten bedient. Die Klitsche, die
die reißerischste Aufmachung von dem Mistviech vom Dach bringt.
Würde mich auch gar nicht wundern, wenn unser Karlsson vom Dach in
ein paar Jahren, wenn er aus dem Knast draußen ist, in den beschissen
Big-Brother-Container einziehen dürfte. Na, das würde uns doch
gefallen in unseren kleinen, kranken Hirnen?! Oder wenn der mich dann
verklagt, weil ich seine gehirnamputierte Aktion in meinem ScheißBuch hier verarbeitet habe. Ohne ihn zu fragen, ohne seine
Einwilligung. Drauf geschissen. Kann er ja mal auf mein Dach klettern,
wenn er darüber pikiert ist. Falls er sich das traut. Denn auf meinem
Dach gibt es keine Decken und keinen Tee. Und der Abgang kommt
auch sehr viel krasser, so viel steht mal fest.
Wie auch immer, Drecksschleudern wie BILD, RTL Und Co. mußten
also darüber berichten. Die mußten diese Scheiße seiten- und
wochenlang bis ins kleinste Detail ausquetschen. Weil wir das so
wollen, weil wir das so brauchen. Ja, wir, und daher Glückwunsch!
Glückwunsch an uns alle. Denn Karlsson vom Dach hat insoweit nur
unsere perverse Nachfrage befriedigt. Nicht mehr, nicht weniger.
Angebot und Nachfrage. Und uns Nachfrager trifft daher auch die
größte Schuld, uns trifft die sogenannte Hauptschuld. Denn wir sind die
Ferngesteuerten, wir sind die Fehlgeleiteten. Wir sind die Perversen, wir
sind die Sensationsgeilen. Die Scheiße ist in unseren Köpfen. Und
dessen sind wir uns nicht einmal bewußt, was für eine Ironie. Und selbst
wenn, dann verdrängen wir es lieber. Ist ja nicht so schlimm, ein anderer
hat ja immer noch mehr Dreck am Stecken als wir selbst. Irgendwer
treibt es doch immer noch derber, wunderbar. Denn schließlich wird
niemand gern aus seiner kleinen, persönlichen Scheiß-Matrix gerissen.
Ist doch alles okay, lebt sich doch so schön angenehm und
unkompliziert. Herrlich, Stößchen.
143
Die Matrix ist ein System, Neo. Dieses System ist unser Feind. Was aber
siehst Du, wenn Du Dich innerhalb des Systems bewegst?
Geschäftsleute, Lehrer, Anwälte, Tischler. Die mentalen Projektionen
der Menschen, die wir zu retten versuchen. Bis es dazu kommt, sind
diese Menschen immer noch Teil des Systems. Und das macht sie zu
unseren Feinden. Du mußt wissen, daß die meisten von ihnen noch nicht
so weit sind, abgekoppelt zu werden. Viele dieser Menschen sind so
angepaßt und vom System abhängig, daß sie alles dafür tun, um es zu
schützen. Hörst Du zu, Neo, oder siehst Du der Frau in dem roten Kleid
nach?!
(Morpheus)
bb) Zum Wohle des Honk
Ja, krass, was?! Sowas mag keiner gern hören. Ziemlich harter Tobak.
Und bißchen viel Realität auf einmal, nicht wahr?! Ja, Realität ist nicht
immer schön, Realität kann echt krass kommen. Und deswegen
verzichten wir alle im gegenseitigen Einverständnis auch gern auf
Realität. Schließlich wollen wir keine schlechte Laune kriegen. Nein,
schlechte Laune wollen wir heute nicht haben. Und sonst aber auch
nicht. Bestimmt hat Onkel Honk nur zu viele schlechte Filme gesehen.
Ja, so muß es sein. Eine andere Erklärung kann es dafür nicht geben.
Und deswegen war das alles auch nur Spaß. Nur dummes Geschwätz,
nur Gesülz, nur Bla. Alles Pustekuchen, Onkel Honk hat nur Spaß
gemacht. BILD ist toll, Aso-TV auch, und wir alle sind eh am
allergeilsten, ganz klar. Ist alles tiptop hier, hurra, keiner muß sich über
irgendwas Sorgen machen. Weil das ja hier auch eh nur ein
Märchenbuch ist. Alles frei erfunden, alles gar nicht da. Ganz feines
Märchenbuch, hurra. Tante Heidi und die bösen Topmodels, trallala,
Peace, Knutschi. Alles nur Spaß, alles erfunden vom Onkel Honk.
Onkel Honk ist ein richtiger Spaßvogel!
144
Aber irgendwann muß der Spaß dann auch mal aufhören, irgendwann
muß dann auch mal Schluß mit lustig sein. Normalerweise hätten wir
diesen Dreck eh von Anfang an komplett ignoriert, wenn es nicht zur
Bestimmung unseres Vollopfers erforderlich gewesen wäre. Aber jetzt
ist Schluß mit dem Zirkus, jetzt sind wir beim Honk. Jetzt gehen wir in
medias res, jetzt ist Feierabend mit seichter Lektüre. Wir sind jetzt
nämlich beim Honk. Im Honkland. Und Honkland ist Realität. Für mich
zumindest.
Ja, und im Honkland muß man sich das jetzt so vorstellen, daß nicht
immer nur die Sonne scheint, so wie es uns im Opfer-TV stets so total
lustig und hirnfrei suggeriert wird. Nein, im Honkland regnet es auch ab
und an mal. Dunkle Wölkchen können aufziehen, kann alles sein, ist
alles möglich. Manchmal stürmt es geradezu, es donnert und blitzt, und
es wird alles ganz düster und finster und unheimlich und so.
Für mich wurde es seinerzeit mal wieder ziemlich düster und finster und
unheimlich, als ich auf die regionale Polizei angewiesen war. Ja mein
Gott, ich kann`s doch nicht ändern, immer die arme Polizei. Aber da
gehören ja wohl immer noch zwei dazu. Egal. Es wurde eigentlich nicht
nur ziemlich düster, sondern dunkel. Stockdunkel. Ein rabenschwarzer
Tag. Inklusive Spätfolgen. Aber der Reihe nach.
Fahr` ab die Scheiße:
145
Besser, es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigstens keine
Scherereien mit der Polizei.
(Karl Kraus)
aaa) Wo sind denn die Grün-Weißen?
Es war irgendwann Samstagnacht bzw. früher Sonntagmorgen,
vielleicht war es 4 Uhr. So in dem Dreh muß es gewesen sein. Nach viel
zu vielen viel zu teuren und viel zu laschen Drinks verlasse ich eine
Party-Location. Allein. Und breit, klar. Ziemlich breit. Vollbreit. Also
zu breit für Begleitung. Muß ja auch nicht immer sein, allein ist auch
mal ganz nett. Meine beiden Kumpels wollen noch bleiben und dann
mit zwei Schnallen, die sie gerade ordentlich mit Sekt abfüllen,
heimfahren. Kein Thema, ich gönne es ihnen. Man muß auch mal
gönnen können. Ich selbst habe dazu heute keine Lust. Ich will lieber zu
Hause noch einen Topf Chili con Carne fressen und dann ab ins
Bettchen. Eventuell irgendwo dazwischen noch kotzen, aber auf jeden
Fall heute keine Vögelei.
Ich möchte heute also allein heimfahren. Beziehungsweise gefahren
werden. Denn als verantwortungsbewußter Teilnehmer des
Straßenverkehrs weiß man, daß man total besoffen nicht mehr selbst
Auto fahren darf. Können schon, keine Frage. Besser als die meisten
Schnarchnasen nüchtern, ganz klar. Aber dürfen nicht. Und aus Angst
vor staatlichen Sanktionen hält man sich auch daran. Stichwort
Sicherstellung. Auweia! Also immer Auto stehen lassen. Oder besser
Auto erst gar nicht mitnehmen. Genau, Auto von vornherein nicht
mitnehmen. So handhabe ich das immer, wenn ich mir einen hinter die
Mütze kippe. Auto gleich daheim lassen, und hinterher mit einer heißen
Mieze und Taxe nach Hause düsen. Hat sich bewährt, ist besser so.
Oftmals weiß ich sonst am nächsten Morgen auch gar nicht mehr, wo
mein Auto überhaupt steht. Ey Mann, wo ist mein Auto?!
146
Also heute kein eigenes Auto, und heute auch keine Mieze. Lieber
Chili. Lecker. Dummerweise aber auch kein Taxi in Sichtweite. Kein
Problem, fragt man einfach andere Party-Besucher, die auch gerade
heimfahren wollen, ob sie einen mitnehmen können. Muß man ja nur
bei denen auf`s Nummernschild gucken und ob die Kiste noch einen
Platz frei hat, dann geht das. Gesagt, getan. Zwei sympathische kleine
Südländer nehmen mich mit. Angenehme Fahrt, gute Jungs, paßt. Zehn
Euro drücke ich dem Fahrer dafür hinterher in die Hand und stecke
mein Portemonnaie wieder in meine Jacke. Selbstverständlich dürfen
die beiden Jungs bei mir zu Hause dann auch noch auf mein Klo. Aber
nur, weil sie so zuvorkommend waren und so lieb gefragt haben.
Ansonsten nimmt das mit meinem Lokus echt bald Formen an.
Ich nehme die beiden also mit in mein Haus, zeige dem einen mein Klo
und bringe dann dem anderen eine Pulle Cola, um die er mich gebeten
hat. Der muß dann auch mal pullern, und solange, bis der andere fertig
ist, darf er im Wohnzimmer Platz nehmen und Cola trinken. Kein
Problem, alles ganz easy. Bis jetzt. Ich ziehe schonmal Jacke und
Schuhe aus, hänge die Jacke an meine Garderobe und stelle die Schuhe
in den Ständer. Reiße mir noch ein Veltins auf, zack, freue mich auf
mein Chili. So, die beiden Ziegenhirten tauschen die Plätze, einer ins
Wohnzimmer, der andere im Gegenzug auf den Pott. Denke ich
zumindest. Denn während ich mit dem einen im Wohnzimmer sitze,
pullert der andere nicht so schön, wie er angekündigt hat, sondern
durchsucht vielmehr im Flur meine Jacke nach meiner Kohle. Und
findet die dann dummerweise auch. Findet meine ganze Porte und
nimmt diese mal eben ganz treuhändisch an sich. Zack.
Danach geht er selbstverständlich noch auf mein Klo. Aber nicht, um zu
pullern oder um hinterher die blöde Frage zu stellen, ob ich denn keine
Klobürste hätte. Nein, vielmehr um meine nagelneue Flasche BOSS
Bottled 125 ml ebenso treuhändisch wie die Porte an sich zu nehmen.
Besten Dank auch. Ich sitze währenddessen seelenruhig mit seinem
Kumpel im Wohnzimmer und erzähle dem in meinem wirren Suffkopp
auch noch, wie teuer mein neuer Mercedes war. Völlig gutgläubig sitze
ich da, völlig behämmert. Keinerlei Mißtrauen, keine bösen Gedanken,
nichts. Wozu auch?! Man erwartet ja grundsätzlich nichts Schlechtes
von einem Menschen. Ich zumindest nicht.
147
Etwas mißtrauisch werde ich dann erst, als das Handy des Kollegen im
Wohnzimmer klingelt und dieser wie von der Tarantel gestochen
aufspringt und meint, er müsse nun gehen. Aha. Instinktiv -und aber
auch aus Höflichkeit- geleite ich ihn aus dem Wohnzimmer in den Flur.
Wo ich dann doch etwas verdutzt feststellen muß, daß der andere
Kollege bereits auf dem Weg zum Auto ist. Na? Na? Na, jetzt aber. Ich
mag zwar manchmal geistig etwas träge sein, und ab zwei Promille wird
das sicher auch nicht besser, aber ich bin kein Vollidiot. Sofort greife
ich in meine Jackentasche -zack- und registriere, daß mein
Portemonnaie weg ist. Meine schöne Porte. Weg. Futsch. Auweia.
Sofort renne ich raus zum Auto der beiden Kollegen. Der Fahrer sitzt
schon, Motor läuft, der andere steigt gerade ein. Da die nun folgende
Schlüsselsituation -insbesondere bei Südländern- eine extrem subtile
Vorgehensweise erfordert, habe ich die beiden nun nicht direkt mit ihrer
Tat konfrontiert und das Ganze wahnsinnigerweise noch mit einem
Kraftausdruck verfeinert. Nein, bloß nicht, ich bin ja nicht lebensmüde.
Vielmehr habe ich mal ganz vorsichtig angefragt, ob ich
möglicherweise meine Porte und eine Flasche BOSS Bottled, die ich gar
nicht mit dabei hatte, in deren Auto vergessen haben könnte. Was für
ein Bullshit! Was für ein Trottel. Aber im nachhinein total lustig, die
Story ist der absoluter Knüller in meinem Bekanntenkreis.
Ein schnelles Nein und eine noch schnellere Abfahrt der beiden Jungs
mit quietschenden Reifen waren die Reaktion auf meine Frage. Als hätte
ich das nicht erwartet. Also ruckzuck Nummerschild gemerkt, so gut es
eben vollbreit geht, das Auto war auch sehr auffällig, kein Problem. So,
jetzt schnell zurück in meine Bude flitzen und ganz flott bei der
regionalen Polizeidienststelle anrufen und denen den Sachverhalt
schildern. Also nicht 110 oder 112 oder ähnlicher Blödsinn, sondern
gleich die Nummer von den Cops um die Ecke. Gleich bei denen
anrufen, ist besser, geht schneller.
So, und wer jetzt glaubt, daß die ganze Geschichte bis hierhin völlig
gehirnamputiert ist und haarsträubender nicht werden kann, wird nun
eines besseren belehrt. Man versetzte sich dabei bitte immer in meine
Situation: Durchgefeierte Nacht, besoffen, Chili-Dose schon in der
Hand, im eigenen Haus beklaut, bah. Ist das zum Kotzen?! Auf jeden
148
Fall. Voll zum Kotzen. Egal. Ich hätte jetzt alles machen können. Alles.
Ich hätte mir die Haare raufen können. Mir ein paar Nutten kommen
lassen können, um wieder auf bessere Gedanken zu kommen. Ich hätte
die Verfolgung mit zwei Promille, Baseballkeule und 300PS-Mercer
selbst aufnehmen können. Eine Flasche Tequila reinkippen und ins Bett
legen können. Hätte ich alles machen können. Wäre alles sinnvoller
gewesen. Aber nein, habe ich nicht gemacht, ich habe mich an Recht
und Ordnung halten wollen. Artig sein. Anarchie zum eigenen Wohl nur
im Extremstfall. Also habe ich die Regio-Cops angerufen. Und damit
den eigentlichen Wahnsinn erst in Gang gesetzt.
Nachdem ich den vorliegenden Sachverhalt schnellstmöglich
telefonisch geschildert habe, erzählt mir der freundliche
Weihnachtsmann am anderen Ende der Leitung, daß ich mich erstmal
beruhigen solle. Jetzt mal schön langsam und mal ganz ruhig. Na klar.
Besten Dank nochmals nachträglich dafür. Was nützt einem die
schönste Porte und der edelste Duft, wenn man Angina pectoris
bekommt?! Unfaßbar. Ich habe dem dann also alles ein zweites Mal
erzählt. Zwei kleine Ziegenhirten, unterwegs in dem und dem Auto, mit
dem und dem Kennzeichen, in die und die Richtung. Bitte Kennzeichen
überprüfen, hinfahren, verhaften. Dankeschön.
Von wegen! Das wäre ja viel zu einfach gewesen. Es sei Wochenende,
Sonntagmorgen, man habe nur eine Streife im Einsatz, und die könne
sich nicht um alles kümmern. Erzählt mir der nette Weihnachtsmann
voller Überzeugung und ganz selbstverständlich, als hätte ich mir das
doch eigentlich selbst denken können. Ich solle am Montag nochmals
anrufen, dann sei man wieder in voller Wochenbesetzung und könne
sich darum kümmern. Wat? Wie bitte? Habe ich mich eben verhört?
Nein, nicht verhört, bestätigt die freundliche Stimme am anderen Ende
der Leitung, alles richtig verstanden. Montag abermals anrufen. Am
besten gleich ganz früh, damit man keine Zeit verliere.
So! Und das ist jetzt kein Witz. Das ist wirklich so passiert. In meinem
Leben. Nicht in Bizarro-Welt, sondern in der Realität. Montag früh bitte
erneut anrufen, vielen Dank für Ihr Verständnis. Ist wirklich so
abgelaufen, ich kann es doch selbst kaum glauben. War aber so. Nun
gut. Alles klar, auf Wiederhören, melde mich Montag. Fuck!
149
Jetzt stand ich kurz davor, eine Kombination der oben beschriebenen
alternativen Handlungsweisen vorzunehmen: Erst die Pulle Tequila rein
in Hals, zack, Stößchen, dann Baseball-Keule und Chili-Dose gepackt
und mit dem Mercer schön mit 280 zur Regional-Cop-Wache geballert.
Dort dann erstmal durch minutenlanges Hupen auf mich aufmerksam
gemacht. Damit auch ja alle mitkriegen, wie ich als nächstes mit der
Keule die Tür bei denen einschlage, dem Weihnachtsmann vom Telefon
die Dose Chili hinstelle und Guten Appetit wünsche. Und dann ganz
schnell wieder weg. Das wäre eine angemessene Reaktion auf den
Wahnsinn gewesen. Und lustig noch obendrein. Habe ich dann aber
doch lieber gelassen, weil die unterbesetzten Cops ansonsten mit
ziemlicher Sicherheit meinen Führerschein sichergestellt hätten. Was
für ein Fest! Sichergestellt! Auweia! Sicherstellen geht immer, alles
andere muß bis Montag warten. Sicherstellungen haben allerhöchste
Priorität. Aber nur bei Führerscheinen, das ist ganz wichtig. Alles
andere ist völlig sekundär. Falls die mal einen verfolgen, der eine
Atombombe oder sowas geklaut hat, lassen die sofort von dem ab, wenn
ihnen ein anderer mit kaputtem Abblendlicht oder gar Schlangenlinien
entgegenkommt. Vollbremsung, zack, Handbremse, 180-Grad-Wende,
hinterher. Bei dem kann doch was nicht stimmen. Heiliger Bimbam.
Also habe ich eine andere Kombo gewählt, die aus Haare-Raufen und
Tequila-Saufen bestand. Rauf, sauf, zack, Stößchen. Und während ich
da so sitze und raufe und saufe und saufe und raufe, und mich die ganze
Zeit frage, ob ich vielleicht nur schlechtes Gras geraucht habe, trifft es
mich plötzlich wie der Schlag. Wie vom Blitz getroffen verfalle ich von
einer Sekunde auf die andere in tiefste, demütigste Dankbarkeit. Und
zwar aufgrund der soeben erhaltenen, vertraulichen Informationen.
Denn es hätte ja auch alles viel schlimmer kommen können. Viel, viel
schlimmer. Was wäre denn gewesen, wenn die lieben Ziegenhirten mir
die ganze Bude ausgeräumt hätten?! Und mir vorher zwecks
Ruhigstellung noch zwei Kugeln in den Pansen verpaßt hätten? Na das
wäre mal was gewesen. Oder mich gefesselt und mit Kopf nach unten
an den Füßen am Dachbalken festgebunden und wechselweise
zusammengeschlagen und gekickt hätten, wie einen beknackten
Sandsack? Da darf ich gar nicht dran denken, sonst kommt mir die
Suppe wieder hoch, aber mal so richtig. Bah.
150
Und wenn ich es dann unter Aufwendung meiner letzten Lebenskräfte
irgendwann geschafft hätte, den Weihnachtsmann von der Wache
anzurufen? Hilfe, ich wurde gerade in meinem Haus überfallen und
habe zwei Kugeln im Pansen! Und der mir dann gesagt hätte, ich solle
mich lieber Montagmorgen nochmal melden, von wegen nur eine
Streife unterwegs und so?! Und diese wird um 4 oder 5 Uhr morgens,
wenn der McDrive gerade öffnet, nicht gern gestört?! Das wäre dann
aber auch nochmal ein dicker Hund gewesen. Und eine ziemliche
Ernüchterung noch dazu. Meine Herren, nicht auszudenken. Insoweit
also alles ganz toll, mir geht`s gut, alles tiptop. Ich freue mich jetzt
sogar richtig, daß man mich beklaut hat. Hurra, endlich weg die Porte,
endlich weg der Nutten-Diesel. Habe ja noch drei, vier andere Düfte.
Kann ich die endlich mal wieder auftragen, klasse. Oder entsagen wir
doch gleich jedweden materiellen Dingen. Zack. Alles weg damit, alles
muß raus, alles weg. Zack, ab, raus. Was für ein Abfuck! Der Abfuck
der Woche! Nächstes Mal rufe ich die Feuerwehr oder den Notarzt oder
den Schlüsseldienst, die kommen wenigstens raus. Oder Bruce Willis.
Und bis dahin werde ich am Wochenende absolut und überhaupt rein
gar nichts mehr machen. Keine Aktivitäten mehr. Nichts. Njet. Nada.
Freitags ab 16 Uhr werde ich mich in meiner Bude verrammeln. Alle
Rollos runter, allen Türen doppelt abgeschlossen. Und dann ziehe ich
mich in mein Schlafzimmer zurück, schiebe den massiven EichenSchrank vor die Tür und hoffe und bete, daß bald Montagmorgen ist.
Zwei Kisten Bier, drei bis fünf Liter Mai-Tai, Dosenravioli, eine Stange
Kippen, ein bis zwei Dutzend Pornos und einen Feuerlöscher, falls es
mal brennt. Damit verrammele ich mich dann bombensicher für die
nächsten 64 Stunden in meinem Bett. Einen Sturzhelm auf, kugelsichere
Weste an und den Finger an der durchgeladenen Pumpgun nervös am
Abzug und konsequent auf die Tür gerichtet, falls einer kommt. Denn
von Freitag 16 Uhr bis Montag 8 Uhr ist die Stadt, in der ich wohne,
ganz offensichtlich ein rechtsfreier Raum. Da regiert dann der
Wahnsinn! Ich habe es selbst erleben müssen. Da kommt keiner raus
oder fährt mal gucken oder so, da ist sich jeder selbst der Nächste. Da
kann jeder tun und lassen, was er will. Es interessiert niemanden. Mit
einer aufmerksamen Polizeistreife auf dem McDonald`s-Parkplatz und
einer illustren Skatrunde auf deren Wache herrscht da der
Ausnahmezustand.
151
Filmreif. Echt filmreif. Wenn es nur nicht so traurig wäre. Und wie sich
jetzt sicher jeder hier bereits selbst denken kann, habe ich nicht bis
Montag gewartet. Um dann erneut beim lustigen Weihnachtsmann
anzurufen. Ich bin vielleicht bescheuert, aber kein kompletter
Volltrottel. Auf solchen Klamauk stehe ich mal gar nicht. Folglich habe
ich, nachdem ich meinen Suff mehr oder weniger ausgeschlafen hatte,
beschlossen, die Situation in glorreicher Anarcho-Manier am
Sonntagnachmittag selbst in die Hand zu nehmen. Dem Spuk selbst ein
Ende zu bereiten. Wieder meinen eigenen Film zu drehen. Kurz: Die
Kuh vom Eis holen. Und das auch ziemlich schnell, weil ich sonst
wieder echt sauer werde.
Meine sehr hohen ethisch-moralischen Wertvorstellungen haben mich
geradezu zu diesem Schritt gezwungen. Wer läßt sich schon gern
beklauen?! Ich zumindest nicht. Also echt nicht. Noch dazu völlig
gutgläubig und unter Ausnutzen meiner Gastfreundschaft. Das ist ja
gerade der Pferdefuß, Ausnutzen der Gastfreundschaft! Und meines
WCs noch dazu. Skandalös. Dubios. Höchst verwerflich obendrein. Und
durch nichts zu rechtfertigen. Keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich,
also Bahn frei für den Anarcho-Honk. Wieder einmal muß es Anarchie
zum eigenen Wohl, zum eigenen Wohl des Honk heißen.
Gezwungenermaßen, ohne es selbst zu wollen. Ein typischer Fall, ein
ganz klassischer Fall. Ein Präzedenzfall sozusagen.
Die ganze Sache war dann erwartungsgemäß auch ziemlich schnell
geklärt. Einfach Sonntagnachmittag ein paar einschlägige InternetCafes, Wettbüros und Döner-Buden abgeklappert. Dort dann erzählt,
was passiert ist. Die Typen und deren Auto beschrieben. Die Ansage
gemacht, daß ich morgen früh einige Telefonate führen muß, wenn die
Kohle nicht bis heute Abend 8 Uhr wieder auf dem Tisch liegt. Und
zwar auf meinem Tisch. Nicht in irgendeiner Strip-Bar oder Flippo auf
dem Tisch, sondern auf meinem. Dann erstmal wieder ab nach Hause
gedüst. Abwarten und Bier trinken. Viel Bier trinken. Aber nicht zu viel.
Und vor allen Dingen heute keine harten Sachen, so schwer es auch
fällt. Ich muß bei klarem Verstand bleiben für die Geschehnisse, die
sich im Laufe des Tages möglicherweise noch zutragen werden. Und da
wird sich noch einiges zutragen, so viel kann man schonmal verraten.
Also erstmal nur Bier rein, kommt auch gut. Uff, Stößchen.
152
Und siehe da, siehe da, gegen 20 Uhr klingelt es an der Tür. Draußen
stehen die beiden lustigen Langfinger von frühmorgens samt einem
Cousin bei mir auf der Matte. Stehen da auf der Matte und trüben kein
Wässerchen. Man habe gehört, was passiert sei. Man habe seinen Ohren
erst gar nicht trauen können. Und dann habe man noch einmal ganz
gründlich im Auto nachgesehen. Und siehe da, siehe da, beides habe
sich im Auto angefunden. Nein, wirklich?! Sachen gibt`s. Porte wieder
da, BOSS wieder da. Muß ich also alles im Auto verloren haben.
Unfaßbar, wie ungeschickt ich doch manchmal bin. Die 60 bis 80
Euretten, die noch im Portemonnaie waren, sind natürlich futsch
gewesen, klar. Aber sonst war alles noch drin.
Also Gott sei Dank alles wieder da. Naja, bis auf die Kohle. Aber scheiß
auf die paar Kröten. Lehrgeld, abgehakt. Lieber die beiden Jungs ihr
Gesicht wahren lassen vor ihrem Cousin. Ist besser. Wird eines schönen
Tages wahrscheinlich von Nutzen für mich sein. Nein, nicht
wahrscheinlich, ganz bestimmt sogar. Ganz unbestritten wird das
irgendwann von Nutzen für mich sein. Der eine gab mir sogar seine
Handynummer. Ich könnte anrufen, falls ich mal irgendwas bräuchte.
Ja, so ist das im Honkland. Irgendwas braucht man eigentlich immer.
Eine Hand wäscht die andere, und am Ende sind beide sauber. In diesem
Fall hätte nämlich in der Tat alles viel böser enden können.
Man stelle sich jetzt mal folgenden Super-Gau vor: Ich telefoniere und
debattiere am Montagmorgen wieder mit meinem Weihnachtsmann von
der regionalen Wache. Währenddessen sitzen die beiden kleinen HobbyGangster mit meinem Perso, meinem Führerschein, meiner Master-Card
und zwei Erste-Klasse-Tickets für die Seychellen oder nach Istanbul am
Frankfurter Flughafen. Inklusive 5.000 Euro Startgeld, gesponsort vom
Girokonto meiner Hausbank. Taschengeld, Urlaubsgeld, leck` mich am
Arsch. Nicht auszudenken. Das wäre mal eine faustdicke Überraschung
gewesen. Aber Gott sei Dank ist das nicht passiert. Gott sei Dank habe
ich eigennützig-anarchistisch gehandelt, und so hat sich das Blatt zum
Guten gewendet. Zumindest, was den eben skizzierten Super-GAU
angeht. Der konnte also zunächst abgewendet werden. Und zwar durch
Honk-Anarchie zum eigenen Wohl. Kommt immer dann total gut, wenn
Vater Staat bzw. dessen lustige Lakaien einen Totalausfall produzieren
und Bruce Willis gerade nicht greifbar ist.
153
Wer jetzt allerdings glaubt, daß die Sache damit gegessen war, irrt
gewaltig. Die Sache war noch längst nicht gegessen. Die Sache hatte
nämlich ein Nachspiel. Und zwar für mich. Ich bekam ein Nachspiel
angepfiffen. Und zwar nicht von den beiden Jungs mit der Porte,
sondern vom Weihnachtsmann. Ja, richtig, vom Weihnachtsmann!
Nachdem ich Montagmorgen dann nämlich gleich zur Wache
hingefahren bin, um denen mitzuteilen, daß sie ihre auf Hochtouren
laufenden Sonderermittlungen hinsichtlich meiner Habseligkeiten
einstellen können und sich nicht weiter total verausgaben müssen, teilte
mir ein anderer Weihnachtsmann bzw. sogar ein Butzemann (der kam
auf der Wache aus so einer komischen Butze mit Klapptür raus und war
gleich besonders souverän) mit, daß das aber nicht ginge.
Neee, mitnichten, so ginge das aber nicht. Die Sache müsse zur Anzeige
gebracht werden, da könne ja sonst jeder kommen und erst anzeigen
wollen und dann doch wieder nicht und dann wieder doch und sülz und
bla und gähn. Voll ätzend, aber echt jetzt. Naja, Ende vom Lied war,
daß ich dem Butzemann dann halt den ganzen Scheiß erzählt habe.
Beziehungsweise vielmehr erzählen mußte, weil der mir mal so richtig
auf den Sack gegangen sind. Ich war drauf und dran, zu befürchten, daß
der mir meinen Führerschein sicherstellt. Keine Ahnung, warum.
Irgendwas wäre dem schon als Grund eingefallen.
Unmittelbare Mittäterschaft an einer gemeinsam begangenen
heimtückischen und besonders gemeingefährlichen Unterschlagung
gegen einen selbst und / oder gegen Dritte. Das wäre doch mal geil
gewesen, aber so etwas gibt es offiziell leider gar nicht. Irreführen und
Verunglimpfen der regionalen Polizei zwecks eigener Belustigung und
zu Anschauungszwecken. Das wäre mindestens genauso geil gewesen.
Und träfe auch irgendwie den Kern der Sache etwas besser. Keine
Ahnung, was denen so alles eingefallen wäre. Irgendwas hätten die
schon gefunden, da bin ich mir sicher. Irgendeinen Grund für eine
Sicherstellung gibt es immer. Da glaube ich ganz fest dran. Davon bin
ich felsenfest überzeugt. Und wenn es doch einmal keinen Grund geben
sollte, dann wird eben einfach einer erfunden, zack. Nein, noch geiler:
Dann wird eben grundlos sichergestellt. Hach, wäre das geil! Dem
geneigten Leser sollte spätestens jetzt aufgefallen sein, daß ich ein
riesengroßer Fan von Sicherstellungen aller Art bin. Egal.
154
Knapp zwei Wochen später hatten die dann auch schon den
Fahrzeughalter ermittelt, und ich durfte abermals zur Wache kommen.
Und der Typ, zu dem ich da dann hin mußte, der war mal so richtig geil.
Das war kein Weihnachts- oder Butzemann mehr, das war Supermann.
Supermann himself. Aber irgendwie nicht auf Super, sondern eher auf
Bleifrei. Oder auf Diesel. Auf Heizöl, keinen Schimmer. Auf irgendwas
war der aber, da gehe ich jede Wette ein. Zuviel Kaffee, schlecht
geschissen, keine Ahnung. Ein kleines, zierliches Männlein mit
Schnauzbart und lichten Haaren. Ziemlich hektisch und übertrieben cool
sein wollend. Sozusagen der typische deutsche Mann Anfang 40. Alles
kann, nichts muß. Wobei man bei dem eher davon ausgehen konnte, daß
alles muß, aber nichts geht.
Junge, hat der ein Fest gefeiert. Sensationell! Der hat ja mal die richtig
scharfen Ansagen gemacht. Ein ganz smarter Ansager war der. Das
wäre Strafvereitelung, ich würde die Täter kennen und decken, ich hätte
das Gesetz in die eigenen Hände genommen. Der ist abgegangen wie
Schmidts Katze, ehrlich. Er würde nun alle ihm verfügbaren Hebel in
Bewegung setzen, damit der ganze Sachverhalt aufgedeckt und
abgestraft werden kann. Wobei ich natürlich auch einen an den Latz
bekäme, verstünde sich wohl von selbst, sowas ginge doch nicht, bla.
Junge, hat der genervt. Der ging mal so richtig schön gar nicht. Der war
so geil drauf, daß ich dem fast meinen Führerschein auf den Tisch
geknallt hätte. Dann hätte er was zum Sicherstellen gehabt und
vielleicht Ruhe gegeben. Da, zack, nimm hin, stell` sicher. Aber bitte,
schalte mal einen Gang runter, sonst liege ich gleich unter`m Tisch.
Nein, das habe ich dann aber doch lieber gelassen. Sonst wäre der
vielleicht noch richtig abgeschnallt. Stattdessen habe ich die knapp 20
Minuten Verhör voll ausgekostet, wobei ich mir leider stets das Lachen
verkneifen mußte, weil der arme Kerl so fies drauf war. Das war ganz
großes Tennis, Slapstick at it`s best. Ich habe sogar damit gerechnet,
daß der gleich in ein Nebenzimmer geht und dort irgendwo aus einer
verstaubten Kiste von anno 1950 einen Lügendetektor rausholt.
Beziehungsweise einen zweiten Sheriff, mit dem er dann die GuterBulle-böser-Bulle-Nummer mit mir abzieht. So einen wie Shaft, einen
knallharten Schwarzen, der nicht lange fackelt. Zack, erstmal schön
Kopf auf den Tisch, danach werden Fragen gestellt.
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Naja, egal. Ich durfte dann gehen. Und habe seitdem nie wieder was
vom Supermann gehört. Was irgendwie ziemlich schade ist, weil ich die
Gesamtsituation dann doch ziemlich skurril und superlustig fand. Habe
ich daraus irgendetwas gelernt? Nein. Wie immer absolut rein gar
nichts. Oder doch?! Ja, doch, eine Sache ist hängengeblieben: Ich werde
nie wieder in meinem ganzen Leben freiwillig die Polizei rufen. Nie, nie
wieder. Wenn mir einer in die Karre fährt, scheißegal. Lieber einen
neuen Benz kaufen. Wenn mir irgendwer das Haus abfackelt, auch
völlig egal. Lieber in einer neuen Stadt nochmal ganz von vorn
anfangen. Neue Stadt, neues Glück. Oder wenn ich sehe, wie bei meinen
Nachbarn eingebrochen wird. Dann gehe ich da lieber selbst mit
Baseball-Keule oder 9-mm-Halbautomatik rüber und bereinige die
Situation. Werde ich alles machen. Alles selbst regeln. Nur nie wieder
die Polizei rufen. Niemals. Unter keinsten Umständen jemals wieder.
Und wenn die freiwillig rauskommen? Beispielsweise im Rahmen ihrer
Lieblings-Beschäftigung, der allgemeinen Verkehrskontrolle? Am
besten noch der Chuck Norris vom Verhör mit dabei? Auweia! Dann ist
guter Rat teuer. Aber eigentlich auch egal. Gar nicht erst anhalten,
gleich im Fahren den Lappen aus dem Fenster schmeißen, kann sofort
sichergestellt werden. Zack, da ist das Ding, nehmt hin. Und dann nur
noch Vollgas. Ab auf die Bahn, solange der Tank reicht. Nur weg. Weg,
weg, weg. Ganz weit weg. Da braucht man dann gar nicht erst groß mit
Moral und Ethik anfangen und hinterfragen, ob das denn nun richtig
oder falsch ist. Drauf geschissen. Gas, Vollgas, weg. Einfach nur weg.
Auf, auf und davon...
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Brauch` keinen Freund, kein Kokain, brauch` weder Arzt, noch Medizin.
Brauch` keine Frauen, nur Vaselin, etwas Nitroglycerin. Ich brauche
Geld für Gasolin, explosiv wie Kerosin. Mit viel Oktan und frei von Blei,
einen Kraftstoff wie Benzin!
(Rammstein)
bbb) Heizöl kommt noch krasser
Es ist nun ja nicht so, daß ich generell was gegen die Polizei hätte. Nein,
nicht doch. Wirklich nicht. Nicht, daß hier noch ein falscher Eindruck
entsteht. Ich mag die Polizei. Ehrlich. Die machen auch nur ihren
komischen Job und können es nicht besser wissen. Und ganz nebenbei
profitiere ich oftmals sogar von der Polizei bzw. von deren NichtAgieren. Beispielsweise halten die mich im Rahmen einer allgemeinen
Verkehrkontrolle eigentlich immer an. Keine Ahnung, warum. Ich bin
immer dran. Immer! Eine Zeit habe ich ständig die Autos gewechselt,
aber die haben mich trotzdem angehalten. Möchte nicht wissen, was
dahinter steckt. Eine höhere Macht? Ausgleichende Gerechtigkeit? Oder
vielleicht sogar ein Peilsender in meinem Arsch?
Es wird dann wahrscheinlich doch der Peilsender sein. Da bin ich mir
eigentlich ziemlich sicher. Aber wie? Wahrscheinlich haben die mir
damals im Krankenhaus nicht den Blinddarm rausgenommen, sondern
stattdessen eine Wanze bzw. diesen ominösen Peilsender reingesteckt.
Zack. Ab in den Blinddarm. Also nicht in den Arsch, sondern in den
Darm. Auch nicht viel besser. Klar, damals war ich erst neun Jahre alt.
Aber daß ich mal ein ganz besonders verkorkstes Subjekt werden würde,
stand schon früh fest. So vielleicht im Alter von drei oder vier Jahren.
Da wußte man schon, was später einmal Sache ist. Naja, und ich denke,
dann hat man noch ein paar Jahre abwarten wollen, ob sich das
vielleicht irgendwie irgendwann rauswächst, aber Pustekuchen. Nichts
weg, nichts rausgewachsen, wurde alles nur noch schlimmer.
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So, und beim nächsten Dünnschiß wurde mir dann suggeriert, es wäre
der Blinddarm. Uiuiui, der Blinddarm! Wenn der platzt, geht man tot.
Auweia! Also ganz schnell unter`s Messer. Aufgeschnippelt, Wanze
rein, zack, zugemacht. Alles Routine, schönen Tag noch. So oder
ähnlich muß es gelaufen sein. Damit man mich später stets und ständig
lokalisieren kann. Man immer gleich weiß, wo ich mich gerade
rumtreibe. Voll ätzend, aber echt jetzt. Kann ich ja gleich bei RTL2 in
den Asi-Container einziehen. Paar Low-Budget-Matratzen vögeln,
scheißegal, weiß ja eh jeder Bescheid. Und ich war die ganzen Jahre so
naiv. Aber jetzt nicht mehr! Denn jetzt, wo ich das weiß, hole ich das
Ding da bald wieder raus. Garantiert. Ich weiß nur noch nicht, wie. Kein
Arzt der Welt will mir helfen. Alle lachen mich aus. Nein, das sei nur
ein leichter Schatten auf dem Röntgenbild, keine Sorge. Und überhaupt
sei der Blinddarm noch da. Tja, und die Narbe, das könne alles
Mögliche sein. Und überhaupt klinge das alles ein wenig schizophren,
was ich da so von mir gebe. Na super, schizophren. Was will man dem
noch entgegnen?! Ich weiß es nicht mehr. Ich stehe da
zugegebenermaßen ein bißchen auf dem Schlauch, im wahrsten Sinne
des Wortes. Vielleicht sollte ich mal einen Magneten da unten an den
Pansen ranhalten, vielleicht stört der die Funktion von dem Ding.
Naja, mittlerweile bin ich ja schon froh und dankbar, daß das Ding
keine Schock-Funktion oder sowas hat. Also situationsbedingt leichte
bis mittelschwere Stromstöße. Je nach Situation. Oder schlimmer noch,
nach Zustand. Beispielsweise an meine Leber oder meine Blut-AlkoholKonzentration gekoppelt. Auweia! Jeder Tropfen über 0,5 Promille gibt
einen mittelschweren Stromschlag. Zack. Dann stände ich den ganzen
Tag voll unter Strom. Dann wäre ich der 10.000-Volt-Mann. Wie geil!
Von weitem schon zu erkennen an Qualm und Funkenflug. Und aus der
Nähe an den gekräuselten Haaren, den gelben Augen und dem Geruch
von verbranntem Ethanol. Eigentlich ideale Voraussetzungen für einen
Profi-Wrestler. Ein gelungener Charakter, also mit dem ganzen Qualm
und den Mini-Blitzen und so. Und erfolgreich obendrein. Sobald ich
meinen Gegner im Ring zu fassen kriege, fokussiere ich ganz krass und
gebe dann punktuell eine komplette elektrische Ladung an den ab.
Bzzz!!! Versteht sich wohl von selbst, daß der dann sofort umfällt. Und
das war`s dann auch. Eins, zwei, drei. Und aus. Sieger per Pinfall und
somit neuer Intercontinental-Champion: The Incredible Elekto-Honk!
158
Wahnsinn! Also wenn ich es mir so recht überlege, hätte ich dann doch
ganz gern noch die Schock-Funktion dazu. Endlich Wrestler werden,
hurra! Endlich hätte mein ödes Leben einen Sinn. Mal den Arzt anrufen,
der damals dieses ominöse Blinddarm-Operation an mir durchgeführt
hat. Vielleicht kann man da noch was upgraden. Aber bestimmt will der
sich an sowas nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich werde ich wieder
Drohungen aussprechen müssen. Ihn zwingen, mich upzugraden. Denn
so ganz seriös und koscher waren diese Stasi-Allüren ja nun auch
wieder nicht. Tut aber hier auch nicht weiter zur Sache. Auf jeden Fall
werde ich aufgrund dieser blöden Darm-Wanze stets und ständig von
den Grün-Weißen rausgewunken.
Da ich das aber mittlerweile weiß, betreibe ich Prophylaxe. Ich bereite
mich also ganz penibel darauf vor bzw. richte mein vorangehendes
Handeln danach aus. Im konkreten Fall heißt das, daß ich vor
Fahrtantritt niemals mehr als vier große Weizenbier trinke. Halbe Liter,
keine ganzen. Vier Halbe. Pro Glas macht das dann 0,3 Promille bei
mir, also 1,2 Promille bei vier Gläsern. Nun ist es ja nicht so, daß ich die
vier Pötte auf einmal aussaufe, sondern schon ca. eine Stunde dazu
brauche. Meine Kumpels haben da schon einen schnelleren Zug am
Hals, aber ich lasse es mir schmecken. In dieser Stunde hat meine
Leber, die ja mittlerweile durch den exzessiven Alkoholkonsum sehr gut
trainiert ist (Liver-Pimping), gute 0,2 Promille bereits wieder abgebaut.
Das heißt, bei Fahrtantritt habe ich dann aus zwei Litern Weizenbier
gerade mal charmante 1,0 Promille intus. Ein ganz hervorragender BlutAlkohol-Wert, insbesondere für Nachtfahrten.
Denn von 0,5 bis 1,1 Promille gibt es lediglich 500 Euro Bußgeld, vier
Punkte und einen Monat Fahrverbot. Und das ist doch mal ein flottes
Angebot, oder?! Die paar Kröten nimmt man doch wohl gern in Kauf,
Handgeld, Portokasse. Und einen Monat Fahrverbot, pah, drauf
geschissen. Den nimmt man, wenn man das nächste Mal für drei oder
vier Wochen in den Urlaub fliegt. Alles in allem bei weitem nicht so
verheerend und frustrierend wie die Vorstellung, nüchtern zu bleiben.
Der Wiederholungstäter zahlt 1.000 Euro und kriegt drei Monate
Fahrverbot. Auch noch akzeptabel. Kann ja jeder für sich selbst
entscheiden. Auf jeden Fall auch hier ganz typische und ganz krasse
Honk-Anarchie zum eigenen Wohl.
159
Wie auch immer. Dadurch, daß die Grün-Weißen ihr Augenmerk
permanent nur noch auf mein Saufverhalten richten, entgeht denen
natürlich alles andere. Beispielsweise, daß ich meinen PKW mit Heizöl
betanke. Ja, mit wunderbarem Heizöl. Statt Diesel. Habe mir extra einen
alten Mercedes 190 D (Baujahr 1984, 450.000 km) als Zweitwagen
gekauft. Extrem geile Karre. 78 PS, zieht wie Sau. Von Null auf
Hundert in 70 Sekunden. Geile Karre. Habe ich mir zugelegt. Und eine
Handpumpe, zwecks Anschluß an den Heizöltank im Keller.
Und nun verhält es sich so, daß ich für alle Fahrten über 100 km den
Heizöl-190er nehme. Clever, was?! Und unvermeidlich noch dazu. Die
steigenden Benzin- und Diesel-Preise haben mich zu diesem Schritt
gezwungen. Also auch hier Honk-Anarchie zum eigenen Wohl. Ein ganz
tolles Beispiel dafür, ein Paradebeispiel. Alles über 100 km mit dem
Heizöl-Trecker. Und für alles darunter bzw. am Wochenende dann die
Proll-Schleuder mit 15 Litern SuperPlus auf 100 km. Zweiter ganz
wichtiger Aspekt: Niemals besoffen mit dem Heizöl-Trecker. Auf
keinen Fall. Man wird eh angehalten, Peilsender. Und Flucht ist
unmöglich. Nicht mit 78 PS. Von Null auf Hundert in gut einer Minute.
Undenkbar. Und höchst verdächtig. Lieber schön pusten, tröt, Nullkomma-Null, gute Weiterfahrt. So muß es sein. Vielleicht noch ein
Cannabis-Test, weil sie den recht würzigen Heizöl-Geruch nicht
zuordnen können, und tschüß. Weiter geht`s mit einem ökologisch
vorbildlichen Verbrauch von vier Litern Heizöl auf 100 km.
Am Wochenende sieht das dann schon etwas anders aus. Da hat man
dann gut viermal soviel PS unter`m Arsch, bläst ordentlich SuperPlus
durch und kurbelt demzufolge die Wirtschaft an. Nicht nur die
Marktwirtschaft, sondern auch die Gastwirtschaft um die Ecke. Denn
mit flotten 300 Pferdchen und ohne Heizöl kann man dann auch wieder
schön saufen und fahren, na klar. Und im Ernstfall flüchten. Wie im
vorangegangenen Kapitel beschrieben. Fenster runter, Lappen raus,
Vollgas. Falls die dann tatsächlich so witzig sein wollen, mit ihrem
fussel-getunten 180-PS-Passat eine Verfolgung aufzunehmen, na dann
viel Spaß. Endet für die Jungs auf alle Fälle nach ein paar Kilometern
mit einem frustrierten Einbiegen in den Mc-Drive. Tja, so ist das
nunmal im Leben. Selbst Schuld. Wer zu mir nicht rauskommt, wenn
ich in Not bin, für den halte ich auch nicht an.
160
Man spricht in solch einem Fall von ausgleichender Honk-Anarchie
oder auch didaktischer Honk-Anarchie: Das Nicht-Reagieren des Honk
(also seinen Wagen anzuhalten) ist kein Nicht-Reagieren im
eigentlichen Sinne, also beispielsweise auf eine direkte vorangehende
Aktion (Polizeikontrolle). Oder anders ausgedrückt: Die direkt
vorangehende Aktion muß nicht notwendigerweise die auslösende
Aktion für das Nicht-Reagieren seitens des Honk gewesen sein. Der
Auslöser für das Nicht-Reagieren unseres Honk ist im vorliegenden Fall
unstrittig viel weiter in der Vergangenheit anzusiedeln.
Besagtes Nicht-Reagieren ist hier nämlich nur noch das Endglied einer
mehrstufigen Kausalitätskette. Es darf daher unter keinen Umständen
für sich alleinstehend betrachtet oder gar bewertet werden. Vielmehr ist
stets der Gesamt-Sachverhalt zu würdigen. Und in diesem
Zusammenhang stellt unser Nicht-Reagieren als Endglied zweifelsfrei
nur noch die konkludente Folge auf ein in der Vergangenheit
manifestiertes Anfangsglied dar, welches mit der eigentlichen Reaktion
bzw. Nicht-Reaktion nicht mehr zwangläufig in direkter Relation steht,
sondern vielmehr als Auslöser unserer Kausalitätskette zu verstehen ist.
Im vorliegenden Fall ist unser Nicht-Anhalten also kein schlichtes
Ignorieren einer polizeilichen Anweisung, sondern vielmehr das
Resultat bzw. Endglied jener Kausalitätskette, die seitens der Polizei mit
deren Nicht-Reagieren auf den gemeldeten Diebstahl bei unserem
armen Honk eingeleitet wurde. Ein ganz elementarer Unterschied! Ganz
elementar. Und inhaltlich schlüssig-logisch. Das Augenmerk des Honk
liegt folglich immer auf dem Gesamtkontext bzw. auf Beurteilung der
Gesamtsituation. Und das lautet hier kurz und knapp:
Kommst Du nicht raus, halte ich nicht an!
Also doppelte Negation, ganz klar. Wem das jetzt zu kontraproduktiv
oder gar zu pessimistisch anmutet, der kann das Ganze auch auf einen
positiven, jedoch ebenso prägnanten Grundsatz herunterbrechen:
Kommst Du raus, halte ich an!
161
Das drückt es etwas ansprechender aus, umschreibt aber denselben
Sachverhalt. Hilfst Du mir in der Not, halte ich auch für Dich an. Eine
ganz einfach gestrickte, jedoch elementare Grundlagen-Gleichung, die
sich auf fast alle denkbaren Bereiche im menschlichen Leben anwenden
läßt. Eine Hand wäscht die andere, wie Du mir so ich Dir, Auge um
Auge, bla. Das Problem hierbei ist, daß sich viele Menschen aufgrund
irriger Annahme diverser Pseudo-Privilegien von dieser Gleichung
ausgenommen sehen. Sie sind dem Irrglauben erlegen, daß sie dieser
zwingenden Gesetzmäßigkeit nicht unterliegen. Warum auch immer.
Meist handelt es sich hierbei um Staatsdiener, die sich dummdreist auf
irgendwelche schwachsinnigen Vorschriften berufen wollen, die sie
vorher selbst oder zusammen mit anderen Nachtwächtern erstellt haben.
Und das widerstrebt selbstverständlich den hohen Moral- und EthikAnsprüchen des Honk. Zum einen an sich selbst, zum anderen aber auch
an die Gesellschaft. Und aus diesen Gründen greift hier beispielsweise
auch die selbstentwickelte Heizöl-Strategie des Honk. Ganz klarer Fall.
Aber mal schön langsam der Reihe nach.
Ein Liter Heizöl kostete Anfang Juni 2009 gerade einmal 0,55 Euro.
Schlappe 55 Cent also. Nach der dramatischen Kosten-Explosion Mitte
2008 bewegen wir uns jetzt wieder in Richtung eines halbwegs
akzeptablen Preisniveaus. Allerdings nur, wenn wir das Heizöl als
Kraftfahrzeug-Treibstoff betrachten und auch entsprechend verwenden.
Für das Beheizen eines Wohnraumes sind 55 Cent nämlich immer noch
unter aller Sau, der Gipfel der Perversität. Absolute Unverschämtheit.
Da sollte die Schmerzgrenze irgendwo zwischen 10 und 20 Cent liegen.
Aber das soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden, weil es
eh nichts nützt. Ändert sich eh nichts. Seinen PKW mit Heizöl statt mit
Diesel von der Tanke zu betanken, nützt dagegen schon etwas. Das
nützt sogar einiges. Denn der Preis für einen Liter Diesel lag im
vergleichbaren Zeitraum Anfang Juni 2009 bei 1,10 Euro. Ja hoppla,
möchte man da spontan aufschreien, das ist ja fast das Doppelte. Nein,
das ist sogar ganz genau das Doppelte. Der doppelte Preis im Vergleich
zum Heizöl. Na, was ist denn hier los, wie kann denn das sein?! Die
Antwort kennt jeder, also muß sie hier nicht mehr lang und breit und
dummdreist polarisierend heruntergebetet werden. Lassen wir der BILD
doch bitte ihr Tagesgeschäft. Skandal: Elektriker verhaftet! Wie auch
immer. Sex-Tourist erschossen!
162
Um es kurz zu machen: Das eigentliche Produkt (also der Liter Diesel
bzw. Heizöl) kostet 45 Cent je Liter. Beim Diesel addieren sich
insgesamt 65 Cent an Steuern und Abgaben dazu (Mineralöl-, Öko- und
Mehrwertsteuer, sowie eine ominöse Erdölbevorratungsabgabe, na
klar). Beim Heizöl sind es dann dagegen lediglich 10 Cent, die sich
auch irgendwie ganz toll zusammensetzen. Ist aber auch scheißegal, ist
allseits bekannt. Denn die alles entscheidende Kernfrage muß doch hier
einzig und allein lauten: Wie gehe ich damit um, daß mir Vater
Nachtwächter für ein und dasselbe Produkt mal den einen und mal den
anderen (den doppelten) Preis abverlangt?! Akzeptiere ich, daß ich
keine Ware im eigentlichen wirtschaftlichen Sinn, sondern vielmehr
einen beschissenen Verwendungszweck bezahle?! Das ist doch die
Kernfrage, die sich jeder selbst stellen muß.
Und die Antwort dürfte wohl auch jedem klar sein: Der ferngesteuerte
Standard-Deutsche stellt sich diese Frage gar nicht mehr. Er zahlt
lieber. Er zahlt lieber den Mehrpreis. Er zahlt und zahlt und zahlt. Und
jammert und jammert und jammert im Gegenzug darüber. Nicht, weil er
irgendetwas ändern möchte oder weil ihn der doppelt so teure
Dieselpreis besonders hart träfe. Nein, das ist völlig sekundär, falls
überhaupt gegeben. Nein, der Standard-Deutsche ist so endgeil auf
Jammern und Klagen programmiert, daß er des Jammerns und Klagens
wegen jammert und klagt. Total krass abgefahren. Der braucht das. Wie
die Luft zum Atmen. Elementare Lebensgrundlage! Ohne Jammern und
Klagen ist das Leben nicht mehr lebenswert.
Also morgens gleich eine geile BILD an der Tanke ziehen und dabei
dann über den verfickten Dieselpreis jaulen oder wahlweise auch über
die allerneuste, brandheiße Schlagzeile in der BILD, wenn diese mal
wieder besonders pikierend anmutet. Völlig egal. So beginnt der Tag.
So muß er beginnen. Schönen guten Morgen. Hauptsache ist, daß gleich
gejault wird. Und für diese Jaulerei zahlt unser Ferngesteuerter gern den
doppelten Preis beim Diesel. Ohne Sinn und Verstand erkauft er sich
mit 65 Cent Mehrkosten je Liter die Freiheit, nach Lust und Laune eben
genau darüber jammern und heulen zu können. Ohne daß sich
irgendwas jemals ändert oder sich irgendein Schwein für seine Heulerei
interessiert. Ist das mal geil?! Das ist geil, geil, sehr geil. Das ist
endgeil. Endgeil ferngesteuert.
163
Damit erzähle ich natürlich nichts Neues. Das haben die Medien schon
vor Jahren erkannt. Daß es dem Standard-Ferngesteuerten zunehmend
an Lebensinhalt fehlt. Dazu später mehr, damit könnte man ein eigenes
Buch füllen. Und da es ausgesprochen schwierig ist, Millionen
Menschen einen fehlenden Lebensinhalt zurückzugeben, ersetzen die
Medien diesen kurzerhand. Mit Scheiße. Ja, ganz richtig, mit Scheiße.
Mit Scheiße, Kacke, Kot. Scheiße für die Standard-Birne des StandardFerngesteuerten. Das geht schnell, ist einfach gemacht und wird gut
angenommen. Und ruckzuck ist man von der Tristesse des eigenen
Lebens abgelenkt und kann über irgendeinen anderen banalen
Scheißdreck meckern. Beispielsweise über irgendeine brandheiße Story
aus den hiesigen Klatsch-Medien. Wenn das nichts ist?! Das ist doch
was. Funktioniert bestens. Radikale Akzeptanz des eigenen, öden
Scheiß-Lebens. Durch Superkompensation. Ganz toll. Beziehungsweise
vielmehr durch Ausweichen. Ausweichen vom eigenen Scheiß-Leben
auf das Scheiß-Leben anderer. Oder auf grenzwertig beschissenbescheuerte Sachverhalte, wie den oben beschrieben Diesel-HeizölKonflikt, unfaßbar.
Es dürfte wohl jedem klar sein, daß das ganz krasses, ganz radikales
Fremdopfer-Verhalten ist. Kompensation! Superkompensation!
Kompensation ist immer falsch, Kompensation ist Scheiße.
Kompensation verdrängt Mißstände. Kompensation setzt nicht an der
Wurzel des Übels an. Kompensation löst das Problem nicht. Das eigene
Leben bleibt Scheiße. Auch wenn es anderen noch beschissener geht.
Nützt meinem eigenen Leben subjektiv betrachtet rein gar nichts. Macht
mein Leben nicht besser, auch wenn ich mir das gern einreden möchte.
Ebenso wenig wie die permanente Heulerei und Klagerei. Macht auch
keinen Sinn. Ohne Sinn und Verstand. Reines FremdopferFluchtverhalten. Eine völlig inakzeptable Option für jeden Honk. Der
Honk befaßt sich erst gar nicht mit solch belastenden Sachverhalten wie
der Diesel-Heizöl-Thematik. Der Honk reagiert direkt auf das
Grundproblem. Und in diesem Fall bedeutet das, daß der Honk zwei
unterschiedliche Preise für ein und dasselbe Produkt nicht akzeptiert.
Nicht akzeptieren kann. Ohne Wenn und Aber, ohne große Debatte,
keine Kinkerlitzchen. Kurz: Der Honk kauft Heizöl. Und nur Heizöl.
Das war`s. So einfach ist das. Heizöl für schlanke 55 Cent, für Auto und
Heizung. Schont Porte und Nerven. Stößchen.
164
Ist das jetzt smart oder was?! Das ist doch mal ganz großes Tennis. Klar
werden jetzt diejenigen, denen die Eier zu solch einer smarten Aktion
fehlen, wieder maulen und jaulen und jaulen und maulen. Unter
Umständen sogar den Honk verunglimpfen. Oder insgesamt dem
durchweg positiv zu bewertenden Heizöl-Sachverhalt eine negative
Note anlasten wollen. Irgendwas Negatives wird es auf alle Fälle sein.
Und das ist auch gut so, so muß es ja auch sein. Denn deswegen sind
diejenigen, die maulen und jaulen, ja auch die armen Fremdopfer, und
der Honk ist der Honk. Astrein, zack, Stößchen.
