Endogene Präferenzen
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Endogene Präferenzen
Endogene Präferenzen: Modelle und wohlfahrtstheoretische Implikationen DIPLOMARBEIT zur Erlangung des Grades eines Diplom-Volkswirtes an der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München Eingereicht von: Andreas Gösele Referent: Prof. Dr. C. Hillinger München, den 16. Mai 1994 Inhaltsverzeichnis I. Einleitung A. Zur Themenstellung B. Verwandte Fragestellungen 3 3 6 II. Modelle A. Vorausschauende Konsumenten Hahnels und Alberts "Neues Wohlfahrtsparadigma" Rationale Abhängigkeit (Becker/Murphy 1988) B. De gustibus non est disputandum C. Kurzsichtige Konsumenten 10 11 11 13 19 29 III. Wohlfahrtstheoretische Konsequenzen A. Die Überlistung des Konsumenten Darstellung Kritik B. Theoreme einer neuen Wohlfahrttheorie Misestimating Welfare Effects Misinterpreting Coincidence of Supplies und Desires Existence of General Equilibria Social Efficiency Distributional Flexibility Snowballing Nonoptimal Allocations Snowballing Warped Human Development Disguised Distortion C. Kurzsichtig oder vorausschauend? 33 33 33 40 44 44 45 48 49 49 50 60 62 63 IV. Zum Abschluß 71 Literaturverzeichnis 73 3 I. Einleitung A. Zur Themenstellung Daß Wünsche und Bedürfnisse, Geschmack und Mode keine Konstanten sind, sondern mehr oder minder der ständigen Veränderung unterworfen, dürfte dem ökonomischen Laien eine Selbstverständlichkeit sein. Überraschender Weise aber werden im weit überwiegenden Teil der modernen ökonomischen Theorie Präferenzen als konstant angenommen, oder zumindest wird darauf verzichtet, Konsequenzen ihrer Veränderlichkeit explizit zu behandeln. Das geschieht nicht nur aus bloßer Nachlässigkeit, einige Autoren meinen gute Gründe für eine solche Vorgehensweise zu haben. Nachdem z.B. Milton Friedman in seiner Preistheorie kurz auf die Wichtigkeit der Veränderlichkeit von Präferenzen eingegangen ist, schließt er das Thema ab, indem er begründet, warum die Wirtschaftstheorie "weitgehend von vorgegebenen Bedürfnissen" ausgeht: "Der Grund hierfür ist vornehmlich der einer Arbeitsteilung. Denn der Ökonom kann über die Entstehung von Bedürfnissen nur sehr wenig aussagen; dies ist eher die Domäne des Psychologen. Die Aufgabe des Wirtschaftswissenschaftlers besteht vielmehr darin, die Folgen irgendeines vorgegebenen Bedürfnismusters aufzuzeigen. Die Legitimität und die Rechtfertigung für diesen Abstraktionsgrad hängen genau wie bei jeder anderen Abstraktion letztlich von den gewonnenen Erkenntnissen sowie von der Fähigkeit ab, Vorhersagen zu treffen, die überhaupt erst durch die Abstraktion ermöglicht werden." (FRIEDMAN 1977 S. 26) Diese Überlegungen sind wenig überzeugend, wenn sie mehr sein wollen als eine Begründung dafür, daß in einem Teilbereich der Wirtschaftswissenschaft auf die Behandlung veränderlicher Präferenzen verzichtet wird. Wenn es nämlich wahr ist, "daß Bedürfnisse sowohl Ursache als auch Ergebnis einer Handlung sein können" (ebd. S. 25), dann muß die systematische Ausblendung dieser Zusammenhänge zu verzerrenden Ergebnissen in einer Wissenschaft führen, in der gerade die Verbindung von Bedürfnissen (Präferenzen) und Handlungen (Konsum bzw. Arbeit) paradigmatische Bedeutung hat. Aber selbst dann, wenn die Wirtschaftswissenschaften die Erklärung der Entstehung von Bedürfnissen ganz der Psychologie überlassen könnten, würde daraus noch lange nicht folgern, daß sie Bedürfnisse/Präferenzen einfach als statisch vorgegeben annehmen dürften, sich also damit begnügen dürften, "die Folgen irgendeines vorgegebenen Bedürfnismusters aufzuzeigen". Wenn der Wandel von Bedürfnissen so tiefgreifende Konsequenzen hat, wie die kursorischen Bemerkungen Friedmans 4 suggerieren, dann müßten zumindest auch die Folgen eines exogenen Wandels von Präferenzen reflektiert werden. Wer einmal einen Blick in die Literatur geworfen hat, die den Wandel von Präferenzen behandelt, dem wird der beachtliche technische Aufwand aufgefallen sein, der dabei benötigt wird. Trotzdem gelangt man aber oft nur unter erheblich vereinfachenden Annahmen, insbesondere der Spezifikation bestimmter Funktionen, zu aussagekräftigen Resultaten. Deshalb hängt, um in den Worten Friedmans zu sprechen, natürlich auch die "Legitimität und Rechtfertigung" eines Forschungsprogramms, das den Wandel von Präferenzen wirtschaftswissenschaftlich zum Thema macht, "letztlich von den gewonnenen Erkenntnissen sowie von der Fähigkeit ab, Vorhersagen zu treffen". Wo Friedman von den wichtigen Konsequenzen der Veränderlichkeit von Bedürfnissen spricht, da gibt er dann vor allem ein Beispiel aus dem Bereich der Wohlfahrtstheorie: Er zeigt, daß bei veränderlichen Bedürfnissen ein objektiv festlegbarer Mindestlebensstandard ein unsinniges Konzept ist (ebd. S. 25 f.). Das führt uns zur Vermutung, daß gerade die Wohlfahrtstheorie ein Gebiet ist, in dem die explizite Berücksichtigung des Wandels von Bedürfnissen sich als besonders fruchtbar erweisen könnte, daß gerade hier interessante neue Erkenntisse zu erwarten sind. Bislang habe ich meist etwas unspezifisch von Veränderungen von Bedürfnissen gesprochen. Bedürfnisse werden in der modernen Mikroökonomie in der Form von Präferenzen und daraus abgeleiteten ordinalen Nutzenfunktionen dargestellt. Präziser werde ich von jetzt an vom Wandel von Präferenzen oder Nutzenfunktionen sprechen. Ein solcher Wandel von Präferenzen wiederum läßt sich grundsätzlich (wie oben schon angedeutet) aus zwei Perspektiven betrachten. Zum einen kann er als von außerhalb des wirtschaftlichen Systems kommend behandelt werden. Präferenzen ändern sich aufgrund verschiedenster kultureller, soziologischer, psychologischer oder auch nicht weiter aufklärbarer Faktoren, und man kann sich fragen, welche Konsequenzen solche exogene Änderungen von Präferenzen auf das Verhalten von Konsumenten, auf Wachstumspfade, auf die wohlfahrtstheoretischen Eigenschaften bestimmter Institutionen usw. haben. Zum anderen kann man aber den Wandel von Präferenzen auch als Konsequenz wirtschaftlicher Entscheidungen, Handlungen und Prozesse verstehen, man betrachtet ihn also als dem wirtschaftlichen System endogen. Das wird die Perspektive dieser Arbeit sein, wobei aber natürlich klar sein sollte, daß eine ganze Reihe von Fragestellungen und Ergebnissen den beiden Perspektiven gemeinsam sein können. Hat man sich einmal für eine Endogenisierung von Präferenzen als Perspektive entschieden, bleibt noch die Frage, von welchen Variablen Präferenzen abhängig gedacht werden sollen. 5 Man kann Präferenzen abhängig machen von früheren Konsum- bzw. Arbeitsentscheidungen des jeweiligen Konsumenten selbst. Eine Sucht könnte z.B. so verstanden werden, daß der Konsum des Suchtmittels nicht nur ein augenblickliches Bedürfnis befriedigen würde, sondern gleichzeitig auch die Präferenzen des Konsumenten so verändert, daß er künftig den Konsum dieses Suchtmittels noch höher schätzt. Ähnlich könnte man auch Lerneffekte beim Konsum bestimmter Kulturgüter interpretieren: Wer noch nie in einer Oper war, kann sich vielleicht schlecht vorstellen, daß ihm das Spaß machen könnte. Durch häufigeren (zunächst vielleicht widerwilligen) Konsum von Opern wachsen (bei manchen) dann aber Fähigkeiten und Kenntisse, die zu einer Höherschätzung des Kulturgutes Oper führen. Die beiden Beispiele gehören in den Bereich der "habit formation": Der Konsum eines Gutes führt zu vermehrtem Konsum desselben Gutes. Aber selbstverständlich gibt es noch andere Möglichkeiten: Der Konsum eines bestimmten Gutes mag zum Überdruß führen und so gerade zu künftig geringerem Konsum dieses Gutes. Und es mag auch "Kreuzeffekte" geben: Wer einen Arbeitsplatz "gewählt" hat, der ihm eine intellektuell anregende Beschäftigung und Umgebung bietet, der mag auch in seiner Freizeit geistig anregende Beschäftigungen vorziehen. Präferenzen können aber auch von Entscheidungen der Unternehmen abhängig gemacht werden. Bekanntestes Beispiel ist die Werbung: Sicher sind die hohen Ausgaben, die die Unternehmen für Werbung ausgeben, in der Hoffnung begründet, damit über eine Veränderung der Präferenzen die Entscheidungen der Konsumenten beeinflussen zu können. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Präferenzen eines Konsumenten von den Entscheidungen anderer Konsumenten abhängig zu machen, wie es in den Modellen interdependenter Präferenzen geschieht. Zuletzt können die Präferenzen eines Konsumenten auch noch von den Preisen der Güter abhängig gemacht werden. Zu nennen wären hier die Beurteilung der Qualität von Gütern anhand ihres Preises oder auch der Veblen-Effekt.1 In dieser Arbeit möchte ich nur die erste der hier genannten Möglichkeiten behandeln, d.h. die Abhängigkeit der Präferenzen von Entscheidungen des Konsumenten selbst.2 Dabei möchte ich dann in der folgenden Weise vorgehen: Im ersten Hauptteil werde ich einen systematischen Überblick darüber geben, wie endogene Präferenzen modelliert werden können. Dabei möchte ich aber nicht in technische Detailfragen einsteigen, sondern nur die grundsätzliche Vorgehensweise erläutern. Im zweiten Hauptteil wird es dann um die wohlfahrtstheoretischen Konsequenzen der Endogenisierung von Präferenzen gehen. Die Frage dabei wird sein, ob sich in der Tat 1 Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend. Einen guten Überblick bietet SCHOKKAERT 1982. Für weitere Beipiele zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. auch POLLAK 1976b und 1977, ALESSIE/KAPTEYN 1991, VENDRIK 1993. 2 So möchte ich im folgenden auch den Ausdruck "endogene Präferenzen" verstanden wissen. Damit folge ich der Sprachregelung etwa bei HAHNEL/ALBERT 1990. 6 neue Fragestellungen und Resultate ergeben, die diese Forschungsrichtung als fruchtbar erweisen können, oder ob nur auf komplizierterem technischen Niveau altbekannte Ergebnisse reproduziert werden. B. Verwandte Fragestellungen In meiner Arbeit beschränke ich mich auf die Behandlung der wohlfahrtstheoretischen Aspekte der Endogenisierung von Präferenzen. Hier möchte ich einen kurzen Überblick auf einige andere Fragestellungen geben, die in der Literatur im Zusammenhang endogener Präferenzen behandelt werden. Ein Großteil der Arbeiten, die den Konsumenten als kurzsichtig modellieren, sind nachfragetheoritisch orientiert. Aus den Modellen sollen (eventuell auch schätzbare) Nachfragesysteme abgeleitet werden. Die meisten untersuchen dabei neben dem kurzfristigen Nachfrageverhalten auch Fragen der Konvergenz und Stabilität bei langfristig konstanten Preisen und leiten auch entsprechende langfristige Nachfragesysteme her. Einiger dieser Arbeiten diskutieren dann auch die Existenz langfristiger Nutzenfunktionen. Neben (bahnbrechend) HOUTHAKKER/TAYLOR (1970), wären hier etwa zu nennen GORMAN (1967) (eine frühe Arbeit zur Frage langfristiger Nutzernfunktionen), POLLAK (1970 und 1976a), PHLIPS (1974), EL-SAFTY (1976a und 1976b), HAMMOND (1976), SCHOKKAERT (1982). Vorausschauende Konsumenten werden (aus verständlichen Gründen) modelliert, wenn es darum geht Eigenschaften optimaler Wachstumspfade bei endogenen Präferenzen zu untersuchen. Fragen der Existenz, Eindeutigkeit, Stabilität von steady states, des assympotischen Verhalten und der Monotonie der Wachstumspfade werden diskutiert. SAMUELSON (1971), RYDER/HEAL (1973), BOYER (1978) könnten genannt werden. Zu mehr nachfragetheoretisch orientierte Arbeiten unter Voraussetzung vorausschauender Konsumenten gehören LLUCH (1974), PHLIPS (1974), SPINNEWYN (1981), BOYER (1982) und auch SCHOKKAERT (1982). Es stellt sich natürlich auch die Frage nach der empirischen Relevanz endogener Präferenzen. Eine ganze Reihe von Autoren haben deshalb Nachfragemodelle, die auf der Basis endogener Präferenzen abgeleitet wurden, geschätzt. Stellvertretend möchte ich nennen HOUTHAKKER/TAYLOR (1970), PHLIPS (1974) und ALLESSIE/KAPTEYN (1991). Der letzte Artikel (der neben habit formation auch interdependente Präferenzen und Familiengröße berücksichtigt) zeigt etwa, daß die Vernachlässigung des Effektes der habit formation zu deutlich schlechtern Ergebnissen führt. BECKER/GROSSMAN/MURPHY (1991) zitieren eine Reihe von empirischen Arbeiten, denen Modelle vorrausschauender Konsumenten zugrundeliegen. Allgemein scheint die Signifikanz von Variablen, die den vergangenen Konsums 7 einfangen, gut gesichert. Das Problem dabei ist allerdings, daß endogene Präferenzen nicht die einzig mögliche Erklärung dafür sind. Insbesondere die Existenz von dauerhaften Konsumgütern, aber z.B. auch die nicht vollständige Spezifikation der Budgetrestriktion können zu signifikanten zeitversetzten Konsumvariablen führen. (Vgl DEATON/MUELLBAUER 1980 S. 376, SCHOKKAERT 1982 S. 58) In meiner Arbeit werde ich ein Problem ausklammern, das sich im Zusammenhang von endogenen Präeferenzen (überhaupt von veränderlichen Präferenzen) stellt: das der möglichen Inkonsistenz der optimalen Pläne zu verschiedenen Zeitpunkten. Wir werden das Problem umgehen, indem wir i.d.R. eine in den Zeitpunkten (bzw. Perioden) additive Nutzenfunktion und Abdiskontierung mit konstanter Rate voraussetzen werden. Wenn etwa die intertemporale Nutzenfunktion allgemein als Ut(t)=Ut(xt,xt+1,...) angesetzt wird, die intertemporale Nutzenfunktion also selbst von Veränderungen betroffen ist, so ist klar, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß ein Konsument bei perfekter Voraussicht zum Zeitpunkt t einen optimalen Plan bestimmt, dem er (auch bei korrekt antizipierten Preisen) zum Zeitpunkt t nicht mehr folgen wird. Man beachte dabei, daß schon die Abdiskontierung in diesen Rahmen gehört, soweit man annimmt, daß die Abdiskontierung nicht mit einem bestimmten Zeitpunkt verbunden ist (weil ich etwa Konsum an meinem Geburtstag höher schätze als an anderen Tagen), sondern vom Abstand zwischen Planungszeitpunkt und betrachteten Zeitpunkt abhängt. Das ist aber selbstverständlich die normale Interpretation der Abdiskontierung. Arbeiten zu diesem Problembereich sind z.B. STROTZ (1955), PELEG/YAARI (1973), BLACKORBY/NISSEN/PRIMONT/RUSSEL (1973), HAMMOND (1976b). Sie beschäftigen sich zum einen mit den Bedingungen, denen eine Nutzenfunktion entsprechen muß, um solche Inkonsistenzen zu vermeiden. Ein wichtiges Ergebniss ist, daß eine intertemporale Nutzenfunktion der Form genau dann zu keinen Inkonsistenzen führt, wenn λ(t-τ)=kt-τ, dh. wenn mit konstanter Rate abdiskontiert wird. (STROTZ 1955 S. 172 u. 176) Zum anderen beschäftigen sich diese Arbeiten mit der Frage, wie ein Konsument mit solchen Inkonsistenzen umgehen kann oder sollte. Der Konsument kann einmal einfach zu jedem Zeitpunkt entsprechend des gerade optimalen Planes entscheiden ("naive choice", bzw, "myopic choice"); er kann unter den Plänen, von denen er weiß, daß er ihnen folgen wird, den besten aussuchen ("sophisticated choice"); er kann eine 8 Plan wählen so, daß zu jedem Zeitpunkt, diesem Plan zu folgen, die beste Strategie ist, gegeben, daß er zu jedem anderen Zeitpunkt seinem Plan folgt (eine Art individuelles Nash-Gleichgewicht; s. PELEG/YAARI 1973 S. 394 ff.); oder er kann versuchen, sich auf die Einhaltung des ursprünglichen Planes zu verpflichten. HAMMOND (1976b S. 160 f.) hat zurecht darauf hingewiesen, daß die letzte Strategie als eine eigenständige nur gelten kann, wenn für das urspüngliche Entscheidungsproblem nicht alle Möglichkeiten des Individuums berücksichtigt wurden. Werden alle Optionen berücksichtigt, läßt sich die Strategie der Selbstverpflichtung auf die der "sophisticated choice" zurückführen. Alle diese Strategien leiden unter dem Problem, daß nicht klar ist, in welchem Sinne sie optimal sein sollen. Sie können ein Verhalten generieren, das durch keine Nutzenfunktion rationalisierbar ist. (Vgl. dazu z.B. HAMMOND 1976b S. 162 u. 170, BLACKORBY/NISSEN/PRIMONT/RUSSEL 1973 S. 247) Für die zweite und dritte Strategie existieren nur unter bestimmten Voraussetzungen entsprechende Pläne. Ähnliches gilt für die Eindeutigkeit. (PELEG/YAARI 1973 S. 396 f., BLACKORBY/NISSEN/PRIMONT/RUSSEL 1973 S. 246) Es gibt eine Reihe von Spezialfragen, auf die die Theorie endogener Präferenzen mit Erfolg angewandt worden ist. STIGLER/BECKER (1977) und BECKER/MURPHY (1988) haben das Modell des vorrausschauenden Konsumenten erfolgreich benutzt, um viele der Verhaltensweisen zu generieren, die für Abhängigkeiten typisch sind. Einen anderen Weg beschreiten Arbeiten wie z.B. WINSTON (1980), die versuchen das Verhalten bei Abhängigkeit als Konflikt verschiedener Präferenzensyteme in einem Konsumenten zu erklären. Eine ganze Reihe von Aufsätzen benutzt den Ansatz der habit formation zur Lösung des "equity premium puzzle" in der Modellierung der Preisbildung verschiedener Anlageformen. MEHRA/PRESCOTT (1985) haben versucht ein asset pricing Modell mit isoelastischer Nutzenfunktion zu kalibrieren, um die von ihnen für Amerika geschätzten historischen Werte der Risikoprämie zwischen kurzfristigen Staatspapieren und Aktien zu reproduzieren. Mit den von ihnen ebenfalls geschätzten Werten für Mittelwert, Varianz und Korrelation der Wachstumsrate des Konsums ist ihnen das nicht gelungen. Die Modellwerte blieben bei allen von ihnen als vernüftig angenommenen Parametern der Nutzenfunktion weit hinter dem historischen Durchschnittswert zurück. Die Einführung der Hypothese der habit formation erlaubt nun, den historischen Wert zu reproduzieren und in diesem Sinn das "equity premium puzzle" zu lösen. Sowohl mit der Hypothese kurzsichtiger Konsumenten (z.B. ABEL 1990) als auch der vorrausschauender Konsumenten (z.B. CONSTANTINIDES 1990) wurde dabei gearbeitet. Bis jetzt einzigartig scheint der Versuch von VENDRIK (1993) zu sein, die Theorie endogener Präferenzen (zusammen mit einer Theorie interdependenter Präferenzen und 9 einer Theorie des Wandels sozialer Normen) auf den Arbeitsmarkt anzuwenden. Mit Hilfe quadratischer Nutzenfunktionen gelingt es ihm auch im Rahmen eines Modelles kurzsichtiger Individuen ähnliche dynamische Phänomene abzuleiten wie BECKER/MURPHY (1988) es für "rationale Abhängigkeit" getan haben. Solche Phänomene (z.B. die Existenz instabiler steady states) können einen Beitrag zur Erklärung radikaler Verhaltensänderungen geben, wie einer Hausfrau zur Vollzeitbeschäftigten oder vom Arbeiter zum wenig motivierten Arbeitslosen. 10 II. Modelle Die Endogenisierung von Präferenzen ist sicher noch immer eher ein Thema, das nur von einer Minderheit von Ökonomen beachtet und behandelt wird. Vielleicht ist das ein Grund dafür (oder eine Folge davon?), daß sich unter denen, die sich diesem Problem widmen, noch kein Konsens herausgebildet zu haben scheint, was die korrekte Weise ist, endogene Präferenzen zu modellieren. Ein Überblick über die Literatur zeigt, daß es insbesondere zwei Fragen gibt, nach deren Beantwortung sich die verschiedenen Modelle aufteilen lassen. 1. Sind Konsumenten vorausschauend und optimieren eine langfristige Nutzenfunktion, in der sie die Wirkungen aktueller Entscheidungen auf künftige Präferenzen korrekt antizipieren? Oder sind sie in dem Sinne kurzsichtig, daß sie zu jedem Zeitpunkt eine augenblickliche Nutzenfunktion optimieren, wobei sie den Präferenzen formenden Aspekt ihrer Entscheidungen übersehen? 2. Wird der Wandel von Präferenzen am besten als eine tatsächliche Änderung der Nutzenfunktion dargestellt, oder ist in der Tradition der "Neuen Theorie des Konsumentenverhaltens" ein Modell der Haushaltsproduktion vorzuziehen, in dem bei konstanter Nutzenfunktion Änderungen in den (Haushalts-) Produktionsfunktionen auftreten?3 Je nach Beantwortung dieser Fragen können wir vier Modelltypen unterscheiden: - Modelle mit sich ändernder Nutzenfunktion und langfristig optimierenden Konsumenten (A); - Modelle mit sich ändernder Haushaltsproduktionsfunktion und langfristig optimierenden Konsumenten (B); - Modelle mit sich ändernder Nutzenfunktion und kurzsichtigen Konsumenten (C); - Modelle mit sich ändernder Haushaltsproduktionsfunktion und kurzsichtigen Konsumenten (D).4 Im folgende werde ich Beispiele für die Modelltypen A-C ausführlich darstellen.5 Die 3 Zur "Neuen Theorie des Konsumentenverhaltens" vgl. z.B.BECKER 1965, MICHAEL/BECKER 1973, LANCASTER 1966. 4 Selbstverständlich wären auch andere Einteilungen möglich: So könnte man Modelle mit endlichem und unendlichem Zeithorizont, oder diskrete und kontinuierliche Modelle unterscheiden. Dabei geht es aber eher um technische Details, weniger um substantielle Unterschiede. 5 Dabei möchte ich den Leser vorwarnen. Dieser erste Hauptteil meiner Arbeit dient ganz der Vorbereitung des zweiten. Was die Interpretation und Diskussion der Ergebnisse angeht, halte ich mich hier also sehr zurück. Vieles wird nur deshalb hier dargestellt, weil im zweiten Hauptteil darauf aufgebaut werden wird. 11 Diskussion des Modelltypes B wird eine detaillierte Behandlung von D überflüssig erscheinen lassen. A. Vorausschauende Konsumenten Hahnels und Alberts "Neues Wohlfahrtsparadigma" Albert und Hahnel legen in "Quiet revolution in welfare economics" (HAHNEL/ALBERT 1990) ein "neues Wohlfahrtsparadigma" vor, dessen zentrales Element die explizite Berücksichtigung des endogenen Charakters von Präferenzen ist. Formal arbeiten sie dabei mit Variationen folgenden allgemeinen Modelles.6 Die augenblickliche, auf eine Periode t=0,1,...,T bezogene Präferenzstruktur eines Individuums kann beschrieben werden durch eine Nutzenfunktion (1,1) Dabei ist: C(t)=[c1,c2,...,cC], C(t)∈ C+ ein Vektor von C positiven reellen Zahlen, deren jede den Bestand an bestimmten persönlichen Charakterzügen, Fähigkeiten, Kenntnissen und Werten abbildet (im folgenden: "menschliche Eigenschaften"); Q(t)=[q1,q2,...,qQ], Q(t)∈ Q+ ein Vektor, dessen Elemente Mengen der vom Individuum in Periode t konsumierten Güter abbilden; L(t)=[l1,l2,...,lL], L(t)∈ L+ ein Vektor, dessen Elemente die Stundenzahl abbilden, die ein Induviduum mit verschiedenen Arten von Arbeit zubringt; U(t) eine stetige, zweimal differenzierbare Funktion +(Q+L+C)→ . Für jedes Element ci(t) des Vektors von Beständen persönlicher Eigenschaften gelte weiterhin: ci(t)=ci(Q(t-1),Q(t-2),...,Q(0),L(t-1),L(t-2),...,L(0)) wobei ci(t): soll. 6 → + t (Q+L) + wiederum eine stetige, zweifach differenzierbare Funktion sein Vgl. op.cit. S 142ff. Faktisch stellen die Autoren auf diesen Seiten mehrere Versionen des Modelles gleichzeitig vor. Ich beschränke mich hier auf eine (die einfachste) dieser Versionen. Das Modell selbst ist schon eine Vereinfachung eines wesentlich reicheren "qualitativen Modells" op.cit. S 133ff. 12 Die Gesamtwohlfahrt eines Individuums sei gegeben durch (1,2) dh. sie ist eine lineare Funktion der periodenbezogenen Nutzenniveaus, wobei das Individuum mit Faktoren τt abdiskontiert. Das einzige Einkommen des Individuums sei sein Arbeitseinkommen, und alle Ausgaben einer Periode müssen aus dem Periodeneinkommen beglichen werden. Als Budgetrestriktion ergibt sich daraus: I(t)=π(t)Q(t) Dabei sei π(t) der Vektor der Güterpreise in der Periode t, und I(t)=I(C(t); L(t)) das Periodeneinkommen als stetige, zweimal differenzierbare Funktion +(C+L)→ + der Eigenschaften des Individuums und der Arbeitszeiten, die es für die verschiedenen Arten von Arbeit aufwendet. Das vorausschauende Individuum maximiert dann einfach W unter der Budgetrestriktion als Nebenbedingung. Formal können wir die Lagrangefunktion bestimmen, und daraus die Bedingungen erster Ordnung ableiten. Mit σt als Lagrangemultiplikatoren ergibt sich: (1,3) (1,4) (1,5) (1,6) 13 Die Bedingungen (1,4) (und mutatis mutandis (1,5)) lassen sich problemlos in der Sprache der traditionellen Haushaltstheorie interpretieren: Im Optimum ist der Grenznutzen des Konsums eines bestimmten Gutes gleich seinen Grenzkosten, gemessen als Preis mal Grenznutzen des Einkommens. Zur Bestimmung des Grenznutzens werden allerdings nicht nur die unmittelbare Wirkungen einer Veränderung des Konsums eines Gutes in einer bestimmten Periode auf den Periodennutzen, sondern auch die indirekten Wirkungen über die daraus folgenden Veränderungen der menschlichen Eigenschaften in allen zukünftigen Perioden berücksichtigt. Eine ganze Reihe von Arbeiten können als Variationen dieses Modells verstanden werden. Im einzelnen weichen diese Arbeiten dann z.T. in folgenden Punkten vom hier vorliegenden Modell ab: - Statt des endlichen wird ein unendlicher Zeithorizont betrachtet. - Statt der diskreten wird eine kontinuierliche Darstellung gewählt. - Die Budgetbeschränkung wird so modelliert, daß Sparen bzw. Leihen möglich wird. - Die Funktionen werden mit einfachen Funktionstypen spezifiziert. - Die Zahl der Güter-, Bestands- und Arbeitsarten wird erheblich reduziert, z.B. auf ein Gut, einen Bestand und keine Arbeit. (Damit es da noch etwas zu entscheiden gibt, müssen hier natürlich Sparen bzw. Leihen möglich sein.)7 Rationale Abhängigkeit (Becker/Murphy 1988) Weil diese Arbeit später noch eine Rolle spielen wird, und um ein Gefühl für die Konsequenzen solcher Variationen zu gewinnen, möchte ich jetzt noch den Modellansatz darstellen, den BECKER/MURPHY (1988) in ihrer Theorie der rationalen Abhängigkeit benutzen. Dabei beschränke ich mich auf die Wiedergabe solcher Ergebnisse, die ich später noch gebrauchen werde. Die Frage, inwieweit die von Becker und Murphy vorgelegte Theorie geeignet ist, typische Verhaltensweisen von Abhängigen zu erklären, (das eigentliche Interesse Beckers und Murphys) lasse ich hier völlig außer Acht.8 7 Vgl. etwa BOYER 1978 und 1983, LLUCH 1974, RYDER/HEAL 1973, SAMUELSON 1971, SPINNEWYN 1981 und BECKER/MURPHY 1988. Mit der Einordnung dieser Arbeiten in den von HAHNEL/ALBERT 1990 vorgegebenen Rahmen soll natürlich weder eine Aussage über die zeitliche Präzendenz noch über die Qualität verbunden sein. 8 S. 691 f. versuchen die beiden Autoren, sich dagegen zu wehren, "that only language distinguishes our approach [...] from approaches based on changes in prefences." Aber genau das ist der Fall: Ihr Ansatz unterscheidet sich von dem allgemeinen Modell Hahnels und Alberts darin, daß sie ein kontinuierliches Modell mit unendlichem Zeithorizont wählen; daß die Budgetbeschränkung einen Anfangsbestand an Vermögen berücksichtigt und Sparen bzw. Leihen möglich macht; daß das Einkommen nur vom Bestand einer Eigenschaft des Konsumenten abhängig ist (keine Arbeit modelliert); daß der Zusammenhang zwischen Konsum und dem Bestand dieser Eigenschaft in Form einer Differentialgleichung gegeben ist; und daß nur zwei Güter und ein solcher Bestand betrachtet 14 Es werden zwei Güter y und c betrachtet und ein Bestand an menschlichen Eigenschaften S, den die Autoren "Konsumkapital" nennen. Der augenblickliche Nutzen u sei eine streng konkave Funktion von y,c und S: u(t) = u[y(t),c(t),S(t)] Der Zusammenhang zwischen dem Konsum des Gutes c, dem Bestand an und der Veränderung von Konsumkapital S sei durch folgende Diffentialgleichung gegeben, mit δ als Abschreibungsrate:9 (2,1) Der Gesamtnutzen wird beschrieben durch (2,2) mit T als Lebensdauer und σ als konstanter Zeitpräferenzrate. Als Budgetrestriktion verwenden Becker und Murphy: (2,3) Dabei ist A0 das Ausgangsvermögen (in Einheiten des Gutes y) und r die konstante Zinsrate Das Einkommen sei eine konkave Funktion w(S(t)) des Bestandes an Konsumkapital zum Zeitpunkt t. y dient als Numeraire, und sein Preis wird als konstant gleich eins angenommen. Zur Lösung des Maximierungsproblems des Konsumenten schreiben wir nach entsprechender Umformung der Integralnebenbedingung (2,3) in eine isoperimetrischen werden. Alle diese Unterschiede verhindern sicher nicht, daß man die Einbeziehung des Bestandes an "Konsumkapital" in die Nutzenfunktion sinnvoll als Modellierung von Änderung von Präferenzen interpretieren kann. 9 Diese Gleichung ist gegenüber dem Originalaufsatz etwas vereinfacht, was auch einige der folgenden Gleichungen berührt, aber in keiner Weise die Substanz der Argumente. 15 Beschränkung als Hamiltonfunktion:10 (2,4) Dabei ist a(t) der Schattenpreis der Konsumkapitals, µ der (konstante) Grenznutzen der Anfangsausstattung, k(t) der jeweilige Bestand an Vermögen. Ableiten der Hamiltonfunktion ergibt folgende Bedingungen erster Ordnung: (2,5) (2,6) Als Bewegungsgleichung für den Schattenpreis des Konsumkapitals ergibt sich: (2,7) oder integriert:11 (2,8) Gleichung (2,6) läßt sich parallell zu (1,4) und (1,5) interpretieren: Der rationale, vorausschauende Konsument berücksichtigt bei seiner Konsumentscheidung nicht nur den Marktpreis eines Gutes, sondern auch den in Geld ausgedrückten Nutzen oder Verlust, den der Konsum des Gutes über die Beeinflußung des Bestandes an Konsumkapital später bringen wird. Ob sich dabei ein Verlust oder Gewinn ergibt, 10 Zur Behandlung von Integralnebenbedingungen vgl. FEICHTINGER/HARTL 1986 S. 123 ff., LEONARD/LONG 1992 S. 190 f. 11 Und nicht (1,1) wovon man sich durch Einsetzen und Ableiten leicht überzeugen kann. Vgl. dagegen BECKER/MURPHY 1988 S. 377. 16 hängt von den Vorzeichen und der relativen Größe von us und ws ab (2,8). Um konkretere Ergebnisse zu erhalten, vereinfachen Becker und Murphy dann ihr Modell, indem sie einen unendlichen Zeithorizont annehmen (T→∞), σ gleich r setzen, den Preis p(t) konstant gleich p setzen und schließlich eine quadratische Nutzenfunktion und eine quadratische Verdienstfunktion annehmen. Indem sie y mit Hilfe von (2,5) durch seinen Optimalwert ersetzen, erhalten die Autoren dann eine in c(t) und S(t) quadratische Wertfunktion: (2,9) in der die Koeffizienten αs und αss sowohl von den Koeffizienten der u als auch der w Funktion abhängen. Das Maximierungsproblem kann dann durch12 (2,10) mit (2,1) als Nebenbedingung und (2,11) als Transversalitätsbedingung beschrieben werden. Da über (2,1) c(t) in (2,10) durch einen linearen Ausdruch in S(t) und S(t) ersetzt werden kann, haben wir es mit einem einfachen Problem der Variationsrechung zu tun, dessen Eulergleichung wie folgt dargestellt werden kann: (2,12) 12 k ist eine Konstante, die von A0,µ,σ und den Koeffizienten für y in der quadratischen Nutzenfunktion abhängt. 