Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und
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Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und
Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten -und Angestellte ab Vergütungsgruppe Vbdes Landes Hessen Eine einführende Erläuterung der wichtigsten Inhalte und Änderungen Leistung allein genügt nicht, man muss auch jemanden finden, der sie anerkennt. Lothar Schmidt, Deutscher Volkswirtschaftler 1 Inhaltsverzeichnis: 1. Einleitung 2. Entstehungsgeschichte und Geltungsbereich 3. Ein modernes Beurteilungswesen aus Sicht der DVG 4. Rechtliche Beschreibung des Begriffes Beurteilung 5. Die Angestelltenbeurteilung 6. Abschaffung der Altersgrenze im Beurteilungsverfahren 7. Definition und Abgrenzung von Regel- und Anlaßbeurteilungen 8. Die Funktionen von Erst- und Zweitbeurteiler 9. Die Beurteilungskonferenzen 10. Das System der Richtwerte und Quoten bei der Notenvergabe - Schaubild Richtwerte 11. Die Vergleichsgruppen – das Instrument zur Maßstabbildung 12. Das Punktesystem (Qualitätsstufen) und die Gesamtnote 13. Beurteilungen und Produkthaushalt 14. Was tue ich bei einer „ungerechten Beurteilung“? 15. Die Umsetzung der Beurteilungsrichtlinie in die Praxis 16. Hinweise und Tipps zur Vertiefung 2 1. Einleitung: Die hessische Landesregierung hat am 30.4.2007 neue Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten des Landes Hessen beschlossen. Die neuen Richtlinien sind am 1.Juni 2007 in Kraft getreten und unterwerfen auch alle Angestellte des Landes, die BAT V b und höher eingruppiert sind einer dienstlichen Beurteilung. Dienstliche Beurteilungen haben für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen eine besondere Bedeutung. Sie entscheiden nicht nur im Rahmen der Bestenauslese weitgehend über die Chancen im Beförderungsverfahren; über Beurteilungen wird auch festgestellt, ob ein Bewerber oder eine Bewerberin um eine ausgeschriebene Stelle die Leistungsanforderungenl am besten erfüllen kann. Selbst wenn keine Personalmaßnahme aktuell ansteht, bewertet eine dienstliche Beurteilung doch die am Arbeitsplatz erbrachte persönliche Leistung des Beschäftigten. Ein gerechtes Beurteilungssystem gibt es nicht. Weite Teile dieser personenbezogenen Verfahren sind subjektiven Erfahrungen und Bewertungen des Beurteilten und des Beurteilers ausgesetzt sein. Die jeweiligen Sichtweisen können dabei maßgeblich durch die persönlichen Interessen der handelnden Akteure bestimmt werden. Aus einer Reihe von möglichen Beurteilungssytemen hat sich Hessen mit der Einführung der verbindlichen Richtwerte für eines der restriktivsten Modelle entschieden. Die DVG Personalräte haben diese Richtwerte stets abgelehnt, weil sich eben nicht im Einzelfall in jeder Organisationseinheit die gemessenen Leistungen und Fähigkeiten statistisch „normal“ verteilen. Gleichwohl müssen wir uns in den nächsten Jahren mit diesem Beurteilungssystem auseinandersetzen. Wir wollen deshalb in den folgenden Ausführungen die weitgehend bekannte Kritik an einzelnen Regelungen der Richtlinie aussparen und uns darauf beschränken die wichtigsten Änderungen möglichst praxisnah zu erläutern. In der „Praxistipps“ sind Anregungen für den praktischen Umgang mit den neuen Regelungen beschrieben. Da eine der wesentlichen Erfahrungen mit Beurteilungssystemen darin besteht, dass in der Regel zwischen Theorie und Praxis (d.h. der Umsetzung in den praktischen Behördenalltag) eine Lücke klafft, hat sich die DVG in einem eigenen Kapitel mit der Umsetzung befasst. Diese Hinweise und Erläuterungen sind ein erster Beitrag, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben soll. Sobald erste praktische Erfahrungen im Umgang mit dem neuen Beurteilungssystem vorliegen, wird die DVG die sich ergebenden Fragestellungen und Lösungsansätze aufgreifen und mit den Beschäftigten weiter kommunizieren. Reinhold Petri, Landesvorsitzender der DVG Hessen 2. Entstehungsgeschichte und Geltungsbereich: 3 Die neue Beurteilungsrichtlinie knüpft in ihrer Systematik an die Vorgängerrichtlinie aus dem Jahre 1996 an. Die nun durchgeführte Reform soll aus Sicht der Landesregierung, der landläufigen Bestnoteninflation, die durch das Nichtausschöpfen des Notenspektrums begründet war, entgegenwirken. Die Masse der guten Bewertungen führe in der Praxis im Personalauswahlverfahren zu einem unangemessenen Gewicht der „Hilfskriterien“; außerdem würden die Beschäftigten der Behörden, die das Notenspektrum ausschöpften (u.a. das Regierungspräsidium Darmstadt) unzulässigerweise benachteiligt. Die Landesregierung hat daher Beurteilungsrichtlinen zur Diskussion gestellt, deren wesentliche Änderungen in der Einführung von verbindlichen Notenspektrum der Bildung von Vergleichsgruppen bei der Leistungsdifferenzierung der Beurteilung von Angestellten ab der Vergütungsgruppe Vb Richtwerten bei dem vorgegebenen bestehen. Sie hat gleichzeitig erklärt, dass diese Neuerungen nicht verhandelbar seien. Der Hauptpersonalrat Innen hat den vorliegenden Beurteilungsrichtlinien nicht zugestimmt. Um den „Wettbewerb der Beschäftigten“ in der Landesverwaltung sicherzustellen, gelten die Beurteilungsrichtlinien für nahezu alle Beamtinnen, Beamten und Angestellte (ab Vb) des Landes Hessen. Ausgenommen sind besondere Beschäftigtengruppen (z.B. Lehrer(innen) und Richter(innen) 3. Ein modernes Beurteilungswesen soll aus Sicht der DVG Hessen alle an die Beschäftigten zu stellenden Anforderungen erfassen und transparent machen differenzierte, zeitnahe und vergleichbare Aussagen über die gezeigten Leistungen in den wahrgenommen Anforderungsprofilen ermöglichen eine faire Einschätzung Beschäftigten zeichnen als chancengerechte Grundlage für Personalentscheidungen, Beförderungen und Personalentwicklung dienen eine gerechte Basis für die Anerkennung von Engagement und gezeigter Leistung sein der Potenziale und des Leistungsvermögens der Alle diese Anforderungen sind bei einer professionellen Umsetzung der Beurteilungsrichtlinie in den Behörden der Landesverwaltung zu realisieren. Die DVG und ihre Personalräte werden deshalb – trotz aller Kritik – an der Umsetzung der Richtlinien aktiv mitwirken. 