Aber zurück in medias res: Wenn man also beispielsweise 30.000 km
pro Jahr mit dem guten 190er zurücklegt, macht das bei vier Litern
Durchschnittsverbrauch auf 100 km insgesamt 1.200 Liter Heizöl pro
Jahr. Die Gesamtkosten für Treibstoff belaufen sich demnach auf 660
Euro jährlich. Betankt man seinen PKW mit Diesel von der Tankstelle,
sind es 1.320 Euro jährlich, also 660 Euro mehr. Und da kann sich jetzt
jeder selbst an fünf Fingern abzählen und überlegen, ob er diesen
Mehrbetrag für nichts gerne leisten möchte, um sich sein Grundrecht
auf Heulerei zu erkaufen und seinen Fremdopfer-Status zu festigen.
Oder ob er lieber aus der Rolle des stets passiven Fremdopfers
heraustritt und zum Heizöl-Honk wird. Ja, genau, zum Heizöl-Honk.
Und gemäß bester Honk-Anarchie zum eigenen Wohl mal eine ganz
flotte Fahrt mit Heizöl hinlegt. Muß ja erstmal gar nicht weit sein. Muß
ja nicht gleich von Hamburg nach Barcelona gehen. Bißchen
Landstraße und Nebenstrecke am Anfang, erstmal ein wenig Ruhe
reinkriegen, bißchen Routine bekommen. Langsam angehen lassen.
Kann ja jetzt jeder für sich selbst entscheiden, alles geht, nichts muß.
Keiner wird zu irgendwas gezwungen. In Honkland kann jeder machen,
was er will. Wenn doch alles im Leben so einfach wäre.
Ist es aber leider nicht. Rein juristisch spricht man in solchen Fällen
dann nämlich nicht von Honk-Anarchie zum eigenen Wohl, sondern
von Heizölverdieselung. Heizölverdieselung klingt erstmal total
abgefahren, beschreibt aber genau denselben beknackten Sachverhalt.
Konkret ausgedrückt handelt es sich hierbei also um nichts anderes als
um eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung in
Verbindung mit § 21 Energiesteuergesetz. Nur für den Fall, daß das
irgendwen hier interessiert, was ich aber nicht glaube. Egal.
165
Das Hauptzollamt Krefeld hat in seiner Veröffentlichung Anfang 2007
sehr treffend -zugleich aber auch mit leicht kritischen Untertönen- zu
dem Delikt der Heizölverdieselung Stellung bezogen:
Heizölverdieselung ist kein harmloses Delikt, sondern handfeste
Steuerhinterziehung. Pro Liter mißbräuchlich verwendetem Heizöl wird
Energiesteuer in Höhe von rund 48 Cent hinterzogen... Man könnte es
ganz einfach so formulieren: Mit Heizöl darf man heizen, sonst nichts...
Dieselkraftstoff hat eine gelbe Färbung. Heizöl hingegen ist rot
eingefärbt und beinhaltet die versteckten Markierstoffe "Furfurol" oder
"solvent yellow". Beide Markierstoffe sind mit bloßem Auge nicht zu
erkennen, können aber mit wenig Aufwand bei einer Kontrolle vor Ort
sichtbar gemacht werden. Dazu wird über einen Schlauch mit einer
Handpumpe eine geringe Menge Kraftstoff in ein Schauglas gepumpt.
Dann wird in ein Teströhrchen eine kleine Menge Kraftstoff gefüllt und
mit dem Testreagenz vermischt. Befindet sich in der getesteten
Kraftstoffprobe einer der Markierstoffe, wird dies durch eine
zusätzliche, starke Rotfärbung im Bodensatz des Röhrchens angezeigt...
Die vorsätzliche zweckwidrige Verwendung von gekennzeichnetem
Kraftstoff stellt eine Straftat wegen Steuerhinterziehung dar.
Na spitze, jetzt ist man natürlich viel schlauer als vorher. Jetzt ist man
sogar ganz besonders schlau. Denn jetzt weiß man: Es ist verboten, man
kann es nachweisen, und dann kriegt man Ärger. Aha. Das hat aber auch
so gar keiner gewußt. Wieder eine halbe Seite mit sinnlosem Quatsch
gefüllt, den a) jeder Idiot weiß und b) kein Schwein interessiert. Ätzend,
voll ätzend. Mal eine konkrete Ansage, was der Spaß kostet, wäre nicht
schlecht gewesen. Oder wie sie den exakten Verbrauch für eine
Steuernachzahlung ermitteln wollen. Wahrscheinlich wird man
geschätzt. Oder die Jungs vom Zoll rechnen gleich mal schön den
kompletten Tacho ab, 400.000 km, abfeier! Keine Ahnung. Angaben
über eventuell anfallende Kosten und Bußgelder wären mal ganz nett
gewesen. Ich kann darüber nämlich nicht viel sagen, weil es bei mir in
den acht Jahren, die ich mittlerweile mit Heizöl fahre, noch nicht
aufgefallen ist. Von bekannten Honks, die entsprechend verfahren,
erhalte ich eine ähnliche Resonanz: Nein, keine Ahnung, was das kostet,
wurde noch nie erwischt. Die Kosten liegen also weitestgehend im
Dunkeln, und meinetwegen können sie da aber auch bleiben.
166
Und insoweit könnte man also auch relativ keck und folgerichtig davon
ausgehen, daß man als landläufige Privatperson, die ihr Kraftfahrzeug
sinnvollerweise mit Heizöl betreibt, weitestgehend unbemerkt bleibt.
Wenn man es nicht gleich wieder übertreibt. Man muß es ja nicht
unbedingt drauf anlegen und andauernd mit der Karre über die Grenze
fahren, am besten noch nach Holland. Geht es eben mal mit der Bahn in
Urlaub. Mit der schönen Deutschen Eisenbahn, mit dem schönen
Familienticket. Oder mit dem Flieger. Mal das ganze Pack ab in Flieger,
zack, schön ab in Flieger, schön nach Malle. Kommt man eh nicht mit
dem Auto hin. Sieht man mal was von der Welt, sieht man auch mal
was von oben. Kann man alles machen, macht alles Sinn. Nur bitte
vorsichtig mit dem Heizöl-Flitzer und Grenzübergängen. Keine Faxen
mit dem Zoll! Das muß klar sein.
Und wenn man doch eines Tages dabei erwischt wird?! Na dann hat
man eben mal Pech gehabt, so einfach ist das. No risk, no fun. Lieber
vorbestraft wegen Steuerhinterziehung, als lebenslang Fremdopfer. So
sieht das nunmal aus, Stößchen! Das gibt dann eben mal eine charmante
Steuernachzahlung für die geschätzte Menge, die man an Heizöl
verballert hat, zuzüglich Bußgeld. Da geht man nicht von tot. Auch
nicht in Knast. Honk-Anarchie ist zwar krass, aber nicht lebensmüde.
Und aktenkundiger Steuerhinterzieher klingt so übel auch wieder nicht.
Klingt eigentlich ziemlich cool. Denn Moral und Ethik verbieten es dem
Honk im konkreten Fall schlichtweg, Diesel-Kraftstoffe zu tanken. Er
kann es nicht tun. Niemals. Selbst wenn er wollte. Denn logischerweise
hat unser Honk auch einen sehr strengen Anspruch an die
Zahlungsmoral. Insbesondere an seine eigene, höchstpersönliche
Zahlungsmoral. Und sinnvollerweise lautet diese:
Rechnungen werden bezahlt, Bullshit nicht. Stößchen.
167
Also ich arbeite rund um die Uhr. Und ich wünsche, niemals
unterbrochen zu werden, klar?! Auch nicht, wenn es brennt. Nicht mal,
wenn Sie aus meiner Wohnung einen dumpfen Schlag hören und eine
Woche später ein Geruch von da drinnen kommt, der nur von einer
verwesenden, menschlichen Leiche kommen kann. Und man sich ein
Taschentuch vor`s Gesicht halten muß, weil der Gestank so ekelhaft ist,
daß man meint, man kippt gleich um. Selbst dann haben Sie hier
keinesfalls zu klopfen. Oder wenn Wahlnacht ist und Sie aufgeregt sind
und feiern wollen, weil irgendeine Fummeltrine, mit der Sie was haben,
zum ersten schwulen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt
worden ist. Und er Sie persönlich eingeladen hat nach Camp David.
Und Sie das Bedürfnis haben, Ihr Glück mit jemandem zu teilen. Selbst
dann: Klopfen Sie nicht! Nicht an diese Tür. Egal. Egal was auch
passiert. Hast du mich verstanden, Schätzchen?!
(Melvin Udall)
ccc) Und was sagen die Nachbarn?
Einen ganz klaren Sonderfall bildet der anarchistische Beitrag des Honk
zur Erhaltung bestmöglicher Nachbarschaft. Das ist so eine Art
Mischform von Honk-Anarchie zum Eigenwohl und Honk-Anarchie
zum Gemeinwohl, dürfte klar sein. Ab und zu sehe ich mir den einen
oder anderen Bericht im Aso-TV an. Beispielsweise schalte ich immer
dann besonders gern ein, wenn es eine Reportage zum Thema
Nachbarschaftsstreit gibt. Oder vielmehr Nachbarschaftskrieg. Da wird
ja richtig scharf geschossen. Mit ganz harten Bandagen wird da
gekämpft. Sowas sehe ich mir sehr gern an. Aber auch nur, um mich
dabei pausenlos kopfschüttelnd selbst laut fragen zu können, wie
abgrundtief dämlich manche Leute denn noch werden können. Heftig.
Nachbarschaftsstreit zeigt Dir stets neue Grenzen schwerstmöglicher
Imbezillität auf. Du denkst, Du hast alles gesehen, und dann das.
168
Was kommt noch?! Möchte man laut aufschreien. Was kommt noch?!
Aber man tut es nicht. Man schreit nicht. Ist auch besser so. Weil die
Grenzen der Debilität nämlich beinahe täglich neu ausgelotet werden.
Man wäre nur noch am Schreien, den ganzen Tag lang. Am Ende würde
man noch heiser, denn kein Kehlkopf kann sowas auf Dauer aushalten.
Also läßt man die Quäkerei lieber bleiben und schaltet auf cerebralen
Durchzug. Ist die beste Lösung, ändert ja doch nichts.
Was noch kommt, kann hier mal ganz kurz und knapp und off-topic
erörtert werden. Noch bevor wir auf unsere Nachbarschaftsthematik
eingehen. Und auch nur deshalb, weil ich fast sterben mußte. Ja, sehr
richtig, ich hätte fast totgehen müssen. Zack, aus, vorbei. Denn der
Wahnsinn nahm wieder einmal Gestalt an. Wie so oft. Die nächste
Runde Gehirnamputation im Aso-TV wurde eingeläutet. Und mich hat
es völlig unvorbereitet erwischt: Ich war nüchtern! Ganz, ganz nüchtern.
0,0 Promille! Auweia! Fast wäre ich abgenibbelt, fast hätte es mich
bzw. mein armes, kleines, geschundenes Hirn zerschossen. Denn damit
haben sie im Aso-TV mal wieder den sprichwörtlichen Vogel
abgeschossen. Keine Ahnung, wann die Scheiße lief, irgendwann
Sommer 2009 oder so. Egal. Hier, zack:
20.15 Uhr, RTL, Erwachsen auf Probe.
O-Ton TV Digital: 8-tlg. Reihe, Dtl. 09. Ein einmaliges Experiment:
Vier Teenagerpärchen mit Kinderwunsch testen das „wahre“ Leben. In
einem vierwöchigen Crashkurs können die Jugendlichen zwischen 16
und 18 Jahren beweisen, ob sie reif sind für den härtesten Job der Welt:
Verantwortung tragen für ein Baby. Dazu bezieht jedes Paar ein eigenes
Haus und organisiert zunächst einmal den Familienalltag, rund um die
Uhr beobachtet von Kameras. Expertin und Moderatorin: Dr. Katja
Kessler.
Na, ist das mal ein sehr sinnvolles Experiment?! Aber hallo! Und wie!
Ein unglaublich spannendes, authentisch-seriöses und überhaupt nicht
hanebüchenes Experiment. Hut ab, Stößchen! Überhaupt ist die ganze
Konstellation, die uns unser geliebtes Aso-TV hier in seiner schier
unendlichen Vielfalt mal wieder serviert, schlichtweg genial. Geradezu
monumental. Epochal. Mir fehlen ganz einfach die Worte.
169
Denn bei diesem neuen TV-Format stimmt einfach alles. Von der
brisanten Thematik bis hin zu den kongenialen Protagonisten bzw.
vielmehr geistigen Statuten. Gekrönt von einer besonders smarten,
impertinent souveränen und sogar promovierten Moderatorin, die
zugleich auch die Expertin darstellt. Ist das zu fassen?! Frau Dr. Katja
Kessler. Amazing. Selten hat man so eine multi-taskend-promovierte
Moderations-Expertin gesehen. Also Doktorin, Moderatorin und
Expertin in einer Person. In einer Person! Wie amazing ist das denn nun
wieder?! Und das war mir bislang auch völlig entgangen. Ich dachte
immer, Frau Dr. Kessler sei C-Promi-Klatschtante und BILD-Tippse.
Nun gut, so kann man sich täuschen, ich ziehe meinen Hut.
Jedenfalls ist unsere moderierende Expertin promoviert. Exciting.
Doktor-Titel in Zahnmedizin. In Zahnmedizin! Das muß man sich jetzt
mal vorstellen. Zahnmedizin. Also wenn überhaupt einer so ein
endgeiles neues Format moderieren kann, dann ja wohl ein Zahnarzt,
abfeier! Wer denn wohl sonst?! Kann dann auch gleich mal bei den
ganzen Asis, die da mit den Kindern rumhampeln, ins Maul gucken.
Dann hätte die ganze Scheiße wenigstens einen gewissen Sinn. Denn
wie jeder weiß, nimmt es die ein oder andere kleine Zahnfee aus dem
entsprechenden Milieu nicht ganz so genau mit Zahnpflege und
Mundhygiene. Bah. Früher oder später muß da dann mal ein Zahnarzt
aktiv werden, aber radikal aktiv. Maul auf, die schwarzen Stumpen da
ab und paar Kronen drauf, zack, geht doch. Aber mal dahingestellt.
Frau Kessler ist also mindestens so geil, wie das ganze Format eh schon
ist. Mindestens. Wenn nicht noch eine Spur geiler. Und das völlig ohne
Overselling, alles ganz natürlich. Erst Zahnmedizin, dann Klatschtante,
dann BILD-Chef heiraten. Und jetzt auch noch das geilste TV-Format
auf der ganzen Welt. Glückwunsch. Und Stößchen, auf jeden Fall
Stößchen. Was kommt noch?! Geht es denn nicht noch ein bißchen
skurriler? Bibo aus der Sesamstraße -voll besoffen und auf Crackschlägt Brad Pitt zusammen, heiratet Angelina Jolie und gewinnt
anschließend das Wimbledon-Finale 2012 in Afghanistan gegen Hulk
Hogan?! Gut möglich. Ziemlich wahrscheinlich sogar. Fragen sich
manche Leute in einer ruhigen Stunde eigentlich nicht irgendwann mal
selbst, ob das eigene Leben eventuell irgendwie etwas komisch geraten
sein könnte?! Scheinbar nicht.
170
Egal. Auf jeden Fall also alles total geil. Geil, geil, geil. Sehr geil,
obergeil, endgeil. Schade nur, daß die ganze Teenager-KinderwunschThematik für mich knapp 20 Jahre zu spät kommt. Ich bin heute 35
Jahre alt, und natürlich hatte auch ich damals eigene Kinderwünsche.
Das ging bei mir los, als ich so 14, vielleicht 15 Jahre alt war. Genau
wie die meisten meiner Altergenossen. Bei den Frühreifen so mit 12,
bei den Spätzündern erst mit 17. Aber eines vereinte uns in dieser
schönen Jugendzeit: Kaum ging es los mit der Fickerei, schon wollten
wir alle selbst ein Blag in die Welt setzen. Na klar, was denn sonst?!
Wenn jemand für ein Kind sorgen kann, dann doch wohl ein Teenager.
Geistig voll ausgereift, finanziell unabhängig und mit einer
Lebenserfahrung gesegnet, daß einem die Haare zu Berge stehen.
Auf der anderen Seite muß man fairerweise entgegnen, daß die
Protagonistinnen und Protagonisten dieser endgeilen Sendung wohl eh
nie mit einer nennenswerten geistigen Reife gesegnet sein werden.
Siemens-Aufsichtsrat wird wohl für die meisten eher ein Traum bleiben.
Von daher ist es eigentlich scheißegal, ob sie mit 14 oder mit 40 ihre
fünf bis zehn Kinder in die Welt schießen. Und finanzielle
Unabhängigkeit sollte eigentlich auch das kleinste Problem sein.
Sponsored by Peter Hartz, Onkel Peter, na klar, was denn sonst?! Onkel
Peter hat`s bisher ermöglicht, und mit fünf bis zehn Blagen wird Onkel
Peter das auch zukünftig ausreichend sponsoren. So soll es sein, so muß
es sein, Stößchen. Ein Stößchen auf Onkel Peter!
Ich kann mich noch an mein erstes Mal erinnern, als wäre es gestern
gewesen. Ich war 14, meine Süße auch, und Mann, war die heiß!
Heiliger Bimbam! Inklusive Vorspiel dauerte der Spaß vielleicht drei
Minuten, was dann wohl größtenteils an mir gelegen haben dürfte.
Okay, es lag nur an mir. Was mir damals jedoch viel schlimmer als
mein frühes Ejakulieren auf der Seele brannte, war die Gewißheit, daß
ich mein ganzes Pulver ins Leere verschossen hatte. Zack. Puff.
Beziehungsweise in ein Kondom. Das machte mir zu schaffen. Denn
schließlich motivierte mich außer einem eindringlichen Kinderwunsch
ansonsten absolut rein gar nichts zum Vögeln. Überhaupt nichts. Was
denn wohl auch?! Die 30 Sekunden Rein-Raus-Spielchen machten mich
eher nachdenklich, ob das denn schon alles gewesen sein könne. Sogar
verstimmt, ja depressiv, nachdem meine Süße mir damals dann
171
irgendwann offenbarte, daß sie einen Neuen kennengelernt habe, der
nicht nur fünf Jahre älter sei, sondern es ferner viel länger und ansonsten
auch eh viel besser könne als ich. Das war vielleicht mal eine
Überraschung. Mein lieber Mann. Man könnte ohne Übertreibung
sagen, daß ich damals fast aus allen Wolken gefallen wäre. Da wäre es
fast aus gewesen mit meinem Kinderwunsch. Aber auch nur fast.
Denn so sieht`s nunmal aus. Ein eigenes Kind. Das Grundbedürfnis
jedes Sozi-Teenies mit gravierender eigen-familiär geprägter und
sozialbedingter Verhaltenstörung. Was liegt da näher? Nichts! Und
deshalb sinnvollerweise ein eigenes Kind, herzlichen Glückwunsch.
Keine Perspektive, keine Maloche, nichts in der hohlen Birne, also
eigenes Kind. Die einzig logische Konsequenz. Drängt sich ja geradezu
auf. Onkel Peter macht das schon. Peterchen! Wie immer. Und den Rest
steuern die vom Aso-TV bei, man kennt sich ja. Denn da bei unseren
frühreifen Vorzeige-Teenies wie bei allen Vollidioten chronischer
Geldmangel angesagt ist, verkauft man den horrenden geistigen
Dünnschiß für schätzungsweise 5.000 Euro ans Aso-TV, welches im
konkreten Fall mit RTL einen der denkbar dankbarsten Kunden
darstellt. Na klar, eine Hand wäscht die andere, geht doch.
Was mich in diesem Fall so ein klein wenig verdutzt (aber auch nicht
wirklich weiter wundert), ist der Umstand, daß man doch tatsächlich
Eltern echter Babys gefunden hat, die für ein bißchen Kohle eben diese
eigenen Baby hergeben, damit die Asi-Teenies im Aso-TV damit
rumfummeln können. Hallo? Geht`s noch? Was seid Ihr den für
Spacken?! Unfaßbar. Für einen geistig halbwegs normal situierten
Menschen unvorstellbar. Undenkbar. Aber im Aso-TV nicht. Aso-TV
macht`s möglich. Asis spielen mit Kindern anderer Asis im Aso-TV.
Phantastisch. Man möchte laut auflachen, wenn es nicht so erbärmlich
wäre. Zusammenfassend können wir also festhalten, daß sich unser
Lieblings-Sender RTL mal wieder quer durch die Bank allerlei bunte
Vorzeige-Asis zusammengekauft hat, um deren exorbitante geistige
Unzulänglichkeiten unter Exhibitionieren wehrloser Babys anderer
Vorzeige-Asis an ein Vollidioten-Publikum zu verkaufen. Also
Business as usual, recht schönen Dank auch. Eine Mischung aus
Frauentausch und Super-Nanny, genau das Richtige für das
niveauverwöhnte RTL-Hauspublikum. Abfeier, Stößchen!
172
Ohne Worte. Echt ohne Worte. Und vor allen Dingen auch eine total
geile Perspektive für die Kinder. Geiler geht nicht mehr. Da können ja
nur Atomphysiker und Nobelpreisträger draus werden. Jedenfalls bei
diesen Eltern. Apropos Eltern, was erzählen solche Eltern ihren Kindern
später einmal? Wenn sie dieses äußerst sinnvolle Experiment bestanden
haben und nun munter und kompromißlos drauflos jucken können? Und
das Kind dann irgendwann alt genug ist, um es vor die Glotze zu
setzen? Da guck` ma in Fernseh, Calvin-Melvin, guck` ma schön da in
Fernseh da, da ist Mama und Papa und mit ein anderes Kind, guck` mal
in Fernseh da! Irgendwas in der Richtung wird es sein. Denn mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, daß die eh nicht
wissen, was sie da überhaupt tun. Wissen die ja sonst auch nicht. Die
freuen sich, daß sie ein bißchen Kohle für Kippen kriegen und in der
Asi-Glotze zu sehen sind, schön im Spacken-Programm im Aso-TV.
Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, denn so muß es ja auch
sein. Alles in allem also ein äußerst runde Sache, der neueste
Geniestreich von RTL. Danke. Stößchen.
Natürlich existieren zuhauf weitere Formate, bei denen man sich ständig
fragen muß, wie bescheuert die Zielgruppe derer, die sich diesen
Dünnschiß tagtäglich freiwillig reinzieht, eigentlich sein kann. So wurde
beispielsweise gegen Mitte 2009 auf PRO7 ein Format ausgestrahlt, in
welchem sie einen Kerl für die geisteskranke Tochter von Ralph Siegel
suchten. Ja, ganz genau, einen Pseudo-Stecher für die hohle Nuß, Julia
oder Giulia Siegel, Giulia in Love, was weiß ich. Ein entsprechendes
Klapsmühlen-Casting wurde das dann auch. Kein normaler Mann will
so eine freiwillig, jetzt echt nicht. Normale Männer hängen sich bei so
einer Krähe ein Kreuz um und schmieren sich mit Knoblauch ein. Und
sperren die Olle bei Vollmond in die Besenkammer oder wieder ab in
Dschungel. Aber sowas?! Für normale Menschen nicht
nachzuvollziehen. Oder hier, auch sehr geil: Auf VOX werden Friseure
gecastet. Friseure! Phantastisch. Was kommt als nächstes? BesoffenenCasting? Wer die höchste Promillezahl erreicht und nicht stirbt,
bekommt einen Job als Lagerist bei Bacardi in Hamburg. Wäre nicht
schlecht. Oder Junkie-Casting? Wer den fettesten Kopf rauchen kann,
kriegt eine Praktikantenstelle beim Zoll in Holland. Auch ganz gut.
Wobei mittlerweile völlig egal ist, was gecastet wird. Hauptsache, es
wird überhaupt gecastet.
173
Oder hier, Mission Hollywood, war auch toll: Til Schweiger hat
irgendeine Hupfdohle gesucht, die dann der nächste große Star in
Hollywood werden sollte. Aber natürlich, was denn sonst?! Denn wenn
irgendwo Filmstars produziert werden, dann ja wohl hier in
Deutschland. In einer deutschen Castingshow, na klar, wo denn wohl
sonst?! Man denke da nur an Al Pacino, Jack Nicholson, Robert
DeNiro, Tom Hanks. Oder bei den Damen. An Julia Roberts, Michelle
Pfeiffer, Cameron Diaz und wie sie nicht alle heißen. Sie alle haben
eines gemeinsam: Ohne Teilnahme an irgendeiner banal-beschissenen
Castingshow wären sie heute alle nicht da, wo sie sind. Stößchen!
Noch irgendjemand ungecastet hier? Was? Gibt`s doch nicht. Kein
passendes Casting-Format gefunden? Das kann ja wohl nicht wahr
sein?! Kannst nicht singen, tanzen, frisieren, rülpsen, furzen? Na dann
kreieren wir ein neues Format! Deutschland sucht Germany`s next
fieseste Hackfresse mit den schlechtesten Zähnen oder sowas. Ach nee,
Shit, gab es ja schon. Hieß Extrem schön! Mein neues Leben oder so
ähnlich und lief -na klar- auf RTL2. Selbstverständlich auf RTL2. Denn
nur deren Zielpublikum kann man glaubhaft suggerieren, daß man mit
ein paar Fettabsaugungen, Nasen-OPs, Plastik-Fingernägeln und
mehreren Pfund Make-up einen Glöckner von Notre-Dame in eine
Jennifer Lopez verwandeln kann. Geht alles, alles machbar, alles
möglich. Insbesondere bei RTL2, bei denen geht einiges.
Und solange irgendwo irgendeine Scheiß-Jury zusammengewürfelt
werden kann, die sich impertinent-obergeil wichtig findet, während sie
die banalste Scheiße auf der ganzen Welt zusammensülzt, wird der
Wahnsinn eh nicht enden. Nicht enden können. Also was soll`s?! Ist
vielleicht sogar ganz gut so. Der Wahnsinn darf nämlich gar nicht
enden. Viele C- bis F-Promis wären sonst nämlich schlagartig
arbeitslos, weil sie in keiner Jury mehr sitzen könnten. Auweia.
Millionen Teenies müßten mit dem Saufen anfangen oder sogar mal ein
Buch lesen. Undenkbar. Und Kate Hall hätte sich nicht vom dicken
Detlef schwängern lassen müssen, damit sie bei Popstars ihr selten
dummes Maul aufmachen darf. Ich leg` mich ab. Also bitte alle
weitermachen wie bisher, Ihr seid total geil, ich liebe Euch alle. Wenn
ich groß bin, will ich auch mal Jury werden, abfeier. Stößchen.
174
Insoweit bin ich eigentlich nur ein bißchen neidisch. Weil ich noch nicht
groß genug bin, um in einer Jury zu sitzen. Bin ich ein bißchen neidisch.
Und auch, weil ich selbst noch nie gecastet wurde. Dabei würde ich so
gern mal. Echt jetzt. Nur habe ich noch kein zu meiner Persönlichkeit
passendes Casting-Format gefunden. Nichts gefunden bisher. Schade
eigentlich. Aber es muß doch irgendein possierliches, kleines KuschelFormat geben, das für mich und meine Fähigkeiten geeignet wäre. Ich
möchte doch nur nicht länger ungecastet nur so vor mich hinleben. Hat
denn keiner was für mich im Programm?! Hah?!
Das Besoffenen-Casting habe ich ja schon probiert. Aber da war für
mich nichts zu holen. Absolut nichts. Da bin ich nicht einmal in die
Vorrunde gekommen, zum Heulen. Bei 2,2 Promille war bei mir
nämlich Licht aus, Schicht im Schacht. Nicht den Hauch einer Chance
gegen die ganzen krassen 12- bis 15-jährigen mit ihren gepimpten
Hochleistungs-Lebern. Ab 3,0 Promille wäre man da erst in die
Vorrunde gekommen, und das schaffe ich nicht. Da kann ich nicht mehr
mithalten. Und dann muß man eben auch mal so fair und ehrlich zu sich
selbst sein und aufstecken. Und den Kids einfach nur Tribut zollen für
ihre Ausnahme-Leistungen. Hut ab! Stößchen.
War also nichts mit dem Besoffenen-Casting. Schade. Ansonsten habe
ich nichts weiter gefunden. Bin kein Friseur, kein Praktikant, auch kein
Klepto- oder Pyromane. Kann nicht singen, nicht kellnern, nicht im Takt
rülpsen oder furzen. Und für das Model-Business bin ich leider zu alt,
sehr schade, wäre sonst was geworden. Bin leider auch kein
unterbelichteter,
psychisch-physisch
leicht
bis
mittelschwer
benachteiligter Teenager, sonst hätte ich mich bei U20 Deutschland ihm
seine Teenies bewerben können. Also auch nicht. Aber was kann ich
denn noch tun, was soll ich denn bloß machen?! Man müßte ein Format
erfinden, an welchem ich dann auch mit guten Chancen auf einen
Finalplatz teilnehmen könnte. Da würde ich mich so drüber freuen.
Einmal Finale, ein Traum! Hurra! Vielleicht Deutschland sucht
Germany`s next krassesten Typen. Das wäre doch mal was. Da würden
dann solche Typen gecastet, die die krassesten, tollkühnsten,
waghalsigsten und abenteuerlichsten Aktionen bringen. Och ja, das
wäre was, das könnte ich mir vorstellen. Und da fallen mir spontan auch
schon zwei, drei Aktionen ein, die ich bringen könnte.
175
Allen voran das Fliegende Fahrrad. Ach ja, das gute alte Fliegende
Fahrrad, das Flying Bike. Das hat bisher noch jeden vom Hocker
gerissen, das ist zweifelsohne ein Garant für gute Laune. Und noch dazu
kinderleicht durchzuführen. Grundlage ist -wie könnte es anders seinAlkohol. Man tankt also zunächst auf ein submaximales Level auf, je
nach Verfassung. Das ist extrem wichtig, ja geradezu elementar. Weil
man ansonsten nämlich den Mut für die nun folgende Verfahrensweise
nur schwer oder gar nicht aufbringen kann. Mit Alk zieht man es
einfach konsequenter durch, wie so oft im Leben. Als nächstes nimmt
man einen gewöhnlichen, handelsüblichen LSD-Trip (Miraculix 200
oder vergleichbar) und halbiert diesen. Die eine Hälfte schluckt man
sofort, die andere Hälfte halbiert man abermals und erhält somit zwei
Viertel. Davon dann das ein Viertel ins rechte Auge, das andere ins
linke Auge, Kontaktlinsen-Träger sind hierbei klar im Vorteil. Tja, und
dann ab. Los. Ganz schnell los. Auf, auf und davon. Rauf auf`s Fahrrad,
und im Eiltempo zum nächstgelegenen Autobahn-Zubringer geradelt.
Wie der Wind. Denn bevor der LSD-Trip klingelt, sollten wir da sein.
Weil wir ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit nie dort ankommen
werden. Idealerweise fängt es gerade genau dann an zu knistern, wenn
wir am Zubringer angekommen sind.
Der Rest ist eigentlich Formsache. Rauf mit dem Fahrrad auf die Bahn.
Ja, ganz richtig, auf die Autobahn. Nicht Standstreifen oder so, sondern
Mittelspur. Mal eben so richtig schön Mittelspur! Ach ja, und natürlich
entgegen der Fahrtrichtung, sollte auch klar sein. Denn das macht
Laune, insbesondere nachts. Schön nachts mittig die A7 Hannover
Richtung Kassel runter. Das kommt gut. Immer schön radeln. Oder
vielmehr gleiten. Fliegen. LSD macht`s möglich. Das Fliegende Fahrrad
eben. Simpel und effektiv. Ein Publikumsmagnet, wie er im Buche
steht. Im Strafgesetzbuch. Egal. Erfahrene Akteure können das
Fliegende Fahrrad beliebig erweitern bzw. verfeinern. Insbesondere
durch ein extravagantes Outfit. Eine grobe Schweißer-Brille sollte stets
dabei sein. Sie bereichert das gesamte Outfit und wird durch die nach
kurzer Zeit eintretende, schier unendliche LSD-Farbenvielfalt sowieso
vonnöten sein. Ein sehr sinnvolles Gadget also. Grubenhelm mit
Laterne kommt auch immer gut. Hat man gleich die Fahrbahn
ausgeleuchtet, falls man nachts unterwegs ist. Biker Boots, LatexShorts, Pelzmantel und Lunten-Muskete erledigen den Rest.
176
Ist das mal ein geiler Auftritt?! Ein geiler Auftritt, geiler Auftritt. Ein
endgeiler Auftritt, zweifelsohne. Revolutionär. Das würde nicht nur
Aso-TV und Opfer-TV revolutionieren, das wäre die Revolution
schlechthin. Die Revolution des Verstandes. Also machen, machen,
machen. Bietet Ihr mir ein erfolgsversprechendes Casting-Format an,
dann mache ich Euch das Fliegende Fahrrad. Live und exklusiv! Und
unzensiert, ganz klar. Wäre nicht das erste Mal. Darauf mein Wort.
Leider wird es dazu so schnell nicht kommen. Vater Nachwächter
würde vehement protestieren und unsere Casting-Aktion untersagen.
Unser Fahrrad sicherstellen. Uns in Beugehaft nehmen. Alles tun, um
unseren Casting-Erfolg zu verhindern. Den Traum vom großen Finale
platzen zu lassen. Drauf geschissen. Das Publikum wäre eh noch nicht
bereit für solch ein epochales Casting gewesen. Das würde nämlich glatt
die Grenzen ihres kleinen Supermodel-Pornostar-Horizontes sprengen.
Also legen wir den ganzen Mist zunächst einmal auf Eis. Zunächst.
Denn das große Honk-Casting wird kommen, das ist so sicher wie das
Amen in der Kirche. Es ist nur eine Frage der Zeit. Aber es wird
kommen, kommen müssen. Und ich bin dabei!
Okay, belassen wir es dabei. Soll erstmal reichen. Natürlich können wir
nicht die ganze schwachsinnige Thematik erschöpfend erörtern. Geht
nicht, damit könnte man ganze Bibliotheken füllen. Nichts ist
unendlicher als die menschliche Dummheit. Und damit wären wir auch
wieder beim Thema: Nachbarschaftskrieg. Oder die brennende Frage,
ob einige hirnverbrannte Leute zuviel Langeweile haben.
Ohne es allzu pompös ausschmücken zu wollen: Der Sachverhalt ist
meist ähnlich banal wie einfältig. Ein paar überhängende Äste, ein
stinkender Holzofen, ein Grill, ein kläffender Köter, irgendwelche
Wege- oder Grenzrechte, was auch immer. Belangloser Scheißdreck
eben. Aber nicht für die Nachbarn. Die kämpfen, als stände der Tag des
Jüngsten Gerichts bevor. Die füllen Aktenordner voll mit
Beweismitteln, dokumentieren dummes Zeug per Camcorder, klagen
sich von einer Instanz in die nächste. Komplett schizophren. Das geht
nur, wenn man zuviel Langeweile hat. Daher sind es oft Rentner oder
Frührentner, die da aneinander geraten. Ist keine Diskriminierung, ist
Fakt. Kann jeder beim Statistischen Bundesamt nachlesen.
177
Angeheizt durch diverse talentfreie, drittklassige Anwälte mit
mangelndem Auftragseingang, wird auf Teufel komm heraus geklagt,
was zu klagen geht. Zack! Wenn man schon die blöden 150 Euro
Selbstbeteiligung für die Rechtsschutzversicherung löhnen muß, dann
will man auch was davon haben, ganz klar. Aber warum? Warum nur?
Wozu der ganze Aufwand, der ganze Ärger? Das ganze Theater?
Warum nur? Keine Frage, neben Langeweile und Einfältigkeit gibt es
einen weiteren, höchst ausschlaggebenden Grund:
Dein ganzes Leben ist so beschissen fremdbestimmt, daß Du Dir nicht
auch noch in Deinen eigenen vier Wänden oder gar im eigenen Haus
und Garten Vorschriften machen läßt. Denn hier bist Du der Boss! Und
sonst niemand. Schon gar nicht der Arsch von nebenan. Unter gar
keinen Umständen. Verschleppte Gefühle wie Zorn, Mißgunst, Haß,
Neid und dergleichen werden auf den Nachbarn projiziert. Weil man sie
dort, wo sie entstehen (z. B. auf der Arbeit) aus Angst vor negativen
Konsequenzen nicht aussprechen oder gar verarbeiten kann. So einfach
ist das. Ganz einfache Kiste, alles kein Hexenwerk. Deswegen der
Scheiß-Nachbar. Was will der mir denn schon können? Der kann mir
gar nichts! Der kann mich mal voll am Arsch lecken. Dem bin ich klar
überlegen. Haushoch. Und der ist so unverfroren, sich dieses oder jenes
zu wagen. Ungeheuerlich! Der kann sich auf was gefaßt machen. Der
kriegt nun den kompletten aufgestauten Haß zu spüren. Wegen
irgendeiner banalen Kacke. Völlig egal. Voll drauf.
Zack! Und wenn dann auf der Gegenseite noch ein ähnlich gestrickter
Wirrkopf sitzt, haben Gerichte und Anwälte neue Lebensaufgaben.
Dann geht die Post richtig ab, mein lieber Mann. Dann kommen die
Jungs mal so richtig aus sich raus. Kampf! Haß! Krieg! Irgendeiner muß
denen mal sagen, daß ambulante oder stationäre Psychotherapie
erheblich sinnvoller wäre als Kleinkrieg im Gerichtssaal. Oder auch
nicht. Nützt eh nichts. Psychotherapien sind derzeit noch ausgebuchter
als Gerichtssäle, Tendenz steigend. Kein Wunder, wenn man bedenkt,
daß in unserer Gesellschaft heute mittlerweile gut acht von zehn Leuten
einen mehr oder weniger exorbitanten Sprung in der Schüssel haben.
Dann sind das keine so rosigen Aussichten. Bis unsere beiden
Streithähne dann einen Therapieplatz in Anspruch nehmen können,
haben sie sich längst gegenseitig irgendwas angetan.
178
Ja phantastisch, denn genau das ist die Lösung: Sich gegenseitig etwas
antun! So läuft das im Honkland ab. Im Honkland gibt es die oben
aufgezählten Albernheiten nicht. Zeit- und Energieverschwendung.
Kaspertheater. Dummschwätzerei. Nein, im Honkland wird ein
klassischer Nachbarschaftsstreit ebenso klassisch geschlichtet: Bevor es
zu einer Eskalation kommen kann, werden die Streitigkeiten in einem
fairen Faustkampf beigelegt. In einem fairen Faustkampf! Der Sieger
des Kampfes darf dann zusammen mit einem Schlichter über die weitere
Vorgehensweise bestimmen. Konkret bedeutet das: Wenn mein Nachbar
Probleme damit hat, daß Äste von meinem Grundstück seiner Meinung
nach zu weit in seinen Garten hängen, dann muß er mir das mitteilen.
Diese Mitteilung ist noch nicht als Offerte, sondern vielmehr als
Invitatio ad offerendum zu verstehen.
Im Klartext: Mein Nachbar lädt mich nun quasi via Invitatio ad
offerendum ein, zu dem reklamierten Sachverhalt eine Stellungnahme
abzugeben oder ihm stattdessen die Offerte zum Faustkampf zu
unterbreiten. Eines von beiden. Ich bin nun also am Zug und kann mich
entweder dazu äußern oder stillschweigend die Scheiß-Äste absägen.
Oder aber ihm den Faustkampf anbieten. Geht auch. Meist läuft es bei
mir dann auch auf zuletzt genannte Alternative hinaus. Eigentlich
immer. Und das ist auch gut so, das klärt grundlegend.
Es ist nun nicht so, daß die Offerte zum Faustkampf explizit artikuliert
werden muß. Ich muß also nicht zwingend notwendig zu meinem
Nachbarn gehen und ihn darüber unterrichten, daß von meiner Seite aus
jetzt Fightclub angesagt ist. Denn oftmals ist in diesem kritischen
Stadium die Kommunikationsebene bereits leicht bis mittelschwer
gestört. Nein, verbales Artikulieren muß nicht zwangsläufig sein.
Vielmehr kann ich meine Offerte zum Faustkampf auch durch
konkludentes Handeln an ihn herantragen. Möglichkeiten hierfür gibt es
viele. Beispielsweise kann ich ein großes Plakat mit der Aufschrift
Komm` rüber, Du Sau, jetzt geht`s scharf!
aus meinem Fenster in Richtung seines Hauses hängen. Das ist meist
der ehrlichste und direkteste Weg. Unmißverständlich. Da bleiben keine
Fragen mehr offen, soviel steht mal fest.
179
Direkt wäre beispielsweise auch noch der sagenumwobene FehdenHandschuh. Einfach rübergehen und klatsch. Eine geklatscht mit
irgendeinem Handschuh oder Klatsch-Gadget, zack, und er weiß auch
Bescheid. Kann man auch machen, geht auch. Es geht aber auch über
diverse Umwege. Beispielsweise kann man auch immer etwas aus
Nachbars Vorgarten anzünden. Paar Gartenzwerge mit Benzin versehen,
einziehen lassen, Streichholz drauf, fertig. Auch ganz klare Offerte, sehr
symbolträchtig. Oder einen Strauch, ordentlich Benzin drüber,
einsickern lassen, dann brennt der auch ganz gut.
Unsere eigene Belustigung darf beim Antragen unserer Offerte also
keinesfalls zu kurz kommen. Ziemlich witzig ist auch immer der
Stumme Hund: Einfach ein Mars oder Snickers mit Sekundenkleber
befüllen und zu Nachbars Fifi in den Garten rüberwerfen. Ist auch ganz
lustig. Und insbesondere dann angebracht, wenn das so ein mieser,
kleiner Dreckskläffer ist. Dann wissen beide, Nachbar und Kläffer, daß
wir zu allem entschlossen sind und notfalls auch bis zum Äußersten
gehen. Denn normalerweise würden wir den Stummen Hund sonst
niemals bringen: Als Honk sind wir nämlich sehr tierlieb.
Nun ist unser Nachbar am Zug. Er kann frei entscheiden, ob er unsere
Offerte annimmt oder lieber ablehnt. Lehnt er ab, erlischt sein
zugrundeliegendes Begehr ex tunc. Soll heißen, meine Äste bleiben, wo
sie sind, und wir stehen so, als hätte mein Nachbar niemals etwas
reklamiert. Eine runde, harmonische Lösung. Nimmt er an, kommt es
zum Kampf. Wobei die Annahme ebenfalls nicht explizit verbal
artikuliert werden muß, sondern auch konkludent ausgedrückt werden
kann. Beispielsweise mit einem Gegen-Plakat. Soll heißen, mein
Nachbar hängt nun ebenfalls ein Plakat mit der Aufschrift
Das sollst Du mir büßen, Du selten dummes Schwein!
aus seinem Fenster in Richtung meines Hauses. So oder ähnlich. Ist
auch völlig unmißverständlich. Und abermals sehr ehrlich und direkt.
Vor solch einem Nachbarn kann man dann nur den Hut ziehen, denn er
hat Mut. Und Mut und Entschlossenheit sind Tugenden, die der Honk
befürwortet. Sie stehen im Honkland ganz oben auf der Liste.
180
Es kommt nun also zum Unvermeidlichen, es kommt zum alles
entscheidenden Faustkampf. So soll es also sein. Austragungsort ist
einer der beiden Gärten, Ringrichter kann ein außenstehender,
unparteiischer Nachbar sein. Dieser ist zugleich auch Schlichter. Und
das ist er auch sehr gern, und das ist auch gut so. Denn auch er freut sich
schon darauf, daß der unnötige Streit gleich beigelegt ist und natürlich
auch auf den anstehenden Boxkampf. Je nach Lust und Laune kann der
Kampf auch publik gemacht werden und für die Öffentlichkeit frei
zugänglich. Also mit Publikum und Fans und so. Ein regelrechtes Event
kann man daraus machen. Allerdings nur, wenn beide Kontrahenten
zustimmen, das muß klar sein.
Das Spektakel an sich ist dann meist ziemlich schnell vorbei. Nach ein
bißchen Tänzelei, ein paar Kraftausdrücken und zwei, drei Schlägen in
die Fresse bricht einer der Kontrahenten den Kampf meist vorzeitig ab
und gibt auf. Denn die Schmerzen im Gesicht verdeutlichen einem meist
ziemlich abrupt, wie absurd die ganze Streit-Thematik dann doch ist.
Wegen ein paar bescheuerter Äste poliert man sich jetzt gegenseitig die
Fresse. Fast wäre man sogar vor Gericht gezogen, heiliger Bimbam.
Diese Erkenntnis kommt dann meist sehr plötzlich und breitet sich zusammen mit dem ausströmenden Adrenalin- angenehm erquickend
und einsichtig im ganzen Körper aus.
Versteht sich von selbst, daß die ganze Geschichte dann mit einer
herzlichen Umarmung, einem gemeinsamen Bier und einem für beide
Seiten akzeptablen Kompromiß, für den es nicht einmal mehr den
schwulen Schlichter braucht, ein befriedigendes Ende findet. Und so
soll es auch sein. So muß es sein! Honk-Anarchie zum eigenen Wohl
und zum Wohle der Nachbarschaft. Halleluja! Das absolute Non-plusultra der modernen Konfliktbewältigung. Besser geht nicht. Da können
einem die Schnarchnasen schon Leid tun, die jahrelang Zeit, Geld und
Nerven verschwenden, indem sie die Kacke juristisch regeln wollen.
Und hinterher dann trotzdem unerfüllt und unbefriedigt sind, obwohl sie
vor Gericht gewonnen haben. Tja, große Scheiße, was?! Dumm
gelaufen. Aber die Pfeifen, die das so durchziehen, sehen das natürlich
ganz anders. Die machen sich da so eine Art Hobby und Lifestyle draus.
Ein teures Hobby, sehr teuer, eigentlich das denkbar teuerste Hobby.
Denn es verschwendet das Leben. Ganz, ganz übel.
181
Honk-Anarchie dagegen ist Leben pur. Immer dann, wenn zwei
Individuen sich einig und auch bereit sind, einen Konflikt lieber
außerhalb des gesetzlichen Rahmens klären zu wollen, sollten sie das
auch unbedingt tun. Ist sehr empfehlenswert. Und damit meine ich nicht
Lichthupe oder ähnlichen Dreck. Also wenn ich in der 100-Zone einen
anderen mit 220 überhole, und der dann meint, mich mit Lichthupen
maßregeln zu müssen. Das ist Bullshit. Spätestens dann, wenn ich an
der nächsten roten Ampel aussteige, zu seinem Wagen gehe und ihn
frage, was das denn sollte, pißt er voll in die Hose. Voll rein. In 99%
aller Fälle. Nein, sowas ist keine Honk-Anarchie. Das ist traurige
Dummheit im vermeintlichen, anonymen Schutzschild eines
Kraftfahrzeuges. Das kann ganz schnell böse nach hinten losgehen. Und
das wollen wir ja nicht. Also bitte kein Lichthupen. Lichthupen ist
unkontrolliertes Freilassen plumper Emotionen und kann beim
Empfänger Unverständnis auslösen, welches schlimmstenfalls mit
weiteren Emotionen und sogar Aggressionen einhergehen kann. Und an
der roten Ampel, wenn der Schutzschild des Autos nicht mehr wirkt,
geht es dem Lichthuper dann noch schlechter. Psychisch, klar, denn er
hat jetzt Angst. Und mit viel Pech auch physisch, weil wir ihm durch
das Seitenfenster in die Fresse hauen. Und das möchten wir doch
eigentlich nicht. Wir möchten als eigenständige Individuen möglichst
gewaltfrei zusammenleben. Wenn Honk-Anarchie, dann richtig. Dann
nur mit Mut und Entschlossenheit, nicht mit Lichthupe.
So werden Nachbarschaftskämpfe geklärt. Nicht anders. Fightclub. Der
anarchistische Beitrag des Honk zur Erhaltung bestmöglicher
Nachbarschaft. Und bestmögliche Nachbarschaft verpflichtet! Ganz
uneigennützig. Beispielsweise, wenn Nachbar im Urlaub ist. Dann muß
man als Honk schön Nachbars Blümchen gießen, und das tut man auch
sehr gern. Oder den Briefkasten leeren, wenn er voll ist. Auch kein
Thema. Oder wenn man nachts Taschenlampen in Nachbars Haus
leuchten sieht, obwohl Nachbar selbst eigentlich zwei Wochen auf
Teneriffa ist. Dann klärt man als bestmöglicher Nachbarschafts-Honk
auch diese Situation im nachbarlichen Haus. Und zwar nicht anders, als
man die Situation im eigenen Haus klären würde: Man ruft die regionale
Polizei an! Okay, kleines Späßchen. Keinesfalls. Bis die aus dem McDrive draußen sind und Blaulicht an haben, wird Nachbars schöner
106er Plasma auf dem polnischen Flohmarkt verhökert.
182
Nein, natürlich rufen wir nicht die Polizei. Auf keinsten Fall. Das tun
wir nie, nie wieder. Weil es kein Sinn macht, nichts nützt, wie wir ja
bereits ausgiebig erörtert haben. Nein, wir sehen uns nun gezwungen, in
bester Honk-Manier eigenständig anarchistisch selbst aktiv zu werden.
Ein ganz klarer Fall. Glasklar, klarer geht nicht. Also schön mit unserem
AK-47-Gasdrucklader zum Nachbarhaus rübergehen und der nun für
alle Beteiligten dann doch ziemlich unangenehm gewordenen Situation
schnellstmöglich Herr werden.
Selbstverständlich dürfte sich die Gesamtsituation dann innerhalb
kürzester Zeit deutlich entspannen, was größtenteils Verdienst des
imposanten Erscheinungsbildes unseres AK-47-Gasdruckladers sein
dürfte. Nichts klärt Besitz- und Eigentumsverhältnisse besser als ein
gutes, altes AK-47. Versteht sich von selbst, daß man die Jungens, die
sich dort im Nachbarhaus unbefugten Zutritt verschafft haben, nach
einer strengen Ermahnung wieder laufen lassen muß. Natürlich erst,
nachdem sie den Schaden, den sie angerichtet haben, mal eben noch
schnell in bar bezahlt haben. Die Schadenshöhe liegt im Ermessen des
Honk und wird grob geschätzt. Eher aber zu viel als zu wenig.
Tja, und das war`s dann auch schon. Zack, ab dafür. Die kommen nie
wieder. Niemals. Das hat abgeschreckt. Ganz krass. Die kommen nicht
einmal mehr in dasselbe Bundesland, so viel ist sicher. Ein
generalpräventiver Beitrag unseres Honk zu einer sicheren und
friedlichen Nachbarschaft. Und den Spitzbuben wird es auch eine Lehre
gewesen sein. Alternative Handlungsweisen haben wir leider nicht.
Oder Gott sei Dank nicht. Denn hätten wir die Grün-Weißen gerufen,
wäre die ganze Situation komplett aus dem Ruder gelaufen. Eskaliert.
Die hätten uns wahrscheinlich noch verhaftet, unbefugter Waffenbesitz
oder so ein Quatsch. Und die kleinen Ganoven hätten sie laufen lassen.
Alles möglich, alles denkbar. Falls unsere Grün-Weißen denn überhaupt
rausgekommen wären. Denn immerhin hätten sie ja nur unser schönes
AK-47 sicherstellen können, nicht aber unseren Führerschein.
Ich glaube, die wären gar nicht rausgekommen...
183
Nimm einen kleinen Schuß Anarchie. Bring` die althergebrachte
Ordnung aus dem Gleichgewicht. Und was entsteht? Chaos! Ich bin das
Chaos. Und weißt Du, was Chaos eigentlich ist?! Es ist fair.
(The Joker)
cc) Ergebnis
Somit haben wir unseren Honk als eine Art partiellen Anarchisten
charakterisiert. Partiell deshalb, weil unser Honk kein reiner Anarchist
oder gar ein krimineller Chaot ist. Sein Leben ist nicht durch eine
anarchistische, politische Grundhaltung geprägt, sondern vielmehr
durch selektive Verhaltens- und Handlungsmuster, welche vereinzelt
anarchistischen Charakter aufweisen können.
Grundsätzlich lebt der Honk gewaltfrei und hält sich an Gesetz und
Rechtsprechung. Parallel oder vielmehr konkurrierend dazu verfügt er
allerdings über einen überdurchschnittlich hohen Anspruch an Moral
und Ethik, gegenüber sich selbst und gegenüber anderen. Das kann
schlimmstenfalls dazu führen, daß sich unser Honk mit einer Situation
konfrontiert sieht, in der er zwar gern gewaltfrei und gesetzestreu
reagieren möchte, es aber aufgrund seiner hohen ethisch-moralischen
Grundsätze und Wertvorstellungen nicht kann.
Gesetzmäßiges Handeln kann demnach im Zweifelsfall nur dann in
Betracht gezogen und als ausreichend erachtet werden, wenn es dem
zugegebenermaßen recht hohen Ethik- und Moralkodex des Honk
genügt. Dann -und nur dann- kann gesetzmäßig gehandelt werden.
Genügen die gesetzlichen Regularien dem Kodex des Honk nicht oder
nur in unzureichendem Ausmaß, muß er eigennützig oder uneigennützig
anarchistisch aktiv werden. Also zum eigenen Wohl oder zum Wohle
der Allgemeinheit. Dies wurde dann auch anhand diverser PraxisBeispiele veranschaulicht:
184
Wir hatten Gewalt gegen Schwächere, die der Honk nicht tolerieren
kann. Wir hatten Gewalt gegen Tiere, gegen Tiere aller Art, die vom
Honk sehr scharf verurteilt und sanktioniert wird. Und wir hatten
Karlsson vom Dach. Karlsson vom Dach mit der extra großen Fresse,
bettelnd um ein Gummi-Geschoß in dieselbe. Leider hat ihm keiner
diesen Wunsch erfüllen können, da ganz offensichtlich kein Honk
anwesend war unter den versammelten Flachzangen. Das alles waren
Fälle uneigennütziger Honk-Anarchie, also Honk-Anarchie zum Wohle
der Allgemeinheit. Daß diverse Asi-Medien ihren Teil zu den
beschriebenen Mißständen beitragen, mußten wir dann leider auch
feststellen. Naja, und fatalerweise auch noch, daß die größte Scheiße in
unseren eigenen Köpfen gammelt. Das war die Krönung.
Ferner konnten wir eigennützige Honk-Anarchie analysieren, also
Honk-Anarchie zum Wohle des Honk. Wir konnten eruieren, daß das
gar nicht so anrüchig ist, wie manch einer denkt. Wir hatten in diesem
Zusammenhang die gestohlene Brieftasche und die Grün-Weißen im
McDrive. Phantastisch. Wir hatten den krassen Heizöl-190er und die
jaulenden Fremdopfer. Auch nicht übel. Und endlich hatten wir
Faustkampf und Gasdrucklader in der Nachbarschaft. Rock`n`Roll,
Baby! Allesamt also Fälle, in denen uns Nachtwächter Staat im Stich
ließ und wir deshalb eigennützig anarchistisch aktiv werden mußten.
Weil wir sonst echt voll am Arsch gewesen wären.
Im Gesamtkontext können wir spätestens jetzt feststellen, daß wir
mittlerweile ganz offensichtlich an einem Sicherstellungs-Trauma
leiden. Dieses sollte schnellstmöglich irgendwie therapiert werden. Am
besten mal zum Verkehrs-Psychologen. Oder ab nach Flensburg,
abfeier. Auch mußten wir feststellen, daß Aso- und Opfer-TV beinahe
stündlich schwachsinniger bzw. deren Formate progressiv steigend
immer beschissener werden. Was ein Wunder, wer hätte damit
gerechnet?! In diesem Kontext fiel uns auch auf, daß es leider noch kein
adäquates und angemessenes Casting-Format gibt, welches dem
Facetten-Reichtum der schillernd anmutenden Persönlichkeit des Honk
gerecht wird. Unverschämt! Man ignoriert uns.
185
Ignorieren ist noch keine Toleranz.
(Theodor Fontane)
b) Der Honk als Ignorant
Man ignoriert uns also. Noch. Noch ignoriert man uns. Egal. Denn das
können wir auch. Ignorieren. Das können wir auch, das können wir
sogar besser. Auch wenn es der ein oder andere nach Lektüre der
vergangenen Seiten nicht mehr für möglich halten kann. Und das völlig
zu Recht. Schließlich wurden einige der bizarrsten, obskursten und
verwegensten Thematiken seitens eines Honk kommentiert, analysiert
und vereinzelt sogar interpretiert. Ja, genau, interpretiert. Wir hatten
Vollidioten und Aso-TV, Blitzgeräte und Vollrausch, Sachbearbeiter
und Mett-Igel, Topmodels und Flitzkacke, außer der Reihe gepimperte
VIP-Döschen, Diesel versus Heizöl, Fightclub unter Nachbarn und
vieles mehr. Und natürlich hatten wir ein ganzes Arsenal besonders
abenteuerlicher Sicherstellungen, mein lieber Herr Gesangsverein. Mein
lieber Scholli.
Macht aber nichts, kann keiner was für. Alles gar nicht schlimm. Wir
haben also diesen ganzen Blödsinn bis ins kleinste Detail durchgekaut.
Teilweise wieder und wieder und wieder. Drängt sich geradezu eine
Frage auf: Ist denn das, was wir die ganze Zeit veranstaltet haben, nicht
das komplette Gegenteil von Ignoranz? Klare Antwort: Jein. In den
Fällen, in denen der Honk anarchistisch aktiv werden mußte, deckt sich
dieser Anarchie-Begriff immer mit dem der Ignoranz. Denn wenn ein
Honk nach eigenem Moral- und Ethik-Kodex aktiv werden muß, wird
infolgedessen oftmals eine Vorschrift oder ein Gesetz ignoriert.
Insoweit besteht hier Deckungsgleichheit zwischen den beiden
Begriffen. Kinder anschreien, Heizöl fahren, Nachbarn verprügeln,
Schußwaffen präsentieren. Alles Vorgehensweisen, bei denen unser
Honk das ein oder andere Gesetz ignorieren muß.
186
Was aber, wenn sich unser Honk sein überdimensional großes Maul
über Grimassen-Heidi oder moderne Amazönchen in Reisebussen oder
vergleichbaren Quatsch zerreißt?! Was soll dann dieses?! Warum tut er
das bloß?! Das muß er doch nicht machen, das kann er doch lieber
lassen. Das sollte er doch besser ignorieren, warum ignoriert er das denn
nicht?! Ein äußerst gelungener Einwand, will man meinen. Eine sehr
gute Frage, eine berechtigte Frage. Eine Fangfrage. Allerdings nicht für
den Honk.
Wie soll man denn bitte über etwas schreiben, das man ignoriert?! Also
Ignorieren im Sinne von nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Im Sinne
von nicht wissen wollen. Wenn sich ein Sachverhalt meiner Kenntnis
entzieht, gewollt oder ungewollt, kann ich ja wohl kaum darüber
schreiben. Das ist unmöglich, völlig unmöglich. Kurz: Es geht gar nicht.
Daher mußten wir in unserem Rahmen hier gelegentliche Ausnahmen
vom Prinzip der Ignoranz machen. Ausnahmen! Denn natürlich soll
man Flitzkacke wie GNT, Popstars, Supermodels und Co. ansonsten
ignorieren. Es ist nicht gut für das Gehirn. Es kommt doch nicht von
ungefähr, daß ich mir so einen fiesen Pegel ansaufen muß, um diese
Kacke analysieren zu können. Ist doch so.