17 mit (2,13) Als Wurzeln der Differentialgleichung (2,12) ergeben sich (2,14) Unter Voraussetzung der Konkavität von F(t) ist die Diskriminante dieser Wurzeln positiv, es gilt nämlich: (2,15) Beide Wurzeln sind also reell. Die größere kann allerdings vernachlässigt werden, da sie größer als σ/2 ist, S(t)2 also mit einer Rate wachsen würde, die die Transversalitätsbedingung (2,11) verletzt. Als optimaler Pfad für den Bestand an Konsumkapital ergibt sich (mit λ2 als kleinerer Wurzel und S* als Bestand im steady state): (2,16) Ein stabiler steady state kommt genau dann zustande, wenn B > 0, weil genau dann λ2 < 0 ist. Aus (2,16) zusammen mit (2,1) folgt: (2,17) 18 Ob c(t) und S(t) positiv zusammenhängen, wird also durch das Vorzeichen von (δ+λ2) bestimmt. Und wegen (2,14) zusammen mit (2,13): (2,18) Becker und Murphy betrachten auch den Fall, daß p(t) nicht konstant ist. Die Eulergleichung wird dann zu: (2,19) Diese Gleichung kann explizit für S(t) gelöst werden. Aus (2,1) und mit (2,20) ergibt sich dann13 (2,21) 13 Vgl. op. cit. S. 696. Diese Formel zusammen mit einigen weiteren hier erarbeiteten Ergebnissen wird im zweiten Teil meiner Arbeit gebraucht werden. 19 B. De gustibus non est disputandum Unter diesem Titel haben Stigler und Becker (STIGLER/BECKER 1977) einen Ansatz vorgelegt, der dem in dieser Arbeit verfolgten gerade entgegengesetzt scheint. Emphatisch sprechen sie sich dagegen aus, Präferenzen als wandelbar darzustellen. Sie gehen vielmehr davon aus, daß Präferenzen konstant im Zeitablauf und gleich für alle Personen sind: "[They] are there, will be there next year, too, and are the same to all men." (op. cit. S. 76) Gegenüber einem Ansatz, der von wandelbaren Präferenzen ausgeht, sehen die beiden Autoren folgende Gründe, der für ihre Vorgehensweise spricht: - Ihr Vorgehen ermögliche es, "standard economic logic", einen Ansatz von hoher Allgemeinheit, anzuwenden, was bei der Annahme veränderlicher Präferenzen (im Gegenschluß) nicht möglich sei. Vielmehr sei eine solche Annahme nichts anderes als ein ad hoc Argument, "that disguise[s] analytical failures", "a crutch to lean on when the analyis has bogged down". (op. cit. S. 89) - Insbesondere werde es bei ihrer Vorgehensweise möglich, alle Verhaltensänderungen durch Änderungen von Preisen und Einkommen zu erklären, "precisely the variables that organize and give power to economic analysis." (ebd.) Während die These veränderlicher Präferenzen unendlich viele Freiheitsgrade mit sich brächte, würden über Preise und Einkommen dem Verhalten die bekannten Restriktionen (z.B. fallende Nachfragekurven) auferlegt. - Die Annahme konstanter Präferenzen könne nicht nur Phänomene wie Abhängigkeit, Traditionen, Werbung und Moden erklären, sondern sie liefere auch erhellendere Erkenntnisse und erweise sich fruchtbarer in Bezug auf Vorhersagen über beobachtbares Verhalten.14 Nun ist es intuitiv klar, daß die traditionelle Haushaltstheorie zusammen mit der Annahme konstanter Präferenzen Phänome wie Abhängigkeit tatsächlich nicht erklären kann. STIGLER/BECKER benutzen daher den Ansatz der Haushaltsproduktionsfunktion, 14 Um den Autoren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sei hier erwähnt, daß sie sich in ihrem Aufsatz eigentlich von drei verschiedenen "Gegnern" absetzen: Dem hier behandelten Versuch, bestimmte Formen von Konsumentenverhalten über veränderliche Präferenzen zu erklären; einer Sichtweise von ökonomischer Theorie, die sich für veränderliche Präferenzen schlicht als nicht zuständig erklärt und das Feld anderen Wissenschaften überlassen möchte (hierfür könnte die Position Friedmans als paradigmatisch gelten); und schließlich eine Position, die im Zusammenhang von Phänomenen wie Sucht die Grundannahme rationalen Verhaltens, d.h. insbesondere der (intertemporalen) Nutzenmaximierung, aufgeben möchte. Leider grenzen die Autoren diese drei Positionen nicht klar voneinander ab. 20 wie er etwa von BECKER (1965) oder von LANCESTER (1966) vorgeschlagen wurde. Die entscheidenen Unterschiede zur traditionellen Haushaltstheorie sind dabei die folgenden: 1. Statt einer Nutzenfunktion von Marktgütern maximiert der Haushalt eine Nutzenfunktion von Basisgütern. 2. Diese konsumierten Basisgüter können nicht einfach gekauft werden, sondern müssen vom Haushalt selbst produziert werden. In dieser "Haushaltsproduktion" setzt der Haushalt u.a. Zeit, zu erwerbende Marktgüter und verschiedene Formen von Humankapital ein. Formal stellen Stigler und Becker ihren Ansatz (vereinfacht) wie folgt dar: Der Haushalt maximiert eine Nutzenfunktion (3,1) mit (3,2) Dabei sind Zi Basisgüter, fi die Produktionsfunktion des i-ten Gutes, Xji die Menge des j-ten Marktgutes, das in der Produktion von Zi eingesetzt wird, tji der Zeiteinsatz des j-ten Mitgliedes des Haushaltes in der Produktion von Zi, Sj ihr Humankapital und Yi soll alle anderen Inputs einfangen. Die Basisgüter Zi haben keine Marktpreise, allerdings haben sie Schattenpreise, die durch ihre Produktionskosten bestimmt werden. Diese Produktionskosten hängen ihrerseits ab von den Marktpreisen der verwendeten Marktgüter, vom Wert der Arbeitszeit der verschiedenen Mitglieder des Haushalts, dem Bestand an Humankapital und anderen Inputs und natürlich der Produktionsfunktion. Diese Faktoren (statt unterschiedlicher bzw. veränderlicher Präferenzen) sollen dann die Unterschiede im Verhalten zwischen verschiedenen Haushalten bzw. Perioden erklären. Auch das Realeinkommen des Haushaltes ist in diesem Modell neu zu definieren: Statt als ein mit einem Preisindex von Marktgütern deflationiertes Geldeinkommen wird es als das maximale Geldeinkommen ("Gesamtvermögen") angesetzt, das ein Haushalt bei entsprechender Allokation von Zeit und anderen Ressourcen erreichen könnte, deflationiert mit einem Index der Schattenpreise der Basisgüter. Um konkrete Ergebnisse erhalten zu können, entwickeln Stigler und Becker dann auf der Basis dieser allgemeineren Formulierung verschiedene einfachere Modelle für die Phänomene, die sie im einzelnen analysieren wollen. Uns interessiert hier nur ihr 21 Modell der rationalen Abhängigkeit.15 Als ein Beispiel betrachten die Autoren ein Zweigütermodell mit einem abhängigmachenden Gut M Musikgenuß, und einem zweiten Gut Z, das für alle weiteren Konsumgüter steht. Die unveränderliche (Perioden-) Nutzenfunktion wird jetzt zu (3,3) mit (3,4) und (3,5) Dabei ist Mj die in Periode j gemäß der Produktionsfunktion M(.) unter Einsatz der Zeit tmj und von Humankapital Sj produzierte und dann konsumierte Menge an "Musikvergnügen", Zj die gemäß Z(.) unter Einsatz des Marktgutes xj und der Zeit tzj produzierte und dann konsumierte Menge des zweiten Gutes. Humankapital wird gebildet gemäß16: (3,6) Musikgenuß sei eine nutzbringende Abhängigkeit, dh. entsprechend der Definition 15 STIGLER/BECKER 1977 und BECKER/MURPHY 1988 haben eine etwas eigenwillige Definition von Abhängigkeit. Für sie ist ein Konsument (potentiell) abhängig einfach dann, wenn das Gut (vermehrend oder vermindernd) auf einen Konsumkapitalstock wirkt und dieser seinerseits positiv auf den späteren Konsum dieses Gutes, in der Formulierung des Aufsatzes von 1988: dc/dS>0. Dieser sehr weite Begriff von Abhängigkeit erklärt es, weshalb die beiden Arbeiten für uns so relevant sind, auch wenn wir hier am Phänomen der Abhängigkeit im engeren Sinn höchstens als einem Sonderfall für eine viel weitere Fragestellung interessiert sind. 16 Die Formel ist gegenüber dem Original leicht vereinfacht. 22 Stigler und Beckers:17 (3,7) Die Gesamtnutzenfunktion sei: (3,8) mit a als Rate der Zeitpräferenz.18 Zuletzt gilt es noch eine Budgetrestriktion zu bestimmen. Die Autoren setzen an: (3,9) mit twj als Zeit der Lohnarbeit in Periode j, bj als Vermögenseinkommen, w als konstantem Lohnsatz und p als konstantem Preis des Marktgutes. Unter Annahme von twj+tmj+tzj = t folgt daraus für die Budgetrestriktion mit Gesamtvermögen: (3,10) Um V unter den angegebenen Nebenbedingungen zu maximieren, kann man jetzt in zwei Schritten vorgehen: Wir können zunächst eine Kostenfunktion (3,11) 17 Die Autoren untersuchen auch die Möglichkeit von schädlicher Abhängigkeit, definiert durch ∂Sj/∂Ci<0. 18 Die Autoren weisen in einer Fußnote zu Recht darauf hin, daß eine konsistente Modellierung konstanter Präferenzen auch keine Zeitpräferenz zulassen würde. Konsequenterweise halten sie die Annahme der Zeitpräferenz eigentlich für unnötig und unproduktiv. Vgl. op. cit. S 89. 23 bestimmen. Es ergibt sich: (3,12) mit xj(.), tmj(.), tzj(.) als kostenminimierenden Inputmengen.19 Im zweiten Schritt maximieren wir V unter der Nebenbedingung (3,13) Daraus ergeben sich dann u.a. die bekannten Bedingungen (3,14) d.h. der optimalen Konsumplan ist u.a. dadurch gekennzeichnet, daß in jeder Periode das Verhältnis der Grenznutzen von Musikkonsum und Konsum des zweiten Gutes gleich dem Verhältnis der Schattenpreise ist. Diese Schattenpreise können verstanden werden als Grenzkosten, die Kosten der Produktion einer weiteren marginalen Einheit des jeweiligen Basisgutes. Diese Gleichung ist es nun ohne Zweifel, die Stigler und Becker im Auge haben, wenn sie für ihren Ansatz behaupten, es gelänge ihnen, Verhaltensänderungen statt auf veränderte Präferenzen ("an unilluminating ‘explanation’") auf veränderte Preise zurückzuführen.20 Die Preise verändern sich im Zeitablauf durch das Zusammenwirken zweier Effekte: Einmal die Änderung der Grenzproduktivität von tmj aufgrund von Veränderungen im Bestand an Humankapital, zum anderen das Sinken der Zahl der zu berücksichtigenden zukünfigen Perioden, auf die der heutige Konsum 19 xj(Zj) und tzj(Zj) sind aufgrund der strengen zeitlichen Seperabilität der Produktionsfunktion Z(.) jeweils nur von Zj abhängig. Mit M liegt natürlich auch S fest, damit sind bei normalen Annahmen für die Produktionsfunktionen M(.) auch die tmj eindeutig bestimmt, im vorliegenden einfachen Beispiel gibt es hier also nichts zu optimieren. 20 In ihrer Arbeit bleiben Stigler und Becker nicht einfach bei dieser Gleichung stehen. Sie leiten vielmehr noch einen Ausdruck für πmj ab, der es ihnen erlaubt, bei entsprechenden Annahmen über die Produktionsfunktionen und (etwas aus dem Hut gezaubert) direkt über πmj substantielle Aussagen über das Konsumentenverhalten aus diesem Modell zu folgern. Ich setze mich hier mit der Zweckmäßigkeit des von den Autoren gewählten Ansatzes auseinander, einzelne Ergebnisse interessieren im Moment also nicht. Zumal da sich zeigen wird, daß sich die gleichen Ergebnisse mit dem in meiner Arbeit verfolgten Ansatz erhalten lassen. 24 über die Bildung von Humankapital wirkt. In der Tat kann man sich bei Gleichung (3,14) zuhause fühlen: Verhältnis der Grenznutzen ist gleich Preisverhältnis, das ist Standardkonsumtheorie. Die Konsumenten gleichen die subjektive Grenzrate der Substitution der durch die Produktionstechnik (hier Haushaltsproduktion) bestimmten Grenzrate der Transformation (objektiv) an. Genaueres Zusehen zeigt aber, daß die Ableitbarkeit dieser Gleichung kaum als Verdienst des von Stigler und Becker gewählten Ansatzes gelten kann. Zunächst einmal kann eine entsprechende Gleichung völlig problemlos auch aus dem in A dargestellten Ansatz abgeleitet werden. Aus (1,4) folgert direkt (3,15) Auch diese Gleichung läßt sich so interpretieren, daß das Verhältnis der Grenznutzen zweier Güter dem Verhältnis ihrer Schattenpreise entspricht. Der Schattenpreis ist der volle Preis des Konsums eines Gutes, der nicht nur seinen gegenwärtigen Marktpreis, sondern auch seine Wirkungen auf künftigen Nutzen über die Veränderung der menschlichen Eigenschaften berücksichtigt. Ganz so interpretieren ja auch Becker und Murphy ihre Gleichung (2,6). Ein Vergleich von (3,15) mit (3,14) zeigt allerdings auch einige Unterschiede auf.21 Vor allem fällt in (3,15) auf, daß auch in die Bestimmung der Schattenpreise Grenznutzen eingehen. Eine Trennung in objektive, technologisch bestimmte Preise, an denen sich der Konsument orientiert, und "subjektiven" Grenznutzen ist in (3,15) also klarerweise nicht möglich. Kurze Überlegung zeigt aber, daß hier in keiner Weise ein substantieller Unterschied vorliegt. Zunächst einmal gilt es zu bemerken, daß in aller Regel die Ableitungen der Kostenfunktionen ∂C/∂Mj vom M abhängig sind, nur ganz bestimmte, einfache 21 Entscheidender formaler Unterschied ist natürlich, daß wir einmal Basisgüter, das andere mal Marktgüter als Variablen betrachten. 25 Funktionstypen führen zu konstanten von M unabhängigen Grenzkosten.22 Nur in Sonderfällen kann also (3,14) so interpretiert werden, daß der Konsument angesichts ihm (technologisch) vorgegebener Preise seinen Nutzen optimiert. In aller Regel sind seine Grenzkosten von seiner Wahl abhängig, er muß simultan konsumierte Mengen und Schattenpreise bestimmen. Nur metaphorisch, und einer rein formalen (als solche sicher "schönen", intuitiv bestechenden) Parallelen wegen, wird man also sagen können, der Konsument "orientiere sich an Preisen", der Konsument ändere sein Verhalten aufgrund veränderter Preise, man erkläre also Verhaltensänderung über Preisänderungen usw. Um selbst einmal metaphorisch zu sprechen: Nicht nur bestimmen die Preise den Nutzen, den der Konsument bei gegebener Nutzenfunktion erreicht, sondern umgekehrt bestimmt auch die Nutzenfunktion über die gewählte Konsummenge die Preise. Die Schattenpreise sind also auch hier (indirekt) von der Nutzenfunktion abhängig.23 Noch wichtiger ist aber, sich klarzumachen, was für "Dinge" die im Stigler/Becker Ansatz verwendeten Basisgüter eigentlich sein müssen, wenn man die Theorie der Haushaltsproduktion erfolgreich für die Erklärung von z.B. Abhängigkeit benutzen möchte. Nehmen wir das Beispiel eines Kiffers: Natürlich kauft der sein Marihuana nicht, um es direkt in der gekauften Form und Menge zu verspeisen. Vielmehr dreht er sich daraus (Haushaltsproduktion) unter Einsatz von Zeit, Geschicklichkeit (Humankapital) und anderen Inputs (Papier) seine Joints (Basisgut), die er dann (hoffentlich genußvoll) konsumiert. Man kann sich vorstellen, daß der Kiffer im Drehen seiner joints mit der Zeit immer geschickter wird, mit der gleichen Menge von Marihuana und eingesetzter Zeit, gelingt es ihm nach und nach immer mehr joints zu produzieren.24 In der Sprache Stiglers und Beckers werden die einzelnen joints immer billiger, und man darf erwarten, daß i.d.R. dann auch mehr konsumiert werden.25 Nun ist es aber sicher nicht das, was man im allgemeinen unter Abhängigkeit versteht, und Kiffer werden nicht süchtig, weil sie immer geschickter werden im Produzieren ihrer joints. Eine solche Theorie könnte kaum als ernsthaft gemeinte Konkurrentin zur Modellierung des Wandels von Präferenzen auftreten. 