4. Rechtliche Beschreibung des Begriffes Beurteilung: 4 Um das System der Beurteilungsrichtlinie zu erkennen, muss man sich zunächst mit den Grundlagen und rechtlichen Anforderungen beschäftigen. Die Hessische Laufbahnverordnung beschreibt in § 21 Abs.1 über Beurteilungen: (1) Eignung und Leistung des Beamten sind mindestens alle fünf Jahre, auf sein Verlangen alle drei Jahre, oder wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfordern, zu beurteilen. Die Beurteilung ist dem Beamten in ihrem vollen Wortlaut zu eröffnen und auf Wunsch mit ihm zu besprechen. Die Eröffnung ist aktenkundig zu machen und mit der Beurteilung zu den Personalakten zu nehmen. Es ist leicht zu erkennen, dass die Laufbahnverordnung den Rahmen für die Beurteilungsrichtlinie setzt. Es ist zu erwarten, dass die Laufbahnverordnung den teilweise abweichenden Regelungen der Beurteilungsrichtlinie angepasst wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer ausführlichen Rechtsprechung den Zweck und die Funktionen der dienstlichen Beurteilung wie folgt beschrieben: „Die dienstliche Beurteilung dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art.33 Abs.2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Art. 33 Abs.4 GG) durch Beamte bestmöglichst zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung auch dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung und der dabei erforderlichen „Klärung einer Wettbewerbssituation“ zu. Urteil vom 18.7.2001 – BVerwG 2 C 41.00 Dies verlangt eine größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten. Urteil vom BVerwG vom 26.8.1993 – BVerwG 2C 37.91 Die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrere Beamter miteinander ermöglichen und zu einer objektiven und gerechten Bewertung des einzelnen Beamten führen. Beschluss vom 3.10.1979 –BverwG 2 B 24.78 Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabes ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Beurteilung ihren Zweck erfüllt, einen Vergleich der Beamten untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält die dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen. Urteil vom 18.7.2001 – BVerwG 2 C 41.00 Praxistipp: Die dienstliche Beurteilung unterscheidet sich wesentlich von der tariflichen Leistungsbewertung des TVöD oder TV-L. Während dienstliche Beurteilungen „als Grundlage für personen- und sachgerechte Personalentscheidungen und als Mittel der Personalführung“ dienen, sollen die tariflichen Leistungsbewertungen die Erreichung von Arbeitszielen evaluieren und dienen somit als Grundlage für die „variable“ Leistungsvergütung. In der Praxis bedeutet dies, dass eine dienstliche Regelbeurteilung nicht als Bewertungsgrundlage für eine leistungsbezogene Bezahlung bei Beamtinnen und Beamten herangezogen werden kann. 5 5. Die Angestelltenbeurteilung Die Angestelltenbeurteilung ist ein völlig neues Element der hessischen Beurteilungsrichtlinien. Sie wird aber – gerade in den neuen Bundesländern mit einem vergleichsweise hohen Angestelltenanteil – bereits praktiziert. Eine fachliche Überprüfung der hessischen Beurteilungsrichtlinie durch die dbb tarifunion hat ergeben, dass durch die Angestelltenbeurteilung keine tariflichen Rechte beschnitten werden. Zwar sei richtig, dass der BAT keine dienstlichen Beurteilungen kennt, sondern lediglich Arbeitszeugnisse. Dies allein kann allerdings nicht die Rechtswidrigkeit der Erweiterung der Beurteilungsrichtlinie auf Angestellte begründen. Unabhängig von einigen grundsätzlichen Bedenken zu der Beurteilung von Angestellten, weist die DVG darauf hin, dass durch die Einbeziehung von Angestellten in die Regelbeurteilungsrunde der ohnehin entstehende hohe bürokratische und zeitliche Aufwand für Erstbeurteiler und die Personalabteilungen weiter steigen wird. Die Ausweitung des Kreises der Beurteilten wird wohl auf Kosten der Objektivität und der Gewissenhaftigkeit aller Beurteilungsergebnisse gehen. Die Einbeziehung der Angestellten in die Regelbeurteilungsrunde beschränkt sich in den Richtlinien auf die Vergütungsgruppen, die den Laufbahnen des gehobenen und höheren Dienstes vergleichbar sind. Ab der Vergütungsgruppe Vb greift die Beurteilungspflicht. Die Landesregierung hält die Angestelltenbeurteilung u.a. für sinnvoll, um Stellenkonkurrenzen von Angestellten und Beamten durch eine dienstliche Beurteilung im Sinne einer Bestenauslese aufzulösen. Das Argument Stellenkonkurrenzen mit dem Mittel der Anlassbeurteilung aufzulösen, wurde nicht gelten gelassen. Grundsätzlich ist die Einbeziehung von Angestellten in die Regelbeurteilungsrunde rechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 1979 entschieden, dass ein öffentlicher Arbeitgeber die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer beurteilen und in den Personalakten notieren darf. Er muss allerdings seine Beurteilung begründen. Dazu gehört die Angabe von Tatsachen, die eine ungünstige Beurteilung rechtfertigen sollen. Gegen die Einbeziehung von Angestellten in Vergleichsgruppen bestehen keine rechtlichen Bedenken, da fachlich vergleichbare Tätigkeiten die Basis der Vergleichsgruppenbildung sind Aus tarifrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob mit der Ausweitung der Beurteilungsrichtlinie auf Tarifbeschäftigte tarifliche Rechte der Angestellte in irgendeiner Weise berührt werden. Zum einen dürfen die Beurteilungsrichtlinien keinen Einfluss auf die Eingruppierung haben. Hier bestimmt in Hessen der § 22 Abs.2 BAT, dass ein Angestellter allein dadurch, dass die von ihm auszuübende Tätigkeit den Merkmalen einer Vergütungsgruppe entspricht, den Anspruch auf eine bestimmte Vergütung hat. Aus diesem Grunde ist der Angestellte automatisch in diese Vergütungsgruppe eingruppiert. Dieser Grundsatz der Tarifautomatik bestimmt also, dass sich die Eingruppierung eines Angestellten alleine und unmittelbar aus der jeweils auszuübenden Tätigkeit und deren tarifvertraglich festgesetzten Wertigkeit ergibt. Eine vergleichbare Regelung enthält auch der TV-L. Welchen Einfluss die Angestelltenbeurteilungen auf die Entscheidung haben werden ob eine höherwertige Tätigkeit überhaupt übertragen wird, muss noch geklärt werden. 6 Auch für die Frage der Erfüllung des Bewährungsaufstieges gibt es eigene Grundsätze. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Angestellter sich dann bewährt hat, wenn er sich den Aufgaben, auf die sich die Bewährung tariflich bezogen ist, in allen Anforderungen gewachsen zeigt. Die Leitung des Angestellten muss also lediglich ordnungsgemäß sein. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass sich ein Angestellter bewährt hat, wenn sich zum Beispiel keine Abmahnung in seiner Personalakte befindet. Für eine Nichtbewährung kommen nur krasse Verfehlungen in Betracht, die unter Berücksichtigung der ansonsten gezeigten Leistung und der Dauer der nach dem BAT für einen Aufstieg erforderlichen Bewährungszeit nennenswert ins Gewicht fällt. Fazit: Die Angestelltenbeurteilung beschneidet keine tariflichen Rechte und ist sowohl für die bisherige Eingruppierung als auch den Bewährungsaufstieg ohne Belang. Als Mitglied der DVG können Sie in allen tarifrechtlichen Fragen die fachliche Unterstützung der Experten der dbb tarifunion und eines hochwertigen Rechtschutzes in Anspruch nehmen. 6. Abschaffung der Altersgrenze für Beurteilungen In der Beurteilungsrichtlinie ist die Altersgrenze gefallen, d.h. alle Beamtinnen und Beamten müssen sich bis zum Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren den Regelbeurteilungen unterwerfen. Begründet wird diese Neuerung mit den Antidiskriminierungsvorschriften des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) und einer möglichen „Altersdiskriminierung“. Eine gewisse Rolle wird auch die demographische Entwicklung in den Personalkörpern der Landesverwaltung spielen. Bei einem Durchschnittsalter von nahe dem fünfzigsten Lebensjahr befürchtet man wohl, eine immer größer werdende Zahl von Beschäftigten könne sich aufgrund des Lebensalters der dienstlichen Beurteilung entziehen. Andererseits hätte ein „Altersausschluss“ im Beurteilungsverfahren auch dazu führen können, dass der Beschäftigtenkreis über 50 Jahre von Personalauswahlentscheidungen dem Grunde nach ausgeschlossen wäre, wenn er selbst keine Regelbeurteilung beantragt hätte (vgl. Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung RdNr. 214). Praxistipp: Diese Regelung steht derzeit aber im Widerspruch zu § 21 Abs.2 Satz 2 der Hessischen Laufbahnverordnung:“ Bei Beamten, die das fünfzigste Lebensjahr vollendet haben, kann von einer Beurteilung abgesehen werden.“ Es wäre zu prüfen, ob sich aus Verordnungsregelung, die über der Beurteilungsrichtlinie steht, ein individueller Anspruch auf eine Nichtbeurteilung von über 50- jährigen Beschäftigten ableiten lässt. In der Praxis stellt die Regelbeurteilung bei Beschäftigten über 50 meist keine Grundlage für Personalentscheidungen dar. 7. Definition, Zeitrahmen und Abgrenzung von Regel- und Anlassbeurteilung Regelbeurteilungsrunden finden alle drei Jahre statt. Da Regelbeurteilungsrunden mit einem hohen bürokratischen und zeitlichen Aufwand verbunden sind, ist die Frage zu stellen, ob dies überhaupt in dieser zeitlichen Dichte notwendig ist. Zwei Aspekte sprechen dagegen: Eine Regelbeurteilung als Anknüpfungspunkt von Personalentwicklungsmaßnahmen ist nur sinnvoll, wenn es entsprechende Personalentwicklungskonzepte in den Dienststellen gibt. Diese Konzepte müssen Maßnahmen enthalten, die es den 7 Beschäftigten ermöglichen den bisher erreichten Leistungsstand zu halten bzw. den bisherigen Leistungsstand anzuheben (-und so zu einer besseren Gesamtnote zu kommen). Leider gibt es solche spezifischen Forder- und Förderkonzepte derzeit noch nicht in allen Dienststellen und Behörden. Bis zur ersten Regelbeurteilungsrunde sollte dieser Rahmen geschaffen werden. Wird eine Beurteilung zu einer Beförderungs- bzw. Personalentscheidung herangezogen muss sie nach der herrschenden Rechtssprechung aktuell sein, d.h. nicht älter als ein Jahr. Es wird daher in der Praxis nötig sein, neben der Regelbeurteilung bei Beförderungs- und Auswahlentscheidungen in einer großen Zahl auch aktuelle Anlassbeurteilungen auszufertigen. Dies führt zu einem vermeidbaren, dauerhaften „Beurteilungsstress“ innerhalb der Dienststellen. 