Im normalen Leben existiert dieser Quatsch gar nicht für mich.
Komplett an mir vorbei. Zack. Vollständige Ignoranz. Nicht mehr, nicht
weniger. Das ideale Mittel. Mißstände, die man nicht ändern kann oder
will, sollte man ausnahmslos ignorieren. Nicht tolerieren oder
akzeptieren oder sonstwas. Nein, einfach schlichtweg ignorieren.
Funktioniert phantastisch. Wenn man etwas, das einem nicht paßt oder
einem auf den Sack geht, ändern will und auch kann, dann nur zu. Dann
gleich drauf. Nicht lange sabbeln, gleich verändern. Zack. Natürlich
immer auch ein bißchen das Gesetz im Hinterkopf, allerdings nicht als
der Weisheit letzter Schluß. Notfalls anarchistisch, wenn die Sache es
erfordert. Ansonsten immer Ignoranz. Zumindest als Honk. Vollidioten
und Vollopfer konsumieren, Honks ignorieren. Dazwischen liegt
irgendwo unser armes Fremdopfer, welches mal konsumiert, mal
ignoriert, vielleicht auch mal toleriert, aber immer mault und jault.
187
Was ist die Antwort auf 99% aller Fragen? Geld!
(David Aames)
aa) Im Kapitalismus
Was für eine Woche! Donald Duck aus Entenhausen wird 75 Jahre alt,
und unser Bobbele heiratet wieder. Glückwunsch, Stößchen. Zwei
Symbole meiner Kindheit. Zwei Legenden, zwei Ikonen. Zwei ganz
Große. Unglaublich. Ich freu` mich und feiere innerlich mit. Eine ganz
tolle Sache. Hätte man doch eigentlich eine gemeinsame Party für die
beiden veranstalten können, oder?! Denn irgendwie passen die beiden
ganz gut zusammen. Beide schnattern wirres Kauderwelsch, haben mit
Lilly und Daisy ihre Traumfrauen gefunden und sind untenrum meist
nackt. Ja, genau, untenrum meist nackt. Pantsless, wie man in der
Heimat von Onkel Donald sagt. Irgendwann schalte ich die Glotze an
und sehe die beiden zusammen auf DSF pokern.
Ach ja, unser guter Onkel Donald. Hat es wahrlich nicht immer leicht
gehabt im Leben. Und dann auch noch seit 75 Jahren dieselben
Klamotten. Matrosenhemd und Matrosenmütze. Sonst nichts, wie geil.
Was für ein endgeiles Outfit, Respekt. Im realen Leben allerdings
undenkbar, darüber sollten wir uns einig sein. Im realen Leben kommt
man so bestenfalls in eine drittklassige Fetisch-Bar rein. Wenn
überhaupt. Aber nicht in Entenhausen. In Entenhausen zieht der Look
noch, nach wie vor. Nach all den Jahren, unglaublich. Man stelle sich
nur mal den modernen Donald vor, mit Ed-Hardy-Shirt und so einer
bescheuerten Schwebe-Kappe. Naja, halt so eine alberne Kappe, wie sie
die 10- bis 16-jährigen Pampers-Checker alle tragen. Die kaum noch
den Kopf berührt, nur so ganz leicht gerade noch touchiert. Also fast auf
dem Schädel schwebt. Keine Ahnung, was das soll. Sieht auf jeden Fall
mal Scheiße aus. Sieht mal so richtig schön Vollspasti aus. Und
deswegen trägt unser Onkel Donald sowas auch nicht.
188
Und beim Stichwort Bobbele fällt mir spontan auch nur noch ein Wort
ein: Weiber! Nicht Tennis oder Wimbledon oder sonstwas, nein,
Weiber. Leck` mich einer am Arsch, da hat unser Bobbele aber auch
nichts ausgelassen. Vielmehr nichts draußen gelassen. Gar nichts.
Weiber, Weiber, Weiber. Unser Bobbele, unser Womanizer, unser
Bums-Bums-Becker. Herrlich. Da können sich andere mal eine schöne
Scheibe von abschneiden, mal echt jetzt. Advantage Becker, unser
Grand-Slammer, unglaublich. Hut ab, Stößchen. Leute, was wäre das
für eine geile Party geworden, unser Bobbele zusammen mit Onkel D.
aus E.?! Das hätte alles bisher da gewesene in den Schatten gestellt.
Idealer Gastgeber und Moderator solch einer Party wäre dann Oli
Pocher gewesen. Na klar, unser Oli eben. Unser anderer Oli. Nicht
Kahn, der National-Oli, sondern Pocher, der andere Oli. Der Vollidiot.
Also aus dem Film. Der eine kehrt zurück zur Ex, der andere
schwängert irgendeine von Bobbeles Ex. Glückwunsch Pocher, ganz
großes Tennis, abfeier. Extrem gelungene Selbstparodie, wäre der
Brüller auf unserer Party gewesen. Naja, egal. Wäre auch so bestimmt
eine feucht-fröhliche Party geworden. Mit Bobbele als Garant für
Feuchtigkeit, und Onkel Donald für den fröhlichen Teil. Ach ja, dieser
verrückte Donald Duck! Dieser kleine, wütende Enterich. Läßt sich
einfach nicht unterkriegen. In all den Jahren nicht. Respekt. Stößchen.
Und was hat das jetzt alles mit dem ignoranten Honk im Kapitalismus
zu tun? Vieles. Denn während einige hier wie beschrieben stets und
ständig und voller Verzückung sich selbst bzw. ihre eigene Geilheit
feiern, geht es der überwiegenden Mehrheit in unserer Gesellschaft
tagtäglich immer beschissener. Die Fremdopfer-Quote erhöht sich
zusehends, und den Absprung zum Honk trauen sich die meisten dann
doch noch nicht zu. Und man kann es ihnen nicht übel nehmen. Denn in
dieser Gesellschaft ist man ruckzuck voll am Arsch, wenn man das
große Spielchen nicht mitspielt. Das Spiel der Spiele. Das Spielchen des
Kapitalismus, das Spielchen um Geld und Macht und Macht und Geld
und noch mehr Geld und noch mehr Macht und noch mehr Macht und
noch mehr Geld. Manche nennen es nicht Kapitalismus, sondern freie
Marktwirtschaft. Klingt irgendwie nicht so negativ, klingt interessanter.
Ist aber ein und derselbe Scheißdreck. Krasse Überleitung hier, krasser
Themenwechsel, was?! Und Stößchen.
189
Scheißdreck deshalb, weil man selbst als vernünftiger Nicht-Marxist
erkennen muß, daß wir heute mehr denn je in einer Gesellschaft der
Ausbeutung und Entfremdung leben. Und zwar erheblich krasser, als es
die Kollegen Marx und Engels vor gut 150 Jahren beschrieben haben.
Das läßt sich leider nicht mehr verleugnen. Außer vielleicht, wenn man
zu der verhältnismäßig knapp besetzten Sparte der Geschäftsführer
gehört. Oder auf dem Mond lebt. Dann vielleicht. Denn als
Geschäftsführer eines deutschen Unternehmens hat man im Jahr 2008
durchschnittlich 280.000 Euro brutto verdient, so eine Studie der
Managementberatung Kienbaum Consultants. Sollte klar sein, daß der
Kapitalismus unter solchen Bedingungen etwas sehr Schönes ist. Aber
auch nur dann. Ansonsten eben Scheißdreck.
Ein normaler Vollzeitbeschäftigter im produzierenden Gewerbe oder im
Dienstleistungsgewerbe verdient aktuell im Durchschnitt 3.100 Euro
brutto monatlich. Bei einem Teilzeitbeschäftigten ist es gut die Hälfte,
im Schnitt 1.600 Euro brutto. Ja meine Fresse, wie soll man denn davon
auch nur halbwegs vernünftig leben?! 1.600 Euro sind völlig
indiskutabel. Und 3.100 Euro sind auch nicht der Kracher. Als Single
ohne Kind hat man bei 3.100 Euro brutto ca. 1.800 Euro netto raus. Und
das auch nur, wenn man schon aus der schönen Kirche ausgetreten ist.
Sonst ist es gleich nochmal ein knapper Fuffi weniger. So, und hier sei
doch jetzt bitte einmal die Frage erlaubt, wie man von so einem ScheißNettogehalt leben soll?!
Klar, wenn ich mir absolut nichts gönne und jeden Cent fünfmal
umdrehe und in einem Drecksloch wohne und nur noch halb
abgelaufenen No-Name-Fraß vom Asi-Discounter fresse, ja dann
vielleicht. Dann kann ich vielleicht sogar noch 100 Euro im Monat in
eine schwachsinnige Riester-Rente investieren. Oder auch verbrennen,
kommt auf dasselbe raus. Aber wer ein halbwegs vernünftiges Leben
führen will, halbwegs anständig wohnen will, vielleicht sogar ab und an
mal frisches Obst und Gemüse fressen und am Wochenende ins Kino
oder saufen gehen will, der kommt mit 1.800 Euro nicht weit. Der kann
sich dann bestenfalls noch ein winziges Auto leasen und die Söldner
von der Scheiß-GEZ bezahlen, und dann war`s das auch.
190
Es gibt doch eine ganze Latte politischer Halbleichen bis Leichen, die
hier auf Kabinettsposten herummodern.
(Joschka Fischer)
Und da wundert man sich noch, daß es so eine immens steigende
Schwarzarbeitquote gibt? Welcher Kasperkopf wundert sich denn da
eigentlich?! Also ich mal nicht. Ich wundere mich da überhaupt nicht
mehr. Eigentlich darf man sich hier sowieso und generell über gar
nichts mehr wundern. Ist doch klar, daß die Friseuse am Wochenende
losgeht und befreundete kleine Uschis unter der Hand frisiert. Oder der
Maler nach Feierabend noch die ein oder andere Wand anpinselt. Oder
der Döner-Mann von um die Ecke jeden zweiten Döner an der Kasse
vorbei abrechnet. Geht doch gar nicht mehr anders. Sonst ist doch
Armut angesagt, ganz fiese Armut. Kann jeder mal nachfragen, was eine
Friseuse im Osten verdient. Oder eine Fabrikarbeiterin in der
Holzbranche. Die Antwort wird ihm nicht schmecken, definitiv nicht.
Es ist eine Schande und Frechheit, Menschen mit so wenig Entgelt für
ihre Leistungen abzuspeisen und auszubeuten. Voll zum Kotzen.
Und die Halbleichen in Berlin verschließen die Augen. Zack, Augen zu,
ist besser. Die ignorieren das schlichtweg. Da haben wir es wieder:
Ignoranz! Lieber pumpen die Milliarden über Milliarden in
irgendwelche maroden, verzockten Drecksbanken, in denen
irgendwelche Größenwahnsinnigen Russisch Roulette spielen mit
Tausenden Arbeitsplätzen und Milliarden fremder Gelder. Nur um den
eigenen Profit zu maximieren. Wahnsinn. Und bekommen jetzt
unzählige Milliarden vom Staat in den Arsch geblasen, bei denen sich
jeder mit einem Fünkchen Grips in der Rübe fragen muß: Ja wo
kommen sie denn auf einmal her, die ganzen Milliarden?! Wo kommen
sie denn her?! Ist denn schon wieder Weihnachten?! Es war doch vorher
keine Kohle mehr da, was ist denn nun passiert?! Es grenzt an ein
Wunder, ein wahres Wunder. Magie, pure Magie.
191
Daß der Großteil der Gesellschaft in Armut und panischer Existenzangst
lebt, ist den Halbleichen scheinbar überhaupt nicht klar. Das wollen die
gar nicht wissen, das verdrängen die ganz bewußt. Da wird lieber auf
andere sehr sinnvolle Themen ausgewichen, man muß ja nur mal in die
Glotze gucken, egal wann. Beispielsweise wurde gestern in den ntvNachrichten thematisiert, daß man eine UFC-Veranstaltung in
Deutschland verbieten wolle und daß es ferner eine ganz tolle neue AntiAlkohol-Kampagne gäbe.
Bei erstgenannter Thematik ging es halt darum, daß die Jungs vom
Ultimate Fighting Championchip am 13. Juni 2009 eine Veranstaltung
in der Kölner Lanxess-Arena abhalten wollten. Unter UFC ist ein in
Amerika recht populärer Vollkontakt-Kampfsport zu verstehen, welcher
in einem achteckigen Ring ausgetragen wird und bei dem fast alles
erlaubt ist. So, und nachdem dann der Großteil der Karten für dieses
Event verkauft war, fiel einigen ganz Schlauen dann doch sehr früh ein,
daß das ja viel zu brutal sei und auch ganz verheerende Auswirkungen
auf Jugendliche und Kinder haben könne. Auweia! Naja, und bei der
anderen Thematik ging es halt wieder mal darum, daß man insbesondere
Jugendlichen und Kids klarmachen wollte, wie schädlich und gefährlich
Alkohol sei. Mal ganz was Neues, gähn.
Ohne jetzt gleich wieder ganz plakativ und überstürzt in ein Meer aus
Polemik eintauchen zu wollen, sei mir hier bitte eine Frage gestattet:
Saufe ich eigentlich zu viel oder eher zu wenig?
Eines von beiden muß es sein. Denn ganz offensichtlich habe ich noch
nicht den richtigen Pegelstand gefunden, um mich bei diesem
Schwachsinn nicht ständig selbst fragen zu müssen, seit wann ich denn
eigentlich komplett bescheuert bin. Anders ist das hier nämlich nicht
mehr zu erklären. Denn einige Wochen zuvor durfte Fräulein
Schnäuzchen mit ihren Hampelmännern vor Tausenden fehlgeleiteter
Kinderchen live in der Lanxess-Arena auftreten. Das war okay. Aber
UFC ist jetzt zu krass. Na klar. Lieber Millionen Kids Eßstörungen und
falsche Illusionen in die eh schon recht instabilen Hirne eintrichtern, als
zusehen, wie sich zwei erwachsene Männer im gegenseitigen
Einverständnis ein paar in die Fresse hauen.
192
Okay, war jetzt doch Polemik, hab`s wieder vergeigt. Egal. Kann ich
mit leben. Womit ich nur schwer leben kann, sind die oben genannten
Mißstände. Also allgegenwärtige Angst und Armut, und einige haben
keine anderen Sorgen, als den Leuten jetzt erzählen zu wollen, was sie
sehen oder saufen dürfen. Na Glückwunsch! Der UFC-Mist läuft eh
jedes Wochenende auf DSF, kann sich jeder 6-jährige anschauen. Und
beim Gesaufe weiß mittlerweile auch jeder 10-jährige, was Sache ist.
Wie kann man in der momentanen Lage so einen banalen Dünnschiß
thematisieren?! Selbst besoffen? Verstand verloren? Langeweile? Sollte
letzteres zutreffen, dann bitte zukünftig einmal hinterfragen, warum
denn wohl so viel gesoffen wird. Und warum denn wohl so viele
Menschen nur noch Schmerz und Gewalt spüren.
Oder lieber doch nicht. Klappt mit solch himmelschreiender Ignoranz in
der Birne eh nicht. Außerdem kennt eh jeder nicht komplett Weltfremde
längst die Antwort: Eben drum! Wegen der drei großen A: Armut,
Angst, Arbeitslosigkeit. Vielleicht sollte man hier einmal ansetzen, an
der Wurzel des Übels, anstatt mit nutzlosen, hanebüchenen
Diskussionen und Kampagnen noch mehr Zeit und Geld zu
verschwenden. Aber solche Logik ist ganz offensichtlich noch nicht bei
allen angekommen. Und außerdem sind die drei großen A ja auch ganz
hervorragende Unterdrückungs-Mittel im schönen Kapitalismus. Denn
ohne die drei A funktioniert der Kapitalismus nämlich nicht mehr, und
davor haben alle ganz viel Angst, besonders die Halbleichen.
Wahrscheinlich daher der ganze Schwachsinn.
Offiziell liegt es natürlich mal wieder am lieben Geld, welches nicht
vorhanden ist. Ja wie, kein Geld? Nichts da? Komisch. Ballert man
derzeit nicht gerade völlig sinn-, plan- und hilflos und mit viel Blabla
und Tamtam unvorstellbare Summen in korrupte und bankrotte
Drecksbuden, die jahrelang gemacht haben, wozu sie lustig waren?! Uns
allen symbolisch bzw. vielmehr metaphorisch den obligatorischen
Stinkefinger gezeigt haben?! Unsere Kohle verzockt haben?! Und jetzt
hysterisch wie ein Stall aufgeschreckter Hühner nach Vater
Nachwächter schreien?! Oder habe ich da was verpaßt?!
193
Wer hat wie ich genug von den Heuchlern im Bundestag? Wählt mich,
und ich mach` Deutschland gesund und stark. Ich bring` das Land in
Ordnung, komm` schon, wir schau`n nur nach vorn und machen unsere
Phantasien wahr wie im Porno. Ich mach` das MV zur Hauptstadt der
Hauptstadt. Und streich` jeden Block Metallic-Blau statt Grau matt. Ich
mach`, daß jeder was zu essen und `ne Frau hat, und wenn einer wegen
Hunger geklaut hat, mach` ich ihn auch satt.
(Sido)
Nein, da habe ich nichts verpaßt. Da ist mir nichts entgangen, auch
wenn mir das eigentlich lieber wäre. Das ist alles echt, alles Realität.
Vater Nachtwächter ist jetzt gefordert, und das ist auch gut und richtig
und wichtig so. Vor allen Dingen im Kapitalismus, sorry, in der freien
Marktwirtschaft natürlich. Denn wenn irgendwo ein Staat mit Billionen
an Kohle in einen freien, sich mehr oder weniger selbst regelnden
Markt eingreifen muß, dann doch wohl in der freien Marktwirtschaft.
Na klar, wo denn sonst. Wir sind doch hier nicht in China oder in der
DDR oder sonstwo. Nichts auszudenken. Alles, bloß das nicht. Logisch,
der Staat greift also ein, ganz toll. Ein schöner Zug, ein feiner Zug, ein
edles Unterfangen. Das Kind liegt im Brunnen, na dann kann man doch
auch langsam mal aktiv werden.
Und damit wir allesamt nicht zu keck und frech und vorlaut werden,
schafft Vater Nachtwächter neben diesem monumentalen Unterfangen
noch das Kunststückchen, uns stets und ständig mit höchst erhobenem
Zeigefinger einzuimpfen, daß wir doch bitte auch mal an unsere Kinder
und Kindeskinder denken sollen. Denk` doch bitte mal einer an die
Kinder! An die Kinder! Uiuiui, die armen Kinder, was wir denen wohl
für ein Vermächtnis hinterlassen?! Wir haben doch diesen Planeten nur
geliehen. Von unseren Kindern. Nur geliehen! Keinen Schimmer, wie
das gehen soll, also mit dem Leihen und so. Aber auf jeden Fall eine
unfaßbar geile Metapher. Und überaus effektiv.
194
Denn wie vom Blitz getroffen vergessen wir nun schlagartig, daß unsere
Kinder in 20 bis 30 Jahren eh ganz andere Sorgen haben werden. Im
Jahre 2030 sieht das schätzungsweise nämlich so aus: 50% schwerste
Alkoholiker, Kiffer und Fixer, 20% Topmodels und Superstars, 10%
Jury, 10% Bisexuelle und 10% ausgewandert oder zum Mond geflogen.
Leider. Leider wird es so sein. Aber mir kann das dann egal sein. Ich
werde dann nämlich so um die 60 Jahre alt sein, und man wird mich
auch auf den Mond geschossen haben. Unfreiwillig. Und auf die dunkle
Seite. Zu Darth Vader. Aber egal. Alle anderen bitte sofort an die
Kinder denken. An Tick, Trick und Track, an Beavis und Butt-Head, an
Justin und Dustin, einfach an alle. Schnell die Ärmel hochkrempeln und
das Maul halten, schließlich geht es um die Kinder. Na spitze, noch
mehr Angst. Vielen Dank. Angst ist durch nichts zu ersetzen, außer
durch noch mehr Angst. Und der Gedanke an noch mehr Angst macht
das Leben in Armut und Arbeitslosigkeit ja gleich viel erträglicher, als
es Suff und Aso-TV eh schon machen. Das grenzt ja an Luxus!
Stößchen. Ein Stößchen auf die Angst!
Nichts für ungut, aber da soll mir noch mal einer über Onkel Peterchen
und seine Fans schimpfen. Also über die Millionen Menschen, die
HartzIV beziehen, weil sie keinen Job mehr kriegen. Oder auch, weil sie
einfach keinen Bock mehr auf den Scheiß haben, völlig egal. Onkel
Peterchens Groupies, die H4-Groupies. Die Hartzies. Kann es ihnen
irgendjemand verübeln?! Also ich nicht. Nicht die Bohne. Ich würde es
genauso machen. Jeder, der 40 oder 50 Stunden pro Woche malochen
geht, obwohl er mit Onkel Peters Freizeitprämie ähnlich oder sogar
besser stände, hat nicht alle Tassen im Schrank. Ja sorry, ist leider so.
Reine Logik. Denn was ist wertvoller als Zeit? Kaum etwas. Und
nochmal sorry, aber ich kann meine Zeit erheblich sinnvoller nutzen, als
40 Stunden die Woche irgendwas putzen oder Zement anrühren oder
mir den Arsch hinter irgendeinem Schreibtisch wund sitzen. Und ja, ich
kann mir auch was Schöneres vorstellen als Zahnschmerzen, Dünnschiß
und Hängetitten. Die Leute, die an solch einer Einstellung Kritik üben,
sind neidisch und mißgönnerisch. Hey, aber warum denn? Ich selbst
liege auch nicht Vater Nachtwächter auf der Tasche. Aber ich gönne es
jedem, der es tut und dem es dabei gut geht. Warum denn auch nicht?!
Chacun à son goût, jeder nach seinem Geschmack.
195
Mit HartzIV lebt es sich nämlich gar nicht so schlecht. Klar, 350 Euro
monatlich reichen kaum für ein Leben in Saus und Braus. Gewiß nicht.
Addiert man hierzu allerdings die etlichen Zusatzleistungen, kommt
schnell ein Betrag zusammen, den viele Menschen, die tagtäglich zur
Arbeit latschen, nicht zur Verfügung haben. Denn die besagten 350
Euro sind lediglich die Regelleistung. Hinzu kommen diverse
Annehmlichkeiten wie eine angemessene Erstausstattung, Zuschläge
nach Bezug von Arbeitslosengeld, Erstattung der Wohn- und
Heizungskosten, Beiträge zur Rentenversicherung, Mehrbedarfe und
diverse andere Leistungen. Ganz klar, da kann schon das ein oder
andere hübsche Sümmchen zusammenkommen.
Ferner ist man als Hartzie von der GEZ befreit, kann sich die Zähne
schön gratis bzw. gratis schön machen lassen, kann Prozeßkostenhilfe
beanspruchen und dergleichen. Man kann sogar umsonst den
Führerschein machen, wenn man glaubhaft vorträgt, daß man sonst eh
keinen Job mehr bekommt. Alles sinnvolle Dinge, die Otto
Normalverbraucher selbst zahlen muß. Ist die Waschmaschine kaputt,
gibt es vom Amt eine neue. Zack. Unter Berücksichtigung dieser
Aspekte liegt die Vermutung nahe, daß es so manchem Hartzie unter`m
Strich finanziell besser geht als dem ein oder anderen Arbeitnehmer.
Insbesondere dann, wenn unser Hartzie Teile seiner freien Zeit nutzt,
um ein paar Stündchen Schwarzarbeit zu verrichten. Dann sowieso,
dann lebt es sich sogar ganz vernünftig.
Und das ist auch völlig okay so. Unser lieber Vater Nachtwächter hält
einem diese Option offen, und jeder kann frei entscheiden, ob er sie
nutzen möchte oder nicht. Keiner muß sich dafür schämen, heute
weniger denn je. Und Kritik hieran ist reinstes Fremdopfer-Gebahren,
sonst nichts. Auweia, da kriegt einer dieselbe Kohle wie ich und will
bzw. muß dafür nichts tun. So ein asoziales Schwein! Und als
waschechtes Fremdopfer redet man sich diesen Quatsch natürlich auch
noch schön. Ich wüßte gar nicht, was ich ohne Arbeit anfangen sollte.
Bla. Ich auch nicht. 40 Stunden die Woche auf einem Bagger sitzen
oder Rechnungen kontieren sind die wahre Erfüllung, die absolute
Selbstverwirklichung für mich. Na klar, was denn auch sonst. Kaum zu
glauben, wie weichgespült der Kapitalismus einige Köpfe schon
gemacht hat. Wie Wackelpudding.
196
Und wer arbeiten gehen will, der soll eben arbeiten gehen. Nur zu. Ist
nichts Verwerfliches dran. Zack, ab, arbeiten. Schließlich folgt man nur
der Herde, ganz solidarisch. Und die Herde grast hübsch angenehm Fluß
abwärts, also grasen wir mit. Auf, bitte alle schön mitgrasen, besten
Dank. Gehen wir arbeiten. Denn immerhin verdienen wir ja 3.100 Euro
brutto. Wir sind ja schließlich die Durchschnitts-Vollzeitangestellten,
abfeier. Und als solche haben wir neben fürstlicher Entlohnung noch
einen weiteren, ganz entscheidenden, geradezu elementaren Vorteil:
Wir sind kreditwürdig!
Hurra! Natürlich immer positive Schufa vorausgesetzt, muß klar sein.
Aber wenn die paßt, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Dann geht voll die Post ab. Denn dann können wir nach Herzenslust
Kohle verballern, die wir gar nicht haben. Also entweder schön Kredit
aufnehmen oder -noch geiler- alles leasen. Leasen ist noch viel geiler.
Und damit meine ich nicht nur das Auto, sondern wirklich alles.
Muß also alles geleast werden, muß alles finanziert werden. Logisch.
Woher soll man auch 500 Euro für eine neue Waschmaschine auf einen
Schlag nehmen? Oder 1.000 Euro für einen neuen Fernseher? Muß alles
auf Pump gekauft werden. Wer das jetzt nicht wahr haben will, der muß
nur mal einen verwegenen Blick in ein Prospekt vom MediaMarkt oder
ProMarkt oder ähnlichen Anbieter riskieren. Dort werden nämlich
mittlerweile nur noch die monatlichen Raten groß ausgewiesen,
während man den eigentlichen Einzelpreis in bar irgendwo im
Kleingedruckten suchen muß. Verkehrte Welt, möchte man meinen,
aber es ist so.
Und ich hatte mich neulich schon voll gefreut. Gucke da in den Prospekt
rein und sehe einen schönen 107er Plasma von Panasonic für 39,90
Euro. Hurra, heute ist Dein Glückstag, dachte ich. Ganz egal, daß ich im
Wohnzimmer und auch im Schlafzimmer schon so ein Monster an der
Wand habe. Für 39,90 Euro kaufe ich gleich nochmal vier bis fünf von
den Dingern. Einen für die Küche, einen für`s Bad und einen für`s
Gäste-WC, wie geil. Vielleicht noch einen in die Garage und einen auf
Vorrat oder wenn mal Besuch kommt.
197
Aber nichts da, Pustekuchen. Nichts da mit 39,90. Zumindest nicht der
Einzel-Verkaufspreis. 39,90 war vielmehr die monatliche Rate für die
nächsten drei Jahre. Regulär kostete das Mistviech nämlich nach wie
vor 1.399 Euro, wie ich nach langer Suche im Kleingedruckten
feststellen durfte. Na, das ist doch mal was. Und ich Vollhonk war
schon drauf und dran, vier bis sechs Stück telefonisch vorzubestellen,
Folglich bedeutet das für uns als Konsumenten, daß wir lediglich zwei
Möglichkeiten haben: Wir müssen unsere Ansprüche ganz dramatisch
reduzieren oder uns verschulden. Natürlich können wir auch immer
versuchen, mehr Kohle zu verdienen. Aber zum einen ist das nicht so
ganz einfach zu bewerkstelligen, und zum anderen gehen wir hier ja
vom Durchschnitt aus. Und das Durchschnitts-Schaf mit 1.800 Euro
netto monatlich muß seine Ansprüche bis zur Schmerzgrenze
reduzieren, wenn es sich nicht verschulden will. Ganz klare Kiste. Der
ursprüngliche, originäre Anspruch, der uns seitens der Werbung und
durch Dritte als normal suggeriert wird, kann nicht erfüllt werden.
Niemals. Nicht im Entferntesten. Zumindest für den Großteil von uns
nicht. Und das wurmt uns logischerweise. Weil das ein Umstand bzw.
vielmehr ein Mißstand ist, den wir nicht ignorieren können. Und da
wären wir auch schon wieder beim Thema: Ignoranz!
An dieser Stelle kommen wir zu einem überaus perversen Paradoxon
des Kapitalismus in unserer heutigen Gesellschaft. Hier wird es jetzt
mal besonders krass, krasser als eh schon, und Personen mit einem
schwachen Herzen oder so sollten mal lieber nicht mehr weiterlesen:
Millionen von Menschen arbeiten Tag für Tag in einem ganz
fulminanten Drecksjob. Als Arbeiter, als Angestellter, ganz egal. Ein
Drecksjob eben. Ein Drecksjob, in dem sie wahrscheinlich nicht einmal
die besagten 3.100 Euro brutto pro Monat verdienen, sich stattdessen
aber im Idealfall mit Mobbing durch vermeintliche Kollegen oder einem
Riesen-Arschloch als Chef auseinandersetzen dürfen. Ich persönlich war
hiervon glücklicherweise nie betroffen, aber man ist ja auch nicht taub
und blind. Man sieht und hört ja, wie es läuft. Man muß sich ja nur
einmal umsehen. Kritisch umsehen, falls das überhaupt noch geht. Falls
man dazu vor lauter Fremdsteuerung und Verblendung überhaupt noch
in der Lage ist.
198
Dann wird man nämlich erschreckt feststellen müssen, daß man
weitestgehend von Heuchlern und Arschlöchern umgeben ist. Die einem
das Leben in dem eh schon recht anspruchslosen und völlig
uninteressanten Job noch zusätzlich erschweren bzw. teilweise sogar zur
Hölle machen. Mit denen man bestenfalls tödlich belanglose Gespräche
über das Wetter oder über Fußballergebnisse oder die letzte Grillparty
führen kann. Ätzend, voll ätzend, aber leider größtenteils wahr. Und
man selbst nimmt das auch gern und als gegeben in Kauf. Immerhin
verdient man ja damit seinen Lebensunterhalt. Und zwar so üppig, daß
man bei MediaMarkt eine neue Glotze auf Pump kaufen kann.
Glückwunsch. Oder von seinen liquiden Mitteln einen Röhrenfernseher
mit 51 cm Diagonale für 99 Euro in bar. Stößchen. Das ginge auch.
Gerade noch so. Das kann man sich dann aussuchen.
Und hier kommt jetzt das überaus Perverse an der ganzen Geschichte:
Trotz dieses Wahnsinns rastet der normale Arbeiter oder Angestellte
nicht aus und dreht voll durch. Dem Vorarbeiter mal eben so richtig
schön die Fresse poliert, und dann ab zum MediaMarkt und ein paar
Röhren-TV an die Wand gekickt. Zack. Kick. Dem Chef erzählt, daß
man überhaupt keine Lust hat, über Banalitäten wie das aktuelle ScheißWetter zu philosophieren. Dem mobbenden Arschloch aus dem Büro
nebenan die Bremsleitung am Auto durchgeschnitten. Oder ähnliche,
vergleichbar positiv-aggressive und überaus angemessene Reaktionen.
Nein, dies tun wir nicht. Wir lächeln, bleiben höflich und fressen den
Bullshit in uns hinein. Und warum? Logisch, aus Angst. Aus
tiefgreifender, universeller und allgegenwärtiger Angst.
Aus Angst um unseren Job, aus Angst vor mobbenden Kollegen, aus
Angst vor dem Kapitalismus. Denn diese Angst können wir nicht
ignorieren. Diese Angst müssen wir so hinnehmen, uns ihr stellen. Und
sie akzeptieren. Ganz kompromißlos akzeptieren. Ignoranz geht nicht,
Toleranz reicht nicht. Radikale Akzeptanz der Todesangst. Ach was,
schlimmer noch als Todesangst. Kapitale Angst! Auweia! Das
größtmögliche, vorstellbare Grauen. Kapitale Angst. Und zwar um
unseren Job. Nur um unseren Job. Um nichts weiter. Um unseren
gottverdammten, voll beschissenen und komplett unterbezahlten
Drecksjob. Welchen wir wahnwitzigerweise sogar noch als unsere
Existenz oder deren Grundlage bezeichnen. Heiliger Bimbam!
199
Denn wenn wir heute bereits mit zweieinhalb oder drei Riesen brutto im
Monat eine Glotze oder eine Waschmaschine gerade noch so auf Pump
kaufen können, wie schlimm kann es dann noch werden?! Horror! Das
könnte ja alles noch viel schlimmer werden. Viel, viel schlimmer. Ein
Faß ohne Boden. Nicht auszudenken, wenn man seinen Job verlöre. Der
Super-GAU! Lieber ein Bein oder einen Arm, aber bitte nicht den Job.
Im Kapitalismus lebt es sich besser ohne Beine und Arme als ohne Job.
Und ohne Hirn, selbstverständlich. Das sollte nämlich auch besser
ausgeschaltet oder betäubt werden. Dafür Angst. Kapitale Angst!
Kommt gut. Macht uns gefügig. Gefügig in unser Schicksal. Kapitale
Angst macht noch gefügiger als Alkohol. Schwer vorstellbar, aber ist so.
Kapitale Angst ist der Grundpfeiler unserer Wirtschaft und ein
Eckpfeiler unserer Gesellschaft.
Wir machen Jobs, die wir hassen, und kaufen dann Scheiße, die wir
nicht brauchen. Hurra! Oder vielmehr so: Wir machen Jobs, die wir
hassen, und können uns dann gerade mal die nötigste Scheiße zum
Überleben kaufen. Noch besser. Das trifft es für die meisten von uns
wohl am ehesten, das trifft den Kern. Und weil das so ist, weil das so
alle machen, weil das so keiner hinterfragt, drehen auch nur die
wenigsten Fremdopfer durch oder mutieren gar zum Honk. Aus Angst.
Nicht mehr, nicht weniger. Aus kapitaler Angst. Denn heute hat man
keine Angst mehr vor Krebs oder vor Seuche oder vor Krieg, nein,
heute hat man Angst um seinen Job. Drauf geschissen, ob irgendwo eine
Atombombe runterballert oder der Regenwald komplett abfackelt.
Hauptsache, wir behalten unseren Job. Idealerweise bis wir 80 oder 90
sind. Phantastisch. Phantastisch für alle Beteiligten, denn nur so kann
der endgeile Kapitalismus funktionieren. Ohne kapitale Angst und
Ausbeutung wäre dieser längst nicht mehr möglich.
Und darauf Stößchen, ein Stößchen auf den Kapitalismus.
200
Notleidende Unternehmen werden mit staatlicher finanzieller Hilfe
künstlich am Leben gehalten. Die meisten Firmen, die staatliche Hilfe
bekamen, waren früher oder später aber doch pleite.
(Wendelin Wiedeking)
Mal unter uns: Ich möchte nicht als Arbeiter oder Angestellter in so
einer maroden Drecksbude sitzen, die letztes Jahr noch Millionen- oder
gar Milliarden-Gewinne eingefahren hat und nun um staatliche
Subventionen und finanzielle Hilfe betteln muß. Damit man nur 10.000
Mitarbeiter entlassen und nicht komplett Insolvenz anmelden muß. Was
für ein horrender Bullshit. Wenn man beispielsweise bedenkt, daß bei
Porsche der Gewinn im Geschäftsjahr 2008 höher war als der Umsatz,
muß es sich ja zwangsläufig um Magie handeln. Magie, pure Magie.
Gewinn höher als Umsatz, wer kennt das nicht?! VW macht`s möglich,
Stößchen. Oder auch nicht. Die Bilanzen der Geschäftsjahre 2009 und
2010 möchte ich dagegen nicht mehr sehen. Zumindest nicht bei
Porsche. Falls es 2010 überhaupt noch eine gibt.
Also selbst in den einstigen Vorzeige-Unternehmen mit einstigen
Vorzeige-Managern ist dicke Luft und dünne Liquidität angesagt. Oder
kurz: Angst. Kapitale Angst. Der schwarze Mann geht um! Sogar bei
Porsche. Das wäre in 2007 noch ein ziemlich guter Witz gewesen. Der
schwarze Mann bei Porsche. Aber heute? Heute eher ein schlechter
Witz. Beziehungsweise überhaupt kein Witz mehr, sondern ganz bittere
Realität. Und es kommt noch viel bitterer. Denn wie reagieren nun die
normalen Arbeiter und Angestellten auf solch ein Wechselbad der
Gefühle und Finanzen?! Was machen die betroffenen Schäfchen in
solchen oder ähnlichen Buden?! Richtig. Gehen artig mit Trillerpfeife
und selbstgemaltem Plakat auf die Straße. Und warum? Richtig, weil es
so viel bringt. Das bringt fast so viel, wie sich beim Castor auf die
Schienen zu legen. Das macht ja auch immer besonders viel Sinn, das
hat bisher noch jeden Castor-Transport verhindert.
201
Man kann hier eigentlich nur mutmaßen: Die jahrelange Zwangsarbeit
hat den meisten mittlerweile ganz offensichtlich völlig den Verstand
vernebelt. Die arbeiten jahrelang unter dem Scheffel der Angst,
verdienen zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel und fliegen
dann zur Belohnung auch noch raus. Glückwunsch. Oder sie gehören zu
denjenigen, die tagtäglich registrieren müssen, wo überall anders die
Leute rausfliegen. Und sind infolgedessen total froh, den eigenen
Drecksjob behalten zu dürfen. Natürlich mit gekürztem Lohn, aber dafür
mit noch mehr Angst im Nacken. Denn wie gesagt, Angst ist durch
nichts zu ersetzen. Außer durch noch mehr Angst. Stößchen.
Insoweit könnte man eigentlich ganz unverfroren die These aufstellen,
daß sich die meisten Angestellten und Arbeiter im Kapitalismus
emotional wie Viecher behandeln lassen. Wie Hühner oder Melkkühe.
Nein, eigentlich noch schlimmer als Viecher. Denn kein Viech muß in
so elementarer Angst leben. Höchstens ein chinesischer Tanzbär. Wenn
überhaupt. Und wenn man es jetzt noch auf die Spitze treiben wollte,
könnte man durchaus die kühne Theorie vertreten, daß der Kapitalismus
in seiner gegenwärtigen Form nicht mehr mit dem Grundgesetz
vereinbar ist. Artikel 1 Abs. 1 GG kann ja wohl unter Berücksichtigung
der aktuellen Gegebenheiten und Zustände lediglich als eine
wohlklingende, inhaltlich hohle Phrase interpretiert werden.
Und als wäre das alles nicht schon Hohn genug, greifen die direkt
Betroffenen zu Trillerpfeife und Mahnwache. Oder bleiben in ihrer
Mischung aus Angst und zugleich Dankbarkeit ganz zu Hause sitzen.
Weil ja morgen schließlich der eigene Job dran sein könnte, man aber
bis dahin zumindest immer noch einen hat. Keine Ahnung, was hiervon
krasser ist. Mit Pfeifen gegen Windmühlen oder dankbare Angst. Beides
heftigst. Und selbstverständlich beides keine Optionen für einen Honk.
Für einen Honk kann ein Tun oder Unterlassen aus Angst niemals in
Betracht kommen. Niemals! Denn als Honk hat man sich von Angst und
Grausen jedweder Art befreit. Dazu später mehr. Angst ist jedoch für
den Kapitalismus zwingend notwendig. Wir erinnern uns an dieser
Stelle an die drei schönen großen A: Armut, Angst, Arbeitslosigkeit.
Ach, komm` her, machen wir vier. Sagen wir vier A, nehmen wir noch
Ausbeutung dazu, der Theatralik wegen. So, und da haben wir sie, die
vier geilen A. Stößchen!
202
Sobald die Menschen morgen keine Angst mehr haben, ist das der Tod
des Kapitalismus. Scheiß auf die anderen drei A, sobald die Angst weg
ist, rollen Köpfe. Nur wird die Angst so schnell nicht weg sein. Dafür
trägt Vater Nachtwächter schon Sorge, das sollte allen klar sein. Und
deswegen sind Idioten und Fremdopfer auch so elementar, so
überlebenswichtig für unsere Gesellschaft: Sie erfüllen ihren Zweck und
stellen keine Fragen. In fast allen Fällen sind sie noch dazu in irgendein
soziales Gefüge wie z. B. eine eigene Familie eingebettet, wodurch das
Ausbrechen aus dem System nahezu unmöglich wird. Absolut
verständlich, absolut nachvollziehbar. Alles nur Menschen.
Man muß sich nur einmal Frau und Kinder vorstellen, wie sie im trauten
Eigenheim, welches irgendwann mit 60 oder 90 abbezahlt ist, vor der
Glotze sitzen und auf Papa warten, wegen Abendbrot essen und so. Und
auf einmal sehen sie den Papa mitten in der Glotze, wie er gerade von
der Spielvereinigung Grün-Weiß als Staatsfeind Nummer Eins oder
Zwei abgeführt wird, während im Hintergrund zeitgleich der lichterloh
brennende Hypo-Real-Estate-Tower das Firmament des Münchener
Abendhimmels hell erstrahlen läßt. Auweia. Das wäre dann aber mal
eine ganz schöne Überraschung. Bißchen krass, sicher, aber mal ein
gelungener Kontrast zum üblichen TV-Einheitsbrei.
So weit wird es aber nie kommen. Denn als Mittdreißiger mit eigener
Familie und pulsierenden, beruflichen Panikattacken bricht man nicht
mehr aus dem System aus. Wer so lange das Spielchen mitgespielt hat,
kommt nicht mehr raus. Der kann nicht mehr raus, und der will auch gar
nicht mehr. Und falls doch, steckt ihn die eigene Sippe mal eben ganz
nonchalant in die Klapsmühle, das sollte auch klar sein. Dann geht`s ab
ins Kuckucksnest, zack, Zwangseinweisung, bißl plemm plemm und
weg. Zack, weg, ab. Und die Sippe macht ein betroffenes Gesicht dazu
und verfeiert nebenbei das schöne Krankengeld. Stößchen. Eine
beunruhigende Vorstellung. Aber sehr lustig und durchaus möglich und
auch wahrscheinlich. Und deswegen hält man besser gleich die Fresse.
Ist besser. Schön Ruhe bewahren und gar nichts machen. Man kann sich
das ja alles in der Phantasie ausmalen. Was man gern alles anzünden
möchte oder wen man gern abknallen würde. Bloß nie laut aussprechen.
Sonst ist man gleich weg vom Fenster! Schön ruhigbleiben, geht
anderen auch nicht anders.
203
Es wird nämlich jeder irgendwie ruhiggehalten, alle werden irgendwo
ruhiggehalten. Damit man nicht gegen die stetig immer krasser
werdenden Mißstände Amok läuft und durchdreht, so wie es der
Franzose so gern praktiziert. Ja, ganz genau, der Franzose! Von den
Franzosen mag man halten, was man will. Die meisten stinken. Aber
wenn die ihre Schnauze voll haben, dann brennt es, und zwar im
wahrsten Sinne des Wortes. Wenn die das Gefühl haben, verarscht oder
gar beschissen zu werden, dann fackeln die nicht lange. Paar Gläschen
Rotwein rein, zack, bißchen Mut antrinken, und ab geht die Post. Aber
richtig. Für den verängstigten, trillerpfeifenden Deutschen natürlich
keine Option, versteht sich von selbst. Widerstand muß immer
gewaltfrei sein, ganz klar. Schöne Mahnwache, schöne bunte Plakate,
schöne Lichterkette, geht ja nur um die Existenz. Sehr schön.
So, jetzt ist die Katze aus dem Sack, wurde auch Zeit. Ruhigstellung ist
das Wort der Stunde! Neben Sicherstellung haben wir nun also die
zweite Stellung, nämlich die Ruhigstellung. Läuft eigentlich ganz simpel
ab, viel simpler als die Sicherstellung. Denn die meisten halten sich
bereits selbst ruhig, durch Kompensation. Sie wollen ihre Angst
verdrängen, kompensieren, ersetzen. Durch extrem viel Sport oder
Fressen oder Suff oder fragwürdige Freunde und dergleichen. Andere
werden mit HartzIV und Aso-TV ruhiggestellt. Bißchen Miete und
Kohle und Scheiße ohne Sinn in der Glotze, und Ruhe ist. Kann man
sein Leben abseits der Realität schön weiterführen. Chatrooms, WOW,
bißchen Internet-Flirt und kiffen und ficken dazu, paßt, reicht.
Oder die Vollopfer. Die läßt man einfach machen, dann halten sie die
dumme Fresse. Zumindest bei ernsten oder wichtigen Themen. Denn
das tödlich banale Dummschwätzen wird niemals aufhören können.
Niemals. Ist aber vielleicht auch besser so, denn wenn man sie machen
und sabbeln und feiern läßt, spielen sie brav mit, Stößchen. Der
überwiegenden Mehrheit fehlt sowieso jedwedes grundlegendes
Verständnis für das, was überhaupt abgeht. Die haben ganz andere
Sorgen, die müssen sich um ganz tolle andere Sachen kümmern.
Wiederum andere stecken all ihre Gedanken und Energien in ihr Auto,
in ihre Familie, in ihr Hobby oder in ihren faszinierenden Job. Ist auch
eine Möglichkeit der Ablenkung und Akzeptanz, ganz klar. Und die
204
überwiegende Mehrheit? Klar, die animiert man zum Saufen. Zu was
denn auch sonst?! Drei Millionen Alkoholiker können nicht lügen. Die
sprechen eine ganz deutliche Sprache, nämlich die Suff-Sprache. Keine
Frage, Alkoholiker sind gern gesehen. Gut für jede Statistik und auch
sehr dienlich zur Abschreckung. Uiuiui, kann ja doch alles noch viel
schlimmer kommen, kann ja noch Alkie werden. Na das wäre ja was.
Wäre man aus politischer Sicht wirklich und wahrhaftig gewillt, dem
bösen Alkohol-Problem Herr zu werden, dann wäre das schon längst
passiert. Dessen sollte sich mittlerweile jeder bewußt sein. Das läßt man
aber lieber bleiben, denn das Problem an sich soll ja gar nicht gelöst
werden. Alkies erfüllen ihren Zweck und halten die Fresse. Und nur
darum geht es. Also lieber ganz tolle Aufklärungs-Kampagnen starten.
Macht keinen Sinn, sieht aber wichtig aus. Problem gelöst.
Und der Honk? Ja, jetzt kommt der Honk. Wie sieht der das wohl? Ganz
klar, natürlich lehnt unser Honk den Kapitalismus samt seiner
Auswirkungen und Marionetten grundlegend ab. Keine Angst. No Fear.
Niemals, unter keinen Umständen. Politische Halbleichen und korruptes
Manager-Gesockse gehen dem Honk sowieso komplett am
Allerwertesten vorbei. Nimmt er erst gar nicht wahr. Vollständige
Ingnoranz heißt das Zauberwort. Der Honk unterwirft sich niemals
einem Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnis für schmale Kohle
und auf Kosten seiner Menschenwürde, seiner Honkwürde. Keine
Verängstigung, keine Ausnutzung eines Honk zugunsten einer
positiveren Bilanz einiger Größenwahnsinniger mit Gottes-Komplex.
Nie im Leben. Bevor es so weit kommt, baut der Honk selbst Kartoffeln
und Gurken und Hanf an. Sorry, Frau Schaeffler, aber da kommen wir
leider nicht zusammen.
Hört sich ganz nach alternativem Lebensstil an? So von wegen mit ein
paar anderen durchgeknallten Figuren zusammen in Badelatschen durch
den Wald rennen, Beeren sammeln, Liedchen singen, Holz hacken,
Eintopf kochen, Tischgebet aufsagen und dergleichen? Ach woher
denn! Benz fahren macht Spaß, selbstgebrautes Bier schmeckt wie
Katzenpisse, und auch Kokapalmen brauchen ein ganz spezielles Klima,
die wachsen hier nicht. Alternativ können diejenigen leben, die das auch
wollen. Die auch entsprechend alternative Bedürfnisse haben. Aber
nicht der Honk, der hat andere Bedürfnisse.
205
Weißt Du, Alan, da gibt`s nicht viel zu sagen. Ich arbeite wenig und
verdiene dafür sehr viel. Ich schlafe mit schönen Frauen, die mich nicht
nach meinen Gefühlen fragen. Ich fahre `nen Jaguar, wohne am Strand,
und manchmal mixe ich mir am hellichten Tag -ohne, daß ich einen
Anlaß dafür wüßte- einen gewaltigen Eimer Margaritas. Und dann
schlafe ich auf der Terrasse ein.
(Charlie Harper)
Der Honk ist auch nur ein Mensch. Und hat demzufolge auch relativ
normale menschliche Bedürfnisse. Schnelle Autos, harte Drinks, heiße
Miezen, na klar. Und was haben diese schönen Dinge gemein? Logisch,
sie kosten Geld. Glücksspiel, Sportwetten und diverse andere
Annehmlichkeiten dazu, und der Kreis schließt sich. Kostet alles Geld,
viel Geld. Und diesen Umstand kann auch unser Honk nicht ignorieren.
Es sei denn, er ist Zechpreller und Kleptomane. Ist er aber nicht. Und
deshalb muß es auch für unseren Honk heißen: Waren und
Dienstleistungen gegen Geld. Ganz einfache Kiste, ganz easy. Hier:
Waren und Dienstleistungen Geld
So sieht das aus. Wir brauchen also Geld. Ziemlich viel Geld sogar.
Spaß und Spiel kostet nicht viel. Von wegen. Vielleicht nicht für
Kinder. Aber als Honk Mitte 30 hat man da schon ein paar andere
Vorstellungen. Da kostet Spaß und Spiel ziemlich viel, zuweilen sogar
unheimlich viel. Folglich brauchen wir auch ziemlich viel Kohle. Ja,
genau, Kohle. Asche, Schotter, Kies. Moneten. Bling-Bling. Denn
schließlich haben wir ja nur dem Kapitalismus abgeschworen, nicht aber
dem Materialismus. Und dieser sagt: Ohne Moos nichts los. Gilt also
auch für uns. Und heißt schlicht und einfach nur, daß wir Geld
beschaffen müssen, ohne uns dabei der Knechtschaft kapitalistischer
Zwangsarbeit zu unterwerfen. Und dies am besten noch weitestgehend
im Rahmen von Recht und Ordnung, vgl. Punkt a) dieses Kapitels.
206
Also müssen wir unser eigenes Ding durchziehen. Eigene Arbeit auf
eigene Tasche und stets unter Berücksichtigung der eigenen
Entfaltungsmöglichkeiten. Aber hallo! Kollege Marx würde sich vor
Verzückung im Grabe umdrehen. Wir erwirtschaften eigenständig das,
was wir für unser Leben und unsere Familie brauchen. Hört sich irre an?
Kein Stück. Irre gut vielleicht. Denn statt sich jeden Morgen um 7 Uhr
an einem Terminal oder einer uralten Stechuhr einzuloggen, um dann
irgendeiner hirnlosen Maloche nachzugehen, deren Produkt man
komplett entfremdet ist, machen wir es anders. Als Honk haben wir
diverseste Möglichkeiten, Kohle zu verdienen. Echt jetzt. Hier, zack, ein
Buch geschrieben, ganz toll. Über irgendein dusseliges Thema.
Honkland oder ähnlicher Blödsinn, vollkommen egal. Die eigenen
Gedanken und Gefühle ausdrücken, ein paar Schuß Ironie, Fiktion und
Sarkasmus hinzu, zack, fertig. Pure Selbstverwirklichung, kreative
Entfaltungsmöglichkeit in reinster Form. Herrlich. Stößchen.
Klar, kaufen und lesen muß es dann auch noch der ein oder andere
Arsch. Aber das sollte nun wirklich unser kleinstes Problem sein. Denn
in unserer verkorksten Gesellschaft findet sich für jede erdenkliche
Paviankacke Kundschaft. Und was für Kundschaft, mein lieber Mann.
Voll die Kunden! Je oller, desto doller. Phantastisch. Es dürfte also
völlig außer Frage stehen, daß unser schönes Honkland ein Bestseller
wird. Vielen Dank dafür im voraus. Abermals Stößchen.
Und wenn man keine Zeit hat, so ein schönes Buch zu schreiben? Weil
man unter der Woche 40 bis 50 Stunden Zwangsarbeit verrichten muß,
um dann nach Feierabend und am Wochenende Sklave von Haus,
Garten, Frau, Kind und Schützenverein zu sein? Naja, keine Ahnung,
dann eben nicht. Dann eben kein Buch, kann ich dann auch nicht
ändern. Selbst Schuld, könnte man sagen, man hat sich das ja so
ausgesucht. Und außerdem gibt es noch zig weitere Möglichkeiten,
eigenständig Kohle zu verdienen. Muß ja nicht jeder gleich ein Buch
schreiben, wo kommen wir denn da hin?! Sonst müssen wir noch unsere
Prognose ändern. Dann haben wir nämlich in 20 Jahren nicht mehr nur
lauter Pop-, Top-, Super- und Pornostars, sondern ferner Heerscharen
talentfreier Pseudo-Autoren, die über irgendeinen belanglosen
Scheißdreck referieren, den kein normaler Mensch freiwillig lesen will.
Nee, also das muß dann aber auch nicht sein.
207
Nein, nein, nein, das möchten wir nicht. Und das war jetzt aber auch
schon wieder ein klein wenig Overselling. Also eine leichte
Überzeichnung des Sachverhalts. Denn natürlich verfügt nicht jeder
über die erforderlichen Voraussetzungen, die vonnöten sind, um als
lustiger Autor erfolgreich bestehen zu können. Oder konkret: Singen,
tanzen, modeln und ficken ist zwar very hartes Business, ganz klar.
Aber deutsche Sprache ist härter. Deutsche Sprache ist hammerhart,
PISA läßt grüßen. Egal. Schreibt also nicht jeder ein eigenes Buch, und
das ist auch gut so. Macht man halt was anderes.
Alternativ könnte man mit Aktien zocken. Daytrading. Also Aktien
kaufen und Minuten später idealerweise zu erhöhten Kursen wieder
verkaufen. Müßte also eigentlich Minutetrading heißen. Äußerst
spannende Sache, sehr adrenalinlastig, sehr nervenaufreibend, braucht
man keinen Kaffee mehr. Schnell viel kaufen, schnell viel verkaufen.
Nur niemals über Nacht liegenlassen. Denn wenn im Ami-Land mal
wieder irgendein Penner Amok läuft, kann man sich am nächsten
Morgen lieber gleich aufhängen, anstatt auf die aktuellen Kurse zu
gucken. Man braucht also Nerven wie Stahlseile, ein bestimmtes
Anfangskapital und ein entspanntes, ruhiges Umfeld. Letzteres dürfte
für die meisten am schwierigsten zu realisieren sein. Also das Umfeld.
Winziges Home-Office mit Hausdrachen und plärrenden Blagen im
Nacken ist nämlich kein entspanntes Umfeld. Vielleicht mit fünf Gramm
Gras pro Tag, aber das dann natürlich auf Kosten der eigenen
Geschäftsfähigkeit. Kann ich nur von abraten, bringt nichts. Mit viel
Pech wacht man dann eines Morgens im Garten auf, Frau und Kinder
weg, dafür 10.000 Infineon oder vergleichbaren Super-GAU im Depot.
Guten Tag auch. Da kann man dann gleich im Garten liegenbleiben, ist
besser. Alles in allem also auch Daytrading nicht jedermanns Sache.
208
Wenn Ihr Nervensystem nicht den Treibstoff erhält, den es von den
Kohlenhydraten benötigt, entwickeln Sie eine gestörte Persönlichkeit.
Und ich meine wirklich gestört. Jeder, der schon lange Bodybuilding
betreibt oder sich damit beschäftigt und auch mal hinter die Kulissen
geschaut hat, weiß, daß viele Bodybuilder verrückt sind. Ich habe sie
merkwürdige Dinge machen sehen und frage mich oft, ob das nicht
daraus resultiert, daß Sie zu lange kohlenhydratarme Diäten befolgen.
(Mike Mentzer)
Wie wäre es denn vielleicht mit einer Karriere als Profi-Sportler? Wäre
das nicht interessant?! Vielleicht als Bodybuilder? Das wäre doch was.
Den ganzen Tag fressen und schlafen, ab und an mal ein Stündchen
Hanteln schwingen und den Rest der Zeit Anabolika fixen. Eigentlich
ein schönes Leben, wenn man darauf klarkommt. Denn daß Testosteron,
Dianabol, Wachstumshormon und Insulin erhebliche physische
Nebenwirkungen haben, sollte hinreichend bekannt sein. Im Idealfall
noch ein paar Schlankmacher und Entwässerer dazu, und man kann
Wetten darauf abschließen, ob einem der extreme Blutdruck zuerst Herz
und Nieren sprengt, ob die Spongebob ähnelnde, löchrige Leber einem
ein ebenso schönes gelbes Gesicht macht, oder ob man lieber gleich
sehr stil- und schmerzvoll an einem Insulinschock stirbt.
Hinzu addieren sich erhebliche psychische Nebenwirkungen und die
Rentabilität des ganzen Unterfangens. Denn daß der ganze Stoff nicht
nur auf die Organe, sondern auch erheblich auf die Birne geht, dürfte
jedem klar sein, der schon einmal ein einschlägiges Fitness-Gym von
innen sehen bzw. bestaunen durfte. Die roten, aufgedunsenen Rüben mit
den irren Augen sprechen Bände. Da muß gar keiner mehr von denen
das Maul aufmachen, ein irrer Blick reicht schon. Tiefgreifende
Minderwertigkeitskomplexe in Verbindung mit einer durch Anabolika
ausgelösten, aggressiven Bewußtseins- und Verhaltenstörung sind eine
hochexplosive und brandgefährliche Mischung für alle Beteiligten.
209
Naja, und die Rentabilität des ganzen Unterfangens muß leider auch als
ziemlich bescheiden bewertet werden. Die Leute, die professionell mit
Bodybuilding ausreichend Geld verdienen und nach Abzug von
Anabolika und Co. noch genug für ihren Lebensunterhalt übrig haben,
kann man an zwei, drei Händen abzählen. Der Rest verstofft lediglich
sinn- und planlos Kohle, Gesundheit und Birne. In anderen Sportarten,
in denen man ein gewisses physisches Potential aufbringen muß, sieht
es nicht viel anders aus. Alle voll zugedröhnt. Boxer, Gewichtheber,
Radfahrer, Läufer, Werfer, Springer, einfach alle, deren Motto stärker,
schneller, weiter, höher lautet. Alle dicht, alle voll. Und das ist auch gut
und richtig so, weil ansonsten nämlich nichts mehr ginge. Zack, aus,
Feierabend. Man muß sich nur einmal die ganzen Mädels beim
Speerwurf ansehen, dann weiß man ganz genau, was Sache ist. Die
haben Lat-, Trizeps- und Deltamuskeln, da wird jeder Mann neidisch.