22 Genauer: nur linear homogene Produktionsfunktionen, die gleichzeitig durch "nonjointness" gekennzeichnet sind, führen zu konstanten Grenzkosten. D.h. die gleichzeitige Produktion anderer Güter darf die Produktion eines jeden einzelnen Gutes weder fördern noch schädigen. Vgl. SCHOKKAERT 1982 S 31 f. und den Beweis S 54 f. 23 Es ist klar, daß Preise grundsätzlich nicht einfach auf der objektiven, technologischen Seite bestimmt werden. Im allgemeinen Gleichgewicht werden Preise, konsumierte und produzierte Mengen simultan bestimmt, die Präferenzordnung der der Konsumenten beeinflußt die Preise mit. Allerdings werden in der traditionellen Haushaltstheorie die Preise für den einzelnen Konsumenten als konstant angenommen. Auf diese Konstanz der Preise kommt es in unserem Argument an. 24 Da wird es allerdings eine obere Grenze geben. Irgendwann wird der Kiffer dann vielleicht auch fahriger und der Prozeß dreht sich sogar um. 25 Ich habe hier den Haschischkonsum parallel zu einer nutzbringenden (beneficial) Abhängigkeit beschrieben. Vgl. STILGER/BECKER op. cit. 78ff. 26 Selbstverständlich interpretieren Stigler und Becker ihren Ansatz auch nicht auf diese naive Weise. Wo sie selbst (schädliche, "harmful") Abhängigkeit am Beispiel von Heroin diskutieren, ist das produzierte Basisgut nicht der einzelne Schuß, sondern vielmehr die durch den Schuß produzierte Euphorie. Ähnlich ist im Beispiel der nutzbringenden Abhängigkeit das produzierte Basisgut "Musikwertschätzung". Es fällt sofort auf, daß diese "Güter" nicht-beobachtbare, innere Zustände des Konsumenten sind, die trotz ihres Namens sicher eine größere Nähe zu einer Kategorie wie dem "Nutzen", dem Wohlbefinden eines Konsumenten haben, als zu beobachtbaren und meßbaren Marktgütern. Im Grunde handelt es sich bei dieser Form der Anwendungen der Theorie der Haushaltsproduktion26 weit mehr um eine Ausfaltung, Spezifizierung der Nutzenfunktion (Seite des Subjekts), als um eine Ausfaltung der "objektiven" Seite der Produktion und Technologie. Gerade wegen seiner Nicht-Beobachtbarkeit und Nicht-Meßbarkeit ist der Nutzen als zentrale Kategorie der Konsumententheorie aufgegeben worden. Ersetzt wurde er durch die Kategorie einer Präferenzordnung, die durch eine (monoton transformierbare) Nutzenfunktion beschrieben und aus empirisch beobachtbaren Wahlhandlungen erschlossen werden kann ("geoffenbarte Präferenzen").27 Nutzenfunktionen sind also nur ein praktisches Instrument, beobachtbare Wahlhandlungen zu beschreiben. Dieser Rahmen ist mit einer Nutzenfunktion über nicht beobachtbare (aber quantifizierte!) innere Zustände eines Konsumenten eindeutig verlassen. Es gibt keine "geoffenbarte" Präferenzen über nicht beobachtbare Entitäten. Es ist also kaum nachvollziehbar, wie Becker und Stigler für ihren Ansatz eine größere Nähe zur Standardlogik des herrschenden Paradigmas der Ökonomie behaupten können, als für den Ansatz sich ändernder Präferenzen. Im Rahmen einer konsequenten Durchführung des Gedankens der geoffenbarten Präferenzen können wir unsere Kritik einfach und provokativ so formulieren:28 Was wir beobachten sind die Wahlhandlungen der Konsumenten über den Raum gehandelter Güter. Das Präferenzensystem, das wir daraus erschließen, beschreiben wir mit einer Nutzenfunktion des Konsumenten. Diese Funktion, definiert über den Raum von Marktgütern, ist die Nutzenfunktion des Konsumenten, und sie ändert sich, wie 26 Es sei hier ausdrücklich vermerkt, daß ich keinerlei Urteil über Wert und Unwert der Theorie der Haushaltsproduktion abgebe. Eine solche Theorie ist intuitiv bestechend und mag in einigen Fragestellungen neue, interessante Erkenntnisse ermöglichen. Was ich behaupte, ist, daß sie als eine Alternative zu Modellen des Wandels von Präferenzen wenig beiträgt. 27 Das ist nicht ganz genau: Aus einer endlichen Anzahl beobachtbarer Wahlhandlungen läßt sich natürlich keine eindeutige Präferenzordnung rekonstruieren. Es ist allerdings möglich, bestimmte Nutzenfunktionen auf Grund der beobachteten Wahlhandlungen auszuschließen, und eventuell die Hypothese, diese Wahlhandlungen seien durch die Maximierung im Rahmen einer gegegebenen Präferenzordnung zu generieren, zu falsifizieren. 28 Dabei ist jetzt allerdings schon vorausgesetzt, daß es sich bei den Basisgütern in der Tat um intrapersonale, nicht beobachtbare Entitäten handelt. 27 gerade auch aus dem Modell von Stigler und Becker folgt. Was die beiden Autoren Nutzenfunktion nennen (und konstant bleibt), ist Teil der Spezifikation der Nutzenfunktion und hat als solcher keinerlei eigenständige Bedeutung. Was Stigler und Becker liefern, ist eine Theorie des Wandels von Präferenzen.29 SCHOKKAERT (1982), von dessen Ausführungen zu Stiglers und Beckers Aufsatz ich mich in wesentlichen Punkten inspirieren ließ (allerdings mit anderen Konsequenzen, wie sich gleich zeigen wird), lehnt das Vorgehen der beiden Autoren insoweit ab, als sie durch die zweistufige Optimierung und die Argumentation über (Schatten-) Preise den falschen Eindruck erwecken, das Optimierungsproblem des Konsumenten sei teilbar in eine objektive, technologische Entscheidung über den optimalen Faktoreinsatz in der Produktion der Basisgüter (→ Preise) und eine subjektive, über die Nutzenfunktion bei gegebenen Preisen bestimmte Entscheidung über den Konsum von Basisgütern. Schokkaert argumentiert dabei über die Abhängigkeit dieser Preise von der Konsumwahl (s.o. S. 26) und auch über den notwendig subjektiven Charakter der Basisgüter, die er dann als psychologische Motivationen interpretiert.30 Trotzdem aber benützt auch Schokkaert selbst als allgemeinen Rahmen der Analyse sich ändernder Präferenzen ("endogene Präferenzen" sind nur ein Aspekt unter mehreren, die Schokkaert behandelt) ein Modell der Haushaltsproduktion, verzichtet allerdings auf die zweistufige Darstellung des Optimierungsprozesses und die in SIGLER/BECKER (1977) daraus abgeleitete Interpretation.31 Als konstante, für "alle" Individuen identische Nutzenfunktion setzt er an: (4,1) z ist dabei der Vektor von Basisgütern, die das Individuum mit Hilfe von (gekauften) Marktgütern produziert. Die Basisgüter werden produziert gemäß: 29 Vgl. auch SCHOKKAERT 1982 S 27. 30 Er begründet das allerdings anders als ich. Seine Argumentation ist ungefähr die folgende: Stigler und Becker behaupten für ihre Nutzenfunktion (Singular!), daß diese unwandelbar und gleich für alle Konsumenten sei. Das ist für mögliche beobachtbare "Güter" (Joints, Musikstunden, Heroinschüße ...) gegen alle (Alltags-) Erfahrung. Für grundlegende Motivationsstrukturen dagegen vielleicht etwas eingängiger. Vgl. SCHOKKAERT 1982 S. 27 f. 31 Schokkaert macht meines Erachtens nicht deutlich genug, daß nur diese Interpretation problematisch ist, keineswegs die zweistufige Optimierung selbst, solange nur klar bleibt, daß (Schatten) Preise und Mengen simultan zu betimmen sind. 28 (4,2) Dabei sei ξ ein m-Vektor des ursprünglichen Vorrats an Basisgütern und δ ein mVektor von "Schwellen", die der Konsument zumindest braucht. Erst wenn dieser Mindestbedarf erfüllt ist, wird Substition zwischen den Gütern möglich. q ist ein nVektor der Mengen von Marktgütern, die in der Produktion der Basisgüter verwendet werden und b ein (k+l)-Vektor von k Eigenschaften des Konsumenten und l Eigenschaften der Marktgüter. (.) ist die "eigentliche" (vektorwertige) 32 Produktionsfunktion. Aus (4,1) zusammen mit (4,2) läßt sich als "abgeleitete" Nutzenfunktion bestimmen:33 (4,3) Schokkaert betrachtet nun (4,3) zusammen mit (4,1) und (4,2) als "interessante Spezifikation" von u(q), da sie eine plausible psychologische Interpretation zulassen würde. Dagegen sei der allgemeine Ansatz (**) u(q)=u(q,α) mit α als Vektor von "Verschiebungsvariablen", über den Veränderungen der Nutzenfunktion eingefangen werden sollen, offen für alle möglichen ad hoc Interpretationen. Man kann das natürlich so machen, zumal das eine formal sowieso auf das andere hinausläuft: Mit αT=(ξT,δT,bT) ist (4,3), wie schon gesagt, nur eine besondere Spezifikation von (**). Hahnel und Albert haben aber überzeugend gezeigt, wie sich 32 Terminologisch unterscheidet Schokkaert zwischen der Transformation von Marktgütern in Basisgüter, beschrieben in (4,2) und der eigentlichen Produktionsfunktion (.). Diese Unterscheidung ist in seiner Interpretation von δ und ξ begründet. 33 Schokkaert schreibt zunächst: (*) (1,1) Dieser Ausdruck macht wenig Sinn, nachdem z als Funktion des Vektors der insgesamt nachgefragten und "konsumierten" Mengen der Marktgüter und u* als Funktion von z definiert wurde. Da es nichts zu maximieren gibt, reduziert sich (*) zu (4,3). Immerhin zeigt das eine Grenze der Allgemeinheit des "allgemeinen" Rahmens, den Schokkaert vorschlägt. Man könnte pi definieren als Vektor der in der Produktion von zi gemäß einer Funktion zi(pi) eingesetzten Marktgüter und p als Summe über alle i dieser Vektoren. In diesem allgemeineren Modell würde (*) Sinn machen. Wahrscheinlich hatte Schokkaert so etwas im Hinterkopf. 29 der Ansatz (**) auch ohne die Einfühung von Basisgütern plausibel, in hoher Allgemeinheit und ohne "adhocery" aus einem reichen Bild des Menschen und seinen Beziehungen zur (natürlichen und sozialen Umwelt) entwickeln läßt, einem Bild vom Menschen, das gleichzeitig auch als Verbindungsglied zu anderen Human- und Sozialwissenschaften dienen kann (Vgl. HAHNEL/ALBERT 1990 S. 113-140). Es gibt deshalb keinen Grund, den Umweg über Basisgüter zu wählen. Vielmehr ist es an der Zeit, das "Ockham’sche Rasiermesser" anzusetzen, und darauf zu verzichten, das wissenschaftliche Universum mit unbeobachtbaren Entitäten zu bevölkern, die keinen zuzätzlichen Erkenntnisgewinn liefern.34 C. Kurzsichtige Konsumenten Der grundsätzlich verschiedene zweite Ansatz zur Modellierung der Konsumentenentscheidungen bei endogenen Präferenzen besteht darin, Konsumenten so zu modellieren, daß diese jeweils ihre momentane Nutzenfunktion optimieren. Das hat als direkte Folge, daß die Konsumenten Wirkungen ihrer jetzigen Konsum- und Arbeitsentscheidungen auf die künftige Wohlfahrt vernachlässigen, sie vernachlässigen dann ja überhaupt den intertemporalen Charakter ihrer Entscheidungen. Es sollte klar sein, daß die Modellierung eines vorausschauenden und eines kurzsichtigen Konsumenten sich im Grunde nur in der Modellierung des Entscheidungsverhaltens unterscheiden. Innerhalb des Rahmens, den Hahnel und Albert vorschlagen,35 könnte man also die Definition der augenblicklichen Nutzenfunktion, der Budgetrestriktionen usw. unverändert lassen. (1,2) würde irrelevant. Der Konsument würde jetzt in jeder Periode (1,1) optimieren. Als Lagrangefunktion und als Bedingungen erster Ordnung ergeben sich dann für jede Periode einfach: (5,1) Man beachte, daß auch die in beiden Ansätzen auftretenden "Verschiebungsvariablen" α (Humankapital, Charakterzüge etc.) unbeobachtbar sind. Im Gegensatz zu den verzichtbaren Basisgütern, führt ihre Einführung aber zu neuen Erkenntnissen, wie im zweiten Teil dieser Arbeit noch genauer zu zeigen sein wird. 34 35 Hahnel und Albert selbst analysieren den Fall kurzsichtiger Konsumenten nicht, da sie glauben, daß sich daraus keine wirklich bemerkenswerten wohlfahrtstheoretischen Konsequenzen ergeben. 30 (5,2) (5,3) (5,4) Dabei ist allerdings natürlich zu beachten, daß die Grenznutzen und das Periodeneinkommen jeweils von den in jeder Periode vorgegebenen C(t) abhängig sind. Es war vor allem WEIZSÄCKER 1971, der den Ansatz des kurzichtigen Konsumenten bekannt gemacht hat. Weizsäcker beschränkt sich bei seiner Analyse auf den Fall nur zweier Güter. Außerdem nimmt er an, daß nur der Konsum in der unmittelbaren Vorperiode auf den aktuellen Konsum (unmittelbaren) Einfluß hat. Weizsäcker setzt direkt bei den Nachfragegleichungen an (mit p, q(t) als Preis-, bzw. Mengenvektoren und y als konstantem Periodeneinkommen): (5,5) Als Budgetgleichung gilt: (5,6) Weizsäcker untersucht dann zunächst die Stabilität dieses Systems bei gegebenen Preisen und Einkommen. Aufgrund des Mittelwertsatzes gibt es jeweils ein q mit qi=βi*qi(t)+(1-βi)*qi(t-1), 0<βi<1, so daß für (5,7) (ausgewertet bei q) gilt: 31 (5,8) (5,6) abgeleitet nach q1 und q2 liefert: (5,9) Die Bestimmung der Eigenwerte von (5,8) unter Berücksichtigung von (5,9) ergibt dann unmmittelbar, daß a11+a22 <1 hinreichende Bedingung für die Stabilität des Anpassungsprozesses ist. Der Gleichgewichtspunkt q*, dem sich das System bei Stabilität annähert, ist eindeutig bestimmt. Seien nämlich q* und q’ zwei solche Punkte, würde wieder aufgrund des Mittelwertsatzes gelten:36 (5,10) Unter Berücksichtigung von (5,9) und da aufgrund der Budgetbeschränkung (5,11) folgt: (5,12) was wegen a11+a22 <1 nur für q’=q* erfüllt sein kann. Weizsäcker geht für seine weiteren Überlegungen davon aus, daß für alle Preise und jedes Einkommen ein solcher stabiler Gleichgewichtspunkt, d.h. eine Gleichgewichtsnachfrage q* = F(p,y) existiere, und interpretiert sie als langfristige Nachfragefunktion. Sie wird implizit definiert durch: 36 aij ausgewertet bei q mit qi=βi*q’i+(1-βi)*q*i, 0<βi<1 32 (5,13) Aus (5,13) lassen sich u.a. die kompensierten Nachfragereagibliltäten der langfristigen Nachfrage berechnen. In unserem Fall ergibt sich (WEIZSÄCKER 1971 S. 349): (5,14) Die langfristigen Reagibilitäten (Gij) sind den kurzfristigen (gij) also einfach proportional! Daraus leitet Weizsäcker dann als zentrales Ergebnis ab, daß sich auch die langfristigen Nachfragefunktionen als Ergebnis der Optimierung einer Nutzenfunktion verstehen lassen. Da sich die kurzfristigen Nachfragekurven voraussetzungsgemäß aus einem Nutzenmaximierungskalkül ergeben, gilt gij = gji. Daraus folgt unmittelbar Gij = Gji, hinreichende und notwendige Bedingung der (lokalen) mathematischen Intergrierbarkeit. Die Slutzky Matrix der kurzfristigen Nutzenfunktion ist (voraussetzungsgemäß) negativ semidefinit, was dann auch für die der langfristigen gilt. In der Folge wurde allerdings deutlich, daß diese Vorgehensweise Weizsäckers nur bei bestimmten Funktionstypen möglich ist. Seine Vermutung, daß die Erweiterung der Betrachtung auf Fälle mit mehr als zwei Gütern die Substanz seiner Argumentation nicht ändern würde, hat sich nicht bestätigt: I.d.R. können die steady state Nachfragefunktionen nicht durch eine langfristige Nutzenfunktion rationalisiert werden. So hat POLLAK (1976a) gezeigt, daß für die Klasse von Nutzenfunktionen mit linearen Engelkurven und bei linearer Spezifikation eines "habit formation" Prozesses die langfristigen Nachfragekurven nur dann durch eine langfristige Nutzenfunktion rationalisiert werden können, wenn die kurzfristigen Nutzenfunktionen additiv sind. EL-SAFTY (1976a und 1976b) und SCHOKKAERT (1982 S. 79 f.) konnten die Notwendigkeit der Additivität für eine wesentlich weitere Klasse von Nutzenfunktionen beweisen. 