8. Die Funktionen von Erstbeurteiler / Zweitbeurteiler Der Erstbeurteiler ist in der Regel der unmittelbare Vorgesetzte (Dezernatsleiter). Durch die andauernde und nahe Zusammenarbeit kann dieser die für eine zutreffende Beurteilung notwendigen Arbeitsleitungen „beobachten“ und bei fehlender oder nicht ausreichender Leistung im Rahmen von Mitarbeitergesprächen mit dem MitarbeiterIn kommunizieren. Der Erstbeurteiler ist auch derjenige, der vor dem Beurteilungszeitraum mit dem zu beurteilenden Mitarbeiter Leistungsvorgaben verabredet (z.B. Zielvereinbarungen) Anders sieht es beim Zweitbeurteiler aus. Der Zweitbeurteiler muss sich zwar sachkundig machen (etwa durch die gelegentliche Einsicht in Arbeitsvorgänge); eine persönliche Kenntnis der Arbeitsleistung des Beschäftigten ist jedoch nicht unbedingt nötig. Die wesentliche Aufgabe des Zweitbeurteilers ist dagegen die Maßstabsfindung innerhalb der Vergleichsgruppen. An dieser Stelle muss auch eine intensive Abstimmung zwischen Erstund Zweitbeurteiler stattfinden. 9. Die Beurteilungskonferenzen Beurteilungskonferenzen werden in den Beurteilungsrichtlinien eher am Rande behandelt: „Zur Abgleichung der Beurteilungsmaßstäbe werden die Beurteilungsentwürfe in Beurteilungskonferenzen erörtert“ Den Beurteilungskonferenzen sind „Besprechungen“ vorgeschaltet, in denen die Zweitbeurteiler vor der Erstellung der Beurteilungen die Beurteilungsmaßstäbe koordiniert und abgeglichen werden sollen. An diesen Besprechungen sind auch Personalrat, Frauenbeauftragte und Schwerbehindertenbeauftragter beteiligt. Das Problem dabei ist, dass in der Praxis niemand so recht weiß, wie man bei höchst unterschiedlichen Aufgaben und Anforderungen allgemeine Maßstäbe konkret definiert. Beurteilungskonferenzen sind ein zentrales Element der Qualitätssicherung und deshalb ein wichtiger Bestandteil der Richtlinie. Die Beurteilungskonferenzen müssen sicherstellen, dass die Beurteilungsergebnisse die Richtwertvorgaben auch tatsächlich erfüllen. Aus dem Wortlaut der Richtlinie ergibt sich, dass es den Zweitbeurteilern nicht freisteht, ob sie eine Beurteilungskonferenz durchführen – sie müssen es tun. In den Beurteilungskonferenzen soll die größtmögliche Einheitlichkeit der BeurteilungsMaßstäbe, die Vergleichbarkeit der Beurteilungen über Organisationseinheiten (z.B. Fachabteilungen) hinaus und die Transparenz und Annäherung von Maßstäben erreicht werden. Die Mitglieder der Beurteilungskonferenz sind dabei aber an die „Vorfestlegungen“ 8 der Beurteilungsbesprechungen im Wesentlichen gebunden. Einmal gefundene Maßstäbe können während der Beurteilungsrunde nicht beliebig verändert werden. Die häufig angesprochene Maßstabsfindung bedeutet in der Praxis , dass transparent und verbindlich festgelegt wird, welche Kriterien eine sog. Normalleistung beschreiben , also eine die vollen Anforderungen erfüllende Leistung an dem Arbeitsplatz und welche Kriterien darüber hinaus erfüllt werden müssen, um eine überdurchschnittliche Leistung zu erzielen. Praxistipp: Die Erfüllung von Anforderungen kann nur beurteilt werden, wenn die Anforderungen und Leistungsmerkmale, die an den einzelnen Arbeitsplatz gestellt werden, vorher ausführlich und unzweideutig beschrieben werden. Nutzen Sie deshalb das Jahresgespräch, um mit ihrem Vorgesetzen diese Anforderungen eindeutig zu klären. Dokumentieren Sie das Ergebnis des Gespräches, insbesondere bei unterschiedlichen Auffassungen über die Leistungserbringung und die Aufgabenwahrnehmung gibt. Achten Sie darauf, dass Führungsaufgaben, besonders anspruchsvolle Vertretungstätigkeit, Ausbildungsfunktionen und das Mitwirken bei Teamarbeit in die Aufgabenbeschreibung bzw. das Anforderungsprofil einbezogen werden. Stellen Sie sicher, dass die Aufgabenbeschreibung mit dem Geschäftsverteilungsplan, der Stellenbeschreibung und der Arbeitsplatzbeschreibung übereinstimmt. Auch die Übertragung eines besondern Zeichnungsrechtes (z.B. bei der Mittelbewirtschaftung) kann von Bedeutung sein. Die Ebenen der Erstellung einer Beurteilung Koordination und Abgleich der Beurteilungsmaßstäbe vor Beginn der Beurteilung; Leitung: Behördenleiter : Erstbeurteiler, Zweitbeurteiler, Personalrat, Frauenbeauftragte, Schwerbehindertenvertreter; Personaldezernat Festlegung der Vergleichsgruppen Zweitbeurteiler, Personalund Organisationsdezernat Abgleich der Erstbeurteilungen innerhalb einer Organisationseinheit (z.B. Fachabteilung, Erstbeurteiler-konferenz) : Abteilungsleiter als Zweitbeurteiler und alle Erstbeurteilter Beurteilungskonferenz; Abgleich der Maßstäbe in der Vergleichsgruppe Teilnehmer: Behördenleitung, Zweitbeurteiler, Personaldezernat 10. Das System der Richtwerte und Quoten bei der Notenvergabe 9 Die Orientierung an Quotierungen und Richtwerten sind in Beurteilungssystemen keine hessische Besonderheit. Sie ist nach der herrschenden Rechtsprechung auch zulässig. Bei aller berechtigten Kritik an der Einführung von Richtwerten ist wohl anzumerken, dass die bisherigen richtwertfreien Beurteilungsrunden eben nicht zu der notwendigen „Ausdifferenzierung“ von Leistung geführt haben. Aus Sicht des Arbeitgebers werden die Bedenken hinsichtlich der Gauß’schen Normalverteilung von den Beschäftigten überbewertet; es würden bei diesem in der Privatwirtschaft üblichen Verfahren lediglich „gleiche Maßstäbe“ – allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen angelegt. Die Lebenserfahrung zeige, dass es bei Beurteilungen keine Ergebnisgleichheit geben kann. Richtwerte und deren Risiken und Nebenwirkungen lassen sich am besten beschreiben, in dem man sich die Vorteile und Einwände anschaut: Mögliche Vorteile Einwände wirkt der „Tendenz zur Milde“ und dem „Hierarchieeffekt“ entgegen bei kleinen Vergleichsgruppen kommt es zu Verzerrungen trägt zu einem einheitlichen Maßstab bei wirkt der analytischen Vorgehensweise entgegen, keine Einzelfallgerechtigkeit erhöht die Vergleichbarkeit demotiviert, da für eine große Zahl Beschäftigter keine „gute“ Beurteilung möglich ist sichert die Leistungsauswahl bzw. Leistungsdifferenzierung stößt auf den Widerstand der Beschäftigten Die Umsetzung des Richtwertmodells in der hessischen Beurteilungsrichtlinien ist auf dem Umseitigen Schaubild zu entnehmen. Wo liegt nun die Gefahr von Richtwerten in der praktischen Handhabung? Richtwerte verleiten den Beurteiler dazu, zuerst die Gesamtnote festzulegen und dann darauf aufbauend, die einzelnen Qualitätsstufen zu vergeben. Eine solche Vorgehensweise würde der in der hessischen Beurteilungsrichtlinie vorgesehenen analytischen Vorgehensweise widersprechen. Aus Ländern mit Quotenerfahrung wird jedoch berichtet, dass die Beschäftigten, die die besten Gesamtnoten erhalten sollen, quasi vorab festgelegt werden und die Einzelnoten dann nur noch stimmig gemacht werden. Für Gewerkschaften und Personalräte gilt es eine solche Art der Umsetzung zu verhindern, wissen wir doch sehr genau, dass zwischen den Absichten der Beurteilungsrichtlinie und der praktischen Umsetzung häufig Welten liegen. 11. Die Vergleichsgruppen – das Instrument der Maßstabbildung Die rechtlichen Voraussetzungen bei der Bildung von Vergleichsgruppen sind: 10 eine hinreichend große Zahl von zu beurteilenden Beschäftigten die Mitglieder der Vergleichsgruppen müssen hinsichtlich der Laufbahn- und Besoldungsgruppe vergleichbar sein es gibt keine absolute Quote es muss eine gute Durchmischung Befähigungsmerkmale erfolgt sein breite Streuung der fachlichen Qualifikation (z.B. eine Projektgruppe kann niemals eine Vergleichgruppe bilden) in Bezug auf die Leistungs- und ( BVerwG vom 26.6.1980, ZBR 1981, S.197) In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die Bildung von Vergleichsgruppen weiter präzisiert, in dem es vorschreibt, dass die jeweilige Vergleichsgruppe „hinreichend groß und hinreichend homogen“ sein muss. Es können auch Beamte unterschiedlicher Statusämter (etwa A9 und A10 oder A13 und 14) zu einer Vergleichsgruppe zusammengefasst werden, wenn diese gleichartige und gleichwertige Funktionen mit gleichrangigen Leistungsanforderungen wahrnehmen. Der Leitsatz lautet: Die Gruppe der Sachbearbeiter des gehobenen Dienstes einer Fachabteilung einer Behörde genügt dem Homogenitätserfordernis, wenn die Beamten trotz unterschiedlicher Statusämter im Wesentlichen gleiche Dienstaufgaben wahrnehmen. Nach der hessischen Richtlinie kann von der Möglichkeit der Ausweitung der Vergleichgruppe Gebrauch gemacht werden, wenn die Mindestzahl von 25 nicht erreicht wird. Eine Vergleichgruppe sollte nach der Beurteilungsrichtlinie mindestens 25 Personen umfassen. In der Rechtsprechung wird von einer Mindestgröße von 30 Personen gesprochen. Beispiel: 5 % (Spitzenbereich) von 30 Pers. 1,5 Pers. 15 % (übertrifft die Anforderungen erheblich) von 30 Pers. 4,5 Pers. 25% (übertrifft die Anforderungen) von 30 Pers. 7,5 Pers. 45 % (erfüllt voll die Anforderungen) von 30 Pers. 13,5 Pers. 10 % (erfüllen die Anforderungen oder schlechter) von 30 Pers. 2 Pers. Anhand des Beispiels ist ersichtlich, dass es keine absolute Quote geben kann und eine strikte Bindung (z.B. 1,5 Personen) unsinnig wäre. Außerdem ist anzumerken, dass es durch den „Flexibilisierungsfaktor“ von 5 % zwischen den ersten vier Beurteilungsstufen noch deutliche Verschiebungen nach unten oder oben geben kann. In der Praxis hat es sich gezeigt, dass die Richtwerte in der Erstbeurteilungsrunde nicht eingehalten werden. Dies führt in der Praxis zu einer „Korrektur“ der Erstbeurteilungen „nach unten“ in den Beurteilungskonferenzen (beim RP bestehend aus Behördenleitung, 11 Personalleiter und Abteilungsleitern). Diese Korrektur der Beurteilung orientiert sich nicht an dem personenbezogenen „Einzelfall“ Beurteilung sondern blendet die notwendige „Einzelfallgerechtigkeit“ einer Beurteilung gänzlich aus. Dazu kommt, dass durch die Einführung der Richtwerte Druck auf die einzelnen Behördenleitungen gemacht wird, die vorgegebene Quotierung auch tatsächlich einzuhalten. Bei Auswahlverfahren wird weiterhin – sofern keine aktuellen Regelbeurteilungen vorliegen, mit Anlassbeurteilungen gearbeitet werden. Es ist allerdings sinnvoll bei einer großen Zahl von Bewerbern in einer Beurteilungskonferenz die Maßstäbe abzugleichen; insbesondere dann wenn die Bewerber aus unterschiedlichen Organisationseinheiten / Abteilungen kommen. Vergleichsgruppen über die Grenzen einer Dienststelle hinaus – etwa eine Vergleichsgruppe A14, die sich aus Mitarbeitern der Regierungspräsidien und des Hessischen Innenministeriums zusammensetzt, sind möglich, aber nicht zielführend und werden von der Behördenleitung abgelehnt. Konkurrieren Bewerber aus verschiedenen Vergleichgruppen, kann dies eine Auswahlentscheidung überaus problematisch machen, da in jeder Vergleichsgruppe naturgemäß auch unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden können. 