Und wenn dann wirklich mal einer positiv auf Doping getestet wird,
dann rauscht es lustigerweise gleich im Boulevard-Blätterwald: Pfui,
der war gedopt. Was natürlich immenser Quatsch ist. Richtigerweise
müßte es nämlich heißen: Pfui, der hat nicht rechtzeitig abgesetzt. Das
träfe den Kern ziemlich genau. Denn mittlerweile müßte eigentlich
jedem Dämlack klar sein, daß im professionellen, überwiegend
physischen Leistungssport alle bis unter die Halskrause vollgestofft
sind. Alle zugedröhnt bis obenhin. Das nur mal so am Rande. Absetzen
heißt das Zauberwort, kein Witz. Also schlicht und einfach
Zeitmanagement. Den Zeitpunkt bestimmen, an welchem man seinen
Stoff absetzen muß, damit er bei der nächsten unangekündigten (na klar)
Kontrolle soweit aus dem Körper verschwunden ist, daß man als negativ
getestet wird. Das ist alles. Nicht mehr, nicht weniger.
Man denke zurück an den 09.12.1995. Sehr denkwürdiges Datum. Denn
da gab es den Boxkampf Francois „Franz“ Botha gegen Axel
„Fackelmann“ Schulz. Botha gewann den Kampf nach Punkten, wurde
nachträglich jedoch wegen einer positiven Dopingprobe disqualifiziert.
Da hieß es: Pfui, der fette Franz hat gedopt. Natürlich. Wie gut, daß
Wladimir und Vitali nur deshalb wie He-Man und Hulk aussehen, weil
sie täglich 14 Stunden trainieren und 30 Milchschnitten fressen. Egal.
Auf jeden Fall hatte man sich auf den bösen Onkel Franz eingeschossen.
Das Böse war wieder einmal personifiziert.
210
Sieben Jahre zuvor, bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, hatte
man noch Ben Johnson am Wickel. Nicht nur, weil er wie ein Wrestler
oder Bodybuilder aussah, nein, dummerweise hatte er sein Winstrol
auch nicht rechtzeitig abgesetzt. Was ziemlich schlecht war und auch
sehr schade, denn daraufhin wurde ihm nicht nur seine schöne
Goldmedaille, sondern auch sein schöner Weltrekord (9,79 Sekunden
auf 100 m) aberkannt. Was wiederum tragisch war, weil er lediglich zu
spät abgesetzt hatte. Nur weil die Sprinter heute wie 12-jährige
Schulmädchen aussehen, heißt das nicht, daß sie ungedopt sind. Denn
auch im Profisport lernt man dazu. Und deshalb greift man heute zu
Mittelchen, die einen schnell und stark machen, ohne einem dabei die
Optik eines bulgarischen Powerlifters zu verleihen.
Mittlerweile hat man sich auf den Radsport als Achse des Bösen
eingeschossen, was für eine Überraschung. Los ging`s mit Jan „Ecstasy“
Ullrich, der natürlich noch nie im Leben gedopt hat. Es folgten etliche
weitere Fälle, bis sich irgendwann selbst der letzte Zweckoptimist
eingestehen mußte, daß die Tour de France nur noch eine Tour
d`Apotheke ist. Also mußte wieder ein Butzemann her, das Böse mußte
erneut personifiziert werden. Kein Thema, nehmen wir doch diesmal
den fiesen Doc Fuentes mit all seinem widerlichen EPO,
Blutplasmakonserven und Wachstumshormonen. Also Sack über den
Kopf, Knüppel drauf, zack, Radsport wieder sauber. Stößchen.
Ist natürlich nicht Stößchen, ist Blödsinn. Selbst die Jungs und Mädels
bei den Paralympics ballern sich heute zu. Zuballern und rechtzeitig
absetzen, nur darum geht es. Funktionäre und Medien verschleiern das
gern, indem sie ein paar positiv getestete Athleten ganz plakativ und mit
entschiedener Härte ans öffentliche Kreuz nageln, und gut ist. Sport
wieder sauber, erhobener Zeigefinger, und weiter. Business as usual,
show must go on. Das Ganze ist natürlich ein einziges LügenKartenhaus, welches akribisch vor dem nahenden Einsturz bewahrt
wird, weil man nicht weiß, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren wird.
Die breite Masse wird also zielgerichtet und vorsätzlich belogen. Aus
Angst vor den etwaigen Folgen. Und genau deswegen kann man als
Honk auch kein Profisportler werden. Lug, Betrug und Steroide sind
eine Mischung, die einem Honk auf das zarte Mütchen schlagen
könnten. Und das möchte man als sensibler Honk lieber vermeiden.
211
Sonst endet man noch wie die arme, unschuldige Frau Pechstein...
Also besser nicht. Doch wie sieht es mit anderen Sportarten aus?
Vielleicht mit solchen, bei denen der mentale Faktor bzw. die
Konzentration eine zentrale, übergeordnete Rolle spielt? Schach oder
Billard womöglich? Nein, todlangweilig. Bißchen mehr Action darf es
dann doch sein. Wir wäre es mit Autorennen? Vielleicht Formel 1?
Können wir leider auch gleich wieder vergessen. Da hätten wir schon
mit drei Jahren irgendwie anfangen müssen, irgendwas zu fahren.
Frisiertes Bobby-Car oder Formel ADAC oder ähnlicher Kokolores.
Hinzu kommt, daß wenn man sich mal die Piloten von heute ansieht,
wird man feststellen müssen, daß diese eher einem Schulstreber ähneln
als einem draufgängerischen Heißsporn und Teufelskerl. Zu aktiven
Zeiten von Nicki Lauda wäre das noch richtig geil gewesen, heute eher
nicht mehr. Also auch nichts für uns, auch nichts für Honks.
Ohne mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, befürchte
ich dann aber leider doch, daß eine Karriere als Profisportler für die
meisten von uns nicht mehr in Betracht kommt. Mit vielen
Randsportarten läßt sich eh keine Kohle verdienen. Zumindest nicht
genug, um davon leben zu können. Und wenn man sich schon die
Gesundheit ruiniert, dann sollte zumindest auf der finanziellen Ebene
was dabei rumkommen. Das war ja unser primäres Anliegen dabei.
Kohle verdienen. Weitestgehend jenseits des Kapitalismus. Und dies
wird mit Sport nicht klappen können, weil wir bei den meisten
Sportarten auf Sponsoren und Verträge angewiesen wären, um unser
Leben finanzieren zu können. Also von Kapitalgebern abhängig, was
wir ja gerade vermeiden wollten. So sieht`s mal leider aus. Und für die
richtig geilen Sportarten, die uns Bewunderung, Ruhm und finanzielle
Unabhängigkeit garantieren, sind wir bereits zu alt. Mit Ende 20 oder
Anfang 30 werden wir kein Cristiano Ronaldo oder Roger Federer
mehr. Also Sport bitte ganz schnell wieder vergessen, zumindest als
Mittel zur Finanzierung des Lebensunterhalts.
212
Einen Australier mit Känguru zu fotografieren, das ist ungefähr so, wie
einen Deutschen mit einer Bratwurst im Arm abzulichten.
(Joshua Kennedy)
Keine Ahnung, was man sonst noch anstellen könnte. Vielleicht eine
Dönerbude aufmachen. Als Deutscher. Eine schöne, deutsche
Dönerbude. Sehr zeitgemäß. Könnte klappen. Schön Schweinshaxe und
Sauerkraut im Weißbrot, dazu Weizenbier. Altdeutscher Döner
sozusagen. Und das Ganze am besten in Berlin-Kreuzberg. StandortOptimierung. Lustige Vorstellung. Aber leider nicht realisierbar, denn
ruckzuck hat man das ganze Pack am Hals. Und damit meine ich nicht
unsere warmherzigen, ausländischen Freunde, sondern vielmehr
Lebensmittelkontrolleure, Gesundheitsamt, GEZ und ähnliche
Muffpoken. Auflagen, Abgaben, Beiträge. Voll zum Kotzen. Soviel
Döner kann man gar nicht verkaufen. Zumindest nicht für drei Euro pro
Stück. Selbst mit extrem kross angebratener Gammel-Haxe nicht. Da
braucht man gar nicht erst losgehen, es wird nicht funktionieren.
Und wenn dann auch noch so ein krummer Vogel auf der Matte steht
und zwielichtig und unheilschwanger rumglotzt und rumnervt, ob denn
auch das Rauchverbot eingehalten wird oder ob die sanitären Anlagen
einem gewissen Standard entsprechen oder die hauseigene Kühlung in
Ordnung ist, dann ist sowieso alles vorbei. Nachdem man den dann
zusammenschlagen oder anderweitig mißhandeln mußte, wird einem der
Laden eh dichtgemacht. Und zwar ratzfatz, und auch ohne mit der
Wimper zu zucken. Zack, zu ist das Ding. Und vor allen Dingen dann
auch ohne ein paar Milliönchen staatliche Subventionen vorher, sollte
auch klar sein. Wir heißen nämlich leider nicht AIG oder xyz-Bank,
nein, wir heißen Kreuzberger Preußen-Schänke oder Germanischer
Haxen-Grill. Und können somit Subventionen jeder Art von Anfang an
vergessen. Allein der Name ist schon viel zu tight für jedwede
Subvention-Competition.
213
Wir müssen also leider feststellen, daß unser Unterfangen, Geld zu
beschaffen, ohne uns dabei der Knechtschaft kapitalistischer
Zwangsarbeit zu unterwerfen, nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist.
Was natürlich auch Sinn und Zweck der Übung ist. Denn wenn es so
simpel wäre, jenseits der Mauern des Kapitalismus eigenständig und
unabhängig sein Geld zu verdienen, würden sicher viele von uns die
Chance nutzen wollen, so viel steht mal fest. Dies ist aber gar nicht so
sehr erwünscht und auch nicht so gern gesehen. Weil es den
Kapitalismus aushebeln, schwächen und mit hoher Wahrscheinlichkeit
letztendlich auch zugrunderichten könnte. Und das sehen unsere
modernen Lehnsherren aus Politik und Wirtschaft natürlich nicht gern.
Unsere Staats-, Politik- und Wirtschaftsoberhäupter sehen das sogar
nicht nur nicht gern, sondern möchten das auch mit allen möglichen
Mitteln verhindern. Was nur allzu gut verständlich ist, denn sie sind
diejenigen, die am meisten vom Kapitalismus profitieren. Die großen
Nutznießer, die charmanten Profiteure, die smarten Gewinner, unsere
Helden auf der großen Bühne des Kapitalismus. Nur deswegen das
ganze Theater, nur deswegen der ganze Zirkus. Nur darum geht es. The
King of Bling-Bling, na klar. Die ganzen Ruhigstellungen,
Reglementierungen, Besteuerungen, Verängstigungen und ähnlicher
Wahnsinn. Alles zum Wohle des schönen Kapitalismus. Nein, sorry, es
muß ja freie Marktwirtschaft heißen. Nein, nochmals sorry, es muß ja
sogar soziale Marktwirtschaft heißen. Das ist ja noch viel besser. Weil
das ja alles so durch und durch und so überaus sozial hier abgeht. Wer
hätte das gedacht?! Auf die soziale Marktwirtschaft! Stößchen!
Insoweit bleibt nur festzuhalten, daß es alles andere als einfach ist, in
unserer tollen sozialen Marktwirtschaft eigenständig, zwangfrei und
weitestgehend legal Geld zu beschaffen. Viele müssen sich leider in ein
kapitalistisches Abhängigkeitsverhältnis begeben, um überleben zu
können. Politik und Wirtschaft schüren die kapitalistischen
Todesängste, weil sie davon am meisten profitieren. Rentable oder
kreative eigene Ideen -beispielsweise eine Ein-Euro-Kornbrennerei oder
professionelles Glücksspiel- werden durch staatliche Auflagen ganz
bewußt und bereits im Keim erstickt. Und sollte jemand in größter Not
auf illegale Mittel zur Beschaffung von Finanzen zurückgreifen, wird
dies von Vater Nachtwächter drakonisch sanktioniert.
214
Es wird also alles Menschenmögliche getan, um den Großteil der
Bevölkerung in einem maroden System zu halten. Systembindung
genießt höchste Priorität. Das funktioniert heute jedoch nicht mehr so
einfach wie noch vor einigen Jahren. Es wird immer schwieriger, weil
immer mehr Menschen anfangen, selbst zu denken. Also richtig selbst,
nicht irgendeine fremdgesteuerte Pseudo-Meinung, die man sich
vermeintlich objektiv aus dem Bullshit herauskristallisiert hat, den uns
Politik, Wirtschaft und Medien tagtäglich auftischen. Nein, richtiges
eigenes Denken. Man soll es nicht für möglich halten. Ich persönlich
würde eher auswandern und eine Bratwurst-Bude in Kasachstan oder
auf Teneriffa eröffnen. Oder Tasmanische Teufel in Australien
beschneiden, ginge auch. Und es gibt einen Haufen Leute, die das lieber
heute als morgen sehen würden. Und das ist auch gut so und vor allen
Dingen auch völlig egal, solange der Weg nicht wieder zurück in die
kapitalistische Matrix führt. Alles andere ist vorstellbar, aber keine
Systembindung mehr für den Honk. Der Honk ist draußen. Und wem
das jetzt aber nicht paßt, dem kann ich dann aber auch nicht helfen.
Jeder kann sich also vermeintlich frei entscheiden. Vermeintlich
deshalb, weil viele interne und mindestens genauso viele externe
Faktoren bei der Entscheidung berücksichtigt werden müssen. Nur sehr
wenige Fremdopfer trauen sich den doch recht radikalen Schritt zum
Honk. Dieser sollte daher bereits im Vorfeld gründlichst überdacht sein.
Wer allerdings einmal an dem Punkt angekommen ist, wo es für ihn fast
täglich unerträglicher wird, ein immer ängstlicher werdender Teil eines
immer unsicherer werdenden Systems zu sein, der sollte seinen letzten
Rest Mut und seinen letzten Funken Hoffnung aufraffen und aussteigen.
Dem System, dem Kapitalismus, dem Wahnsinn entsagen. Rigoros, mit
allen dazugehörigen Konsequenzen. Honk werden. Frei werden.
Bißchen verrückt vielleicht, aber frei. Oder vielmehr frei und ein ganz
klein wenig verrückt. Nette Kombi, geile Kombi, irre Kombi. Ja, irre,
völlig irre. Wie sonst könnte man wohl das literarische
Kabinettstückchen bewerkstelligen, die Themen Kapitalismus und
Doping im Leistungssport in ein und demselbem Kapitel abzuhandeln?!
Einfach geil, einfach irre. Eine irre Kombi!
Stößchen!
215
Der Kapitalismus hat gesiegt! Was brauchen wir noch den kritischen
Geist? Wir laben uns lieber am Senf von Verona Pooth, Udo Walz oder
Dieter Bohlen.
(Michael Müller)
bb) In der Glotze
Okay, zugegeben: Die letzten Seiten zum Thema Kapitalismus waren
ziemlich harter Tobak und sicherlich auch nicht für jeden gleich auf
Anhieb verständlich. Ist aber auch gar nicht weiter schlimm, macht
nichts. Es ist okay. Zumindest dann, wenn dem ein oder anderen gegen
Ende der Exkursion dann doch aufgefallen sein könnte, daß der Honk
nicht unbedingt ein Freund kapitalistischer Unterdrückung ist. Wenn
wir das bitte als einschlägigen Tenor mitnehmen könnten. Das wäre
ganz gut, damit wäre uns schon sehr geholfen. Denn nur darum ging es.
Das war Sinn des Exkurses, Zweck der Phrasendrescherei, Ziel des
Overselling. Wobei eigentlich gar nicht so viel gedroschen und oversold
wurde, wenn ich es mir mal so recht überlege.
Sei`s drum. Die letzten Seiten waren harter Tobak, böse Realität,
traurige Wahrheit. Krasses Zeug. Zeit für ein wenig Antagonismus, Zeit
für eine etwas seichtere Thematik. Und was könnte seichter sein als ein
kleiner Ausflug nach Bizarro-World?! Nichts. Rein gar nichts. Ein
letzter kleiner Ausflug in die große, bunte, weite Welt des televisionären
Wahnsinns. Leider. Leider muß es wieder sein. Es führt kein Weg daran
vorbei, der Zweck erfordert es. Denn es ist an der Zeit, zu eruieren, ob
und wie sich unser Honk als Ignorant auf der großen Bühne von Asound Opfer-TV präsentieren kann. Was tut er? Tut er überhaupt etwas?
Kann er es ignorieren? Will er es ignorieren? Darf er es überhaupt
ignorieren? Oder muß er es letzten Endes sogar ignorieren? Diese und
weiterführende Fragen werden im Laufe dieses Kapitels nun zu erörtern
und zu beantworten sein.
216
Auf geht`s, Ladies and Gentlemen. Bitte schnallen Sie sich fest an,
stellen Sie Ihren Sitz in eine aufrechte Position, wir starten in eine neue
Runde telemedialen Dünnschiß. Für den Autor heute bitte nur einen
doppelten Gin Tonic. Denn es ist erst 17 Uhr morgens, und er hat letzte
Nacht nur 13 Stunden geschlafen. Fahr` ab die Scheiße:
17.00 Uhr, PRO7, taff.
Eine gerade volljährige Vollidioten hat sich 50 oder 100 schwarze
Sterne mitten in die dumme Fresse tätowieren lassen und findet das jetzt
aber gar nicht mehr gut, was ich aber gar nicht verstehen kann. Denn ich
finde das total geil, endgeil, sieht total endgeil aus. Fast so endgeil wie
Pubertäts-Akne. So endgeil sieht das mal aus. Anzahl der Sterne
synchron zur Höhe des IQ. Boing. Egal. Kann und will ich mich heute
nicht mit befassen. Auch Schwachsinn kennt Grenzen. Außerdem haben
wir das ranzig-debil-banale taff-Format bereits im Rahmen der
Abhandlung unseres Vollopfers erschöpfend analysiert. Muß reichen,
mehr geht nicht. Andere Formate sollen auch ihre Chance bekommen.
18.00 Uhr, RTL, Explosiv - Das Magazin
Auch nicht besser. Eher noch schlechter. RTL halt. Thematisiert wird,
wie irgendein Kerl namens Nico Schwanz mit irgendwelchen
Nageltanten -sorry, Nail-Desingerinnen muß es ja heißen- abwechselnd
in einem Whirlpool sitzt. Und mit denen über ihre hübschen, langen,
bunt angemalten Plastik-Krallen -bei denen jeder halbwegs normale,
unperverse Mann das krasse Kotzen kriegt- dummschwätzt. Besten
Dank auch. Und herzlichen Glückwunsch, denn genau das hat der Welt
noch gefehlt: Nageltanten und ein weiterer F-Promi. Stößchen.
20.15 Uhr, VOX, Goodbye Deutschland! Die Auswanderer
Vielleicht VOX? Vielleicht die Auswanderer? War doch eine Zeit mal
ganz interessant und spannend anzusehen. Die Betonung liegt auf war.
Denn seit gefühlten 500 Folgen berichten die da hauptsächlich über
irgendeine extrem hohl-blondierte Plastik-Uschi so Anfang 20, die
irgendwo in Amerika rumkaspert und deren Primärziel es ist, in den
Puff dieses komischen alten Tattergreises vom Playboy einzuziehen.
217
Und bis das dann irgendwann so weit ist oder auch nicht, wird der
faszinierte Zuschauer mit jedem noch so bescheuerten Detail dieses
spannenden Aufenthaltes beglückt. Denn wenn Amerika eines gefehlt
hat, dann doch wohl eine hirn- und bauchfreie Plastik-Blondine, die
singen, tanzen oder ficken will. Spitze. Und VOX läßt uns an diesem
denkwürdigen Ereignis mit solch einer fulminanten Detailverleibtheit
teilnehmen, daß einem die Haare zu Berge stehen. So dürfen wir also
unter anderem Zeuge werden, wie die kleine Frutte in einem
Freizeitpark Achterbahn fährt oder sich in ihrer Bude mit AerobicÜbungen den Babyspeck wegtrainieren will, weil ein Fotoshooting
bevorsteht. Danke, liebes VOX-Team. Und God bless America.
Und während ich so etwas verdutzt in die Küche schlendere und
schlurfe, um mir dort einen weiteren, diesmal dreifachen Gin Tonic
zuzubereiten, drängt sich mir geradezu eine Frage auf. Eine etwas
verwegene, für mich jedoch einzig logische Schlüsselfrage: Kann man
die Dussel-Usch von VOX nicht einfach bei dem Schwanz-Mann auf
RTL mit in den Pool reinsetzen? Würde doch Sinn machen, oder?!
Merkt doch keiner den Unterschied. Eine Nageltante mehr oder weniger
im Pool, fällt doch keinem auf. Dem RTL-Stammpublikum sowieso
nicht. Zack, ab, rein da. Ab zu den anderen Uschis, ab in den Pool. Ab
zum Schwanz-Mann! Und dafür dann auf VOX bei Goodbye
Deutschland was zeigen, was dem Hirn nicht permanent den Anschein
vermittelt, es befinde sich in der Endlos-Rille einer hauchdünnen und
extrem flachen Langspielplatte. Geht aber ganz offensichtlich nicht, und
deswegen beruhigen wir unser geschundenes Hirn lieber mit einem
ordentlichen Schluck pur aus der Gin-Pulle und schalten um.
22.15 Uhr, RTL, Extra - Magazin
Zurück zu RTL. Auweia. Neuer Anlauf, diesmal Extra. Mit Birgit
Schrowange. Mit Biggi. Komm` schon, Biggi-Baby, laß mich nicht
hängen. Ich fand Dich schon immer ganz gut, insbesondere verglichen
mit Deinen komischen Kolleginnen von RTL. Hilf mir, Baby, rette
meine beknackte Geschichte. Hilfe! Und in der Tat, in der Tat, Biggi
hilft mir wieder einmal. Einmal mehr zieht die Biggi meinen Hals aus
der sprichwörtlichen Schlinge. Aber das habe ich mir schon vorher
denken können. Und nur deshalb habe ich auf RTL umgeschaltet.
218
Denn Biggi bzw. Extra bringt nun einen total lustigen Bericht über
einen ehemaligen Promi-Friseur so um die 60, der seine ganze Kohle für
eine Prostituierte verbraten hat. Wie geil ist das denn wieder?! Der war
also mal mit Kollegen im Puff, hat dann da eine Nutte gesehen und sich
in die verliebt. Phantastisch! Aber gar nicht mal so abwegig, ist einem
Kumpel von mir auch mal passiert. Echt jetzt. Unser Friseur hat also
gepimpert und gepimpert und gepimpert (genau wie unser Melvin) und
gezahlt und gezahlt und gezahlt. Die Nutte ist dann irgendwann bei ihm
eingezogen, unser Friseur hat all ihre Schulden bezahlt und ihr
obendrein noch einen monatlichen Festbetrag überwiesen. So, und wie
die Geschichte ausgegangen ist, kann sich jetzt wohl jeder Depp an fünf
Fingern abzählen. Als kein Geld mehr da war, war die Nutte auch
ruckzuck weg. Zack. Weg. Vorbei mit Stößchen, im wahrsten Sinne des
Wortes. Wir eruieren hieraus eine weitere Kernthese, einen weiteren
Leitsatz unseres schönen Buches:
Geld weg, Nutte weg.
Ursache und Wirkung. Unvermeidliche Kausalität. Und ein trauriges,
zurückgelassenes Fremdopfer. Das jetzt wieder losgehen und Haare
schnippeln muß. Was für ein Schicksal, der Kerl tut mir echt leid. Aber
wie kann man denn auch so schräg drauf sein und einer Nutte ein paar
hunderttausend Euro in den Arsch blasen?! Und als hätte man mich
erhört, zeigen sie bei Extra auch gleich ein paar Nutten, die ganz offen
zugeben, daß sie es gerade darauf anlegen. Also daß sich ein Stecher in
sie verliebt. Der zahle dann großzügiger und sei generell auch
spendabler als andere. Den könne man besser ausnehmen.
Was für eine Farce! Sich von einer Nutte ausnehmen lassen. Das geht ja
mal gar nicht. Ich kenne das nur umgekehrt. Also hinterher sagen, daß
es voll übel war und nichts bezahlen. So kenne ich das, so muß das sein.
Aber umgekehrt?! Ungeheuerlich. Armer Friseur. Muß nun auch noch
sein letztes bißchen Würde verkaufen, indem er seine Story an RTL
verhökert. Vielleicht für 2.000 oder 3.000 Euro, vielleicht weniger.
Ganz traurige Geschichte. Und das ist ja nicht Sinn der Veranstaltung.
Denn wenn der Honk traurig wird, muß er sich wieder besaufen. Also
wie bei jeder anderen Gefühlsregung auch. Lieber schnell umschalten.
Mal sehen, was SAT.1 so im Programm hat.
219
23.20 Uhr, SAT.1, 24 Stunden
Geiles Thema: Kids im Vollrausch. Saufen, bis der Arzt kommt.
Endgeil. Endlich mal Stimmung. Aber auch nur, weil die Kids so krass
geil besoffen sind. Total witzig. Ansonsten gleicht die Thematik eher
einem alten Hut. Kennt jeder, weiß jeder, interessiert keinen. An der
Wurzel der Problematik wird eh nicht angesetzt, und daher können sie
noch so oft irgendwelche Kontrolleure zeigen, die den Kiddies den Stoff
wegnehmen oder den Kiosk-Betreiber von nebenan verwarnen. Es nützt
nichts, es nützt rein gar nicht, es ändert sich nicht das Geringste. Woher
denn auch?! Solange Vater Nachtwächter unseren Kiddies keine
Perspektiven bietet, wird weiter gesoffen, als gäbe es kein Morgen
mehr. Das ist genauso sicher wie die Geld-Nutten-Thematik von eben.
Also auf einen knappen Nenner gebracht:
Wenig Perspektive, viel Suff.
So, und wer jetzt aber extrem clever sein will, kann daraus ein ganz
tolles positives Ziel ableiten. Im Idealfall könnten sogar unsere
Halbleichen in Berlin mal ein kleines Äuglein hierauf riskieren. Zack:
Mehr Perspektive, weniger Suff.
Na, ist das zu fassen?! Wobei das jetzt natürlich auch sehr schwer zu
eruieren war. Furchtbar schwer. Insoweit nur allzu gut verständlich, daß
da noch keiner in Berlin von selbst drauf gekommen ist. Echt schwer.
Und ich bin auch gar nicht mal sicher, ob das überhaupt alles stimmt.
Denn irgendwie bringen ja diverse Kampagnen, Verbote und Kontrollen
erheblich mehr. Sieht man ja ganz deutlich anhand unserer Kids und
deren Koma-Saufen. Perspektiven für die Kids zu schaffen, wäre dann
wohl doch zu einfach. Also besser weiter saufen, aber den erhobenen
Zeigefinger beachten, den Fingerpoke of Doom. Denn ganz nebenbei
muß ja auch die zukünftige prozentuale Alkoholiker-Rate gesichert
werden. Also Stößchen! Auf die Zukunft, auf die Alkies!
220
Na und, dann bin ich halt mit einem Alkoholiker zusammen und habe
ein Kind mit ihm. Und weißt Du was?! Da bin ich stolz drauf, weil ich
ihn liebe tue.
(15-jährige Vollidiotin auf PRO7)
Neuer Tag, neues Glück? Schön wär`s. Neuer Tag, dieselbe Scheiße.
Das trifft es schon eher. Ich weiß auch gar nicht mehr, warum ich es
getan habe. Ich weiß nur noch, daß ich wie gewohnt gegen 16.10 Uhr
auf Kabel1 die Serie Two and a half Men anschauen wollte. Mit Charlie
Sheen, falls den noch einer kennt. Aus Wallstreet und so. Egal. Auf
jeden Fall war es noch keine 16.10 Uhr, sondern erst 15.30 oder 15.40
Uhr oder so. Keine Ahnung, irgendwas in der Richtung. Warum ich die
Glotze schon so früh angestellt habe, entzieht sich komplett meiner
Kenntnis. Wahrscheinlich Verwirrtheit oder Kopf-Kirmes oder sogar
psychischer Burnout, von der ganzen irren Schreiberei hier. Wie auch
immer, die Glotze war zu früh an und dazu auch noch falscher Kanal.
Ich hätte es besser wissen müssen:
15.00 Uhr, PRO7, U20 - Deutschland, deine Teenies
Zack! Der Hauptnerv! Getroffen! Ich habe den Hauptnerv getroffen!
Den Hauptnerv des Aso-TV. Zufällig und ungewollt. Aso-TV in seiner
reinsten, unverfälschten Form. Halleluja! Aso-TV at it`s Best!
Unglaubliche Szenen. Unfaßbare Protagonisten, unfaßbare Dialoge,
unfaßbare Djangos. Djangos und Honchos. Ein Honcho geiler als der
andere. Was für Honchos! Goon Honchos, leck` mich einer am Arsch.
Alle voll auf irgendwas hängengeblieben. Aber auf nichts Gutem, so
viel steht mal fest. Meine Fresse. Aber trotz aller Begeisterung und
Euphorie schön der Reihe nach. Wie gesagt, glücklicherweise habe ich
die Glotze erst so gegen 15.30 bis 15.40 Uhr eingeschaltet. Und
wahrscheinlich sitze ich nur deshalb heute noch aufrecht hier und bin in
der Lage, die Geschehnisse aufzuschreiben.
221
Und die Geschehnisse überschlagen sich, das kann man schon einmal
vorwegnehmen. Zuerst dürfen wir miterleben, wie ein total tighte und
tierisch taffe (wunderschöne T-Alliteration) 14-jährige GangstaChecka-Sista eine Art Entschuldigungsbrief an eine kleine 18-jährige
Uschi schreibt, die im Krankenhaus liegt, weil sie ein paar Tage zuvor
von der 14-jährigen und ihrer Gang verdroschen wurde. Soll
vorkommen, kann passieren, Schwamm drüber. Beraten wird unsere 14jährige Killer-Queen dabei von ihrer 15-jährigen Schwester, die
mindestens dreimal so viel wiegt und die Weisheit auch nicht gerade mit
Löffeln gefressen hat, dafür aber -logisch- bereits stolze Mami ist.
Führung, Stil und Inhalt des Dialoges zwischen den beiden
geschwisterlichen Leuchten legen die Vermutung nahe, daß für beide
ein Hauptschulabschluß in galaktisch weiter Ferne stehen dürfte.
Das ist aber auch gar nicht weiter relevant oder schlimm, muß nämlich
alles gar nicht sein. Gibt ja wohl auch noch was anderes als Schule im
Leben. Und wie auf Kommando schwenkt die Kamera auf die
gegenüberliegende Straßenseite, wo dem faszinierten Zuschauer eine
Horde besoffener Penner mit Fusel-Pullen präsentiert wird. Die torkeln
und blöken und blödeln herum, prosten sich zu, lallen umher. Was
besoffene Penner eben so tun. Stößchen. Einer der Penner hält in der
einen Hand seine leckere Pulle und in der anderen Hand ein kleines
Baby. Ein schlichtes, jedoch höchst ergreifendes Bild.
Und für all diejenigen, bei denen der Groschen etwas langsamer bis gar
nicht fällt: Natürlich ist die arme Kreatur, die unser Schluckspecht da
stolz und besoffen emporstreckt, sein Baby. Vielmehr gemeinsames
Baby von ihm und der 15-jährigen Tonne. So wird es uns zumindest
glaubhaft berichtet. Aber muß ja nicht zwangsläufig stimmen, ist bei
den Protagonisten des Aso-TV ja manchmal nicht so ganz einfach.
Sexuelle Ungereimtheiten stehen bei denen an der Tagesordnung, um es
mal vorsichtig zu formulieren. Aber wir wollen das hier mal so
hinnehmen und den glücklichen Eltern alles Gute wünschen. Prost. Eine
glückliche Familie, eine sehr sinnvolle Konstellation. Und als hätte sie
uns gehört, beendet unsere 15-jährige Gracia Patricia den Dialog mit
ihrer leicht denkfaul anmutenden Schwester und gesellt sich nebst
Kinderkarre zu der illustren Penner-Runde. Stößchen!
222
Damit ist eigentlich alles gesagt. Saufen, schlagen, ficken, doof.
Deutschland, Deine Teenies. Deutschland ihm seine Teenies.
Phantastisch. Herzlichen Glückwunsch. Uns allen. Noch ein bißchen
Kifferei und Ladendiebstahl dazu, und wir sind durch. Wie auch immer.
Es kommt dann noch die Mutter der beiden smarten Sisters zu Wort, die
natürlich furchtbar stolz auf den Brief ihrer kleinen Aggro-Queen ist,
anstatt dieser ihr legasthenisches Meisterwerk ins Maul zu stopfen, weil
das jeder 8-jährige Sonderschüler besser formulieren kann. Naja, woher
soll`s denn auch kommen?!
Ferner gibt es noch jede Menge Zoff zwischen den beiden cleveren
Teenie-Sisters selbst, na klar. Zwischendurch wird die Kinder-Gang der
14-jährigen aufgelöst, auch total klasse. Und letzten Endes kommt es
dann noch zu einem ganz tollen, klärenden, hochintelligenten und vor
Wortwitz sprühenden Gespräch zwischen unserer 14-jährigen AggroBrotha-Gangsta-Checka-Sista-Chica-Queen und der kleinen 18jährigen zukünftigen Friseuse, die vorher von ihr verdroschen wurde.
Alles in allem durch die Bank weg komplett absurde, sinn- und hirnfreie
und völlig nutzlose Dialoge, die mein 4-jähriger Neffe besser führen
könnte, wenn er müßte. Muß er aber zum Glück nicht.
Soviel also zu meiner Aso-TV-Grenzerfahrung nachmittags an einem
stinknormalen Wochentag. Ätzend, voll ätzend. Als ich in der Lage war,
zu verstehen, was da überhaupt vor meinen Augen abgeht, war es
bereits zu spät. Da konnte ich dann nicht mehr umschalten, nur noch
staunen. Wie gelähmt, wie hypnotisiert. Wie paralysiert, paralysiert vom
Schwachsinn. Aber jetzt ist Schluß damit, Gott sei Dank, jetzt ist 16.00
Uhr. Schnell auf Kabel1 schalten, schnell umschalten, bevor mich der
nächste Dünnschiß in seinen behämmerten Bann zieht.
223
Wenn ich nach Deinem Körper schiele, denk` ich nur an Doktorspiele.
Es wär` so schön, wenn`s Dir gefiele, meine geilen Doktorspiele. Wenn
ich nach Deinem Körper schiele, denk` ich nur an Do-Do-Do-Do-DoDo-Do-Doktorspiele.
(Alex C. feat. Y-Ass)
Nein, Scheiß auf Kabel1, mir wird das dann doch mal zu blöd mit der
ganzen Zapperei hier. Also aus die Glotze, Feierabend. Kriege nämlich
gleich so richtig schön fiese Laune von der ganzen Hin- und HerSchalterei. Und bevor das passiert (und weil ich mich bei schlechter
Laune auch gleich wieder voll besaufen muß), ziehe ich in einem
besonders raffinierten Schachzug eine Konserve aus meinem Zauberhut.
Ja, ganz recht, eine Konserve. Eine Aufzeichnung, eine Mitschrift, ein
Skript des Wahnsinns. Oder kurz: An einem Sonntag irgendwann Mitte
2009 war ich früh abends noch so besoffen von dem Exzess nachts
zuvor, daß ich in einem besonders hellen Moment spontan zu Papier
und Bleistift griff, um mal eben ganz ad hoc eine besonders gelungene
Ausgabe von Exklusiv Weekend mitzuschreiben bzw. zu dokumentieren.
Alles in der vagen Hoffnung, daß mir das zu irgendeinem späteren
Zeitpunkt noch einmal von Nutzen sein könnte.
Und zack, da haben wir`s! Da ist das Ding! Ich habe heute nämlich
keine Zeit und Lust, mich total vollzusaufen, nur, um diversen
Schwachsinn in der Glotze verfolgen und interpretieren zu können. Also
zack, greife ich auf meine beknackte Mitschrift zurück. Ein
Geniestreich! Ich kenne den Dreck bereits und muß ihn nur noch
abtippen. Die absurde Gefahr, aufgrund einer unerwarteten und
überdurchschnittlich behämmerten Thematik einen spontanen Hirntod
zu erleiden, ist also gebannt. Der krasse Stoff kann mich nicht mehr
vom Hocker reißen. Und insoweit kann heute auf den Aufbau und
Erhalt eines gewissen Alkohol-Pegels zwecks Hirntod-Prophylaxe
verzichtet werden. Also ausnahmsweise mal nüchtern in medias res:
224
„Exclusiv Weekend. Wir sind da, wo auch die Stars sind. Immer besser
informiert über die Welt der Reichen und Schönen. Tauchen Sie ein in
die Welt der VIPs.“ Alles klar, ich will eintauchen und an der Welt der
Reichen und Schönen und VIPs und so partizipieren. Auf geht`s, Frauke
Ludwig, let`s rock. Fahr` ab die Scheiße!
Exclusiv Weekend startet erwartungsgemäß mit einem Bericht über den
54. Eurovision Song Contest 2009 in Moskau, welcher nachts zuvor
stattfand. Gewonnen hat irgendein Kerl mit Geige aus irgendeinem
krassen Land, während Deutschland auf Platz 20 landete. Folglich
möchte man bei Exclusiv nun der Frage nachgehen, was denn da wohl
falsch gemacht wurde. Was für eine geniale Frage! Was haben wir denn
da wohl falsch gemacht?! Eine selten dämliche, überflüssige und
absolut sinnlose Frage, die sich für jeden Menschen mit einem IQ im
halbwegs grünen Bereich vollkommen erübrigt. Aber wir sind ja hier
bei RTL, und da kann man sowas ruhig mal fragen.
Denn während jedem geistig annähernd normal situierten Menschen ein
Blick auf das Ergebnis der letzten Jahre -und insbesondere des
Vorjahres- genügt, muß man für das kongeniale RTL-Hauspublikum hier
anscheinend etwas weiter ausholen. Sei`s drum. Denn in 2008 hatten
wir mit den NoAngels und Disappear eine wirklich geile Band mit
einem wirklich geilen Lied am Start. Das dürfte ja wohl unstrittig
feststehen. Und was kam dabei raus?! Ein voll beschissener, absolut
nicht nachvollziehbarer und in keinster Weise angemessener 23ster
Kack-Platz. Glückwunsch. Glückwunsch am Arsch.
Und daher sollte doch nun eigentlich jeder, der nicht komplett
bescheuert ist, spätestens seit dem Abschneiden der Angels im letzten
Jahr mitbekommen haben, daß es beim Eurovision Song Contest um
eines definitiv nicht geht: Um gute Künstler mit guten Songs. Soll
heißen, es gewinnt nicht der beste Interpret oder das netteste Liedchen,
sondern irgendwer anders und nach irgendwelchen dubiosen und
ominösen Kriterien, die sich mir nicht auf Anhieb erschließen.
Vielleicht das Land mit den meisten Deppen nahe einer Grenze zum
Nachbarland. Die dann ins Nachbarland fahren, kurz für den heimischen
Kasper anrufen, und dann wieder zurück. Sowas in der Art dürfte es
sein. Interessiert mich aber auch nicht.
225
Meinetwegen können die untereinander alle munkeln und kunkeln, was
und wie sie wollen. Mir persönlich total egal. Denn viel entscheidender
ist doch der Umstand, daß Deutschland dabei immer so richtig schön
auf die Fresse bekommt. Seit Jahren schon. Denn ganz gleich, welcher
Sommer-Russe oder Exil-Usbeke gewinnt, Deutschland kriegt stets den
kompletten Arschtritt von allen. Vorletzte Plätze stehen auf der
Tagesordnung. Fiasko Grande. Platz 24, 15, 19 und 23 allein in den
letzten vier Jahren. Und vor allen Dingen mit was für beschissenen
Liedern von irgendwelchen Gurken-Gruppen noch vor uns, meine
Fresse. Verkehrte Welt. Vielleicht mal ein paar Sympathie-Pünktchen
von den Kiffern von nebenan oder von den lieben, solidarischen Türken.
Oder letztes Jahr zwölf Punkte aus Bulgarien, weil Lucie von den
Angels dort herkommt. Aber das war`s dann auch schon. Sonst nichts.
Nix. Überhaupt nix.
Diesem Umstand Tribut zollend, haben wir in 2009 dann auch ein As
aus dem Ärmel geschüttelt und eine besonders sinnvolle Kombo für
Deutschland ins Rennen geschickt: Alex „Das Boot“ Christensen
zusammen mit einem bisexuellen Torero und einer Stripperin aus
Amerika. Und spätestens jetzt muß doch bitte folgende Frage erlaubt
sein: Wie geil ist das denn?! Endgeil, möchte man spontan und voller
Verzückung aufschreien, geiler geht nicht mehr. Was für ein geiles Trio,
heiliger Bimbam! Also wenn wir überhaupt irgendwann mal wieder
irgendwas reißen könnten, dann wohl damit. Für mich im Vorfeld also
klarer Titel-Aspirant, wenn nicht sogar Favorit.
Und dann am Ende doch wieder nur Platz 20, was für eine
Enttäuschung. Wie konnte das denn nur schiefgehen?! Ist mir völlig
schleierhaft. Am Song selbst kann es nicht gelegen haben, denn der war
mindestens mal genauso geil wie unser charismatisches Trio selbst.
Mindestens. Ach woher denn, der war noch viel geiler. Meiner Meinung
nach hätte Gang Bang 3000 locker die Top Five erreichen müssen,
wenn nicht sogar noch mehr. Der Song ist an sich schon äußerst
gelungen und auch besonders originell, aber der Text ist ein literarisches
Meisterwerk. Pure Poesie, eine Hommage an die ganz großen Dichter
und Denker unserer Zeit. Eben ein typischer Christensen, möchte man
meinen. Also vergessen wir Ein bißchen Frieden, doofer Schnee von
gestern, hier kommt:
226
Miss Kiss Kiss Bang, come and let us sing
Miss Kiss Kiss Bang, now let us swing
Shake your sweet, sweet, sweet little thing
Mrs Kiss, come on and let us sing
Do the he-de hi-ho (Sing he-de hi-ho)
Do the he-de hi hey (Sing he-de hi hey)
Do the dip dip ded-de (Sing dip dip ded-de)
Do the skiddly skiddly bo (Sing skiddly skiddly bo)
Now do the gucci bang bang (Sing gucci bang bang)
Do the skiddly buffely boodely bump (Sing skiddly buffely...)
Do the oh (Sing oh)
Abfeier! Ein geiler Text, geiler Text, extrem geiler Text, extrem geiles
Lied. Keine Frage, dieses Meisterwerk hätte mit Lorbeeren gekrönt
werden müssen. Und mit einem Platz auf dem Podium. Und zwar ganz
oben. Aber stattdessen, was gibt es stattdessen?! Die goldene
Luftpumpe! Zack. Einen unerhörten, vorletzten Platz. Ja, vorletzter
Platz. Ungeheuerlich, kaum zu glauben. Ein skandalöser, vorletzter
Platz. Skandal! Keine Frage, hier stimmt doch was nicht, hier wurde
doch wieder was gemauschelt. Und wieder hat es uns erwischt, wieder
war Deutschland dran. Und eigentlich weiß man das aber auch im
Vorfeld schon. Und deswegen frage ich mich auch, warum wir zu
diesem Scheiß-Contest überhaupt noch hinfahren?! Hat doch eh keinen
Sinn, bringt doch eh nichts. Keine Ahnung.
Keine Ahnung hinsichtlich des beschissenen Abschneidens hat auch
Alex Christensen, der zwar vom Ergebnis sichtlich enttäuscht ist, sich
aber neuerdings coolerweise nur noch Alex C. nennt. Und in seiner
Funktion als Alex C. findet er das Ergebnis natürlich „mega-ungeil“ und
kann sich das alles gar nicht erklären. Vor allen Dingen, weil man doch
vorher so „tolle Resonanzen“ gehabt habe. Tja, Shit happens, kann man
da nur sagen. Goldene Luftpumpe, zack. Einfach nächstes Jahr wieder
probieren. Und wieder und wieder und wieder. Einfach mal ein Beispiel
an Ralph Siegel nehmen, an Onkel Ralle. Onkel Ralle kennt sich aus mit
goldenen Luftpumpen, Onkel Ralle hat auch schon ein paar ganz geile
Gurken für uns ins Rennen geschickt. Einfach immer wieder versuchen.
Oder auch nicht.
227
Ähnlich gelassen sieht das dann auch Sänger Oscar de la Hoya, der das
miese Abschneiden schon deutlich gefasster aufnimmt. Shit happens,
wie gesagt. Schwamm drüber, kann man jetzt nicht mehr ändern. Zu
guter Letzt darf Strip-Oma Dita von Teese auch noch ihr Maul
aufmachen und ihren faden Senf zu den Geschehnissen der Nacht
abgeben. Und -oh was Wunder- die findet das natürlich alles total
amazing und exciting und hat da auch ganz toll dazu getanzt und
sowieso und überhaupt. Schreckliches Geschwätz. Alles nicht so ganz
leicht zu verdauen und insbesondere auch erstmal überhaupt nicht zu
verstehen, weil die Tante beim Labern die Zähne kaum auseinander
kriegt. Zum Glück wird der Blödsinn übersetzt.
Überhaupt bekommt man als aufmerksamer Zuschauer so ein klein
wenig das Gefühl, daß die Alte auf einer ganz anderen Veranstaltung
war. Oder besoffen oder stoned ist. Oder ihr noch keiner die geile
Platzierung mitgeteilt hat. Irgendwas davon muß es sein, anders ist ihr
Dauergrinsen nicht zu erklären. Egal. Das war`s dann nämlich auch
schon mit dem Eurovision Song Contest. Und bis auf die Erkenntnis,
daß Alex C. mal eine neue Frisur vertragen könnte, bin ich genauso
schlau wie vorher. Heißt konkret, daß ich mir den Scheißdreck auch im
nächsten Jahr nicht angucken werde. Stößchen.
Es folgen die Exclusiv Schlagzeilen, welche mit einem Bericht über
irgendeinen unbedeutenden Fernsehpreis beginnen. Gefolgt vom Auftritt
des Tages, den eine überdurchschnittlich fette Mariah Carey in Cannes
hingelegt haben soll, und vom Schock des Tages, Jacko Jackson soll
Hautkrebs haben. Dürfte ihn aktuell nicht mehr sonderlich stören... Die
schönste Braut des Tages soll Madonna sein, obwohl die überhaupt
nicht geheiratet hat, haha, total lustig. Und schönste Taufe des Tages ist
eine Schiffstaufe in Hamburg, bei der auch Udo Lindenberg mit von der
Partie ist. Aha. Alles gut zu wissen, alles sehr sinnvoll.
228
Mein Busen hatte eine fabelhafte Karriere. Ich bin einfach nur
mitgetrottet.
(Pamela Anderson)
Aber so richtig sinnvoll soll es jetzt erst werden, denn es steht ein
Bericht über Pamela Anderson und ihre Europa-Reise an. Wahnsinn.
Selbst wenn man den geistigen Dünnpfiff nur noch abtippen muß, sitzt
einem die Angst im Nacken. Vielleicht war nüchtern doch ein wenig
überheblich? Keine Ahnung, zu spät zum Auftanken. Denn schon
erörtert Pam dem gespannten Zuschauer, daß sie nicht koche und
wasche wie andere Mütter. Ist das zu fassen?! Sensationell. Was für eine
brandheiße Info! Heißt wahrscheinlich nichts anderes, als daß sie ihre
dreckigen Unterhosen und Buchsen in einem Topf mit heißem Wasser
auf dem Herd auswäscht und sich nebenbei mal eben ganz nonchalant
ein paar Fünf-Minuten-Eier im 95°-Programm ihrer Waschmaschine
kocht. Gut möglich, alles denkbar, alles vorstellbar. Zumindest bei Pam.
Nach dieser unglaublich brisanten Info dürfen wir Zeuge werden, wie
Pam am Flughafen von einem Kerl mit einer mindestens ebenso
unglaublich geilen Frisur abgeholt wird, der sich als Prinz Markus von
Anhalt entpuppt. Feine Herrschaften also. Es geht irgendwo hin, keine
Ahnung, und abends ist man dann aber auch in irgendeinem Club und
schwätzt ein wenig banales Zeug in die Kamera von RTL. Alles very
important, alles very exclusive. Am nächsten Tag geht es dann zu
irgendeiner Gala, und seitens Exclusiv wagt man die überaus tollkühne
Vermutung, daß unsere Pam dann doch auch ein wenig high gewesen
sein könnte, als sie über den roten Teppich gelatscht ist. Aber alles reine
Spekulation. Vielleicht hat sich nur ein bißchen Botox irgendwo in der
Fresse gelöst, zack. Kann auch gut sein, alles möglich. Alles möglich
bei unserer Pam. Keine Spekulationen gibt es dagegen hinsichtlich der
Abendgarderobe unseres Prinzen. Denn die besteht unstrittig aus einer
unglaublich geil aussehenden roten Uniform.
229
Der Bericht schließt nun nicht etwa damit, daß sich unser Prinz in seiner
smarten Uniform mit einem anderen Galan um die Gunst des holden
Silikon-Weibes duelliert, beispielsweise mit Säbel oder gar Muskete.
Nein, vielmehr wird der mittlerweile wie ein Flitzebogen gespannte
Zuschauer mit der vermeintlichen Erkenntnis entlassen, daß unsere Pam
in Europa noch immer der absolute Star sei und nach wie vor ein
fleischgewordener Männertraum. Und das kann ich auch nur bestätigen.
Denn bei mir ist das nämlich auch so, daß ich total auf durchgefeierte
Uschis Mitte 40 stehe. Volle Kanne. Und insbesondere dann, wenn sie
außer zwei Plastik-Titten und zwei schlechten Low-Budget-Pornos
nichts Nennenswertes weiter vorzuweisen haben. Und ungeschminkt
krasses Highlight jeder Geisterbahn sein könnten. Dann auf jeden Fall.
Dann stehe ich da total drauf, dann gehe ich da voll drauf ab. Aber auch
nur dann. Für heute bin ich einfach nur sichtlich erleichtert, daß dieser
Beitrag jetzt endet. Ciao Pam, bis demnächst.
Auf den nun folgenden Bericht habe ich mich bereits im Vorfeld ganz
besonders gefreut, ich konnte es zuweilen gar nicht mehr aushalten.
Man könnte hier ganz unverblümt und ruhigen Gewissens sogar von
einer Art Vorfreude sprechen. Es geht um diverse C- bis J-Promis, die
ihre ganze Kohle verzockt haben. Pleite-Promis, wie es bei Exclusiv so
schön heißt. Eine Thematik, die eigentlich ganz interessant werden
könnte. Zumindest verglichen mit dem anderen Dünnpfiff bisher. Mal
schauen, ob was dabei rumkommt.
Los geht`s mit Kati Karrenbauer, vielen wohl eher bekannt als Walter
aus dem Frauenknast. Und Walter ist jetzt pleite, hat keine Kohle mehr.
Keine Asche, kein Kies, kein Schotter, alles weg. Die ganze schöne
Kohle ist futsch, verzockt bei einem Immobilien-Projekt. Ärgerlich.
Und nicht nur, daß die ganze schöne Kohle futsch ist, ganz nebenbei hat
unser Walter auch noch einen ziemlich smarten Schuldenberg
angehäuft. Aber Walter steht nicht allein da, es folgt eine Aufzählung
diverser anderer E- bis H-Promis, die ebenfalls pleite sind. Und zwar
Tanja Schumann (kenne ich nicht), Nino de Angelo (Jenseits von Eden),
Matze Reim (Verdammt ich lieb Dich), und auch der eine Dicke von
den Wildecker Herzbuben hat leider kein Moos mehr in den Taschen
seiner XXXXL-Hose. Bei ihm besonders verheerend, denn
wahrscheinlich muß er jetzt verhungern.
230
Kati erörtert derweil, daß sie Armut von früher kenne. Da habe sie Geld
als Putze, als Aktmodell und mit Telefonsex verdienen müssen. Ja, ganz
genau, Kati Karrenbauer und Aktmodell, den Witz schenken wir uns an
dieser Stelle. Denn nun gibt irgendein Professor seinen Senf zu der
Thematik ab. Und dessen Meinung nach tragen nicht die Promis selbst,
sondern vielmehr deren Berater und Manager die Schuld an der ganzen
Misere. Die hätten es eigentlich besser wissen müssen. Hingegen sei das
Publikum in zwei Lager geteilt, so unser Professor: Die einen
empfänden Mitleid, die anderen dann doch eher Schadenfreude, pfui.
Und so smart ich unseren promovierten Experten auch finde, so
entschieden muß ich an dieser Stelle intervenieren. Denn bei seiner
Aufzählung hat er doch glatt das dritte Lager vergessen: Und zwar
solche wie mich, denen das alles völlig am Arsch vorbei geht. Wie auch
immer, Kati / Walter schreibt jetzt erstmal ein Buch, um ein bißchen
Kohle zu machen, und das macht ja auch Sinn.
Es folgt ein Beitrag über diese besonders hohlblondierte, mediengeile
Frutte aus irgendeiner DSDS-Staffel, die bei Erscheinen dieses Buches
eh kein Schwein mehr kennt. Also geschenkt.
18.10 Uhr, Werbung. Danke. Reicht erstmal. Zeit für einen kleinen
Drink und ein kleines Nickerchen. Wie, Nickerchen? Sind doch nur fünf
Minuten Werbung. Sehr richtig, an sich sehr gut mitgedacht, meine
lieben Freunde. Nur sind wir heute ja nicht live dabei, sondern per
Aufzeichnung. Die Sendung selbst ist ja längst gelaufen, das Skript des
Wahnsinns selbst entstand ja bereits vor einigen Wochen. Bitte nicht
vergessen. Und da wir dabei seinerzeit bereits genug leiden mußten,
können wir nun ganz keck und unverfroren und auch völlig spontan ein
kleines Nickerchen einlegen. Eine Mußestunde sozusagen. Und darüber
wird jetzt aber auch gar nicht weiter diskutiert, sonst ist hier auch gleich
mal Feierabend. Kleines Nickerchen, und gut. Kann einem ja wohl
kaum einer übel nehmen. Und vorher noch ein kleines Drinkchen,
vielleicht mal einen Latte Macchiato. Nein, kleiner Spaß, der Tag ist
noch nicht gekommen. Scheiß auf den Senseo-Moment. Wenn schon
Werbung, dann lieber drei, vier Uozo 12, für mich und meine guten
Freunde, na klar. Ab dafür. Und Stößchen.
231
Ich muß auf meinen Input achten. Ich nehme heute nur gesunden,
nahrhaften Alkohol zu mir.
(Bender Bieger Rodriguez)
Gute vier Stunden später wache ich schweißgebadet neben einer halb
leeren Flasche Uozo auf. Der kleine Radiowecker neben meinem Bett
zeigt 22.17 Uhr an, und in meinem Schlafzimmer riecht es wie in einer
katholischen Messe. Auweia! Filmriß! Spitze. Nicht schon wieder. Der
Geschmack in meinem Mund ist unbeschreiblich fies. Als hätte ich mit
meiner Zunge Intimpflege an einer toten bzw. vielmehr bereits
verwesenden Bergziege betrieben. Widerlich, voll zum Kotzen, bäh.
Kurzer Blick nach rechts, kurzer Blick nach links, kurzer Blick auf
meinen Kadaver, alles sauber. Schnell raus aus dem Bett, kurzer Blick
in die Einfahrt, Benz steht noch da und sieht unbeschädigt aus. Gott sei
Dank, Super-GAU vermieden. Macht immer Sinn, den Autoschlüssel
vor`m Saufen zu verstecken, kicher. Keine Sicherstellungen oder
ähnlicher Quatsch, puh, den Rest werden mir meine Nachbarn beizeiten
schon verklickern.
Und wie ich so im Wachkoma zurück in Richtung Bett schlurfe, muß ich
unerfreulicherweise feststellen, daß der Moment gekommen ist, wo ich
mir ganz ernsthaft und selbstkritisch zwei Schlüsselfragen stellen muß:
War das wirklich Uozo 12? Also der für die richtig guten Freunde?
Kann ich mir kaum vorstellen. Wer seinen guten Freunden so einen
krassen Fusel zu saufen gibt, der hat bald überhaupt keine Freunde
mehr. Oder ist irgendwann nur noch von Blinden mit eklatanter
Sprachstörung umgeben. Das ist mir spätestens eben klar geworden. Ist
dann allerdings im Moment eher sekundär, denn die zweite Frage, die
mir zeitgleich durch meinen perplexen Kopf schießt, macht mich
wirklich fertig. Die brennt mir richtig unter den Nägeln:
232
Das nennen Sie schreiben? Wenn ich in meinen Füller kotze und ihn in
ein Affenhaus schicke, kriege ich ein besseres Buch.
(Roger Myers jun.)
Was ist eigentlich aus unserer wunderschönen Übersicht geworden, in
die wir alle Charaktere so überaus explizit und trennscharf einordnen
wollten? Also aus dieser hier:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
Fremdopfer
normal dumm
positiv
tragisch
sehr banal
dümmlich
ungeil
irgendwo clever
unzufrieden
Vollopfer
sehr wichtig
clever
geil
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
fast clever
positiv
tragisch
sehr banal
überbewertet
realitätsfremd
Tja, ich würde mal meinen wollen, daß wir die vor etlichen Seiten aus
den Augen verloren haben. Aus den Augen, aus dem Sinn, keine
Ahnung. An sich eigentlich überhaupt nicht so schlimm, würde es sich
dabei nicht rein zufällig um das zentrale Thema unseres Buches
handeln. Kacke! Irgendwie fehlt hier sowieso und überhaupt komplett
eine Art roter Faden oder sowas. Fällt mir gerade auf. Kein System
erkennbar, nicht mal ansatzweise. Tolle Erkenntnis, leider ein bißchen
spät. Und daher jetzt eigentlich auch egal. Wenn der rote Faden eh
schon fehlt, müssen wir jetzt auch keinen mehr einfädeln. Da müssen
wir jetzt nicht mehr mit anfangen, das wäre vergebliche Liebesmüh.
Erweitern wir lieber unsere schöne Übersicht um den Honk. Bitteschön:
233
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
Fremdopfer
Vollopfer
Honk
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
normal dumm
irgendwo clever
fast clever
positiv
unzufrieden
positiv
tragisch
tragisch
sehr banal
sehr wichtig
sehr banal
dümmlich
clever
überbewertet
ungeil
geil
realitätsfremd
Chaot
Selbstbefreier
Anarchist
dumme Maulhure sozial. Materialist sozial. Materialist
So sieht es bislang aus, nachdem wir die Themen Honk als Anarchist
und Honk als Ignorant (im Kapitalismus) abgearbeitet haben. Zu
gegebener Zeit ist diese Übersicht um weitere Charakteristika, welche
wir zunächst allerdings erst noch herauskristallisieren müssen, zu
ergänzen. Also zurück in medias res. Wo waren wir stehengeblieben,
und wo stehen wir jetzt?