33 III. Wohlfahrtstheoretische Konsequenzen Nur ein kleiner Teil der Literatur, die sich mit endogenen Präferenzen modelltheoretisch beschäftigt, behandelt überhaupt die wohlfahrtsökonomischen Konsequenzen einer solchen Konzeption, und das dann eher am Rande.37 Ausführlich haben sich bisher neben WEIZSÄCKER (1971) und HAHNEL/ALBERT (1990) vor allem eher philosophisch orientierte und an Grundlagenfragen interessierte Autoren dem wohlfahrtstheoretischem Aspekt der Endogenisierung von Präferenzen gewidmet.38 Hahnel und Albert bauen zum Teil auf den Arbeiten Herbert Gintis auf (1969 und 1974). Ein Teilaspekt der wohlfahrtstheoretischen Fragestellung wird bei PHLIPS (1974 S. 218-235) und SPINNEWYN (1981 S. 102-107) im Rahmen der Diskussion um den "wahren" Index der Lebenshaltungskosten erörtert.39 Ich werde im folgenden die Positionen von Weizsäckers und Hahnels und Alberts darstellen und kritisch durchleuchten, wobei ich allerdings auch von Hinweisen in anderen Arbeiten Gebrauch machen werde. A. Die Überlistung des Konsumenten Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch ginge; begegnete ihm je eine Verdrießlichkeit, so würde sie doch gleich wieder gutgemacht ... und Hans fing an, von seinem Glück zu erzählen und wie er immer so vorteilhaft getauscht hätte. Hans im Glück Darstellung Den Ausgangspunkt der wohlfahrtstheoretischen Überlegungen Weizsäckers bilden die von ihm abgeleiteten langfristigen Nutzenfunktionen. Weizsäcker beweist zunächst einmal, daß für den Fall 0≤a11+a22<1 und unter der 37 Zu erwähnen sind POLLAK 1978a, POLLAK 1976a, SCHOKKAERT 1982 S.81-83. Aus einer etwas anderen Perspektive auch GERBER/JACKSON 1993. 38 Beispiele sind PENZ 1986 S. 87-119, COWEN 1993, ELSTER 1981 S. 72-78, ELSTER 1984 S. 7785, ELSTER 1987 S. 109-140. 39 Erwähneswert sind noch SUNSTEIN 1993, der u.a endogene Präferenzen im Zusammenhang der Umweltgesetzgebung diskutiert und dabei auch auf wohlfahrtstheoretische Fragen eingeht, und HARSANYI 1954, der aber veränderliche Präferenzen überhaupt betrachtet. 34 Voraussetzung regulärer langfristiger Nutzenfunktionen40 folgender Satz gilt: Satz I: Bedeute q’L(q)q’’, daß q’ gegenüber q’’ vorgezogen wird, unter der Voraussetzung, daß in der Vorperiode q konsumiert wurde. Es sei ein langfristiger Nachfragevektor q0=F(p0,y0) gegeben, und A(q0) sei die langfristige Indifferenzkurve durch q0. Die kurzfristigen Nachfragefunktionen seien stetig differenzierbar. Dann existiert für jeden beliebigen Punkt q^ eine endliche Folge von Vektoren q0,q1,q2,...,qn=^q so, daß q1L(q0)q0, q2L(q1)q1, ... und qnL(qn-1)qn-1 genau dann, wenn q^ über der Indifferenzkurve A(q0) liegt. "In other words, it is possible for the consumer to go from q0 to q^ in a finite number of periods and always feel improved compared to the already attained status quo of the last period if and only if q^ lies above the [long-run] indifference curve going through q0. In this sense the long-run indifference curves exhibit the ‘long-run preference structure’ of the person." (WEIZSÄCKER 1971 S. 352) Es ist hilfreich, sich kurz die Konsequenzen dieses Satzes bewußt zu machen: Er impliziert u.a., daß die langfristigen Indifferenzkurven durch einen Punkt jeweils unterhalb der kurzfristigen Indifferenzkurven durch denselben Punkt verlaufen.41 Man kann deshalb den Satz so verstehen, daß er einen gewissen Konservativismus des Konsumenten beschreibt: Es gibt immer Punkte, die der Konsument gemäß der gegenwärtigen Präferenzstruktur dem gegenwärtigen Konsumbündel als unterlegen betrachtet, die er aber, wenn einmal erreicht, als überlegen ansehen würde. Es mag sogar möglich sein, eine Folge von Punkten zu finden, die in beiden Komponenten gegen Unendlich geht, aber so, daß der Konsument jeden Wechsel von qi nach qi+1 im voraus als eine Verschlechterung beurteilen würde. Ähnlich gilt für den Fall -1<a11+a22<0: Satz II: Es sei ein langfristiger Nachfragevektor q0=F(p0,y0) gegeben, und A(q0) sei die langfristige Indifferenzkurve durch q0. Die kurzfristigen Nachfragefunktionen seien stetig differenzierbar. Dann existiert für jeden beliebigen Punkt q^ eine endliche Folge 40 D.h. durch jeden Punkt q geht nur eine Lösung des Systems von Differentialgleichungen das die langfristigen Indifferenzkurven beschreibt. 41 Abgesehen von Bereichen, wo a11+a22=0. Dort fallen lang- und kurzfristige Indifferenzkurven zusammen. 35 von Vektoren q0,q1,q2,...,qn=^q so, daß q0L(q0)q1, q1L(q1)q2, ... und qn-1L(qn-1)qn genau dann, wenn q^ unter der Indifferenzkurve A(q0) liegt. (op. cit. S. 355) Im Fall -1<a11+a22<0 müssen die langfristigen Indifferenzkurven also über den kurzfristigen liegen. Es wird deshalb immer Punkte geben, die der Konsument aus der gegenwärtigen Perspektive als dem gegenwärtigen Konsumpunkt überlegen empfindet, die er aber, sobald er sie erreicht hat, als unterlegen empfindet. Man könnte das als eine gewisse Vorliebe des Konsumenten für Wandel beschreiben. Diese Vorliebe für den Wandel kann den Konsumenten aber ins Desaster führen: Es mag möglich sein, eine Folge von Konsumpunkten zu finden, die in beiden Komponenten gegen 0 geht, obwohl der Konsument jeden Schritt von pi zu pi+1 als eine Verbesserung empfindet. Weizsäcker illustriert diese Möglichkeit mit folgender Abbildung. Die Indifferenzkurve durch q0 ist gezeichnet unter der Voraussetzung, daß der Konsument gerade q0 konsumiert hat. Entsprechendes gilt für die übrigen Punkte. Es ist leicht zu sehen, daß die Folge q0,...q5 ein Beispiel für einen solchen perversen Konsumpfad ist.42 Abb. 1 (WEIZSÄCKER 1971 S. 356) Der vom Konsumenten akzeptierte Weg in den Hungertod und der von ihm abgelehnte Weg ins Schlaraffenland sind extreme Beispiele dafür, daß der kurzsichtige Konsument die globalen Eigenschaften des von ihm gewählten Konsumpfades nicht 42 Das Märchen von Hans im Glück hat damit eine wissenschaftliche Erklärung gefunden. 36 überschaut. Mit einiger Vorsicht wagt Weizsäcker das als mangelnde Rationalität des Konsumenten zu deuten: die subjektive Beurteilung des Pfades weicht von seinen objektiven Qualitäten ab. Weizsäckers fragt sich deshalb, ob man nicht statt der kurzfristigen die langfristigen Nutzenfunktionen als Wohlfahrtskriterium und "eigentliche" Nutzenfunktion benützen müsse. In dieser Vorgehensweise sieht sich Weizsäcker noch dadurch bestärkt, daß es für den Fall 0≤a11+a22<1 möglich ist, den Ansatz der offenbarten Präferenzen auf endogene Präferenzen zu übertragen. Parallel zum Axiom offenbarter Präferenzen formuliert er ein Axiom sich wandelnder Präferenzen: Sei q0,q1,q2,...,qn eine Folge von Gütervektoren mit qnL(qn-1)qn-1L(qn-2)qn-2...q1L(q0)q0, dann gilt: qn≠q0. Weizsäcker beweist dann folgenden Satz: Satz III: Sind die kurzfristigen Nachfragekurven stetig differenzierbar und gilt das Axiom der sich wandelnden Präferenzen, so existiert eine vollständige und transitive Präferenzrelation über den Raum der Konsumpunkte, so, daß für beliebige Vektoren q0 und q^ , q0≠^q eine Folge q0,q1,q2,...,qn=^q existiert, für die gilt: qnL(qn-1)qn-1L(qn-2)qn-2...q1L(q0)q0 genau dann, wenn q^ q0. Die Präferenzrelation cit. S. 357) wird durch die langfristige Nutzenfunktion beschrieben. (op. Für den Fall, daß nicht überall 0≤a11+a22<1 ist eine solche Vorgehensweise natürlich nicht möglich, vielmehr gibt es dann immer Punkte q0L(q1)q1L(q0)q0, was dem Axiom sich wandelnder Präferenzen widerspricht. Weizsäcker beschränkt sich im restlichen Teil seines Aufsatzes deshalb auf den Fall, wo 0≤a11+a22<1 überall gilt. Um seine Interpretation der langfristigen Nutzenfunktion als eigentlicher Nutzenfunktion zu unterstützen, gibt Weizsäcker noch zwei voneinander abweichende Erklärungen für den möglichen Wandel der Präferenzen an, die vor allem intuitiv deutlich machen sollen, warum die kurzfristigen Nutzenfunktionen nicht Wohlfahrtskriterium sein sollten: Man kann einmal kurzfristige Nutzenfunktionen als Ausdruck einer spezifischen Form von Unwissenheit verstehen:43 Der Konsument kann sich keine oder nur wenig verläßliche Vorstellungen davon machen, welche Art von Befriedigung ihm 43 1959. Zu dieser Interpretation des endogenen Wandels von Präferenzen vgl. auch GEORGESCU-ROEGEN 37 Konsumbündel verschaffen, die weit entfernt sind von denen, die er tatsächlich schon konsumiert hat. Deshalb ist es für ihn "rational" zunächst einmal auf Preisänderungen nur wenig zu reagieren44, sich dann allerdings mit wachsender Erfahrung mit veränderten Güterbündeln immer mehr von seinem ursprünglichen Konsumplan zu entfernen. Kommt der Lernprozeß irgendwo zu einem Ende (der Anpassungsprozeß ist stabil), so entspricht der endgültige Konsumplan gewissermaßen einer informierten Entscheidung, die ursprüngliche Reaktion auf die Preisänderung dagegen einer Entscheidung unter Unwissenheit. In einer anderen Interpretation nimmt Weizsäcker zunächst einmal die langfristige Nutzenfunktion u(q) als die eigentliche Nutzenfunktion an. Statt unmittelbarer Nutzenmaximierung in jeder Periode unterstellt er aber dann "satisficing" als Modell des Konsumentenverhaltens: Man nimmt an, daß der Konsument jeweils ein bestimmtes Niveau an Befriedigung anstrebt. Er beginne mit einem gewissen Nutzenniveau u0 und setze sich davon ausgehend ein höheres Ziel u1, das er durch ein Variation des Konsumbündels zu erreichen sucht. Erreicht er dadurch u1 oder ein höhers Niveau, so revidiert er sein angestrebtes Niveau nach oben, und versucht wieder durch veränderte Nachfrage dieses höhere Niveau zu erreichen. Verfehlt der Konsument dagegen das angestrebte Niveau u1, so revidiert er sein angestrebtes Niveau nach unten und versucht dieses niedrigere Niveau zu erreichen. Es sei leicht zu zeigen, daß dieses Verhalten den Konsumenten zu seinem Nutzenmaximum bei gegebenen Einkommen und Preisen führen müsse. (op. cit. S. 360) In dieser Interpretation sind die kurzfristigen Nutzenfunktionen per definitionem als Wohlfahrtskriterium bedeutunglos, sie rationalisieren Nachfragefunktionen, die nicht das Ergebnis einer Nutzenmaximierung, sondern eines Suchverhaltens sind. Weizsäcker verdeutlicht dann die wohlfahrtstheoretischen Konsequenzen seines Modells anhand eines Beispiels. Abb. 2 stelle die Situation eines Bauern dar, der vor der Wahl steht, in die Stadt zu ziehen und Fabrikarbeiter zu werden. In seiner Ausgangssituation auf dem Lande sei er der Budgetrestriktion BB unterworfen und konsumiere im langfristigen Gleichgewicht q0. Sowohl die langfristige 0 Indifferenzkurve A(q ) als auch die kurzfristige Indifferenzkurve A’(q0) tangieren also BB in q0. 44 Für 0≤a11+a22<1 ist Gif=gij/(1-a11+a22)≥gij. 38 Abb. 2 (WEIZSÄCKER 1971 S. 362) Als Fabrikarbeiter in der Stadt sei er der Budgetrestriktion B’B’ unterworfen und konsumiere im langfristigen Gleichgewicht q^, mit A(^q) und A’(^q) als lang- bzw. kurzfristiger Indifferenzkurve. Hat man sich einmal dazu durchgerungen, die langfristigen Nutzenfunktionen als die "eigentlichen" zu betrachten, folgt daraus unmittelbar (so wie Kurven gezeichnet sind), daß eine Politik, die dazu führt, daß der Bauer in die Stadt zieht und Fabrikarbeiter wird, wohlfahrtstheoretisch als positiv zu beurteilen ist, obwohl der Bauer eine solche Politik gemäß seiner kurzfristigen Nutzenfunktion vor der Veränderung (d.h. gemäß A(q0)) als Verschlechterung empfinden wird.45 Nun sieht Weizsäcker selbst, daß das nicht die einzig mögliche Interpretation des Verhältnisses von kurz- und langfristiger Nutzenfunktion ist. Man könnte darauf bestehen wollen, daß A’(q0) die eigentlichen Präferenzen des Konsumenten darstellen, die also in keiner Weise vernachlässigt werden dürfen. Selbst in diesem Fall allerdings scheint es Weizsäcker sinnvoll zu sagen, daß ein Konsument sich gegenüber einer Situation, in der er andauernd q0 konsumiert, verbessert, wenn er statt dessen einem 45 Dieses Argument setzt wie die folgenden natürlich voraus, daß der Konsument gegenüber dem Wechsel in die Stadt als solchem und entsprechend gegenüber dem Wechsel von der Landarbeit zur Fabrikarbeit völlig indifferent ist. Ihn interessiert nur das jeweilige Konsumbündel q. 39 Konsumpfad q0,q1,q2,...,qn=^q folgt, auf dem gilt qi+1L(qi)qi und außerdem q^L(^q)qi für alle i=0,...,n-1. Jede einzelne Veränderung auf diesem Pfad würde der Konsument also direkt davor als eine Verbesserung beurteilen und die erreichte Endsituation würde er allen Vorsituationen vorziehen.46 Aufbauend auf diesem Kriterium, versucht Weizsäcker zu zeigen, daß die laissez faire Situation, in der der Bauer Bauer bleiben würde, nicht notwendig pareto-optimal ist, auch wenn keine der bekannten Gründe für Ineffizienz vorliegen. Dazu setzt Weizsäcker weiter voraus, daß der Konsument sowohl als Bauer als auch als Fabrikarbeiter mit seinem Grenzprodukt entlohnt wird, daß die unterschiedlichen Preise der Güter in Stadt und Land unterschiedlichen Kosten (wegen unterschiedlicher Transportkosten z.B.) entsprechen, und die einheitliche Zinsrate r mit der (einheitlichen) Zeitpräferenzrate der Konsumenten übereinstimmt.47 Man betrachte q*. Dieser Punkt liegt über A(q0) und unter B’B’. Aufgrund Satz I muß es also einen Konsumpfad q0,q1,q2,...,qn=q* geben, der unser Kriterium für eine Wohlfahrtsverbesserung erfüllt. Wegen q1L(q0)q0 muß zumindest q1 über BB liegen, eventuell liegt q1 auch über B’B’48 Man verfolge nun nachstehende Politik. Solange qi über B’B’ liegt ermögliche man dem Konsumenten den Konsum von qi mit Hilfe einer Subvention. Sobald qi unter B’B’ liegt (was spätestens bei q* der Fall sein wird), transferiere man den Konsumenten in die Stadt und mache ihn zum Fabrikarbeiter, stelle ihm aber jeweils nur qi (also weniger als sein Grenzprodukt) zur Verfügung. Nach n Perioden hat der Konsument q* erreicht, und von jetzt an wird ihm (bzw. seiner Familie) in alle Ewigkeit q* zur Verfügung gestellt. Gemäß unseres Kriteriums hat sich der Konsument verbessert, ohne daß es irgendeinem anderen Konsumenten schlechter gehen muß, solange r hinreichend klein ist. Da q* in einer endlichen Folge von Schritten erreicht wird, ist die abdiskontierte Summe der aufzubringenden Subventionen auch bei beliebig kleinem r nach oben beschränkt, während die abdiskonierte (unendliche) Summe der Differenz zwischen Grenzprodukt des Konsumenten und dem Wert des ihm zur Verfügung gestellten Konsumbündels mit r→0 gegen Unendlich geht. Bei hinreichend kleinem r ist also eine Paretoverbesserung 46 Für die Fälle, auf die er sich in seiner Analyse in diesem Teil seines Aufsatzes beschränkt (0≤a11+a22<1), läßt sich das Verhältnis zwischen diesem Kriterium und dem Kriterium der langfristigen Nutzenfunktion als eigentlicher Nutzenfunktion einfach so verstehen: Gemäß des Kriteriums der langfristigen Nutzenfunktion ist jeder Pfad in einen anderen langfristigen Konsumpunkt q^ besser als das Verbleiben im Ausgangspunkt q0, wenn es irgendeinen Pfad gibt, der zu q^ führt, und auf dem sich der Konsument aus seiner Sicht fortwährend besserstellt. Das eingeschränkte Kriterium sagt nur, daß dieser Pfad selbst besser ist als das Verbleiben im Ursprungspunkt. 