12. Das Punktssystem (Qualitätsstufen) und die Gesamtnote Das neu eingeführte Punktesystem ermöglicht es in einer sehr großen Spanne von 1 (ungenügend) bis 15 (sehr gut) die Leistung und Befähigung auszudifferenzieren. Die große Spannbreite des Punktesystems birgt die Gefahr von Beurteilungsverzerrungen, die allerdings in der Beurteilungskultur vieler Behörden heute bereits verankert sind. Die bisherige Beurteilungspraxis zeigt folgende Tendenzen: Tendenz zur Mitte: Damit wird er Effekt beschrieben, die Rangstufen-Skala nicht auszuschöpfen und die Beurteilungen auf einer mittleren Leistungsebene (z.B. 7 – 9 Punkte) zu nivellieren. Dies führt dazu, dass gute Leitungen ab- und schlechte Leistungen aufgewertet werden. Tendenz zur Milde: Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beurteiler seinen MitarbeiterInnen nicht „wehtun“ möchte und Motivationseinbussen vermieden werden sollen. Ein derartiges Beurteilungsverhalten führt zu einer Verschiebung der vergebenen Punkte in den Bereich der Bestnoten (12-15 Punkte) Hierarchie-Effekt: Bei diesem Effekt besteht die Tendenz Personen Hierarchiestufen besser zu bewerten als die der unteren Hierarchieebenen. höherer Das Punktesystem kann bei fachlich einwandfreier Anwendung zu einer gerechteren Binnendifferenzierung in der Beurteilung führen, da bisher bei einer verbalen Beschreibung häufig die „Formulierungskünste“ des Vorgesetzten oder die Interpretation des Auswerters über die Güte der Beurteilung entschieden haben. In dem neuen Beurteilungsformular kann überdies neben der Punktevergabe auch noch flankierend eine verbale Erläuterung stehen, die wieder zu den gleichen Problemen führen kann . 13. Beurteilungen und Produkthaushalt 12 Am 1.1.2008 wird die Haushaltswirtschaft des Landes Hessen erstmalig über einen Produkthaushalt gesteuert. Für die Gewichtung der Leistungsmerkmale und die „Einstufung“ der Leistung in den Beurteilungen werden deshalb auch zunehmend die Vorgaben der Kostenleistungsrechnung eine entscheidende Rolle spielen. Die Erfüllung der definierten und hinterlegten Produktkennzahlen und Qualitätskriterien wird sich künftig in den Leistungs- und Befähigungsmerkmalen der Beurteilungen widerspiegeln. Ein weiteres neues Instrumentarium der Leistungsmessung wird das Erfüllen von Kontrakten und Zielvereinbarungen sein. Praxistipp: Da in einigen Bereichen der Landesverwaltung bereits mit Kontrakten und Zielvereinbarungen gearbeitet wird (z.B. in der hessischen Umweltverwaltung) sollten sich die Beschäftigten bei Erreichen, Überschreiten und insbesondere bei Nichterreichen der „Planzahlen“ des Produkthaushaltes mit den Vorgesetzten (= Beurteiler) besprechen und die Ergebnisse in einem Vermerk zu sichern. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Nichterreichen der Planzahlen „externe“ Gründe hatte, die der/die Beschäftigte nicht zu vertreten hat. Personalräte und MitarbeiterInnen werden dieser Entwicklung ein besonderes Augenmerk schenken müssen. 14. Was tue ich bei einer „ungerechten“ Beurteilung? Im Rahmen der Beurteilungseröffnung auf eventuelle Fehler hinweisen (falscher Beurteilungszeitraum, fehlen von Beurteilungsbeiträgen bei befristeten Abordnungen innerhalb des Beurteilungszeitraumes, unzutreffender Erstbeurteiler, unzutreffende Aufgabenbeschreibung; Fehlen von besonderen Leistungen, Nichtberücksichtigung von Teamleistungen etc). Es besteht allerdings kein Anspruch auf eine Korrektur der Beurteilung; sofern keine eindeutigen Sachfehler ( z.B. falsche Daten, unzutreffende Aufgabenbereiche) festgestellt werden. Erfolgt keine Korrektur besteht die Möglichkeit einer Gegendarstellung. Hier steht „Aussage gegen Aussage“ Bei der Gegendarstellung, die mit der Beurteilung zur Personalakte genommen wird, ist allerdings abzuwägen, ob eine „subjektive Richtigstellung“ von sachlichen Fehlern nicht in einigen Fällen zu einer Verschlimmbesserung der Beurteilung führt. In der Praxis vieler Behörden wird nämlich die Gegendarstellung durch den Erstbeurteiler nochmals kommentiert und hinsichtlich des Urteils bekräftigt. Beurteilungen sind keine Verwaltungsakte nach § 35 Abs.1 HVwVerfG, da es ihnen an der Außenwirkung fehlt. Gleichwohl nehmen Verwaltungsgerichte Klagen gegen Beurteilungen an. Voraussetzung ist dabei die vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Da die Beurteilung ohne Rechtsmittelbelehrung erfolgt, beträgt die Widerspruchsfrist ein Jahr (§ 58 Abs.2 Satz 1 VwGO) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sind dienstliche Beurteilungen von den Verwaltungsgerichten nur begrenzt nachprüfbar. Im Grunde kann eine Beurteilung nur erfolgreich angefochten werden, wenn dem Beurteiler Verfahrens- und Ermessensfehler nachgewiesen werden können. Die erfolgversprechendsten Anfechtungsgründe sind in der Praxis: 13 das Ausgehen von unrichtigen Sachverhalten die Nichtbeachtung allgemeingültiger Wertmaßstäbe das Anstellen sachfremder Erwägungen der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften der Verstoß gegen