Wir hatten irgendwo ein Päuschen einlegen wollen, um ein kleines
Nickerchen zu halten. Weil wir nachts zuvor nur 11 oder 12 Stunden
schlafen konnten. Und anstatt zwei, drei Uozo 12 zu trinken und dann
flauschig-warm in das Reich der Träume zu entgleiten, haben wir uns
mit einer halben Flasche Waschbenzin ins Wachkoma inklusive Filmriß
geschossen. Alle Lampen aus, herzlichen Glückwunsch.
Statt nun also frisch ausgeruht und voller enthusiastischer Vorfreude in
unser hanebüchenes Exclusiv Weekend zurückzukehren, haben wir einen
monströsen Schädel und eine schier unglaubliche Fackel aus dem Maul.
Interessanterweise ist die Fackel im Maul schlimmer, als wenn man
gekotzt hätte. Also schlimmer als Kotze-Geschmack! Pfui, wie kann
denn sowas sein? Egal, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Also auf
Notstrom umschalten und mit voll zugeschissener Birne und dem
Gefühl innerer Verwesung zurück ans Werk.
234
Ahhh, Muschi-Hamster hat `ne Runde im Rad gedreht!
(Dr. Gregory House)
Bei Exclusiv Weekend scheint man nun die weise Entscheidung gefällt
zu haben, den Rest der Sendung ausschließlich mit irgendwelchen
Weiber-Geschichten zu füllen. Soll heißen, es folgen von nun an diverse
Beiträge über diverse halbprominente Weiber für ein diverses, total
begeistertes Publikum an den TV-Geräten zu Hause, welches
logischerweise überwiegend aus diversen weiblichen Vollidiotinnen und
Vollopfern besteht. Fernsehen von Weibern über Weiber für Weiber.
Frutten-TV. Stößchen. Ist doch klar, daß das nicht hinhauen kann. Wie
denn auch?! Mir ist sowieso kein einziger Mann bekannt, der sich
diesen Boulevard-Rotz ungezwungen und aus freien Stücken ansieht.
Geht auch gar nicht. Fußball ist manchmal schon langweilig genug,
Autorennen auch. Warum um alles in der Welt sollte man als
zurechnungsfähiger Mann dann wohl die ominöse Entscheidung treffen,
freiwillig Exclusiv Weekend anzusehen?!
Eben. Geht gar nicht. Also wird man gezwungen, ganz klar. Viele
Männer müssen das nämlich mitverfolgen, bewußt oder unbewußt, weil
es ansonsten wieder Streß mit der heimischen Grazie gibt. Weil die
schon fast süchtig ist nach dem Schwachsinn und schlechte Laune
bekommt, wenn ihr nicht täglich ihre Dosis Opfer-TV in die kleine
Rübe eingedroschen wird. Ahh, Entzug, Entzug, schnell Opfer-TV!
Mach` die Kiste an! Ganz toll. Möglicherweise hat man als Mann aber
auch eher selbstsüchtige Motive. Also daß man sich den Rotz ansieht
und idealerweise nebenbei sogar noch mit seiner postmodernen
Amazone darüber diskutieren will:
Du Schatz, ich hätte eher damit gerechnet, daß die Sabrina in die Band
kommt. Daß es jetzt Candy wird, hätte ich nie im Leben gedacht. Die
Jury entscheidet schon manchmal komisch, oder?!
235
Wahnsinn! Keine Frage, wer als Mann solch einen faulen Dialog mit
seiner Alten startet, will hinterher einfach nur ficken. Oder ist schwul
oder auf Crack. Oder nicht älter als 12, auf jeden Fall irgendwas in
dieser Richtung. So viel steht mal fest. Und was soll ich sagen, was soll
ich sagen, mit dem Rest der tollen Sendung können wir uns dann auch
mal so richtig schön den Schritt shampoonieren. Nicht, daß wir das
nicht eh könnten, aber heute dann eben ganz besonders.
Es folgt nämlich ein Bericht über Caroline Beil, von der ich dann auch
mal gar nicht weiß, welche Funktion sie überhaupt hat. Der Name sagt
mir schon was, aber sie selbst habe ich außer im Dschungel-Camp noch
nicht weiter gesehen. Ach ja, und ein paar Kommentare bei diesen
Chart-Shows freitagabends auf RTL. Die 50 größten was-weiß-ichnicht-was. Da gibt sie auch manchmal ihren Senf dazu. Aber sonst?
Keine Ahnung. Ist aber auch Latte, denn jetzt ist sie schwanger, und
darum geht es im nächsten Beitrag. Unsere Caro ist mit ihren 42 Lenzen
schwanger, irgendein Milchbubi Mitte 20 soll der Vater sein, und
irgendwelche anderen Halbpromis kommentieren das positiv oder
negativ. Unter anderem Mariella Ahrens, die sich -ähnlich wie Alex
Christensen- mittlerweile auch umbenannt hat. Allerdings nicht in Mari
A., sondern vielmehr in Mariella Gräfin von Faber-Castell, weil sie in
irgendeine Adels-Sippe eingeheiratet hat. Phantastisch, Glückwunsch,
Stößchen. So wird`s gemacht, und so muß das auch sein. Irgendeine
reiche Oma so Ende 80 da draußen am Start, die einen gutaussehenden
Honk Mitte 30 heiraten will? Nein, Späßchen, sowas machen wir nicht.
Alles Spaß, Honks sind Selbstversorger.
Exclusiv Weekend legt derweil eine weitere Werbepause ein, danach
sollen dann Beiträge über den Deutschen Parfümpreis, Verona Pooth
und Amy Winehouse folgen. Letztere soll doch tatsächlich bei einem
ihrer Konzerte besoffen und stoned auf der Bühne gestanden haben, ist
das zu fassen?! Das kann ich gar nicht glauben. Aber mal dahingestellt.
Ich bin an dieser Stelle eher ein wenig traurig, daß die nicht mal einen
Beitrag über richtig geile, besoffene Weiber bringen. Beispielsweise
über Lily Allen oder Lindsay Lohan, die bestimmt voll geil abgehen in
der Kiste, wenn sie den richtigen Pegelstand haben. Geil, geil, geil.
Unfaßbar geil. Aber nein, stattdessen zeigt man uns lieber diese ekelige
Amy Winehouse, und ich grusel` mich.
236
Den Rest von Exclusiv Weekend können wir uns daher schenken.
Richtig geil ist auch, daß genau derselbe tödlich banale Dünnpfiff fünf
Stunden später auf VOX läuft. Genau derselbe Rotz, dieselben
unerträglichen Themen, dieselbe heiße Luft. Heißt da nur anders, heißt
da Prominent!, ganz originell. Können sich dann diejenigen reinziehen,
die den Mist beim ersten Mal auf RTL noch nicht ganz verstanden
haben. Das RTL-Stammpublikum, ich leg` mich ab.
Amy Hauswein soll also wieder einmal besoffen gewesen sein.
Besonders tragisch ist dabei, d ß es ni t z m ers en M l pas iert is , so
de vi mehr m ttl r eil Ge oh hei b i ih i t.
Heiliger Bimbam, was ist den nun schon wieder los?!?!?!
Plötzlich läuft Wimbledon-Halbfinale in der Glotze. Federer gegen
Haas, spannende Konstellation. Fünf zu vier für Haas im ersten Satz,
sehr schön. Aber was ist denn da eben mit Exclusiv und Amy und so
geschehen? Was ist denn hier bloß wieder los?
Nein, meinen Verstand habe ich nicht gerade eben verloren. Das ist
schon viel früher passiert, den habe ich längst versoffen, und das ist
auch gut und richtig so. Anders ist der Wahnsinn dieser lustigen Welt
nicht mehr zu ertragen. Spontane Legasthenie können wir auch sicher
ausschließen, geht ja flüssig weiter voran hier.
Was hier soeben passiert ist, grenzt an ein evolutionäres Meisterwerk:
Mein Hirn hat sich voller Grausen von der unerträglichen Banalität des
Opfer-TV abgewendet, ohne daß ich es selbst gleich bemerkt hätte.
Wahnsinn. Außergewöhnlich. Amazing, exciting, sonstwas. Mein
Verstand hat sich von den Geschehnissen gelöst, hat ohne ein bewußtes
Agieren meinerseits angefangen, die Geschehnisse zu ignorieren.
Uiuiui! Na, fällt der Groschen? Na klar, ignorieren, Ignoranz, Halleluja!
Da sind wir wieder, phantastisch. Und da wollten wir auch hin. Das war
alleiniger Sinn und Zweck des erneuten schwachsinnigen Ausflugs in
die wunderbare Welt des Dünnpfiff. Geil, geil, geil. Endgeil. Diese
Überleitung hier finde ich so grenzwertig endgeil, daß ich mich jetzt
erstmal ein bißchen selbst feiern muß. Stößchen! Außerdem läuft
Wimbledon, hurra!
237
Das ist der Dreck, an dem unsere Gesellschaft mal ersticken wird.
(Uli Hoeneß)
Ignoranz ist also das Wort der Stunde. Wir wollen diesen Dreck nicht
sehen, können aber auch nicht ändern oder verhindern, daß er in der
Scheiß-Glotze läuft. Wollen wir auch gar nicht. Jedem das Seine,
chacun à son goût. So soll es sein. Den Asis das Aso-TV, den
Vollopfern ihr Opfer-TV. Chacun à son goût. Wir sehen uns diesen Rotz
nicht an, wir sehen uns was anderes an, wenn überhaupt. Es gibt
etlichen Krams, den man sich ansehen kann, wenn man möchte.
Tausend Sachen. Nur bitte unter gar keinen Umständen irgendwas im
Aso- und Opfer-TV. Denn das macht voll bescheuert in der Birne, voll
gaga, dürfte klar sein. Wir sehen uns das nicht nur nicht an, nein, für uns
gibt es sowas erst gar nicht. Vollständige Ignoranz, na klar. Lassen wir
doch diese ganzen Boulevard-Transen rumlabern, rumtanzen,
rumhampeln und rumficken, wo, wie, wen oder was sie wollen, können,
müssen oder dürfen. Geht uns komplett am Arsch ab.
Völlig Latte, wer, wann, wo und warum sein letztes bißchen Restwürde
für ein paar Euro oder einen madigen Auftritt im Aso-TV verhökert. Ist
nicht unsere Welt, nicht unsere Realität, existiert nicht. Lassen wir den
Vollidioten, Vollopfern und Vollasis ihre Bühne, ihre Lobby, ihr Leben.
Ab dafür. Die geisteskranke Tochter von Onkel Ralle hampelt sich
durch irgendein gehirnamputiertes PRO7-Format? Nein, wirklich?
Völlig egal, die ist eh fertig mit der Welt. Komplett durch. Ach was,
noch besser, wir kennen die überhaupt nicht. Wer ist Onkel Ralle? Und
wer ist seine geisteskranke Tochter? Häh? Komplett an uns
vorbeigegangen, und das ist gut so. Das ist nämlich Schritt Nr. 2 in ein
freies, eigenes und selbstbestimmtes Leben fernab vom Bullshit unserer
Gesellschaft. Glückwunsch, wir kommen dem Kern immer näher...
238
Ich trink` `nen Sekt vielleicht.
(Marco Vorbeck)
cc) Und die Werbung? (Part II)
Boah, Gott sei Dank, das war`s!!!
Das war`s, das war`s, das war`s! Das war der letzte Ausflug in die Welt
des Dünnpfiff. Puh! Geschafft. Nie wieder Aso- und Opfer-TV! Uff!
Nie wieder Leid, Schmerz, Übel, nie wieder Brechreiz, Folter, Hirntod.
Uff! Nie, nie wieder. Gott sei Dank. Uiuiui...
Ach ja, und natürlich auch
Stößchen!!!
Stößchen für alle, soviel Zeit muß sein. Denn das war`s. Das war unsere
allerletzte Aso-Opfer-TV-Abhandlung in diesem schönen Buch. Für
mich wahrscheinlich sogar die allerletzte Abhandlung für den Rest
meines Lebens, da ich nun keine Veranlassung mehr habe, diese Kacke
in der Glotze gucken zu müssen. Hurra! Endlich wieder frei, Leben
macht wieder Sinn, abfeier. Phantastisch. Naja, es sei denn, ich schreibe
noch ein zweites Buch, also quasi so eine Art Fortsetzung. Also sowas
wie Honkland II - Flora und Fauna in der Tundra. Oder aber auch
Honkland II - Ein Quantum Bullshit. Kann alles sein, kann alles
passieren. Ist alles möglich und auch besonders sinnvoll, aber dann doch
eher unwahrscheinlich, weil ich keine Lust dazu habe.
Naja, mal sehen. Bleiben wir zunächst erstmal bei der Dreckschleuder
hier und schenken unser Augenmerk nun der Werbung.
239
Wir sind Konsumenten, wir sind Abfallprodukte der allgemeinen
Lifestyle-Obsession.
(Tyler Durden)
Und wie sollte es anders sein, auch die Werbung muß ignoriert werden.
Ganz klare Angelegenheit. Insbesondere die Werbung in der Glotze. Die
ganz besonders. Nicht, daß jeder Werbespot an sich schon schlecht,
beschissen oder gar Verarsche wäre. Nein, so ist das dann aber mal auch
nicht. Nur weiß man vorher leider nie, was als nächstes kommt. Mal
angenommen, man schaut sich gerade den neuen TV-Werbespot von
Coca Cola an. Daß die Coke-Spots tiptop sind, dürfte wohl unstrittig
feststehen. Die Jungs und Mädels haben auf jeden Fall ihr Handwerk
gelernt und auch verstanden, das ist klar. So, und jetzt ist der Coke-Spot
vorbei, und als nächstes kommt dann irgendein schwachsinniger Mist,
also so von wegen mit Extraportion Milch oder Knoppers
Frühstückchen oder ähnliches Zeug. Tja, und dann haben wir den Salat,
dann vergeht uns gleich mal wieder alles.
Oder irgendein neuer, geiler Reisebus wird beworben. Ein Citroen C4
Grand Picasso oder ein Renault Grand Scenic oder ein VW Touran.
Uiuiui. Eben eine von diesen monströsen Schleudern, an deren Steuer
unsere postmodernen Amazonen aussehen, als würden sie die Exxon
Valdez oder gar die legendäre Enterprise steuern. Und zwar
höchstpersönlich. Unglaublich geil, leck` mich einer am Arsch. Jede
schwangere Frau Mitte / Ende 20 braucht so ein Ungetüm. Falls man
mal zwei bis drei Fußball-Mannschaften durch die Gegend fahren muß
und gleichzeitig noch umziehen will, logisch. Je größer, desto geiler.
Auf jeden Fall, ganz meine Meinung, größer ist geiler. Wenn wir von
Hubraum sprechen. Aber ansonsten nicht. Zumindest nicht bei
Reisebussen. Aber völlig egal, die Werbung suggeriert es unserer
postmodernen Amazone, und deswegen muß so ein Reisebus her. Und
nichts anderes, damit das mal klar ist!
240
Richtig geil auch, wenn der Kerl dann mit dieser Gurke rumfahren muß.
Schön die Scheiben schwarz getönt, und man ist der Rambo unter den
Pampers-Bombern, keine Frage. Die Weiber selbst können diese
Gurken nämlich kaum noch fahren. Oder vielmehr manövrieren. So ein
Monster fährt man nämlich nicht mehr, so ein Monster muß man
manövrieren. Endgeil. Die Mutter-und-Kind-Parkplätze beim
Supermarkt resultieren nämlich nicht daraus, daß man unserem zumeist
doch etwas korpulenteren Amazönchen einen kleinen Weg bis zum
Eingang ersparen möchte. Pustekuchen. Ein kleiner Fußmarsch täte den
meisten dann doch mal ganz gut, ist doch so. Nein, die Scheiß-Dinger
haben Übergröße, das sind Parkplätze mit Übergröße. Weil unsere
Amazone ihre Exxon Valdez in einen stinknormalen Parkplatz nicht
mehr hinein manövrieren kann.
So sieht`s aus, und das ist super-lustig, aber zugleich auch super-krass.
Gleich in einer Reihe, in einer Reihe direkt neben den BehindertenParkis, stehen überdimensionale, extrabreite und speziell angelegte
Parkboxen für Amazonen mit Container-Schiffen. Von wegen Mutter
und Kind. Kapitän und Frachter, so müßte es richtigerweise heißen.
Matrose und Smutje. Völlig selbstverständlich, daß unser Honk solche
Parkplätze entgegen der Beschilderung für seinen flotten Flitzer nutzt.
Völlig logisch und auch verständlich, und zwar aus zwei Gründen: Zum
einen sind diese Parkboxen so riesig, daß jeder Penner mit seinem
Einkaufswagen mühelos zwischen zwei dort parkenden PKW
durchrollen kann, ohne dabei einen zu touchieren. Und zum anderen
kann man sich immer voll kaputtlachen, wenn man den letzten freien
Reisebus-Parki genommen hat und unsere grimmige, kleine Amazone
mit ihrem Schlachtschiff auf einen normalen Parkplatz ausweichen muß.
Grummel, grummel, manövrier, manövrier. Und quietsch, kratz,
knirsch. Total witzig, muß man echt mal gesehen haben.
Liebe, liebe Amazönchen und moderne Mütter, liebe junge Mamis und
all diejenigen, die es bald werden, aber schon jetzt so einen schönen
Reisebus in der Einfahrt stehen haben: Bitte verzeiht mir! Bitte kauft
und lest mein Buch trotzdem, ich mache nur Spaß, alles nur Spaß. Ich
liebe Euch, ich liebe Euch alle. Euch und Eure Exxon Valdez. Herrlich.
Ich kann nicht mehr...
241
So blöd kann keiner sein, daß er nicht merkt, daß von diesem
Schweinefraß kein Mensch leben kann, so blöd kann keiner sein.
(Klaus Kinski)
So viel zu unserem kleinen Multivan-Exkurs. Multivans sind zwar echt
voll fies, aber zumindest verarscht uns die Werbung nicht, indem sie
wohlwissentlich lügt oder uns falsche Tatsachen suggeriert. Natürlich
wird so eine Möhre als Space Box oder Raumwunder oder sonstwas
angepriesen. Das ist sie ja auch. Es wird ja wohl kaum ein
Wahnsinniger daherkommen und so ein Vehikel als Porsche-Killer
bewerben wollen. Nein, das sind nunmal Riesen-Gurken, und als
Riesen-Gurken werden sie auch völlig zu Recht beworben. Einen
anderen Fall bilden Produkte, die an sich vielleicht ganz okay sind, bei
denen uns die Werbung allerdings verarschen will. Beziehungsweise bei
denen die Art und Weise, wie das Produkt angepriesen wird, völlig
falsche Illusionen beim Konsumenten hervorruft. Hier zum Beispiel:
Kinder Schokolade ist die erste speziell für Kinder entwickelte
Schokolade. Die Besonderheit liegt im außergewöhlich hohen
Milchanteil, im einzigartigen milchigen Geschmack und in der leichten
Portionierbarkeit durch einzeln verpackte Riegelchen.
So steht es bei denen auf der Homepage. So und nicht anders. Und auch
auf die Gefahr hin, mich jetzt mit der FERRERO-Mafia anzulegen,
fühle ich mich als Konsument schlichtweg total verarscht, aber mal so
richtig. Denn mit 550 Kalorien pro Tafel à 100 Gramm hat besagte
speziell entwickelte (uiuiui...) Kinder-Schokolade nicht mehr und nicht
weniger Kalorien als andere Schokoladen. Milka, Ritter-Sport, Alpia,
sonstwas. Völlig Latte. Hauptbestandteile sind Zucker und Fett, wie es
bei allen gängigen Schokoladen der Fall ist. Es handelt sich hierbei also
um eine stinknormale, handelsübliche, leckere Schokolade. Und um
nichts weiter. Damit das erstmal klar ist.
242
Der außergewöhnlich hohe Milchanteil dieser Spezial-Schokolade
beträgt unglaubliche 33%! 33%!!! Das muß man sich jetzt mal
vorstellen, wenn das überhaupt noch geht. 33%!!! In Worten:
Dreiunddreißig Prozent. Unfaßbar! Also unfaßbar geile 33 Gramm
Milchanteil pro Tafel. 33 Gramm pro Tafel! Hallo?! Geht`s noch?!
Konkret heißt das, daß ich von den Dingern knapp acht Tafeln fressen
muß, um auf so viel Milch zu kommen, wie in einem stinknormalen
Glas à 250 ml steckt. Acht Tafeln, krasse acht Tafeln. In Zahlen: 8. Also
acht extrem krasse Tafeln dieser speziell entwickelten, außergewöhnlich
milchigen und ganz offensichtlich besonders gehirnbekömmlichen HiTec-Schokolade. Und das kann ja wohl nicht mein Ernst sein. Also das
kann ja wohl wirklich nicht mein Ernst sein. Also wirklich nicht.
Und das ist auch nicht nur nicht mein Ernst, nein, da fühle ich mich
schlichtweg
verarscht.
Verarscht,
veralbert,
verkackeiert,
verhohnepipelt. An der Nase herumgeführt. Klar ist der Milchanteil
höher als bei anderen Schokoladen. Aber trotzdem noch immer
verschwindend gering. Nicht einmal zwei Kornglas voll Milch pro
Tafel. Sauber, ganz sauber. Also völlig unbedeutend, geradezu absurd
unbedeutend. Fast so banal unbedeutend wie GNT by Schnäuzchen
Klum. Aber der normalen, unbedarften Hausfrau und Mutti will man
hier suggerieren, daß es sich um eine ganz spezielle Schokolade für
Kinder handelt, uiuiui, vielleicht ist die ja sogar noch gesund?! Ja klar,
ganz bestimmt. Die ist sowas von gesund, man kann sich kaum noch
vorstellen, wie gesund die ist. Aber sowas von. Und Rauchen macht
schön und Alkohol schlau.
Nein, das ist alles ganz großer Bullshit. Bullshit zum Quadrat.
Mindestens. Sowas macht man einfach nicht. Man verarscht seine
Kunden nicht. Beziehungsweise verarscht man seine Kunden nur dann,
wenn man ohne die Verarsche keine Kunden hätte. Dann kann man das
durchaus mal machen. Und das ist aber bei Kinder-Schokolade
bestimmt nicht der Fall. Das Produkt ist nämlich ziemlich gut, das
Produkt ist geschmackstechnisch gesehen sogar total lecker. Mjam.
Aber die Werbung ist totaler Bullshit. Voll für`n Arsch, aber mal so
richtig. Also laßt das doch bitte mal sein. Scheiß doch auf die geile
Extraportion Milch, ist doch nur was für komplett Gehirnamputierte,
mal echt jetzt. Muß doch nicht sein.
243
Und wo wir gerade beim Thema gehirnamputiert sind: Liebe
FERRERO-Werber, liebe Zucker-Püppchen und Riegel-Dreher der
FERRERO-Marketing-Abteilung, laßt Euch für Euer tolles Raffaello
doch bitte auch mal was anderes einfallen, ja?! Diese Werbung ist doch
wohl auch mal so richtig schön schwachsinnig, mal echt jetzt. Früher
hieß es Leichter Genuß, ganz ohne Schokolade, heute dagegen nur noch
Vollkommen... ohne Schokolade. Ja Mensch, die Dinger haben 600
Kalorien und 45 Gramm Fett auf 100 Gramm. Das sind 50 Kalorien und
10 Gramm Fett mehr als jede normale Schokolade. Und Ihr suggeriert
da leichten Genuß und ohne Schokolade und sonstwas. Das macht doch
überhaupt keinen Sinn. Da könnt Ihr die Dinger auch
Vollkommen... ohne Pferde-Scheiße
oder
Vollkommen... ohne Rheuma-Salbe
nennen, ist mindestens genauso sinnvoll. Vollkommen sinnvoll,
vollkommen ohne Verstand. Vollkommen Sockenschuß! Laßt doch bitte
den Unsinn sein, müßt Ihr doch nicht machen. Ist doch alles ganz lecker
und toll, aber veräppelt doch bitte die Leute nicht so, ja?! Die meisten
haben eh schon so krass einen an der Waffel, da müßt Ihr das doch nicht
noch machen. Grenzt ja an Körperverletzung sowas.
Werft doch mal bitte die Leute aus Eurer Marketing-Abteilung raus, und
stellt dafür ein paar neue ein. Bißchen frischer Wind wäre mal nicht
schlecht. Allein diese ultimativ hanebüchenen Dialoge in Eurer
Werbung, sei es Mon-Chéri oder Rocher oder Küßchen oder sonstwas.
Völlig egal. Bei jeder FERRERO-Werbung kriegt man einen totalen
Lattenschlag, echt jetzt. Euer Zeug muß ja geiler sein als Koks oder
Ecstasy, mein lieber Mann. Das würde zumindest auch die grenzwertig
beknackten Dialoge erklären. Boah! Ich dachte immer, ich würde schon
ein ziemlich geiles Leben führen. Aber wenn ich mir das so angucke,
dann wäre ich wohl doch lieber einer der lustigen Freunde aus Eurer
Ferrero-Küßchen-Werbung. Oder zusammen mit der Raffaello-Tante
auf den Malediven. Oder das Arschloch mit dem Kirschstand.
Wahnsinn! Was für ein himmelschreiender Unsinn!
244
Zu Eurer guten Milchschnitte sage ich jetzt mal lieber nichts mehr, sonst
entsteht hier noch der Eindruck, ich hätte speziell was gegen
FERRERO. Habe ich aber gar nicht. Andere machen nämlich ähnliche
Augenwischerei, insbesondere im Süßigkeiten-Bereich, da regiert der
Wahnsinn. Scheinbar muß man als Werber in der Süßigkeiten-Branche
einen ganz fulminanten Sockenschuß haben, anders ist das nicht mehr
zu erklären. Egal. Nehmen wir also mal einen anderen, nehmen wir mal
STORCK und deren Knoppers. Knoppers, das Frühstückchen. Wird als
Milch-Haselnuß-Schnitte mit wertvollen Zutaten beworben und als
ideale kleine Stärkung für zwischendurch.
Ist das mal kackfrech?! Das ist kackfrech. Freunde, was soll denn das?!
Was soll denn dieser freche Unsinn?! Das Ding besteht hauptsächlich
aus leeren Kalorien wie Zucker, Fett und Mehl und hat demzufolge auch
einen ähnlichen Kalorien- und Fettanteil wie normale Schokolade. 528
Kalorien und 32 Gramm Fett per 100 Gramm. Glückwunsch. Also wenn
das keine ideale kleine Stärkung für zwischendurch ist, dann weiß ich es
auch nicht mehr. Da geht mir doch echt der Hut hoch! Klar sind da auch
ein oder zwei Gramm Nüsse und Milchanteil drin, ganz phantastisch,
aber die kriege ich auch, wenn ich den Fußboden in meiner Küche
ablecke. Mindestens.
Hört doch bitte auf, den Eindruck erwecken zu wollen, daß sowas
gesund oder wertvoll oder sonstwas sei. Ideale kleine Stärkung, na klar.
Aber auch nur dann, wenn man als Alternative ansonsten nur noch einen
plattgefahrenen Igel oder Cockpit-Spray zu fressen hätte. Dann ja, dann
ideale kleine Stärkung, dann ganz toll. Aber auch nur dann. Ansonsten
Süßigkeit. Nicht mehr, nicht weniger. Und genau wie die anderen hier
erwähnten Produkte äußerst schmackhaft und lecker. Deswegen
nochmal in aller Deutlichkeit: Hier geht es definitiv nicht darum,
irgendein Produkt zu verunglimpfen. Nein, absolut nicht. Die Produkte
an sich sind nämlich alle prima. Aber die Art und Weise, wie sie
angepriesen werden, um ganz bewußt falsche Illusionen beim
Konsumenten hervorzurufen, ist schlichtweg Affenkacke. Ganz, ganz
fiese Affenkacke. Klingt komisch, ist es auch.
Na, ist das mal sehr geil, was der Honk so alles weiß?!
245
Ich kann machen, was immer zur Hölle ich will. Heute können mir alle
mal den Buckel runterrutschen, verstehen Sie?!
(Iggy Pop)
dd) Ergebnis
Während wir unserem Honk unter Abschnitt a) dieses Kapitels
vereinzelte anarchistische Charakterzüge nachweisen konnten, durften
wir nun in Erfahrung bringen, daß er daneben auch ein ziemlich fieser
Ignorant ist. Beziehungsweise Ignorant sein muß. Muß! Grundsätzlich
sind hierbei zwei Fälle denkbar:
Zum einen können Mißstände vorliegen, die der Honk nicht oder nur
mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ändern kann. An erster Stelle
muß hierbei zwangsläufig unsere immer kapitalistischer und
unmenschlicher werdende Gesellschaft genannt werden. Unsere sehr
herrliche soziale Marktwirtschaft, na klar. Die Jobs werden tagtäglich
knapper und beschissener, dafür wird im Gegenzug die Angst immer
größer und die Kohle immer weniger bzw. auch noch weniger wert.
Paßt also alles ganz toll. Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht:
Scheiß-Jobs Scheiß-Kohle
Toll. Sollte so halbwegs verständlich geworden sein. Ausbeutung des
Menschen bzw. des Produktionsfaktors Mensch, in erster Linie unter
Verwendung des Druckmittels Angst, bla, alles durchgekaut. Voll
beschissen, voll zum Hinkotzen. Leider allerdings ein Mißstand, den der
Honk nicht ändern kann. Ansatzweise höchstens für sich selbst. Also
weitestgehend frei und eigenständig arbeiten, um gerade so viel Kohle
zu verdienen, wie für den eigenen Lebensstil nach eigenem Ermessen
benötigt wird. Und das Ganze nach Möglichkeit auch noch legal, was
das Unterfangen zusätzlich und erheblich erschwert.
246
Zusammenfassend ist demnach also festzuhalten, daß der Honk den
Kapitalismus weitestgehend ignoriert und diesen nur insoweit
akzeptiert, als wie er für die Erfüllung eigener materialistischer Belange
unvermeidlich ist. Idealerweise ist der Honk dabei dem Produkt seiner
Arbeit nicht entfremdet. Indem er beispielsweise in irgendeiner
Pommesbude irgendwelche Schrauben und Muffen verkauft oder in
irgendeiner anderen Pommesbude an irgendeinem Scheiß-Fließband
steht. Oder ähnlichen Blödsinn machen muß. Nein, das geht nicht, keine
Entfremdung des Honk. Keine Austauschbarkeit, keine SystemAnonymität, und vor allen Dingen auch keine total hirnverbrannten
Tätigkeiten für schmales Moos. Nix da. Niemals.
Und das ist auch gut und richtig und wichtig so, und deshalb muß unser
Honk auch nicht kompensieren. Weder mit hanebüchenen
Freundeskreisen voller Arschgeigen, noch mit sonderbaren Hobbies,
noch mit übermäßigen Freß-, Sauf-, Sport- oder Koks-Attacken oder gar
mit Aso-TV und Internet-Chat.
Merke: Der Honk kompensiert nicht, der Honk säuft zum Spaß.
Der zweite denkbare Fall sind Mißstände, die schlicht und einfach vom
Format, von der Thematik und von den Protagonisten her schon so
unfaßbar dämlich sind, daß für einen geistig halbwegs normal situierten
Menschen keine andere Reaktion als Ignoranz in Betracht kommen
kann. Oder konkret: Aso-TV und Opfer-TV. Also fast alles, was
tagtäglich so im Privatfernsehen zwischen 8 und 18 Uhr läuft. Müssen
wir ignorieren, wollen wir uns nicht mit befassen. Sonst wird unser
armes Gehirn lang und schmerzfrei sterben müssen. Und das ist dann
ein Vorgang, der für außenstehende Dritte sehr skurril anmutet.
Letzten Endes müssen wir dann größtenteils auch die Werbung
ignorieren. Die wird nämlich leider auch immer sinn- und hirnloser, wie
dem ein oder anderen möglicherweise bereits selbst aufgefallen ist.
Insbesondere die TV-Werbung, die ist besonders krass und gefährlich.
Weil man bei dieser nicht abschätzen kann, wann der nächste Schlag an
die Waffel kommt. Jeder Spot könnte der letzte sein. Dessen müssen wir
uns stets bewußt sein. Insbesondere immer dann, wenn wir Süßigkeiten
einkaufen gehen.
247
Alles in allem wird man wohl zu dem Ergebnis kommen müssen, daß
wir gegen Mißstände, die uns persönlich betreffen oder nahe gehen,
immer dann kämpfen sollten oder sogar müssen, wenn eine realistische
Aussicht auf Erfolg besteht. Also wenn wir die Mißstände ändern oder
wenigstens einen vernünftigen Beitrag zur Veränderung leisten können.
Dann müssen wir als Honk aktiv werden. Und zwar nach eigenem
Ermessen und notfalls sogar unter Zugrundelegung eigener
Vorstellungen von Moral und Ethik.
Und damit ist nicht BILD lesen gemeint. Beziehungsweise BILD lesen
und sich hinterher über das Gelesene ausscheißen. Oder zur Wahl gehen
und irgendein besonders bizarres, linkes Früchtchen wählen. Oder
Steine auf irgendwelche Leute oder in irgendwelche Scheiben werfen.
Nein, das alles ist großer Kokolores und hat mit einem Honk und
Honkland nicht das Geringste gemein. Honkland ist nicht Amok oder
Chaos, Honkland ist zielgerichtetes, sinnvolles Leben. Weitestgehend
an einer ferngesteuerten und fremdbestimmten Gesellschaft vorbei.
Einer Gesellschaft, die der perfiden Illusion erlegen ist, frei zu sein.
Einer Gesellschaft, die tagtäglich auf immer absurdere und groteskere
Ideen kommt, um den unvermeidlichen großen Knall noch etwas weiter
hinauszuzögern. Bizarro-World! Land of Confusion! Klappsland!
Geisteskrankenhausen! Wie auch immer. Auf jeden Fall Wahnsinn und
somit selbstverständlich nichts für einen Honk.
Im Umkehrschluß heißt das also schlichtweg, daß Mißstände, die nicht
geändert werden können, ignoriert werden müssen. Nicht Toleranz oder
gar Akzeptanz, nein, Bullshit, Ignoranz muß es sein. Ignorieren macht
frei, Ignoranz ist geil. Also komplett an einem vorbei, komplett am
Arsch ab, zack. Keine Notiznahme, keine Aufmerksamkeit, weil nicht
existent. Phantastisch! Und durch und durch logisch. Wer es einmal
ausprobiert hat, wird mehr als begeistert sein. Fresse halten und
ignorieren. Das Non-plus-ultra in unserer lustigen Zeit. Das macht Sinn,
das macht frei, das kommt gut.
248
Hey, willst Du Dir ein bißchen Geld verdienen nebenbei? Schau` hier,
20 Mark, guck` mal. Siehst Du dort diese grünlich schimmernde, alte,
fiese Opa-Unke? Dieses Miststück? Dieses verdammte, aus dem
Altenstift gezogene, hierhin gebrachte, verworrene Stück Blödheit?
Scheiß ihm in die Stiefel! Scheiß sie ihm randvoll kaputt! Hol` alles raus
aus Deinen Schläuchen, laß alles fahren! Und noch eines geb` ich Dir
mit auf den Weg: Putz` Dir nachher den Popo schön ab!
(Doc Snyder)
c) Der Honk als Sackgesicht
Anarchist, Ignorant, Sackgesicht. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Honk eben. Da weiß jeder gleich Bescheid, was Sache ist. Anarchist,
Ignorant, Sackgesicht. Ähnlich wie Vater, Sohn, Heiliger Geist. Da
weiß dann auch jeder gleich Bescheid. Keine Fragen mehr offen, alles
geklärt. Was gesagt werden mußte, wurde gesagt. Widmen wir uns
abschließend also der Charakterisierung des Honk als Sackgesicht. Und
zwar nicht bloß als irgendein x-beliebiges Sackgesicht, nein, sondern
vielmehr als Germany`s Biggest Sackgesicht, so wie es der Titel des
Buches bereits so furchtbar verheißungsvoll andeutet.
Nun ist die Sache mit der Charakterisierung als Sackgesicht natürlich
erheblich leichter gesagt als getan. Denn wie können wir jemanden als
etwas charakterisieren, dessen Bedeutung sich uns noch gar nicht
erschließt?! Oder anders gefragt: Was ist überhaupt ein Sackgesicht?
Gemäß herrschender Meinung im Internet ist bei Herleitung der
Definition der Titulierung Sackgesicht in erster Linie auf äußere
Merkmale abzustellen. Hierbei muß grundsätzlich zwischen zwei Fällen
unterschieden werden: Zwischen dem tatsächlichen und dem optischen
Sackgesicht.
249
Das tatsächliche Sackgesicht ist dadurch klassifiziert, daß es eine Art
Stofftüte oder Jutesack über den Kopf gestülpt trägt, ähnlich einem
Henker oder einem Mitglied des Ku-Klux-Klans. Dies kann einerseits
aus Gründen der Anonymität geschehen, andererseits aus Gründen der
eigenen Einsicht des Trägers in seine schier unglaubliche und
abgrundtiefe Häßlichkeit. Letztere Motivation kommt beispielsweise bei
Jason Vorhees in Freitag der 13. Teil II zum Tragen: Boah, sehe ich
vielleicht mal voll Scheiße aus! Zack, Tüte über`n Kopp, Machete in die
Hand, gleich viel besser. Respekt! Ferner existieren Gruppierungen, bei
denen eine Mischung aus beiden Motiven vorliegt, also Wahren der
Anonymität und Verbergen der fiesen Hackfresse. Ein Beispiel hierfür
sind die Jungs und Mädels von Al-Qaida & Co. oder auch das OsamaSurvival-Camp.
Dieser Definition kann der Honk allerdings nicht zugeordnet werden.
Zum einen zieht er seinen Wahnsinn aus ehrlicher Überzeugung durch,
was dem Prinzip einer Maskierung aus Anonymitäts-Gründen
grundlegend widerspricht. Wenn schon Honkytonk, dann auch richtig.
Da kann dann jeder auch gleich mal sehen, von wem es kommt. Und
zum anderen sieht unser Honk einfach so unglaublich gut aus, daß er
seine Schönheit und seinen Glanz unter gar keinen Umständen unter
einem Jutesack verbergen dürfte. Da hätte keiner was von.
Das optische Sackgesicht definiert sich dagegen durch eine untypische,
auf Nase und Kinn fokussierte, optische Abnormalität. Hierbei
symbolisiert eine überdurchschnittlich lange und bananenförmig
gebogene Schlauchnase den männlichen Penis, während zudem ein
stark der Norm abweichendes, übermäßig hängendes und extrem
faltiges Doppelkinn als Metapher für den männlichen Hodensack
anzusehen ist. Das Gesicht als Ganzes ähnelt somit stark einem
männlichen Genitalbereich.
Auch diese Definition erweist sich im Falle unseres Honk als
unbrauchbar. Das optische Sackgesicht ist zumeist vielmehr fiktiver
Natur und kommt daher eher bei komödiantischen Illustrationen oder
grotesken Karikaturen zur Anwendung. In der Realität -und auch
insbesondere im Honkland- wird man ein optisches Sackgesicht
dagegen kaum finden können.
250
Aufgrund genannter Umstände, also Ablehnen einer anonymen
Maskierung bei ansonsten optischer Einwandfreiheit ohne dominante
Merkmale an Nase oder Kinn, kommt eine Typisierung unseres Honk
als tatsächliches oder optisches Sackgesicht nicht in Betracht. Bleibt
daher lediglich noch zu prüfen, ob unser Honk als metaphorisches
Sackgesicht typisiert werden kann. Also eine Einordnung als
sinnbildliches Sackgesicht, welches eher auf charakterliche Attribute
abstellt. Dies wäre dann der Fall, wenn unser Honk innerlich so madig
und ranzig und zugeschissen wäre, daß man sich das eigentlich gar nicht
mehr vorstellen kann. Und auch gar nicht will. Also eine extrem madige
Extrem-Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein
ranziger Schakal und natürlich auch noch ein riesengroßer Peniskopf.
Mindestens. Natürlich alles rein charakterlich gesehen. Charakterlich
also voll krass fehlgeleitet. Dann, ja dann spräche man zweifelsohne
von einem Sackgesicht. Natürlich alles rein metaphorisch, aber trotzdem
Sackgesicht. Sackgesicht ist Sackgesicht, und nur darum geht es hier.
Insoweit erscheint es nur logisch, an dieser Stelle zu hinterfragen, ob
unser Honk vielleicht generell und komplett und voll krass fehlgeleitet
ist. Im gesellschaftlichen Leben, also als Anarchist und Ignorant, scheint
dies umstritten. Böse Zungen mögen es Amok und Chaos und Pfui
nennen, der Honk nennt es Fortschritt. Und natürlich Freiheit, klar.
Aber wie sieht es beim Honk intern aus? Also in seiner Rübe, in seiner
Birne, in seinem Kürbis. Ist dort Amok, Chaos und Pfui oder vielleicht
sogar Matsch? Holz, Stroh, Erde, Torf, Sand? Oder ist dort Fortschritt?
Innovation, Freiheit, Leben? Sonne, Mond, Sterne?
Um dem auf den Grund zu gehen, erscheint es sinnvoll, zunächst
diverse alltägliche Lebensbereiche und -situationen unseres Honk zu
beleuchten. Und selbstverständlich schenken wir hierbei den Frauen als
erstes unser Augenmerk. Na klar, unseren Frauen, wem denn auch
sonst?! Unseren Amazonen, unseren Kapitänen, unseren Grazien,
unseren Hühnern. Unseren Frauen eben, ich freu` mich.
251
Betrachte die Anwesenheit von Frauen als eine notwendige
Unannehmlichkeit im Leben, und vermeide sie so weit als möglich.
(Leo Tolstoi)
Wonderland, wonderland, shining stars, jingle bells, this time is filled
with magic. Wonderland, wonderland, shining stars, jingle bells, all
over the world.
(Heidi Klum)
aa) Honk und Frauen
Mit den Frauen ist das so eine Sache. Selbstverständlich ist der Honk
ein absoluter Frauen-Versteher. Das sollte mittlerweile klar geworden
sein. Niemand kann Frauen so gut verstehen wie der Honk. Die ganze
Sache hat nur einen Haken: Je mehr man die Frauen versteht, desto
weniger wird man aus ihnen schlau. Man versteht quasi alles, nur ergibt
es einfach keinen Sinn. Es fehlt die Logik, und wie sie fehlt, sie fehlt an
allen Ecken und Enden. Einfach keine da.
Das geht ja schonmal bei der Bezeichnung als schwaches Geschlecht
los. Schwaches Geschlecht, wie kann denn das wohl noch gemeint sein?
Wo kommt denn das mal bitte her? Das kann ja wohl höchstens ein
Überbleibsel aus alten Zeiten sein. Als der feine Herr noch hoch zu
Pferde saß und in die Schlacht ritt. Von da muß das noch übrig sein.
Denn wenn man sich unsere moderne Amazone von heute ansieht, wie
sie stolz und grimmig ihre Exxon Valdez durch den Straßenverkehr
manövriert, dann sind doch Kapitän Kirk und Luke Skywalker ein
Scheißdreck dagegen, mal echt jetzt.
252
Hier, nur mal so als zum Beispiel:
Luke, Obi-Wan hat Dir nie erzählt, was mit Deinem Vater passiert ist.
Nein, aber mit meiner Mutter, die steuert einen Sternen-Zerstörer.
So sieht`s doch nunmal aus. Also Pustekuchen von wegen schwaches
Geschlecht. Die moderne Frau von heute hat den weinerlichen Mann
längst überholt, sogar beim Testosteron. Man muß sich das Elend nur
einmal angucken. Haarsträubend. Besorgniserregend. Und vor allen
Dingen: Es gibt kein Zurück mehr. Hat unser Amazönchen erst einmal
das Ruder übernommen, gibt sie es nicht wieder her. Nie, nie mehr.
Und das ist auch gut so, das ist sogar richtig lustig so. Denn nun kann
man sich als Mann -und insbesondere als Honk- zurücklehnen und
höchst amüsiert beobachten, was unser Amazönchen als nächstes tut.
Also wenn sie ihr Primärziel, den Mann zu unterjochen, erreicht hat.
Dann hat sie auf ganzer Linie gesiegt, und zwar für immer. Denn ein
nachträglicher Aufstand oder gar eine Meuterei des Mannes ist gänzlich
ausgeschlossen. Sowas endet immer übel, und immer für den Mann. Für
das moderne Männlein, das Männchen. Ganz übel, und daher läßt man
es lieber gleich bleiben und harret der Dinge, die denn da nun folgen
werden. Und die sind lustig, richtig lustig.
Denkbar ist fast alles. Den tonnenschweren Reisebus haben wir
ausreichend durchgekaut. Was auch immer total geil kommt, sind diese
doppelten Nachnamen. Uiuiui. Sehr extravagant, très chic. Très
magnificent. Also so wie bei den Politikerinnen und BerufsschulLehrerinnen. Um die Eigenständigkeit und Importanz und sonstwas
ganz brachial und völlig unumstritten hervorzuheben. Zack. Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger. Der macht fast eine ganze Zeile voll,
meine Fresse. Herta Däubler-Gmelin. Kling auch sehr geil. Oder hier,
mal einer aus dem Bereich Sport: Gunda Niemann-Stirnemann. Mann,
Mann, Mann. Mein lieber Mann. Keine Ahnung, was da in den Hühnern
vorgeht, aber als Mann hält man da auch lieber die Fresse, ist besser.
Langeweile, Komplexe oder einfach nur Bock auf einem beschissenen
Nachnamen. Alles möglich, alles denkbar. Bloß nicht nachfragen, bloß
nicht laut aussprechen.
253
Denn bei der Wahl extrem raffinierter Kinder-Namen ist unsere
moderne Amazone nicht minder kreativ: Maurice-Joel, Jason-Leon,
Finn-Ole, Leon-Pascal, Chiara-Sophie, Mia-Marie. Endgeil. Liest sich
wie die Darsteller-Liste eines holländischen Low-Budget-Pornos. Und
zack, gleich noch zwei, drei geile Aufkleber an die Exxon Valdez hinten
dran. Zack. Vivienne-Leonore on Tour. Natürlich. Tyler-Finn on Board.
Auch schön. Und so zeitlos und elegant und sinnvoll. Selbstverständlich
viel zeitloser und eleganter und natürlich auch viel sinnvoller als die
Aufkleber Show-Stopper und Pussy-Wagon, die an meinem Benz hinten
dran kleben. Das steht natürlich völlig außer Frage. Sollte ich einmal
ungewollt eigene Kinder haben, wird der Junge Ulf-Wulf-Ralf-Rolf-Wolf
und das Mädchen Mandy-Sandy-Handy-Candy heißen. Kein Scherz.
Auch immer sehr geil anzusehen: Wenn unsere dann meist doch etwas
korpulentere Grazie unter Zuhilfenahme von zwei dürren, klapprigen
Metall-Krückstöcken ganz dynamisch mit ihren anderthalb Zentnern
durch Wald, Wiese und Feld schlurft. Nennt sich Nordic Walking und
macht überhaupt keinen Sinn. Sieht dafür aber völlig beknackt aus. Also
ideal für Frauen. Kommt gleich nach Joga und Esoterik-Kram. Hat
wahrscheinlich alles ein und derselbe Kerl erfunden. Wahrscheinlich
derselbe Arsch, dem wir den Multivan zu verdanken haben. Besten
Dank dafür. Stößchen.
Man könnte die Liste endlos fortführen, denkbar sind die skurrilsten und
bizarrsten Dinge. Denn wenn unser Amazönchen erstmal außer Rand
und Band geraten ist, können die merkwürdigsten Sachen geschehen.
Frau Mandy-Candy Schultz-Schulz-Schultz läßt sich von ihrem Mann
Randy in deren Ford Galaxy zum Nordic Walking bringen und
anschließend ins Nagelstudio zum Fuß-French. Heiliger Bimbam!
Gänsehaut. Geisterbahn. Als wenn das noch irgendwas nützen würde.
Geht mal alles gar nicht! Und jetzt könnte man als lebensmüder Randy
daherkommen und seiner Grazie erzählen, daß sie ihren fetten Arsch
mal lieber zwei, drei Stunden pro Woche auf sinnvollen Sportgeräten
wie Ergometer oder Crosstrainer bewegen könnte. Statt albern mit
Krücken durch die Gegend zu latschen und sich ihre pottenhäßlichen
Stinkemauken und Hammerzehen auch noch für teure Kohle anpinseln
zu lassen. Das könnte unser lebensmüder Randy seiner Mandy-Candy
nun erzählen, und Recht hätte er. Und wie er das hätte.
254
Aber Recht haben und Recht bekommen sind zwei paar Schuhe.
Konnten wir ja bei unseren kleinen Ausflügen in die bunte Welt der
Justiz bereits erschöpfend eruieren. Und während die Justiz vereinzelt
noch Milde walten läßt, kennt unser modernes Weibchen bei sowas
keine Gnade. Keine Gnade, niemals, und es wird auch nicht lange
gefackelt. Ein dezenter Hinweis auf den positiven Nutzen eines
modernen Fitness-Gerätes hätte -insbesondere in Verbindung mit dem
Schlüsselwort fetter Arsch- verheerende Konsequenzen für unseren
Randy. Ließe er sich zu solch einem kecken Hinweis hinreißen, wäre für
ihn alles verloren. Alles. Und nichts wäre mehr wie früher. Ganz
verheerend. Mit ein bißchen Pech wird unser Randy sogar sterben
müssen, denn mit ein bißchen Pech frißt ihn das Weibchen jetzt auf.
Und das ist auch einer der Gründe, warum sich unser Honk kein
Weibchen ins Haus holt, zumindest nicht dauerhaft. Deswegen, na klar,
und weil er noch nicht komplett bescheuert ist. Beim Honk muß man
sich das nämlich so vorstellen, daß die Hühner kommen und gehen.
Eines von beiden manchmal öfter, aber am Ende gehen sie alle. So viel
ist mal sicher. Ganz viel Spaß, ganz wenig Verpflichtung. So soll es
sein, und so muß es auch sein. Warum auch nicht, schließlich sind wir
alle weitestgehend erwachsen. Naja, die meisten zumindest. Und wenn
wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind, gibt es heutzutage auch keinen
einzigen rationalen Grund mehr, sich fest zu binden.
Liebe? Sollte es tatsächlich etwas wie Liebe sein? Ach woher denn!
Abstriche, Zugeständnisse, Gewohnheiten. Nicht mehr, nicht weniger.
Als würde man einen zehn Jahre alten Polo mit 60 PS kaufen und dann
anderen Vollidioten erzählen, man führe die Schleuder lieber als einen
Porsche oder SL500. Kompletter Blödsinn, völliger Nonsens.
Hanebüchenes Hühner-Gegacker, wie so oft. Und spätestens jetzt sei
doch bitte mal eine Frage gestattet. Ein elementare Frage, fürwahr,
geradezu eine Fangfrage. Sozusagen die 500.000-Euro-Frage: Warum
zur Hölle sind eigentlich so viele total hübsche Frauen mit solchen
totalen Voll-Gurken zusammen?! Mit absoluten Ladenhütern und
Gesichts-Petern. Unfaßbar. Und für einen normalen Menschen bzw. für
einen normalen Mann nicht nachvollziehbar. Frauen-Logik eben. Steigt
kein Mann durch, weil kein Sinn dahinter. Nur der Honk als besonderer
Frauen-Versteher weiß es: Gewöhnung heißt das Wort der Stunde.
255
Gewöhnung. Phantastisch. Und auch ganz einfach. Gewöhnung tritt
nämlich immer dann ein, wenn unser kleines Amazönchen einen Mann
kennenlernen muß. Beispielsweise als Arbeitskollegen oder als Mitglied
des bis zur Perversion aufgeblähten Bekanntenkreises. Dann passiert
etwas ganz Tolles, etwas ganz Außergewöhnliches. Denn dann gewöhnt
sich unser Amazönchen mit der Zeit an diesen Mann. Völlig egal, wie
beschissen, ekelhaft, abstoßend und widerlich sie ihn anfangs fand.
Irgendwann tritt Gewöhnung ein. Und es wird relativiert, und zwar im
ganz großen Stil. Abstriche werden gemacht, es wird schöngeredet. Et
voilà, irgendwann findet unser Amazönchen den anfänglichen
Kotzbrocken gar nicht mehr so ekelhaft und widerlich und häßlich.
Lernt ihn kennen und schätzen. Sieht seine guten Seiten, seinen
Charakter. Verliebt sich irgendwann.
Tja, und dann haben wir den Salat. Die hübsche, kleine Fee und die
Voll-Gurke. Was für ein Paar, was für ein Bullshit. Bullshit hoch
sonstwas. Auf sowas können echt nur Hühner kommen. Während sich
der Mann die Frau schön-saufen kann, muß sich die Frau den Mann
schön-kennenlernen bzw. schön-abstreichen. Oh Mann. Und dann hat
man irgendwann das lustige und mittlerweile gängige Bild, daß ein
absoluter Gurken-Knecht und Gesichts-Peter mit einer richtig geilen
Tante zusammen ist. Und damit meine ich richtig geil, nicht irgendein
dusseliges Casting-Opfer oder eine dummblondierte Plastik-Frutte.
Man möchte unsere Amazönchen geradezu rütteln und schütteln und
ihnen ins Gesicht schreien:
Höret her, höret her, liebe Amazonen und Amazönchen da draußen!
Nicht jeder geil aussehende Kerl mit Charakter ist schwul.
Läßt man aber lieber, hat eh keinen Sinn. Sie können es nicht hören, sie
wollen es nicht hören. Und selbst wenn sie es hören könnten, verständen
sie es nicht. Und wenn sie es verständen, würden sie es nicht wahrhaben
wollen. So sieht es nunmal leider aus. Die meisten Mädels sind so
festgefahren in ihren mittelmäßigen Beziehungen, daß sie überhaupt
nichts mehr merken. Kriegen nichts mehr mit. Mittelmäßigkeit als Maß
der Dinge. Mittelmaß im Job, Mittelmaß in der Beziehung, Mittelmaß
im Leben. Ätzend. Aber wer`s mag.
256
Als Honk mag man sowas natürlich überhaupt nicht. Als Honk findet
man sowas vielmehr völlig inakzeptabel. Denn für einen Honk gibt es
kein Mittelmaß. Entweder geil oder nicht geil. Eines von beiden. Aber
gewiß nicht geil mit Abstrichen. Halbgeil. Partiell geil. Bullshit! Sowas
gibt es nicht. Keine Ahnung, warum die Hühner das tun, aber sie tun es.
Machen Abstriche und Abstriche und Abstriche und haben dann
irgendwann den absoluten Lackkasper zum Kerl. Glückwunsch, ganz
herzlichen Glückwunsch. Voll das Abstrich-Männchen, voll die
Zwiebel, voll für`n Arsch. Stößchen. Dabei könnten sie stattdessen
richtig geile Typen haben. Ja, richtig geile Typen, liebe Hühner.
Vielleicht sogar einen Honk! Ja, ganz genau, einen Honk. Kein Witz.
Vielmehr Drama. Was für ein Drama, was für eine Tragik. Furchtbar.
Aber egal, man kann nicht alles haben. Und die Hühner wollen das ganz
offensichtlich auch nicht, die lieben Mittelmaß und Gurken.
Und genau deswegen geht man als Honk keine dauerhafte und feste
Bindung ein: Weil man als Honk gar nicht so viele Macken haben kann,
wie die Hühner bräuchten, um genügend Abstriche machen zu können,
um sich so schön sicher und so komfortabel mittelmäßig fühlen zu
können. Naja, und weil man dann doch auch ganz gern mal ein wenig
Abwechselung in der Kiste haben möchte. Wer will schon tagein tagaus
mittelmäßigen, halbgeilen Hackbraten?! Also der Honk schonmal nicht,
bäh. Der Honk braucht Abwechslung, auf dem Tisch und auch in der
Kiste, das hat er gern. Und nein, der Honk geht auch nicht mit Fräulein
Schnäuzchen und irgendwelchen Casting-Opfern in irgendeine MäckesBude und bestellt dort mit gewohnt dämlichem Grinsen einen
American-Sonstwas-Burger mit Fritten. Das macht der Honk dann aber
mal nicht, denn er ist nicht komplett bescheuert. Abwechslung ja,
Schwachsinn nein. Also alles wie gehabt.
257
Who doesn`t look for someone to hold, who knows how to love you
without being told. Somebody tell me why I`m on my own, if there`s a
soulmate for everyone.
(Natasha Bedingfield)
bb) Honk allein zu Haus
Insoweit bleibt man als Honk lieber allein zu Haus. Abstriche mag man
keine machen, und die Chance, irgendwann einmal die Richtige zu
finden, ist ähnlich hoch, als träfe man einen Vollidioten auf dem UniCampus. Also eher nicht so hoch. Eher gering. Den Rest erledigt der
Umstand, daß die meisten richtig geilen Frauen in jahrelangen,
mittelmäßigen, stinklangweiligen Beziehungen mit
diversen
mitteprächtigen Gurken feststecken. Ätzend. Voll ätzend. Aber nicht zu
ändern. Abstreichen ist das Motto der Stunde, Gewöhnung das Wort der
Woche. Zumindest bei den Hühnern. Krah!
Und wenn der moderne Gurken-Mann nicht irgendwann mal fremdgeht
oder beim wöchentlichen Spiele-Abend vor Aufregung ganz spontan an
einem Herzinfarkt verstirbt, ändert sich auch nichts daran. Dann halten
diese optisch divergenten Beziehungen zwischen geilem Hühnchen und
ungeiler Gurke scheinbar ewig. Sie halten und halten und halten. Gähn.
Denn daß unser Gurken-Mann eines Tages fremdgeht, ist fast gänzlich
auszuschließen. Vielleicht mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 0,01
Prozent. Eher noch geringer. Also eher unwahrscheinlich. Sehr
unwahrscheinlich sogar. Höchst unwahrscheinlich. Unwahrscheinlich,
aber nur logisch. Denn keine andere Frau -außer seiner eigenen,
gewöhnten, abstreichenden Frau- guckt den modernen Gurken-Mann so
Mitte 20 bis Anfang 40 auch nur mit dem Arsch an. Und das
vollkommen zu Recht, vollkommen verständlich. Fremdgehen völlig
ausgeschlossen, weil Mann einfach zu gurkig. Keine andere Olle will
sowas, und das völlig zu Recht.
258
Na, wenn da mal nicht sogar System dahintersteckt?! Also seitens des
Hühnchens. Hühnchen-System sozusagen. Also absichtlich einen
Gurken-Mann suchen, diesen schön-abstreichen, sich an ihn gewöhnen
und sich dann sicher fühlen. Sicherheit vor Geilheit. Sagt bitte, liebe
Hühnchen, ist das Euer System? Dieses hier:
Gurken-Mann Abstreichen Sicherheit
Na, das ist ja mal ein geiles System. Geiles System, geiles System. Ein
brillantes, tollkühnes und einzigartiges System. Hieb- und stichfest.