47 Weizsäcker sagt "aller" Konsumenten. Es ist nicht ganz klar, was für einen kurzsichtigen Konsumenten eine Zeitpräferenzrate >0 bedeuten soll. Aber vgl. unten S. 69. 48 Das ist in der Zeichnung der Fall, muß aber nicht so sein, wie man sich leicht (zeichnerisch) überzeugen kann. 40 der laizzes faire Situation gegenüber möglich.49 Kritik Es sollte klar geworden sein, daß die wohlfahrtstheoretische Argumentation Weizsäckers zum großen Teil auf dem Konzept der langfristigen Nutzenfunktionen aufbaut. Weizsäcker hatte vermutet, daß eine solche langfristige Nutzenfunktion im allgemeinen existiert, wir wissen heute, daß das nur für eine sehr beschränkte Klasse von kurzfristigen Nutzenfunktionen der Fall ist. Schon allein diese Tatsache stellt die Akzeptanz der langfristigen Nutzenfunktion als sinnvolles Wohlfahrtskriterium in Frage. Aber selbst für Fälle in denen die langfristige Nutzenfunktion existiert, sind die langfristigen Nutzenfunktionen als wohlfahrtstheoretisches Kriterium nur sehr eingeschränkt sinnvoll. Das wird verständlich, wenn man sich die gesamte Vorgehensweise noch einmal vor Augen hält. Weizsäcker geht von kurzfristigen Nachfragefunktionen aus, die voraussetzungsgemäß das Konsumentenverhalten korrekt beschreiben und sich durch kurzfristige Nutzenfunktionen rationalisieren lassen. Damit ist uns bekannt, wie der Konsument - gegeben der Konsum in der Vorperiode - die möglichen Konsumpunkte der aktuellen Periode gemäß seiner Präferenz ordnet. Unter der Voraussetzung der Stabilität konvergieren bei gegebenen Preisen und Einkommen die Nachfragen hin zu einem langfristigen Gleichgewichtspunkt. Was bedeutet es nun, daß sich diese Gleichgewichtsnachfragen durch eine langfristige Nutzenfunktion rationalisieren lassen? Nichts anderes, als daß es auch für die langfristigen (steady state) Nachfragen eine transitive und vollständige Ordnung gibt, die es uns erlaubt, das langfristige 49 Damit eine solche Politik auch in der Realität empfehlenswert wäre, müßten den Politikorganen langfristige Eigenschaften der Konsumpläne bekannt sein, die den Konsumenten unbekannt sind. Weizsäcker hält das für möglich in Zeiten strukturellen Wandels, wo viele Konsumenten sich in ähnlichen Situationen befinden. Ich verzichte auch darauf, die beiden folgenden Kapitel des Aufsatzes von Weizsäckers darzustellen. In Kapitel 7 untersucht Weizsäcker, ob aus langfristigen Nutzenfunktionen auch langfristige soziale Wohlfahrtsfunktionen und eventuelle Eigenschaften derselben abgeleitet werden können. Sowohl das Konzept einer sozialen Wohlfahrtsfunktion (aus bekannten Gründen) als auch das Konzept langfristiger Nutzenfunktionen (wie noch genauer darzustellen sein wird) scheinen mir schon isoliert fragwürdig genug zu sein, um aus der Verbindung der beiden Konzepte substantielle Einsichten erwarten zu können. In Kapitel 8 zeigt er im Grunde nichts anderes, als daß ein vorausschauender Unternehmer, d.h. einer der die langfristige Nutzenfunktion (hier: Wohlfahrtsfunktion) kennt, die Rolle des Staates übernehmen kann und den Konsumenten (hier die Gesellschaft als ganzes) mit Hilfe von Subventionen (hier durch Übernahme der Entwicklungskosten für eine kurzfristig von der Gesellschaft in ihrem Nutzen unterschätze Innovation) auf seinen langfristig bevorzugten Punkt locken kann. 41 Verhalten des Konsumenten als Optimierung dieser Präferenzordnung zu modellieren. Wir besitzen also eine vollständige und transitive Präferenzordnung der Konsumbündel für jede Einzelperiode in Abhängigkeit vom Konsum in der Vorperiode und eine entsprechende Ordnung für die langfristigen steady state Nachfragen. Was wir damit nicht besitzen, ist eine Ordnung über alle möglichen Konsumpfade. Und es gibt keinen Grund, die Konsumpfade einfach nach denen in ihnen erreichten steady states zu ordnen. Mit dem Wissen um die kurzfristigen Nachfragefunktionen wissen wir einfach nicht genug, um etwas darüber zu sagen, wie der Konsument im allgemeinen verschiedene Konsumpfade ordnet. Was damit gemeint ist, wird vielleicht etwas klarer, wenn wir noch einmal einen Blick auf Abb. 2 werfen. Der Konsument zieht gemäß seiner langfristigen Präfernzordnung q^ gegnüber q0 vor. Bedeutet das, der Konsument, der sich voraussetzungsgemäß in q0 befindet, würde sich verbessern, wenn wir seine Budgetgerade von BB in B’B’ verändern? Nichts berechtigt uns zu dieser Annahme: Wir wissen, daß er sich in der ersten Anpassungsperiode sicher verschlechtern würde, und daß sich sein langfristiges Verhalten konsistent damit erklären läßt, daß er den steady state q^ dem steady state q0 vorzieht. Darüber, wie er den kurzfristigen Verlust in der ersten Periode gegen den langfristigen Gewinn abwägt, sagen uns die kurzfristigen Nachfragekurven einfach nichts.50 Diese verraten uns ja nicht einmal darüber etwas, wie der Konsument seine Lage in der zweiten Periode aus der Sicht der ersten bewertet! Weizsäcker war sich offenbar selbst nicht so sicher, ob die langfristigen Nutzenfunktionen ein sinnvolles Wohlfahrtskriterium darstellen. Deshalb hat er ein etwas schwächeres Kriterium vorgeschlagen, auf das er sich in seinem Beispiel vom Bauer, der Fabrikarbeiter werden soll, stützt, und das die Existenz der langfristigen Nutzenfunktionen nicht voraussetzt. Während die Anwendung des Kriteriums der langfristigen Nutzenfunktion einen Versuch darstellt, eine vollständige Ordnung der Konsumpfade zu finden, verzichtet dieses Kriterium von vornherein auf die Möglichkeit einer vollständigen Präferenzordnung. Es vergleicht nur konstante Konsumpfade (immer q0) mit bestimmten anderen Konsumpfaden, die untereinander selbst z.B. schon nicht mehr verglichen werden können. Das Kriterium besteht aus zwei Teilen. Der erste verlangt, daß jeder einzelne Schritt im voraus vom Individuum als positiv empfunden wird. Einen entsprechenden Konsumpfad würde also das Individuum, wenn er ihm nur angeboten wird, freiwillig gehen. Das reicht aber nach dem Kriterium nicht aus, um zu sagen, daß der Konsument sich in der Tat verbessert hat. Es wird noch weiter verlangt, daß von dem endgültig erreichten Konsumpunkt aus dem Individuum alle vorhergehenden Konsumpunkte schlechter erscheinen. Dieser Teil des Kriterium dient sichtlich dazu, so etwas wie die Geschichte von Hans im Glück auszuschließen und trägt den Geruch des Paternalismus. Wege, die der Konsument mit Freuden gehen würde, werden nicht 50 Das macht vielleicht gerade das Wesen des kurzsichtigen Konsumenten aus. 42 als Verbesserungen gewertet, wenn der Konsument sie im nachhinein selbst bereut. Es handelt sich also um einen "sanften" Paternalismus, der auf vorhersehbare, vom Konsumenten aber im Augenblick vernachlässigte Maßstäbe zurückgreift. Außerdem sei noch einmal betont, daß das Kriterium keine vollständige Ordnung der Pfade von einem langfristigen Zustand in den anderen herstellt. Es sagt nichts darüber, wie Wege, die das Kriterium nicht erfüllen, zu bewerten sind. Solange man versucht, auf der Basis der Modellierung kurzsichtiger Konsumenten wohlfahrtstheoretische Aussagen zu machen, ist dieses Kriterium wahrscheinlich das beste, das man haben kann. Es ist so etwas wie die Übertragung des Paretokriteriums auf einen einzelnen Konsumenten. Auch POLLAK (1976a) kritisiert die wohlfahrtstheoretische Verwendung der langfristigen Nutzenfunktionen. Neben dem Problem der Existenz führt er dann allerdings Argumente an, die nicht überzeugen können. Er geht von einem Beispiel zweier Konsumvektoren q^ und q0 aus,51 wobei q^L(^q)q0 und q0L(q0)^q, gleichzeitig aber q^ auf einer höheren langfristigen Indifferenzkurve als q0 liegt. Diese Tatsache könne deshalb nicht so interpretiert werden, daß das Individuum q^ langfristig q0 vorzieht, weil jede binäre Wahl zwischen q^ und q0 immer davon abhängig bleiben wird, wo sich der Konsument gerade befindet, insbesondere könne man dem Individuum in q0 beliebig oft q^ anbieten, immer würde es q0 vorziehen. Die Bereitschaft des Individuums in einer Folge von Schritten von q0 nach q^ zu gehen und sich jedesmal verbessert zu fühlen, während es den direkten Schritt von q0 nach q^ ablehnt, sei Ausdruck seines mangelnden Verständnisses des Prozesses, der seine Präferenzen formt, nicht einer (langfristigen) Überlegenheit von q^. Dieses Argument Pollaks übersieht vollständig den zeitlichen Charakter der kurzfristigen Nutzenfunktionen: Diese beschreiben die Präferenzordnung des Individuums heute über mögliche heutige Konsumbündel (abhängig vom gestrigen Konsum) und sagen nichts über die Präferenzordnung des Individuums zu einem späteren Zeitpunkt. Die binären Wahlsituationen, die Pollak so wichtig sind, sind aber immer Wahlsituationen für heute und aus der Sicht des kurzsichtigen Individuums in keiner Weise für einen späteren Tag. Das kurzsichtige Individuum weiß, was es heute will, was es morgen will, wird es morgen wissen. Das kurzsichtige Individuum optimiert seinen heutigen Nutzen, ohne die Konsequenzen für morgen zu beachten und ist deshalb bereit, von q0 nach q^ zu gehen, wenn es ihm dabei nur immer (in der jeweils aktuellen Periode) besser geht. Die Kritik daran, das langfristige Wahlverhalten als Ergebnis einer Optimierung über eine konsistente langfristige Präferenzordnung zu beschreiben und zu interpretieren, ist aus der Perspektive des Ansatzes der offenbarten Präferenzen völlig unverständlich. 51 Pollak benutzt ein Zahlenbeispiel. 43 Die Existenz einer langfristigen Nutzenfunktion ist gleichbedeutend mit eben dieser Möglichkeit, und sowohl in der kurzen wie in der langen Frist verlangt eine konsequente Durchführung dieses Ansatzes, daß auch in der wohlfahrsttheoretischen Interpretation nicht mehr benutzt wird als diese eine Tatsache: Das Verhalten des Indiviuums läßt sich kurzfristig oder eben langfristig so beschreiben, als ob es eine Nutzenfunktion optimiert. Allerdings muß natürlich bei der wohlfahrtstheoretischen Interpretation der langfristigen Nutzenfunktionen berücksichtigt werden, daß diese eine Ordnung über langfristige (steady state) Konsumpunkte und nicht über Pfade zu diesen Punkten darstellt. (Das ist unsere eigene Kritik an einer sorglosen Benutzung der langfristigen Nutzenfunktionen.) Pollak benutzt noch ein eher intuitiv gemeintes Argument, das zeigen soll, warum es nicht vernünftig sei, die langfristigen Nutzenfunktionen als Wahlfahrtskriterium zu verwenden. "For example, a nonsmoker might prefer to remain a nonsmoker rather than smoke three packs of cigarettes a day, but he might choose to smoke half a pack a day rather than abstain completely. After becoming accustomed to smoking half a pack a day, the individual might prefer to remain a light smoker rather than smoke three packs a day, but he might choose to smoke a pack a day rather than continue at half a pack a day. By this process, the myopic nonsmoker is led to become a heavy smoker. This scenario is entirely consistent with von Weizsäckers’s assumptions, yet I am loath to conclude that the individual is better off at q^ than at q0." (POLLAK 1973 S. 295) Das Szenario ist mit den Annahmen von Weizsäckers natürlich nicht vereinbar. Vor allem ist ein deutliches Beispiel dafür, wie ungenau Pollak die zeitliche Dimension des Problems behandelt. Denn was bedeutet es, daß ein Indiviuum lieber keine Zigaretten raucht als "täglich" drei Schachteln? Das ist offensichtlich eine langfristige Präferenz. Das Indiviuum hat eine Vorstellung darüber, was es im allgemeinen, täglich tun möchte, und das ist wiederum abhängig von dem, was es gerade (täglich, d.h. langfristig?) tut. Diese langfristigen Präferenzen aber sind so beschaffen, daß sie sich nicht in einer konsistenten, transitiven und vollständigen Präferenzordnung darstellen lassen, also auch nicht in einer langfristigen Nutzenfunktion. Sie sind also kaum geeignet als überzeugende Argumente gegen den wohlfahrtstheoretischen Gebrauch der langfristigen Nutzenfunktionen, selbst wenn sie existieren. (POLLAK 1973 S. 292) Unter den Annahmen von Weizsäckers hätte das Individuum Vorstellungen davon, wieviel Zigaretten es heute rauchen möchte, gegeben der Zigarettenkonsum von gestern, und daß es heute nicht mehr als eine halbe Schachtel rauchen möchte, steht nicht im geringsten Gegensatz dazu, daß es in zwei Jahren vielleicht einmal drei 44 Schachteln rauchen wird.52 Und noch einmal: Falls eine aus den kurzfristigen ableitbare langfristige Nutzenfunktion existiert, kann die ihr zugrundeliegende langfristige Präferenzordnung nicht den von Pollak angenommenen, mit Konsistenzproblemen behafteten Charakter haben. B. Theoreme einer neuen Wohlfahrttheorie Johnny was asked why he didn’t eat spinach. He replied "I don’t like spinach." "Try it, you’ll like it." "I know, but I don’t want to like it." 53 F.M. Fisher Hahnel und Albert nehmen für sich in Anspruch, auf der Basis ihres Modells endogener Preferenzen mit voraussehenden Konsumenten neue wohlfahrtstheoretische Ergebnisse ableiten zu können, die es als keine Übertreibung erscheinen lassen, von einer "neuen Wohlfahrtstheorie", einer "Revolution" in der Wohlfahrtstheorie zu sprechen. Die zentralen Ergebnisse dieser "neuen" Wohlfahrtstheorie legen sie in der Form von acht Theoremen vor, die ich im folgenden darstellen und diskutieren will. I. "Misestimating Welfare Effects. A neoclassical welfare theory that ignores the fact that present choices of consumption and work activities not only fulfill present preferences but also generate changes in future preferences will systematically misestimate the welfare effects of economic choices." (HAHNEL/ALBERT 1990 S. 146) Die Autoren weisen selbst darauf hin, daß dieses Theorem schon intuitiv einsichtig ist. Es ist zu erwarten, daß jede Theorie, die einen wichtigen Aspekt der Beziehung verschiedener Aktionen vernachlässigt, auch deren Ergebnisse falsch einschätzt. Zum "Beweis" ihres Theorems verweisen die Autoren einfach auf die Bedingungen erster Ordnung des Optimierungsproblems des vorausschauenden Konsumenten. Falls endogene Präferenzen vorliegen, werden i.d.R. die Ausdrücke (1,4) und (5,2), bzw. (1,5) und (5,3) voneinander abweichen, und zwar genau um die Doppeltsummen in 52 Das gilt jedenfalls, solange wir den "methodischen Individualismus" der modernen Wohlfahrtstheorie teilen: "[...]; according to our individualistic welfare premise, if a man prefers three packs a day [!] to none, we would say he is better off with three." POLLAK 1973 S 295. 