das AGG Praxistipp: In dem Eröffnungsgespräch sollte versucht werden, möglichst viele Beurteilungsgrundlagen und „Beobachtungen“ zu hinterfragen. Auf eine genaue Erläuterung des Beurteilungshintergrundes hat der Beurteilte ein Anrecht. Es besteht grundsätzlich eine Verpflichtung des Beurteilenden, Werturteile durch Einzeltatsachen zu belegen oder durch nähere Darlegung einsichtig und nachvollziehbar zu machen (BVerwG 1981. ZBR 195). Sollte der Erstbeurteiler erkennen lassen, dass er Gegenargumenten nicht zugänglich ist, so sollte man für den Fall, dass formelle Fehler erkennbar sind, den Beurteiler nicht unbedingt auf seine Fehler hinweisen. In der Regel können solche formellen Mängel durch den Beurteiler jedoch nachträglich behoben werden, ohne dass sich das Beurteilungsergebnis ändert. Die Bestätigungsbeurteilung Grundsätzlich ist für alle zu Beurteilenden eine vollständige Beurteilung abzugeben. Um den bürokratischen Aufwand zu begrenzen, wurde das Instrument der Bestätigungsbeurteilung eingeführt. Eine solche Beurteilung kann erfolgen, sofern keine Beförderung oder Höhergruppierung seit der letzten Beurteilung erfolgte der Beschäftigte dieselbe Tätigkeit ausübt sich an den wesentlichen Tatsachen, den Einzelbewertungen und dem Gesamturteil nichts verändert hat die Erst- und Zweitbeurteilung in der Notenstufe übereinstimmen Sowohl eine regelmäßige als auch eine anlaßbezogene Beurteilung können einmal bestätigt werden. Um die Vergleichsgruppen auf die Mindestgröße von 25 Personen zu füllen, kann man wohl davon ausgehen, dass von der Bestätigungsbeurteilung seitens der Behördenleitung nur begrenzt Gebrauch gemacht wird – obgleich bei vielen Behörden eine große Zahl von Kolleginnen und Kollegen die o.a. Bedingungen erfüllen. Die DVG wird darauf achten, dass die Bestätigungsbeurteilungen nicht willkürlich von den Personalverwaltungen angewendet werden. Vor Beginn der Regelbeurteilungsrunde sollte der betreffende Kreis der Beschäftigten ermittelt werden. Die Betroffenen sollten dann mitentscheiden können, welche Form der Beurteilung angewandt wird. 14 Fließschema des Beurteilungsablaufes Regelmäßige Kommunikation in dem Jahresgespräch zwischen Erstbeurteiler und Mitarbeiter(z.B. Absprachen über Fortbildung; Rotation) Anlassbeurteilung bei Auswahl- und Beförderungsverfahren Keine Vergleichsgruppe, keine Richtwertvorgabe aber Beurteilungskonferenz Regelbeurteilung alle 3 Jahre Eröffnungsgespräch zwischen Erstbeurteiler und Mitarbeiter Erstbeurteilung durch den direkten Vorgesetzten ggf. unter Einbeziehung von Beurteilungsbeiträgen z.B. bei Abordnungen, Beurlaubungen Maßstabsabgleich durch den Zweitbeurteiler – Kontrolle, ob die vereinbarten Maßstäbe eingehalten wurden Klage bei Verwaltungsgericht Eröffnung der Beurteilung durch den Erstbeurteiler Bei Abstufung unter Beteiligung des Zweit-beurteilers Gegendarstellung des Mitarbeiters – wird zur Personalakte genommen Beurteilungskonferenz Weiterer Maßstabsabgleich in der gesamten Vergleichsgruppe, ggf. Ab- oder Aufstufung der Gesamtnote Fördergespräch zwischen Erstbeurteiler und Mitarbeiter nach 1 ½ Jahren Schwerpunkt: Personal- und Potentialentwicklung 15 15. Die Umsetzung der Beurteilungsrichtlinie in der Praxis - Hinweise und Anregungen aus Sicht der DVG Das neue Beurteilungswesen wird weiter ein „subjektiver Akt wertender Erkenntnis“ bleiben und seitens der Beurteilten ein „Geschmäckle“ behalten. Gleichwohl soll das neue Beurteilungsverfahren als kontinuierlicher und vor allem kooperativer Prozess zwischen Beurteiler und Beurteiltem gestaltet werden. Vorgesetzte müssen auch zwischen den Beurteilungsrunden perspektivisch im Sinne einer gezielten Personalentwicklung tätig sein. Die Beurteilung muss im Sinne „der Einzelfallgerechtigkeit“ die individuelle Eignung, Leistung und Befähigung des Beschäftigten widerspiegeln. Die Richtwerte und Beurteilungsmaßstäbe dürfen nicht schematisch und ausgehend von der Gesamtnote angelegt werden. Die Gesamtnote- und die Qualitätsstufen (Punktevergabe) bedürfen einer „klaren“ Rückübersetzung. Die Einführung des Beurteilungssytems muss fachlich durch Präsenzschulungen der Beurteiler begleitet werden. Flankierend sollte wie z.B. in Niedersachsen ein Elearning – Modul entwickelt und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Alle Informationen, Hinweise und Arbeitshilfen sollen über das jeweilige Intranetportal den Beschäftigten zeitnah zugänglich gemacht werden. Beurteilungen sind die Grundlage für Auswahl- und Beförderungsentscheidungen. Trotz der neuen Richtwerte muss auch eine „durchschnittliche Beurteilung“ in einem „durchschnittlichen“ Aufgabengebiet beförderungsfähig sein. Dies hängt aber auch maßgeblich von dem Vorhandensein ausreichender Beförderungsstellen ab. Untersuchungen belegen, dass teilzeitbeschäftigte Kolleginnen und Kollegen insbesondere wenn diese „Familie und Beruf“ in Einklang bringen müssen häufig mittlere Anforderungsprofile zugeteilt bekommen und in Folge auch bei den Beurteilungen eher selten in den Spitzenbereich vordringen. „Leuchtturmprojekte“ bleiben in aller Regel Vollzeitbeschäftigten vorbehalten. Bei der Beurteilung muss auch diesen besonderen Lebensumständen Rechnung getragen werden. Vergleichbare Verwaltungs- und Organisationseinheiten (z.B. die hessischen Regierungspräsidien) benötigen vergleichbare Beurteilungsmaßstäbe. Für die Durchführung der Regelbeurteilung schlagen wir deshalb die Einrichtung von gemeinsamen Lenkungsgruppen und Beteiligung der Personalvertretungen vor. Die Summe aller Erstbeurteilungen wird die vorgegebenen Richtwerte in der Praxis nicht abbilden. Rückstufungen oder Notenhebungen in den Beurteilungskonferenzen sind gegenüber dem Beurteilten und dem Erstbeurteiler transparent zu begründen und in der Personalakte auf Wunsch des Beurteilten zu dokumentieren. Für Spitzenbeurteilungen der Notenstufen 1 und 2 sowie für „Mangelbeurteilungen“ der Notenstufen 5 -7 besteht ein besonderer Begründungszwang. Bei Beurteilungen der Notenstufen 5-7 sind dem Beurteilten zeitnah konkrete Personalentwicklungsmaßnahmen anzubieten. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass eine einmal vergebene Beurteilungsstufe in den folgenden Beurteilungsrunden nur noch schwer zu korrigieren ist („das Schubladenprinzip“). Das Prinzip der „Durchlässigkeit in den Beurteilungsstufen“ muss für alle MitarbeiterInnen garantiert werden. 16 Die Ermessensspielräume der Beurteilungsrichtlinie müssen vernünftig und im Sinne der Beschäftigten genutzt werden. Sie sollten insbesondere in den Fällen großzügig und im Benehmen mit dem Mitarbeiter genutzt werden, bei denen aufgrund von besonderen Umstände Personalführungsmaßnahmen nicht oder nicht mehr sinnvoll erscheinen ( z.B. Beschäftigte kurz vor Erreichen der Altersgrenze) Die jährlichen Mitarbeitergespräche sollten vor der ersten Regelbeurteilungsrunde genutzt werden auf „gleicher Augenhöhe“ das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes und mögliche Kritikpunkte an der Aufgabenwahrnehmung zu besprechen. Unterschiedliche Wahrnehmungen über die Leistungserbringung können im Mitarbeitergespräch rechtzeitig vor der Beurteilung und im Dialog geklärt werden. Die Behördenleitungen sollten ihre Führungskräfte auffordern entsprechend zu verfahren. Die Ergebnisse des Mitarbeitergespräches sollten – sofern notwendig – im Blick auf die Beurteilung schriftlich dokumentiert werden. Die Leistung der MitarbeiterInnen werden im Rahmen von Vergleichsgruppen ausdifferenziert. Diese Vergleichsgruppen können auch über die Grenzen der eigenen Organisationseinheit ( z.B. Fachabteilung) gebildet werden. Die Zusammensetzung der Vergleichsgruppe sollte den Erstbeurteilern und den Beurteilten frühzeitig bekanntgegeben werden. Sollte der fachliche Zuschnitt des konkreten Aufgabenbereiches für die Vergleichsgruppe nicht geeignet erscheinen, sollte der Betroffene vorher Einwände erheben können. Bei Beurteilungskonferenzen kann es bei Überschreiten der Richtwertvorgaben oder bei dem Nichteinhalten der vereinbarten Maßstäbe zu Abstufungen der Gesamtnote kommen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Erstbeurteiler häufig zwar die Gesamtnote ändern; die zur Gesamtnote führenden Einzelmerkmale jedoch nicht entsprechend der neuen Gesamtnote anpassen. Dies führt dazu, dass Einzelmerkmale und Gesamtnote nicht zusammenpassen. Nach der Rechtsprechung kann die Beurteilung in diesen Fällen angegriffen werden, weil die Beurteilung in sich nicht stimmig ist. Allerdings kann ein solches Verfahren auch zu einem Vorteil für den Betroffenen führen, da er bei gleicher Gesamtnote in der sog. Binnendifferenzierung der Qualitätsmerkmale beste Chancen in einem Auswahlverfahren hat. 17 16. Hinweise und Tipps zur Vertiefung des Gelesenen: 1. Die Beurteilungsverfahren werden beim Bund und in den einzelnen Bundesländern methodisch und rechtlich sehr unterschiedlich durchgeführt. Ein Standardwerk, welches die unterschiedlichen Vorgehensweisen anschaulich beschreibt und die zu dem Beurteilungswesen ergangene Rechtsprechung nachvollziehbar und aktuell zusammenfasst, ist der Leitfaden zur dienstlichen Beurteilung von Siegfried Mauch dbb Schriftenreihe Band 127 2. Bei Beurteilungen spielt die sog. „Beurteilungspsychologie“ eine besondere Rolle. Gerade die Erstbeurteiler müssen sich über die angebotene Präsenzschulung hinaus mit diesem Thema intensiv beschäftigen. Der „Papst“ des Umgangs mit Personalbeurteilungen Dr. Frank Dulisch hat dazu ein besonders geeignetes Lernprogramm „Psychologie der Personalentwicklung“ entwickelt, welches über das Internet (http://www.personalbeurteilung.de/wirtschaft/index.htm) frei zugänglich ist. Dort werden die Grundlagen der Wahrnehmungspsychologie und nahezu alle Arten von Beurteilungsfehlern in einer fachlich anspruchsvollen, aber nachvollziehbaren Art und Weise beschrieben. Dringend zu empfehlen. 3. Es ist empirisch belegt, dass Frauen und Teilzeitbeschäftigte bei der Erstellung dienstlicher Beurteilungen häufig (unbewußt) benachteiligt werden. Die Stadt München hat sich in einer Vielzahl von Studien dieses Problems besonders angenommen. Für die Beurteilungsrunde 2007 hat die Gleichstellungsstelle für Frauen der Stadt München einen Leitfaden zur dienstlichen Beurteilung mit dem Schwerpunkt „das erfolgreiche Entwurfsgespräch“ herausgegeben. Darin wird anschaulich geschildert, wie sich ein Beurteilter auf die Beurteilungsrunde inhaltlich vorbereiten kann und wie er sich bei den Beurteilungsgesprächen optimal verhalten kann. Der Leitfaden kann auf der Homepage der Stadt München eingesehen werden . 4. Der Text der aktuellen hessischen Beurteilungsrichtline ist im Staatsanzeiger des Landes Hessen 21/2007 S. 998 veröffentlicht und über die Intranetportale der Dienststellen abrufbar. 18