Dagegen läßt sich nichts mehr einwenden. Außer dem hier vielleicht:
Scheiße
Scheiße Scheiße
Also Scheiße, einfach nur Scheiße. Es ist ein Scheiß-System, es ist ein
Hühnchen-System. Ohne Sinn und Verstand, eben aufgebaut auf
Hühnchen-Logik. Das ist ähnlich bescheuert und hirnfrei, als würde
man mit drei anderen Vollopfern im Schlepptau mit folgendem,
gewohnt epochalem Statement in einen Mäckes reinlatschen:
Regel Nummer Eins: Models lächeln immer!
Ja natürlich, wie konnte ich das nur vergessen?! Immer lächeln!
Lächeln, lächeln, lächeln. Denn wenn es unserer lustigen Gesellschaft
an einem mangelt, dann ja wohl an noch mehr Dauergrinsen. Job
verloren? Frau weg? Ganz egal, immer schön lächeln, hahaha, Leben
geht weiter, alles schön. Dauergrinsen, Dauergrinsen, Dauergrinsen.
Nur darum geht es. Idealerweise immer von den gleichen Hackfressen,
das ist auch ganz wichtig. Piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb. Die
einen grinsen sich um ihr letztes bißchen Resthirn und casten sich zu
Tode, während die anderen der Sicherheit wegen Gurken-Männer
abstreichen. Halleluja! Man könnte laut auflachen, wenn es nicht so
bescheuert wäre. Immer lächeln. Eine lustige Welt, eine bunte Welt,
eine schöne Welt, und natürlich auch eine heile Welt. Glückwunsch.
Glückwunsch an uns alle, na klar. Und Stößchen.
Die erste Regel des Fightclub lautet:
Ihr verliert kein Wort über den Fightclub!
259
Das wäre doch mal etwas zeitgemäßer und realistischer. Fightclub.
Fightclub für alle. Statt dämlichem Dauergrinsen. Lieber ein paar
ehrliche Fäuste in die Fresse, als sich ununterbrochen und besonders
hirnverbrannt irgendwann ins Koma zu grinsen. Jeder kann mitmachen.
Die ganze Familie. Fightclub für alle. Wie im Heidepark. Nur nicht
ganz so lustig. Also eher Aggro-Park, der Freizeit-Park für die etwas
andere Familie. Für die etwas zeitgemäßere Familie von heute. Die
Aggro-Familie, wie geil. In der die Dinge etwas anders gehandhabt
werden. Etwas fortschrittlicher. Smile, grins, lach? Und Peace? Und
vielleicht noch Victory? Und zack! Paar auf`s Maul. Zack. Etwas keck,
aber hilft. Durchaus tollkühn. Stoppt im Bruchteil einer Sekunde
jedwedes Dauer- und Komagrinsen beliebiger Art.
Regel Nummer Eins: Debiles Dauergrinsen gibt was in die Fresse!
Unbelievable, ganz klar, jedoch reines Wunschdenken. Der Honk als
illusionärer Zweckoptimist. Aggro-Park, eine schöne Idee. Lustige
Vorstellung, interessante Vorstellung. Aber leider umsonst. Aggro-Park
wird es leider so schnell nicht geben. Es wäre auch zu schön gewesen.
Nicht mehr Hau` den Lukas, sondern Kick` das Klümchen. Hach, wie
geil das denn nun wieder wäre. Aber unrealistisch, viel zu unrealistisch,
und deswegen wird dämlich weiter gegrinst. Egal.
Aggro-Park ist also leider etwas unrealistisch. Aber genauso
unrealistisch ist oben erwähntes Hühnchen-System des Abstreichens.
Also Gurken-Mann angeln, schön-abstreichen, sicher fühlen.
Beziehungsweise Scheiße, Scheiße, Scheiße. Es ist nun nicht so, daß das
System nicht nur an sich schon total Scheiße ist. Nein, zudem ist es
völlig irrational. Ja wie, irrational? Ist doch klar. Eben HühnchenSystem. Also völlig irrational und von vornherein zum Scheitern
verurteilt, weil es die grundlegendste aller männlichen Eigenschaften
komplett unberücksichtigt läßt: Das Testosteron! Auch auf die Gefahr
hin, nie wieder eine Frau für länger als zwei oder drei Nächte zu finden:
Liebe Hühnchen, jeder Mann geht fremd. Ohne Wenn und Aber. Er
muß es geradezu tun, es liegt in seinen Hormonen. In seinen Trieben. In
seinem Testo. In seinem Sack. Und zwar in seiner Sack-Suppe. Und
Sack und zack, ist die Katze auch gleich mal aus dem Sack. Die Bombe
ist geplatzt, und das ist auch gut und richtig so.
260
Liebe Hühnchen, bitte glaubt Euren Gurken-Männern nicht alles.
Beziehungsweise könnt Ihr meinetwegen glauben, was Ihr wollt. Ihr
glaubt ja auch an Nordic Walking, Exxon Valdez, Kinder-Schokolade
und den ganzen Wahnsinn. Also glaubt und macht, was Ihr wollt. Tut
Ihr eh, ich weiß, ich weiß, Ihr seid ja so verdammt endgeil emanzipiert
und souverän und überhaupt. Na klar, ist doch auch alles ganz toll so.
Aber an all diejenigen Hühnchen an draußen, die noch nicht komplett
gaga obenrum sind: Liebe Hühnchen, auch Eure abgestrichenen, äußerst
holden und sehr edlen Gurken-Männchen gehen fremd. Eure Gürkchen.
Und zwar, sobald sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Ausnahmslos.
Diejenigen, die Euch ewige Treue heucheln, hängen bei entsprechender
Gelegenheit auf dem nächstbesten geilen Hühnchen drauf. Zack. Drauf
da. Zack, hopp, drauf. Amazing. Stößchen.
Nein, nein, ach woher denn. Alles reine Angst- und Bangemacherei vom
blöden Honk. Alles Schikane, alles Neid, alles sonstwas. Ist alles gar
nicht so. Bei meinem Gürkchen nicht. Mein Gurken-Männlein ist ganz
toll treu. Okay, wenn Ihr Euch dann besser fühlt. Dann nur zu. Dann ist
Euer Gürkchen eben treu, dann reiht Euer Gürkchen doch bitte in Eure
Phantasiewelt ein. Irgendwo zwischen Container-Schiff und Pilates.
Paßt ganz gut. Paßt ganz gut da rein. In den Wahnsinn. Zack und rein.
Abgestrichen und eingereiht. Und ab dafür. Stößchen.
Sollte ein Mann tatsächlich über einen längeren Zeitraum treu sein
können (von wollen kann eh keine Rede sein), dann liegt dies nicht am
Mann selbst oder an irgendeinem schwülstigen Treueschwur oder an
ähnlichem komischen Kokolores, sondern am Mangel sich bietender
Möglichkeiten. Und Mangel sich bietender Möglichkeiten heißt in den
meisten Fällen einfach nur, daß der Mann zu gurkig ist. Zu gurkig,
schlichtweg zu gurkig. Und zwar so elementar und übelst abgrundtief
gurkig, daß ihn kein anderes Hühnchen auch nur im Entferntesten mit
dem Arsch angucken will. Keine Chance, nichts geht. Gelegenheiten
und Hühnchen gäbe es en masse, nur bringt unser Abstreich-Gürkchen
nicht die erforderlichen Voraussetzungen optischer und sonstiger Natur
mit. So einfach ist das. Alles ganz einfach, alles kein Zauber, alles kein
Hexenwerk. So, und auf diesem Bullshit baut nun ganz offensichtlich
das komplette Hühnchen-Abstreich-System auf. Bewußt bzw.
wahrscheinlich meist eher unbewußt.
261
Bewußt hieße ja nichts weiter, als daß sich unser modernes Hühnchen
eingestehen müßte, einen so fiesen Gurken-Knecht am Start zu haben,
daß sich alle anderen Hühnchen entsetzt und voller Grausen von seinem
Anblick abwenden. Puh, geht der mal gar nicht. Widerlicher Typ. Igitt,
geh` weg! Na, und das möchte unser modernes Hühnchen ja nun auch
wieder nicht. Also ist vielmehr davon auszugehen, daß das ganze
schöne Abstreich-System eher unbewußter Natur ist. Unser modernes
Hühnchen streicht also unbewußt ab. Bildet sich ein, daß ihr Gürkchen
an sich eigentlich doch ganz geil und smart und so wäre. Und natürlich
treu. Treu noch dazu, treu ist auch ganz wichtig, treu muß sein.
Zumindest in der Phantasiewelt des modernen Hühnchens. Denn in der
Realität sieht es mit treu ganz anders aus.
Böte sich unserem modernen Gürkchen in der Realität die Gelegenheit
zwangloser Fremdvögelei, dann ginge die Post ab, aber mal so richtig.
Und zwar nicht zu knapp. Vielleicht auf einer Party. Unser Gürkchen
fährt zu einer Party. Alles ehemalige Schulkollegen von früher, vom
Abi, egal. Vielleicht sogar so eine Abi-Revival-Party. Und unser
Gürkchen übernachtet da. Weil die Party in Hamburg ist. Und Gürkchen
vielleicht aus Hannover oder Kassel kommt und keine Lust hat, nachts
dorthin zurück zu gurken. Nach Hause, zum Hühnchen. Nein, Gürkchen
übernachtet beim Kumpel in Hamburg, und das ist auch in Ordnung so,
denn Gürkchen ist ja treu. Und sobald Gürkchen im Zug sitzt, kann er
nur noch an die geile Brünette denken, die er damals beim Abi-Ball
geknattert hat. Die geile Brünette mit den feisten Hupen. Hoffentlich ist
die auch da, hoffentlich ist die auch da.
Und die ist dann mal auch da, und zwar sowas von. Zwar 15 Jahre älter
und ein, zwei Falten und Haare etwas kürzer, aber noch immer
dieselben geilen, feisten Hupen. Halleluja. Der Rest dürfte eigentlich
jedem klar sein. Zwei, drei Drinks, um die Unsicherheit und Angst zu
glätten, danach geht unser Gürkchen zum Brünettchen hinüber. Eine
bißchen Blablabla und Hahaha und Tralala. Und dann Tschüß, wir
müssen heim, teilen uns ein Taxi zum Bahnhof. Sicher, sicher, zum
Bahnhof. Logischerweise geht es nicht zum Bahnhof, sondern in ein
Hotel. Vielleicht sogar ins Grand Elysée, falls unser Gürkchen den
nötigen Stil und das nötige Kleingeld hat. Mindestens Park-SüdZimmer, sehr geil, aber zum Vögeln besser noch eine Eck-Suite.
262
Und damit genug der Hotelführung, denn darum geht es hier gerade
nicht. Hier geht es gerade vielmehr darum, daß sich unser Gürkchen mit
dem Brünettchen im Grand Elysée eine Eck-Suite im fünften Stock
klarmacht, um das Brünettchen dort über Nacht und auch am nächsten
Morgen nach allen Regeln der Kunst mal so richtig schön zu vögeln.
Kompromißlos durchgevögelt. Schließlich sieht man sich nur alle paar
Jahre, während man das Muttchen daheim jeden Samstag durchnagelt.
Und zu besonderen Anlässen auch ausnahmsweise mal unter der
Woche. Aber besser nicht, bringt nix.
Also die rare Gelegenheit mit dem geilen Brünettchen voll ausnutzen
und die komplette Eck-Suite kurz und klein vögeln. Bett, Sofa,
Sideboard, Klo, Dusche, Garderobe, Konferenz-Zimmer, alles. Zack.
Stößchen. Von vorne bis hinten und von hinten bis vorne und von oben
nach unten und von unten nach oben und wieder von vorn und
überhaupt.
Liebe Hühnchen und Amazönchen, das ist die Realität. Setzt dem
modernen Gürkchen-Mann einen heißen Fick-Schlitten vor, wägt ihn in
der Sicherheit, daß alles unentdeckt bleibt und nichts auffliegt, vielleicht
noch ein, zwei Drinks dazu, und er wird es tun. Er wird es tun, definitiv.
Er muß es sogar tun, Testosteron sei Dank. Die Natur hat uns Männer
mit Testosteron gesegnet, uns Honks geradezu damit überschüttet. Und
das ist auch gut und richtig und sehr geil so. Kompromißlose FickMaschinen, notgeile Affen-Menschen, abartige Latten-Monster. Sobald
sich eine flauschig-buschige Möse in unmittelbarer Sicht- bzw.
Penetrierweite befindet, setzt der männliche Verstand aus, und es geht
scharf. Geil, geil, geil. Endgeil.
Es ist so, liebe Hühnchen, es ist so. Glaubt es, oder laßt es bleiben. Aber
gebt bitte nicht dem Honk die Schuld, der ist dafür nicht verantwortlich.
Der kann da nichts zu, echt nicht. Der Honk ist nicht der Anti-Christ.
Der Honk nennt nur das Kind beim Namen, spricht das Offensichtliche
und Unvermeidliche aus. Sorry, falls das irgendwelche Illusionen von
Sicherheit und Treue zerstört. Ihr kommt drüber weg. Ganz bestimmt.
Notfalls noch einmal zu Punkt b) dieses Kapitels zurückblättern,
Ignoranz üben, kommt gut. Bringt Sicherheit und Treue sofort zurück,
abfeier...
263
Und weil das alles so schön und lustig und witzig ist, und zudem der
Honk seine naturgegebene Geilheit nicht verleugnen kann und aber
auch gar nicht will, bleibt er lieber gleich mit dem Arsch zu Hause. Und
zwar allein. Zack. Ist besser so. Honk allein zu Haus. Meistens
jedenfalls. Ist besser. Keine mittelmäßigen Alibi-Beziehungen, keine
ausgelutschten Pseudo-Partnerschaften, keine langweiligen AbstreichBindungen. Die allesamt dann enden, wenn einer der Partner
fremdvögelt und sich idealerweise auch noch in den neuen BumsPartner verknallt. Dann ist auf jeden Fall mal Stößchen angesagt. Und
ganz besonders herzlichen Glückwunsch. Nee, so eine Scheiße gibt`s
dann aber auch mal nicht im Honkland.
Was jetzt allerdings nicht heißt, daß unser Honk ein Eremit ist. Das auf
keinen Fall. Zwar vermeidet unser Honk diverse Gesellschaft so weit als
möglich. Das heißt jetzt aber nicht, daß er völlig isoliert lebt. Im
Gegenteil, der Honk liebt flüchtige zwischenmenschliche Beziehungen.
Insbesondere mit Frauen. Und über Nacht. Also Honk und Frau und
Nacht. Das kommt gut, da ist der Honk dabei, das macht Laune. Paar
Pullen Sekt oder Wein dazu, zack, Stößchen, besser geht nicht.
Mittlerweile hat der Honk im Grand Elysée sogar Hausverbot, ein
Jammer. Aber nicht zu ändern, denn so verlangt es die Natur. Und den
Naturgesetzen muß auch ein Honk folgen.
Aber bitte nichts Dauerhaftes. Wenn das bitte auch klar sein dürfte.
Zumindest nichts, was man sich vorher erst noch abstreichen muß. Das
ist nichts. Nichts für den Honk. Wozu auch?! Warum sich an die
Macken der einen gewöhnen, wenn man morgen eine andere haben
kann, deren Macken man noch gar nicht kennt?! Na? Na? Fällt der
Groschen? Ja, er fällt und fällt und fällt, denn das hat System, das ist
Logik. Das strotzt nur so vor System und Logik. Honk-System, HonkLogik. Honkland eben. Und der Groschen fällt weiter.
264
Hör` mal, Ert, es war ein langer Abend. Ich hab` die ganze Nacht
herumgehurt. Ich hab` 12 Pullen Whisky hinter mir. Mein Sack brennt
wie Sau. Und jetzt willst Du mir weismachen, Du seiest der Nikolaus?
Was ist Dein Problem, Mann?! Hier, trink` mal `nen anständigen
Schluck, dann geht`s Dir vielleicht besser, Du Freak.
(Bernie)
Und der Groschen fällt und fällt und fällt...
Und fällt weiter...
Stößchen!
265
Ganz er selbst sein darf jeder nur, solange er allein ist. Wer also nicht
die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit. Denn nur wenn
man allein ist, ist man frei.
(Arthur Schopenhauer)
cc) Honk in Gesellschaft
Mit dem Honk in Gesellschaft ist das auch so eine Sache bzw. vielmehr
auch so ein Problem. Hauptproblem hierbei ist nicht die Gesellschaft
anderer Menschen an sich, beispielsweise in Form einer Sozialphobie
oder ähnlichen Wahnsinns, sondern vielmehr banales Geschwätz.
Banalstes Geschwätz sogar. Und der Honk steht aber mal gar nicht auf
Geschwätz. Schon gar nicht auf banales und banalstes Geschwätz. Da
sträuben sich ihm die Nackenhaare, und zack, geht ihm der Hut hoch.
Zack, hoch, ab. Solch banales und banalstes Blabla bringt die
Gesellschaft anderer Menschen jedoch zwangsläufig mit sich. Je mehr
Menschen, desto mehr schreckliches Geschwätz. Ist leider so, kann ich
nicht ändern. Proportionales Verhältnis zueinander. Teilweise sogar
überproportional, wenn sich die Leute untereinander erstmal in Rage
gesülzt haben. Dann ist guter Rat teuer.
Ich habe es versucht. Oh mein Gott, was habe ich es doch versucht.
Beziehungsweise hat es meine Ex-Frau mit mir versucht. Den
wahnwitzigen und von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch
unternommen, den Honk in eine bessere Gesellschaft einzuführen. In
eine feine Gesellschaft, feine Herrschaften, alle ganz fein. Hurra! Eine
feine Gesellschaft, eine Gesellschaft des Sülz und Bla und Gähn und so.
Phantastisch. Amazing. Was soll ich sagen, was soll ich sagen, es endete
im Fiasko. Fiasko Grande. Weil voll ätzend. Voll zum Kotzen. In
meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viele todlangweilige
Profilneurotiker und Frutten auf einem Haufen ertragen müssen. Meet
and see, see and go, fuck forever. Bla, sülz, kotz.
266
Und ich habe mich bemüht. Was habe ich mich bemüht! Es soll also
keiner daherkommen und sagen, daß ich mich nicht bemüht hätte.
Wahnsinn, wie ich mich bemüht habe. Ich habe mich so wahnsinnig
bemüht, daß man sich das gar nicht mehr vorstellen kann. So sehr habe
ich mich bemüht. Allenfalls noch eine Metapher kann hier ausdrücken,
wie wahnsinnig ich mich bemüht habe. Also wenn ich beispielsweise
ein Auto hätte, mit dem man maximal 250 km/h fahren kann, dann habe
ich mich so sehr bemüht, als hätte ich versucht, mit diesem Auto 400
km/h zu fahren, obwohl das ja gar nicht geht. Also geradezu aberwitzige
Bemühungen. Es soll mir also keiner kommen und sagen, ich hätte mich
nicht bemüht. Denn das stimmt dann nicht.
Einmal mußte ich mit meiner Ex-Frau zur Eröffnung eines neuen
Kosmetik- und Nagel-Studios. Soll heißen, eine mit meiner Ex-Frau
befreundete Kosmuschi (loool...) hat von ihren Eltern einen dieser
pompös-possierlichen Pinsel-Paläste angemietet und eingerichtet
bekommen. Und das völlig zu Recht, weil es ja heutzutage noch nicht
genug von diesen Dingern gibt. Also ähnlich wie mit F-Promis, CastingOpfern und Arbeitslosigkeit. Gibt es auch leider viel zu wenig von,
brauchen wir auch ganz dringend mehr von. Immer her damit, immer
her mit den Nagel-Butzen. Herrliche Butzen, vollgestopft mit allem,
was das postmoderne Amazönchen-Herz mit zu viel Zeit, Geld und
Langeweile begehrt. Plastik statt Laufband, das ist die Devise. Und das
ist auch gut und richtig so, denn der Honk steht total auf fette Ärsche
und bunte Krallen.
Kosmuschi ist übrigens eine Honk-Eigenkreation. Und zwar eine
Kombination aus den Worten Kosmetikerin und Uschi. Kosmuschi! Hat
der Honk im Laufe seiner zweijährigen Ehe selbst kreiert, paßt
irgendwie ganz gut, klingt putzig. Honks Ex-Frau war nämlich auch
eine kleine Kosmuschi, wer hätte das gedacht?! Aber egal, die halten
wir da raus. Zum einen war die Kleine zumindest eine Zeit lang echt süß
und cool, zum anderen ziemt es sich für einen Honk nicht, seine ExPartner zu verunglimpfen. Das gehört sich einfach nicht, denn das ist
äußerst bäh und zudem auch noch pfui. Und deshalb möchte der Honk
sowas nicht machen. Keine müden Kalauer über Ex-Partner. Ja, so ist
das im Honkland. Ein weiterer, äußerst charmanter, wenn auch nicht
gänzlich unerwarteter Charakterzug unseres Honk.
267
Egal. Drauf geschissen. Wir mußten also zu einer anderen Kosmuschi,
zur Eröffnung derer neuen Nagel-Butze. Boah, super. Da hatte ich mich
schon acht Wochen vorher voll drauf gefreut. Seit ich das nämlich
wußte. Und zwar so sehr drauf gefreut, daß ich kaum noch schlafen
konnte. Amazing, exciting, disgusting. Acht Wochen ohne Schlaf. Kein
Schlaf! Entsprechend beschissen war dann auch meine Laune. Voll zum
Kotzen. Sehr ärgerlich. Mit solch immenser Vorfreude um den
notwendigen Schlaf gebracht, daß im Umkehrschluß durch den
Schlafentzug meine Laune übelst beschissen war. Unfaßbar. Was für
eine Tragödie, was für eine Ironie. Leider konnten daran auch die
Akteure und Gäste der großen Eröffnungs-Party nicht viel ändern.
Meine Laune blieb beschissen.
Nicht einmal der Auftritt eines extrem smarten Schmalspur-Barden, der
irgendwann mal in irgendeiner Staffel von DSDS oder sowas in den
Top-Ten war und den man nun eigens und höchstpersönlich für diese
very importante Opening-Party hergeschafft hatte, damit er ein schönes
Liedchen trällert, konnte an meiner unvorstellbar miesen Laune etwas
ändern. Leider nicht. Denn so unbelievable und herrlich und sonstwas
das ganze Theater auch war, meine Laune war leider unwiederbringlich
voll im Arsch. Schlimmer noch, durch den sagenhaften Auftritt des
DSDS-Kaspers wurde meine Laune zusehends noch fieser. Dadurch und
logischerweise auch durch die unerträglichen Qualen, die das
beängstigend banal-absurde Geschwätz und Gesabbel der anderen Gäste
und Akteure in meinem armen Gehirn verursachte. Das machte nicht
nur meine Laune noch schlechter, das machte mich sogar mal richtig
aggro. So, und wer das jetzt nicht glauben will, der kann ja mal selbst
acht Wochen nicht schlafen und dann zu so einer Kacke hin. Viel Spaß
dabei. Aber Ihr werdet ihn nicht haben.
Und während ich dann da also so sitze und mir die Eier kraule und der
kommenden Dinge harre und eine Pulle Sekt nach der anderen
reinkippe, in der Hoffnung, meinen Hirnschmerz zu lindern oder im
Idealfall sogar auf dem Stuhl einzuschlafen oder zu sterben, trifft es
mich mal wieder wie der Blitz. Zack, Blitz! Wie von der Tarantel
gestochen und mit dem lauten Aufschrei “Und jetzt, und hoooooch!“
springe ich -sehr zur Verunsicherung und Irritation der anderen
anwesenden Figuren und Vollopfer- von meinem Stuhl auf und gerate
268
schlagartig in ekstatische Verzückung. Zack. Boing. Voll verzückt. Très
chic. Allerdings auch wieder mal voll besoffen, von dem ganzen Sekt,
versteht sich. Très besoffen, oh là là. Und insoweit auch nicht weiter
verwunderlich, daß ich -mittlerweile auf meinem Stuhl stehend- voll an
mir selber runterkotze. Bäh! Das hatte ich so nicht im Programm gehabt.
Voll an der Hose runter, voll auf die Schuhe, voll auf den Stuhl. Alles
voll vollgekotzt, alles voller Kotze. Vollkotze, voll zum Kotzen.
Komplett widerlich, bäh, bäh, bäh.
Aber zu diesem Zeitpunkt völlig sekundär. Widerlich, ganz klar, bäh
auch, ganz bäh sogar. Alles sehr bäh, bäh-bäh, aber egal. Denn was
soeben passiert war, sollte sich im nachhinein betrachtet als exorbitant
elementar für mein weiteres Leben als Honk erweisen. Denn wie so oft
traf mich nicht der Blitz, sondern vielmehr eine grundlegende
Erkenntnis. Und zwar die grundlegende Erkenntnis, daß ich mich
zukünftig ganz einfach nur von solchen Scheiß-Veranstaltungen
fernhalten muß. Ganz einfach wegbleiben, gar nicht erst hingehen zu so
einer Kacke. Oder vorher submaximal auftanken. Eines von beiden.
Wegbleiben oder auftanken. Wobei das Auftanken ja eigentlich auch
wieder nur eine Notlösung ist. Besser gleich solche Veranstaltungen und
Gesellschaften von vornherein vermeiden, dann muß man nicht
zwangsweise auftanken und vollsaufen. Denn wie hatten wir so schön
im Ergebnis des letzten Kapitels festhalten können:
Der Honk kompensiert nicht, der Honk säuft zum Spaß.
269
Weißt Du, was heute für ein Tag ist?! Sonntag. Weißt Du, was das
bedeutet?! Das bedeutet, daß ich gestern Abend total besoffen war.
(Captain Mike)
Das sind Sie doch jeden Abend.
(Benjamin Button)
Ja, so sieht das mal aus. Und so soll es auch sein, so ist es auch richtig.
Und so muß es auch bleiben. Suff ist immer sehr zu begrüßen, aber
idealerweise wird zum Spaß gesoffen. Meinetwegen kann hier jeder von
morgens bis abends uns von abends bis morgens und wieder von vorn
saufen, solange es zur Belustigung und Erheiterung dient. Jedoch nicht
zur Kompensation. Das ist dann nicht so gut. Stößchen!
Deshalb also lieber gleich von solchem und ähnlichem Kaspertheater
fernhalten. Wenn es denn möglich ist. Was aber, wenn man hin muß?!
Weil das Amazönchen drauf besteht und man lieber keinen Streß mit ihr
haben möchte. Oder weil es sich um eine Familien-Feier handelt,
irgendein ätzender Geburtstag irgendeines fetten Onkels oder
Weihnachten oder sowas in der Richtung. Ja, dann muß man dann auch
mal Fünf gerade sein lassen und da durch. Augen zu, und Ohren zu, und
Mund auf. Weil voll besaufen. Zack! Zu, zu, auf. Nix sehen, nicht
hören, und rein mit der Medizin. Hilft, hilft immer. Aber eben nur als
Notlösung. Vermeiden ist und bleibt erste Wahl.
270
Was denkst Du von mir, Ert?! Ich bin doch kein egoistisches, kleines
Arschloch. Immerhin habe ich über 10.000 Ocken gespendet. An die
Popo-Club-Stiftung für Ledermasken-Träger, die die Steuer bescheißen
wollen.
(Bernie)
In Honkland existiert neben Vermeiden und notfalls Vollsaufen noch
eine dritte und aber auch höchst begrüßens- und erstrebenswerte
Methode im Umgang mit Gesellschaft:
Selektieren.
Selektieren ist die Königs-Disziplin. Selektieren ist ganz großes Tennis.
Denn da extremst dusselige und sinnlose Gesellschaft extremst
dusselige und sinnlose Dummschwätzerei mit sich bringt, selektiert der
Honk. Er sucht sich also die Gesellschaft, in die er sich begeben möchte,
freiwillig und eigenständig aus. Na? Na? Ist das mal was?! Das ist doch
mal was. Das macht Sinn, das hat Verstand, das gebührt der Logik.
Selektieren! Was für ein Geniestreich! Ein Bubenstück geradezu!
Also Hut ab vor dem selektierenden Honk. Vor dem Selektor-Honk.
Endgeil, Respekt. Weiter vorn also erst Skeletor-Honk, später dann
Elektro-Honk, und jetzt auch noch Selektor-Honk. Unglaublich. Und
endgeil, ganz klar. Aber durchaus sehr simpel. So simpel wie es sich
anhört, so simpel ist es auch. Also auch hier wieder keine Zauberei, kein
Hexenwerk. Logik heißt mal wieder das Wort der Stunde. Zur
Verdeutlichung hier mal ein ganz plakatives Praxis-Beispiel für eine
Scheiß-Gesellschaft, die man als Honk unbedingt meiden sollte:
271
Regel Nummer Zwei: Ihr seid Stars. Und was essen Stars?
(Heidi Klum, Mäckes-Werbespot Mitte 2009)
Natürlich Stars. Stars of America.
(Antwort diverser Casting-Opfer, gleicher Werbespot)
Aber natürlich, was denn auch sonst?! Alles Stars hier, nur Stars. Alles
Stars, alles total amazing und important und eigentlich auch noch ganz
schön unbelievable. Ich Star, Du Star, er / sie / es Star, uns Star, ihm
sein Star, Patrick Star, Star Wars. Halleluja! Alles Stars hier, und so
muß das auch sein. Und Dauergrinsen. Dauergrinsen muß auch sein,
ohne Dauergrinsen geht auch mal gar nichts. Denn Dauergrinsen ist
mindestens genauso elementar wichtig. Stars und Dauergrinsen, nur
darum geht es. Und Stars fressen Stars, na klar. Ein Dialog, wie er
origineller und sinnvoller definitiv nicht mehr vorstellbar sein könnte.
Wir alle sind Stars, wir müssen Stars sein, und wir fressen Stars.
Was uns dann irgendwie aber auch noch zu Kannibalen macht, wenn
ich es mir so richtig überlege. Vielleicht sollte McDonald`s seinen
nächsten Werbespot lieber mit Armin Meiwes drehen, dem smarten
Kannibalen von Rotenburg. Würde eigentlich mehr Sinn machen.
Zumal Uschi Augenroll die dritte Regel eh vergessen hat. Aber natürlich
nicht dauerhaft. Glaubt mir, meine lieben Freunde, Regel Nummer Drei
wird ihr wieder einfallen! Definitiv. Und dann wird sie uns einfache
Proletarier unter Verwendung einer besonders ausgefallenen Grimasse
wieder daran teilhaben lassen. Wobei es sehr schwer werden dürfte,
diese beiden ersten, besonders gelungenen und unfaßbar originellen
Epochal-Statements noch zu überbieten.
272
Regel Nummer Drei: Models sind lächelnde Stars!
Das ginge noch. Wäre zumindest ein sehr folgerichtiger Schluß aus
Regel Nummer Eins und Regel Nummer Zwei mit ähnlich sinnvoller
Intention. Besonders sinnvoll sogar, und irgendwie passend und überaus
logisch. Ähnlich passend und logisch wie die hier:
Regel Nummer Drei: Nachts ist es kälter als zu Fuß!
Auch recht logisch, keine Frage. Und irgendwie auch total passend.
Schönes Kuß-Schnäuzchen und ein lustiges Handzeichen oder
Augenrollen dazu, paßt. Wobei diese hier erheblich realistischer wäre:
Regel Nummer Drei: Nach dem Fraß schön Finger in Hals!
Das wäre dann doch mal pure Realität. Zumindest dann, wenn unsere
grinsenden Protagonistinnen den fiesen Mäckes-Fraß überhaupt
anrühren würden, was stark zu bezweifeln ist. Dann wäre da was
Wahres dran. Und dann wäre Regel Nummer Vier folgerichtig:
Regel Nummer Vier: Nach dem Kotzen gleich wieder weitergrinsen!
Okay, okay, vielleicht wieder ein wenig oversold. Aber wer kann das
heute noch mit Gewißheit sagen?! Vielleicht können wir uns auf dies
hier einigen, das ergäbe den größten Sinn für alle Beteiligten:
Regel Nummer Drei: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!
Unfaßbar. Unbelievable. Disgusting. Aber egal. Scheißegal. Für uns
zumindest. Und warum? Logisch, weil wir derart hanebüchene und
selten schwachsinnige Gesellschaft meiden. Wir selektieren, an welcher
Gesellschaft wir partizipieren möchten. Wir selektieren, und zwar sehr
gründlich. Und dümmstschwätzendes, dauergrinsendes, augenrollendes
Laien-Kaspertheater banalster Art gehört nicht dazu. Das wird
ausselektiert, das wird vermieden, ganz klar. Klar wie Kloßbrühe. Man
muß kein Genie sein, um das eruieren zu können. Jedem Dorftrottel,
jedem Schimpansen, jedem 6-jährigen dürfte das klar sein. Wir könnten
uns eher was in dieser Richtung hier vorstellen:
273
Die zweite Regel des Fightclub lautet:
Ihr verliert kein Wort über den Fightclub!
Beziehungsweise analog dazu dieses hier:
Dritte Regel: Wenn jemand „Stop!“ ruft,
schlappmacht, abklopft, ist der Kampf vorbei.
Ja, das kommt voll gut. Und auch voll krass. Also eine äußerst
angemessene Gesellschaft für einen Honk. Und eigentlich auch für
unser Fräulein Schnäuzchen. Könnte unter Umständen für kurze Zeit
mal das ewige Grinsen und Fratzen-Ziehen stoppen. Tatsächlich?! Nein,
eher doch nicht. Eher unwahrscheinlich.
Regel Nummer Drei: Schnäuzchen, Schnäuzchen,
ich bin ganz aus dem Häuschen!
Eher unwahrscheinlich, daß diese Grimassen überhaupt jemals
irgendwer oder irgendwas stoppen kann. Atomkrieg? Pustekuchen. Wird
eben im Bunker weitergegrinst und gerollt. HIV? Grins, grins grins.
Weltuntergang? Ach woher denn, wir sind doch alle Stars, das ficht uns
nicht an. Atomkrieg und Weltuntergang passen nicht in unser Format. In
unser Casting-Format. Nein, das möchten wir nicht, das wollen wir
nicht haben. Da rümpfen wir dann lieber die Nase und rollen
abwechselnd mit rechtem und linkem Auge. Denn wir sind Stars. Alles
Stars hier, nur Stars. Also eine selten feine Gesellschaft, eine pittoreskpompöse Gesellschaft. Geradezu eine prädestinierte PrädikatsGesellschaft, man ziehe seinen Hut, Stößchen.
Was für eine beschissene Gesellschaft! Eine absolut beschissene,
maximal gehirnamputierte und völlig unzumutbare Kack-Gesellschaft.
Und auf jeden Fall keine Honk-Gesellschaft. Mitnichten. Für einen
Honk völlig unzulänglich. Nicht auszudenken. Unvorstellbar. Denn ein
Honk begibt sich nicht nur nicht in jedwede Scheiß-Gesellschaft, nein,
ein Honk begibt sich zudem auch nur in solche Gesellschaft, von der er
auch was hat. Die ihm was bringt. Von der er sozusagen intellektuell
stimuliert wird. Sinnvolle Gesellschaft also. Aber nicht sowas, nicht so
eine Flitzekacke hier.
274
Der höchste Berg der Welt? Das ist der Mountain Avenue.
(Vollidiotin auf GIMP7)
Das kann ja wohl nicht mein Ernst sein.
(Werner Lorant)
Also eine unbeschreiblich beschissene Gesellschaft. Im wahrsten Sinne
des Wortes. Eine Scheiß-Gesellschaft. Interessanterweise verhält es sich
bei solchen Scheiß-Gesellschaften zumeist so, daß sie mit Aso- und
Opfer-TV Hand in Hand gehen. Je beschissener die Gesellschaft, desto
höher die Wahrscheinlichkeit, daß diverse Bereiche aus Aso- und
Opfer-TV thematisiert werden. Ist wirklich so, kann ja jeder selbst mal
für sich ausprobieren. Oftmals liegt sogar das Hauptaugenmerk hierauf.
Klingt komisch, ist aber auch komisch.
Es ist Freitag, 14.20 Uhr. Die letzte Nacht war hart, sehr hart, hartes
Business. Äußerst hartes Business. Hard and tricky, hard and slippy.
Ungewöhnlich viele Drinks, harte Drinks, ferner eine schier
unersättliche Pussy. Und damit meine ich auch unersättlich, puh! Wie
ein Braunbär nach acht Monaten Winterschlaf. Was soll ich sagen, was
soll ich sagen, alles in allem also mal wieder eine unfaßbare Nummer.
Die Bezeichnung Sport-Pimpern wäre etwas übertrieben und leicht
oversold und natürlich auch ein wenig uncharmant, aber es kommt nahe
dran. Die Richtung paßt, eine unfaßbare Nacht, keine Frage. Aber
charmanterweise vermeiden wir solche Begriffe wie Sport-Pimpern.
Das gehört sich nicht, das ziemt sich nicht. Zumindest nicht hier in
Honkland. Honkland ist anständig. Hochanständig sogar. Und charmant.
Charmant, charmant, charmant. Charmant, charmant, Honkland.
275
Und wie ich hier so sitze und schreibe und schreibe und sitze, aber auch
schreibe und sitze und sitze und schreibe, wird mir spontan ein wenig
langweilig. Was für eine Überraschung. Vielleicht auch etwas
Übermüdung dabei, keine Ahnung. Zu viele Drinks, zu viel Sex, gepaart
mit zu wenig Kokain und viel zu wenig Schlaf. Und Hunger habe ich
aber auch noch. Eine seltsame Mischung, fast schon eine amüsante
Mischung. Ja, tatsächlich, sehr amüsant. Und aber auch verheerend.
Eine amüsant-verheerende Kombo. Keine Frage, wer so mischt und
kombiniert, der darf sich dann nicht wundern, unter Umständen tags
darauf einen kleinen Hänger zu haben. Und Hunger.
Also lieber erstmal nicht mehr schreiben. Lieber erstmal eine schöne
ALDI-Pizza in Ofen. Ach komm` her, gleich mal zwei rein, kann nicht
schaden. Zack, ab. Kriege in spätestens zwei Stunden, wenn ich
besoffen bin, eh wieder Hunger. Also ab dafür. Und Dose Warsteiner
aufgerissen, zack, auf ex, ist ja immerhin schon 14.30 Uhr. Zweite Dose
auf und ab vor die Glotze, solange die beiden Salami-Frisbees im Ofen
brutzeln. Also Glotze an und mal so richtig schön nach Herzenslust
durchzappen. Mal sehen, was so läuft. Laufen ja einige sehr gute,
niveauvolle Sachen um die Mittagszeit. Insbesondere im
Privatfernsehen, ganz klar. Konnten wir ja bereits diverse Male
eruieren. Und wie sich der ein oder andere höchstwahrscheinlich
mittlerweile wieder selbst denken kann, bin ich dann auch auf PRO7
hängengeblieben. Und das völlig zu Recht.
Nicht schlecht, Herr Specht, denke ich mir so, da müßte ja jetzt gerade
U20 Deutschlands Asi-Teenies laufen. War ja das letzte Mal nicht übel,
irgendwie unfreiwillig komisch. Also mit der kleinen, süßen BrothaSista-Gangsta-Playa-Checkerin und ihrer fetten 15-jährigen Schwester
mit Kind und Alki und ohne Hirn. Bißchen unbelievable, bißchen viel
Overselling, aber durchaus lustig. Und solange die Frisbees 15 Minuten
im Ofen schmoren, könnte man sich den Scheiß doch eigentlich mal
reinziehen. Quasi als eine Art 15-minütigen Brain-Kicker. Der einem
nochmal ganz unmißverständlich aufzeigt, wie geil im Umkehrschluß
doch das eigene Leben sein muß. Telemediales Augen-Koks sozusagen.
Wirkt und wirkt und wirkt, und nach 15 Minuten ist der ganze Zauber
vorbei, der Spuk beendet. Doch was ist denn da los?! Was muß ich
sehen, was muß ich sehen?!
276
Keine Asi-Teenies. Zumindest nicht solche, auf die ich gehofft hatte.
Beispielsweise eine 13-jährige 180-Pfund-Grazie mit ihren gerade
neugeborenen Zwillingen im Bett liegend. Und gleich daneben die
stolze 29-jährige Oma. Oder vergleichbarer Schwachsinn. Nein, das
läuft hier heute leider nicht. Denn aus gegebenem Anlaß sucht PRO7
das Sommermädchen 2009. Das Sommermädchen 2009! Und das aber
in der U20-Sendung. Also im Bild und im Teletext steht weiterhin U20,
aber wir sehen diverse dummgecastete Dussel-Uschis und Hohl-Frutten
beim kläglichen Beantworten selten beknackter Fragen und beim
Absolvieren nicht minder beknackter Spielchen an irgendeinem Pool.
Sensationell! Was für ein erneuter Geniestreich! Immer wenn ich denke,
daß es nicht mehr bescheuerter werden kann, dann ziehen die so ein
Ding aus dem Hut und beweisen, daß sie wirklich was auf dem Kasten
haben. Sensationell! Also keine Ahnung, worum es dabei geht oder was
das Ganze soll. Auf jeden Fall wird dem grenzdebilen PRO7-Zuschauer
die Möglichkeit eröffnet, mitzuverfolgen, wie sich irgendwelche
dusseligen Frutten zu Voll-Gimps machen bzw. machen lassen.
Besonders hirnfreie Fragen werden von den besonders hirnfreien
Protagonistinnen noch viel hirnfreier beantwortet, abgerundet durch
diverse Aufgaben und Spielchen, die an Albernheit und
Schwachsinnigkeit nicht mehr zu überbieten sind.
Und natürlich wird dieses grandiose Format auch von jemandem
moderiert. Und von wem wohl? Natürlich, von Charlotte Engelhardt,
was für eine Überraschung. Von wem denn auch sonst?! Niemand sonst
außer Charlotte käme in Frage, um solch ein geniales Format
moderierend zu begleiten?! Niemand. Kein Mensch. Außer Charlotte.
Und vielleicht noch einige Mädels von 9Live. Glückwunsch, Stößchen.
Charlotte Engelhardt, die Wunderwaffe von PRO7. Die Antwort auf
eine Frage, die nie gestellt wurde. Das blonde Anhängsel von Formaten,
die jeden geistig halbwegs normal situierten Menschen zum Kotzen und
Gehirn-Kollaps bringen. Würg und zack. Charlotte, der Niveau-Joker
von PRO7. Immer dann ausgespielt, wenn mal wieder ein besonders
anspruchsvolles neues Format zur Disposition steht. Unsere Charlotte
eben. Und noch irgendein anderer Grinsekasper, den ich aber nicht
kenne, was aber auch besser so ist. Meine Fresse...
277
Lieber Herr Geschäftsführer von PRO7, ich hätte da mal eine Idee: Es
geht da um ein revolutionäres, etwa einstündiges, neues Format für
Euch. In zwölf Folgen, jeweils wöchentlich, suchen wir den oder die
Gimp 2009. Gimp steht hierbei für GehIrnaMPutiert, und das ist auch
das Motto der Show. Sollte also ein passendes Format für Euch sein.
Moderiert natürlich von Charlotte Engelhardt, na klar, und mit
Annemarie Warnkross als Spezial-VIP-Außenreporterin, aber das sollte
eigentlich auch klar sein. Der Inhalt des Formates ist dabei völlig egal
und sinnleer, also genau wie die Hirne aller Beteiligten. Wichtig ist nur,
daß wir am Ende aus ein paar Handvoll besonders schwachsinniger
Vollopfer und Vollidioten den oder die Gimp 2009 gevotet haben.
Gevotet! Und den oder die machen wir dann zum neuen Geschäftsführer
von PRO7, setzen ihm / ihr eine besonders tight-taffe K-Promi-Jury zur
Seite und benennen den Sender dann um. Von PRO7 in GIMP7. Oder
besser GIMP3000, klingt noch tighter, noch moderner. Na, wäre das
nichts?! Das wäre doch was für Euch, das sollte doch passen. Würde
mich sehr freuen, wenn wir da irgendwie ins Geschäft kommen
könnten, da hätten wir doch alle was von. Alle! Und deshalb schonmal
Stößchen im voraus. Und Grüßchen an Charlotte und Annemarie.
Gott sei Dank, die Pizza ist fertig, der Wahnsinn hat ein Ende. Was für
eine beschissene Gesellschaft. Denke ich mir so, während ich die erste
Pizza fresse. Was für eine beschissene Gesellschaft! Würde ich mein
waghalsiges neues Format tatsächlich an GIMP7 bzw. GIMP3000
verhökern, müßte ich dann nicht zu denen hin? Zu denen hin, mit denen
reden, mit denen arbeiten? Ein furcheinflößender Gedanke. Ein
furchteinflößender, angstbringender, besorgniserregender Gedanke. Ein
schauderhafter, bizarrer Gedanke. Nein, da will ich auf keinen Fall hin,
diese Gesellschaft möchte ich meiden. Um jeden Preis. Also sollte
Interesse an meinem Format bestehen, dann nur zu. Aber dann besorge
ich mir einen Manager, der das alles regelt. Ich will damit nichts zu tun
haben, ich will nicht in solche Gesellschaft. Auch nicht volltrunken.
Oder high. Nicht einmal auf Ecstasy. Dann doch lieber einen Manager,
vielleicht wäre ja Willi Weber abkömmlich. Aber auch eher
unwahrscheinlich, jetzt, wo Schumi wieder Vollgas gibt. Mal gucken.
Vielleicht rufe ich den später mal an. Aber erst später. Denn alles zu
seiner Zeit. Zunächst hat das Buch hier höchste Priorität. Und das ist
auch gut so, denn wir sind bald durch, und das ist dann aber auch gut so.
278
Den Honk in Gesellschaft hätten wir somit fast abgehandelt. Naja,
zumindest so zur Hälfte, so ungefähr. Wir konnten nämlich bereits
eruieren, welche Gesellschaft ein Honk meidet. Bleibt also lediglich
noch darauf abzustellen, welche Gesellschaft ein Honk denn nicht
meidet bzw. sogar bevorzugt. Wie gesagt, der Honk bevorzugt
Gesellschaft, die ihm was bringt. Die ihm was nützt, von der er
profitiert, von der er was hat. Die ihn irgendwie irgendwo stimuliert.
Denkbar sind hierbei diverseste Gesellschaften.
An erster Stelle steht -was Wunder- selbstverständlich Glücksspiel in
jeder erdenklichen Form. Idealerweise noch in Verbindung mit Suff.
Eine verwegene Zocker-Gesellschaft, eine illustre Poker-Runde,
Roulette, Black Jack oder ähnliches im Casino, irgendein Turnier um
dicke Kohle, diverse Wetten auf dieses und jenes und welches, einfach
alles. Also einfach alles, wobei man mit anderen Personen um Kohle
zockt. Das ist Gesellschaft. Gute Gesellschaft, sehr gute Gesellschaft,
und vor allen Dingen auch äußerst sinnvolle Gesellschaft. Kurz: HonkGesellschaft. Ob wir dabei Kohle gewinnen oder verlieren, ist eher
sekundärer Natur. Solange wir nicht Haus und Hof verzocken, was dann
aber doch nicht mehr so gut wäre. Ansonsten also eher sekundär.
Beziehungsweise im Falle eines Gewinnes vielmehr eine Art
Sahnehäubchen. Reich wird mit dem Scheiß sowieso keiner.
Nehmen wir doch mal die gute, alte, illustre Poker-Runde. Sehr schön!
Gepokert haben wir Honks schon vor ungefähr 20 Jahren. So als
Teenies, mit 14 oder 15 oder so. Zwar wohl nicht immer unter
Beachtung des kompletten Regelwerkes, aber egal, wir waren uns einig.
Meistens jedenfalls. Und nur darum ging es. Mal gewann der eine, mal
der andere. Und letzten Endes waren wir alle Gewinner. Gewinner eines
Abends voller Emotionen, Spannung, Nervenkitzel und Adrenalin.
Gewinner einer Woche voller Vorfreude und Hoffnung auf die nächste
Poker-Runde. Geile Gewinner, smarte Typen. Und besoffen, na klar.
Hach, war das aber mal eine schöne Zeit. Eine unglaublich schöne Zeit.
Fast so schön wie die Zeit, als wir vier oder fünf Jahre später unsere
ersten Ecstasy einfuhren. Aber auch nur fast. Trotzdem eine
wunderschöne Zeit und auch eine sehr sinnvolle und lehrreiche Zeit.
Nachträgliches Stößchen.
279
Schon der Knabe saß im Garten und spielte mit der Mutter Karten.
(Johnny Firpo)
Heute pokert jeder Kretin. Jeder. Fast ausnahmslos. Denn als Poker vor
ein paar Jahren dann auch irgendwann bei uns in Mode kam, wollte
natürlich jeder ganz toll trendy sein und auf den Zug mit aufspringen.
Amazing. Exciting. Aha, also ganz offensichtlich auch sehr viele
Vollopfer. Na klar, ganz besonders Vollopfer. Man möchte ja immer im
Trend liegen, das ist ganz wichtig. Das ist sozusagen das A und O.
Selbst dann, wenn man eigentlich überhaupt keinen blassen Dunst und
nicht den entferntesten Schimmer von dem hat, was da überhaupt
abläuft. Völlig egal, völlig sekundär, interessiert nicht. Hauptsache
trendy, Hauptsache Vollopfer. Hauptsache Stößchen.
Hört sich erstmal alles wieder ziemlich negativ an. Sehr negativ. Böse
Zungen könnten an dieser Stelle sogar behaupten, der Honk sei eine Art
Maul-Hure. Könnten sie, wäre aber falsch, ätsch. Ist nämlich alles gar
nicht negativ hier, ist alles voll positiv. Für den Honk ist das alles total
positiv hier. Ehrlich. Positiver geht kaum. Denn wenn man jemandem
beim Zocken ganz leicht und ganz schnell ganz viel Kohle abziehen
kann, dann doch wohl dem Vollopfer. Also bißchen amazing, exciting,
hahaha und tralala. Und zack, Kohle weg. Ganz ohne miese Tricks oder
gar Betrug, mitnichten. Nein, alles ganz regelkonform und sauber. Denn
ein Vollopfer muß man nicht betrügen oder bescheißen, ein Vollopfer
ist auch so leichteste Beute. Vollopfer eben.
Prinzip sollte verstanden sein. Möglich ist also eine emotionsgeladene,
spannende Poker-Partie mit ähnlichen Honks. Oder stupides Abzocken
von Vollidioten und Vollopfern. Ersteres bringt Adrenalin, letzteres
leicht verdientes Geld. Also beides eine höchst noble und besonders
empfehlenswerte Gesellschaft für den Honk. Eine Gesellschaft, mit der
sich ein Honk stets gern umgeben sollte.
280
Eine bunte Sauf-Runde mit erlesenen Getränken und leckeren Zigarren
(Davidoff Classic No. 2 oder 3 kann man ganz gut qualmen) kann
ebenfalls als bevorzugte Gesellschaft indiziert sein. Also lauter lustige,
bunte, irre Honks, die sich kollektiv voll einen reinbrettern und
reinpaffen und dabei über ihren Honkytonk philosophieren. Ganz
klassische Gesellschaft, ganz klassischer Austausch unter Honks.
Saufen und dabei gegenseitige Erfahrungen austauschen. Sehr gesellig,
sehr gemütlich, höchst bodenständig. Und selbstverständlich äußerst
niveauvoll und oftmals dann aber auch sehr frivol.
Erstrebenswerte Gesellschaft kann aber auch der Besuch eines netten
Clubs oder einer geilen Party mit sich bringen. Idealerweise ein
opferfreier Club mit heißen, trinkfesten Hühnern, entsprechender Musik
und genügend Chill-Out-Möglichkeiten, zwinker, geifer. Oder eine
Party, eine endgeile Open-Air-Party, im Wald oder auf einem
weitläufigen Gelände. Auch sehr geil. Und mit geiler Party ist dann
aber auch mal eine geile Party gemeint. Nicht irgendein bizarres PillenKlinker- und Verpeilten-Treffen mit beschissener Musik, zu dem auch
ja jeder Asi hinkommt. Oder gar die Loveparade. Völlig undenkbar,
geht mal gar nicht. Abgelehnt.
Okay, Prinzip sollte verstanden sein. Denkbar sind noch etliche weitere
Gesellschaften oder Gruppierungen, in die sich ein Honk freiwillig und
auch sehr gern begibt. Für uns sollte das an dieser Stelle allerdings
genügen, um das gesellschaftliche Verhalten des Honk ausreichend
portraitiert zu haben. Schließlich wollen wir ja keine psychoanalytische
Grundlagen-Begutachtung durchführen. Hätte eh keinen Sinn, wäre
aufgrund des Facetten-Reichtums und der Skurrilität unseres Honk eh
von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Unser Honk selektiert seine
Gesellschaft also. Selektierten ist die Königs-Disziplin, und unser Honk
ist darin wahnsinnig gut. Er ist quasi der Selektor. Und in dieser
Funktion als Selektor (nicht zu verwechseln mit Skeletor) wählt er frei
und nach Belieben aus, ob und in welche Gesellschaft er sich begeben
möchte, oder ob er eine Gesellschaft lieber meiden möchte. Ist unser
Honk aus diversen Gründen dann aber doch gezwungen, sich in eine
Gesellschaft zu begeben, die er eigentlich lieber meiden würde, muß er
sich kompromißlos mit einer beinahe tödlichen Menge Alkohol
besaufen, was dann aber auch zu begrüßen ist.
281
Dabei muß es dem Honk stets sehr egal bis scheißegal sein, was diverse
Gesellschaften oder Personen über ihn denken und mutmaßen und
munkeln und kunkeln. Denn wie sich mittlerweile sicher jeder selbst
denken kann, wird der Honk aufgrund seines innovativen, angstfreien,
ausschweifenden und weitestgehend systemunabhängigen Lebensstils
von vielen anderen Figuren beneidet, und das völlig zu Recht. An sich
keine besonders große Sache sowas, an sich sogar ganz gut so. Lob
kriegt jeder Penner umsonst, Neid muß man sich verdienen. Nun ist es
in unserer smarten Pavian-Gesellschaft jedoch leider so, daß Neid zu
Mißgunst und Mißgunst vereinzelt sogar zu Haß führen kann. Klingt
komisch, ist es auch. Ziemlich komisch, ziemlich behämmert. Muß aber
scheinbar so sein, liegt scheinbar in der Natur des Homo Sapiens. Daß
er andere lieber in negativen als in positiven Situationen sieht. Weil dies
sein eigenes Scheiß-Leben relativiert. Andere in positiven Situationen
oder gar in einem positiven Leben zu sehen, ist kaum zu ertragen bis
unerträglich.
Hieraus können dann unter Umständen diverse Verunglimpfungen, böse
Nachreden und allerlei hanebüchenes Geschwätz resultieren, von
diversen Gruppierungen, Gesellschaften und anderem Gesockse.
Vereinzelt sogar über liebe Honks. Ja, richtig gelesen, sogar über liebe
Honks. Eigentlich schwer nachvollziehbar, aber es ist nunmal so.
Natürlich völlig klar, daß man als moderner Honk von heute solche
Gesellschaften meiden muß. Und deren krankes Geschwätz komplett
ignorieren muß. Es muß einem komplett am Arsch vorbei gehen, zack,
ab. Ignorieren macht frei, und Freiheit ist Honkland. Wobei es auch bei
beknacktem Geschwätz Grenzen geben muß, die man dann besser doch
nicht überschreiten sollte. Weil es ansonsten mal eben ganz nonchalant
ein paar in die Fresse geben kann. Kann auch passieren, ist auch gut
möglich. Kann alles passieren.
Kann alles passieren im Honkland.
282
Ich werde Dich vor eine Wahl stellen, die ich selbst nie hatte.
(Lestat de Lioncourt)
dd) Honk ist der Beste!
Eine Frage brennt mir derzeit wie keine zweite unter den Nägeln: Wie
verändert sich mein Leben eigentlich, wenn ich von einem Vampir
gebissen werde? Also jetzt nur mal rein hypothetisch gefragt. Wie
verändert sich mein Leben dadurch? Durch einen direkten, diskreten
und völlig unverbindlichen Vampirbiß? Welche Dinge bleiben, wie sie
sind? Was wird alles anders? Und überhaupt?
Sicher, sicher, auf den ersten Blick eine Frage, die wir uns alle
mehrmals täglich stellen. Eine Frage, die die meisten von uns oftmals
nachts nicht einschlafen läßt. Kurz: Eine ziemlich knifflige Frage. Etwas
verwegen, zugegeben, aber durchaus berechtigt. Etwas obskure
Thematik, zweifelsohne. Und so viele von uns sich diese und ähnlich
verzwickte Fragen auch permanent stellen, so wenige denken sie leider
konsequent bis zum Schluß durch. Was ziemlich unverständlich und
verwunderlich ist, weil es durchaus Sinn macht, das ganze Szenario
einmal bis zum Ende der Fahnenstange durchzuspielen.
Tun wir mal so, als ob: Wir kommen gewohnt volltrunken nachts aus
irgendeinem Club und möchten nach Hause fahren, was auch sehr zu
begrüßen ist. Und während wir so zu unserem Auto schlurfen und
torkeln und uns auf dem Weg dorthin noch eben schnell mal auf die
Fresse legen und danach eine anstecken, steht plötzlich wie aus dem
Nichts ein Vampir vor uns. Zack! Heiliger Bimbam! Auf einmal steht
der da. Keine Ahnung, woher der kam. Vielleicht aus dem Nichts,
vielleicht aus dem Gebüsch, keine Ahnung. Denn wir selbst sind ja auch
mal wieder voll wie ein Putzeimer, was die Beurteilung der
Gesamtsituation nicht gerade erleichtert.
283
Aber egal. Ein Vampir steht also urplötzlich vor uns und glotzt uns an.
Sagen wir mal, es ist Lestat. Lestat aus Interview mit einem Vampir.
Also der Vampir, der von Tom Cruise verkörpert wird. Wat nu? Wat
jetzt? Was würden wir zu dem jetzt wohl sagen?
Ey Du, ich kenne Dich aus`m Fernsehen.
Unwahrscheinlich, höchst unwahrscheinlich. Denn so breit, wie wir
schon wieder sind, können wir froh sein, wenn wir noch Männlein und
Weiblein voneinander unterscheiden können.
Boah Alter, coole Klamotten, krasse Frisur.
Lieber auch nicht. Könnte nämlich auch ein Rumäne oder Albaner sein,
und zack, haben wir ein, zwei Messer in der Leber stecken. Tut höllisch
weh, bringt nichts, können wir gern drauf verzichten.
Auch `ne Kippe?
Ach, ist doch auch Scheiße. Völlig egal, was wir sagen oder fragen, es
nützt eh nichts. Hat alles keinen Sinn. Denn wenn der uns dann sagt,
daß er Lestat sei, schnallen wir das eh nicht.
Ich bin Lestat, der Vampir, und ich werde Dich vor eine Wahl stellen,
die ich selbst nie hatte.