53 Zitiert nach EL-SAFTY 1976b. 45 (1,4) bzw. (1,5). Diese Summen aber fangen eben genau die zukünftigen Wohlfahrtswirkungen der Entscheidungen zum Zeitpunkt t ein. Es gibt keinen Grund, warum diese Summen im Falle des Vorliegens von endogenen Präferenzen gleich Null sein sollten. II. "Misinterpreting Coincidence of Supplies und Desires. In general, not only will rational individuals who recognize their preferences are endogenous adjust to changes in relative terms of supplies by changing the relative amounts of those goods they consume, but they will also change their preferences - reducing their preference for relatively more expensive items and increasing their preference for relatively less expensive items - by changing consumption-work choices in earlier periods to change their future human characteristics and the preferences that depend on them." (HAHNEL/ALBERT 1990 S 149) Der größeren Klarheit willen möchte ich in diesem "Theorem" drei Aussageebenen unterscheiden. Auf der ersten Ebene sagt das Theorem einfach, daß i.d.R. die Veränderung der relativen Preise zweier Güter zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht nur zu einer veränderten Nachfrage nach diesen beiden Güter führt, sondern auch zu veränderten (momentanen) Präferenzen. Aus dem allgemeinen Charakter der Lösung eines simultanen Gleichungsystems wie (1,4) - (1,6) folgt, daß die Preisänderung zweier Güter zu einem bestimmmten Zeitpunkt alle anderen Nachfragen zu anderen Zeitpunkten betreffen wird. Diese veränderten Nachfragen wirken im Modell auf die menschlichen Eigenschaften C, die als Parameter in die augenblicklichen Präferenzen eingehen, die sich also ebenfalls änderen werden. Auf einer zweiten Ebene behauptet das "Theorem" nun allerdings auch etwas über die Richtung der Änderung der Präferenzen: Rationale Individuen würden die Präferenzen für die relativ teurer gewordenen Güter reduzieren, die für die relativ billiger gewordenen dagegen erhöhen. Ein Blick auf die Begründung des Theorems durch die Autoren zeigt, daß sie auch selbst diese Aussagen über die Richtung nur für den Fall machen zu können glauben, daß die relative Preisänderung in der letzten Periode T erfolgt. Ansonsten lassen die unbestimmten Vorzeichen in den Doppeltsummen der Bedingungen erster Ordnung schon keine allgemeine Aussagen über die Richtung der Veränderung der relativen Nachfrage der von der Preisänderung betroffenen Güter zu. Für den Fall einer relativen Preisänderung zum Zeitpunkt T machen die Autoren zunächt noch die Annahme abnehmender Grenznutzen und argumentieren dann wie folgt: Angenommen sei eine relative Preisänderung des m-ten und n-ten Gutes in der Periode 46 T, so daß (6,1) Aus den Bedingungen erster Ordnung ergibt sich dann unmittelbar: (6,2) Wegen der Annahme abnehmender Grenznutzen müsse deshalb gelten: (6,3) Diese Änderung der relativen Nachfrage der Güter m und n führt zu einer Änderung der partiellen Ableitungen des Nutzens in der Periode T nach den verschiedenen menschlichen Eigenschaften. Insbesondere gelte für eine Eigenschaft Ci, die den Nutzen des Gutes m im Verhältnis zu n erhöhe (6,4) oder umgekehrt für eine Eigenschaft Ci, die den Nutzen des Gutes n im Verhältnis zu m erhöhe (6,5) Insofern als diese partiellen Ableitungen des Nutzens in den Bedingungen erster Ordnung für die Nachfragen der früheren Perioden auftreten, und man nicht allgemein davon ausgehen könne, daß ihre Effekte sich gegenseitig aufheben, folge daraus, daß sich auch diese früheren Nachfragen ändern, und in der Folge deshalb auch die Präferenzen. Dieser "Beweis" ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Zunächst einmal 47 gelangt er natürlich nicht dahin, wohin er gelangen soll: Wieder wird nur gezeigt, daß sich die Präferenzen ändern, nicht in welche Richtung sie sich ändern. Vor allem aber gilt, daß auch unter der Voraussetzung abnehmender Grenznutzen (6,3) aus (6,2) in keiner Weise folgt.54 Im Rahmen einer ordinalen Nutzentheorie ist ja überhaupt die Annahme abnehmender Grenznutzen kein günstiger Ausgangspunkt für solche Überlegungen, schon allein, weil das Vorzeichen der zweiten Ableitungen monotonen Transformationen gegenüber nicht invariant ist. Auch der nächste Schritt von (6,3) nach (6,4) ist nicht schlüssig. Daraus, daß Ci(T) den Nutzen von m relativ zu n erhöht (das soll wohl heißen ∂MRS/∂Ci(T)>0) folgt (6,4) nicht, vielmehr würde das ∂2U(T)/(∂Ci(T)∂(qm/qn))>0 voraussetzen, ein Ausdruck, der i.d.R nicht einmal sinnvoll definiert ist. Er würde einen funktionalen Zusammenhang (qm/qn)→U(T) voraussetzen, der nur in Sonderfällen existiert. Die dritte Ebene des "Theorems" bildet seine Interpretation, nach der das Theorem in seiner Überschrift auch benannt ist. In den Augen der Autoren stellt das Theorem die positive wohlfahrtstheoretische Bedeutung der Koinzidenz von relativen Angebots- und Nachfragebedingnungen (GRT und GRS) in Frage. Damit ist weniger gemeint, als es zunächst scheinen mag. In den folgenden Theoremen werden die Autoren nämlich zeigen, daß auch für das allgemeine, intertemporale Gleichgewicht die bekannten, grundlegenden Wohlfahrtstheoreme gelten. Und nichts deutet darauf hin, daß sie in diesem Zusammenhang dem Pareto-Kriterium nicht die positive wohlfahrtstheoretische Bedeutung zumessen, die ihm normalerweise zugeschrieben wird.55 Im Rahmen des Konzeptes einer intertemporalen Optimierung wäre es ja auch in der Tat nicht einzusehen, warum man das Erreichen eines höheren Punktes in der intertemporalen Präferenzordnung eines Individuums weniger als eine Verbesserung des Individuums interpretieren sollte als im statischen Rahmen. Was aber dagegen keine (isolierte) wohlfahrtstheoretische Bedeutung mehr hat, sind die momentanen Präferenzordnungen und Nutzenfunktionen. Was gemäß der momentanen Präferenzordnung wie eine Verbesserung aussehen mag (weil es das Individuum auf einen höheren Konsumpunkt in seiner momentanen Präferenzordnung bringt), kann global eine Verschlechterung bedeuten (weil es eine Eigenschaft fördern mag, die zukünftig zu Nutzeneinbußen führt). 54 Man kann sich davon leicht am Beispiel einer einfachen Nutzenfunktion mit abnehmenden Grenznutzen überzeugen: U=x(1/4)+y(3/4). Mit (x,y)=(1,1) erhalten wir x/y=1, MRS=1/3; mit (x,y)=(2,3) erhalten wir x/y=2/3 (<1), MRS≈0,286 (<1/3). 55 Sie verteidigen ausdrücklich die Bedeutung des Paretokriteriums als Maßstab sozialer Effizienz. Vgl. op. cit. S. 64 u 365 48 Der Markt für Güter heute bildet gewissermaßen einen nicht-separablen Partialmarkt, dessen Preise von den Bedingungen an den Märkten aller anderen Tage abhängen. Zwei Güter mögen heute mit derselben Produktionsfunktion produziert werden. Unterschiedliche Preise dieser Güter würden traditionell so interpretiert, daß das teurere Gut von den Konsumenten höher geschätzt wird als das billigere, und deshalb auch mehr produziert wird als das billigere (Konsumentensouveränität). Das müßte auch in unserem Modell für die (isoliert bedeutungslosen) momentanen Präferenzen gelten. Diese selbst könnten aber das Ergebnis von technologischen (oder allgemein angebotsseitigen) Unterschieden in früheren oder späteren Perioden sein und müßten keineswegs in einer grundsätzlichen Präferenz der Konsumenten für das teurere Gut begründet liegen.56 In jedem Fall kann man aus heutigen relativen Preisen keine Folgerungen für effiziente Allokationen in Zukunft ziehen: In gewissem Sinne ist im gewählten Ansatz Brot heute ein anderes Gut als Brot morgen und mag deshalb an den zwei Tagen verschiedene (relative) Preise haben. III. "Existence of General Equilibria. If all traditional assumptions are maintained except the assumption of exogenous preferences, and if the assumption of perfectly informed endogenous preferences is substituted for exogenous preferences, the existence of a general equilibrium in a private enterprise, competitive market economy is assured provided we can extend the usual convexity assumptions to individual consumers’ overall well-being functions." (HAHNEL/ALBERT 1990 S 153) Dieses Theorem ist unmittelbar einleuchtend, wenn wir beachten, daß wir das Konsumentenverhalten in einer Weise modelliert haben, die den Rahmen der bekannten Beweise für die Existenz eines Allgemeinen Gleichgewichts in keinem Punkt verletzt. Wir können Güter unter anderem auch nach dem Zeitpunkt unterscheiden, in dem sie konsumiert werden und haben in der allgemeinen, intertemporalen individuellen Wohlfahrtsfunktion eine Nutzenfunktion über (T+1)(Q+L) verschiedene "Güter" vor uns. Bei entsprechender Modellierung der Budgetbeschränkungen und der Angebotsseite ist unser Fall durch die bekannten Beweise abgedeckt. Der Existenzbeweis verlangt bekannterweise die Stetigkeit, lokale Nicht-Sättigung und 56 Es sei wieder ein einfaches Beispiel erlaubt: Bei einer intertemporalen quadratischen Nutzenfunktion der Form U = ∑Tt=1 [a+b(x(t)+y(t))+1/2c(x2(t)+y2(t))+d(x(t)x(t-1)+y(t)y(t-1))] mit x(0)=y(0), wird man kaum sagen können, der Konsument ziehe das Gut x dem Gut y vor. Trotzdem werden bei unterschiedlichen Preispfaden für die beiden Güter (unterschiedliche Angebotsbedingungen) die momentanen Nutzenfunktionen voneinander abweichen. 49 Quasi-Konkavität der Nutzenfunktionen. Für den Zweck des vorliegenden Theorems werden diese einfach angenommen, aber es stellt sich die Frage, ob nicht die Endogenisierung von Präferenzen zusätzliche Zweifel daran aufkommen läßt, daß das Nachfrageverhalten von Konsumenten sinnvoll durch stetige, lokal unersättliche und quasikonkave Nutzenfunktionen dargestellt werden kann. Die Annahme der Stetigkeit besitzt eher technischen Charakter und wird durch die Endogenisierung der Präferenzen nicht grundsätzlich berührt (HAHNEL/ALBERT 1990 S. 154f). Auch die Annahme der lokalen Nicht-Sättigung ist wohl unproblematisch. Dagegen erscheint die Quasi-Konkavität tatsächlich weniger plausibel. Im statischen Kontext ist es einleuchtend, daß ausgewogene Konsumbündel besser oder in jedem Fall genauso gut sind wie extreme. Im dynamischen Kontext mit Berücksichtigung eines investiven Aspektes sind dagegen eher Ausnahmen zu erwarten: Ich mag indifferent sein zwischen zwei Stunden Klavierunterricht und zwei Stunden Geigenunterricht, und zwar sowohl bezogen auf den augenblicklichen Spaß, den ich daraus ziehe, als auch auf den langfristigen Gewinn an späterem musikalischen Genüssen. Die investierte Zeit halb und halb aufzuteilen dagegen mag ziemlich ineffizient sein, was die späteren Fähigkeiten angeht, nach dem Motto: Besser ein Instrument richtig, als zwei halb. IV. "Social Efficiency. If all traditional assumptions are maintained except the assumption of exogenous preferences, and if the assumption of perfectly informed endogenous preferences is substituted for exogenous preferences, any general equilibrium of a competitive, private enterprise, market economy will be judged a Pareto optimum by our overall indiviual well-being functions. Moreover, in this case there is no reason to expect an endogenous view of preferences to make the necessary assumptions less plausible." (HAHNEL/ALBERT 1990 S. 157) Die Existenz eines allgemeinen Gleichgewicht wird in dem Theorem vorausgesetzt. Die entscheidenden Annahmen sind dann der Ausschluß von Externalitäten und die Voraussetzung lokal nicht gesättigter Präferenzen. Die Endogenisierung von Präferenzen läßt diese Annahmen nicht unplausibler erscheinen. V. "Distributional Flexibility. If all traditional assumptions are maintained except the assumption of exogenous preferences, and if the assumption of perfectly informed endogenous preferences is substituted for exogenous preferences, any Pareto optimum is an equilibrium of an appropriate private enterprise, competitive market economy."(HAHNEL/ALBERT 1990 S 158) Die entscheidenden Annahmen über die Präferenzen bzw. Nutzenfunktionen sind lokale Nicht-Sättigung, Stetigkeit, Konvexität (bzw. Quasi-Konkavität) und die 50 Abwesenheit von Externalitäten. VI. "Snowballing Nonoptimal Allocations. In an economy that contains a bias in the relative terms of supply of two economic activities: (1) the degree of nonoptimality will be greater than indicated by traditional welfare theory, which treats preferences as exogenous; (2) the divergence from optimality will ‘snowball’ or increase over time, in a manner that can be precisely defined." (HAHNEL/ALBERT 1990 S. 162) Hahnel und Albert betrachten ohne Zweifel dieses und die zwei folgenden Theoreme als ihren entscheidenden, inhaltlich substantiellen Beitrag zur wohlfahrtstheoretischen Diskussion endogener Präferenzen. Leider aber ist der "Beweis", den sie für dieses Theorem VI. vorlegen, voll von Fehlern und dazu unvollständig. Außerdem wird man kaum behaupten können, die Autoren hätten "präzise definiert", was sie unter wachsender ("snowballing") Abweichung vom optimalen Pfad verstehen. Es hat wenig Sinn, den Beweis in seiner Gesamtheit vorzuführen, und dabei jeden einzelnen Fehlschluß aufzulisten. Was ich aber tun möchte, ist, die grundsätzliche Vorgehensweise kurz zu erläutern und an ein paar Beispielen zu zeigen, was dabei danebengeht.57 Zunächst einmal vereinfachen die Autoren (berechtigterweise) ihr Modell auf vier Güter (x,y,a,z) und zwei menschliche Eigenschaften S und P. Für die momentanen Nutzenfunktionen58 (6,6) gelte (6,7) 57 58 Der "Beweis" findet sich op. cit. S. 165-179. Die Autoren indizieren die verschiedenen Größen jeweils noch mit einem Index für das betrachtete Individuum. Wir verlieren nichts, wenn wir diesen Index weglassen. 