Corporate Performance Management
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Kapitel 2 Corporate Performance Management In diesem Kapitel: Vom Messen zum Steuern 82 Instrumente zur Performanceverbesserung 98 Der Performance Management-Prozess 131 79 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 80 Kapitel 2: Corporate Performance Management Unter Corporate Performance Management (CPM) versteht man die systematische, strategieorientierte Steuerung der Unternehmensleistung. Leistung stellt in diesem Kontext den bewerteten Beitrag zur Zielerreichung dar. Die leistungsorientierte Unternehmensführung ist die zentrale Aufgabe des Topmanagements. Ein Corporate Performance Manangement-System verknüpft Ziele, Strategien und Maßnahmen mit deren Ergebnissen und unterstützt so den Entscheider bei der konsequenten Umsetzung der gewählten Strategie ebenso wie bei ihrer durch Umweltveränderungen erzwungenen Anpassung. Dazu bedarf es eines formalisierten, auf Prozessinformationen aufbauenden IT-Systems, das Daten in handlungsrelevante Informationen verwandelt und diese zur richtigen Zeit und in der richtigen Form an den jeweils richtigen Personenkreis verteilt. Performance ManangementSysteme stellen in diesem Sinne die Nachfolger der ursprünglichen Managementinformationssysteme (MIS) dar, bieten aber einen deutlich größeren Nutzen. Die ersten Versuche zur Entwicklung von Managementinformationssystemen in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts scheiterten aus technischen Gründen. Dasselbe traf auf die im Rahmen des Durchbruchs des Operation Research in den 70er Jahren realisierten Decision Support-Systeme bzw. Entscheidungsunterstützungssysteme zu. Als in den 80er Jahren der zweite Anlauf zur Implementierung von MIS gestartet wurde, bevorzugten die Anbieter die Bezeichnungen Führungsinformationssystem oder Executive Information System (Abbildung 2.1). Nutzungsgrad von Wissen Decision Intelligence System Management Information System Decision Support System Executive Information System Business Intelligence System Performance Management System Zeit 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Abbildung 2.1 Vom Managementinformationssystem zum Performance Manangement-System Die Erkenntnis, dass ein MIS einzig dann sinnvolle und zuverlässige Ergebnisse liefert, wenn eine vollständige und konsistente Datenbasis vorhanden ist, führte zum Data Warehouse (DWH) als für Analysezwecke nutzbares Datenlager. Etwa zur gleichen Zeit verbreitete sich der 1993 von der Gartner Group geprägte Begriff Business Intelligence (BI). Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Corporate Performance Management 81 Unter Business Intelligence versteht man allgemein die Analyse bzw. Nutzung der in einem Data Warehouse oder Data Mart gespeicherten Daten mithilfe der Informationstechnologie durch die Anwender. Im Mittelpunkt stehen die Auswertung von unternehmensweit verfügbaren Daten und die Erzeugung von Berichten. Die Sichtweise ist dabei ex-post auf die Analyse der Ergebnisse interner Prozesse konzentriert. Der wirtschaftliche Erfolg des Data Warehousing erklärt sich daraus, dass die IT-Abteilungen nach Jahren der Rechtfertigung endlich wieder einen vom Management nachvollziehbaren Grund für Investitionen hatten und ihre Existenzberechtigung nachweisen konnten. Ähnlich erging es den Controllern, deren Tätigkeit dadurch aufgewertet wurde, dass sie nun die Analysen durchführten, die dem Topmanagement zuvor von den Toolherstellern zugedacht worden waren. Doch die Vorstellung, dass Unternehmensführer durch Datenmeere navigieren, um die Ursachen von Planabweichungen zu finden, hatte sich schnell als Illusion erwiesen. Dies verwundert wenig, wenn man bedenkt, dass die zentrale Aufgabe eines Unternehmensführers nicht die Fehlersuche und das Finden von Versagensmustern ist, sondern das frühzeitige Antizipieren von Trends und das zielgerichtete Einleiten von Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, womit zukunftsgerichtete Aktivitäten in seinem Interessensfokus stehen. Dabei helfen IT-lastige Business Intelligence-Systeme mit ihrer vorwiegend auf unternehmensinternen Daten basierenden Einsichten und der vergangenheitsgerichteten Betrachtungsweise wenig. Da sie dem deutschen Wesen entgegenkommen, dessen Kernkompetenz schon immer auf dem Verwalten und Überprüfen liegt, finden Instrumente zur Suche nach den Gründen von Fehlabweichungen und damit Schuldigen hierzulande einen fruchtbareren Boden als in Ländern, in denen man nach Innovation, Fortschritt und positivem Wandel strebt. Die IT-Branche war deshalb trotz der wirtschaftlichen Erfolge schlecht beraten, sich durch das Hervorheben technischer Spezifika, wie z.B. von Online Analytical Processing, zu weit von den Bedürfnissen der Topentscheider zu entfernen. Business Intelligence-Systeme sind aus deren Sicht denn auch Instrumente für Controller. Kurz nach der Jahrtausendwende tauchte der Begriff Corporate Performance Management bzw. Performance Management (PM) vermehrt in Europa auf. Mit gleicher Bedeutung verwendet wurden Enterprise Performance Management (EPM) und Business Performance Management (BPM). Beide Synonyme konnten sich allerdings nicht durchsetzen. Darüber hinaus war die Abkürzung BPM bereits von Business Process Management besetzt. Die Sprachverwirrung führte, wie üblich bei Innovationen im IT-Sektor, zur noch auf der CeBIT 2003 von einem leitenden Mitarbeiter eines BI-Anbieters, der heute Vorstand eines Unternehmens mit expliziter CPM-Positionierung ist, bejahten Frage, ob es sich nicht um alten Wein in neuen Schläuchen handele und Business Intelligence nur ein neues Label erhalten habe. Das ist eindeutig nicht der Fall, wenngleich BI-Systeme für das Performance Management eine wichtige Rolle spielen. Denn beim Performance Management geht es – wie einst bei der Urform der MIS – um viel mehr als die Datenanalyse. Im Mittelpunkt aller Anstrengungen steht die zielgerichtete Beeinflussung des Leistungserbringungsprozesses gemäß der Unternehmensstrategie zur Verbesserung der Wettbewerbsposition. Die laufende Überprüfung der Ergebniswirkung der Unternehmensaktivitäten mittels BI ist also nur ein Schritt des CPM-Prozesses. Je mehr Wissen in ein solches System integriert werden kann, desto besser können unstrukturierte Daten genutzt und unscharfe Logik verwendet werden. Das finale Ergebnis dieser ÜberCorporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 82 Kapitel 2: Corporate Performance Management legungen ist letztendlich die Automatisierung von Geschäfts- und damit auch Entscheidungsprozessen mithilfe eines Decision Intelligence-Systems. Das heißt nicht, dass ein Decision Intelligence-System Entscheidungen autark trifft. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die in der Praxis nur allzu oft vermisste Handlungskonsequenz sicherzustellen. Denn häufig erlebt man, dass alle Ampeln auf rot stehen und trotzdem keine Aktion, die man zuvor genau für einen derartigen Fall entwickelt hat, ausgelöst wird. Mit einem Automatismus, wie er in Produktionssystemen seit Jahren gang und gäbe ist, könnten strategische Aktionen zur richtigen Zeit und damit mit der größtmöglichen Wirkung angestoßen werden. Doch soweit sind wir in einer Zeit noch nicht, in der sich viele Manager ohne Selbstzweifel einem Schachcomputer geschlagen geben und sich freuen, dass ein auf wenigen Regeln basierendes Expertensystem im Notfall ein Kernkraftwerk abschaltet, aber nur wenige von ihnen bereit sind, die Entscheidung auch nur über die Eliminierung eines völlig bedeutungslosen Produkts aus dem Angebotsportfolio oder die Vornahme einer Erweiterungsinvestition an eine Maschine zu übertragen, obwohl es sich auch dabei nur um das automatische Abarbeiten von WennDann-Folgen handelt. Das rührt am Gefühl der Einzigartigkeit von Topmanagern und verhindert im Augenblick noch den Einsatz künstlicher Intelligenz, die in vielen anderen Lebensbereichen, wie z.B. bei der Steuerung des Straßenverkehrs, längst akzeptiert wird, in betriebswirtschaftlichen Informationssystemen. Vom Messen zum Steuern Schon Drucker wusste, dass man nichts lenken kann, was man nicht messen kann. Das Messen der Unternehmensleistung ist deshalb elementarer Bestandteil jedes betriebswirtschaftlichen Steuerungskonzeptes. Die betriebswirtschaftliche Leistungsdokumentation erfolgte erstmals zu Beginn des 14. Jahrhunderts mit der Einführung der doppelten Buchhaltung. Rund ein halbes Jahrtausend danach sorgten die Forschungsergebnisse des Arbeitswissenschaftlers Taylor für den Durchbruch der Industrialisierung. Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen stand die gezielte Steigerung der Arbeitsleistung mittels Leistungskontrolle und Leistungsbeurteilung des einzelnen Mitarbeiters. Da die Unternehmensleistung im Rahmen der umweltbedingt gegebenen Freiheitsgrade nur von Menschen beeinflusst werden kann, dient ihre Messung nicht nur der Ermittlung des Status Quo, sondern auch der Beeinflussung des Verhaltens der agierenden Personen im Sinne der Unternehmensstrategie. Das gilt insbesondere, wenn es eine Kopplung mit der Entlohnung gibt. Bis in die 1950er Jahre betrachtete man vor allem die Mitarbeiterpersönlichkeit. Zur Vermeidung der dabei auftretenden Nachteile einer subjektiven Persönlichkeitsbetrachtung führte man in den 1970er Jahren Zielvereinbarungsprozesse ein. Die vereinbarte Soll-Leistung des Mitarbeiters wird dabei mit der tatsächlich erbrachten Leistung verglichen und in der Folge werden Handlungsempfehlungen zur Leistungssteigerung abgeleitet. Die Einbeziehung von Potenzialen und der Entwicklungsbedürfnisse der Mitarbeiter erweiterte die bisherigen Leistungsbeurteilungskonzepte um eine zukunftsgerichtete Komponente. Gegen Mitte der 1980er Jahre kam dann in den USA der Terminus Performance Management als Über- Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 83 Vom Messen zum Steuern begriff für alle Kontroll- und Leistungssteigerungsmaßnahmen auf. Man hatte festgestellt, dass eine Leistungsoptimierung mit der Steuerung der Mitarbeiterebene allein nicht möglich ist. Auch die Ansprüche von anderen Interessen- bzw. Einflussgruppen, so genannten Stakeholdern, insbesondere der Kapitalgeber und der Kunden, müssen berücksichtigt werden. Steuerungsaktivitäten sind unter Einbezug der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Perspektiven zu entwickeln und müssen auf eine ausgeglichene Beeinflussung aller Ebenen abzielen, wenn die Gesamtleistung des Unternehmens nachhaltig verbessert werden soll. Performance Measurement Unter Performance Measurement wird in der Regel die Überprüfung der Unternehmensleistung verstanden. Zur Beurteilung der Effektivität und der Effizienz werden Kennzahlen aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen herangezogen. Ein periodisches Messen der Leistung mittels finanzieller und nichtfinanzieller Kennzahlen ist in den meisten Unternehmen mittlerweile selbstverständlich. Die Leistungsmessung ist aber nur eine Aktivität im Rahmen des Prozesses zur Steuerung der Performance (Abbildung 2.2). Leistung planen Leistung kommunizieren Leistung steuern Leistung verbessern Leistung messen Abbildung 2.2 Die Aktivitäten zur Steuerung der Unternehmensleistung1 Unter Leistungsmessung betrachten Adams, Neely und Kennerly den Prozess der Messung der Effizienz und der Effektivität der in der Vergangenheit durchgeführten Maßnahmen. Effektivität ist dabei das Maß für den Grad der Befriedigung der Anforderungen der Stakeholder. Effizienz stellt das Maß für den wirtschaftlichen Umgang mit den Unternehmensressourcen im Hinblick auf die Sicherstellung eines vorgegebenen Zufriedenheitsgrades der Stakeholder dar. Ein Leistungsmaß ist somit ein Parameter zur Quantifizierung von Effektivität und Effizienz vergangener Handlungen. Eine Performancemetrik definiert den Gültigkeitsbereich, den Inhalt und die Bestandteile eines Leistungsmaßes. Ein Performance Measurement-System ist zum einen eine Sammlung von Performancemaßen und zum anderen stellt es Informationen über den Erfolg vergangener Maßnahmen zur Unterstützung des Entscheidungsfindungsprozesses zur Verfü1 Quelle: In Anlehnung an Krause (2006), S. 47 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 84 Kapitel 2: Corporate Performance Management gung. Die hierzu durchzuführenden Aktivitäten sind die Gewinnung, der Abgleich, das Sortieren, das Analysieren von Daten und das Interpretieren der Analyseergebnisse. Der Übergang zwischen Performance Measurement- und Performance Managementprozess findet dort statt, wo die Erkenntnisse aus der Analyse der erhobenen Daten bezüglich der Performancetreiber in Entscheidungen und Handlungen umgesetzt werden (Abbildung 2.3). Neben der Ergebnismessung gehören die Definition der Kennzahlen bzw. KPIs (Key Performance Indicators) ebenso wie die Festlegung und Überwachung von kritischen Werten sowie die Bewertung des Messergebnisses zu den Aufgabenfeldern des Performance Managements. Die Leistungsüberprüfung kann einmalig als Querschnittsuntersuchung erfolgen, beispielsweise im Rahmen eines Benchmarkings bei zeitlich begrenzten Projekten, oder als kontinuierlicher Prozess in Form der Implementierung eines Kennzahlensystems zur dauerhaften Überwachung von KPIs verankert werden. Die Grenze zwischen Performance Measurement und Performance Management liegt also dort, wo es gilt, konkrete Maßnahmen zur Leistungssteigerung auszulösen. Während im Fokus des Performance Measurement die Dokumentation des erreichten Leistungsstands steht, konzentriert sich das Performance Management auf die Veranlassung strategischer Programme und Aktionen zur Verbesserung des Status Quo. Vor diesem Hintergrund kann ein Performance ManangementSystem auch als ein um Steuerungsmaßnahmen erweitertes Kennzahlensystem verstanden werden. Die Statusinformationen des Performance Measurement-Systems stellen die Basis für Entscheidungen über Maßnahmen zur Umsetzung der Unternehmensstrategie dar. Prozess der Leistungsmessung Was ist wann wo passiert? Daten & Informationen Auswertungen & Interpretationen Warum ist es passiert? Wer war schuld? Wissenskapital Welche Optionen gibt es? Entscheidungen & Aktionen Einsichten & Beurteilungen Was kann man daraus lernen? Prozess der Leistungssteuerung Abbildung 2.3 Von der Datengewinnung zur Aktion1 KPIs zeigen dem Management, ob die gewählten Strategien erfolgreich implementiert wurden. Darüber hinaus können Leistungsmessgrößen genutzt werden, um die Strategien zu kommunizieren und Anreize für deren Umsetzung zu geben. Schlussendlich dienen sie dazu herauszufinden, ob die Strategien in der gewünschten Weise wirken. 1 Quelle: In Anlehnung an Neely/Adams/Kennerly (2002), S. 66 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 85 Vom Messen zum Steuern Zum Aufbau eines Performance Measurement-Systems bietet sich eine vierstufige Vorgehensweise an (Abbildung 2.4). In der Designphase wird als Erstes festgelegt, was es wie zu messen gilt. Allzu oft neigen wir aber dazu, das zu messen, was einfach zu messen ist, statt das Richtige zu messen. So stellt die leicht zu ermittelnde Wiederkaufrate nicht wirklich ein Maß für die Kundenzufriedenheit dar. Entwerfen • Auswählen der Messgrößen • Festlegen der Messmethoden Planen & Erstellen • Entwickeln der • Messsysteme und -verfahren • Kommunizieren • der verfolgten Ziele Einführen & Arbeiten Auffrischen Einsetzen der • Verfeinern der Systeme und Anwendungen Verfahren • Überprüfung der Steuern auf Basis Relevanz von Leistungsmessgrößen Abbildung 2.4 Phasen der Entwicklung eines Performancemesssystems1 In der Planungs- und Konstruktionsphase muss die Einführung des Messsystems vorbereitet werden. Hierzu sind Messverfahren und -methoden auszuwählen bzw. zu entwickeln, Datenquellen zu identifizieren und für die Datengewinnung zu erschließen, die Auswertung der Messwerte, die visuelle Aufbereitung und Streuung der Messergebnisse vorzubereiten, Berichte anzupassen oder völlig neu zu gestalten sowie die Bedenken der von der Messung betroffenen Menschen zu zerstreuen. Denn diese werden ihr Verhalten nur dann in der gewünschten Weise ändern, wenn sie vom Nutzen der Messung für sich und die Organisation überzeugt sind und eine realistische Chance für die Performanceverbesserung sehen. Zielwerte müssen in diesem Kontext grundsätzlich auf einem anspruchsvollen aber erreichbaren Niveau festgelegt werden. Sind sie zu ambitioniert gewählt, werden die Mitarbeiter Wege suchen und finden, um das Messsystem auszutricksen oder gleich alle Anstrengungen zur Performanceverbesserung einstellen. Da das Ziel zu Beginn des Wegs häufig sehr weit weg und kaum erreichbar erscheint, sind zusätzlich Meilensteine mit einem kürzeren Zeithorizont festzulegen. Besonderen Wert ist auch auf die frühzeitige Erkennung und Eliminierung redundanter Messgrößen und -prozesse zu legen. Hierzu ist idealerweise in Form eines Flussdiagramms zu dokumentieren, wer welche Aktivitäten in welcher Reihenfolge durchführen muss. In der Implementierungs- und Betriebsphase ist besonders auf die durch die Performancemessung ausgelösten Veränderungen in der Organisation zu achten, um Hinweise zur Steuerung der Leistungsverbesserungsprozesse zu gewinnen. Denn Leistungsmessung ist kein Selbstzweck. Nur wenn die Messergebnisse zu zielgerichteten Handlungen zur Leistungssteigerung führen, lässt 1 Quelle: In Anlehnung an Neely/Adams/Kennerly (2002), S. 33 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 86 Kapitel 2: Corporate Performance Management sich rechtfertigen, für die Messung Geld auszugeben. Die Handlungskonsequenz fehlt aber zumeist in den Unternehmen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die handelnden Personen von der Informationsflut überfordert sind. Sie brauchen Klarheit darüber, was wirklich wichtig für ihre Entscheidungen und ihr Verhalten in der Organisation ist. Und das darf sich nicht dauernd ändern. Somit benötigt man auch Beständigkeit. In der Refresh-Phase ist ein Automatismus zur stetigen Aktualisierung und Verbesserung des Leistungsmess- und Berichtssystems zu installieren, um sicherzustellen, dass nur handlungsrelevante Informationen gestreut werden. Denn in der Regel wächst ein Leistungsmesssystem über die Zeit. Es werden neue Leistungsindikatoren hinzugefügt aber nur selten überflüssige entfernt. Wie bei Kleidung, die sie niemals mehr anziehen, fällt es den meisten Managern schwer, sich von einem Leistungsmaß zu trennen, selbst wenn es keine Bedeutung mehr besitzt. Deshalb muss fortlaufend überprüft werden, ob die genutzten Messgrößen tatsächlich noch die richtigen sind. Kennzahlensysteme als Ursprung der Leistungsmessung Kennzahlen sind stark verdichtete Maßgrößen, die Zusammenhänge in kompakter Form wiedergeben. Das Messwerkzeug Kennzahl ist das wichtigste Instrument des Controllers, da er mit seiner Unterstützung die Informationsversorgung für das Management sicherstellt. War die Verwendung von Kennzahlen früher auf finanzwirtschaftliche Fragestellungen im Rahmen der Bilanzanalyse beschränkt, werden sie heute als Führungsinstrumente, für Benchmarkanalysen und als Frühwarnindikatoren herangezogen. Obwohl die für jeden Unternehmer wichtigste Erfolgsmesszahl, der Gewinn, eine absolute Zahl ist, treten Kennzahlen meist in Form einer Verhältniszahl auf, da diese aussagekräftiger als eine absolute Zahl ist. Verhältniszahlen lassen sich in Gliederungs-, Beziehungs- und Messzahlen in Abhängigkeit von der Art der Verhältnisbildung unterscheiden (Abbildung 2.5). Kennzahl Absolute Zahl Verhältniszahl Gliederungszahl Beziehungszahl Messzahl Abbildung 2.5 Einteilung von Kennzahlen Gliederungszahlen werden aus gleichartigen Zahlen gebildet und geben den Anteil einer Größe an einer Gesamtheit, z.B. den Marktanteil, an. Beziehungszahlen bilden das Verhältnis zwischen ungleichartigen Zahlen verschiedener Grundgesamtheiten ab, z.B. die Eigenkapitalrentabilität. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 87 Vom Messen zum Steuern Indexzahlen sind Messzahlen, mit denen sich die zeitliche Veränderung von Daten darstellen lässt, z.B. die Inflationsrate mithilfe der Veränderung des Index der privaten Lebenshaltungskosten. Nach Gladen sollen Kennzahlen komplizierte, betriebliche Sachverhalte, Strukturen und Prozesse auf relativ einfache Weise abbilden, um einen möglichst umfassenden und schnellen Überblick zu gewährleisten, sowie Führungsinstanzen bei Analysen und Steuerungsaufgaben zu dienen. Insbesondere die Leiter kleinerer und mittlerer Unternehmen steuern ihre Unternehmen auf Basis weniger Kennzahlen, wobei sie dem in der monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) ausgewiesenen operativen Ergebnis die größte Bedeutung zuordnen. Durch die vorgenommene Verdichtung sorgt der Einsatz von Kennzahlen beim Entscheider für eine Informationsentlastung. Diese geht allerdings einher mit einem Informationsverlust, da man nicht erkennen kann, welche der in sie eingeflossenen Größen eine Veränderung verursacht hat. Dieses Defizit, insbesondere bei hoch verdichteten Zahlen, hat zur Entwicklung von Kennzahlensystemen mit Kennzahlen abnehmender Verdichtungsgrade geführt. Reichmann definiert Kennzahlensysteme als Gesamtheit von geordneten Kennzahlen, die die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Größen aufzeigen und so betriebswirtschaftlich sinnvolle Aussagen über das Unternehmen und seine Teilbereiche vermitteln. Hierzu werden Einzelkennzahlen zu einem System von sich ergänzenden und voneinander abhängigen Größen zusammengesetzt. Rechensysteme basieren auf der rechnerischen Zerlegung von Kennzahlen und besitzen die hierarchische Struktur einer Pyramide. Das DuPont-Schema ist als ältestes und bekanntestes Kennzahlensystem der typische Vertreter der konventionellen Ansätze zur Leistungsmessung. Bereits 1919 von dem Chemiekonzern DuPont de Nemours entwickelt, wurde es eingesetzt, um Anlageninvestitionen planen und steuern zu können. Das DuPont-Schema entspricht einer Kennzahlenpyramide, die sich in mehrere Ebenen gliedert (Abbildung 2.6). Gesamtkapitalrentabilität Umsatzrentabilität Erfolg : Umsatz x Kapitalumschlag Umsatz : Vermögen Abbildung 2.6 Ausschnitt aus dem Kennzahlensystem von DuPont1 1 Quelle: In Anlehnung an Gladen (2001), S. 68 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 88 Kapitel 2: Corporate Performance Management An der Spitze der Hierarchie steht als oberstes Unternehmensziel die Rendite auf das eingesetzte Kapital, dem Return on Investment (ROI). Die Spitzenkennzahl wird auf der zweiten Ebene in ihre beiden ursächlichen Faktoren Umsatzrentabilität und Kapitalumschlag aufgeschlüsselt. Auf der nächsten Ebene erfolgt eine Zergliederung dieser beiden Kennzahlen in weitere Kennziffern. Durch die mathematische Zerlegung der jeweils übergeordneten Zielgröße lässt sich ein nahezu beliebiger Detaillierungsgrad erzielen und die verursachenden Größen für die jeweilige Ausprägung einer übergeordneten Kennzahl darstellen. Ab den 1950er Jahren verbreiteten sich zunehmend dem DuPont-Schema entlehnte Kennzahlensysteme. So entwickelte der Zentralverband der Deutschen Elektronindustrie (ZVEI) ein branchenneutrales Kennzahlensystem, das der DuPont-Systematik folgt, aber als Spitzenkennzahl die Eigenkapitalrentabilität verwendet. Es umfasst 88 Hauptkennzahlen und 122 Hilfskennzahlen und lässt deshalb differenziertere Analysen als das DuPont-Modell zu. Im Gegensatz zu den gerade vorgestellten Monozielsystemen berücksichtigt das RentabilitätsLiquiditäts-Kennzahlensystem (RL-System) von Reichmann und Lachnit zwei Spitzenkennzahlen. Zur Verbesserung der Flexibilität wurde das als Ordnungssystem konzipierte RL-System in einen allgemeinen und einen besonderen Teil gegliedert. Der allgemeine Teil enthält Kennzahlen, die jedes Unternehmen benötigt, der besondere nimmt die unternehmensspezifischen Kennzahlen auf. Der große Vorteil der klassischen Kennzahlensysteme ist, dass die benötigten Daten ohne zusätzlichen Aufwand dem internen Rechnungswesen entnommen werden können und die Systematik leicht nachvollziehbar ist. Die Beschränkung auf rein monetäre Größen führt aber dazu, dass lediglich interne Stärken und Schwächen widergespiegelt werden. Wettbewerb und Nachfrage können erst in die Betrachtung einbezogen werden, nachdem sich ihre Auswirkungen in den Finanzkennzahlen niedergeschlagen haben. Neben Finanzkennzahlen bezieht die moderne Leistungsmessung auch Größen ein, die auf subjektiven Urteilen beruhen, wie beispielsweise die Mitarbeiter- oder Kundenzufriedenheit. Durch die Integration nicht-monetärer, zukunftsgerichteter Leistungsindikatoren sollen die Leistungstransparenz erhöht, Kommunikationsprozesse gefördert und Lerneffekte erzielt werden. Die Tabelle 2.1 stellt die wesentlichen Unterschiede zwischen traditionellen Kennzahlensystemen und Performance Measurement-Systemen gegenüber. Ungeachtet der Fortschritte beim Übergang von traditionellen Kennzahlen- zu Performance Measurement-Systemen bleibt die Tatsache, dass das Performance Measurement in erster Linie der Leistungsbeurteilung dient. Es stellt die Basis für die Unternehmenssteuerung dar und unterscheidet sich dadurch deutlich vom Performance Management, dessen Aufgabe eben gerade die aktive Unternehmenssteuerung ist. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 89 Vom Messen zum Steuern Traditionelles Kennzahlensystem Performance Measurement-System Monetäre Ausrichtung (vergangenheitsorientiert) Begrenzt flexibel; ein System deckt interne und externe Informationsinteressen ab Einsatz primär zur Überprüfung des Erreichungsgrads finanzieller Ziele Kostenreduzierung Vertikale Berichtsstruktur Fragmentiert Kosten, Ergebnisse und Qualität werden isoliert bewertet Kundenausrichtung (zukunftsorientiert) Aus den operativen Steuerungserfordernissen abgeleitete hohe Flexibilität Überprüfung des Strategieumsetzungsgrads; Impulsgeber zur weiteren Prozessverbesserung Leistungsverbesserung Horizontale Berichtsstruktur Integriert Qualität, Auslieferung, Zeit und Kosten werden simultan bewertet Abweichungen werden direkt zugeordnet (Bereich, Person) Team-/Gruppenbezogene Leistungsanreize Lernen der gesamten Organisation Unzureichende Abweichungsanalyse Individuelle Leistungsanreize Individuelles Lernen Tabelle 2.1 Traditionelle Kennzahlensysteme vs. Performance Measurement-Systeme1 Leistungsmessung in der Praxis Kein Autofahrer würde dem Kilometerzähler mehr Bedeutung beimessen als der Tankanzeige bzw. dem vom Computer berechneten Wert für die verbleibende Fahrtstrecke, wenn es darum geht, den nächsten Tankstop zu planen. Und dies obwohl der Erstere genaue Daten liefert und die anderen Systeme nur unscharfe Hinweise, die von etlichen Parametern, wie z.B. der Geschwindigkeit oder dem Höhenprofil der Strecke, abhängen. Ihr großer Vorteil ist jedoch, dass sie zukunftsgerichtet sind.1 Gerade diese Daten fehlen in den meisten Unternehmen. So ist eine Schlüsselerkenntnis einer Studie von Deloitte, dass die existierenden Leistungsmesssysteme für Zwecke der Unternehmenssteuerung ungeeignet sind. Dies liegt daran, dass zukunftsorientierte Leistungsmessgrößen, wie z.B. die Loyalität der wichtigsten Leistungsträger zum Unternehmen oder die Innovationskraft, nicht erhoben werden. Entsprechend unzufrieden ist man dann auch mit der Messung nicht-finanzieller Key Performance Indicators (Abbildung 2.7). 1 Quelle: Klingebiel (1999), S. 61 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 90 Kapitel 2: Corporate Performance Management 42,7 % Sehr gut 4,7 % 43,8 % Gut 24,4 % 12,3 % Befriedigend Ausreichend 1,2 % 36,6 % 20,9 % Messung finanzieller Leistungsaspekte Mangelhaft 0,0 % Messung nicht-finanzieller Leistungsaspekte 13,4 % 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Abbildung 2.7 Bewertung der Fähigkeit von Performance Measurement-Systemen, finanzielle und nicht-finanzielle Leistungsaspekte zu messen1 Über drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass Finanzkennzahlen allein die tatsächlichen Stärken und Schwächen eines Unternehmens nicht richtig wiedergeben können (Abbildung 2.8). Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Bedeutungsverlagerung hin zu qualitativen Key Performance Indicators im Vergleich zur 2004 von Deloitte durchgeführten Studie feststellen. Über die Hälfte der Topmanager hat inzwischen erkannt, dass zukunftsgerichtete Daten größeren Wert als historische für die Unternehmenssteuerung besitzen. Als wichtigste Gründe, sich nicht-finanziellen KPIs zuzuwenden, werden die Hoffnung, Imageschäden zu vermeiden, der steigende Druck der Nachfrager, ökologische und soziale Aspekte zu berücksichtigen, die Verknappung von geeignetem Humankapital aufgrund der zunehmenden Globalisierung, die wachsende Wahrnehmung qualitativer Performancefaktoren durch Investoren und Behörden sowie der immer höhere Innovationsdruck genannt. Am häufigsten werden Informationen über die Mitarbeiter- und die Kundenzufriedenheit vermisst. Danach wird der Mangel an Indikatoren zur Messung der Innovationskraft, der Qualität der Management- und Führungsprozesse, des Einflusses auf Gesellschaft und Umwelt, des Niveaus der Beziehung zu den externen Stakeholdern, der Qualität der operativen Prozesse und der Markenstärke sowie der Produkt- und Servicequalität beklagt. 1 Quelle: Deloitte (2007), S. 6 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 91 Vom Messen zum Steuern Finanzkennziffern allein reichen nicht aus, die Stärken und Schwächen eines Unternehmens abzubilden 78,3 % Die Geschäftsführung ist für die Überwachung finanzieller und nicht-finanzieller Leistungsmessgrößen verantwortlich 68,6 % Unsere Organisation steht unter zunehmendem Druck, nicht-finanzielle Leistungsindikatoren zu messen 56,6 % Zukunftsgerichtete Informationen sind von größerem Wert für die Geschäftsführung als vergangenheitsorientierte 53,7 % Für Investoren gewinnt nachhaltiges, langfristiges Wachstum immer mehr an Bedeutung 48,6 % Unsere Unternehmensleistung wird mehr durch immaterielle Aktiva bestimmt als durch greifbare Wirtschaftsgüter 37,1 % 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Abbildung 2.8 Grad der Zustimmung zu Aussagen der Leistungsmessung1 Trotz des Wissens um die Schwächen in ihrem Unternehmenssteuerungssystem wird wenig dafür getan, die Defizite zu beseitigen oder zumindest die vorhandenen qualitativen Daten dem Topmanagement zur Verfügung zu stellen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie reichen von einem Misstrauen gegenüber den Messinstrumenten für nicht-finanzielle Daten über den deutlich höheren Zeitaufwand zu deren Generierung und der Skepsis, ob diese Art von Daten tatsächlich die Performance wiedergeben, bis hin zu der Angst, dass durch deren Messung Wettbewerber zuviel über das eigene Unternehmen erfahren könnten. Ganz wesentlich dürfte aber sein, dass Controller nicht gelernt haben, KPIs nicht-finanzieller Art zu identifizieren und zu messen. Die Versorgungslage mit steuerungsrelevanten Informationen in vielen der befragten Unternehmen ist, trotz der zum Ausdruck kommenden Wertschätzung der gelieferten Finanzkennzahlen, ganz allgemein verbesserungswürdig. Insbesondere für strategische Entscheidungen liefern die eingesetzten Metriken nicht die gewünschten Informationen in der notwendigen Qualität. Die Aussage gilt für die nicht-finanzielle Leistungsmessung ebenso wie für die Eignung von Finanzkennzahlen für diese Zwecke (Abbildung 2.9). 1 Quelle: Deloitte (2007), S. 16 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 92 Kapitel 2: Corporate Performance Management 50,0 % 51,2 % Mittel- bis Langfristentscheidungen (Entscheidungen über 12 Monate) 43,7% 47,1 % Strategieformulierung 32,8 % 39,7% Steuerung und Regelbefolgung 27,0 % 23,0 % Erlangung einer angemessenen Bewertung an den Kapitalmärkten 0% Finanzkennziffern 16,1% Kurzfristentscheidungen (Entscheidungen unter 12 Monaten) Nicht-finanzielle Messgrößen 29,3 % 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Abbildung 2.9 Unterstützung des Topmanagements durch Performancemetriken1 Das Ergebnis bedeutet nichts anderes, als dass heute ein großer Teil der wesentlichen Entscheidungen in den Unternehmen ohne valide Datenbasis getroffen werden müssen. Topentscheider können somit oftmals gar nicht wissen, was sie am besten tun sollten, und müssen deshalb häufig Wissen durch Ahnung ersetzen. Damit steht fest, dass der Fokus bei den in der Praxis eingesetzten Performance Measurement-Systemen nach wie vor auf vergangenheitsorientierte Finanzkennziffern gerichtet ist. Treiber des Corporate Performance Management Bis zu 10.000 Entscheidungen trifft ein Mensch in einer der Industrienationen am Tag. Aufgrund der großen Anzahl und der in der Regel geringen zur Verfügung stehenden Zeit müssen wir uns häufig spontan, d.h. »aus dem Bauchgefühl heraus«, entscheiden. Schließlich können wir nicht erst eine Konferenz einberufen, wenn die Ampel auf »gelb« schaltet und wir in Sekundenbruchteilen zwischen den Optionen »Gas geben« oder »Bremsen« wählen müssen. Zur Bewältigung der Entscheidungsflut greifen wir automatisch auf unser Erfahrungswissen zurück und nutzen die Heuristik. Wir suchen nach vertrauten Mustern und erinnern uns an erfolgreiche Lösungen aus der Vergangenheit. Deshalb fassen wir einen heißen Topf kein zweites Mal mit bloßen Händen an, sondern schützen diese beispielsweise mit einem Handtuch. Nun kann man im Berufsleben nicht alle Situationen erst einmal nach dem Trial und Error-Prinzip bewältigen. Man stelle sich nur den Piloten eines Verkehrsflugzeugs vor, der in einer kritischen Situation stressbedingt nicht bemerkt, dass beispielsweise die Schubumkehr aktiviert wurde. Deshalb werden gerade in Tätigkeitsfeldern, in denen ein kleiner Fehler über Leben und Tod entscheidet, Simulatoren eingesetzt. Im Ernstfall kann dann auf so genannte Canned Decisions, die die problemadäquateste Aktion auslösen, zurückgegriffen werden. 1 Quelle: Deloitte (2007), S. 27 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Vom Messen zum Steuern 93 Sieht man einmal von Fallstudien im Rahmen des Studiums oder zufällig in der beruflichen Vergangenheit gemachten Erfahrungen ab, können Manager insbesondere bei strategischen Entscheidungen nur selten auf vorgefertigte Programme zurückgreifen. Nun kann man sich damit beruhigen, dass die meisten Unternehmensführer nicht unter dem gleichen Zeitdruck stehen wie Jetpiloten und es deshalb genügt, wenn sie wissen, wie man vorgehen muss, um zum richtigen Ergebnis zu kommen. Das setzt aber voraus, dass die für eine rationale Entscheidung notwendige Datenbasis vorhanden ist. Von diesem Zustand ist die Mehrzahl der Unternehmen noch weit entfernt, wie aktuelle Studien belegen. Doch die Zeiten für Unternehmensführer haben sich dramatisch geändert. Hatte es in der Vergangenheit oftmals für das Management und das Unternehmen keine Konsequenzen, wenn Fehlentscheidungen zu Verlusten in Milliardenhöhe führten, werden heute Manager persönlich haftbar gemacht und die Unternehmen verlieren das Vertrauen der Finanzmärkte. Das sind hervorragende Rahmenbedingungen für eine rasche Verbreitung des CPM-Gedankens. Denn ein neuer Ansatz oder eine neue Technologie setzen sich in der Wirtschaft immer dann am schnellsten durch, wenn es finanzielle Anreize, beispielsweise in Form einer Investitionszulage oder des Zugangs zu kostengünstigem Kapital, oder Druck durch den Gesetzgeber gibt. Beides ist im Falle beim Corporate Performance Management der Fall. Compliance Management und Corporate Governance Compliance Management bezeichnet eine Managementaufgabe, deren Zweck die Einhaltung aller Gesetze, Vorschriften und Verhaltenskodizes ist. Dazu gehören auch die Beachtung gesetzlich vorgeschriebener oder vertraglich vereinbarter Termine und Meldegrenzen. Ziel ist es, Transparenz über die Geschäftsprozesse und deren Ergebnisse zu schaffen. Es müssen nicht nur die richtigen Geschäftsinformationen geliefert, sondern auch die gesetzlich vorgeschriebenen Beobachtungszeiträume abgedeckt werden. Richtig eingesetzt führt Compliance Management zu einer Vereinfachung der Prozesse und erleichtert die strategieorientierte Unternehmensführung. Damit steht es im Einklang mit dem Corporate Performance Management. Für Aktiengesellschaften, die an einer amerikanischen Börse notiert sind, gilt seit 2002 der Sarbanes-Oxley Act. Dieser regelt die persönliche Haftung der Vorstände bezüglich der Richtigkeit von Unternehmensbilanzen. Firmen außerhalb der USA müssen darüber hinaus interne Kontrollmechanismen nachweisen, welche die Richtigkeit von Unternehmensergebnissen gewährleisten. In diesem Kontext ist ein Risikomanagement für einzelne Prozesse zu implementieren, welches beim Jahres- oder Quartalsabschluss durch externe Revisoren überprüft und entsprechend dokumentiert werden kann. Immer schon zu beachten sind Rechnungslegungsvorschriften, wie HGB (Handelsgesetzbuch), IAS (International Accounting Standards) und IFRS (International Finance Reporting Standards). Der Druck im Hinblick auf die Erfüllung der Vorschriften des HGB und des PublG (Publizitätsgesetz) zur Schaffung von Transparenz nimmt in Deutschland seit Jahren zu. So müssen die Unternehmen in Anhang und Lagebericht zur Haftungsvermeidung immer detaillierter auf die Risiken aus sich abzeichnenden, problematischen Entwicklungen eingehen. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 94 Kapitel 2: Corporate Performance Management Obwohl der Lagebericht den Jahresabschluss lediglich ergänzt, keine feste Struktur vorgeschrieben ist und ungenaue Informationen nicht bestraft werden, ist eine gründliche Darstellung des Geschäftsverlaufs entsprechend der tatsächlichen Verhältnisse für die Geschäftsführung empfehlenswert. Dazu bedarf es auch einer systematischen Risikoanalyse in allen Unternehmensbereichen. Die Fülle an Informationen, die zur Befriedigung der Compliance-Anforderungen und für das Risikomanagement benötigt werden, lässt sich ohne hochleistungsfähige IT-Systeme zur Unterstützung der Unternehmensführung weder beschaffen noch auswerten und auch nicht dokumentieren. Der größte Teil der benötigten Daten wird im Rahmen des Corporate Performance Managements ohnehin erhoben, verwendet und dokumentiert, sodass ein funktionierendes CPM-System der Unternehmensführung gleichzeitig Sicherheit gibt, Gesetze und Vorschriften einzuhalten und das eigene Haftungsrisiko zu reduzieren. Eine wesentliche Säule des Compliance Managements ist eine einheitliche Sicht auf Unternehmensdaten und Geschäftsprozesse. Die Dokumentation aller Geschäftsvorfälle muss den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dabei ist sicherzustellen, dass die Geschäftsvorfälle für externe Prüfer nachvollziehbar sind. Darüber hinaus müssen die gesetzlichen Aufbewahrungszeiten für wesentliche Geschäftsunterlagen von bis zu zehn Jahren beachtet werden. Dies stellt hohe Anforderungen an die Archivierungssysteme für Text-, Bild- und Audiodateien, die einem stetigen, technologischen Wandel unterworfen sind. Konkret bedeutet dies, dass nicht nur die Speichermedien, sondern auch die Hardware zu deren Nutzung aufbewahrt werden müssen. Neben der Beachtung der gesetzlichen Regelungen sehen sich Unternehmensführer immer stärker gezwungen, sich auch ethisch und moralisch einwandfrei zu verhalten. Denn ein guter Ruf ist in einer Zeit, in der sich die Kernkompetenz auch von Produktionsunternehmen bei stetig rückläufiger Wertschöpfungstiefe auf die Bewahrung und Weiterentwicklung ihrer Marken reduziert, im wahrsten Sinne des Wortes Geld wert und entsprechend das zukunftsträchtigste Kapital eines Unternehmens. Deshalb verpflichten sich immer mehr Unternehmen zur Einhaltung des Corporate Governance-Kodex. Ziel ist auch hier die Schaffung von Transparenz über die Unternehmensaktivitäten und die Verbesserung der Kontrolle der Unternehmensorgane. Denn fragwürdige Geschäftsmethoden zerstören die Reputation ganzer Branchen und die Glaubwürdigkeit der Führungseliten. Durch die Implementierung eines Wertesystems und die damit einhergehende Vermittlung von Werten, die für alle Organisationsmitglieder verpflichtend sind, hofft man, beispielsweise Korruptionsskandale vermeiden zu können, die den Unternehmenswert dramatisch sinken lassen. Eine an Werten orientierte Unternehmensstrategie und deren Umsetzung mithilfe der CPM-Instrumente lohnt sich auch finanziell. Das Beispiel von Worldcom zeigt, dass unmoralisches Verhalten der Führungskräfte ein Bestandsrisiko für Unternehmen darstellt. In den USA verlangen die Börsen von den gelisteten Unternehmen die Einhaltung von Verhaltensstandards und die Implementierung von Wertemanagementsystemen. Eine der Folgen des Versuchs, die Moral in der Wirtschaft zu verbessern, ist der verstärkte Einsatz der Informationstechnologie zur Dokumentation des eigenen rechts- und kodexkonformen Verhaltens. Compliance ersetzt aber nicht die Integrität in der Unternehmensführung, die Corporate Governance zum Ziel hat. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Vom Messen zum Steuern 95 Rating und Risikomanagement Unter dem Schlagwort Basel II hat die Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht die Wirtschaftswelt in den letzten Jahren in Aufregung versetzt. Und dies, obwohl es das Ziel war, die Eigenkapitalausstattung der Banken risikogerechter zu gestalten und damit die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu erhöhen. Mittelbar sind davon alle Unternehmen betroffen, da damit ein irreversibler Wandel in der Unternehmensfinanzierung begonnen hat. Denn der zu zahlende Zinssatz ist nun nicht unerheblich vom Ergebnis des Ratings, d.h. der Überprüfung der Bonität des Kreditnehmers abhängig. Die Bank benötigt nun andere und darüber hinaus deutlich mehr Daten aus den Unternehmen. Es kommt zu einem kontinuierlichen Informationsfluss, der es den Kreditinstituten erlaubt, permanent Stärken- und Schwächenanalysen durchzuführen und die Strategiekonformität der geplanten oder eingeleiteten Maßnahmen zu hinterfragen. Das Rating ist zwangsläufig zukunftsgerichtet. Denn es stellt den Prozess der Beurteilung der voraussichtlichen wirtschaftlichen Fähigkeit eines Kreditnehmers, in Zukunft seinen Zahlungsverpflichtungen termingerecht nachzukommen, dar. Gleichzeitig bezeichnet der Begriff Rating das Ergebnis des Prüfungsprozesses, d.h. die Benotung der Kreditwürdigkeit. Beim Rating werden harte ebenso wie weiche Faktoren berücksichtigt. Zu den harten Faktoren zählen nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse, das Zahlungsverhalten, also die pünktliche Bedienung der Kredite, sondern auch das Informationsverhalten. Den weichen Faktoren subsumiert man das Management, die Stellung im Markt und das wirtschaftliche Umfeld. Von besonderem Interesse ist die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die vom Unternehmen mit detaillierten Umsatz-, Ertrags- und Liquiditätsplanungen zu unterlegen ist. Aufgrund der in erheblichem Umfang zukunftsgerichteten und nicht-finanziellen Art der benötigten Daten sind Unternehmen mit einem funktionierenden Corporate Performance Manangement-System im Kampf um günstige Kredite im Vorteil. Mit der Erhöhung der Ansprüche an das Informationsverhalten der Unternehmen durch Basel II und dem Inkrafttreten des KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) wurden neue Rahmenbedingungen bezüglich der Bereitstellung von Informationen über die wirtschaftliche Situation von Unternehmen und deren Risikomanagement geschaffen. In bisher nicht gekanntem Maße sind Unternehmen verpflichtet, ihre Unternehmensdaten zu pflegen und den schnellen Zugriff auf alle wesentlichen Kennzahlen zu gewährleisten. Genau das leistet ein CPM-System. Nach Paragraf 91 Absatz 2 des KonTraG hat der Vorstand darüber hinaus geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen frühzeitig erkannt werden. Die Unternehmensführung haftet persönlich für die Implementierung eines angemessenen Risikomanagements und hat für eine funktionierende interne Revision zu sorgen. Kless unterscheidet in Risiko im engeren und weiteren Sinne. Ersteres umschreibt die vermögensmindernden unsicheren Ereignisse, die aus einer ungünstigeren Entwicklung als geplant resultieren (Verlust oder Schadensfall), letzteres die vermögensmehrenden unsicheren Ereignisse, die aus einer günstigeren Entwicklung als geplant herrühren (Chancen). Im Mittelpunkt Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 96 Kapitel 2: Corporate Performance Management der betriebswirtschaftlichen Risikobetrachtung steht, ob im Schadensfall eine Vermögensminderung eintritt. Von Campenhausen betrachtet das Risikomanagement als ein dokumentiertes ganzheitliches System, innerhalb dessen der Umgang mit Risiken im Unternehmen geregelt wird. Das Institut der Wirtschaftprüfer bezeichnet mit Risikomanagement die Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen zur Risikoerkennung und zum Umgang mit den Risiken. Seine Aufgabe ist es, bestehende, künftige und potenzielle Risiken zu identifizieren, zu überwachen und bei Bedarf Gegensteuerungsmaßnahmen einzuleiten. Weiterhin dient es der Unterstützung der Erreichung der strategischen Ziele durch optimale Nutzung der sich bietenden Chancen. Risikoziele und Risikostrategien müssen aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Risikomanagement ist damit Aufgabe der obersten Führungsebene. Sie ist verantwortlich für die Risikopolitik und das Funktionieren des Risikomanagementsystems, dessen Komponenten in Abbildung 2.10 dargestellt sind. Der Risikomanagementprozess besteht aus den Elementen Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewertung und Risikosteuerung. Vor dem Hintergrund der gewählten Risikostrategie ist abzuschätzen, welche Risiken existieren und welche Auswirkungen sie für das Unternehmen haben können. Die Risikoidentifikation setzt an der von der Unternehmensleitung vorgegebenen Strategie an. Sie stellt darauf ab, unternehmensweit bestandsgefährdende Risiken zu entdecken. Den Abschluss der Arbeiten dieser Phase bildet die Aufstellung eines zentralen Risikokatalogs, der unter Verwendung von Checklisten weiter detailliert werden kann. Für jedes Risiko sind Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungsszenarien zu quantifizieren. Hilfreich kann es sein, Bedrohungen hierarchisch zu strukturieren und eine Einteilung nach Risikokategorien, Risikogruppen und Risiken vorzunehmen. Für die Risikoanalyse bietet sich der Einsatz eines Risikoportfolios an. In diesem werden Risikoquadranten als Bereiche mit einem bestimmten Wahrscheinlichkeits-/Schadenshöhe-Profil angelegt, in dem die Risiken positioniert werden. Für jeden Quadranten lassen sich dann Handlungsempfehlungen ableiten. Geringe Risiken, die vom Unternehmen selbst getragen werden können, lösen keine Aktivitäten aus. Hohe Risiken erfordern die Einleitung von Maßnahmen, wie z.B. zur Wechselkurssicherung, deren Ausprägungen von den benötigten Ressourcen bzw. deren Kosten, der Projektlaufzeit, den Verantwortlichkeiten und den abzusichernden Risiken abhängen. Die Risikoüberwachung hat die Aufgabe, zu überprüfen, ob die Maßnahmen zur Risikobehandlung Wirkung zeigen. Zu diesem Zweck müssen, wie im Performance Management üblich, Indikatoren und Schwellwerte definiert und stetig kontrolliert werden. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 97 Vom Messen zum Steuern Risikomanagementsystem Internes Überwachungssystem Organisator. Sicherungsmaßnahmen Interne Revision Frühwarnsystem Externe Beobachtungen Kontrollen Controlling Planung Steuerung Informationsversorgung Abbildung 2.10 Komponenten eines Risikomanagementsystems1 Nach dem Motto: »Gefahr erkannt, Gefahr gebannt« muss über die Risiken unternehmensweit kommuniziert werden. Dabei ist zu dokumentieren, dass Informationen in nachweisbarer Form den relevanten Adressaten zugeleitet werden. In welchen Zeitabständen über Veränderungen einzelner Risiken zu berichten ist, hängt von der Art des Risikos und seiner Bedeutung für das Unternehmen ab. Treten plötzlich neue Risiken auf, die erhebliche Auswirkungen auf die Finanz- und Ertragslage haben, müssen Ad-hoc-Meldungen möglich sein. Informationstechnologischer Fortschritt Die Zunahme der Arbeitsgeschwindigkeit und Speicherkapazität der Rechnersysteme erlaubt es mittlerweile, große Datenmengen in betriebswirtschaftlichen Informationssystemen zu halten. Dies ist auch notwendig, da durch die stetig zunehmende Nutzung der Informationstechnologie auch die Menge an elektronisch gespeicherten Daten wächst. Somit treibt auch die Informationstechnologie die Entwicklung und den Einsatz immer performanterer und besserer Ansätze zur Leistungssteuerung. Corporate Performance Manangement-Systeme sind Kulturfolger. Sie benötigen eine IT-Infrastruktur, die Enterprise Resource Planning-Systeme (ERP-Systeme) zur Verfügung stellen. Man kann davon ausgehen, dass in absehbarer Zukunft weltweit mindestens noch 90 Mio. Unternehmen ERP-Systeme implementieren werden. Das lässt erahnen, wie sich die Nachfrage für CPMSysteme entwickeln wird. Problemlos werden bereits heute geschäftsprozessrelevante Daten aus ERP-Systemen aber auch aus Customer Relationship Managementsystemen und Shopfloorsystemen extrahiert und dienen als Rohstoff für BI-Anwendungen. 1 Quelle: Dörner (2000), S. 80 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 98 Kapitel 2: Corporate Performance Management BI-Systeme, die heute bereits vielfach den Charakter von Add-Ons der ERP-Systeme haben, werden dauerhaft in diese integriert und damit zu einem Allgemeingut werden. Hierfür sprechen die Übernahmen großer BI-Anbieter durch ERP-Spezialisten. Das darf auch nicht verwundern, denn die klassischen BI-Funktionen Analyse, Reporting, Planung und Simulation sind genau betrachtet nichts anderes als technische Verfahren zur Datentransformation. Betriebswirtschaftliches Wissen wird allerdings nur rudimentär integriert. Die Entscheidungskomponente fehlt völlig. Ein Schritt in die richtige Richtung lässt sich mithilfe des Wissensmanagements beschreiten. Knowledge Management (KM) stellt die Summe der organisatorischen und technischen Maßnahmen zur Gewinnung und Nutzung von Wissen dar. Eingesetzt wird KM, um die in den BISystemen gewonnenen Ergebnisse allen interessierten Mitarbeitern zugänglich zu machen. Dazu werden die Informationen in ein Wissensmanagementsystem importiert und dort durch intelligente Vernetzung semantisch aufgewertet. Um auch ein anwenderfreundliches Abrufen von Inhalten aus der Wissensbasis zu ermöglichen, kann eine Problemlösungskomponente vorgeschaltet werden. Innerhalb dieser sind Ableitungs- und Schlussregeln hinterlegt, über welche ein schnelles und gezieltes Auffinden des gespeicherten Wissens ermöglicht wird. Der Einsatz der technologiegetriebenen BI-Ansätze kann eine Steigerung der Unternehmensleistung nur unterstützen, wenn eine Ausrichtung an den individuellen Rahmenbedingungen des Unternehmens erfolgt. In der Praxis gelingt die Abstimmung zwischen BI-Konzeption und Strategie in der Regel nicht, da sich die Topentscheider nicht mit der, aus ihrer Sicht dem Controlling zuzuordnenden, Materie beschäftigen. Diese Schwachstelle wird bei CPM-Systemen beseitigt, deren Ausgangspunkt die Unternehmensstrategie ist. Deshalb wird nahezu jedes Unternehmen, das BI-Systeme einsetzt, über kurz oder lang den Schritt zum echten Corporate Performance Manangement-System gehen müssen. Instrumente zur Performanceverbesserung Die Steigerung der Unternehmensleistung ist die zentrale Aufgabe des Managements. Treffen die Schätzungen von Marktforschungsinstituten zu, sind bereits heute nahezu alle größeren Unternehmen mit der Einführung von Methoden und Prozessen zur Steuerung der Unternehmensleistung beschäftigt. Die Erfolge sind jedoch alles andere als überragend, wie die oben bereits erwähnte Studie In the dark II – What many boards and executives STILL don’t know about the health of their businesses von Deloitte vermuten lässt. Die deutsche Übersetzung des zentralen Untersuchungsergebnisses der Deloitte-Studie könnte heißen: »Denn sie wissen immer noch nicht, was sie tun!«. Dabei gibt es schon geraume Zeit Ansätze und Methoden zur leistungsorientierten Unternehmenssteuerung. Diese lassen sich in Corporate Performance Management-Instrumente im engeren und weiteren Sinne unterscheiden. Zu den CPM-Instrumenten im weiteren Sinne gehören auch ganzheitliche Ansätze und Verfahren, die an den Steuerungsprozessen ansetzen, um die Performance zu verbessern. Als CPM-Instrumente im engeren Sinne sind die strategieorientierten Verfahren zu bezeichnen (Abbildung 2.11). Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung Strategieorientierung 99 Performance Prism Balanced Scorecard Performance Pyramid Value-Based Performance Management Tableau de Bord Beyond Budgeting Prozessorientierung Six Sigma Total Quality Management Abbildung 2.11 Ausrichtung ausgewählter Instrumente zur Performancesteigerung Bei den weiteren Ausführungen erfolgt eine Konzentration auf die in der Praxis am häufigsten umgesetzten Konzepte. Beispielhaft für die strategieorientierten Ansätze werden die Performance Pyramid, die Balanced Scorecard, das Performance Prism und das Value-Based Budgeting im Detail vorgestellt. Zu den weit verbreiteten prozessorientierten Konzepten zählen das Total Quality Management, Six Sigma und der Beyond Budgeting-Ansatz. Prozessorientierte Instrumente Die Globalisierung des Wettbewerbs bei gleichzeitig gestiegener Angebotstransparenz aufgrund der Verbreitung des Internets hat zu einem zunehmenden Druck auf die Margen geführt. Überdurchschnittliche Renditen erzielen in diesem Umfeld nur Unternehmen, welche die von den Nachfragern gewünschten Produkte zu möglichst geringen Kosten erzeugen und vertreiben können. Notwendig ist deshalb eine ganzheitliche Ausrichtung der Organisation des Unternehmens und seiner Prozesse auf die Kunden. Total Quality Management Der Zusammenhang zwischen gelieferter Qualität und Unternehmenserfolg bereitete in den 1980er Jahren den Weg für das Total Quality Management (TQM). Der grundlegend neue Gedanke des Total Quality Managements war, die Qualität in allen Unternehmensbereichen zu überwachen und zu steuern. Heute versteht man unter TQM einen ganzheitlichen Ansatz zur wirtschaftlichen Ausrichtung sämtlicher Unternehmensaktivitäten auf die Kundenanforderungen. Qualität ist deshalb mehr als die Summe der geforderten Eigenschaften eines Produktes und leitet sich aus den jeweiligen Kundenbedürfnissen ab. Zu deren Erfüllung müssen alle an der Wertschöpfungskette beteiligten Interessensgruppen eingebunden werden (Abbildung 2.12). Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 100 Kapitel 2: Corporate Performance Management Total Quality Management Management Lieferanten Kunden Mitarbeiter Subsysteme Abbildung 2.12 Ganzheitlicher Ansatz von TQM1 Das Total Quality Management hat seine Wurzeln im Qualitätsmanagement, das zunächst auf Verbesserungen im Produktionsprozess abstellte. Deming, dessen Ziel die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch Kostensenkung war, erarbeitete 14 Prinzipien, die ein Qualitätsmanagementsystem beachten soll: 쐍 Das Unternehmensziel soll auf die kontinuierliche Verbesserung des Angebots ausgerichtet sein. 쐍 Die bisherigen Fehler sollen durch einen neuen Denkansatz zur Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität überwunden werden. 쐍 Vollkontrollen sollen zur Erreichung der Qualitätsziele nicht notwendig sein. 쐍 Geschäfte sollen nicht nur auf Basis des niedrigsten Preises gemacht werden. 쐍 Der Prozess zur Fehlersuche, mit dem Ziel der Verbesserung der eingesetzten Systeme, kann durch das so genannte Deming-Rad unterstützt werden, das die Phasen Planen (Plan), Ausführen (Do), Überprüfen (Study) und Handeln (Action) durchläuft. 쐍 Moderne Anlernmethoden sollen geschaffen und Wiederholtraining am Arbeitsplatz durchgeführt werden. 쐍 Moderne Führungsmethoden, die dem Menschen bei der Verrichtung seiner Arbeit helfen, sind zu implementieren. 쐍 Die Angstatmosphäre in den Unternehmen soll beseitigt werden. 쐍 Die Barrieren zwischen einzelnen Bereichen sollen niedergerissen werden. 쐍 Aufrufe, Slogans und Ermahnungen sollen nicht mehr notwendig sein. 1 Quelle: In Anlehnung an Rothlauf (2004), S. 38 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung 101 쐍 Die Festlegung von Leistungsvorgaben soll vermieden werden. 쐍 Jeder hat das Recht, auf seine Arbeit stolz zu sein. 쐍 Ein Ausbildungsprogramm soll angeboten und die Mitarbeiter sollen zur Weiterbildung ermutigt werden. 쐍 Aufgabe der Unternehmensleitung ist die dauerhafte Verbesserung von Produktivität und Qualität. Qualitätsverbesserung in diesem Sinne führt zu einer höheren Produktivität, die sich positiv auf die Kosten auswirkt. Das erlaubt das Setzen wettbewerbsfähiger Preise, wodurch Marktanteile gewonnen und Arbeitsplätze gesichert werden können. Gegenüber der traditionellen Qualitätssicherung bezieht sich Qualität in einem modernen Qualitätsmanagement nicht nur auf Produkte und Dienstleistungen, sondern auch auf die einzelnen Prozesse, die Arbeitsbedingungen und die Umwelt. Maßstab für Qualität ist stets der Grad der Erfüllung der Kundenbedürfnisse. Sämtliche Abläufe, die das Produkt betreffen, sind in den Qualitätsmanagementprozess einzubeziehen. Qualitätsmanagement ist aus dieser Sichtweise heraus keine Funktion mehr, sondern eine Führungsaufgabe, der sämtliche Funktionen des Unternehmens untergeordnet sind. Auf den ganzheitlichen Anspruch weist das Total von Total Quality Management hin. Alle Interessensgruppen, wie Kunden, Mitarbeiter, Zulieferer und Absatzmittler, sind einzubeziehen. Qualitätssicherung muss am Ort der Qualitätsentstehung bzw. an der Quelle möglicher Fehler ansetzen. Somit liegt die Qualitätsverantwortung immer bei den agierenden Personen vor Ort und nicht bei der für das Qualitätswesen zuständigen Fachabteilung. Die Dezentralisierung der Verantwortung für die Performance ist wie beim Beyond Budgeting ein konstituierendes Merkmal. Man unterscheidet im TQM zwischen internen und externen Kunden. Mitarbeiter nehmen in Abhängigkeit von der Situation entweder die Rolle des Kunden oder des Lieferanten ein. Die Motivation der Mitarbeiter ist Voraussetzung für ein funktionierendes Qualitätsmanagement. Das Management hat mit den Mitarbeitern über Qualität zu kommunizieren und seine Vorbildfunktion auszufüllen. Qualitätsdenken muss gefördert und belohnt werden, damit der kontinuierliche Verbesserungsprozess stetig voranschreitet. Die regelmäßige Erhebung der Mitarbeiterzufriedenheit und die Analyse der Fluktuationsrate geben Hinweise auf die Führungsqualität. Weitere kritische Erfolgsfaktoren des Total Quality Managements sind Kundennähe, Kontinuität in der Zusammenarbeit mit Lieferanten, Flexibilität sowie Prozess- und Ergebnisorientierung. Zur Steigerung des Qualitätsbewusstseins wird seit 1987 in den USA der Malcolm Baldrige National Quality Award vergeben. Im darauf folgenden Jahr gründeten 14 führende europäische Unternehmen die European Foundation for Quality Management (EFQM) mit dem Ziel, das Bewusstsein für umfassende Qualitätsmanagementkonzepte zu fördern und Unternehmen bei der TQM-Implementierung zu unterstützen. 