Na super, schönen Dank auch. Was kann das denn wohl schon für eine
tolle Wahl sein? Uns nach Hause zu fahren? Um uns dann unsere Porte
und das schöne Boss Bottled abzuziehen? Nein, besten Dank, bitte kein
Déjà-vu. Oder uns ein Taxi zu rufen? Auch nicht nötig, wir können
selbst noch ganz gut fahren. Oder uns ein paar Nutten anzubieten? Wäre
nicht schlecht, aber dann hätten wir vorher nicht so viel saufen dürfen
bzw. die pakistanischen Viagras einstecken müssen. Man kann es
drehen und wenden, wie man will, es kommt einfach kein sinnvoller
Dialog zwischen uns und dem Vampir zustande. Also dann doch besser
gleich das dumme Gelaber lassen, besser gleich in medias res gehen.
Gleich Karten auf den Tisch, zack. Denkbar sind zwei Fälle: Er schafft
es nicht, uns zu beißen, oder er schafft es doch.
284
Ersteres wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der sein Maul
aufmacht und flotten Schrittes auf uns zukommt. Spätestens dann, wenn
der seine Lippen an unserem Hals hat, kriegt der voll einen in die
Fresse. Zack, Faust in die Fresse, bamm. Und zack, liegt der dann da.
Auf dem Rücken, wie ein Maikäfer. Und zwar nicht, weil wir uns vor
einem Vampirbiß fürchten, sondern vielmehr, weil wir glauben, daß uns
ein völlig durchgeknallter, bisexueller Laien-Schauspieler einen
Zungenkuß geben will. Bäh! Sowas wollen wir nicht, für sowas sind wir
nicht zu haben. Für sowas gibt es ein paar auf`s Maul, zack.
Die zweite Variante wäre für unseren Vampir, unseren Lestat, noch viel
verheerender. Denn für den wahrscheinlichen Fall, daß wir das gar nicht
schaffen, dem eine zu knallen, weil der ja immerhin Vampir-Superkräfte
hat, ist er trotzdem voll am Arsch. Denn während der saugt und saugt
und saugt (also am Hals...), merkt er auf einmal, wie er immer
besoffener wird. Logisch, unser lieber Lestat ist ja nicht so trainiert wie
wir. Der ist das Saufen ja gar nicht gewöhnt. Zumindest nicht krasses
Alk-Saufen, und noch dazu im ganz großen Stil. Ferner ist sein Körper ja
de facto gestorben. Also kein Herzschlag mehr, kein pinkeln und kacken
mehr, nichts. Logischerweise auch keine Leberfunktion mehr. Na
herzlichen Glückwunsch! Keine Leberfunktion, ergo kein
Alkoholabbau. Sternhagelvoll bis in alle Ewigkeit. Stößchen!
Wunderbar, sternhagelvoll bis zum jüngsten Tag. Ohne jemals
nachtanken zu müssen, herrlich. Famos, famos. An sich ein schöner, ein
wunderschöner, ja ein famoser Gedanke, wenn man es denn drauf
angelegt hat. Dann ja, dann auf jeden Fall. Dann ein überaus
begrüßenswerter Zustand. Für unseren armen Lestat, den der Suff so
unvorbereitet trifft wie einen 13-jährigen Konfirmanden, dann aber mal
doch nicht so schön. Eher unschön. Sehr unschön, denn es wird ihn voll
aus den Socken schießen, den armen Vogel. Was wir also auch tun oder
lassen, es findet ein unschönes bzw. gar kein Ende. Scheinbar müssen
wir ein wenig umdenken. Verschwenden wir also unsere Zeit und Mühe
nicht darauf, zu eruieren, ob ein Dialog zwischen uns und dem Vampir
tatsächlich oder eher durch konkludentes Handeln zustande kommen
kann, sondern setzen diesen Dialog einfach mal als gegeben voraus.
Klingt komisch, ist es aber nicht, denn es bringt uns zum Kern der
Sache.
285
Wir stehen als unserem Lestat gegenüber, Face to Face. Und wir sind
beide im Bilde. Also wir, daß er ein Vampir ist, und er, daß wir
sturzbesoffen sind. Eine Patt-Situation sozusagen. Und was nun? Was
kommt jetzt? Denkbar wäre folgender Dialog:
Hi, ich bin Lestat, der Vampir.
Nee, biste nicht, Du bist Luke, und ich bin Dein Vater.
Lol!!! Abfeier! Wie geil wäre das denn?! Endgeil. Vampir-Verarsche.
Auf höchstem Niveau. Nicht mehr zu toppen. Das Non-plus-ultra des
schwarzen Humors, da geht nichts mehr. Der würde sich aufgrund der
besonders gelungenen Pointe wahrscheinlich kaputtlachen. Oder uns
blitzschnell den Kopf abschlagen, damit wir bloß unsere dumme Fresse
halten. Zack, ab. Nein, sowas machen wir dann lieber doch nicht,
Vampir-Verarsche ist nichts für schwache oder gar besoffene Nerven.
Wir führen dann doch eher einen Dialog in dieser Richtung:
Hi, ich bin Lestat, der Vampir.
Glückwunsch. Und ich bin breit wie eine Trompete.
Ja, das sehe ich wohl. Mist. Bockmist. Und nu?
Keine Ahnung, ist ja für beide irgendwie nicht so toll gelaufen.
Machen wir doch morgen, selbe Zeit, selber Ort, nüchtern.
Nüchtern? Dann eher übermorgen. Oder besser in drei Monaten.
Drei Monaten?
Ja, ganz genau, in drei Monaten. Ich will mich vorbereiten.
Na dann viel Erfolg, Mann. Wir sehen uns in drei Monaten.
286
Ein unfaßbarer, tollkühner und unglaublich offener Dialog zwischen uns
und dem Vampir. Geradezu warmherzig-brisant. Gäbe es tatsächlich
Vampire, und wären wir tatsächlich im Honkland, dann, ja dann würde
ein Dialog dieser Art genau nach diesem Schema ablaufen. So, und
nicht anders. Was für ein Dialog! Wahnsinn!
Die Intention dieses unfaßbaren Dialoges jetzt mal dahingestellt, halten
wir bitte fest: Wir haben nun drei Monate Zeit, um uns darauf
vorzubereiten, selbst ein Vampir zu werden. Wir haben einen Deal mit
dem smarten Lestat, und diesen wollen wir auch erfüllen. Weil wir
nämlich voll geil und scharf darauf sind, auch ein Vampir zu werden.
Ewiges Leben, Supermann-Kräfte, kein Älterwerden, phantastisch.
Unser hübsches, jugendliches Antlitz bleibt für immer erhalten. Weil
wir uns von dem Zeitpunkt an, an dem wir gebissen und selbst zum
Vampir werden, optisch nicht mehr verändern werden.
Und? Und? Fällt der Groschen langsam? Ja natürlich, dafür brauchen
wir die drei Monate. Um uns in Topform zu bringen, für was denn
sonst?! Um zum Zeitpunkt des Bisses in der Form unseres Leben zu
sein. Endgeil zu sein. Denn so werden wir die nächsten paar Tausend
Jahre rumlaufen. Konkret bedeutet das: Sofort ab in die Mucki-Bude.
Trainieren, Steroide fressen, Schlankmacher-Pillen. Volle Kanne. In
drei Monaten stirbt unser Körper eh, also Scheiß auf Herz, Leber,
Nieren und den ganzen Blödsinn. Alles voll rein, zack, rein in Hals, und
ab dafür. Wir müssen in atemberaubender Konstitution sein, also
Vollgas. Waschbrettbauch und 45er Oberarme sind angesagt.
Nach dem Training dann sofort ab ins Solarium, ordentlich
durchbräunen. Keiner steht auf Kalkleisten, und als Vampir ist man eh
schon immer so bleich, äußerst blasser Teint. Danach ab zur Kosmuschi,
alles entfernen und richten lassen, was entfernt und gerichtet werden
muß. Augenbrauen zupfen, Pickel wegdrücken, Beine enthaaren.
Eventuell sogar noch zum Schönheits-Chirurgen, den ein oder anderen
Makel wegoperieren lassen. Kurz vor Ablauf der drei Monate dann noch
einmal zum Friseur und eine spitzenmäßige Frisur machen lassen.
Wobei es in erster Linie auf die Länge der Haare ankommt, denn stylen
kann man die ja auch als Vampir noch nach Belieben. Also nur nicht zu
kurz, die wachsen dann nicht mehr.
287
Und ganz wichtig, wenn dann die Nacht des Bisses gekommen ist: Kurz
vorher extrem fett mit Sunblocker einschmieren. Und zwar mit dem
stärksten Blocker, den es auf der ganzen Welt gibt. Der Grund dafür ist
ebenso simpel wie logisch. Denn als Vampir kann man ja kein
Sonnenlicht vertragen. Es tötet einen sogar, es verbrennt einen
regelrecht. Also echt heftig. Schmiert man sich jedoch kurz vor dem Biß
mit ultra-fiesem Sunblock 10.000 ein, wird dieser Sonnenschutz ja
zwangsläufig mit dem Biß konserviert. Heißt schlichtweg, daß wir als
Vampir dann auch permanent sonnengeschützt sind und eigentlich den
ganzen Tag frei herumlaufen können, was ziemlich revolutionär wäre.
Wir wären dann die neuen Daywalker, die Elite, das Who-is-who unter
den Saugern. Sensationell, Stößchen.
Theoretisch also durchaus recht brillant gedacht, fürwahr, fürwahr. Ob
das Ganze dann aber auch in der Praxis funktioniert, bleibt erst noch
abzuwarten. Ist aber momentan auch nicht ganz so wichtig. Viel
wichtiger ist, daß wir festhalten, in der Nacht des Bisses in der geilsten
Konstitution unseres Lebens zu sein. Weil wir nämlich ein endgeiler
Vampir sein wollen. Wir wollen der geilste, der innovativste, der
hübscheste, eben der beste Vampir sein. Wir wollen der Hans Meiser
unter den Vampiren sein!
Kleiner Wermutstropfen dabei: Sobald Lestats Kumpel Louis, gespielt
von Brad Pitt, auftaucht, hat sich der Traum ausgeträumt. Zack, aus der
Traum. Dann fällt unser schönes Kartenhaus zusammen, dann ist Essig
mit Bester und Tollster und Schönster und so. Denn gegen Louis
können wir nicht anstinken. Trotz dreimonatiger Vorbereitung nicht.
Niemals. Und der steht frisch aus dem Sarg auf und sieht trotzdem
geiler aus als wir mit unseren Scheiß-Anabolika und Solarium und
Frisur und dem ganzen Mist. Voll zum Kotzen, aber mal echt jetzt. Was
für eine Enttäuschung. Eine ganz große und besonders herbe
Enttäuschung. Aber sowas von. Eine ganz bittere Pille, die wir da
sprichwörtlich schlucken müssen. Ganz bitter. Und furchtbar, ganz,
ganz furchtbar. Und es geht uns schlecht. Sehr schlecht. Man kann sich
unter diesen Umständen kaum noch vorstellen, wie schlecht es uns geht.
288
Ich bin immer dann am besten, wenn`s mir eigentlich egal ist. Ich bin
immer dann am besten, wenn mir keiner ins Regal pißt. Ich bin immer
dann am besten, am zweit-, dritt- oder zehntbesten. Von mir aus auch
mal nicht am besten. Ich muß das nicht austesten, nicht noch mal. Mein
Spiegelbild ist anderen egal.
(Die Ärzte)
Schöne Überleitung jetzt hier, schön aufpassen jetzt. Denn jetzt haben
wir den Salat. Le Salat. El Salato! Salato Grande. Klar wollen wir der
Beste sein, was denn auch sonst?! Natürlich wollen wir ein ganz
besonderer, ein ganz außergewöhlicher, ein geradezu unglaublicher
Vampir sein. Wir wollen besser sein als all die anderen, uns von der
breiten Masse der anderen Vampire abheben, ist doch logisch. Und
dabei scheitern wir ganz grandios, ganz furios, ganz famos. Und
natürlich auch ganz klar. Glasklar sogar, von vornherein. Hätte uns
eigentlich von Anfang an bewußt sein müssen. Sobald Louis um die
Ecke spaziert oder geflogen kommt, ist Feierabend. Zack. Ende der
Illusionen, grandioses Scheitern vorprogrammiert. Und zwar von
Anfang an. Fiasko. Fiasko Grande. Stößchen.
Aber genau das sollte uns unser kleiner Vampir-Exkurs verdeutlichen:
Immer nur einer kann der Beste sein. Natürlich rein objektiv betrachtet.
Subjektiv betrachtet kann natürlich jeder Trottel der oder die Beste sein,
ganz klar. Auf Wunsch und mit genügend Kohle erzählt einem jede
Prostituierte, daß man der Beste ist. Oooh, so einen geilen Stecher wie
Dich habe ich ja noch nie gehabt! Nee, ist klar. Oder jeder
Autoverkäufer, daß er noch nie so einen harten Verhandlungspartner
hatte. Also wenn ich noch so einen Kunden wie Sie hätte, müßte ich den
Laden hier zumachen! Auch sehr wahrscheinlich. Jeder Junkie, daß er
noch nie von jemandem so guten Stoff wie diesen gekriegt hat. Boah,
geilster Stoff wo gibt, geil, geil, sniff, sniff, drück, drück! Sicher, sicher.
Etcetera, etcetera, bla.
289
Objektiv betrachtet kann selbstverständlich immer nur einer der Beste
sein. Und alle andern nicht. Nur einer rennt die 100 Meter schneller als
alle anderen. Nur einer ist der Reichste, hat mehr Geld bzw. Vermögen
als alle anderen. Nur einer kann am längsten Luft anhalten, die größte
Menge Bratwurst oder Schnitzel in einer bestimmten Zeit fressen, die
dicksten Arme haben, die meisten Kokosnüsse mit dem Schädel oder
mit dem Penis knacken, egal. Völlig egal. Es kann immer nur einen
geben. Wie beim Highlander. In allen Wettbewerben, Disziplinen,
Bereichen. Immer nur einen Ersten, immer nur einen Besten. Alle
anderen danach logischerweise nicht mehr.
Und das ist auch gut und richtig so, weil uns das nämlich gar nicht
interessiert. Nicht die Bohne. Ist uns völlig egal, wer irgendwo in
irgendwas Bester ist oder auch nicht. Geht uns voll am Arsch ab, zack.
Und warum? Logisch, weil es völlig banal ist, in irgendwas der oder die
Beste zu sein. Völlig banal. Banal und aber auch scheißegal. Banal und
geradezu absurd. Gucke an, banal und absurd, wer hätte das gedacht?!
Kaum jemand. Zumindest nicht die armen Irren, die Tag für Tag ihr
komplettes Leben verkacken, um in irgendwas der oder die Beste zu
sein. Idealerweise noch in irgendeiner brotlosen Kunst, von der alle
Beteiligten nicht das Geringste haben. Die wissen meist gar nicht, wie
banal und absurd der ganze Zirkus ist. Andererseits wissen die aber
auch nicht, was sie überhaupt davon haben.
Man wage nur einmal einen flüchtigen Blick in das sagenumwobene
Guiness-Buch der Rekorde. Was für ein Bullshit! Mal abgesehen von
ein paar Handvoll nützlicher und sinnvoller Informationen, steht da nur
Bullshit drin. Banalster Bullshit, banal bis zum geht nicht mehr.
Irgendwelche Leute machen irgendwelchen Blödsinn, nur um in dieses
komische Buch aufgenommen zu werden. 250 Stunden Achterbahn
fahren am Stück. 150 ml Tabasco in 30 Sekunden trinken. 11 Tage und
Nächte ohne Schlaf. In 12 Minuten 60 Hot Dogs fressen. Aus Millionen
von Zündhölzern das größte Modell-Schiff der Welt bauen. Und
ähnlicher Schwachsinn. Undenkbarer, hanebüchenster Quatsch und
Kokolores. Nur für einen Eintrag in dieses hohle Buch. Hauptsache
einmal im Leben in irgendwas der Beste sein. Und sei es noch so
beknackt. Völlig egal. Hauptsache einmal von der breiten Masse
abheben, einmal jemand ganz besonderes sein.
290
Auf der einen Seite ist das natürlich alles sehr verständlich. Die meisten
von uns führen nämlich ein bedenklich mittelmäßiges, todlangweiliges,
gähnendes Durchschnitts-Leben. Mittelmäßiger Job, mittelmäßiges
Gehalt, mittelmäßige Beziehung, mittelmäßige Bude, bla, gähn. Haben
wir ausreichend durchgekaut. Mittelmaß als Maß der Dinge. Eine
Nummer im System, ein Ersetzbarer, ein Austauschbarer. Citizen Dildo!
Der Steuerzahler, der Sperrmüll-Anmelder, der BILD-Leser. Einer wie
alle. Wie aufregend. Was für ein aufregendes, einzigartiges,
individuelles und selbstgesteuertes Leben. Phantastisch, gähn. Kein
Wunder, daß so viele Menschen depressiv sind.
Und jetzt ist es nämlich so, daß nur ganz wenige von uns diesen
Mittelmaß-Blödsinn hinterfragen. Einige sind bereits zu sehr in das
System eingebunden, um Fragen zu stellen. Aber die überwältigende
Mehrheit ist schlichtweg zu blöd oder zu faul. Man spürt zwar
irgendwie instinktiv und intuitiv, daß irgendwas nicht stimmt bzw. das
eigene Leben zu Tode langweilt, ist aber zu blöd oder zu faul, um etwas
Grundlegendes dagegen zu tun. Also das Übel an der Wurzel zu packen.
Nein, das dann doch lieber nicht. Lieber weiter eine Nummer im System
bleiben, lieber weiter Citizen Dildo bleiben. Ist sicherer, machen alle,
sind wir gewöhnt dran. Bloß nicht Neues, lieber irgendwie ab- bzw.
umlenken. Et voilà, haben wir den Scheiß.
So einfach ist die ganze Kiste. Kompensieren heißt mal wieder das Wort
der Woche. Man ist zu faul oder zu doof oder zu feige, sein eigenes,
trostloses, mittelmäßiges Durschschnitts-Leben zu ändern, also fängt
man mit irgendeinem anderen Scheiß zu kompensieren an. Mit
irgendeiner besonderen Leistung. Et voilà, et zack, haben wir schon
wieder den Salat. Kopf-Salat. Kompensations-Salat. Aber leider, leider
klappt Kompensieren mal wieder nicht. Wie immer. Denn dadurch, daß
ich an einem bescheuerten Ironman partizipiere, wird mein Leben nicht
besser. Dadurch, daß ich 20 Kilo Thüringer Mett in einer Stunde fressen
kann, auch nicht. Auch wird mein Leben nicht besser, wenn ich einen
Monat Achterbahn fahre oder Benzin saufe oder meinen Schädel im
Türrahmen einklemme. Oder mich mit Stoff zudröhne, an einer
regionalen Bodybuilding-Meisterschaft teilnehme und da dann sogar
einen beschissenen Pokal und eine Büchse Eiweiß-Pulver gewinne.
Nein, auch dann nicht, auweia.
291
Ist alles Scheiße, ist alles Mist. Alles Kompensation, macht alles keinen
Sinn. Ändert nichts Grundlegendes, lenkt nur ab. Als würde man sich
den Arm brechen und den dann nicht eingipsen, um den Bruch zu
heilen, sondern stattdessen jahrelang Schmerz-Tabletten fressen. Macht
ähnlich viel Sinn. Oder vielmehr ähnlich wenig Sinn. Macht eigentlich
gar kein Sinn, ist Blödsinn. Also wie in unserem kleinen VampirExkurs: Wenn mein Leben eh schon Scheiße ist, dann muß ich selbst
etwas daran ändern. Etwas Grundlegendes. Neue Frisur und
Marathonlauf nützen da nichts. Auch Saufen ist keine Lösung auf
Dauer. Und warten, bis mich ein Vampir beißt, auch nicht. Denn dann
wird es auch als Vampir nicht besser. Im Gegenteil, sehr wahrscheinlich
wird man dann sogar ein ziemlich verbitterter Vampir. Ein ganz
trauriger, ja gar ein depressiver Vampir. So von wegen schön bis 2 Uhr
nachts im Sarg liegen bleiben, während die Kollegen schon seit vier
Stunden jagen. Stattdessen nur noch Blutkonserven trinken, Zähne
nicht mehr putzen im Internet chatten und dergleichen.
Oder man dreht gleich voll durch und läuft Amok. Als Vampir. Also
Glatze rasieren, Tarnklamotten an und ab. Ab, zack, Amok. Die denkbar
ungünstigste Variante für alle Beteiligten. Vampir-Amok! HorrorSzenario, Super-GAU. Da möchte ich nicht in der Nähe sein, wenn das
losgeht. Ganz bestimmt nicht. Ein total angepißter, zugedröhnter,
unsterblicher Blutsauger mit Supermann-Kräften auf mega-fiesem
Aggro-Trip. Wie mag sowas wohl enden?! Wenn dann beispielsweise
auch noch die Rennleitung (also die Grün-Weißen) antanzt und wie
gewohnt besonders hohle Phrasen drischt:
In Ihrem Personalausweis steht 1842 als Geburtsjahr. Das kann ja wohl
irgendwie nicht ganz hinkommen. Sie kommen jetzt mal mit auf die
Wache, zwecks Feststellung Ihrer richtigen Personalien.
Auweia! Ganz dumme Idee. Sollte man lieber sein lassen. Oder wenn
die den dann vielleicht noch nach seinem Führerschein fragen.
Beziehungsweise nach seinem Flug- und Jagdschein. Weil er ja
schließlich angeflogen kam und kurz vor der Landung noch einen
Ausgesaugten ins Gebüsch fallen ließ. Völlig egal, nach irgendeinem
Schein eben, den man sicherstellen kann.
292
Schönen guten Abend, allgemeine Verkehrskontrolle. Was haben Sie
denn da eben beim Lande-Anflug ins Gebüsch geschmissen? Drogen?
Bitte einmal Flug- und Jagdschein.
Na schönen Tag auch! Besonders schönen Tag. Auf jeden Fall ein
unvergeßlicher Tag für unsere arme Rennleitung. SicherstellungsVersuch kläglich gescheitert, schöner Mist. Zielperson hat uns
stattdessen volles Rohr die Fresse poliert und ist dann wieder
weggeflogen, Neo aus der Matrix ist ein Dreck dagegen.
Wir können also festhalten, daß wir bei Unzufriedenheit in oder mit
unserem eigenen Leben nicht erst darauf warten sollten, daß uns ein
Vampir beißt. Oder uns der Himmel auf den Kopf fällt und uns die
Sonne küßt. Da können wir dann nämlich ziemlich lange drauf warten,
denn soweit wird es nicht kommen. Und selbst wenn, ändert das an
unserem Mütchen nicht viel. Zumindest nicht dauerhaft. Die
Unzufriedenheit verschwindet -wenn überhaupt- nur kurzfristig und
stellt sich über kurz oder lang wieder ein, wenn wir unser Kern-Problem
nicht irgendwann beheben. Da werden wir nicht umhin kommen. Wie
das jeweilige Kern-Problem eines jedes einzelnen von uns aussieht,
entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Woher denn auch?! Es gibt
halt diverse gängige Symptome. Viele haben Angst vor Verlust,
beispielsweise vor Verlust der Partners, des Jobs, der Gesundheit.
Andere sind nicht frei, können sich nicht frei entfalten, sind vielleicht
innerlich irgendwo gefangen, irgendwo psychisch oder so. Wiederum
andere sind unzufrieden, weil sie keine Lebensaufgabe haben oder stets
unter ihren Möglichkeiten bleiben müssen oder einfach nur gelangweilt
und frustriert sind, vom Job, von der Beziehung, von sich selbst, vom
Leben.
Es gibt etliche Symptome, fast alles ist vorstellbar, fast alles ist möglich.
Nur muß das jeder individuell für sich selbst feststellen. Es gibt keine
generelle Lösung, kein Patent-Rezept, kein Allheil-Mittel. So etwas gibt
es nicht, und auch Honkland ist das nicht. Honkland ist keine GeneralLösung, Honkland ist nur der Weg, nur der Ansatz. Der Honk kann den
Weg nur zeigen, gehen muß ihn jeder selbst. Falls er oder sie denn
überhaupt diesen Weg gehen möchte. Denn nur darauf kommt es am
Ende an, nur das zählt.
293
Nur eines kann ich mit absoluter Gewißheit sagen: Ablenkung und
Kompensation machen auf Dauer nicht glücklich. Mal ganz plakativ:
Das hier wäre bewußtes Auseinandersetzen mit einem Problem:
Ich bin zu fett geworden, also muß ich entweder weniger fressen oder
mehr Sport treiben.
Zack! Und das hier wäre dann Scheiß-Kompensation:
Ich bin zu fett geworden, also gehe ich mal lieber zum Friseur.
Okay, Prinzip sollte jetzt annähernd verstanden sein. Läßt sich auf
ausnahmslos alle anderen Lebensbereiche übertragen. Ebenso simpel
wie logisch. Kompensation funktioniert nicht. Durch nichts. Und schon
gar nicht durch irgendeinen ominösen Eintrag in dieses bescheuerte
Guiness-Buch aufgrund irgendeiner hanebüchenen Bestleistung in
irgendeinem schwachsinnigen Bereich. Das dann aber auch mal gar
nicht. Ausgenommen einige ganz wenige Bereiche, in denen man
tatsächlich ordentlich Kohle damit verdienen kann, gut oder sogar der
Beste in irgendwas zu sein, macht das ansonsten alles keinen Sinn. Nur
Ablenkung, nur Kompensation. Nur Shit.
Und deshalb ist dieser ganze Kompensations-Zirkus unserem Honk
auch sehr egal. Unser Honk muß nicht kompensieren, und schon gar
nicht kompensieren durch profilieren. Also sich irgendwie irgendwo
und aus irgendwelchen Gründen hervortun oder präsentieren. Muß nicht
sein, ist albern. Kann ganz böse enden, nicht umsonst haben wir so viele
Profil-Neurotiker in unserer lustigen Gesellschaft. Und Profil-Neurosen
sind in Honkland aber mal sowas von gar nicht angesagt, daß sich das
wohl jeder Schimpanse an fünf Fingern abzählen kann. Denn ProfilNeurosen gibt es in Honkland nicht, sowas braucht unser Honk nicht,
und sowas will er auch nicht haben. Alles überflüssig. Keine
Profilierung, keine Show. Keine Show im Honkland, kein Stößchen für
sowas. Als Honk ist man sogar eher der Show-Stopper. Man muß
nämlich gar nicht immer so weit in die Ferne schweifen, um
Selbstdarstellung, um Profilierung, um Show zu bekommen. Ein kurzer
Abstecher in unser geliebtes Internet reicht da völlig aus, wenn man die
richtige Seite wählt.
294
Ich sage nur StudiVZ. Heiliger Bimbam! So, jetzt ist die Bombe
geplatzt, die Katze aus dem Sack, der Fisch gegessen. StudiVZ! Mehr
muß man da nicht sagen. Reicht. Ist alles gesagt mit, fällt einem nichts
mehr zu ein. StudiVZ ist geil, richtig geil, endgeil. Endgeil und aber
auch besonders wert- und sinnvoll. Erwachsene Menschen, die noch nie
in ihrem Leben eine Uni von innen gesehen haben, präsentieren sich
selbst auf Dutzenden von Photos. Beschreiben ihre Vorlieben und
Interessen. Schließen interaktive Freundschaften mit anderen Pansen.
Treten besonders lustigen Gruppierungen mit total witzigen Namen bei.
Malen sich gegenseitig lustige Blümchen und Bildchen und Herzchen
auf die interaktiven Pinnwände. Phantastisch. Ganz phantastisch. Und
süß. Ganz, ganz süß. Nein, wie ist das wieder süß. Zumindest dann,
wenn unsere Protagonisten acht Jahre alt wären. Dann ja, dann süß.
Ansonsten nicht. Ansonsten eher peinlich.
Erinnert mich irgendwie an diese kleinen Bücher, die man in der dritten
Klasse hatte. In die andere Schulkinder reinschreiben mußten. Also so
von wegen Name, Geburtstag, was ich mag, was ich nicht mag,
Lieblingslied, Hobby, Schwarm, und noch Photo rein, zack, fertig.
Daran erinnert mich das. Und an Pubertäts-Akne. Und an diese kleinen,
lustigen Zettelchen. Na an diese hier:
Willst Du mit mir gehen?
Ja
Nein
Vielleicht
Daran erinnert mich das auch, das schöne StudiVZ, das herrliche
StudiVZ, das wunderbare StudiVZ. Erinnert mich irgendwie an jede
erdenkliche Kinder-Kacke, nur an eines nicht: An erwachsene
Menschen, die eine Universität besuchen. Irgendwie nicht. Aber egal,
ich kann es nicht ändern. Will ich ja auch gar nicht, geht mir nämlich
komplett am Arsch ab, vgl. unter Punkt b) dieses Kapitels. Wird von mir
ansonsten komplett ignoriert, existiert für mich nicht. Dient in diesem
Fall nur ausnahmsweise als Beispiel zur Veranschaulichung. Zur
Veranschaulichung dessen, daß es in unserer lustigen Gesellschaft
mittlerweile beängstigend viele erwachsene Menschen mit
Profilierungs-Zwang bzw. komplettem Lattenschlag gibt. Stößchen.
295
Ja sorry, was geht denn, was geht denn?! Ich kann es doch nicht ändern,
ich habe das Kaspertheater doch nicht erfunden. Ist nicht meine Show,
nicht mein Business. Obwohl ich wenigstens noch ein Diplom an der
Wand hängen habe, sogar eines von der Uni, gucke mal einer an. Aber
nee, besten Dank, nicht nötig. Zumindest stellt man als Honk da bei
denen von Studi- oder Sonstwas-Fuck-Facebook-VZ nicht irgendwelche
beknackten Photos von seiner dummen Fresse, seinem fetten Arsch oder
seinem letzten Mauritius-Urlaub oder sonstwas rein. Oder gründet
irgendwelche albernen Gruppen, damit auch irgendwann der letzte
Hoschi mitkriegt, was für eine Proll-Karre man fährt oder mit welcher
Frutte man gerade poppt. Na super. Und das dann alles in der Hoffnung,
daß irgendein anderer Hoschi oder irgendeine andere Frutte dazu seine /
ihre Meinung oder Bewertung abgibt?! Uns ein Blümchen auf die
Pinnwand malt?! Oder daß wir vielleicht sogar entdeckt werden und
dann noch ganz groß rauskommen?! Also so von wegen SuperstarTopmodel oder sogar Miss Wintersemester, lol?!
Uiuiui, wäre das nicht alles zu schön, um wahr zu sein?!
Nee, eher nicht so. Eher zu wahr, um schön zu sein. Beziehungsweise
zu Scheiße, um wahr zu sein. Denn in Honkland gibt es keine
Selbstdarstellung, und das ist auch gut und richtig und höchst
begrüßenswert so. Entweder ist man geil, oder man ist es nicht. So
einfach ist das. Und sonst nix. Und daher überlassen wir zwanghaften
Pseudo-Exhibitionismus und
alberne
Internet-Selbstdarstellung
denjenigen, die es ganz offensichtlich nötig haben. Aber bitte nicht in
Honkland. In Honkland existiert solcher Blödsinn nicht, in Honkland
machen wir uns davon frei. In Honkland wollen wir das nicht haben.
So, hätten wir das dann auch mal geklärt. Und ganz nebenbei noch diese
ganze alberne Facebook-Kacke verrissen. Phantastisch, Glückwunsch,
Stößchen. In Honkland muß also niemand der oder die Beste sein, in
Honkland muß sich keiner selbst darstellen. Denn in Honkland will das
nämlich auch gar keiner. In Honkland ist es scheißegal, wer das dickste
Auto fährt, wer den tollsten Job hat, wer die meisten imaginären
Freunde irgendwo im Internet oder sonstwo hat. Völlig egal, völlig
Latte. Völlig unglaublich, was?! Unglaublich, aber wahr. Unglaublich,
aber Stößchen!
296
So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der
Buße zu beginnen: Denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter
vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie
geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich
fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit
der Seele und des Leibes verwandelt.
(Franziskus von Assisi)
Da ist das Ding!
(Oliver Kahn)
ee) Und was kommt jetzt noch?
Tja, eigentlich wären wir durch. Eigentlich hätten wir alles durch den
Kakao gezogen, was man nur durch den Kakao ziehen kann. Eigentlich
könnten wir an dieser Stelle Feierabend machen. Den ganzen Mist hier
ausdrucken, eintüten, wegschicken. Und hoffen und warten, ob sich
irgendein Verleger findet, der wahnsinnig genug ist, diesen Mist hier zu
veröffentlichen. Also eigentlich können wir jetzt nur noch abwarten und
Bier trinken. Eigentlich. Aber auch nur eigentlich. Denn irgendwas ist ja
immer. Und siehe da, siehe da, als hätte man uns gehört, wurde in der
Zwischenzeit auch das Geheimnis um Fräulein Schnäuzchen und Regel
Nummer Drei gelüftet. Also die Rede ist hier von dieser selten
dämlichen Mc-Donald`s-American-sonstwas-Werbung mit Klum plus
Opfern. Und das Geheimnis lautet: Es gibt keine! Keine Regel Nummer
Drei. Keine da. Ihr verrückten Hunde, Ihr! Aber nicht mit mir. Denn ich
habe von Anfang an gewußt, daß es überhaupt keine dritte Regel gibt.
Nicht geben kann.
297
Ist doch völlig logisch. Und zwar mit umgekehrter Logik: Weil es
nämlich einfach nicht vorstellbar ist, daß unser exorbitant cleveres
Schnäuzchen Regel Nummer Drei vergessen haben könnte.
Unvorstellbar, nicht möglich, geht nicht. Unser Schnäuzchen vergißt
nichts, viel zu clever. Also kann der logische Umkehrschluß nur lauten,
daß es überhaupt und zu keiner Zeit und noch nie irgendeine Regel
Nummer Drei gab. Klingt logisch, ist es auch. Was sich uns stattdessen
offenbart, ist nur sehr schwer mit normalen Worten zu beschrieben:
Unser Schnäuzchen betritt zusammen mit ihren paar Casting-Opfern die
Burger-Bude, sabbelt irgendwas vor sich hin, von wegen Stars und
Models und bla, geht dann an den Bestelltresen und stupst den BurgerBuben, der hinter dem Tresen an der Kasse steht, mit einem an Keckheit
nicht mehr zu überbietenden
Na, Du!
mit dem rechten Zeigefinger an die Nase. Bis dahin also gewohnt selten
dämlich und besonders sinnfrei. Aber jetzt kommt`s: Der sichtlich
gerührte Burger-Bube möchte es daraufhin Fräulein Schnäuzchen
gleichtun und sie ebenfalls mit dem Finger an die Nase stupsen. An ihr
putziges, kleines, süßes, freches Topmodel-Superstar-Näschen. Dies
wird jedoch von Fräulein Schnäuzchen unterbunden. Und zwar ganz
vehement, gewohnt souverän und mit einer sehr ausdrucksstarken 3fach-Kombo: Zuerst ein undefinierbarer, leise zischender Laut,
Insindern auch besser als Whisper of Doom bekannt. Also eine Art
Ankündigung dessen, was da gleich folgen wird.
Denn nun folgt nämlich zeitgleich ein doppelter Augen-Aufreißer in
Kombination mit einem senkrecht erhobenen Zeigefinger. Eine äußerst
gelungene, unmißverständliche und leider viel zu selten gezeigte
Kombo, die Insidern und eingefleischten Klümchen-Fans eher unter
dem Namen Fingerpoke of Doom oder Thunder in Paradise geläufig
sein dürfte. Versteht sich wohl von selbst, daß unser Burger-Bube wie
vom Blitz getroffen seine Aktion sofort abbricht, innehält und in stiller
Ehrfurcht verharrt. Und während sich der normale Proletarier aufgrund
des soeben Gesehenen noch voller Verzückung die Augen reibt, kommt
der Honk nicht umhin, diesen Sachverhalt zu hinterfragen: Na, war da
jetzt nicht mehr dahinter?
298
Und ob, und ob! Vergeßt Regel Nummer Drei, vergeßt die ganzen
Casting-Opfer, vergeßt einfach alles. Alles! Wir durften soeben an
etwas viel Außergewöhnlicherem teilnehmen. Wir durften soeben
Zeuge eines monumentalen Ereignisses epischen Ausmaßes werden.
Mal rekapitulieren: Schnäuzchen kommt da rein, und der Burger-Bube
strahlt schon. Spricht ihn an, berührt ihn sogar, und der ist völlig hin
und weg. Während der selbst sie nicht berühren darf oder kann. Na, was
ist denn wieder los mit dem Groschen? Fällt er mal wieder nicht? Ja
meine Fresse, das kann ja wohl nicht wahr sein, der muß doch mal
irgendwann fallen?! Klarer geht es doch nun wirklich nicht mehr:
Ein offensichtlich überirdisches Wesen (Klum) betritt eine x-beliebige
Umgebung (Mäckes) und läßt diese Umgebung sofort mit seiner Aura in
unbeschreiblichem Glanz und vollkommener Pracht erstrahlen. Nun
spricht dieses Wesen auch noch zu einem (zum Burger-Buben). Berührt
diesen. Segnet ihn, erleuchtet ihn, weist ihm den Weg. Während er
selbst dieses sehr herrliche Wesen nicht berühren, nicht greifen, sondern
nur huldigen, anbeten und fasziniert bestaunen kann.
Na, jetzt aber. Ist ja wohl klar wie Kloßbrühe, daß McDonald`s hier eine
moderne Variante des Heiligen Franziskus von Assisi und dessen
Begegnung mit Gott nachstellt. Viel klarer geht das ja nun wirklich
nicht mehr. Fehlen nur noch Heiligenschein und Orgelmusik. Der
Burger-Bube also in der denkwürdigen Rolle des Franz von Assisi, und
Heidi Klum natürlich als Gott.
So, das war`s, das war`s. Aus, Schluß, Feierabend. Ende im Gelände,
fertig, weg. Eigentlich wollten wir bloß ein stinknormales, dusseliges
Buch schreiben. Ein bißchen polarisieren, ein paar Handvoll
Arschlöcher durch den Kakao ziehen, auf ein paar Mißstände
aufmerksam machen und dergleichen. Sollte doch alles so schön trendy
und amazing und exciting hier werden. So schön sophisticated. Und
dann sowas! Jetzt haben wir völlig unbewußt und ungewollt einen
Beweis für etwas erbracht, wonach die Menschheit schon seit
Ewigkeiten sucht. Einen Beweis für die Existenz von Gott. Nein, nicht
nur für dessen Existenz, wir konnten ihn / sie sogar personifizieren:
Heidi Klum = Gott
299
Ach Du Scheiße!
Na das ist ja jetzt mal eine schöne Überraschung. Stößchen, Stößchen,
Stößchen. Wer hätte das gedacht?! Ich ganz offensichtlich nicht. Denn
hätte ich das vorher gewußt, hätte ich doch nie im Leben so
abgestänkert über unser göttliches Fräulein Schnäuzchen. Über unser
Schnäuzchen Gottes. Mist. Bockmist. Also da bin ich ja dann doch jetzt
wieder in eine -sagen wir mal- etwas mißliche Situation geraten. Aber
das hat so aber auch gar keiner gewußt. Was soll ich denn jetzt bloß
machen, wie stehe ich denn jetzt da?! Buch umbenennen? Von
Honkland - Germany`s Biggest Sackgesicht in World of Schnäuzchen?
Oder in Superstar, Superstar - Grins, grins, grins, Wonderland?
Ach Du Scheiße!
Und die ganzen Passagen im Buch, in denen ich unser Schnäuzchen und
ihr tolles GNT so explizit und trennscharf und teilweise das ein oder
andere Mal unter Umständen auch ein klein wenig kritisch analysiert
habe. Was ist denn jetzt damit? Soll ich das jetzt alles nochmal
umschreiben? Oder sogar positiv formulieren? Also lügen? Heucheln?
Mit gespaltener Zunge sprechen? Ach, komm` her, drauf geschissen, in
Honkland wird nicht geheuchelt. Was wahr ist, muß wahr bleiben.
Komme ich eben in die Hölle, Pech gehabt. Bin ich bestimmt nicht der
einzige Honk dort. Und schön warm ist es auch.
Nein, ich hätte da dann doch noch eine Idee:
Anmerkung: Bitte nun zurückblättern, die Seiten 85 und 86 lesen,
und danach dann wieder hier weiter.
300
Na? Na? Habe ich zuviel versprochen? War das jetzt gerissen, oder war
das jetzt mal gerissen?! Unfaßbar gerissen war das. Ein genialer
Schachzug. Honk eben. Gewußt wie, Hut ab, zack. Honkland. Man kann
sich noch so übelst daneben benehmen, wichtig ist nur, daß man weiß,
wie man hinterher aus der Nummer wieder rauskommt. Und da muß
man dann auch manchmal Wiesel sein, so wie eben. Da muß man
manchmal sogar ein ganz linkes Radieschen sein, ungelogen. So sieht
das nämlich aus. Wobei ich in meinem Fall hier doch stark bezweifeln
muß, daß mir dieser billige Taschenspieler-Trick jetzt noch den Arsch
retten kann. Dazu habe ich es einfach zu weit getrieben, viel zu weit.
Sozusagen das Schnäuzchen auf die Spitze getrieben. Ist jetzt aber auch
egal, nützt eh nichts mehr. Muß man jetzt zu stehen, denn Honkland
bedeutet auch Rückgrat. Was mich allerdings dann doch ein bißchen
wurmt, ist der Umstand, daß ich das alles nicht schon viel eher
durchschaut habe. Das wurmt mich, und das wurmt mich richtig.
Ich hätte es wissen müssen, ich hätte es wissen müssen. Scheiße, ich
hätte es ganz einfach wissen müssen. Allein der Umstand, daß dieses
GNT-Kaspertheater schon bald die fünfte oder sechste Staffel läuft,
hätte eigentlich jeden Vollidioten hellhörig machen müssen. Aber auch
wirklich jeden. Denn nur in einem Universum of Bullshit mit Fräulein
Schnäuzchen als höchstem Wesen konnte es jemals so weit kommen. In
einer normalen Welt bzw. in einem Universum, was nicht voll
Dünnpfiff und Hirntod ist, wäre dieser Zirkus bereits zur Hälfte der
ersten Staffel abgesetzt und eingestampft worden. Spätestens. Wenn
nicht sogar noch eher. Und ich hätte erst gar nicht so ein Scheiß-Buch
hier schreiben müssen. Verdammte Kacke!
Aber denkste, nicht mit Fräulein Schnäuzchen als Gott. Mit unserem
göttlichen Schnäuzchen läuft dieses Kaspertheater weiter. Es läuft und
läuft und läuft. Und wir büßen und leiden und leiden und büßen. Und
leiden und büßen und büßen und leiden. Meine Fresse, was müssen wir
nur leiden! Sodom und Gomorrha, ganz toll. Voll für`n Arsch, voll
ätzend. Für uns zumindest. Aber nicht für Fräulein Schnäuzchen. Denn
für die macht das alles Sinn, für die ist das alles Teil ihres
allumfassenden, göttlichen Schnäuzchen-Plans.
301
Du bist so geisteskrank in meinen Augen.
(Nadja Abd el Farrag)
Meine Ex-Frau hat es immer gewußt. Bereits ab der ersten Staffel. Mehr
als einmal ließ sie mich wissen, daß sie GNT „einfach nur göttlich“
finde. Halleluja! Hätte ich damals nur auf sie gehört. Denn für mich
stand GNT von Anfang an nicht nur für Germany`s Next Topmodel,
sondern logischerweise -genau wie GIMP- auch noch für
GehirNampuTiert.
Na? Na? Na? Kann ja wohl alles kein Zufall mehr sein. Ganz bestimmt
nicht. Aber darum geht es auch gerade nicht. Denn trotz alledem hat
GNT natürlich ein beachtliches Publikum. Eine Fanbase, wie man so
schön sagt. Soll heißen, es gibt genügend GIMPs, die GNT gucken und
sich daran erfreuen und frohlocken. Es gibt sogar diverse TopmodelInternet-Foren, in denen diverse GIMPs und Vollopfer (meist fruttigen
und minderjährigen Geschlechts) über GNT und ähnlichen Rotz
diskutieren, ja geradezu philosophieren. Ist kein Scherz, ist hammerhart,
kann jeder gern mal selbst nachschauen. Und daher liegt es für uns auch
geradezu auf der Hand, an dieser Stelle unsere nächste hierarchische
Beziehungsebene zu eruieren:
GNT GIMP
Und zack, paßt. Paßt wie die Faust auf`s Auge. Zack. Also durchaus
eine beachtliche Zielgruppe vorhanden. Zwar keine besonders
zurechnungsfähige Zielgruppe (und daher für geistig halbwegs normal
situierte Personen auch nur sehr schwer nachvollziehbar), aber eben
nunmal vorhanden. Zielgruppe ist Zielgruppe, Publikum ist Publikum,
und sei es noch so bekloppt bzw. vergimpt. Ich weiß, ich weiß, bis
hierhin nichts Neues. Aber jetzt wird es interessant, bitte Obacht!
302
Wir haben also eine durchaus beachtliche Zielgruppe, und genau
deshalb läuft diese beinahe tödlich banale Kacke auch weiter. Und läuft
und läuft und läuft. Und läuft weiter. Wir haben also ein Angebot an
Kacke und eine Nachfrage nach Kacke. Also läuft Kacke. Angebot und
Nachfrage, wie so oft im Leben. Was aber, wenn solche Kacke zwar
angeboten, aber nicht oder nicht mehr nachgefragt wird? Also
beispielsweise in solchen Fällen, in denen wir ein neues und besonders
behämmertes TV-Format anzubieten haben, welches jedoch kein
Schwein interessiert und daher auch weitestgehend ungesehen bleibt.
Also kaum Publikum, kaum Einschaltquote, nichts. Dann müßte dieses
Format doch eigentlich binnen kürzester Zeit wieder eingestampft
werden, oder etwa nicht?! Doch, eigentlich schon.
Ja, eigentlich schon. Im normalen Leben eigentlich schon. Aber nicht
bei PRO7, sorry, GIMP3000 natürlich. Und jeder, der jetzt nicht sofort
wie vom Blitz getroffen aufspringt und Giulia in Love?! aufschreit, hat
das Buch hier nicht verstanden und sollte sich jetzt lieber hinlegen oder
umbringen. Denn gern erinnern wir uns zurück: GIMP3000, unser
Lieblingssender, lief da nicht irgendwann mal Giulia in Love?! oder
sowas? Also diese alberne und besonders gehirnbekömmliche FakeKuppelshow rund um die geisteskranke (nur Zitat, siehe oben) Tochter
von Onkel Ralle und irgendwelche Hampelmänner, die sie
unverständlicherweise gern mal pimpern würden? Na klar lief das. Und
wir erinnern uns alle stets sehr gern daran. Stößchen, Kopfschuß.
Aber mal dahingestellt. Also dieser Mist lief, und er lief übelst
beschissen. Übelst beschissene Einschaltquoten. Völlig zu Recht,
möchte man meinen, irgendwann ist auch mal gut. Auch Schwachsinn
muß Grenzen haben. Und wer will schon dauerhaft sehen, wie Onkel
Ralles stumpfsinnige Lendenfrucht da mit irgendwelchen Lachkaspern
und Trotteln im Opfer-TV rumhampelt und dummschwätzt?! Nicht
viele. Zumindest nicht viele gesunde Menschen. Und daher auch ganz
miserable Einschaltquoten, die immer gerade so im Bereich um 4%
lagen. So, und jetzt kommt der Knüller: Trotz dieser beschissenen
Einschaltquoten hat GIMP3000 diese absurde Scheiße nicht abgesetzt.
Nein, nicht abgesetzt. Durchgezogen, voll durchgezogen. Also völlig
irrationales, seltsames und höchst ominöses Verhalten. Komplett nicht
nachvollziehbar. Hierfür kann es nur zwei Gründe geben:
303
Erste Variante:
Denen bei GIMP3000 ist mittlerweile alles komplett scheißegal. Alles!
Alles komplett voll scheißegal. Weil der Sender trotz genialster Formate
wie beispielsweise U20, taff, Sommermädchen, GNT, red und ähnlich
geilen Dingern eh bald dichtmacht. Insolvenz, Konkurs, zugeschissen,
whatever. Und bis das dann hoffentlich demnächst auch mal soweit ist,
wollen die uns nochmal voll verarschen und nochmal so richtig schön
auf die Palme bringen. Uns nochmal volle Kanne in die hohlen Birnen
scheißen. Zack! Aus Frust, aus Rache, aus Spaß, keine Ahnung. Kann
alles gut hinkommen, ist alles gut möglich bei GIMP3000. Kann ich an
dieser Stelle aber auch nicht weiter beurteilen, weil ich nicht FinanzBuchhalter bei denen bin und zudem auch deren Bilanz nicht kenne,
was aber auch besser so ist. Viel wahrscheinlicher erscheint mir nämlich
sowieso die zweite Variante:
Zweite Variante:
Das göttliche Schnäuzchen versucht derzeit, menschliche Gestalt
anzunehmen, um dann die Weltherrschaft zu erlangen. Hierzu hat das
Schnäuzchen zunächst irdische Gestalt in Form von amazing Heidi
Klum angenommen, sich des exciting Senders GIMP3000 bemächtigt
und versucht nun, die Menschheit zu vergimpen, damit es leichteres
Spiel hat, diese dann nach erfolgreicher Vergimpung zu unterjochen. Ja,
ganz schön harter Tobak, nicht wahr?! Sehr krass. Macht aber in meinen
Augen deutlich mehr Sinn als die erste Variante, mal rein objektiv
betrachtet. Und ist anders sonst auch nicht mehr zu erklären, wieso man
den Leuten so viel Scheiße in die hohlen Birnen dreschen will. Ergibt
ansonsten alles keinen Sinn mehr. Sommermädchen 2009 zum Schluß
als zweistündige Primetime-Sendung, Samstagabend um 20.15 Uhr!
Na? Na? Noch irgendwelche Fragen? Nein? Habe ich mir fast gedacht.
Eigentlich sind damit alle Fragen beantwortet.
Also mal dahingestellt, ob es wirklich das göttliche Schnäuzchen in
Gestalt von Heidi Klum ist, aber irgendwas haben GIMP3000 und
Konsorten mit uns vor. Daran besteht keinerlei Zweifel. Für irgendwas
versuchen die, unsere Hirne abzutöten. Zack, Schlick in die Birnen, ab.
Kopfsalat und Bregenwurst, bäh. Und das Schlimme daran ist, daß wir
304
nicht einmal ansatzweise wissen, warum. Das ist nämlich mittlerweile
keine Unterhaltung oder Entertainment oder sonstwas mehr, das ist
vorsätzliche schwere Körperverletzung. Versuchter, heimtückischer
Hirn-Mord. We love to entertain you? Von wegen. We love to butt-fuck
your brain! So müßte es eigentlich heißen. Bißchen verwegen, bißchen
obszön, aber wenigstes ehrlich. Keine Ahnung, warum die das machen
wollen. Ist aber auch für mich als Honk mehr oder weniger scheißegal.
Denn der Honk ignoriert sowas. Und ihr anderen da draußen solltet auch
langsam anfangen, Euch Sorgen zu machen. Um Eure Birnen. Um Eure
Rüben, Eure Kürbisse, Eure Waffeln. Wenn es denn dafür nicht schon
zu spät ist. Wenn Eure Hirne nicht schon so heftig krass gelitten haben,
daß die Scheiße schon bald aus den Ohren rausquillt. Was leider fast zu
befürchten ist.
Für den Honk nicht, dem ist das alles komplett egal. Der ignoriert das,
den kümmert das nicht, der ist ein Sackgesicht. Ja, ganz genau, ein
Sackgesicht. Dem geht das alles komplett am Arsch vorbei. Und das ist
auch gut so, denn einer muß ja den Durchblick behalten. Um
irgendwann gegebenenfalls einschreiten zu können. Um intervenieren
zu können, wenn der ganze Wahnsinn noch extremere Formen annimmt.
Auch wenn das kaum noch vorstellbar ist. Sollte der Honk erkennen
müssen, daß hinter diesem ganzen Wahnsinn ein System steckt, daß die
irgendwas ganz Gravierendes mit uns armen Irren vorhaben, etwas von
langer Hand Geplantes, dann, ja dann wird der Honk intervenieren.
Intervenieren müssen. Und zwar mit Feuer. Ja, sehr richtig, mit Feuer,
schönem Feuer! Honk-Anarchie als Notwehr und aber auch zum Wohle
der Allgemeinheit, die größtenteils leider nicht mehr so ganz
zurechnungsfähig ist. Ja, leider. Leider, leider. Leider muß es dann so
sein. Leider wird der Honk dann wieder etwas anzünden müssen, und
das ist dann aber auch gut und richtig so und aber auch sehr zu
begrüßen. Stößchen.
Wobei ich mir dann doch gerade nicht so ganz sicher bin, ob ich das mit
dem Anzünden dann auch wirklich hier schreiben sollte. Hmm...
305
I hurt myself today, to see if I still feel. I focus on the pain, the only
thing that`s real.
(Trent Reznor, Nine Inch Nails)
ff) Ergebnis
So genug des Schwachsinns, kommen wir mal langsam zum Ergebnis.
Wobei das mit dem Ergebnis auch schon wieder so eine Sache ist.
Eigentlich ist das ja hier nur so eine Art Teilergebnis. Ein Teilergebnis
zu der Thematik c) Der Honk als Sackgesicht, wir erinnern uns. Es folgt
ja immerhin noch das Ergebnis zu Unterpunkt IV. Der Honk und
darüber hinaus noch ein Gesamtergebnis, welches das komplette Buch
rekapituliert und für das ich mir Punkt V. als Unterpunkt ganz gut
vorstellen könnte. Es wäre also schlichtweg Wahnsinn, an dieser Stelle
bereits von einem Ergebnis zu sprechen, was mir aber eigentlich auch
egal ist. Verwirrt?! Verunsichert?! Macht nix. Weiter.
Gerade eben waren zwei gute Kumpels bei mir. Maurice-Pascal und
Pascal-Maurice. Nein, Späßchen, Justin und Dustin waren es. Nein, lol,
auch nicht, noch so ein kleines Späßchen. Bißchen Spaß muß auch mal
sein. Auf jeden Fall zwei richtig gute Kumpels. Bernie & Ert. Also zwei
Kollegen, denen man ruhig mal einen Uozo12 geben kann. Oder auch
zwei oder drei. Oder gleich mal die ganze Pulle, meistens dann doch
gleich die ganze Pulle, völlig egal, Pulle hin. Wollten nur mal kurz
vorbeischauen, die beiden guten Jungens. Nichts Aufregendes, kein
besonderer Anlaß oder sowas. Nur ein bißchen im Garten sitzen, ein
paar Bier saufen und beratschlagen, was man dieses Wochenende denn
wohl Schönes unternehmen könnte. Wurde auch höchste Zeit, denn
immerhin hatten wir schon Freitag, und es war mittlerweile auch schon
gute 13 Uhr. Sogar schon durch! Also allerhöchste Zeit für ein paar Bier
und einen Plan. Man kennt sich schließlich, Stößchen.
306
Wie immer konnten wir innerhalb kürzester Zeit eine Einigung erzielen.
Wie das eben so ist unter Männern und mit Uozo12 und so. Heute
Abend wird bei mir gegrillt, da fahre ich dann auch gleich mal los,
bißchen Bratwurst, Weißbrot und Tsatziki kaufen. Kein großer Aufriß,
alles schön grillig und chillig und so. Bißl vollsaufen, vielleicht noch
bißl die Hecke anrauchen, wer weiß. Kann alles gut passieren, ist alles
möglich. Alles vorstellbar. Morgen Abend geht das dann schon etwas
schärfer, da ist eine relativ große Open-Air-Party angesagt, von 89.0
RTL, dem Radiosender. Die kommen ab und an mal in unsere komische
Region und veranstalten hier so ein mittelprächtiges Spektakel. Also
schön einen reinballern, bißchen tanzen und ein paar flotte, besoffene
Hühnchen abschleppen. Klappt immer ganz ausgezeichnet auf solchen
Veranstaltungen, ist kein großes Hexenwerk, kann eigentlich jeder.
Keine große Kunst. Also unbedingt mal hingehen zu sowas, bißchen
saufen, paar juckige Fruttchen abschleppen, macht Laune. Und man
kommt auch mal wieder raus.
Wie auch immer. Dadurch, daß wir uns so schnell mit unseren Plänen
für unser Wochenende einig geworden sind, meinte einer meiner
Kumpels wohl, mich ein klein wenig verarschen bzw. sogar leicht
verärgern zu müssen. Keine Ahnung, warum. Lebensmüde, Langeweile,
besoffen, sonstwas. Heißt schlichtweg, daß der aufsteht, reingeht und
mein wunderbares Gäste-WC aufsucht. An sich kein Problem, macht ja
jeder ganz gern. Also eigentlich null Problemo. Eigentlich. Wenn dieser
dumme Peniskopf nicht 15 Minuten später wieder rausgekommen wäre
und gefragt hätte, ob ich denn keine Klobürste habe. Hammer!
Ausgerechnet diese Frage! Warum keine Klobürste! Und ausgerechnet
von dem. Höchst unverschämt, höchst dummdreist, sehr nonchalant.
Und besonders kackfrech obendrein, versteht sich, weil der nämlich
ganz genau weiß, daß ich über solch ein widerliches Kacke-Zepter nicht
verfüge. Und der weiß auch ganz genau, warum das so ist. Ferner weiß
der aber auch ganz genau, was dann immer passiert, wenn mir irgendein
Hornochse diese Frage stellt. Deswegen hat der das ja auch gemacht.
Um mich zu veräppeln, mich zu verärgern, mich zu verhohnepiepeln,
mir meinen Start ins Wochenende zu versauen, was auch immer.
Wahrscheinlich, weil die beiden sich immer so schön daran verlustigen
können, wenn ich mal wieder voll auf 180 bin. Komische Freunde sind
das manchmal.
307
Naja, was soll ich sagen, was soll ich sagen, der Rest ist dann mal
wieder Geschichte. Reine Formsache. Standard-Programm. Die übliche
Prozedur eben. Nachdem ich also diese beiden Rindviecher mit irrem
Blick, Schweiß auf der Stirn, einer Trittleiter in der rechten Hand und
einer halben Habanero-Chili im Auge aus dem Haus getreten und gejagt
habe, bin ich nun, da das Morphium-Zäpfchen in meinem Arsch schön
langsam zu wirken beginnt, tight und smoothie genug, um unser dann
doch sehr illustres Sackgesicht-Kapitel hier besonders stilsicher und
sinnvoll, ja fast schon mit einer leicht elegant-arrogant anmutenden
Note abschließen zu können. Was dann aber auch langsam mal Zeit
wird.
Wir erinnern uns bitte: Die Ausgangsfrage, die anfangs dieses Kapitels
gestellt wurde, war ja die, ob unser Honk unter Umständen als
metaphorisches Sackgesicht charakterisiert werden könnte. Wir waren
uns einig, daß dies dann zuträfe, wenn unser Honk innerlich krass madig
und ranzig und zugeschissen wäre, zudem noch eine extrem madige
Extrem-Made, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein
ranziger Schakal, ferner ein riesengroßer Peniskopf und ähnlich fieses
Zeug. Alles in allem also zumeist eher unschöne Attribute, und natürlich
alles rein charakterlich gesehen. Träfe dies alles zu, dann, ja dann -und
nur dann- müßten wir unseren Honk leider als metaphorisches
Sackgesicht einordnen.
Mal rekapitulieren, was wir so alles in Erfahrung bringen konnten. Was
hatten wir denn alles so im Laufe dieses lustigen Kapitels? Wir hatten
Exxon Valdez, Nordic Walking und Gurken-Männchen. Wir hatten
Regel Nummer Eins, Fremdgehen und Hausverbot im Grand Elysée.
Wir hatten Kosmuschis, Regel Nummer Zwei und GIMP3000. Und
natürlich besoffene Vampire, Citizen Dildo und StudiVZ. Gefolgt von
Regel Nummer Drei, Whisper of Doom und Schnäuzchen Gottes. Ja,
das hatten wir alles. Lauter solch beknacktes Zeug. Irgendwas
vergessen? Denke nicht. Und nachdem wir das alles haben und hatten
und überhaupt und sowieso, können wir nur zu einer logischen
Schlußfolgerung gelangen. Es kann nur eine ganz klare Antwort auf die
Frage geben, ob unser Honk ein Sackgesicht ist. Nämlich:
Ja und nein.
308
Was für ein Scheiß, loool!
Keine Frage, der Honk ist ein Sackgesicht. Und zwar ein ganz großes.
Was denn wohl sonst?! Er verunglimpft unser Vorzeige-Heidi der
Nation, belustigt sich über praktische, formschöne Multivans, tituliert
Männer als Gurken und notorische Fremdgeher, fuckt diese trendy
Facebook-Dingsbums ab und dergleichen. Meine Fresse, ist der mal ein
Sackgesicht. Das sollte mittlerweile unumstritten feststehen. Der Honk
als Sackgesicht, und so wird er auch wahrgenommen, und das völlig zu
Recht. Allerdings lediglich durch außenstehende Dritte bzw. NichtHonks. Für außenstehende Dritte und Nicht-Honks ist unser Honk
madig und ranzig und zugeschissen. Und ja, für außenstehende Dritte
und Nicht-Honks ist unser Honk auch eine extrem madige ExtremMade, eine Napf-Birne, ein gammeliger Gimp, ein Oimel, ein ranziger
Schakal, ferner ein riesengroßer Peniskopf und ähnlich ätzendes Zeug.
Natürlich alles rein metaphorisch, aber dafür umso krasser, unglaublich
krass ist das.
Dies gilt jedoch immer nur für die Fremdwahrnehmung durch Dritte
und Nicht-Honks. Denn daß sich unser Honk selbst nicht als Made und
Gimp und Oimel oder gar als Schakal sieht, sollte auch klar sein. Wäre
ja wohl sonst auch ein klein wenig schizo, gelle?! Schließlich sind wir
hier in Honkland und nicht in Schizo-World oder im Irrenhaus oder so.
Der Honk sieht sich als Honk, und das ist er auch, und das bleibt er
auch, und sonst mal gar nichts. Vielleicht noch als Ober-Honk, VollHonk, Selektor-, Skeletor- oder Elektro-Honk, kann alles sein, alles gut
möglich. Oder eines Tages sogar noch Honkytonk, wer weiß, jedoch
stets und ständig Honk. Fremdwahrnehmung also Sackgesicht,
Eigenwahrnehmung Honk.
309
Ich habe kein Geld überwiesen, was soll`n die doofe Frage? Sind Sie im
Kopp net normal, oder was? Unverschämtheit, mir so `ne Frage zu
stellen. Ich hau` Ihnen in die Fresse, mehr sind Sie nicht wert. Das ist
eine Unverschämtheit, das habe ich ja noch nicht erlebt, sowas
Dreckiges! Schicken Sie mir einen Chefredakteur. Wie können Sie mich
überhaupt auf sowas ansprechen? Ich hab` in meinem Leben noch kein
Geld in die Schweiz überwiesen. Dreckschwein!
(Willi Konrad)
3. Ergebnis
Sooo, damit haben wir`s, damit ist die Kih vom Eis. Damit hätten wir
unseren Honk also charakterisiert und kategorisiert. Hier, bitteschön:
Bezeichnung
Idiot
Fremdwahrnehmung
normal dumm
smart
Eigenwahrnehmung
normal dumm
recht zufrieden
Vollidiot
sehr dumm
(nicht vorhanden)
Fremdopfer
Vollopfer
Honk
tatsächlicher
Status
normal dumm
recht zufrieden
smart
sehr dumm
normal dumm
irgendwo clever
fast clever
positiv
unzufrieden
positiv
tragisch
tragisch
sehr banal
sehr wichtig
sehr banal
dümmlich
clever
überbewertet
ungeil
geil
realitätsfremd
Chaot
Selbstbefreier
Anarchist
dumme Maulhure sozial. Materialist sozial. Materialist
Sackgesicht
Honk
???
Stößchen! Damit ist unsere tolle Übersicht über unsere Charaktere und
Figuren in und um Honkland herum fertig. Phantastisch, ich ejakuliere!
310
Unser Honk nimmt dabei eine Rolle ein, die ihm viele anfangs vielleicht
noch nicht zugetraut hätten, also rein vom tatsächlichen Status her:
Erstes Teilergebnis war Anarchist, zweites Teilergebnis war sozialer
Materialist bzw. Ignorant, und drittes Teilergebnis, tja, ein drittes
Teilergebnis konnten wir bislang noch nicht herausarbeiten. Ist unser
Honk nun ein Honk, oder ist er möglicherweise vielmehr ein übles
Sackgesicht? Wie sieht sein tatsächlicher Status aus?
Wieder eine ganz klare Antwort: Keine Ahnung.
Schlichtweg keine Ahnung. Keinen blassen Schimmer, keinen Dunst.
Vielleicht beides, also Honk und Sackgesicht. Vielleicht auch keines
von beiden oder von beidem ein bißchen. Vielleicht auch ganz was
anderes, keine Ahnung. Alles denkbar, alles möglich. Kann alles gut
hinkommen, alles gut möglich im Honkland. Alles gut möglich, und
aber eigentlich auch alles völlig egal. Denn wie immer kommt es
einfach nur auf die jeweilige Betrachtungsweise an. Klar, mögen einige
denken, so ein blasierter Fatzke, so ein Sackgesicht, so ein
aufgeblasenes Pestmaul hat uns gerade noch gefehlt. Als hätten wir
keine anderen Sorgen im Leben, kommt der noch mit so einem Scheiß
daher. So ein Scheiß! Scheiß-Honk! Scheißkopf! Affenkopf!
Naja, könnten dann andere wiederum denken, vielleicht ist Honkland ja
gar nicht mal so abwegig. Also wenn man mal die Intention dahinter
betrachtet und so. Vielleicht muß man ja manchmal ein klein wenig
polarisieren, ein klein wenig übertreiben und oversellen, damit es auch
der letzte Sepp mitkriegt. Vielleicht sind ja einige unserer Ansätze hier
bei objektiver Betrachtung gar nicht mal so schlecht. Einen Blitzer
anzünden, weil der einen stört. Warum denn nicht?! Eine altdeutsche
Dönerbude eröffnen. Ist doch auch nicht schlecht, mal was Neues. Den
Nachbarn zusammenschlagen. Unbedingt! Auf jeden Fall besser als
jahrelange Jaulerei und Klagerei. Oder, oder, oder. Den Kapitalismus
mal ein bißl kritischer betrachten. Heizöl tanken. Viele Dinge einfach
mal voll am Arsch abgehen lassen. Öfter mal einen saufen. Ist doch
eigentlich alles ganz gut. Und wer weiß, wer weiß, vielleicht könnte
sich der ein oder andere Ansatz bei näherer, objektiverer und
unverfänglicherer Betrachtung ja doch als ganz brauchbar erweisen für
den ein oder anderen hier.
311
Zumindest die Grundintentionen sollten klar sein und auf breite
Zustimmung stoßen. Also wenn die nicht klar sind und auf Zustimmung
stoßen, möge mir auf der Stelle eine Niere explodieren, und ich wandere
dann auch noch aus nach Rudschadinedschad.
Kampf der Armut war beispielsweise eine Grundintention. Da kann ja
wohl keiner was gegen sagen. Echt nicht. Höchstens einer, der komplett
einen an der Waffel hat und gar nicht mehr klarkommt in der Welt. Der
kann da was gegen sagen. Eine andere Intention war etwas höhere
Ansprüche an Moral und Ethik. Ist ja wohl auch nicht schlecht,
könnten ja wohl auch die meisten hier ein bißchen mehr von vertragen.
Und stattdessen etwas weniger Neid, Mißgunst und Haß. Das wäre
doch mal was. Wäre ein ganz guter Tausch, hätten wir alle was von.
Ebenso ein bißchen weniger Habgier im wunderschönen Kapitalismus,
auch wenn das an sich ein Paradoxon ist. Möglich ist alles, einfach mal
ausprobieren, kommt gut. Macht unser ferngesteuertes und
fremdbestimmtes Leben gleich viel lebenswerter, soviel steht mal fest.
Hier, richtig gut kommt auch, generell die Dinge mal ein wenig lockerer
und unverkrampfter angehen zu lassen. Mal den Stock aus dem Arsch
raus, zack, raus. Täte den meisten eigentlich auch mal ganz gut, echt
jetzt. Mal sich selbst nicht ganz so wichtig nehmen. Als schönes
Beispiel hierfür könnten wir an dieser Stelle mal unsere besonders
trendy-taffen Karriere-Frauen Ende 20 bis Mitte 30 nehmen. Genau, die
nehmen wir jetzt mal. Vorhin hatten wir unsere grazilen KampfAmazönchen in ihren Sternen-Zerstörern, lol, nehmen wir jetzt mal
unsere taffen Business-Girls. Unsere Business-Früttchen!
Liebe Karriere-Mädels, liebe Business-Girls, liebe Früttchen: Es ist
wirklich ganz, ganz toll, daß Ihr irgendeinen ganz, ganz tollen
Hochschul-Abschluß in irgendwas habt und jetzt Personal-Referentin
oder Sonstwas-Assistant bei SAP oder VW seid. Oder bei SIEMENS
oder BMW Konferenzen vorbereiten dürft, vielleicht sogar mit ganz
tollen ausländischen Teilnehmern und mit Schaltung nach sonstwo,
uiuiui. Oder Powerpoint-Präsentationen vorstellen dürft. Oder
irgendeinem dummen Arschloch irgendein bescheuertes Mäppchen
hinterhertragen dürft. Oder, oder, oder... Alles gaaanz toll.
312
Interessiert im normalen Leben allerdings keine Sau. Nicht die Bohne.
Ist nur ein Job, nichts weiter. Nur ein dusseliger Job. Von den paar
hundert Euretten mehr im Monat oder von Eurer super-trendy 60- oder
80-Stunden-Woche oder Firmenwagen oder Hosenanzug oder
ähnlichem Scheiß werdet Ihr nicht wichtiger. Auf keinsten. Und vor
allen Dingen auch nicht geiler. Also das dann schonmal gar nicht.
Insoweit bitte auch nicht wundern, wenn es denn -falls überhaupt- nur
Gurken-Männchen für Euch gibt. Ja woher denn auch?!
Ist eben nicht jedermanns Sache, mit einem aufgescheuchten Hühnchen
zusammen zu sein, dem beim Vorbereiten einer Telefon-Konferenz oder
Präsentieren einer GuV-Tabelle voll einer abgeht. Sorry, Mädels, ich
kann es doch nicht ändern. Ist nunmal leider so. Mal ein bißchen
weniger wichtig nehmen, Stock aus dem Arsch raus, bißchen
klarkommen, und schon scheint auch im realen Leben die Sonne für
Euch. Hier, Sonne, zack, bling! Und vor allen Dingen braucht Ihr dann
mit Ende 30 auch nicht irgendein albernes Sabbatical oder
vergleichbaren Quatsch einlegen. Ist doch albern, laßt doch den Scheiß.
Mal echt jetzt. Also easy, Mädels, ganz easy. Entspannt Euch, Ihr
Süßen, und behebt mal ganz spontan Euren Vögel-Notstand. Dann sieht
die Welt auch wieder ganz anders aus. Wetten?!
Okay, einer für die Damen, jetzt mal wieder einer für die Herren. Wir
wollen ja schließlich fair bleiben, alle gleichberechtigt hier. Und deshalb
an dieser Stelle nur ein Stichwort: Hobby-Sportler. Männliche HobbySportler. Männliche Hobby-Sportler jedweder Altersgruppe. Heiliger
Bimbam! Meine Fresse, was können die Jungs abgehen. Unfaßbar krass
können die mal abgehen. Keine Ahnung, warum die so abgehen, aber
auf jeden Fall hammerhart! Hammerhart, wie krass die drauf sind.
Allein schon deren Equipment, sensationell. Läßt jeden Profi-Sportler
vor Neid erblassen, garantiert. Und ich rede hier nicht von Pulsmesser,
Getränke-Gürtel, Bandagen und ähnlichem Blödsinn, sondern von ganz
speziellen Gerätschaften und Gimmicks und Gadgets, deren Namen und
Funktion ich nicht einmal kenne. Sensationell, wie geil die Jungs drauf
sein können.
Und schon haben wir wieder eine endgeile Überleitung...
313
Und die Jahre ziehen ins Land, und wir trinken immer noch ohne
Verstand. Denn eines, das wissen wir ganz genau, ohne Alk da wäre der
Alltag zu grau. Korn, Bier, Schnaps und Wein, und wir hören unsere
Leber schreien. Und wenn einmal der Abschied naht, sagen alle: „Das
hab` ich schon immer geahnt.“
(Die Toten Hosen)
In Honkland ist sowas natürlich furchtbarer Quatsch. In Honkland dient
jedwede sportliche Betätigung allein der Freude am Sport und der
körperlichen Ertüchtigung. Sport ist wichtig, Sport ist toll, Sport muß
sein. Echt jetzt. In Honkland wird nämlich so viel geraucht, gesoffen,
gehurt und sonstwas, daß es einer sportlichen Betätigung als Ausgleich
dafür bedarf. Zwingend erforderlich sozusagen. Sonst sieht es nämlich
irgendwann ganz schön düster für uns aus. Zum einen wollen wir ja
nicht fett und ranzig und gurkig werden, zum anderen wollen wir auch
nicht schon mit 50 in die Kiste springen. Nicht auszudenken, was wir
dann alles verpassen würden. Zum Beispiel die 800ste Staffel von GNT,
wie exciting. Oder Detlef D-Ausrufezeichen Soost als Bundespräsident,
wie tight. Und natürlich auch den chicen Jumbo-Multivan mit vier
Achsen und 600 PS für die moderne Patchwork-Familie der Zukunft,
wie riesig. Unglaublich riesig.
Nein, das alles möchten wir noch erleben, und deswegen gehen wir zum
Sport. Unser Honk trainiert also, und das macht er auch sehr gern. Als
sinnvollen Ausgleich und zum Spaß. Na klar, zum Spaß. Zum
Vergnügen, wozu denn wohl sonst?! Also nicht wie rein ins FitnessStudio und ab auf die Flachbank oder an die Rudermaschine. Und
pumpen wie ein Maikäfer, es dient der Gesundheit! Danach rauf auf
Stepper oder Laufband und Vollgas. Alles ganz easy, aber alles volle
Kanne. Turnvater Jahn würde sich im Grabe umdrehen. Eine
Ertüchtigung, die ihresgleichen sucht und nebenbei auch noch den
Spaßfaktor betont. Irre, einfach nur irre. Eine irre Ertüchtigung.
314
So, und um das Ganze jetzt noch richtig irre bzw. sogar schon etwas
abenteuerlich und waghalsig zu gestalten, empfiehlt es sich, zu
besonderen Trainings-Einheiten auch ein besonderes Getränk
mitzunehmen. Wenn man beispielsweise in ein Fitness-Studio geht,
dann hat man ja auch so eine wiederbefüllbare Trinkflasche, die man
sich dort auffüllen lassen kann. Mit Wasser, mit isotonischem Getränk,
ganz nach Belieben. Ganz toll lecker, ganz toll erfrischend, immer viel
trinken beim Sport, ist wichtig.
Jetzt kann man als Honk aber auch von Zeit zu Zeit dahergehen und sich
das Ding bereits zu Hause mit einem Getränk befüllen. Na, ahnt es
schon der ein oder andere? Richtig, der Honk knallt sich das Ding
bereits zu Hause voll. Und zwar mit 200 ml Gin und 500 ml TonicWater. Macht 700 ml extrem charmante Mische, nicht zu taff, nicht zu
tight und auch nicht zu low. Also genau richtig für schweres
Krafttraining, Mischverhältnis 2,5 zu 1, paßt. Und jetzt ist der Punkt
gekommen, an dem man genau von drei positiven Aspekten dieser
Vorgehensweise profitiert: Zum einen enthemmt einen der leckere GinTonic, soll heißen, daß man Gewichte auf die Hantel ballert, an die man
sonst im Traum nicht denkt. Und oftmals schafft man die dann sogar.
120 Kilo Bankdrücken, zack. Nüchtern unvorstellbar, mit der richtigen
Mische kein Problem. Zack, hoch, Stößchen.
Ferner wird die Schweiß-Produktion durch den Alkohol bis ins
Aberwitzige gesteigert, was aber auch gut so ist, denn man soll ja beim
Sport viel schwitzen. Und zu guter Letzt geht der Alkohol bei dieser
Konstellation sofort und bretthart in die Birne. Kompromißlos rein. Und
bretthart. Drei Sätze Bankdrücken bis zur Schmerzgrenze, Puls auf 160,
und in der Pause jeweils einen Schluck von der Mische. Und Boing, der
Rest ist Formsache. Reine Routine. Und natürlich eine Mords-Gaudi,
keine Frage. Da soll nochmal einer sagen, Sport mache keinen Spaß.
Pustekuchen, dem huste ich einen. Also easy, liebe Hobby-Sportler,
ganz easy. Entspannt Euch, das Leben ist zuweilen verbissen genug. Da
müßt Ihr doch nicht noch beim Sport so einen Burner draus machen, als
wäre der Leibhaftige hinter Euch her. Ist doch Blödsinn. Schön
trainieren, schön schwitzen, schön ertüchtigen. Aber die Kirche im Dorf
lassen. Schön Freude am Training haben, gern auch mal mit einer
schönen Mische. Stößchen.
315
Und jetzt, liebe Kinder, geht fleißig einkaufen. Für jeden Dollar, den Ihr
für ein Krusty-Produkt ausgebt, muß ich nett zu einem kranken Kind
sein. Laut Gesetz zählen dazu auch Nutten mit Erkältung.
(Krusty the Clown)
Alles klar hier? Alle bedient? Männlein und Weiblein gleichermaßen
bedient? Fehlt noch was? Aber ja, das Wichtigste kommt fehlt noch.
Natürlich, es sind die Kinder. Die fehlen noch, die wurden noch nicht
bedient. Die Kinder. Denk` doch mal bitte einer an die Kinder! An
die Kinder, die lieben Kinderchen. Alles klar, mache ich, mache ich
gerne. Onkel Honk denkt auch an die Kinder, sehr gern. Vielmehr an die
Zielgruppe der Kinder. Denn die will man jetzt ganz offensichtlich auch
schon so früh wie möglich weich im Keks machen.
Was haben die sich bei PLAYMOBIL denn wohl dabei gedacht?! Hier,
zack, ganz neu im Sortiment: Artikel 4144, Familyvan mit
Bootsanhänger! Leck` mich am Arsch, was geht denn jetzt?! Ein
Familyvan mit Bootsanhänger. Mit Anhänger! Für Kinder. Zum
Spielen! Wie endgeil ist das denn nun wieder?! Als würde es nicht
reichen, den armen Kinderchen so einen Schweine-Hobel, so eine Exxon
Valdez aus Plastik zu verhökern, nein, da muß jetzt sogar noch ein
Anhänger mit bei. Ich kann nicht mehr. Hilfe!
Exxon Valdez mit Klauen-AHK! Für Kinder!!!
Alles klar, geht wieder. Aber trotzdem unfaßbar krass. Was soll denn da
der Gedanke dahinter sein? Liebe Kinderchen, in 20 Jahren gibt es eh
nur noch solche Klumpen auf Rädern? Keine Ahnung. Will ich aber
auch gar nicht wissen. Wir hatten früher Piraten-Schiff und sowas, das
war noch geil. Da konnte man als Kind noch Phantasien ausleben, von
wegen Abenteuer und so. Aber was soll man denn bitte bei so einer
Plastik-Gurke mit AHK an Phantasien haben?!
316
Entzieht sich komplett meiner Kenntnis, was der Quatsch soll. Ist mir
völlig schleierhaft. Wahrscheinlich will man das demanzipierte,
männliche Kind schonmal auf seine Zukunft unter den Fittichen der
postmodernen Amazone vorbereiten. Also nichts da von wegen Porsche
und Tennis und geile Frutten und so. Amazonen-Herrschaft und
Monster-Gurke und Kinderkarre sind stattdessen angesagt. Und sonst
gar nichts. Könnt Ihr Euch gleich mal drauf einstellen, gibt es hinterher
wenigstens nicht das böse Erwachen. Weiß der kleine Malte-SörenTjark gleich, wo und wie der Hase läuft.
Also keine Ahnung, was der Blödsinn soll. Wenn man den Kids etwas
mehr Realitätsnähe vermitteln möchte, dann sollte man doch lieber was
Sinnvolles rausbringen. Etwas, woraus die Kleinen was für später lernen
können. Schlagartig fällt mir da das große PLAYMOBIL
Sicherstellungs-Set ein, abfeier. Na das wäre doch mal was. Das wäre
ein durch und durch sinnvolles Spielzeug für jede Altersklasse.
Pädagogisch besonders wertvoll. Das große Sicherstellungs-Set, einfach
nur geil. So schön mit winzig kleinen Grün-Weißen aus Hartplastik und
Grüner Minna mit abnehmbarem Dach. Und natürlich ein wackeliges,
kleines Männchen mit krummen Beinen und zugekniffenen Augen, also
der Fahrer. Und als Zubehör ein klitzekleines Atemalkohol-Meßgerät
und eine winzige CD-Hülle mit Koks-Resten und einem gerollten
Zehner. Wie geil!
Naja, und auf jeden Fall auch noch so ein ganz, ganz winzig kleiner
Führerschein, der dann sichergestellt werden kann. Sichergestellt!
Darum geht es ja bei dem Spielzeug. Und darum geht es ja auch im
realen Leben. Eigentlich geht es überall und immer nur darum. Um
Sicherstellungen! Ein winziger Führerschein zum Sicherstellen muß
also unbedingt dabei sein. Und Plastik-Kotze, die darf auch nicht fehlen.
Was für ein geiles Spiel-Set. Unheimlich geiles Set, geil, geil, geil. Sehr
geil, geiles Set, würde ich sofort drei Stück von kaufen. Eines für mich,
zwei für meine beiden kleinen Neffen, damit die dann auch gleich
wissen, wie es im realen Leben abgeht. Phantastisch. Also bitte kickt
diese Scheiß-Family-Möhre mit Boot und Anhänger und Einbauküche
zum Mond oder sonstwo hin, mir scheißegal. Und dafür dann im
Gegenzug her mit dem PLAYMOBIL Sicherstellungs-Set!!! Ich will es
haben, ich will es unbedingt.
317
Ich muß das unbedingt haben, das krasse Zeug.
Ansonsten auch hier wieder ganz klar gleiches Thema:
Bitte selbst nicht immer ganz so wichtig nehmen!
Laßt doch die Kinderchens Kinderchens sein, die werden doch eh schon
viel zu früh mit dem Wahnsinn dieses sehr lustigen Lebens konfrontiert.
Guckt Euch doch bitte mal die ganzen 3- bis 8-jährigen Topmodels und
Superstars und ähnlich gestörte Blagen an, die haben doch eh schon
mittelschwer bis hochgradig einen an der Waffel durch diesen ganzen
Zirkus. Und das in dem Alter schon. Was soll denn da dann mal raus
werden?! Da kann doch nichts Gescheites mehr bei rumkommen. Ist
doch auch so schon alles schlimm genug, da müßt Ihr doch nicht noch
einen draufsetzen mit so einem absurden Plastik-Schrott. Laßt das doch
bitte mal sein, ja?! Das kann doch nun wirklich nicht mehr so ganz
gesund sein.
Legt doch stattdessen lieber mal die Masters of the Universe aus den
Achtzigern neu auf. Die endgeilen Masters! So schön mit He-Man und
Skeletor und Teela und Orko und Fisto und so. Mit Fisto! Ich hätte da
auch schon eine Idee, wer den bzw. vielmehr die moderne Fisto bzw.
die moderne Fisti verkörpern könnte, also so von wegen Fist und
Double-Fist und Reverse-Fist und so, aber da gehe ich jetzt mal lieber
nicht näher drauf ein. Meine Wunsch-Kandidatin wäre da eh mehr
geeignet für den postmodernen Man-E-Faces bzw. die postmoderne
Woman-E-Faces, lol. Woman-E-Faces, ich leg` mich ab! Obwohl so
rein vom Namen her klingt Fräulein Fisti dann doch noch ein paar
Nummern härter. Fräulein Fisti! Aus dem besonders renommierten und
erhabenen Königreich von und zu GIMP3000. So schön mit einer
überdimensionalen, völlig flexiblen und im Dunklen leuchtenden
Plastik-Faust, das wäre ja wohl der Hammer, der Hammer schlechthin.
Und selbstverständlich auch noch mit rollbaren Augen und rümpfbarer
Nase, das ist auch noch ganz wichtig, das darf auch nicht fehlen. Würde
ich sofort kaufen. Zusammen mit dem Sicherstellungs-Set. Echt jetzt.
Aber ist jetzt auch egal, wir schweifen schon wieder ab.
Zusammenfassend und ohne weitere Entgleisungen können wir also das
hier als weitere Grundintention resumieren:
318
Bitte alle mal so richtig schön locker machen! Mal so richtig schön
locker, auch -bzw. insbesondere auch- im Sinne der armen Kinder. Mal
so richtig schön den Stock aus dem Arsch raus, zack, raus, mal halb so
wichtig, und gut ist. Breathe easy. Kommt gut. Und falls das wider
Erwarten dann doch nicht so gut klappen sollte:
Einfach mal die Fresse halten. Und sich selbst mal hinterfragen, woran
das denn wohl liegen könnte, daß der Stock schon gar nicht mehr raus
geht aus dem Arsch. Na? Na? Na? Ja! Fällt und fällt und fällt.
Und fällt auf jeden Fall immer noch, denn eine weitere Grundintention
dieses total geilen Groschen-Romans ist die hier:
Die Glotze raus aus dem Fenster!
Zack, raus. Raus aus dem Fenster, hier, zack, ab. Kick raus die ScheißGlotze! Den Stock raus aus dem Arsch, und die Glotze raus aus dem
Fenster. Beides muß raus. Also Fenster auf, und raus das Ding. Oder
gleich durch das geschlossene Fenster schmeißen, geht auch. Voll durch
die Scheibe, äußerst symbolträchtige Aktion für alle Beteiligten. Oder
alternativ einfach mal ausschalten. Ja, ganz recht, ausschalten, aus.
Wäre auch mal eine interessante Möglichkeit. Einfach mal
ausprobieren. Oder hier, mal was Gescheites glotzen. Tiersendung oder
so. Oder, oder, oder. Kann man alles machen, alles total sinnvoll. Raus,
aus, weg, Fenster auf, Fenster zu, völlig egal.
Aber doch bitte nicht permanente und konsequente Dauer-Berieselung
mit diesem hirnverbrannten Telemedial-Kot. Ja meine Fresse, was geht
denn?! Oder besser, wie viel geht denn?! Wie viel Kot geht noch rein in
die Rüben?! In die Zwiebeln, in die Kürbisse, in die Pfirsiche?! In die
winzigen Schrumpfköpfe?! Oder alle schon durch da oben? Futsch, putt,
hin? Flatline, Braindead, Game over? Lampe dunkel, Ofen aus, Küche
zu? Die Lunte abgebrannt? Wie kann man seine wertvolle Zeit, sein
wertvolles Hirn, ja sein wertvolles Leben mit so einer banalen Kacke
vergurken?! Sein schönes, kostbares Leben?! Tagein, tagaus, mit so
einer visuellen Dauer-Monatsblutung?! Kann mir das mal einer
erklären?! Bitte?! Ich will es doch nur verstehen...
319
Ein bißchen Gras ins Polster schmieren, daß die Hunde reagieren.
Ein Briefumschlag voll Rosmarin, ein Gramm zerriebenes Aspirin.
Ich hab` vieles ausprobiert, heut` weiß ich, was mich amüsiert.
Mein Sonntagnachmittags-Pläsier ist Zöllner vom Vollzug abhalten auf
der A4.
(Götz Widmann)
Aber ich werde es niemals verstehen können, und das ist aber auch gut
so. Ist gut so, ist besser so. Ja, in der Tat, ist besser so, viel besser. Ist
viel besser so, und eigentlich will ich es dann aber auch doch nicht
verstehen können. Ein Teufelskreis.
Dabei kann man so viele andere tolle Sachen machen, in seiner Freizeit
und so. Man kann schön Sport treiben oder Freunde treffen oder vögeln
gehen oder einen saufen oder beides zusammen, man kann ein lustiges
Buch lesen oder schreiben, ins Kino gehen, in den Zoo, zum Minigolf,
ganz egal. Ist völlig egal, und kostet auch alles nicht viel Kohle. Alles
ganz easy. Oder man ist mal innovativ. Malt ein schönes Bild, schreibt
ein flottes Gedicht, dichtet ein Sonett, zündet etwas an, alles ganz
einfach. Ist alles ganz einfach, kann jeder.
Man kann auch einen Fightclub veranstalten oder in der Armenküche
helfen oder am See oder im Park oder sonstwo grillen. Kann man alles
machen, macht alles Spaß, macht auch alles Sinn. Oder hier, mein
Geheimtipp: Klebt Euch einen Aufkleber mit der witzigen Aufschrift
Smoke Marihuana oder Coca-Connection hinten in die Heckscheibe
Eures Autos rein, setzt Euch Sonnenbrille und Pudelmütze auf, und
dann fahrt Ihr auf der A30 Richtung Holland immer schön hin und her.
Immer schön hin und her, idealerweise mit vollbesetzter Karre, vier
oder fünf Leute rein. Und alle schön Kippe im Maul, auch ganz wichtig,
muß ordentlich qualmen aus der Karre und um die Karre herum.
Äußerst kreativ, kommt voll gut. Ein Garant für gute Laune.
320
Ach ja, Frank-Zappa-CD oder Masters-of-Schranz-MP3 sollte dabei
bitte auch nicht fehlen, ferner Bassbox hinten rein, volle Kanne
aufgedreht. Und der Fahrer bitte noch eine mit Apfelsaft befüllte
Weinbrand-Pulle in die linke Hand und beim Fahren aus dem Fenster
rausgehalten. Endgeile Aktion. Verschärfter geht es bald wirklich nicht
mehr. Machen wir immer gern, wenn wir zuviel Langeweile haben. Für
den zusätzlichen Kick schließen wir dabei noch Wetten darauf ab, wie
lange es wohl dauert, bis uns die Rennleitung anhält. Sozusagen Spaß
und Spiel in einem. Purer Nervenkitzel, endgeil, sagenhaft. Und wer auf
dem Dorf wohnt, der kann aber auch so im Dorf hin und her fahren,
kommt auch gut. Sieht ziemlich lässig aus, und vor allen Dingen bleibt
man auch im Gespräch.
Also völlig egal, was man so macht, Hauptsache, man macht dann
überhaupt mal was. Oder wenn man schon -warum auch immer- den
ganzen Tag vor der Aso-Glotze sitzen will oder muß, dann kann man
doch wenigstens mal was Gescheites einschalten. Etwas, das dem
verbliebenen Fitzelchen Resthirn nicht pausenlos suggeriert, es würde
von einem LKW überrollt oder mit dem Vorschlaghammer malträtiert
oder sogar in eine mit Salpetersäure befüllte Petri-Schale getaucht.
Vielleicht mal ein paar Nachrichten oder bißchen Sport, irgendwelche
Dokus, irgendwas mit Sinn und Verstand. Man kann Spongebob
anschalten, da lernt man dann wenigstens noch, wie man eine Schleife
bindet, einen Krabben-Burger zubereitet und eine Ananas oder einen
Stein bewohnbar einrichten kann. Oder diverse andere Cartoons,
vielleicht mal Tom und Jerry, kommt auch immer gut. Da erfährt man
dann beispielsweise, wie man eine Katze zusammenfalten muß, damit
die durch den Briefschlitz paßt. Und ähnlich nützliche Informationen.
Völlig egal, guckt, was Ihr wollt. Glotzt meinetwegen 24 Stunden am
Tag TV, sieben Tage die Woche. Meinetwegen sogar Frauen-Fußball
oder arte oder ähnlichen besonders krassen Stoff. Glotzt, bis Ihr
rechteckige Augen bekommt oder sogar irgendwann zu einem feisten
Mainzelmännchen mutiert. Zu Anton, Berti, Conni, Det, Edi oder sogar
zu Fritzchen. Zieht Euch alles rein, was die fiese Glotze so hergibt. Nur
bitte nicht permanent Aso- und Opfer-TV bzw. deren besonders
perverse Mischformen. Alles andere ist scheißegal. Und mir sowieso.
Und überhaupt. Stößchen.
321
Ich will raus aus dieser Scheiße hier, doch ich weiß nicht, wie das gehen
soll. Raus aus diesem Scheiß-Revier, doch ich weiß nicht, wie das gehen
soll. Man sperrt mich hier in diesen Bezirk, weil ich den Rest der Welt
nicht sehen soll. Ich werde aus diesem Knast herausspazieren, wenn ich
weiß, wohin ich gehen soll.
(Xavier Naidoo)
Das Leben war schlecht. Aber jetzt ist es gut. Für immer.
(Dr. John Zoidberg)
Soviel also zu den diversen Grundintentionen hier. Fehlt quasi nur noch
unsere Hauptintention, falls es denn überhaupt eine gibt. Aber wir
wären nicht in Honkland, wenn es denn keine Hauptintention gäbe.
Denn selbstverständlich gibt es eine. Hier, die hier, zack:
Laßt Euch nicht anpissen!
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Amazönchen und Gürkchen,
liebe Frutten und Früttchen, laßt Euch nicht anpissen. Also im
übertragenen Sinne gesehen. Laßt Euch nicht anpissen, nicht an die
Karre, nicht ins Regal, nirgendwo hin. Lebt Euer Leben. Euer eigenes.
Lebt es glücklich, lebt es gut, lebt es fair. Lebt es vorbildlich. Lebt es
frei von Neid, Mißgunst, Habgier und Haß. Macht das Beste daraus, für
Euch und auch für andere. Lebt es nach bestem Wissen und Gewissen,
nach besten Vorstellungen und Ansprüchen an Moral und Ethik, und
verneigt Euch vor nichts und niemandem! Verneigt Euch vor rein gar
nichts, unterwerft Euch nicht. In Honkland verneigen und unterwerfen
wir uns nicht. Vor nichts und niemandem und überhaupt.
322
Weder vor dem total endgeil abgefahrenen Kapitalismus mit all seinem
schnellen Mammon und all seinen fiesen Fratzen, noch vor
irgendwelchen fremden Meinungen irgendwelcher Arschlöcher, denen
man am liebsten den Schritt shampoonieren würde, noch vor
irgendwelchen dubiosen Meinungsmachern und deren Mittelchen und
Wegen zur Fremd- und Fernsteuerung. Nein, nein, nein, sowas machen
wir nicht, und sowas wollen wir auch nicht haben. Nicht heute, nicht
morgen, und übermorgen aber auch nicht. Niemals, kein Bedarf, kein
Interesse. Zumindest nicht in Honkland.
Denn Honkland ist Realität. Pure Realität. Also leben wir unser Leben
doch gefälligst in der Realität. Auch wenn das nicht immer ganz so
leicht zu ertragen ist. Aber immerhin noch um Längen besser, als unser
Leben in irgendeiner banal-beschissenen Scheinwelt zu verkacken. Wir
haben nur dieses, also sollten wir es richtig leben. Mutig sein.
Entschlossen und aufrichtig. Und weitestgehend ehrlich, anständig und
frei von Lügen. Auch wenn das in dieser immer beschissener werdenden
Gesellschaft von Tag zu Tag immer schwieriger wird. Drauf geschissen,
zack, da kacken wir doch einen monströsen Haufen drauf. Zack! Wir
werden nicht zulassen, daß uns diese
Gesellschaft mit ihren
fremdbestimmten Meinungen, ihren ferngesteuerten Lakaien und ihren
unzumutbaren Ungerechtigkeiten traurig oder gar depressiv macht.
Keine Chance. Diese Scheiße funktioniert bei uns nicht, diese Scheiße
wird ignoriert.
Und wenn Ignoranz nicht funktioniert, dann erheben wir uns. Aber mal
so richtig. Wir schreien es ihnen ins Gesicht, schlagen mit der Faust auf
den Tisch, treten ihnen in den Arsch. Schrei, zack, kick! Und nicht
anders. Wir erheben uns gegen Arschlöcher und Unterdrücker, helfen
Schwachen, respektieren Tiere. Insbesondere Tiere, denn an denen
versündigt sich der Mensch heute am meisten. Wir lassen uns nicht
ablenken, irreführen oder mit irgendeinem Mist ruhigstellen. Und ganz
besonders wichtig: Nicht kompensieren! Wir kompensieren nicht bzw.
nicht mehr. Denn nur wer sich den Grundproblemen stellt und daran
arbeitet, kann irgendwann frei sein. Und Freiheit ist Honkland, und
Honkland ist Freiheit.
323
The question isn`t who is going to let me. It`s who is going to stop me.
(Ayn Rand)
Freiiiiiiiiiiheiiiiiiiiiit!!!
(William Wallace)
Wir sind Honks! Und in unserer Funktion als Honks sind wir die neue
Generation von Alpha-Tierchen. Ja, ganz genau, wir Honks. Wer denn
wohl auch sonst?! Wer da draußen könnte wohl sonst das neue AlphaTierchen sein?! Das postmoderne Alpha-Männchen, das postmoderne
Alpha-Amazönchen?! Wer könnte das wohl sonst sein?! Also das wüßte
ich dann doch mal ganz gern.
Etwa diese Armee von Mitläufern und Ja-Sagern?! Mitlaufende JaSager und ja-sagende Mitläufer?! Arschkriecher?! Die in Arschlöcher
von Arschlöchern kriechenden Arschkriecher?! Wohl kaum. Oder etwa
diese ganzen Dummschwätzer?! Die Ferngesteuerten?! Die
dummschwätzenden Ferngesteuerten bzw. die ferngesteuerten
Dummschwätzer?! Nee, eher nicht. Oder all die Heulsusen und
Jammerlappen?! Die jammernden Heulsusen und die heulenden
Jammerlappen?! Nein, die nun wirklich nicht, die kann man alle in der
Pfeife rauchen, voll ätzend. Ab in die Pfeife, zack, ist das Beste, was
denen passieren kann. Denn das sind keine Alpha-Tierchen, das sind
Evolutions-Verweigerer. Nein, schlimmer noch, das sind sogar
Evolutions-Rückentwickler. Entwickeln sich nicht nur nicht weiter,
entwickeln sich wieder zurück. Entwickeln sich zurück, zurück zu
Vierfüßlern, zurück zu Amöben, zurück zu unheimlichen Pansen und
niedersten Kreaturen. Zu extrem amöbigen Extrem-Amöben!
324
Ganz einfach, es dauert jetzt noch ungefähr, äh, anderthalb, äh,
Minuten und dann, äh, ich kenn` ja meine Platten, hier Madonna mit
Justin Timberlake, and, äh, Du weißt ja, wie die Nummer funktioniert,
anderthalb Minuten, und dann geht`s weiter. Ja, dann geht`s weiter. Es
geht immer weiter, immer undurchbrechlich... Du kannst jetzt nicht
immer 30 Sekunden spielen und dann, äh, abbrechen und wieder mit der
nächsten anfangen. Das funktioniert nicht. Man muß auch ein bißchen
abwarten, und dann kommt die nächste, äh, Platte, und dann kommt die
nächste...
(Nadja Abd el Farrag)
Oder vielleicht die hier?!
Nee, auch nicht.
Eher ein Parade-Beispiel für evolutionäre Rückentwicklung.
Schlimme Sache sowas, dumm gelaufen.
325
You can`t do shit without your balls! Damn it! Holy shit! Oh shit! Piss!
Kiss my ass! Oh shit! Oh fuck! Buttfuck!
(Danny, the Tourettes Guy)
Natürlich kommt solch eine hanebüchene Rückentwicklung für einen
Honk nicht in Betracht. Weil sie schlichtweg keinen Sinn macht. Allein
deswegen schonmal nicht. Kein Sinn dahinter. Denn als Honk
entwickelt man sich ununterbrochen weiter. Pausenlos, und ohne, daß
man es selbst immer merkt. Es ist eine Art verselbständigter
Entwicklungsprozeß, und das ist auch gut und richtig und besonders
sinnvoll so, und deshalb läuft das auch genau so ab.
So, und deshalb sind wir Honks auch die moderne Lebensform der
Zukunft. Also wir aktuellen Honks, die schon heute Honks sind, und
selbstverständlich auch all diejenigen, die auf bestem Wege zum Honk
und nach Honkland sind. Quasi die Honks von morgen und übermorgen.
Honk-Anwärter. Die Jungs und Mädels mit Eiern in der Hose! Groß wie
Kokosnüsse. Und nur die. Und sonst aber auch keiner. Und das ist aber
auch alles gar kein großes Hexenwerk, das ist nämlich alles ganz easy.
Läuft alles ganz easy ab hier, ist alles ganz easy. Ist alles ganz Stößchen,
ein Stößchen auf die Kokosnüsse.
Honkland ist keine Utopie, Honkland hat längst begonnen.
Fuck forever. Stößchen.
326
All around me are familiar faces, worn out places, worn out faces.
Bright and early for their daily races, going nowhere, going nowhere.
Their tears are filling up their glasses, no expression, no expression.
Hide my head, I wanna drown my sorrow, no tomorrow, no tomorrow.
And I find it kind of funny, I find it kind of sad. The dreams in which I`m
dying, are the best I`ve ever had. I find it hard to tell you, I find it hard
to take. When people run in circles, it`s a very, very mad world.
Mad world.
(Tears for Fears)
V. Gesamtergebnis
Uiuiui. Gesamtergebnis.
Mal rekapitulieren, was wir hier haben.
Unsere Großeltern hatten einiges. Der Wiederaufbau unserer tollen
Bananen-Republik nach dem Zweiten Weltkrieg erforderte etliche
Tugenden. Allen voran Fleiß, Disziplin, Entschlossenheit. Heutzutage
weitestgehend Fremdwörter. Gibt es nämlich noch nicht als Apps.
Unsere Eltern hatten auch einiges, allen voran die bunten 68er. Diese
waren größtenteils geprägt durch Visionen und Vorstellungen von
Frieden, Gleichheit, Aufbruch. Und als Krönung noch ein paar Handvoll
extrem geiler Drogen oben drauf, zack. Kam voll gut. Irgendwann kam
dann die Wiedervereinigung, 1989 glaube ich, die Wende. Schönes
Ding, zumindest zu der Zeit noch. Auch wenn man das heute kaum
noch glauben kann. War aber damals so. Damals war das echt ein
schönes Ding. Und die Worte der Stunde waren seinerzeit Solidarität,
Einheit, Freiheit. Bla.
So, und jetzt? Was haben wir heute?
327
Ein Drittel starrt mit offenem Mund auf ihre Playstations, das zweite
Drittel feiert im Exzess als Rave-Nation. Abhängig von teuflischen
pharmazeutischen Erzeugnissen, weil sie nicht wußten, was diese
Scheiß-Drogen bedeuteten. Das dritte Drittel hängt perspektivlos rum
auf deutschen Straßen, Kids mit dreizehn Jahren ziehen sich schon
dieses weiße Zeug in die Nase. Die keine Ziele, aber nur Träume haben,
und das sind meist teure Wagen. Sie planen ihr Leben nicht weiter als
heute Abend. Denken, zur Not geht es wie bei Nintendo noch neu zu
starten. Scheißen drauf, ob sie bald sterben - wer will schon alt werden?
... Darum rauchen wir täglich Weed, und deshalb sind ich und meine
ganze Generation so depressiv.
(Samy Deluxe)
1. Was haben wir?
Heute haben wir einen monströsen Pott voll Affenkacke!
Ja wie, zu subtil?! Alles klar, dann vielleicht so: Man nehme einen
gemeinen Guinea-Pavian, der eh schon von sich aus voll krass zum
Kotzen stinkt. Diesem näht man dann den Arsch zu und füttert ihn für
volle sechs Wochen ausschließlich mit Labskaus, frischem Pansen,
saurer Milch, Testikeln, Kopfsülze, dicken Bohnen und ähnlichen
Leckereien. So, und dann nach ca. sechs Wochen -bzw. wenn der
Pavian gelbe Augen und grünes Fell bekommen hat- macht man dem
die Naht am Arsch wieder auf, kippt ihm noch schnell einen Cocktail
aus Sauerkrautsaft, Bockbier, Ziegenpisse und Schlachtebrühe rein,
zack, und tritt ihn dann mit voller Wucht in die Magengegend. Zack!
So, und das, was da dann rauskommt - genau das haben wir.
Rausgedrückt, abgeseilt, zugeschissen!
328
Konkret:
Allem voran die drei schönen, großen A: Armut, Angst, Ausbeutung.
Nein, wirklich? Da wäre ja jetzt wohl keiner von selbst drauf
gekommen, insbesondere nach Lektüre der letzten 300 Seiten nicht.
Drauf geschissen. Denn wir haben noch viel, viel mehr. Ganz tolle
Sachen kommen da noch. Geht schon los, hier, zack:
Arbeitslosigkeit, Ein-Euro-Jobs, Zeitarbeit. Die Erfüllung beruflicher
Träume, phantastisch. Genau das war nämlich auch meine Vorstellung,
als ich damals mein beknacktes BWL-Diplom in die Hand gedrückt
bekam: Super, damit stehen Dir jetzt aber mal alle Möglichkeiten offen.
Also auf, auf zur nächsten Zeitarbeits-Firma, bißchen Kisten stapeln
oder Kartons falten oder Taxi fahren oder sowas. Oder zum Arbeitsamt,
was besonders Sinnvolles vermitteln lassen. So für drei oder sogar vier
Euro die Stunde Schrauben sortieren oder an die Wand gucken oder
vergleichbar sinnvolle Tätigkeiten. Hurra! Nein, Blödsinn, alles nur
Spaß. Alles Späßchen. Natürlich geht es nicht zum Arbeitsamt, natürlich
geht es gleich eine Tür weiter, zack, ab zu Onkel Peter. Ab zu Onkel
Peterchen, schön HartzIV, HartzV, HartzVI, das volle Programm, macht
eh den größten Sinn. Hut ab, Hut ab für Onkel Peterchen! Und
Stößchen!
Ach, wir haben ganz viele tolle Sachen. Was haben wir nicht für viele
tolle Sachen. Endgeile Sachen. Hier, wir haben Riester-Rente,
Rechtschreib-Reform, Raucher-Gesetz. Die drei Großen R. Fast so geil
wie die drei großen A. Aber auch nur fast. Dafür mindestens genauso
sinnvoll. Wobei das ja nicht so ganz stimmt, letzteres heißt nämlich
nicht Raucher-Gesetz, sondern Nichtraucher-Schutzgesetz. Klingt total
geil, total abgefahren. Und ist es auch. Scheiß Raucherei, sollen die
Kids zum Koma-Saufen und Waschbenzin-Schnüffeln mal lieber ein
paar Chips fressen. Denk` doch mal einer an die Kinder!
Also alles ganz toll, und macht auch alles ganz toll viel Sinn. Ganz toll
viel Sinn, ganz toll viel Schwachsinn. Apropos Schwachsinn, wir hätten
da noch Halbleichen, Pseudo-Manager, Inkompetenz im Angebot.
Recht schönen Dank auch. Und natürlich Kapitalismus, Egoismus,
Nihilismus. Auch sehr schön.
329
Korruption, Habgier, Lügen hätte ich fast vergessen. Das wäre aber
schade gewesen, denn das ist ja auch eigentlich alles ganz schön schön.
Kriminalität, Ghettos, Drogen. Auch sehr schön, darf auch nicht fehlen
in unserer bunten Sammlung hier. Oder hier, zack: Neukölln, Kreuzberg,
Tempelhof. Metropolen dieser Welt. Sehen und sterben. Im wahrsten
Sinne des Wortes. Oder umgekehrt.
Und daß mir ja keiner unsere Vollidioten, Vollopfer, GIMP3000 vergißt.
Phantastisch. Aber haben wir nicht noch mehr?
Aber ja, sicher, geht jetzt erst richtig los: Multivan, Nordic Walking,
Fuß-French. Für mich ganz klar die Gadgets der Woche, wenn nicht
sogar des Monats. Ferner haben wir Bunte, Gala, BILD. Wer das hat,
der braucht eigentlich sonst nicht mehr viel. Nicht wirklich. Außer
vielleicht noch Peace, Victory, Gipsy King. Keine Frage. Und natürlich
Fußpilz, Hämorrhoiden, Dünnschiß. Auch sehr geil.
Apropos Dünnschiß und so, wir haben Schnäuzchen, Dauergrinsen,
Casting-Opfer. Was bin ich froh, daß wir das haben. Denn daher weiß
ich mittlerweile auch, wer Lisa Gina ist. Ja, genau, Lisa Gina oder Gina
Lisa oder drauf geschissen. Hat da auf jeden Fall irgendwann beim
Schnäuzchen-Kaspertheater mal mit rumgeturnt. Und zudem den wohl
schlechtesten Amateur-Porno der Welt ins Netz gestellt. Unfaßbar
schlecht, wußte gar nicht, daß man überhaupt so schlecht vögeln kann.
Meine Fresse! Man sagt ja immer, dumm fickt gut, aber sowas?!
Ausnahmen bestätigen offensichtlich auch hier die Regel.
Und wo wir gerade bei beim Thema sind: Terenzi, tritt mit Würde ab.
Verschwinde stilvoll in der Versenkung. Oder mach` was Neues, `ne
neue Platte oder CD oder sonstwas. Geh` zu Sarah with Love zurück
oder sonstwo hin, mir persönlich total scheißegal. Aber baller` nicht
eine dummblondierte, mediennotgeile Plastik-Frutte nach der anderen
durch, nur, um nochmal ein paar billige Schlagzeilen zu machen. Geht
einem ja langsam mal sowas von auf den Sack, dieses ganze F-PromiFriseusen-Bums-Ballett, boah. Heftig, echt heftig. Laß es bitte sein.
Unser Bedarf an Vollopfern ist gedeckt. Bis obenhin. Echt jetzt. Also
laß bitte stecken. Vielen Dank für Dein Verständnis.
330
Marc Terenzi, der Lothar Matthäus der Popmusik.
Aber back to business, hier, zack:
Diäten-Anpassung, Abwrack-Prämie, Solidaritäts-Zuschlag. Haben wir
auch noch. Und die dürfen aber auch auf keiner Party fehlen, die sind
nämlich der absolute Knaller.
Auch sehr geil, auch immer ein fetter Knaller: Gewinnwarnung,
Outsourcing, Ich-AG. Very amazing und mindestens ähnlich very
exciting. Nicht ganz so exciting wie CO2-Austoß, Umweltplakette,
Gesundheitsreform, aber fast. Endgeil. Ich frage mich gerade ganz
ernsthaft, wie man so viele geile Sachen haben kann. Unglaublich. Hier,
die drei nehmen wir noch mit, dann muß das auch mal reichen:
Besserverdiener, Bausparer, Mittelstand. Da weiß man gar nicht, was
man davon lieber wäre. Am besten alles auf einmal.
Ach, drauf geschissen, hier kommen jetzt die richtig geilen Teile, die
ganz krassen Dinger. Hier, zack, nimm hin: Ehrenmord, Ground Zero,
Achse des Bösen. Uiuiui. Ob das alles noch politisch korrekt ist? Keine
Ahnung, aber das haben wir ja nunmal. Und wir wollen ja schließlich
kein Blatt vor den Mund nehmen. Also weiter mit Israel, Irak,
Afghanistan. Zack, jetzt ist es raus, und jetzt muß ich aber auch gleich
Schluß hier machen, sonst landet mein Buch sofort auf dem Index.
Zack, ab, Index, Feierabend. Und wenn ich dann auch noch so
lebensmüde wäre, den Islam zu erwähnen, dann wäre eh alles vorbei.
Also lieber wieder etwas seichter weiter, ist besser für alle.
Denn natürlich haben wir mittlerweile auch unser Sommermädchen,
unser erstes Sommermädchen, unser Sommermädchen 2009! Hurra!
Keine Ahnung, wer das Rennen gemacht hat, ich habe die Scheiße nicht
geguckt. Aber irgendeine Dussel-Usch wird da wohl am Ende
gewonnen haben. Mal Terenzi oder Matthäus anrufen, die wissen das
bestimmt. Loool... Auf jeden Fall besten Dank an Gimp3000, denn
darauf hat die Welt lange warten müssen. Also Glückwunsch und ein
wahnsinnig dickes Stößchen, denn wir freuen uns. Wir alle, die ganze
Welt. Und wir Honks sowieso, und ich aber auch ganz besonders. Also
phantastisch, Glückwunsch, Stößchen. Bla.
331
Fast bleibt mir die Zunge im Halse stecken, auweia, weil ich gar nicht
ausdrücken kann, wie sehr ich mich freue. Man könnte hier also ganz
unverblümt und unübertrieben von einer unheimlichen Freude sprechen.
Ich freue mich so sehr, vor lauter Freude hätte ich fast Eisbär Knut
vergessen, das dumme Arschloch.
Daneben haben wir noch etliche ähnlich geile Sachen. Vom Prinzip her
alles dieselbe Scheiße, muß man ja nur mal Zeitung lesen, Glotze
anmachen oder aus dem Fenster gucken. Oder eine App dafür besorgen.
Mir persönlich vollkommen Latte.
Aber ein paar gute Sachen haben wir wirklich. Schumi Schumacher
fährt jetzt wieder Rennen, und das auch noch in einem Benz. Geil, geil,
geil. Sehr geil. Ein seltener Lichtblick zwischen der ganzen Kacke, mit
der wir uns tagtäglich auseinandersetzen müssen.
Abschließend, jedoch nicht erschöpfend aufzuführen: Natürlich Idioten,
Fremdopfer, Honks. Ganz klar. Honks bzw. der Honk. Der Honk, das
zwangs- und vorläufige Endprodukt einer beschissenen EvolutionsKette. Keine Ahnung, ob das nun gut oder schlecht oder egal ist. Aber
irgendwer muß es ja sein, einer muß es ja machen. Stößchen für den
Honk.
Wir haben also -mal abgesehen von Schumi und dem Honk- lauter
Scheiße, die wir nicht brauchen. Völlig geil, völlig absurd. Völlig
absurde Scheiße. Das ist ähnlich geil und absurd, als kaufte man ein
Auto mit einem eingepflanzten Kirschbaum im Kofferraum. Das wäre
ähnlich sinnvoll, das braucht eigentlich auch jeder. Oder man baut ein
Haus mit einer inneren Deckenhöhe von 80 cm, durch das man dann
gerade noch so auf allen Vieren krabbeln kann und andauernd mit der
Birne an die Decke knallt. Das wäre auch eine besonders gute Idee. Das
hat man dann, aber eigentlich ist das total absurd und Scheiße und
macht aber auch gar keinen Sinn. Total beknackt.
332
I`m starting with the man in the mirror. I`m asking him to change his
way. And no message could have been any clearer: If you wanna make
the world a better place, take a look at yourself and make a change.
(Michael Jackson)
2. Und was fehlt uns?
Keine Ahnung, was uns fehlt. Mir auf jeden Fall die Lust, hier noch
groß was weiter zu schreiben. Kein Bock mehr. Feierabend. Uns ist eh
nicht mehr zu helfen.
Allein der traurige Umstand, wie sich unsere feine Spezies an
Schwächeren vergeht, ohne daß irgendwer einschreitet oder irgendwas
passiert, kann nur noch die logische Schlußfolgerung zulassen, daß wir
bereits in Sodom und Gomorrha leben. Und wer das jetzt aber ein wenig
weit hergeholt oder schräg oder gar witzig findet, der kann sich ja gern
mal auf Youtube chinesische Haifisch-Fänger bei der Arbeit angucken.
Oder ähnliche Sauereien, Mensch ist da sehr flexibel.
Oder hier, mal ganz aktuell: Michael Jackson. Von einer perversen
Gesellschaft, von geldgeilem Dreckspack, von karrieregeilen Anwälten
und ähnlichem Gesindel in den Tod gehetzt. Verunglimpft, geschändet,
ans Kreuz genagelt. Mensch nagelt scheinbar alle 2000 Jahre mal einen
Guten ans Kreuz. Nein, viel schlimmer, Mensch macht das tagtäglich.
Nur nicht immer so offensichtlich.
Denkt mal drüber nach, liebe Brüder und Schwestern der Sonne, denkt
mal drüber nach...
So, und jetzt habe ich aber wirklich keine Lust mehr.
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Deine Zweifel waren groß, niemand hat sich interessiert. Du spürst,
wie`s langsam leichter wird, das Schlimmste ist jetzt hinter Dir. Du bist
noch ganz benommen, wir sind bald angekommen. Du brauchst jetzt
nicht mehr zu weinen, denn ich hab` Dich an die Hand genommen.
Manchmal muß man einfach raus, denn manchmal ist die Welt zu klein.
Willst Du die Unendlichkeit, dann laß Dich fallen und steig` mit ein. Ich
zeig` Dir wahre Liebe und wie gut es tut, die Faust zu ballen. Wir
fliegen vom Dunklen ins Sonnenlicht bis wir zu Staub zerfallen...
(Deichkind, Luftbahn)
VI. Epilog
Ladies and Gentlemen, bitte stellen Sie ihre Sitze in eine waagrechte
Position und schnallen Sie sich ab. Beginnen Sie mit dem Saufen und
Rauchen, wir setzen zur Landung an. Wir wünschen Ihnen einen
angenehmen Aufenthalt in der Realität und würden uns freuen, Sie bald
wieder an Bord der Honk-Airlines begrüßen zu dürfen.
Ladies and Gentlemen, willkommen im Honkland.
Stößchen.
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