1992 wurde der European Quality Award, der 2006 in EFQM Excellence Award umbenannt wurde, erstmals an europäische Unternehmen verliehen. Der deutsche Preis auf Basis des EFQM-Modells für Excellence trägt den Namen LudwigErhard-Preis (LEP). Das EFQM-Modell für Excellence gewährt eine ganzheitliche Betrachtung von Organisationen. Es berücksichtigt neun Kriterien und die zahlreichen Vorgehensweisen, mit denen nachhaltige Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 102 Kapitel 2: Corporate Performance Management Qualität zu erzielen ist. Man unterteilt in die Gruppe der Befähiger bzw. Potenzialfaktoren und in die Gruppe der Ergebnisse (Abbildung 2.13). Die Ergebnisse können den Befähigern zugeordnet werden, wodurch diese in der Folge verbessert werden können. Ergebnisse Befähiger Mitarbeiterbezogene Ergebnisse Mitarbeiter Führung Politik und Strategie Partnerschaften und Ressourcen Prozesse Kundenbezogene Ergebnisse Schlüsselergebnisse Gesellsch.bezogene Ergebnisse Innovation und Lernen Abbildung 2.13 Das EFQM-Modell Trotz der Berücksichtigung von Frühindikatoren dominiert beim Total Quality Management die Ex-post-Betrachtung von Finanzkennzahlen. Der Fokus liegt auf der Verbesserung der operativen Prozesse. Die Unterstützung der Umsetzung der Unternehmensstrategie ist deshalb über die Ansteuerung des Ziels der kontinuierlichen Verbesserung hinaus nur in begrenztem Maße gegeben. Six Sigma Six Sigma ist eine Methode zur kontinuierlichen Optimierung der Leistungsprozesse und zur Verbesserung der Produktqualität. Ausgangspunkt von Six Sigma ist der Kundenwunsch. Prozesse und Produkte werden aus Sicht des Nachfragers betrachtet und entsprechend seiner Anforderungen überarbeitet. Das Six steht für einen hohen Sigmawert und damit für das Streben nach dem Null-Fehler-Ziel. Denn der griechische Buchstabe Sigma bezeichnet in der Statistik die Standardabweichung, d.h. die Streuung um den Lageparameter, z.B. ein Mittelwert. Bei einem Sigma von 6 beträgt die Wahrscheinlichkeit für Fehlerfreiheit 99,99966 %, d.h. es treten nur 3,4 Fehler auf 1 Million Fehlermöglichkeiten auf. Die bekanntesten Methoden zur Steigerung der Effizienz und Effektivität von Leistungsprozessen sind neben Six Sigma Lean Management und Kaizen. Der aus dem Japanischen stammende Lean Management-Ansatz zielt auf schlanke Prozesse und Managementstrukturen in den Unternehmen. Alle Aktivitäten werden deshalb auf wertschöpfende und nicht-wertschöpfende Anteile Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung 103 untersucht. Ziel ist die Reduzierung der nicht wertschöpfenden Anteile und somit die Vermeidung von Verschwendung. Dies lässt sich beispielsweise durch Automatisierung, Eliminierung von Aktivitäten oder Reduzierung der Zahl der Prozessteilnehmer oder der Komplexität erreichen. Ein wichtiges Werkzeug für das Lean Management ist die Value Stream Map, in der die betrachteten Prozesse abgebildet und Aussagen zu deren Wertschöpfung getroffen werden. Kaizen stammt ebenfalls aus Japan und bedeutet übersetzt »Veränderung zum Besseren«. In Deutschland spricht man in diesem Zusammenhang auch häufig vom kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Im Mittelpunkt stehen bei Kaizen die Fähigkeiten und Tätigkeiten der Mitarbeiter. Man versucht, eine Arbeitskultur zu etablieren, die dazu führen soll, keine Fehler zu machen, weiterzugeben und anzunehmen. Es müssen Rollen, Gremien und Methoden zur Fehlererkennung und gemeinsamen Behebung implementiert werden. Weiterhin werden Leitlinien in die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter integriert und Mitarbeiter in moderierten Gruppen organisiert. Die Leitlinien beinhalten Aspekte, wie z.B. Ordnung am Arbeitsplatz, Einhaltung von Abmachungen und die Suche nach Verschwendung. Six Sigma ist eine auf statistischen Verfahren basierende Methode zur Optimierung von Prozessen oder Produkten, die auf die profitable Erfüllung der Kundenbedürfnisse abzielt. Die ersten Ansätze wurden in den 1970er Jahren im japanischen Schiffbau entwickelt. Mitte der 1980er Jahre griff Motorola den Grundgedanken auf und entwickelte ihn unter dem Begriff Six Sigma zu einem stringenten Modell weiter. Aber erst mit dem konzernweiten Einsatz bei General Electric erlangte Six Sigma weltweite Bekanntheit. Die von dessen damaligen CEO Jack Welch genannten Einsparungen befanden sich im Milliardenbereich und überstiegen die Kosten für Training, Projektdurchführung und Six Sigma-Organisation bis zum Sechsfachen. In Deutschland wird Six Sigma heute von über 350 Unternehmen eingesetzt. Allein zwischen 2002 und 2004 hat sich die Zahl der deutschen Anwenderunternehmen verdoppelt. Six Sigma integriert die Grundgedanken der beiden anderen Ansätze. Wie bei Kaizen trachtet man danach, in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess die Fehlerrate zu verringern. Es sollen gleichzeitig die Produktqualität, die Kundenzufriedenheit und die finanziellen Ergebnisse gesteigert werden. Ziel ist die Befriedigung der Kundenbedürfnisse unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, d.h. keine Qualitätsverbesserung um jeden Preis. Die geringe Fehlerwahrscheinlichkeit relativiert sich etwas, wenn man sich vorstellt, dass bei einem Sigma von sechs bei jeder 295.000sten Flugbewegung auf einem Großflughafen eine Katastrophe passieren könnte. Als Passagier begrüßt man vor diesem Hintergrund das Streben nach null Fehlern. Für die meisten Branchen ist eine Fehlerwahrscheinlichkeit im genannten Bereich allerdings völlig ausreichend. Bei Six Sigma wird der Geschäftsprozess als mathematische Funktion Y = f(x1, x2, x3, ... , xn) betrachtet. Y ist das von den unabhängigen Inputfaktoren (x1, ..., xn) abhängige Prozessergebnis. Ziel ist es, die Variablen zu identifizieren, die einen besonders starken Einfluss auf den gewünschten Output haben. Durch verbesserte Geschäftsprozesse lassen sich die Kosten senken und die Qualität erhöhen, was beides zu einer Steigerung der Rentabilität führt. Zur Ermittlung der hierfür notwendigen Investitionen leistet die Prozesskostenrechnung einen wertvollen Beitrag. Mit ihrer Hilfe gelingt Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 104 Kapitel 2: Corporate Performance Management es, nicht unbedingt notwendige Transaktionen zu reduzieren und die notwendigen effizienter zu gestalten. In der Praxis wird oft ein Zielwert oder -korridor festgelegt, der mit einer vorgegebenen Sicherheit zu erreichen ist. Beispielsweise müssen 98 % der Teilelieferungen innerhalb von fünf Tagen vom Zulieferer ausgeführt werden können. Oder ein Automobilzulieferer bestellt zur Fertigung von Autotüren Bleche, die 30 Tage nach der Bestellung zur Verfügung stehen müssen. Eine Lieferung nicht früher als 20 Tage und nicht später als 40 Tage ist für ihn noch akzeptabel, da er über ausreichende Lagerflächen und Vorräte verfügt. Die Spezifikationslimits des Kunden entsprechen dann bei einer gewünschten 95prozentigen Wahrscheinlichkeit einer Standardabweichung von –2 als unterer (Lower Specification Limit – UCL: 20) und +2 als oberer Grenze (Upper Specification Limit – UCL: 40). In Abhängigkeit vom Neuigkeitsgrad der Prozesse bieten sich unterschiedliche Vorgehensweisen bzw. Phasenmodelle an. Die Methode DMADV (Define, Measure, Analyze, Design, Verify) bzw. DFSS (Design for Six Sigma) setzt man für die Erzeugung von neuen Prozessen ein. Die Methode DMAIC nutzt man zur Reduzierung von Fehlerraten bei existierenden Prozessen oder Produkten. Das Kürzel DMAIC ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben der fünf Schritte Define (Festlegen), Measure (Messen), Analyze (Auswerten), Improve (Verbessern) und Control (Steuern) des klassischen Six Sigma-Phasenmodells (Abbildung 2.14). Jeder Phasenwechsel wird durch einen Schlagbaum (Tollgate), d.h. einen Meilenstein zwischen zwei Six Sigma-Phasen, symbolisiert. An dieser Schnittstelle ist anhand einer Kriterienliste zu überprüfen, ob alle erforderlichen Aktivitäten mit der gebotenen Sorgsamkeit durchlaufen wurden. Was ist das Problem? D(1) Erhebung der Kundenanforderungen (VOC und CTQ) D(2) Definition der Projektziele (Project Proposal) D(3) Aktuellen Prozess dokumentieren (SIPOC) Definieren Wie wird die Lösung umgesetzt C(13) Prozesssteuerungsplan entwickeln C(14) Umsetzung der Lösung planen C(15) Projektabschluss Was ist die Lösung? Wie groß ist das Problem? Steuern Verbessern I(10) Lösungen finden I(11) Lösungen verfeinern und testen I(12) Lösungen bewerten Messen M(4) Kundenanforderungen vervollständigen M(5) Datenerfassungsplan entwickeln M(6) Prozessleistung berechnen Welches sind die Ursachen? Auswerten A(7) Daten und Prozess analysieren A(8) Ursachen analysieren A(9) Verbesserungsmöglichkeiten qualifizieren Abbildung 2.14 Der DMAIC-Prozess1 In der Definitionsphase wird das Projekt gestartet. Die Ausgangssituation, die Problembeschreibung, die Projektziele, das geplante Team und die Zeitplanung werden im Projektantrag (Project 1 Quelle: In Anlehnung an Lunau (2006), S. 11 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung 105 Proposal) festgehalten. Anschließend werden die Stimme des Kunden (Voice of the Customer – VoC) erhoben und der Prozess auf der obersten Ebene dokumentiert sowie die Prozessgrenzen festgelegt. Unter Voice of the Customer versteht man eine Sammlung von Kundenaussagen zur Qualität der angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Abschließend sind noch die Qualitätskernanforderungen aus Sicht des Kunden, so genannte CTQs (Critical To Quality), an den Prozess oder das Produkt zu ermitteln. In der Messphase werden die CTQs weiter heruntergebrochen und die jeweiligen Ergebnismesskriterien festgelegt. Es wird genau definiert, was ein Fehler ist bzw. wie die Spezifikationsgrenzen des Kunden aussehen. Danach wird ein Datenerfassungsplan erstellt, der die Segmentierungsfaktoren, die zu erhebenden Datenarten sowie Datenerfassungsformulare enthält. In diesem Zusammenhang ist auch die Wiederholbarkeit der Messung durch eine Person mit gleichbleibenden Ergebnissen und die Reproduzierbarkeit, d.h. die Wiederholung der Messung durch verschiedene Personen mit gleichbleibenden Ergebnissen, sicherzustellen. Eine Messsystemanalyse zeigt, ob Varianzen in den Messergebnissen durch das Messsystem verursacht werden. Anschließend werden das Stichprobenauswahlverfahren und die Erhebungsfrequenz festgelegt. Nach Abschluss der Messung werden die Lagemaße, z.B. das arithmetische Mittel oder der Median, und die Streuung der Werte um das Lagemaß, d.h. die Varianz und die Standardabweichung, ermittelt. Der errechnete Sigmawert als Maß für die Prozessleistung ist der Ausgangswert für das Six Sigma-Projekt. In der Auswertungsphase werden iterativ und abwechselnd die Daten und der Prozess analysiert. Ursachen für Auffälligkeiten im Prozess werden in den Daten gesucht und umgekehrt. Die auf diese Weise gewonnenen Detailinformationen werden dokumentiert. Zur Analyse nutzt man statistische Programme oder die Funktionalität der SQL Server Analysis Services. Dazu werden die Daten anhand von Segmentierungskriterien, wie z.B. Land, Region, Filiale, Abteilung, Monat, Wochentag, Tageszeit, Strecke oder Marktsegment, in Gruppen unterteilt und die zentralen Tendenzen dieser Gruppen verglichen. Die Prozessanalyse erfolgt mit klassischen Prozessanalysemitteln, wie z.B. Personaleinsatzaufstellungen. Aus der Vielzahl der Einflussfaktoren müssen nun die für das Prozessergebnis wirklich relevanten Faktoren, die so genannten vital few x, herausgefiltert werden. Hierzu nutzt man Werkzeuge, wie z.B. Ursache/Wirkungs-Diagramme (Fishbone), 5-Whys, Kontroll-Einfluss-Matrizen und Pareto-Diagramme. Die Verifizierung der identifizierten Grundursachen bzw. Einflussfaktoren erfolgt mithilfe von Hypothesentests. Mit Korrelations- und Regressionsanalysen werden anschließend Stärke und Art der Beziehungen zwischen den Faktoren bestimmt. Zur Quantifizierung von Verbesserungspotenzialen wird der potenzielle Ertrag des Verbesserungsprojektes überprüft. Dieser unterteilt sich in den Nettonutzen (Net Benefit) und in schwer zu quantifizierende Nutzen (Soft Benefit). Der Nettonutzen ist der in Geldeinheiten messbare Erfolg von Six Sigma-Projekten, wie z.B. Kosteneinsparungen durch Reduktion von Ausschuss oder Durchlaufzeiten, oder Steigerung der Kapazität, der Soft Benefit besteht aus den immateriellen Erträgen, wie z.B. der Verbesserung der Kundenzufriedenheit oder des Firmenimages. In der folgenden Verbesserungsphase sind Lösungen herauszufiltern, die unter Berücksichtigung des benötigten Aufwands am meisten zur Zielerreichung beitragen. Unter Einsatz von Kreativitätstechniken, wie der Bildung von Analogien oder Antilösungen, werden Lösungspfade Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 106 Kapitel 2: Corporate Performance Management (Sollprozesse) identifiziert. Die beispielsweise mit kriterienbasierten Matrizen ausgewählte Lösung wird getestet und mittels Modellierung und Simulation verfeinert. Die Simulation erlaubt Vorhersagen über den Prozessverlauf unter definierten Bedingungen. Zur Bewertung der Auswirkungen von Änderungen an bestehenden Abläufen wird die aus dem Qualitätsmanagement stammende Failure Mode and Effects Analysis (FMEA) verwendet. Dieses Verfahren nutzt Kennzahlen zur Bewertung von Schwere, Häufigkeit und Nachweisbarkeit von möglichen Fehlern. Das Produkt der Kennzahlen ergibt die Risikoprioritätszahl (RPZ). Es wird untersucht, ob sich die RPZ nach einer Prozessänderung erhöht oder verringert hat. Reduziert sie sich, so werden die vorgeschlagenen Änderungen weiter verfolgt. Nach Überprüfung ihrer Praxistauglichkeit werden das Kosten/Nutzen-Verhältnis der Lösung erneut bewertet und die zu Beginn des Projektes getroffenen Annahmen überprüft. Ein Erfolg liegt dann vor, wenn der Ertrag des Projektes die Kosten übersteigt. Die Steuerungsphase hat die Sicherstellung von Nachhaltigkeit zum übergeordneten Ziel. Zu Beginn wird ein Prozesssteuerungsplan erstellt, der den neuen Sollprozess vollständig dokumentiert und Kennzahlen für die Überwachung des Prozesses liefert. Für die Kennzahlenkontrolle werden verschiedene Formen von Qualitätsregelkarten (Control Charts) verwendet. Je nach Art der Regelkarte werden Warn- bzw. Eingriffsgrenzen festgelegt. Bei Grenzüberschreitungen legt ein Reaktionsplan fest, was zu tun ist. Im Reaktionsplan sind die auftretenden Symptome, die verantwortlichen und handelnden Personen sowie die einzuleitenden Maßnahmen dokumentiert. Ein einfaches Beispiel ist das Wechseln des Betriebsöls einer Produktionsmaschine durch den Maschinenführer. Diese handlungsinduzierende Wenn-Dann-Abfolge ist typisch für echte Performance Management-Systeme und unterscheidet sie von Business Intelligence-Systemen. Zur Vorbereitung der Implementierung einer Lösung werden Implementierungspläne erarbeitet, Kommunikationspläne erstellt und Ressourcenpläne abgestimmt. Danach beginnt die Auslieferung, und die neuen Sollprozesse oder Produkte werden im Unternehmen eingeführt. Zum Abschluss der Steuerungsphase werden das Ergebnis und die Erfahrungen dokumentiert und an den Prozess- bzw. Produkteigner übergeben. Zur Durchführung von Six Sigma-Projekten benötigt man Mitarbeiter unterschiedlicher Ausbildungsgrade und organisatorischer Rollen sowie Gremien zur Entscheidungsfindung. Man unterscheidet die fünf Ausbildungsgrade in Analogie zu asiatischen Kampfsportarten nach der Farbe ihrer Gürtel (Belt). Träger des gelben oder weißen Gürtels durchlaufen eine eintägige Schulung, um mit der Six Sigma-Methodik vertraut gemacht zu werden. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Projektmitarbeiter die gleiche Terminologie verwenden und die grundlegende Vorgehensweise verstanden haben. Die Ausbildung für den grünen Gürtel zielt auf Mitarbeiter, die kleinere Projekte oder Teilprojekte in größeren Initiativen durchführen. Es handelt sich um Teilzeit-Projektleiter, die 20 bis 50 % ihrer Arbeitszeit für Six Sigma-Projekte verwenden. Die Schulung dauert je nach Anwenderunternehmen bzw. Ausbildungskonzept zwischen drei und fünf Tagen. Hier wird der DMAICPhasenzyklus gelehrt und mit Fallbeispielen eingeübt. Weiterhin soll ein Grundverständnis für die statistischen Methoden, die eingesetzten Werkzeuge und das Veränderungsmanagement vermittelt werden. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung 107 Der Träger des schwarzen Gürtels, der meist bereichsübergreifende Projekte in Vollzeit leitet, durchläuft eine vierwöchige Ausbildung, die in der Regel in Blöcke unterteilt wird, zwischen denen die Inhalte nachgearbeitet werden können. Zwei Wochen lang wird das DMAIC-Phasenmodell gelehrt und anhand von Fallbeispielen angewendet, eine Woche werden die Kenntnisse in Statistik erweitert und eine Woche wird der Auszubildende mit Prinzipien des organisatorischen Change Managements vertraut gemacht. Da ohne ausreichende Akzeptanz der Änderungen durch die Mitarbeiter ein Six Sigma-Projekt nicht erfolgreich sein kann und der Inhaber eines schwarzen Gürtels keine Basisschulung absolviert haben muss, wird dem Veränderungsmanagement besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Black Belt-Träger hat auch die Aufgabe, sein Wissen weiterzuvermitteln und Six Sigma-Novizen auszubilden. Nach mehrjährigem erfolgreichen Einsatz in Projekten mit strategischer Bedeutung für das Unternehmen kann sich der Träger eines schwarzen Gürtels zum so genannten Master Black Belt entwickeln. Es kann in einem Unternehmen mehrere dieser Vollzeittrainer geben. Zu ihrer Rolle gehört es, weitere schwarze Gürtelträger auszubilden. Der Master Black Belt wird zu einem Qualitätsführer, wenn er Verantwortung für die Einführung und Durchführung von Six Sigma im gesamten Unternehmen trägt. Er definiert die Strategie für Maßnahmen der Qualitätssicherung und leitet die strategischen Gremien in der Six Sigma-Organisation. Er sollte über Akzeptanz und den direkten Zugang zur Geschäftsführung verfügen. Idealerweise wird derjenige zum Quality Leader, der über die meisten Six Sigma-Erfahrungen verfügt, die besten kommunikativen Fähigkeiten besitzt und die höchste Akzeptanz bei der Geschäftsführung oder dem Vorstand hat. Neben den Ausbildungsgraden gibt es noch die Rolle des Champions bzw. Sponsors in der Six Sigma-Organisation. Er ist der Initiator bzw. Auftraggeber eines Six Sigma-Projektes und in der Regel der größte Interessent an den Projektergebnissen. Er ist üblicherweise ein Mitglied der Unternehmensleitung oder zumindest Bereichsleiter und kann die Mittel für das Projekt zur Verfügung stellen. Er absolviert eine ein- bis zweitägige Ausbildung zur Einarbeitung in die Six Sigma-Methode. In einer Six Sigma-Organisation gibt es verschiedene Gremien zur Steuerung der Six SigmaAktivitäten und der Überwachung von Six Sigma-Projekten. Das höchste Gremium wird meist als Qualitätsrat für das Unternehmen (Business Quality Council) bezeichnet. Dieses ständige Gremium besteht aus Vertretern der Unternehmensleitung und dem Qualitätsführer. In diesem Rat erfolgen die Abstimmung und Planung von Budgets und strategischen Zielen. Ebenso finden hier die Freigabe, Überwachung und Priorisierung von wichtigen Six Sigma-Projekten statt. Der Six Sigma Rat (Six Sigma Council) hat hingegen die methodische Überwachung der Projekte und die Abnahme der Meilensteine für jeden Phasenwechsel zur Aufgabe. Teilnehmer sind erfahrene Master Black Belts und Black Belts sowie die Projektleiter. Jedes Projekt wird am Schluss durch dieses Gremium abgenommen. Das im Rahmen von Six Sigma-Projekten erlangte Wissen und die gesammelten Erfahrungen über die Optimierung von Prozessen und Produkten zählen zum intellektuellen Kapital eines Unternehmens. Mit zunehmender Erfahrung und wachsendem Wissen verbessert sich deshalb nicht nur die Rentabilität, sondern es erhöht sich auch der Unternehmenswert. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 108 Kapitel 2: Corporate Performance Management Beyond Budgeting Der Beyond Budgeting-Ansatz wurde erstmals Ende der 1990er von der internationalen Forschungsgruppe Beyond Budgeting Round Table (BBRT), einer Initiative des Consortium for Advanced Manufacturing International, beschrieben. Er ist auf der Grenze zwischen prozessund strategieorientierten CPM-Instrumenten anzusiedeln. Ausgangspunkt der Entwicklung einer Unternehmenssteuerung jenseits der Budgetierung des Beyond Budgeting-Ansatzes war die Kritik an den budgetbasierten Steuerungsprozessen. Entwickelt wurde die Budgetierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da seitdem kaum eine Anpassung an die stetig wachsende Komplexität und Dynamik der Unternehmensumwelt stattgefunden hat, fließen Erfolgsfaktoren, wie z.B. die Kundenzufriedenheit, gewöhnlich nicht in die Budgetplanung ein. Eine strategiegeleitete Maßnahmensteuerung ist ebenfalls kaum möglich. Wesentliche Defizite der klassischen Budgetierung sind weiterhin der erhebliche Zeitaufwand und die damit verbundenen Kosten ihrer Entwicklung sowie die Förderung eines auf kurzfristigen, allein auf die Budgeteinhaltung gerichteten Denkens. Die Folgen dieses Strebens, das man häufig im öffentlichen Dienst feststellen kann, sind einerseits die Verschiebung von dringend notwendigen Investitionen in Folgeperioden zur Vermeidung von Budgetüberschreitungen, was oftmals aufgrund der zwischenzeitlichen Notreparaturen insgesamt teurer als der sofortige Austausch kommt, und andererseits das ohne drängenden Grund vorgenommene Aufbrauchen von Mitteln zum Jahresende zur Vermeidung von Budgetkürzungen für das nächste Jahr. In Beyond Budgeting-Unternehmen gibt es deshalb keinen jährlichen Budgetierungsprozess. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Budgets gibt. Ein großer Schwachpunkt in Unternehmen mit zentraler Budgetierung ist, dass den Mitarbeitern vor Ort nicht genügend Kompetenzen übertragen werden. Dadurch können sie nicht schnell genug auf Veränderungen der Marktsituation reagieren. Genau hier setzt der Beyond Budgeting-Ansatz an. Er belässt die Verantwortung für die Performance auf der operativen Ebene. Die Macht wird vom zentralen Management an das Management vor Ort verlagert. Dies stärkt zum einen das Urteilsvermögen und fördert die Eigeninitiative, zum anderen steigert es die Motivation und die Einsatzbereitschaft. In Fallstudien, z.B. bei den Svenska Handelsbanken, konnte die Vorteilhaftigkeit der Dezentralisierung, die u.a. die Flexibilität in der Unternehmenssteuerung erhöht, eindrucksvoll nachgewiesen werden. Kennzeichnend für den Beyond Budgeting-Ansatz, dessen Merkmale im Vergleich zur klassischen Budgetierung in Abbildung 2.15 dargestellt sind, ist weiterhin, dass es keine festen, von oben vorgegebenen Ziele gibt. In Beyond Budgeting-Unternehmen wählen Mitarbeiter und Teams ihre Ziele selbst aus und bestimmen auch die internen oder externen Benchmarks. An Stelle jährlich verhandelter Pläne treten relative Leistungsverträge. Die dahinter stehende Überlegung ist, dass sich Mitarbeiter umso intensiver mit Ausweichstrategien und der Manipulation der Planung und Zielerreichung beschäftigen, je mehr sie gehalten sind, über Ziele und fixierte Zielniveaus nachzudenken. Durch die Delegation der Verantwortung reduziert sich die Aufgabe der Unternehmensleitung auf die Schaffung eines Handlungsklimas, bei dem sich die Mitarbeiter zur kontinuierlichen Leistungsverbesserung verpflichten. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 109 Instrumente zur Performanceverbesserung Beyond Budgeting Budgeting zentralisiert dezentralisiert Dezentralisierung anpassungsfähig inflexibel Vision Relative Ziele Strategischer Plan Jährliches Budget Auf der Spur halten Kontrolle (vs. Budget) Dezentrale Autonomie Adaptive Managementprozesse Vergütung (vs. Budget) Kultur: Feilschen, Anpassung, Kontrolle Werte: Misstrauen und Untertänigkeit Ereignisgetrieben Feedback & Lernen Interner Markt Relative Vergütung Kultur: Verantwortlichkeit, Unternehmertum, organisatorisches Lernen Werte: Vertrauen und Integrität Abbildung 2.15 Budgeting vs. Beyond Budgeting1 Aus der empirischen Arbeit leitete der Beyond Budgeting Roundtable zwölf Gestaltungskriterien für die Unternehmensführung ohne Budgets ab; je sechs Prinzipien für eine dezentralisierte Führung und Organisation, und für die Gestaltung dynamischer Steuerungsprozesse. Die nachfolgend dargestellten Prinzipien 1 bis 6 beziehen sich auf den flexiblen, adaptiven Managementprozess, der ein markt- und kundenorientiertes Handeln sowie die kontinuierliche Anpassung an sich verändernde Kundenanforderungen und Umfeldbedingungen erlaubt, die Prinzipien 7 bis 12 beziehen sich auf die Dezentralisierung: 1. Zieldefinition Es werden keine fixen, sondern relative Ziele in Form von Key Performance Indicators gesetzt, welche von der Leistungsbeurteilung und der Vergütung unabhängig sind. Die Festlegung dieser Ziele erfolgt in Relation zu externen oder internen Benchmarks. 2. Motivation und Vergütung Die Leistungsbewertung und Vergütung ist erst im Nachhinein vorzunehmen. Hierbei gilt es, entsprechende Anreize für den relativen Erfolg des ganzen Teams zu schaffen. 3. Strategieprozess Die Übertragung der Strategie an die Teams der einzelnen Geschäftseinheiten setzt den Fokus auf eine kontinuierliche Wertsteigerung und macht damit die Strategie- und Maßnahmenplanung zu einem kontinuierlichen Prozess. 4. Ressourcenmanagement Der direkte Zugang zu Ressourcen innerhalb eines zuvor festgelegten Handlungsspielraums garantiert eine bedarfsgerechte, über KPIs gesteuerte Verwen1 Quelle: In Anlehnung an Pfläging (2003), S. 93 und S. 178 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 110 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Kapitel 2: Corporate Performance Management dung sowie die Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit und die Verminderung des Ausschusses. Koordination Die Koordination erfolgt dynamisch, um kundenspezifische Lösungen anbieten zu können und die Möglichkeit zu haben, Kapazitäten in »Echtzeit« zur Verfügung zu stellen. Leistungsmessung und Kontrolle Als Basis der Kontrolle dienen relative KPIs und ein effektives Steuerungssystem. Unterstützt wird dieses durch die Verwendung von Trendanalysen, rollierenden Forecasts oder dem KPI-Vergleich mit Benchmarks. Voraussetzung hierfür ist die zeitnahe Bereitstellung der Ist-Daten. Steuerungsrahmen Rahmenregelungen zur dezentralen Steuerung werden geschaffen. Diese basieren auf eindeutigen Richtlinien und Grenzen. Führung erfolgt durch Coaching und Unterstützung, um die Mitarbeiter auf gemeinsame Ziele und Werte einzuschwören. Hochleistungsklima Auf Basis relativer Leistungsmessung wird der Ehrgeiz zur Schaffung eines Hochleistungsklimas gefördert. Dabei ist jedoch auf ein Gleichgewicht zwischen internem Wettbewerb und Zusammenarbeit zu achten. Dies führt zu langfristigem Wettbewerbserfolg. Entscheidungsfreiheit Den Mitarbeitern wird die Freiheit gegeben, dezentrale Entscheidungen zu treffen sowie Strategien festzulegen. Diese müssen jedoch mit den Zielen und Grundsätzen des Unternehmens übereinstimmen. Verantwortlichkeit der Teams Die Verantwortung wird an kleine, kundenorientierte Teams übertragen. Ziel ist die Schaffung eines Netzwerkes mit einheitlicher Zielsetzung. Verantwortlichkeit für die Kunden Die Kundenverantwortlichkeit liegt einzig bei den kundennahen Teams und durch die dezentrale Entscheidungsfreiheit wird eine individuelle Bearbeitung von Kundenanfragen ermöglicht. Offene und ethische Informationskultur Durch die Schaffung von offenen und transparenten Informationssystemen werden hohe ethische Standards geschaffen. Zudem sorgt die schnelle und offene Bereitstellung von Informationen für »eine Wahrheit« im Unternehmen. Die Prinzipien des Beyond Budgeting müssen nicht sklavisch eingehalten werden. Im Vordergrund steht immer die Flexibilisierung der Planung und Steuerung, um eine effektive Umsetzung der Unternehmensstrategie in situationsbezogener Weise zu gewährleisten. Beyond Budgeting ist ein Steuerungsmodell, welches Bürokratie durch Führung sowie hierarchischzentralistische Aufbauorganisationen durch selbst steuernde Netzwerke ersetzt. Die Steuerung mit relativem Leistungsvertrag entkoppelt die Ziele von der Leistungsbewertung und auch der Vergütung. In einem Steuerungsmodell nach Beyond Budgeting-Prinzipien gibt es keine finanziellen Anreize für die Zielerreichung. Langwierige Verhandlungen über Ziele, Leistung und deren Messung gibt es deshalb nicht. Die Leistungsmessung muss auch nicht mehr angepasst werden, weil beispielsweise ein neuer Wettbewerber in den Markt eingetreten ist. Es genügt völlig, ab und zu einen Key Performance Indicator (KPI) einzuführen oder zu eliminieren. Durch die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf dezentrale Ebenen wird der Verwaltungsaufwand deutlich reduziert und die Kundenorientierung verbessert. Die Erfahrung des BBRT zeigt, dass oft nur noch 10 % der beim traditionellen Soll/Ist-Reporting üblichen Berichte Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung 111 gebraucht werden. Des Weiteren werden viele Möglichkeiten zur Zahlenmanipulation eliminiert, die es im Rahmen der Budgetierung gibt, und damit die Compliance verbessert und die Corporate Governance gestärkt. Obwohl im Vordergrund des Beyond Budgeting-Ansatzes die Verbesserung der operativen Prozesse steht, weist es wesentliche CPM-Elemente auf. So wird die Strategie an die einzelnen Mitarbeiter kommuniziert und deren Einflussmöglichkeiten zur Performanceverbesserung in den Zielvereinbarungen niedergelegt. Die Unternehmenssteuerung erfolgt anhand relativer Key Performance Indicators, die finanzieller ebenso wie nicht-finanzieller Art sind. Und auf Umweltveränderungen kann sofort nach deren Identifikation reagiert werden. Strategieorientierte Instrumente CPM-Instrumente im engeren Sinne müssen einen hohen Strategiebezug aufweisen. Den Ausgangspunkt für die Strategieentwicklung stellen die Ziele der relevanten Stakeholder des Unternehmens dar. Die Operationalisierung der Unternehmensstrategie erfolgt unter Verwendung von Leistungsindikatoren, die in Beziehung zu den kritischen Erfolgsfaktoren des Unternehmens stehen. Ein strategieorientiertes Performance Manangement-System konzentriert sich auf die zentralen Leistungsgrößen, welche die Fortschritte im Hinblick auf die Strategieumsetzung abbilden, d.h. auf die Key Performance Indicators. Diese bilden ein System aus finanziellen und nicht-finanziellen, quantitativen und qualitativen, vergangenheits- und zukunftsorientierten Messgrößen, damit der mehrdimensionale Charakter einer Unternehmensstrategie abgebildet werden kann. Für jede Leistungsebene sind die adäquaten KPIs abzuleiten, eindeutig zu definieren und mit Zielvorgaben zu versehen. Der jeweilige Zielerreichungsgrad fließt in das Leistungsbeurteilungssystem und damit u.U. auch in die Entlohnung der Mitarbeiter ein. Ein früher Vertreter der strategieorientierten CPM-Verfahren ist das zu Beginn der 1960er Jahre von französischen Ingenieuren entwickelte Tableau de Bord. Die Grundidee ist, den Leitern der einzelnen Geschäftseinheiten ein aus deren Zielen abgeleitetes Managementcockpit zur Verfügung zu stellen, das einen Überblick über die in ihrem Bereich erbrachte Leistung gibt. Besonderer Wert wird dabei auf die Erkennung von Erfolgspotenzialen gelegt, weshalb Finanzkennzahlen keine große Bedeutung zukommt. Der frühe Einsatz nicht-finanzieller Kennzahlen erklärt sich daraus, dass in Frankreich auch große Konzerne von Ingenieuren geführt werden. Und diese betrachten Unternehmen als ein dynamisches System und sehen Finanzkennzahlen als KPIs deshalb als wenig hilfreich an. Obwohl das Tableau de Bord vom Konzept her durchaus Parallelen zum Balanced ScorecardAnsatz aufweist, wie Epstein und Manzoni feststellen, fehlt ihm die Akzeptanz in der Unternehmenspraxis außerhalb Frankreichs. Doch selbst in französischen Unternehmen wird es immer seltener eingesetzt. Und wenn, dann vor allem mit kurzfristiger Ausrichtung auf die Ergebniskontrolle und deutlichem Fokus auf Finanzkennzahlen. Der Intellectual Capital-Ansatz beeinflusste insbesondere die Balanced Scorecard. Sein Ausgangspunkt ist die häufig zu beobachtende Diskrepanz zwischen dem in der Bilanz ausgewiesenen Buchwert und dem Börsenkurs bzw. der Marktkapitalisierung von Unternehmen. Die nicht in der Bilanz ausweisbaren Vermögensbestandteile werden als Intangible Assets oder als Intellec- Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 112 Kapitel 2: Corporate Performance Management tual Capital bezeichnet. Es gilt deshalb, die Werttreiber des intellektuellen Kapitals zu identifizieren, zu klassifizieren und mittels geeigneter Indikatoren zu messen. Ziel ist es, den monetären Wert des intellektuellen Kapitals zu steigern. Dazu gehören neben dem Humankapital als Gesamtheit der individuellen Fähigkeiten und des Wissens der Mitarbeiter, das Kunden-, das Prozess- und das Innovationskapital. Das Kundenkapital stellt in diesem Zusammenhang den Barwert der Kundenbeziehungen dar. Dieser wird u.a. durch die Anzahl der Kunden, die Dauer der Zusammenarbeit, d.h. die Kundenloyalität, das Ansehen beim Kunden und die Kundenzufriedenheit bestimmt. Damit schärfte der Intellectual Capital-Ansatz Mitte der 1980er Jahre bereits den Blick für die Bedeutung nicht-monetärer, zukunftsgerichteter KPIs. Das ebenfalls 1986 entwickelte Konzept des Value-Based Managements, das auf dem Shareholder Value-Ansatz von Rappaport basiert, dient der wertorientierten Führung von Organisationen. Primäres Ziel ist die Messung der Performance. Die Weiterentwicklung des Shareholder Value-Modells im Sinne des CPM stellt das Value-Based Performance Management am Ende der 1990er Jahre dar. 1991 bzw. 1992 waren kurz hintereinander die beiden frameworkbasierten Konzepte der Performance Pyramid und der Balanced Scorecard publiziert worden. Im Jahr 2002 folgte der Performance Prism-Ansatz als weiteres strategieorientiertes Konzept im engeren Sinne, gemeinsam mit dem Value-Based Performance Management werden nachfolgend alle aufgrund ihrer Bedeutung für die Praxis vorgestellt. Performance Pyramid Corporate Performance Management ist aus dem Wunsch heraus entstanden, nicht nur auf vergangenheitsbezogene Finanzkennziffern zur Unternehmenssteuerung zurückgreifen zu müssen. In Measure Up – Yardsticks for Continuous Improvement stellten Lynch und Cross 1991 erstmals ihr Konzept der Performance Pyramid zur permanenten Verbesserung der Unternehmensleistung der breiten Öffentlichkeit vor. Der Performance Pyramid-Ansatz unterscheidet sich von den zuvor dominierenden, finanzkennzahlenorientierten, klassischen Performance Measurement-Modellen in zwei zentralen Punkten. Zum einen bezieht er nicht-monetäre Größen bei der Messung des Unternehmenserfolgs und der Steuerung der Strategieumsetzung ein. Und zum anderen erfolgt eine gleichwertige Betrachtung der Kunden- und der Finanzperspektive. Neben den finanziellen Erwartungen der Kapitalgeber und den Anforderungen der Kunden werden die Mitarbeiter als dritte Einflussgruppe berücksichtigt. Dies geschieht allerdings nur indirekt durch die Kombination von Kennzahlen der Kunden- und Finanzperspektive. Später entwickelte CPM-Modelle zeichnen sich, ähnlich wie schon bei den Portfolio-Ansätzen zu beobachten, insbesondere durch eine Zunahme der Komplexität aus. Immer mehr Stakeholdergruppen werden in die Modelle integriert, was ihren Einsatz in der Praxis nicht wirklich erleichtert. Kaplan und Norton verdoppeln im Balanced Scorecard-Ansatz bereits die Zahl der Perspektiven. Beim Performance Prism steigt deren Anzahl noch weiter. Wesentliches Ziel aller CPM-Modelle ist die Unterstützung des Topmanagements bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie. Dafür müssen die Unternehmensziele kommuniziert und für alle Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 113 Instrumente zur Performanceverbesserung Hierarchieebenen und Organisationseinheiten Zielvorgaben erarbeitet werden. Die zeitnahe Bereitstellung der hierfür notwendigen Informationen, sowohl je Leistungsebene als auch hierarchieübergreifend, durch qualitative und quantitative Kennzahlen ist dafür zwingende Voraussetzung. Die Spitze der hierarchisch aufgebauten Pyramide stellt die Unternehmensvision dar (Abbildung 2.16). Diese muss über alle Treppenstufen der Pyramide bzw. Hierarchieebenen kommuniziert werden. Bei der Formulierung von Teilzielen und dem Herunterbrechen der Strategie auf die einzelnen strategischen Geschäftseinheiten ist darauf zu achten, dass jeweils die Markt- und die Finanzperspektive berücksichtigt wird. Auf der nächsten Ebene sind die Vorgaben für die einzelnen Geschäftsbereiche festzulegen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die Kundenzufriedenheit, die Flexibilität sowie die Produktivität. Am schwierigsten ist das Überleiten der Zielkaskade auf die Ebene des einzelnen Arbeitsplatzes. Werden die hierfür definierten Ziele erreicht, muss dies einen, wenn oftmals auch kleinen Beitrag zur Erreichung des Unternehmensziels leisten. Wichtig ist, dass für den einzelnen Mitarbeiter leicht nachvollziehbare und selbst überprüfbare Vorgaben, z.B. die Durchlaufzeit in Minuten oder die Ausschussquote in Prozent, deren Einhaltung mit einem Gehaltsanreiz gekoppelt werden kann, gefunden werden. Die marktbezogenen Messgrößen helfen, die externe Effektivität zu verbessern. Die prozessorientierten KPIs steigern die interne Effizienz und verringern damit die Kosten. Das Problem besteht darin, die Ziele Top-Down herunterzubrechen und die Key Performance Indicators Bottom-Up zu entwickeln. Unternehmensvision Ziele Markt Kundenzufriedenheit Qualität Leistungsindikatoren Finanzen Flexibilität Bereitstellung Geschäftseinheit Produktivität Durchlaufzeit Geschäftsbereich Aktivitäten Abteilung/ ohne WertArbeitsplatz schöpfungsbeitrag Ausführung Externe Effektivität Individuum Interne Effizienz Abbildung 2.16 Die Performance-Pyramide1 1 Quelle: In Anlehnung an Lynch/Cross (1995), S. 65 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 114 Kapitel 2: Corporate Performance Management Die Aufteilung in eine markt- und eine kapitalbezogene Seite dokumentiert die gleichgewichtige Bedeutung von Kunden und Kapitalgebern. Sie stellt den zentralen Unterschied zu den rein auf die Finanzseite fokussierten Kennzahlensystemen, wie beispielsweise dem DuPont-Schema, dar. In Abbildung 2.17 ist beispielhaft dargestellt, wie die Leistungsindikatoren über die Hierarchieebenen miteinander in Beziehung stehen. So geht man beispielsweise davon aus, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der von den Mitarbeitern vor Ort erbrachten Leistung mit der Kundenzufriedenheit gibt und diese sich wiederum positiv auf den Marktanteil auswirkt. Manchmal lässt sich allerdings feststellen, dass Unternehmen kurz vor dem Ausscheiden aus dem Markt durchaus hohe Kundenzufriedenheitswerte aufweisen können, weil dann nur noch die Kunden mit der größten Sympathie für ihren Lieferanten bei diesem kaufen. Durch die Betrachtung der Veränderung des Marktanteils auf der nächst höheren Hierarchieebene würde dies auffallen. Es sei denn, der Markt insgesamt schrumpft. Zur Vermeidung von falschen Steuerungsimpulsen bei der Betrachtung einer einzelnen Leistungsmessgröße müssen je nach Situation weitere KPIs, z.B. das Absatzvolumen, einbezogen werden. Es ist also alles andere als einfach, ein durchgehendes System von Key Performance Indicators zu entwickeln. In der Praxis ist dies regelmäßig ein Haupthindernis bei der Strategieumsetzung. Ebene Geschäftseinheit Geschäftsbereich Abteilung Ebene Geschäftseinheit Geschäftsbereich Abteilung Indikator Marktanteil Kundenzufriedenheitsindex Prozentuale Erfüllung der Spezifikationen Indikator Marktwachstum Reaktionszeit Rechtzeitige Bereitstellung x Ebene Geschäftseinheit Geschäftsbereich Abteilung Indikator Gewinnspannen Gesamtbetriebsproduktivität Ausschussquote x x x Ebene Geschäftseinheit Geschäftsbereich Abteilung Indikator Marktanteil Niedrige Kosten Durchlaufzeit Ebene Geschäftseinheit Geschäftsbereich Abteilung Indikator Gesamtkapitalrentabilität Lagerumschlag Durchlaufzeit x x x x x x x Unternehmensvision Markt Finanzen x x Kundenzufriedenheit Qualität Flexibilität Produktivität Aktivitäten Bereitstellung Durchlaufzeit ohne WertSchöpfungsbeitrag x x x x Abbildung 2.17 Key Performance Indicators nach Hierarchieebenen1 Die Auswahl der einzelnen Messgrößen und die Festlegung der jeweiligen Zielwerte für die einzelnen Hierarchieebenen der Performancepyramide erfordern somit auch ein ausgeprägtes Gespür für den Markt. Entsprechend kann diese Aufgabe nicht dem Controlling überlassen blei- 1 Quelle: In Anlehnung an Lynch/Cross (1995), S. 88 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 115 Instrumente zur Performanceverbesserung ben und muss stattdessen in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Funktionsbereiche erfolgen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Messung des Veränderungsbeitrags der Organisationsteilnehmer zu richten. Zukunftsgerichtete Performance-Indikatoren, wie z.B. die Veränderung des Unternehmensimages oder der Markenwahrnehmung, sind für die Unternehmenssteuerung und das Auslösen strategischer Aktionen wichtiger als Kennziffern, die Leistungen ex-post dokumentieren, wie z.B. der Marktanteil im letzten Quartal. Eine kontinuierliche Verbesserung durch die Kommunikation zeitnaher Informationen ist deshalb einer Betrachtung vergangener Leistungen vorzuziehen. Die Zyklen der Ergebnisüberprüfungen müssen den Bedürfnissen der einzelnen Leistungsebenen angepasst sein. Das kann von der Auswertung der Ausschussquote pro Schicht bis zu einem quartalsweisen Reporting auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheit reichen. Zur Anpassung der Performance-Pyramide an sich ändernde Umweltbedingungen, beispielsweise durch Eintritt eines neuen Wettbewerbers aus China, beinhaltet das Modell vier Regelkreise zum Tuning der Leistungsindikatoren (Abbildung 2.18). Eine Veränderung muss aber nicht zwangsläufig über alle Hierarchieebenen hinweg erfolgen. Der erste Regelkreis aus Vergleichen, Anpassen und Auswerten kann auf der Abteilungsebene, beispielsweise mit dem Ziel, die Qualität zu erhöhen, gebildet werden. Als Antriebselement können dann ausschließlich nicht-monetäre Leistungsmessgrößen genutzt werden. Zunehmende Detaillierung und Berichtshäufigkeit Vision Regelkreis 4 Buchhaltung & Berichtswesen Geschäftseinheiten Regelkreis 3 Leistungsauswertung Zieldefinition Regelkreis 2: Vergleichen, anpassen und auswerten Kernprozesse Umwandlung in operative Größen Umwandlung in finanzielle Größen Regelkreis 1: Vergleichen, anpassen und auswerten Report Ziel Abteilung/ Arbeitsplatz Auswertung Abbildung 2.18 Regelkreise der Performancepyramide1 1 Quelle: In Anlehnung an Lynch/Cross (1995), S. 176 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 116 Kapitel 2: Corporate Performance Management Der zweite Regelkreis stellt die Verbindung zwischen der Abteilungs- und der Geschäftsbereichsebene her. Dazu werden die nicht-monetären KPIs in Finanzkennziffern des internen Rechnungswesens umgewandelt. Die Erhöhung der Qualität könnte zusätzliche Kontrollmaßnahmen bedingen und eine Veränderung der Kostenstruktur zur Folge haben. Ziel des dritten Regelkreises auf der Ebene der Geschäftseinheiten ist die Überprüfung der strategischen Wirkung der Maßnahmen und Ergebnisse der darunter liegenden Ebenen. So kann die Veränderung der Kostenstruktur zur Erhöhung der Qualität zwar zumindest kurzfristig einen negativen Einfluss auf die Finanzen haben, jedoch durch die längere Lebensdauer der Produkte einen langfristig positiven Effekt auf den Absatz und den Marktanteil. Der vierte Regelkreis dient dem Abgleich der Unternehmensvision mit der Strategie. Diese und damit u.U. auch das Geschäftsmodell müssen ebenfalls bei stärkeren Veränderungen in der Unternehmensumwelt angepasst werden. Mithilfe der einzelnen Regelkreise ist es möglich, den unterschiedlichen Planungszyklen der Leistungsebenen gerecht zu werden und eine Verbindung der Strategie mit den Prozessen auf den einzelnen Hierarchieebenen zu gewährleisten. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Performancepyramide die wichtigsten zur Steuerung eines Unternehmens notwendigen KPIs abbildet. Diese können sowohl quantitativer als auch qualitativer Art sein. Der Betrachtungsfokus liegt auf den beiden wesentlichen Stakeholdergruppen, den Kunden und den Kapitalgebern. Dadurch bleibt das Modell übersichtlich und gut handelbar. Dieser Vorteil ist aber gleichzeitig auch der größte Nachteil des Ansatzes. Denn durch die Aufnahme weiterer Stakeholdergruppen, wie beispielsweise Lieferanten oder Mitarbeiter, könnten zusätzliche Performanceeinflussgrößen berücksichtigt werden. Das Unternehmen wäre dadurch u.U. schneller in der Lage, Anpassungen an Umweltveränderungen vorzunehmen. Balanced Scorecard Am häufigsten wird weltweit die Anfang der 1990er Jahre von den Harvard-Professoren Kaplan und Norton entwickelte Balanced Scorecard (BSC), deren gleichnamiger Bestseller Translating Strategy to Action als Untertitel trug, für die Strategieimplementierung verwendet. Als Teil der strategischen Planung geht ihr Nutzen weit über den eines Berichtssystems hinaus. Entstanden ist die Balanced Scorecard am Nolan-Norton Institut unter Mitwirkung von Kaplan aus der Intention heraus, ein Performance Measurementmodell ohne die Defizite der konventionellen Kennzahlensysteme zu entwickeln. Man wollte deshalb einen generalistischen Managementansatz durch die integrierte Betrachtungsweise von Zielgrößen fördern, die Beschränkung auf kurz- oder langfristige Aspekte vermeiden und vor allem die Strategieimplementierung unterstützen. Der BSC-Leitgedanke ist deshalb die Konkretisierung der Unternehmensstrategie durch Zielableitungen, Kennzahlendefinitionen sowie Bereitstellung des Maßnahmenprogramms. Kaplan und Norton strebten nach einem Modell, bei dem im Sinne einer ganzheitlichen Leistungsbeurteilung neben Finanzkennzahlen auch Prozesskennzahlen, wie Durchlaufzeit, Lieferzeit oder Produktqualität, integriert sind. Grund hierfür war die in Praxisprojekten gewonnene Erkenntnis, dass die zu starke Konzentration auf vergangenheitsorientierte Finanzkennzahlen in Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 117 Instrumente zur Performanceverbesserung den meisten Unternehmen die Strategieimplementierung nicht fördert. Denn klassische Berichtssysteme stellen den Entscheidern in der Regel für die Festlegung des künftigen Kurses nur wenig hilfreiche Informationen aus dem internen Rechnungswesen zur Verfügung. Ob und wie die Strategieumsetzung vorankommt, ist damit meist nicht überprüfbar. Ebenso wenig wird dem Unternehmen und seinen Organisationseinheiten eine ganzheitliche Ausrichtung ermöglicht. Häufig wissen die Mitarbeiter nicht, was sie tun müssen, um ihren Erfolgsbeitrag zu leisten. Die Verbindung zwischen den angestrebten Zielen und den zu deren Erreichung notwendigen strategischen Maßnahmen ist für sie nicht zu erkennen. Hier hilft die BSC, indem sie die Strategie konkretisiert und ihre Verfolgung transparent macht (Abbildung 2.19). Die Balanced Scorecard setzt somit an einer Schwachstelle der klassischen ex-post-orientierten Berichtssysteme, der Fokussierung auf Finanzkennzahlen, an. Sie zielt deshalb auf die Zusammenstellung eines ausgewogenen Sets von finanziellen und nicht-finanziellen Messgrößen ab, das es erlaubt, die Zielerreichung zu planen und zu verfolgen. Die BSC unterstützt damit das Management bei der Überführung der Strategie in strategische Aktionen. Für jede von diesen wird ein Verantwortlicher festgelegt, der für die Einhaltung der Termin- und Budgetvorgaben sorgt. Formulierung und Umsetzung von Vision und Strategie • Formulierung der Vision • Konsensfindung Kommunikation und Verbindung • Kommunizierung und Ausbildung • Zielsetzung • Verknüpfung von Leistungskennzahlen mit Anreizen Balanced Scorecard Strategisches Feedback und Lernen • Artikulation der gemeinsamen Vision • Strategisches Feedback • Strategiereviews und strategisches Lernen ermöglichen Planung und Vorgaben • Vorgaben bestimmen • Abstimmung strategischer Maßnahmen • Ressourcenverteilung • Meilensteine festlegen Abbildung 2.19 Die Balanced Scorecard als strategischer Handlungsrahmen1 1 Quelle: Kaplan/Norton (1997), S. 10 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 118 Kapitel 2: Corporate Performance Management Die strategischen Aktionen werden jeweils einer so genannten Perspektive zugeordnet. Aufgrund der Ergebnisse ihrer empirischen Forschung schlagen Kaplan und Norton die gleichgewichtige Berücksichtigung der vier Perspektiven Finanzen, Kunden, Prozesse und Potenziale bei der Ableitung der strategischen Ziele vor. Dieses ausgewogene Zielsystem stellt die Balanced Scorecard (Abbildung 2.20) dar. In der Praxis kann es durchaus sinnvoll sein, weitere Betrachtungsweisen, wie z.B. die Zuliefererperspektive, in die BSC mit aufzunehmen. Ke Zi e le „Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?“ nn z V o ahl rg en ab e M aß n na hm en Finanziell le „In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?“ Ke Vision und Strategie Zi e le nn z V o ah rg len ab e M aß n na hm en Ke Zi e „Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?“ nn z V o ah rg len ab e M aß n na hm en Interne Geschäftsprozesse Kunde nn z V o ah rg len ab e M aß n na hm en Ke Zi e „Wie können wir unsere Veränderungsund Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?“ le Lernen und Entwicklung Abbildung 2.20 Die vier Standardperspektiven der Balanced Scorecard1 Zwischen den einzelnen Perspektiven bestehen Ursache/Wirkung-Beziehungen (Abbildung 2.21). So können die finanziellen Unternehmensziele nur erfüllt werden, wenn die Kunden des Unternehmens zufrieden sind und deshalb dauerhaft kaufen und Werbung für das Leistungsangebot des Unternehmens machen. Zufriedenheit wird aber nur bei optimaler Umsetzung der Prozesse zu erreichen sein. Diese wiederum werden durch Lernen weiterentwickelt. 1 Quelle: Kaplan/Norton (1997), S. 9 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 119 Instrumente zur Performanceverbesserung Finanzielle Perspektive Kapitalrendite Kundenperspektive Kundentreue Pünktliche Lieferung Interne-(Geschäftsprozess) Perspektive Prozessqualität Prozessdurchlaufzeit Lern- und Entwicklungsperspektive Fachwissen der Mitarbeiter Abbildung 2.21 Beispiel für eine Ursache/Wirkung-Kette1 Eine Balanced Scorecard (BSC) bildet das Zielsystem des Unternehmens oder – wie häufiger der Fall – einer strategischen Geschäftseinheit ab. Die Strategie legt fest, wie die einzelnen Unternehmensziele zu erreichen sind. Dafür müssen beim Einsatz der BSC zu jeder Perspektive Aussagen getroffen werden. So lässt sich verhindern, dass bei der Festlegung der strategischen Maßnahmen beispielsweise zu sehr auf die Verfolgung der kurzfristigen finanzwirtschaftlichen Ziele abgestellt wird, was dem Unternehmen langfristig Wettbewerbsnachteile bringen kann, weil zu wenig in Prozesse und Potenziale investiert wurde. Die Finanzperspektive beinhaltet die klassische Sichtweise ertragsorientierter Unternehmen, bei denen Rendite- und Wachstumsziele dominieren. Sie stellt deshalb in der Regel die Ausgangsperspektive dar und dokumentiert, ob der wirtschaftliche Erfolg aus Sicht der Kapitalgeber erreicht wird. Finanziellen Erfolg wird ein Unternehmen nur haben, wenn es die Bedürfnisse der Nachfrager besser befriedigt als seine Wettbewerber. Die Kundenperspektive konzentriert sich deshalb auf die Positionierung des Leistungsangebots im Markt. Die Prozessperspektive fokussiert auf jene Prozesse, die für die Strategieumsetzung von besonderer Bedeutung sind. Denn nur wenn diese möglichst optimal funktionieren, können die Ziele der Finanz- und Kundenperspektive erreicht werden. 1 Quelle: In Anlehnung an Kaplan/Norton (1997), S. 29 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 120 Kapitel 2: Corporate Performance Management Die Zukunftsorientierung der BSC wird bei der Potenzialperspektive besonders deutlich. Ziel ist es, vor allem die Potenziale zu entwickeln, die es dem Unternehmen erlauben, Veränderungen am Markt erfolgreich zu nutzen und zukünftige Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Dazu gilt es, das Wissen in der Organisation zu mehren und mittels Informationstechnologie dort zur Verfügung zu stellen, wo es benötigt wird. Neben der Strukturempfehlung stellt der BSC-Ansatz auch ein Vorgehensmodell hinsichtlich der Konzepteinführung zur Verfügung. Um eine unternehmensspezifische Implementierung zu ermöglichen, ist das Modell bewusst allgemein gehalten und dient als unterstützender Handlungsrahmen bei der Umsetzung. Lern- und Entwicklungsperspektive Interne Prozessperspektive Kundenperspektive Finanzperspektive In die BSC werden nur die Erfolgsfaktoren aufgenommen, die dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringen. Die zu diesen als Erfolgspotenziale bezeichneten Faktoren zugehörigen Ziele sind strategischer Art. Im ersten Schritt ist aus den definierten Perspektiven eine überschaubare Anzahl von Zielen abzuleiten. Horváth und Partner schlagen im Durchschnitt 5 Ziele pro Perspektive und maximal 25 Ziele pro Balance Scorecard (Abbildung 2.22) vor. Zu beachten ist, dass in der Praxis nicht nur eine BSC, sondern Hierarchien von Balanced Scorecards entstehen. Ändert sich die Strategie, müssen auch die Balanced Scorecards angepasst werden. Strategische Ziele Leistungsindikator Konkrete Ausprägung ROCE über dem Branchendurchschnitt ROCE (Rendite für das eingesetzte Kapital) ROCE > 24 % Schneller als der Markt wachsen Umsatzwachstum Wachstumsrate von > 13 % Cashflow steigern Discounted Free Cashflow Zuwachsrate von 5 % p. a. Preis/Leistungs-Verhältnis hervorragend Kundenbewertung Nr. 1 bei mind. 60 % aller Kunden Vorzugslieferant sein Umsatzanteil mit Stammkunden Anteil > 50 % Innovatorimage Umsatzanteil neuer Produkte und Dienstleistungen Anteil von Leistungen, die jünger als 2 Jahre sind, > 60 % Frühes Einwirken auf die Kundenanforderungen Beratungsstunden für Kunden vor Eröffnung des Angebotsprozesses Frühes Einwirken auf die Kundenanforderungen Entwicklung des Regionalmarktes A Anzahl Neukunden in Region A Entwicklung des Regionalmarktes A Schnelle Hardwareinstallation Arbeitstage seit Auftragserteilung 90 % unter 10 Arbeitstagen Kontinuierliche Verbesserung Halbwertszeitindexwert Jährliche Verbesserung um 10 % Hohe Mitarbeiterzufriedenheit Index Mitarbeiterzufriedenheit und Anzahl Verbesserungsvorschläge je Mitarbeiter Zufriedenheitsindex > 80 %, mehr als 20 Vorschläge pro Mitarbeiter Abbildung 2.22 Beispiel für eine Balanced Scorecard1 1 Quelle: In Anlehnung an Kaufmann (1997), S. 423 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung 121 Eine Strategie muss verstanden werden können. Den Mitarbeitern muss einleuchten, warum bestimmte Ziele zu erreichen sind. In diesem Zusammenhang ist es natürlich wichtig zu wissen, wie die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Zielen sind und ob es Abhängigkeiten bzw. Ursache/Wirkung-Ketten gibt, die in einer Strategy Map abzubilden sind. Auf einem gemeinsamen Zielverständnis aufbauend kann, die Durchgängigkeit der Ziele über die Hierarchieebenen hinweg gewährleistet werden. Im nächsten Schritt müssen dann Messgrößen, die Key Performance Indicators, festgelegt werden. Derartige Schlüsselindikatoren dienen der Konkretisierung der strategischen Ziele und der Verfolgung des Zielerreichungsgrads. Horváth und Partner empfehlen, die Anzahl der Messgrößen pro strategischem Ziel auf drei zu beschränken. Auszuwählen sind nur Kennzahlen mit einem eindeutigen strategischen Bezug. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um »harte« Finanzkennzahlen oder »weiche« Subjektivurteile handelt. Auch hier streben Kaplan und Norton Ausgewogenheit an; zum einen zwischen quantitativen und qualitativen Messgrößen und zum anderen zwischen Ergebniskennzahlen (Spätindikatoren) und Leistungstreibern (Frühindikatoren). Damit Messgrößen einen Beitrag zur Unternehmenssteuerung leisten können, benötigt man Zielwerte. Dies sind nur selten Minima oder Maxima. Um so schwieriger sind sie in Abhängigkeit vom jeweiligen Anspruchsniveau zu bestimmen. Gute Dienste kann hier das Benchmarking leisten. Zur Motivation der Mitarbeiter incentiviert man häufig das Erreichen der Zielwerte. Insbesondere bei der Gewährung monetärer Anreize konzentriert sich die Kreativität der Organisationsteilnehmer aber häufig völlig auf die Entdeckung von Wegen, die Zielwerte möglichst einfach zu erreichen. Dadurch kommt es zu einer Vernachlässigung anderer Aktivitäten und entsprechend negativen Folgen für die Gesamtzielerreichung. Deshalb ist vor der Einführung von Incentive-Programmen sicherzustellen, dass die Ursache/Wirkung-Ketten möglichst umfassend bekannt sind. Heute bleibt es häufig bei der Beobachtung der tendenziellen Entwicklung der KPIs zur Überprüfung der Performanceentwicklung. Ideal ist es natürlich, wenn auch festgelegt wird, welche strategische Maßnahmen angestoßen werden, sobald die Messwerte den Zielkorridor verlassen. Je detaillierter die möglichen Abweichungsszenarien überdacht werden, desto schneller und problemadäquater kann reagiert werden, z. B durch die zur Verfügungstellung zusätzlicher Ressourcen. Das Maßnahmenportfolio setzt sich hauptsächlich aus Aktionen zur Erreichung des geplanten Zielniveaus zusammen. Bei umsichtiger Planung können bereits in der BSC-Designphase Korrekturmaßnahmen vorbereitet werden. Erfolgt im späteren Betrieb bei tendenzieller Erfolgsverfehlung eine automatisierte Aktivierung dieser Gegensteuermaßnahmen, befindet man sich auf dem Weg zur Decision Intelligence. Eine zur Unterstützung des BSC-Einsatzes im Unternehmen herangezogene Software sollte folgende Mindeststandards aus Sicht der Balanced Scorecard Collaborative erfüllen: 쐍 Die BSC-Logik mit all ihren Elementen, wie Perspektiven, Zielen, Kennzahlen, Vorgaben und Maßnahmen, sowie deren Beziehungen untereinander lässt sich abbilden. 쐍 Zu jedem Element der BSC müssen Metadaten verwaltet, gespeichert und publiziert werden können. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 122 Kapitel 2: Corporate Performance Management 쐍 Komplexe Maßnahmen-Zielbeziehungen können überwacht werden und bei voraussichtlicher Zielverfehlung werden Warnungen im Rahmen eines Reportings kommuniziert. 쐍 Um eine kontinuierliche Verbesserung der Entscheidungsqualität zu erzielen, ist ein entsprechender Zugriff auf historisches Datenmaterial notwendig. Die Speicherung und der benutzerfreundliche Zugriff auf vergangenheitsbezogene Daten ist möglich. 쐍 Zielabweichungen können farblich gekennzeichnet und mit einem Kommentar des verantwortlichen Managers versehen werden. Performance Prism Je weiter die Entwicklung im Performance Management schreitet, desto mehr Stakeholdergruppen werden in die Ansätze einbezogen. Die klassischen Kennzahlensysteme fokussieren einzig auf die Befriedigung der Interessen der Kapitalgeber. Bei der Performance Pyramid wird auch die Kundensicht berücksichtigt. Die Balanced Scorecard betrachtet bereits vier Perspektiven. In ihrem im Jahr 2002 erstmals veröffentlichten Performance Prism-Ansatz gehen Neely, Adams und Kennerley noch einen Schritt weiter und fordern, alle relevanten Interessengruppen, denen gegenüber eine Organisation rechenschaftspflichtig oder verantwortlich ist, zu berücksichtigen. Die Zufriedenheit der Stakeholder und deren Beitrag zum Unternehmenserfolg bilden auch zwei der fünf Performanceperspektiven des Prismas. Mit dem Performance Prism möchten dessen geistige Väter Organisationen in die Lage versetzen, relevantes Wissen zu generieren und strategiekonform einzusetzen. Wichtig ist deshalb nicht, alles zu wissen, was zu wissen möglich ist, sondern was zu wissen notwendig ist, um die Strategie umzusetzen. Der Performance Prism-Ansatz stellt damit einen Rahmen zur rationalen Beschäftigung mit den kritischen Problemkreisen bereit und gewährleistet, dass Entscheidungen auf der bestmöglichen Datenbasis getroffen werden können. Aus Sicht der Performance Prism-Protagonisten stellt es ein Risiko dar, sich nur auf eine oder wenige Stakeholdergruppen zu konzentrieren, da alle einen Einfluss auf die Unternehmensperformance haben. Insbesondere bei einem Nachfragerückgang aus konjunkturellen Gründen warnt man davor, nur auf die Shareholderinteressen zu fokussieren. Sonst könnte es zu Massenentlassungen mit den Folgen von Wissensverlusten und eines Motivationsverfalls beim verbleibenden Humankapital kommen, wie wir bei den amerikanischen Automobilherstellern ohne durchgreifenden Erfolg seit Jahren beobachten können. Natürlich sind nicht alle Stakeholdergruppen, wie z.B. Investoren, Kunden, Absatzmittler, Mitarbeiter, Gewerkschaften, Lieferanten, Allianzpartner, Behörden, Verbraucherverbände oder Kommunen, für alle Unternehmen zu jedem Zeitpunkt von gleicher Bedeutung. Hier muss das Management in Abhängigkeit von der individuellen Situation des Unternehmens Schwerpunkte setzen bzw. Gewichtungen vornehmen. Der Performance Prism-Ansatz wird von seinen Erfindern als ganzheitlicher Rahmen für das Performance Measurement angesehen. Die fünf Facetten des Prismas bilden die miteinander in Beziehung stehenden Performanceperspektiven Stakeholderzufriedenheit, Stakeholderbeitrag zum Unternehmenserfolg, Strategien, Prozesse und Fähigkeiten (Abbildung 2.23). Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 123 Instrumente zur Performanceverbesserung • Stakeholderzufriedenheit • Strategien • Prozesse • Ressourcen • Stakeholderbeitrag Abbildung 2.23 Das Performanceprisma1 Die erste Performanceperspektive bildet die Stakeholderzufriedenheit ab. Den Ausgangspunkt des Leistungsverbesserungsprozesses stellt die Beantwortung der Frage nach den wichtigsten Einflussgruppen und ihren Bedürfnissen dar. Leistungsziele werden somit an den Erwartungen der für das Unternehmen relevanten Interessensgruppen ausgerichtet und nicht aus der Strategie abgeleitet. Als Argument für diese Vorgehensweise wird darauf verwiesen, dass die Strategie nicht das Ziel ist, welches das Management festlegt, sondern nur den Weg zum Ziel vorgibt. Entsprechend wird, um zu sehen, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet, gemessen, was das Unternehmen haben möchte, z.B. profitable und treue Kunden. Somit werden die Wiederkaufrate und Kundenprofitabilität erhoben. Zu messen sollte aber sein, ob die wichtigen Stakeholder des Unternehmens zufrieden gestellt werden. Schließlich wollen Kunden nicht treu oder profitabel sein. Sie wünschen sich von ihrem Lieferanten tolle Produkte und Dienstleistungen zu einem akzeptablen Preis. Ähnlich verhält es sich mit den Lieferanten. Gemessen werden die einzelnen Aspekte des Lieferservice, weil sie für unser Unternehmen wichtig sind. Die Lieferantenzufriedenheit hängt dagegen aber von der pünktlichen Bezahlung der erbrachten Leistungen, der Gewährung von auskömmlichen Preisen und der erhaltenen Planungssicherheit ab. Danach fragt aber kaum jemals ein Kunde bei Lieferantenbefragungen. Im Gegensatz zu den anderen Performance Managementansätzen wird die Beziehung zwischen einem Unternehmen und seinen Stakeholdern als reziproker Natur angesehen. Deshalb dürfen letztere nicht nur auf Wohltaten hoffen, sondern müssen ihren Anteil zum Unternehmenserfolg beitragen. Das Unternehmen muss sich also fragen, was man von den ihm nahe stehenden Interessengruppen möchte und braucht, um erfolgreich zu sein. Die Kapitalgeber stellen nicht nur kurzfristig Geld für das Wachstum zur Verfügung, sondern sollen Risiken akzeptieren und das Unternehmen langfristig unterstützen. Die Kunden halten 1 Quelle: In Anlehnung an Adams/Neely/Kennerly (2002), S. xi Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 124 Kapitel 2: Corporate Performance Management ihrem Lieferanten die Treue, geben ihm Feedback und werben für dessen Produkte. Die Mitarbeiter entwickeln Ideen und schaffen durch Ausschöpfung ihrer Leistungsfähigkeit und zur Verfügungstellung ihres gesamten Wissens Wettbewerbsvorteile. Die Lieferanten bieten Systemlösungen an und integrieren sich in den Entwicklungs- und Produktionsprozess. Die Absatzmittler geben Informationen über die Anforderungen der Nachfrager weiter und leisten Unterstützung bei der Absatzplanung. Verbundene Unternehmen eröffnen Cross Selling-Potenziale, entwickeln zusammen mit dem Unternehmen Produkte und teilen sich die dabei entstehenden Kosten. Behörden können informelle Hinweise geben, die das Unternehmen frühzeitig in Planungen einbinden kann, und für gleiche Bedingungen bei grenzüberschreitenden Geschäften sorgen. Kommunen geben Zuschüsse und arbeiten an ihrer Attraktivität, um Fachkräfte anzuziehen. Mit Interessenverbänden, wie z.B. Verbraucher- oder Umweltschützern, kann gemeinsam geforscht und an Lösungsoptionen gearbeitet werden. Auf den gewonnenen Erkenntnissen bauen die letzten drei Performanceperspektiven (Abbildung 2.24) auf. Zunächst ist festzulegen, mit welchen Strategien die Forderungen der einzelnen Stakeholdergruppen bei gleichzeitiger Sicherstellung der Befriedigung der eigenen Anforderungen erfüllt werden können. Aus der Definition der Vorgehensweise zur Zielerreichung sind die Vorgaben für die zur Umsetzung zu implementierenden Geschäftsprozesse abzuleiten. Strategien • Für das Unternehmen • Für Geschäftseinheiten • Marken/Produkte/Dienstleist. • Für das operative Geschäft Prozesse • Entwickeln von Angeboten • Schaffung von Nachfrage • Erfüllung der Anforderungen • Steuerung des Unternehmens Ressourcen • Mitarbeiter • Verfahren • Technologien • Infrastruktur Abbildung 2.24 Die drei letzten Facetten des Performanceprismas1 Die Vorgehensweise zur Operationalisierung der Strategie ist jener der Balanced Scorecard sehr ähnlich. An die Stelle der Strategy Map tritt beim Performanceprisma die so genannte Success Map. Stehen die Prozesse fest, kann abgeschätzt werden, welche Fähigkeiten bzw. Befähiger und 1 Quelle: In Anlehnung an Neely/Adams/Kennerly (2002), S. 180 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Instrumente zur Performanceverbesserung 125 Ressourcen benötigt werden, um die Prozesse erfolgreich durchzuführen. Dazu zählen die Mitarbeiter ebenso wie die Infrastruktur des Unternehmens und die einzusetzenden Methoden und Technologien. Bei der Implementierung sollte zunächst eine Fokussierung auf die Elemente stattfinden, die auch die Strategie unmittelbar unterstützen. Value-Based Performance Management Neben der Balanced Scorecard, der Performance Pyramid und dem Performance Prism stellt das Value-Based Performance Management das vierte Instrument des Corporate Performance Managements im engeren Sinne dar. Durch die Operationalisierung der Strategie auf allen Leistungsebenen soll das zentrale Ziel, die Steigerung des Unternehmenswertes, erreicht werden. Dazu müssen die Werttreiber identifiziert und deren zielgerichtete Manipulation mithilfe geeigneter Key Performance Indicators gesteuert werden. Der Ende des letzten Jahrtausends erstmals publizierte Ansatz des Value-Based Performance Management basiert auf dem Mitte der 1980er Jahre von Rappaport entwickelten Shareholder Value-Ansatz. Dieser ist das Ergebnis der kritischen Beschäftigung mit den bis dahin vorherrschenden Gewinngrößen als zentralen Erfolgsindikatoren. Zu Recht wurde angeführt, dass es sich hierbei um ein vergangenheitsbezogenes Erfolgsmaß handelt, das zudem aufgrund der bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten wenig Aussagekraft besitzt, das Branchenrisiko und den Wertverlust des Geldes über die Zeit nicht berücksichtigt. Im Mittelpunkt der Überlegungen des wertorientierten strategischen Managements steht der Unternehmenswert. Zur Ermittlung des Shareholder Values gibt es unterschiedliche Methoden, deren Einsatz abhängig von den individuellen Anforderungen der Unternehmen ist. Die erste Gruppe ermittelt auf Basis klassischer Kennzahlensysteme Renditekennzahlen, wie z.B. den Return on Investment. Die zweite Gruppe bilden die Residualgewinnkonzepte, deren prominentester Vertreter der Economic-Value-Added (EVA) ist. Bei diesem Konzept nimmt man als Erfolgsindikator den in Geldeinheiten ausgedrückten Betrag, um welchen der Jahresgewinn die Kapitalkosten übertrifft. Die letzte Gruppe bilden die Cashflow-orientierten Konzepte. Nach der Methode des Discounted Cash Flow (DCF) stellt der Wert eines Unternehmens den Barwert sämtlicher zukünftiger freien Zahlungsmittelüberschüsse (Free Cash Flow) dar. Hierzu werden die entsprechenden Erwartungswerte addiert und mit dem gewichteten Kapitalkostensatz diskontiert. Die DCF-Methode bietet ebenso wie das EVA-Konzept die Möglichkeit, eine Aussage über die Erfüllung von Mindestverzinsungsansprüchen der Kapitalgeber zu treffen. Problematisch gestaltet sich allerdings die Prognose der zukünftigen Cashflows. Während der Shareholder Value-Ansatz dazu geeignet ist, die Wertentwicklung des Unternehmens wiederzugeben, fehlt ihm die für ein Instrument des Corporate Performance Managements wichtige Ausrichtung auf die ganzheitliche Unternehmenssteuerung. Dazu ist die Operationalisierung der wertsteigernden Strategien über die einzelnen Hierarchiestufen hinweg notwendig. Hier setzt das Value-Based Performance Management an. Oberstes Ziel aller Unternehmensaktivitäten ist auch hier die Steigerung des Unternehmenswertes. Dafür müssen im Rahmen der wertorientierten Planung werttreibende Strategien entwickelt werden. Der Shareholder Value-Ansatz wird deshalb in die strategische Planung integriert. Bei allen grundsätzlich in Frage kommenden Strategiealternativen wird zunächst untersucht, welche Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 126 Kapitel 2: Corporate Performance Management Auswirkungen sie auf die Entwicklung des Unternehmenswertes haben. Gewählt wird diejenige strategische Option mit dem höchsten zu erwartenden Wertzuwachs. Im nächsten Schritt muss die Strategie im gesamten Unternehmen verankert werden. Das ValueBased Performance Management bildet hier das Bindeglied zwischen der Unternehmenssteuerung auf der Topmanagementebene und der Prozesssteuerung. Strategische Initiativen werden über die Hierarchieebenen heruntergebrochen und damit die Wertorientierung im gesamten Unternehmen implementiert. Der zu durchlaufende Prozess unterscheidet sich nicht von demjenigen der Balanced Scorecard. Wie bei Kaplan und Norton muss die Strategie in Ziele für die einzelnen Unternehmensebenen übersetzt werden, deren Erreichungsgrad mithilfe von Key Performance Indicators überprüft wird. In Abhängigkeit von den erzielten Ergebnissen werden Steuerungsimpulse für die erfolgskritischen Unternehmensprozesse ausgesendet. In der Unternehmenspraxis wirkt sich in diesem Kontext häufig die mangelnde Kenntnis der Ursache/Wirkung-Beziehungen erschwerend aus. Der Steuerungsprozess berücksichtigt drei Ebenen und untergliedert sich in die Portfoliosteuerung, die Geschäftssteuerung sowie die Prozesssteuerung (Abbildung 2.25). Im Rahmen der Portfoliosteuerung werden die Beiträge der einzelnen Geschäftsfelder zur Steigerung des Unternehmenswertes ermittelt. Hierbei ist der jeweilige Stand im Lebenszyklus zu berücksichtigen, da dieser erheblichen Einfluss auf die Profitabilität hat. Entscheidungen zur Veränderung des Portfolios, z.B. über die Durchführung einer Akquisition zur Verbesserung der Wettbewerbsposition, erfolgen dann auf Basis des erreichten Zielerreichungsgrads der einzelnen strategischen Geschäftseinheiten. Die Verankerung der Wertorientierung auf den einzelnen Unternehmensebenen geschieht im Rahmen der Geschäftssteuerung durch die operative Steuerung der Geschäftsfelder im Sinne des Unternehmensziels. Dazu ist es notwendig, die maßgeblichen Werttreiber auf den einzelnen Geschäftsfeldebenen zu identifizieren und zu priorisieren. Eine alleinige Ausrichtung auf Shareholder Value-Kenngrößen, wie z.B. EVA, erscheint für die wertorientierte Geschäftssteuerung nicht ausreichend. Deshalb sind diese Führungs- und Steuerungsgrößen um wertorientierte KPIs zu ergänzen. Diese lassen sich durch Disaggregation der übergeordneten finanziellen Werttreiber ermitteln. Die Operationalisierung der Werttreiber ist die Voraussetzung zur Steuerung der erfolgskritischen Geschäftsprozesse. Unter Prozesssteuerung versteht man in diesem Zusammenhang die Ausrichtung aller Aktivitäten einer Organisation auf das gemeinsame Ziel der Steigerung des Anteilswerts. Von Vorteil ist es, wenn die festzulegenden Leistungsindikatoren einen Vergleich mit dem Wettbewerb via Benchmarking erlauben. In Abbildung 2.26 werden beispielhaft KPIs zur Steuerung der Subsysteme einer Supply Chain dargestellt. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 127 Instrumente zur Performanceverbesserung Portfoliosteuerung Finanzen Kunden un d Geschäftssteuerung ng Qualität Kosten se Prozesssteuerung s ze Zeit o pr ga ni sa to ri s Lernen/ Entwicklung Prozesse lli ro nt Co ch e Au sr ic ht u ng ten em ag an Or M SHV Informationsmanagement Abbildung 2.25 Das Konzept des Value-Based Performance Management1 Zur Ermittlung der relevanten Leistungsindikatoren werden monetäre sowie nicht-monetäre Steuerungsgrößen auf alle Unternehmensebenen heruntergebrochen, abgeglichen und den Verantwortlichen für die Prozesssteuerung zur Verfügung gestellt. Ansätze des Prozesskostenmanagements oder des Qualitätsmanagements können hierbei die Erarbeitung der steuerungsrelevanten Informationen unterstützen. Als maßgebliches Problem in der Praxis hat sich, neben der fehlenden Durchgängigkeit der Ziel- und Messgrößensysteme bis in die operativen Prozesse sowie der mangelnden Prozessorientierung der Unternehmen, das fehlende Wissen der Mitarbeiter hinsichtlich ihres Beitrags zur Steigerung des Unternehmenswertes herausgestellt. 1 Quelle: In Anlehnung an Brunner (1999), S. 35 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 128 Kapitel 2: Corporate Performance Management Lagerumschlag Kosten Fehlerkosten Profit Qualitätsrate Optimierte Leistung Qualität Rechtzeitige Lieferung Kundenservice Lieferrückstand Zeit Durchlaufzeit Abbildung 2.26 Key Performance Indicators zur Bewertung einer Supply Chain1 Die Charakteristika der einzelnen Steuerungsebenen werden in Abbildung 2.27 veranschaulicht. Die in der Mitte positionierte Geschäftssteuerung übersetzt die externe (Portfoliosteuerung) in die interne Sichtweise (Prozesssteuerung). Die Prozesssteuerung wird vom Tagesgeschäft dominiert, während die Portfoliosteuerung strategische Planungszeiträume abdeckt. 1 Quelle: In Anlehnung an Brunner (1999), S. 120 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 129 Instrumente zur Performanceverbesserung Portfoliosteuerung Außensicht Geschäftssteuerung Perspektive Innensicht Prozesssteuerung Im bestehenden System Systembildend Systembezug Abbildung 2.27 Charakteristika der Steuerungsebenen1 Im Rahmen der Management- und Controllingprozesse müssen Ursache/Wirkung-Zusammenhänge erkannt, die Steuerungsgrößen herausgearbeitet und die Mitarbeiter über die gewonnenen Erkenntnisse und über ihren persönlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg informiert werden. Mithilfe des Informationsmanagements sind die erforderlichen Steuerungsinformationen zur Verfügung zu stellen. In Abbildung 2.28 sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren für die Umsetzung eines Value-Based Performance Management-Projektes dargestellt. Unerlässlich ist eine eindeutige Selbstverpflichtung des Topmanagements. Dieses muss die strategische Zielsetzung formulieren und unternehmensweit kommunizieren. Weiterhin ist eine Beschränkung auf zunächst wenige relevante KPIs zu empfehlen. Diese müssen den Mitarbeitern auf dem jeweiligen Level ausführlich erläutert werden, damit sie begreifen, welchen Beitrag zur Erhöhung des Firmenwertes sie liefern können. Nur dann werden sie auch auf das bei anstehenden Veränderungen übliche Beharrungsverhalten verzichten. 1 Quelle: Brunner (1999), S. 36 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 130 Kapitel 2: Corporate Performance Management Frühzeitige Einbindung der Systemebene Anpassung des Management- und Controllingprozesses Verpflichtung des Topmanagements Strukturierter Ansatz zur Ermittlung und Priorisierung von KPIs Befähigung zur Veränderung Value-Based Performance Management Frühzeitige Einbindung der Systemebene Ursache/ Wirkungs-Kreisläufe beachten Durchgängigkeit des Ansatzes Kommunikationsstrategien (Einbindung aller Personen) Gemischte Informationsteams (intern & extern) Abbildung 2.28 Erfolgsfaktoren des Value-Based Performance Management1 Gerade die Einbeziehung der Mitarbeiter ist ein großer Vorteil des Value-Based Performance Management-Konzeptes. Weitere Stärken sind die Zukunftsorientierung und die Verzahnung der Wertorientierung mit operativen Leistungsgrößen, die nicht nur finanzieller Art sind. Als Schwäche des Ansatzes gilt der erhebliche Ermessensspielraum bei der Unternehmensbewertung mittels Discounted Cash Flow. Problematisch ist dies insbesondere, wenn eine zu positive Einschätzung der Erwartungswerte eine Steigerung der Managementbezüge zur Folge hat. Der Vorwurf einer einseitigen Ausrichtung auf die Interessen der Shareholder kann hingegen vernachlässigt werden, da nur derjenige etwas für die anderen Stakeholder tun wird, dessen Engagement und Risikobereitschaft belohnt wird. 1 Quelle: In Anlehnung an Brunner (2000), S. 24 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 131 Der Performance Management-Prozess Der Performance Management-Prozess Das Management der Unternehmensleistung beinhaltet als konstituierendes Merkmal das aktive Steuern des Leistungserbringungsprozesses und damit der Performance als dessen Ergebnis. Folgerichtig stellt Klingebiel in Abbildung 2.29 die Leistungssteuerung in den Mittelpunkt der Betrachtung der Elemente des Performance Managements. Performance Anforderungen • Vision • Strategie • Stakeholder Performance Planung Performance Prüfung/Steuerung Performance Measurement Temporärer Bestandteil Performance Eigenprüfung • Eigenprüfung Person/Team • Definition Maßnahmen Effizienz Temporärer Bestandteil Effektivität Performance Bewertung/Monitoring Unternehmensebenen • Relevanz Stakeholder • Definition Performanceprioritäten Performance Verbesserung • Kontinuierliche Verbesserung • Reengineering • Time-based competition • Just-in-time • Outsourcing Abbildung 2.29 Elemente von Corporate Performance Management1 Riedl unterteilt den CPM-Prozess vor diesem Hintergrund in die fünf Teilprozesse Prozessgestaltung und -implementierung, Performanceplanung, -messung, -bewertung sowie Handlung und Honorierung (Abbildung 2.30). Die letzten vier Phasen bilden dabei den CPM-Kernprozess. 1 Quelle: Klingebiel (1999), S. 16 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 132 Kapitel 2: Corporate Performance Management Systemanpassung Handlung und Honorierung Performancebewertung Vor-/Rückkoppelung auf die Planung d un e le h e i c gis Z te ive r a r at t S pe o Prozessgestaltung und -implementierung Vision/oberste Unternehmensziele (Mission) Performanceplanung Ausführung (Vollzug) Performance Measurement Vor- und Rückkoppelung auf die Ausführung (operative Gegensteuerung) Abbildung 2.30 Phasen des CPM-Prozesses1 Im Vordergrund stehen die Operationalisierung der Unternehmensstrategie mithilfe von Key Performance Indicators und die Verknüpfung des Zielerreichungsgrads mit strategischen Initiativen und Aktionen (Abbildung 2.31). Aufgrund des steuerungsgrößenbasierten Charakters kann CPM sowohl als Teilprozess als auch als Instrument der Unternehmensführung zur Steigerung der Unternehmensleistung angesehen werden. Strategische Ziele definieren Strategische Programme erarbeiten Key Performance IndikatorenMix erstellen Zielwerte bzw. Bandbreiten für KPIs festlegen Zielerreichungsgrade messen und bewerten Strategische Aktionen entwickeln und ausführen Abbildung 2.31 Die wesentlichen Schritte des CPM-Prozesses 1 Quelle: Riedl (2000), S. 30 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 133 Der Performance Management-Prozess Strategische Ziele definieren Die Unternehmensvision stellt das Ziel der Unternehmensentwicklung und damit das anzustrebende Idealbild dar. Die Unternehmensstrategie als Weg zum Ziel wird aus diesem Soll-Zustand abgeleitet. Es ist aber nicht Aufgabe des Corporate Performance Managements, die Vision zu diskutieren. Ebenso ist die Unternehmensstrategie als Basis aller CPM-Aktivitäten zunächst als gegeben hinzunehmen (Abbildung 2.32). Strategien können als globale Konzepte aufgefasst werden, welche die grundsätzliche Richtung der Unternehmensentwicklung in der absehbaren Zukunft vorgeben. Kommunikations- und Lernstrategie Informationstechnologie (IT) Unternehmensstrategie Identifikation der Identifikation der kritischen kritischen ErfolgsErfolgsfaktoren faktoren Strategische Projekte/Maßn. Funktionale Prozessanalyse Identifikation der Key Performance Indikatoren Messen und Reporting Beeinflussung des Verhaltens Performanceverbesserung Abbildung 2.32 Die Strategie als Basis des Leistungsverbesserungsprozesses1 Stellt sich im Verlauf des CPM-Prozesses heraus, dass mit der gewählten Strategie die angestrebten Ziele nicht zu erreichen sind, ist sie natürlich zu hinterfragen. Das Ergebnis des Evaluierungsprozesses kann bis zur Änderung des Geschäftsmodells oder gar dem Rückzug aus einem Geschäftsfeld, d.h. dem völligen Verwerfen der ursprünglichen Strategie, reichen. Damit es nicht dazu kommt, muss man sich vor der Umsetzung einer Strategie nicht nur Gedanken über die kritischen Erfolgsfaktoren machen, sondern auch über Szenarien nachdenken, die ein Scheitern zur Folge haben können. Nach der Ermittlung der für das Unternehmen bestehenden Erfolgspotenziale und der Betrachtung der kritischen Erfolgsfaktoren sind aus der Unternehmensstrategie konkrete strategische Ziele für das operative Geschäft unter Berücksichtigung der als relevant angesehenen Perspektiven abzuleiten und schriftlich zu formulieren. Denn nur was niedergeschrieben ist, kann ohne Verzerrung weitergegeben werden. Dazu gehört auch, dass eine Erklärung abgegeben wird, warum ein Ziel von strategischer Bedeutung ist. Die Zahl der strategischen Ziele sollte begrenzt werden, um die Steuerbarkeit zu gewährleisten. Pro Perspektive werden durchschnittlich fünf Ziele als noch handelbar erachtet. Strategische Ziele für eine Balanced Scorecard können beispielsweise sein: 쐍 Shareholder Value steigern (Finanzperspektive) 쐍 Image verbessern (Kundenperspektive) 쐍 Entwicklungszeiten verkürzen (Prozessperspektive) 쐍 Wissen unternehmensweit teilen (Potenzialperspektive) 1 Quelle: In Anlehnung an Hoffmann (2002), S. 88 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 134 Kapitel 2: Corporate Performance Management Damit dem einzelnen Mitarbeiter einleuchtet, warum es wichtig ist, ein bestimmtes Ziel anzusteuern und er seine Anstrengungen darauf verwenden sollte, müssen die kausalen Zusammenhänge leicht nachvollziehbar aufgezeigt werden. Ursache- und Wirkungsbeziehungen lassen sich in strategischen Landkarten visualisieren. Diese veranschaulichen auch die in der Regel vorhandenen Interdependenzen zwischen einzelnen strategischen Zielen. Strategische Programme erarbeiten Strategische Ziele sind jene Ziele, bei deren Erreichung das Unternehmen einen komparativen Vorteil erlangt. Strategische Programme beinhalten die Maßnahmen zur Erreichung der strategischen Ziele. Neben den laufenden Programmen zur Strategieumsetzung gilt es, auf Basis von Szenarien, deren Eintreten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit möglich ist, strategische Programme für den Ernstfall vorzubereiten. In idealtypischer Weise macht dies das Militär seit Jahrtausenden. Das ist bei Reaktionszeiten, die aufgrund der hochentwickelten Waffentechnik mittlerweile oftmals im Minutenbereich liegen, auch notwendig. So kann nicht erst in einer mehrtägigen Konferenz entschieden werden, wie auf eine Luftraumverletzung zu reagieren ist, wenn ein moderner Kampfjet in kürzester Zeit jedes Ziel innerhalb eines Landes erreichen kann. Selbstverständlich werden dann automatisch die auf Standby stehenden Abfangjäger in wenigen Minuten nach oben geschickt, die im Hinblick auf die berechnete Flugroute des Eindringlings am günstigsten stationiert sind. In der Wirtschaft gibt es solche Pläne selten. Immer wieder auftretende massive Gewinneinbrüche aufgrund von Wechselkursveränderungen, Zinserhöhungen oder Verteuerungen von Rohstoffen belegen, dass viele weltweit agierende Konzerne noch nicht einmal für direkt mit ihrem Kerngeschäft zusammenhängende Entwicklungen ein Portfolio an strategischen Programmen und Aktionen erstellt haben. Und dies vor dem Hintergrund, dass die durch eine schnelle Reaktion auf einen externen Schock zu erlangenden Wettbewerbsvorteile von ausschlaggebender Bedeutung für die weitere Unternehmensentwicklung sein können. So reagierte die Lufthansa nach dem Anschlag auf das World Trade Center nach kurzer Zeit mit einer Reduzierung der transatlantischen Linienverbindungen, während die amerikanischen Fluggesellschaften aus falsch verstandenem Patriotismus untätig blieben. Aufgrund des rapiden Rückgangs der Passagierzahlen mussten sie existenzbedrohende Verluste hinnehmen und schwächten ihre Wettbewerbsposition nachhaltig. Im Zentrum der Überlegungen beim Corporate Performance Management steht entsprechend weniger die Bewertung vergangener Aktivitäten als die Nutzung von Performancepotenzialen zur Erlangung künftiger komparativer Vorteile. Es ist insbesondere der im Prozess verankerte Zwang zur Reaktion auf Markt- oder Umweltveränderungen, der echte Performance Manangement-Systeme auszeichnet. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Der Performance Management-Prozess 135 Key Performance Indicators-Mix erstellen Keine Organisation kann es sich leisten, alles zu messen, was sie gerne messen möchte. Aufgrund des Einsatzes von Business Intelligence-Werkzeugen wird heute in den meisten Unternehmen ohne Rücksicht auf die Performancerelevanz aber alles Mögliche gemessen. Nach Schätzungen der Hackett Group investieren Großunternehmen durchschnittlich 25.000 Personentage jährlich in die Planung und Messung der Unternehmensleistung. Neben der Tatsache, dass man häufig die falschen Kennzahlen erhebt, ist im Unternehmensalltag darüber hinaus gang und gäbe, dass die richtigen Dinge falsch gemessen werden. Im Extremfall werden die falschen Daten auch noch zu spät geliefert. Das durch die Beachtung derartiger Messergebnisse ausgelöste Verhalten wirkt sich im besten Fall gar nicht, häufig aber kontraproduktiv auf die Zielerreichung aus. Die Verbindung zwischen Strategie und Umsetzung erfolgt über Key Performance Indicators. Diese Schlüsselmessgrößen operationalisieren die Strategie und machen sie auf jeder Hierarchieebene kommunizierbar. Sie müssen einen eindeutigen Bezug zu den strategischen Zielen aufweisen. Für jedes strategische Ziel muss es mindestens einen KPI geben. Entsprechend sind zunächst die strategischen Ziele festzulegen, dann die kritischen Erfolgsfaktoren für deren Erreichung zu identifizieren und daraus die geeigneten Messgrößen abzuleiten. Die Identifikation und Gewichtung der kritischen Erfolgsfaktoren, die sich von Branche zu Branche unterscheiden, dient im Rahmen des CPM-Prozesses der Priorisierung der Einflussfaktoren auf den zukünftigen Unternehmenserfolg. Die Kenntnis der Ursache/Wirkung-Beziehungen ist Voraussetzung für die Wahl der richtigen Schlüsselgrößen. Key Performance Indicators können anhand ihrer finanziellen Ausprägung (monetär, nichtmonetär), ihrer zeitlichen Ausprägung (nachlaufend, vorauseilend) sowie ihres Vergleichscharakters (qualitativ, quantitativ) unterschieden werden. KPIs mit vorauslaufendem Charakter unterstützen das Management beispielsweise bei der Identifikation von Leistungspotenzialen und der frühzeitigen Erkennung von Risiken. Vergangenheitsbezogene Größen hingegen helfen bei der Bewertung der Zielerreichung. Weitere Managementaufgaben, die mithilfe der Schlüsselindikatoren besser gelöst werden können, sind in Abbildung 2.33 dargestellt. Bei der Zusammenstellung des Mix von Key Performance Indicators ist darauf zu achten, dass alle Arten von Kennzahlen in einem ausgewogenen Verhältnis berücksichtigt werden. Neben Frühindikatoren sind nachlaufende, neben qualitativen quantitative und neben monetären nicht-monetäre Kennzahlen so zu berücksichtigen, dass ein möglichst genaues Abbild der aktuellen Situation und der Perspektiven des Unternehmens entsteht. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 136 Kapitel 2: Corporate Performance Management Führen Belohnen Motivieren Auswählen Analysieren Verdichten Konkretisieren Berichten Kommunizieren Vergleichen Nach vorn sehen Zurück sehen Bewerten Abbildung 2.33 Managementaufgaben, welche durch Key Performance Indicators unterstützt werden1 Dem Intellectual Capital-Ansatz ist es zu verdanken, dass immaterielle Werte und damit weiche Faktoren im Hinblick auf die Bewertung der Unternehmensleistung an Bedeutung gewonnen haben. Corporate Performance Manangement-Systeme zeichnen sich gegenüber klassischen Performance Measurement-Systemen eben gerade dadurch aus, dass neben den Finanzkennzahlen in einem ausgewogenen Verhältnis Soft Facts in Form qualitativer, auf subjektiven Urteilen beruhender KPIs in die Leistungsbeurteilung einbezogen werden. Diese lassen sich genauso messen wie quantitative Messgrößen. So ist es natürlich jederzeit möglich festzustellen, ob sich das Image eines Unternehmens im Jahresvergleich verändert hat. Der Markenhändler Semion Brand Broker geht in diesem Bereich noch einen Schritt weiter und errechnet aufgrund der Ausprägungen qualitativer Daten, wie z.B. Imagebeurteilungen, und quantitativer Daten, wie z.B. dem Marktanteil, den Wert einer Marke. Mithilfe von Ratingskalen lassen sich subjektive Wahrnehmungen, z.B. über die Qualität des Betriebsklimas, quantifizieren. Selbst wenn man nur grobe Urteile im Zeitvergleich, wie z.B. »verbessert«, »gleich geblieben« und »verschlechtert« für die Zufriedenheit mit der Arbeitsatmosphäre erhebt, haben diese eine Aussagekraft. Für den künftig zu erwartenden Unternehmenserfolg sind derartige Größen bedeutend aussagekräftiger als beispielsweise das letzte Quartalsergebnis. Jedes Unternehmen ist einzigartig. Deshalb gibt es kein Standardset von Leistungsindikatoren, das auf jeden Fall zu berücksichtigen ist. So wird beispielsweise ein Automobilhersteller ganz 1 Quelle: Krause (2006), S. 23 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Der Performance Management-Prozess 137 anderen Performancegrößen eine strategische Bedeutung beimessen als ein Autohandelsunternehmen, obwohl es um das gleiche Produkt geht. Bei der Einführung eines Corporate Performance Manangement-Systems kann man davon ausgehen, dass das Management grundsätzlich die für den Geschäftserfolg kritischen Faktoren kennt und deshalb die wesentlichen Erfolgsindikatoren im Blick behält. Häufig fehlt es jedoch an einem konsistenten System von Key Performance Indicators über die Hierarchieebenen hinweg, in das alle Mitarbeiter eingebunden sind. Die Welt verändert sich. Deshalb ist ständig zu überprüfen, ob die genutzten KPIs tatsächlich noch die richtigen sind. Sollte das nicht mehr der Fall sein, dürfen auch keine Ressourcen mehr für die Datensammlung und -analyse vergeudet werden. Um herauszufinden, ob ein Performancemaß noch benötigt wird, reicht es aus, die Messergebnisse den üblichen Empfängern einfach nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Falls sich niemand beschwert, kann man die Wertermittlung getrost einstellen. Zielwerte für Key Performance Indicators bestimmen Nachdem die zentralen KPIs ausgewählt sind, gilt es, Vorgabewerte für diese zu ermitteln. Diese haben zum einen den Charakter von Zielwerten und zum anderen jenen von kritischen Schwellenwerten im Hinblick auf die Auslösung strategischer Aktionen. Damit man weiß, wann ein strategisches Ziel erreicht ist, muss natürlich ein Zielwert festgelegt werden. Dieser muss anspruchsvoll im Sinne einer Herausforderung aber auch erreichbar sein. Ist letzteres aus Sicht der für die Zielrealisierung zuständigen Mitarbeiter nicht gegeben, werden sie bereits mit Selbstzweifeln das Ziel in Angriff nehmen und erwartungsgemäß dann auch häufig scheitern. Da die Zielerreichung in der Regel belohnt wird, führen zu ambitionierte, kaum erreichbar erscheinende Ziele zu Demotivation und Mitarbeiterunzufriedenheit. Die Akzeptanz von Zielwerten erhöht sich vor diesem Hintergrund, wenn Benchmarks zur Verfügung stehen. Das können Klassenbestwerte aus anderen Abteilungen im Rahmen eines internen Benchmarkings oder von externen Benchmarkingpartnern sein. Hüten sollte man sich aber grundsätzlich davor, die Zielerreichung zu früh mit Entlohnungsanreizen zu koppeln. Aber auch wenn das System stabil läuft, ist zu überlegen, ob man das Erreichen bestimmter Levels bei einzelnen KPIs belohnt, denn die Mitarbeiter werden sich von diesem Tag an nur noch auf diese Key Performance Indicators konzentrieren und dadurch andere Ziele vernachlässigen. Die Zielwerte sollten im Rahmen eines Zielvereinbarungsprozesses entwickelt und von den Betroffenen der jeweiligen Performancemessung akzeptiert werden. Ganz wichtig ist die Dokumentation in Form eines Messgrößendefinitionsformulars (Abbildung 2.34). Durch eine möglichst detaillierte Beschreibung wird auch vermieden, dass das Ziellevel von unterschiedlichen Personen in unterschiedlicher Weise interpretiert wird, wie dies bei Verwendung von Adjektiven, wie z.B. »rechtzeitig« oder »pünktlich«, die für alle eine andere Bedeutung haben können, der Fall ist. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 138 Kapitel 2: Corporate Performance Management Messgröße: Messzweck: Bezug: Messverfahren: Zielwert(e): Messfrequenz: Datenquelle: Messender: Handelnder (Eigner): Aktionen: Anmerkungen: ………….....………………………………. ……….……………………………………. …...……….……………………………….. .……………………………………………. .……………………………………………. ...…..………………………………………. ...………..…………………………………. ..…………………………………………… …...…………..……………………………. .……………………..……….……………. .......…...…………………………………... Abbildung 2.34 Formular zur Messgrößendefinition1 Relativ leicht zu beschaffen sind Branchendurchschnittswerte. Anspruchsvoller ist die Ausrichtung an den Klassenbesten, deren Werte beispielsweise aus Best Practice-Veröffentlichungen oder im Rahmen von Bewerbungsgesprächen gewonnen werden können. Liegen keine Benchmarkgrößen vor, bietet sich als Basis für den Verbesserungsprozess das Vorjahresergebnis an. Diskutiert werden müssen dann die festzulegenden Verbesserungsraten in der gewählten Betrachtungsperiode. Gibt es auch keine Vergangenheitswerte muss versucht werden, Zielwerte aus anderen Indikatoren abzuleiten bzw. zu schätzen. Hier bietet es sich entweder an, von den betroffenen Stakeholdern Hinweise auf das Zielniveau einzuholen oder die Messgröße zunächst ohne Vorgabe eines Zielwerts einzuführen und eine Periode abzuwarten. Sobald die Erreichung der Zielwerte mit Entlohnungsanreizen verbunden ist, wird es eine Tendenz zu konservativen Zielsetzungen geben. Deshalb wird ja auch beim Beyond BudgetingAnsatz die Zielerreichung von der Entlohnung entkoppelt. Zur Vermeidung zu niedriger absoluter Zielwerte kann auch hier vom Beyond Budgeting gelernt und, wo immer möglich, mit relativen Zielen gearbeitet werden. Wichtig ist weiterhin, die Ziellevel von Zeit zu Zeit kritisch zu beleuchten. Der Zeithorizont für die Festlegung von Zielwerten im Rahmen der strategischen Planung beträgt drei bis fünf Jahre. Eine einfache mathematische Aufteilung der angestrebten Gesamtwertänderungen auf die einzelnen Perioden ist häufig realitätsfremd, da beispielsweise Qualitätssteigerungen am Anfang des Verbesserungsprozesses leichter zu erzielen sind als nach jahrelangem kontinuierlichen Streben. Neben den Zielwerten sind auch kritische Schwellenwerte für die Einleitung von Korrekturmaßnahmen zu bestimmen. Es gilt also, eine Bandbreite für jeden Key Performance Indicator festzulegen. Sobald diese im negativen Sinne verlassen wird, muss eine Warnmeldung erfolgen. Inwieweit grobe Zielverfehlungen, z.B. bei der Kundenzufriedenheit, in die Vergütung einfließen, muss im Rahmen der Zielvereinbarungsgespräche festgelegt werden. 1 Quelle: In Anlehnung an Neely/Adams/Kennerly (2002), S. 35 Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 Der Performance Management-Prozess 139 Zielerreichungsgrade messen und bewerten Die Überprüfung der Performance beinhaltet sowohl das Messen als auch das Bewerten der Performance. Untersucht wird der Erfolg der Strategieimplementierung auf Basis der identifizierten Key Performance Indicators. In der Regel kommt es nicht auf den konkreten Zielerreichungsgrad bei der Performancemessung an. Viel wichtiger ist festzustellen, ob man noch auf dem richtigen Weg zum Ziel ist und die Geschwindigkeit der Zielerreichung im Hinblick auf die Erlangung von komparativen Vorteilen akzeptabel ist. Für jeden KPI muss festgelegt werden, wann, von wem, wie häufig und auf welche Art und Weise gemessen wird. Es kann permanent gemessen werden, z.B. die Ausschussquote in einem Produktionsprozesses. Oder es wird punktuell gemessen, z.B. im Rahmen eines Benchmarkingprojekts. Die Entscheidung über die Messfrequenz wird in Abhängigkeit von den Kosten der Messung und der Bedeutung des Indikators getroffen. In börsennotierten Unternehmen findet man häufig die quartalsweise Erhebung der Key Performance Indicators in Analogie zum externen Reportingzyklus. Finanzkennziffern werden üblicherweise monatlich ermittelt. Messungen mit hohem Erfassungsaufwand oder der Gefahr, durch zu häufige Datenerhebung Reaktanz zu erzeugen, wie im Falle von Kundenzufriedenheitsbefragungen, erfolgen häufig nur einmal im Jahr. Die Performancemessung kann von Mitarbeitern oder beauftragten Dienstleistern durchgeführt werden. Sie kann aber auch im Rahmen von Marktuntersuchungen durch Organisationen und Interessenvereinigungen, wie z.B. die Erhebung des Customer Satisfaction Index im Automobilsektor, erfolgen. Die Leistungsmessung bzw. die entsprechende Entwicklung der Anreizsysteme kann sowohl auf der Ebene des einzelnen Individuums als auch auf Gruppenebene geschehen. Auf jeden Fall müssen die Ergebnisse dokumentiert und kommuniziert werden. Das Reporting der ermittelten Ergebnisse dient in erster Linie der Verhaltensbeeinflussung der Mitarbeiter. Diese werden aufgrund der geschaffenen Leistungstransparenz dazu motiviert, selbständig nach Schwachstellen zu suchen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Damit der Blick für das Wesentliche nicht versperrt wird, sind auf jeder Hierarchieebene nur die für diese relevanten Messergebnisse zu penetrieren, bedarfsspezifisch aufzubereiten und durch Colour Coding-Priorisierungen in der Darstellung hervorzuheben. Bedeutend ist jedoch nicht nur die Kommunikation der Informationen, sondern auch deren Bewertung. Nur wenn die Ursache/Wirkung-Beziehungen bekannt sind, können die Ergebnisse strategieorientiert interpretiert und die richtigen Entscheidungen zur weiteren Performanceverbesserung getroffen werden. Strategische Aktionen entwickeln Wenn der Inhaber einer kleinen Autoreparaturwerkstatt feststellt, dass sein Auftragsbuch für die nächste Woche am Freitagmittag noch nicht ausreichend gefüllt ist, d.h. der zukunftsgerichtete KPI »Auftragseingänge« seinen Sollwert nicht erreicht hat, dann schaltet er aus seinem Erfahrungswissen für Sonntag eine Anzeige mit einer Sonderaktion im lokalen Anzeigenblatt. Diese Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3 140 Kapitel 2: Corporate Performance Management Verfahrensweise lässt sich bei zunehmender Komplexität nicht einsetzen. Doch gerade in den betroffenen größeren Unternehmen fehlt häufig die Verbindung zwischen den abstrakten strategischen Zielen und den konkreten strategischen Aktionen. Die Folge ist oftmals ein Abwarten in der Hoffnung, dass sich das Problem als von temporärer Natur herausstellt und der Zielkorridor bei dem entsprechenden Key Performance Indicator im nächsten Quartal wieder erreicht wird. Dadurch verstreicht meistens aber wertvolle Zeit und das Problem vergrößert sich noch. Deshalb müssen über die Messung und Erklärung des Messergebnisses hinaus zur Beeinflussung der einzelnen Performancetreiber strategische Aktionen auf Vorrat entwickelt werden. Die Ergebnisverantwortlichen müssen deshalb neben dem Vorantreiben der laufenden, strategischen Aktionen Ideen sammeln und ausarbeiten. Arbeitsgruppen können in Brainstormingsitzungen Beiträge erarbeiten, die danach hinsichtlich ihrer strategieunterstützenden Wirkung zu bewerten sind. Dabei sind die strategischen Aktionen den einzelnen strategischen Zielen zuzuordnen. Da nirgendwo unbegrenzte Ressourcen vorhanden sind, müssen die strategischen Aktionen abschließend in eine Rangfolge gebracht werden. Dazu sollten zunächst unterschiedliche Zukunftsszenarien gebildet und die strategischen Aktionen nach der in dem jeweiligen Szenario zu erwartenden Wirkung pro investierter Geldeinheit geordnet werden. Aufgrund dieser Einordnung wird man mit der Ausarbeitung der strategischen Aktion beginnen, die beim wahrscheinlichsten Szenario den größten strategieunterstützenden Einfluss haben wird. Sollte sich wider Erwarten eine andere Entwicklung abzeichnen, ist man auch dafür gewappnet. Denn die intensive Beschäftigung mit den Ursache/Wirkung-Zusammenhängen und die vorbereiteten strategischen Aktionen verkürzen die Reaktionszeit erheblich. Durch den im Corporate Performance Management geschaffenen Link zwischen Strategie und strategischer Handlungsoption lässt sich die Unternehmensleistung jederzeit strategieorientiert steuern. Corporate Performance Management, © 2008 Microsoft Press Deutschland, ISBN 978-3-86645-627-3