51 während (6,8) d.h. nur der Nutzen der Güter a und z kann über menschliche Eigenschaften beeinflußt werden, und zwar so, daß S nur auf a und P nur auf z wirkt. Für S und P gelte weiterhin: (6,9) während (6,10) d.h. nur der Konsum der Güter x und y wirkt auf die menschlichen Eigenschaften, und zwar so, daß x nur auf P und y nur auf S wirkt. Um "Endzeitprobleme" zu vermeiden, nehmen Hahnel und Albert einen unendlichen Zeithorizont an, außerdem setzen sie den Abdiskontierungsfaktor zur Vereinfachung gleich Eins. Das ist möglich, allerdings hätten die Autoren als Kriterium statt der dann (i.d.R.) unendlichen Summe über alle momentanen Nutzen eines der für diesen Fall entwickelten Kriterien verwenden sollen.59 Für ihr weiteres Vorgehen nehmen die Autoren nun an, daß das Individuum für ein einziges Gut (nämlich a) in einer einzigen Periode (nämlich T+K)60 sich einem Preis gegenüber sieht, der höher liegt als der Preis, der zu einem paretoeffizienten 59 60 Vgl. LÉONARD/LONG 1992 S. 285ff., FEICHTINGER/HARTL 1986 S.186ff. Die Autoren unterscheiden typographisch leider nicht zwischen den Laufindizes t und k, und den festen Zeitpunkten T und T+K, indem sie diese ebenfalls mit Kleinbuchstaben bezeichnen. Das trägt zur Klarheit ihrer Ausführungen nur bedingt bei. 52 Gleichgewicht führen würde.61 Sie versuchen dann zu zeigen, daß das Individuum auf diesen veränderten Preis nicht nur dadurch reagieren würde, daß es sich auf seiner bei den "optimalen" Preisen gegebenen Nachfragekurve bewegt und dieser Nachfragekurve entsprechend seine Nachfrage reduziert, wie es (abgesehen von Giffengütern) die "neoklassische Theorie"62 behauptet. Vielmehr würde es außerdem diese Nachfragekurve selbst nach links verschieben, indem es in früheren Perioden den Konsum des Gutes x erhöht und den des Konsumes y zurücknimmt, mit den entsprechenden Folgen für die menschlichen Eigenschaften P und S. Die Autoren meinen also, beweisen zu können, daß der einzelne Konsument stärker auf Preisänderungen reagiert, als die "neoklassische Theorie" voraussagen würde. Die daraus folgende größere mengenmäßige Abweichung von der Nachfrage bei optimalen Preisen ist für sie dann gleichbedeutend mit einem höheren Grad an NichtOptimalität.63 Das ist eine erste Schwierigkeit, auf die ich aufmerksam machen möchte. Es ist nicht unmittelbar einsichtig, weshalb das Maß der mengenmäßigen Abweichung von der Situation bei optimalen Preisen ein guter Maßstab für den Grad an Nicht-Optimalität sein soll. Es wäre wünschenswert gewesen, daß die Autoren die Gründe für diese Wahl eines Maßstabes angegeben hätten.64 Problematisch ist auch die Argumentation über die Verschiebung von Nachfragekurven. Was ist das für eine Nachfragekurve, die die Konsumenten angeblich verschieben? Eine einzelne Nachfragekurve gibt an, wie der Konsument auf die Preisänderungen eines Gutes reagiert, wenn die Preise der übrigen Güter und das (die) Einkommen konstant bleiben. In einem intertemporalen Ansatz muß diese Nachfragekurve natürlich aus der intertemporalen Gesamtnutzenfunktion abgeleitet werden, weil nur so alle Möglichkeiten, sich an veränderte Preise anzupassen berücksichtigt werden. Und das gilt unabhängig davon, ob endogene Präferenzen modelliert werden oder nicht.65 Statt zu zeigen, daß unter ihrer Berücksichtigung der 61 Man könnte an einen Monopolpreis denken oder einen Marktpreis, der positive Externalitäten nicht berücksichtigt. 62 "Neoklassische Theorie" bedeutet für Hahnel und Albert in diesem Kontext eine Theorie, die endogene Präferenzen vernachlässigt. 63 In Wirklichkeit aggregieren die Autoren zunächst noch über alle Individuen, um zu zeigen, daß auch die Gesamtnachfrage stärker reagiert und entsprechend auch die tatsächlich gehandelte und konsumierte Menge. Diese Aggregation bringt keinen weiteren Erkenntnisgewinn. Vgl. op. cit. S. 178f. 64 Vgl. op. cit. S. 163. Genauer benutzen die Autoren als Maß die Abweichung des Verhältnisses der realisierten aggregierten Nachfrage der Güter a und z zum Zeitpunkt T+K bei den respektiven Preisen. 65 Es besteht der Verdacht, daß Albert und Hahnel bei ihren verschobenen Nachfragekurven an "kurzfristige" Nachfragekurven gedacht haben. Aber das ist im dynamischen Kontext ein unsinniges Konzept, weil es gerade die Essenz der intertemporalen Optmierung in Frage stellt. Wenn man auf dem 53 Konsument seine Nachfragekurve verschiebt, hätten sie zeigen sollen, daß diese Nachfragekurven flacher verlaufen, als dies die "neoklassische Theorie" voraussagt; oder mit anderen Worten, daß die Preisreagibilität höher ist. In ihrem Beweisgang setzen die Autoren implizit eine in den Ausgangspreisen der "neoklassischen Theorie" und dem Ansatz mit endogenen Präferenzen gemeinsame Nachfragekurve voraus. Nur so folgt bei fallenden Nachfragekurven aus der Tatsache, daß nicht nur eine Bewegung auf der Nachfragekurve stattfindet, sondern auch eine Verschiebung der Kurve selbst, ein "Mehr" an Veränderung der Nachfrage. Es ist unklar, woher diese zunächst gemeinsame Nachfragekurve kommen soll, was ein weiteres Problem im Vorgehen der Autoren deutlich macht: Wenn ich tatsächlich einen Größenvergleich machen möchte, muß ich nicht nur die Nutzenfunktion bei endogenen Präferenzen sondern auch die bei exogenen festen Präfenzen charakterisieren. Nur so ist ja klar, was mit was zu vergleichen ist.66 Um die angebliche Verschiebung der Nachfragekurven zu beweisen, gehen sie von fünf (alle Möglichkeiten des Konsumenten erschöpfenden67) Optionen aus und versuchen, alle bis auf eine als widersprüchlich zu erweisen. In ihrem Beweisgang benutzen sie dann wieder viele Argumente der Art, wie ich sie schon oben (S. 49) als unhaltbar erwiesen haben. Allgemein scheinen die Autoren Schwierigkeiten im Umgang mit Veränderungen von Brüchen im Verhältnis zu Veränderungen der in den Brüchen auftretenden Größen zu haben. Um nur noch ein Beispiel direkt aus diesem "Beweis" zu geben, das gleichzeitig auch eine gewisse inhaltliche Bedeutung hat, möchte ich ein Argument herausgreifen, das in jedem der fünf Beweisschritte (für die fünf Optionen) wichtig ist. Die Autoren greifen einen beliebigen früheren Zeitpunkt heraus, nennen wir ihn T, und bestimmen aufgrund der Bedinungen erster Ordnung korrekt: (6,11) nur verwirrenden Konzept besteht, müßte man sagen, daß jeder intertemporale Optimierungsansatz von einer Verschiebung der Nachfragekurven ausgeht. 66 Es bietet sich z.B. an, einfach in (6,6) S und P konstant zu setzen. 67 In Wirklichkeit vernachlässigen sie die Möglichkeit von Giffengütern. 54 55 Sie behaupten nun, daß unter der Voraussetzung (6,12) auch die rechte Seite von (6,11) für die zu z(T+K)’ bzw a(T+K)’ gehörigen Werte der partiellen Ableitungen in (6,12) größer sein müßte als für die zu z(T+K) und a(T+K) gehörigen. Das ist falsch, wie man sich mit einfachen Zahlenbeispielen überzeugen kann. Als nächstes behaupten sie dann, die einzige Möglichkeit, die rechte Seite von (6,11) wieder dem unveränderten Preisverhältnis auf der linken Seite anzugleichen, sei, den Konsum von x(T) und y(T) zu verändern und dadurch ∂U(T)/∂x(T) und ∂U(T)/∂y(T), bzw. ∂P(t+k)/∂x(T) und ∂S(t+k)/∂y(T). Dabei übersehen sie aber, daß in den beiden unendlichen Summen68 in (6,11) unendlich viele partielle Ableitungen ∂U(t+k)/∂P(t+k) und ∂U(t+k)/∂S(t+k), t+k≠T+K, auftreten, die im Problem der simultanen Anpassung aller Nachfragen nicht einfach als konstant angenommen werden können. Sie könnten sich über Veränderungen der Nachfragen nach a und z in den entsprechenden Perioden anpassen.69 Der "Beweis" für die Behauptung (2) in Theorem VI. baut auf Behauptung (1) auf. Es ist also schon von daher klar, daß auch dieser Teil des Theorems nicht schlüssig bewiesen wird. Unangenehmer ist noch, daß nicht einmal so recht klar wird, was die Autoren mit wachsender Nicht-Optimalität präzise meinen. Möchten sie damit einfach sagen, daß die Abweichung der Nachfrage bei verändertem Preis zur Nachfrage beim ursprünglichen Preis im Zeitablauf wächst? (Darauf deutet die Formulierung des Theorems selbst hin.) Oder daß der Unterschied der Nachfrage, die sich in unserem Modell ergibt, von der, die sich im "neoklassischen" Modell ergibt, im Zeitablauf wächst? (Darauf deutet eine Formulierung op.cit. S. 164.70) Was heißt im Zeitablauf? Wächst die Abweichung in alle Ewigkeit aufgrund einer einzigen Abweichung zum Zeitpunkt T+K? Oder wird jetzt plötzlich angenommen, daß ein 68 Deren Existenz durch entsprechende Annahmen sichergestellt werden müßte. 69 Das wäre dazu noch eine doch eher intuitiv plausible Reaktion: Wenn ein Gut in einer bestimmten, einzigen Periode teurer wird, reagiere ich darauf mit einer (etwas) erhöhten Nachfrage nach dem selben Gut in einer zeitlich nahen Periode. 70 "Demonstration of a degree of nonoptimality [...] that ‘snowballs’ over time amounts to showing that the total supply of the activity [...] will be less than calculated assuming exogenous preferences and grow less over time." 56 Preis in jeder Periode erhöht wird, und das zu einer immer wachsenden Abweichung führt? Die Kette der Fragen ließe sich fortsetzen, und ich verweise den zweifelnden Leser auf die entsprechenden Ausführungen der Autoren.71 Es ist Albert und Hahnel offensichtlich nicht gelungen, ihr Theorem zu beweisen. Teilweise sind sie nicht einmal ganz präzise in der Formulierung dessen, was sie eigentlich meinen. Trotzdem besitzt das Theorem einen gewissen intuitiven Reiz, der eine weitere Beschäftigung mit ihm lohnend erscheinen läßt. Ich möchte deshalb im folgenden untersuchen, inwieweit sich die Intuitionen Alberts und Hahnels am Beispiel einer quadratischen Nutzenfunktion bestätigen lassen. Dabei stütze ich mich auf die Ergebnisse der Arbeit Beckers und Murphys. Ich hoffe damit an einem Beispiel die Antwort auf drei Fragen zu finden: 1. Inwieweit läßt sich die Behauptung der zweiten Aussageebene des Theorems II bestätigen, daß auf erhöhte Preise eines Gutes Konsumenten mit einem Abbau der menschlichen Eigenschaften reagieren, die den Konsum dieses Gutes fördern?72 2. Inwieweit läßt sich Teil (1) des Theorems VI bestätigen? Reagieren die Konsumenten in einem Modell mit endogenen Präferenzen stärker auf Preiserhöhungen, als das in einem Modell mit exogenen Präferenzen der Fall wäre? 3. Läßt sich die Aussage präzisieren, daß in einem Modell mit endogenen Präferenzen die Nachfrageabweichungen wachsen (Theorem VI (2)? Gegenüber dem Modell, das Hahnel und Albert für ihren mißglückten Beweis benutzen, ist das Modell Beckers und Murphys noch einmal etwas vereinfacht. Statt vier Güter und zwei Eigenschaften werden nur zwei Güter und eine Eigenschaft betrachtet: Ein Gut y, das von früherem Konsum nicht berührt wird und auch nicht zum Wachsen des Konsumkapitals (der menschlichen Eigenschaft) beiträgt, und ein Gut c, das zum Aufbau des Konsumkapitals S beiträgt, und dessen Konsum durch dieses Konsumkapital gefördert wird. Es handelt sich hier also um den klassischen Fall der habit-formation. Schon an dieser Stelle ist eine erste einschränkende Bemerkung angebracht: Hahnel und Albert hatten gemeint, ihr Ergebnis direkt von der Annahme ∂2U/∂a∂S>0 ableiten zu können, wohl weil sie implizit annahmen, daß daraus da/dS>0 folgern würde. Becker und Murphy zeigen aber, daß ein solcher positiver Zusammenhang zwischen Konsum und Konsumkapital die Erfüllung einer weiteren Bedingung, (2,18)(a), erfordert. Auf dieser Bedingung (in Beckers und Murphys etwas eigenwilliger Terminologie die Bedingung potentieller Abhängigkeit) beruhen dann auch die 71 Op.cit. S. 162-164, 178f. 72 Das ist wohl auch die Intuition, die hinter den "verschobenen" Nachfragekurven steht. 57 weiteren Ergebnisse. Aus dem optimalen Konsumpfad (2,21) folgt für den Grenzwert des kompensierten Effektes einer marginalen Preisänderung in einem Zeitintervall auf die Nachfrage in einer anderen Periode dividiert durch die Länge des Intervalles, wenn wir die Länge dieses Intervalles gegen Null gehen lassen:73 (7,1) und (7,2) Diese (kompensierten) Kreuzpreisreagiblitäten sind negativ genau dann, wenn Bedingung (2,18)(a) erfüllt ist. (7,1) bedeutet dann aber, daß der Konsument auf eine Preiserhöhung in einer späteren Periode dadurch reagiert, daß er zu jedem früheren Zeitpunkt seinen Konsum des betroffenen Gutes c zurücknimmt. Zusammen mit der Bewegungsgleichung (2,1) und dc/dS>0 folgt daraus aber eine der Behauptungen Hahnels und Alberts: Der Konsument reagiert auf eine Preisänderung in einer Periode nicht nur dadurch, daß er wegen des direkten Preiseffektes (vgl. µp(t)/αcc in (2,21)) seinen Konsum reduziert, sondern er reduziert seinen Konsum (u.a.) in der entsprechenden Periode zusätzlich dadurch, daß er auch seinen Konsum in früheren Perioden und in der Folge seine (momentanen) Präferenzen entsprechend anpaßt. Hier ist eine zweite Einschränkung am Platz. Ich habe oben schon hervorgehoben, daß es sich bei (7,1) und (7,2) um kompensierte Kreuzpreisableitungen handelt. Durch Kompensation wurde µ konstant gehalten. Hier sei aber ein Vergleich mit dem "Gesetz" der fallenden Nachfrage erlaubt. Auch dieses Gesetz läßt sich nur für kompensiert Preisänderungen theoretisch ableiten, obwohl wir sicher davon ausgehen, daß das die "normale" Reaktion beschreibt. Ein Problem in unserem Zusammenhang ist allerdings, daß das Konstanthalten von µ keine sinnvolle wohlfahrtstheoretische Interpretation zuläßt und allein in mathematischer Konvenienz begründet ist. Auch die Behauptung, das Ausmaß des Nachfragerückganges sei größer als das eine Theorie voraussagen würde, die endogene Rückwirkungen vernachläßigt, kann in unserem Beispiel in gewisser Weise bestätigt werden. 73 BECKER/MURPHY 1988 S. 688 f. 58 (7,1) und (7,2) werden für τ→t identisch zu (7,3) (7,3) wächst mit t. Insbesondere gilt für t=0 (7,4) und für t→∞ (7,5) Aus einer quadratischen Nutzenfunktion mit S(t)=S0 als Vergleich würde sich ergeben: (7,6) und für die (7,1) bzw. (7,2) entsprechende Ableitung (auch für τ→t) trivialerweise (7,7) Besonders deutlich wird im kontinuierlichen Fall allerdings auch die Fragwürdigkeit der Relevanz dieses hier trivialen Ergebnisses: Es ist nicht klar ob die mengenmäßige Abweichung zu einem Zeitpunkt überhaupt ein sinnvolles Wohlfahrtskriterium darstellt. Außerdem ist das Ergebnis in seiner Aussagekraft durch die Konstanthaltung von µ stark eingeschränkt. Das Phänomen der wachsenden Abweichung ergibt sich in unserem Beispiel in einem wirklich präzisen Sinne: Die Ableitung von (7,1) ist für λ2+δ>0, d.h. für Fall (2,18)(a), kleiner Null, die von (7,2) größer Null. Das bedeutet aber, daß der Konsument, während er sich auf den Moment der Preisänderung zubewegt, immer mehr von 59 seinem ursprünglichen Pfad abweicht. Wenn er sich danach von da aus weiterbewegt, nimmt diese Abweichung dann wieder ab. Man kann noch in einem zweiten Sinn von wachsender Abweichung sprechen, worauf auch Becker und Murphy selbst hinweisen: (7,1) wächst absolut, wenn τ unter Konstanthaltung von τ-t wächst. Das bedeutet aber, daß bei gleicher Preisänderung die Abweichung um so größer sein wird, um so später sie im Planungshorizont erfolgt, je länger sich der Konsument also auf die Preisänderung vorbereiten kann. (Das ist sicher kein selbstverständliches Ergebnis!) Becker und Murphy leiten ähnliche Folgerungen für steady states ab. Aus (2,12) zusammen mit (2,1) folgt für den steady state: (7,8) (7,9) (7,10) (7,11) Auch für steady states ist mit (7,10) die erste unserer Fragen positiv zu beantworten, solange überhaupt dc/dS>0 und deshalb δ+λ2>0. Auch die zweite Frage kann für steady states bejaht werden. Mit konstanten Preisen gilt folgt aus (7,6) bei Vernachlässigung endogener Präferenzen: (7,12) (7,11) ist aber dem Betrag nach sicher größer als (7,12), solange dc/dS>0 und deshalb δ(σ+δ)-B>0 (vgl. (2,18)(a)). Auf die dritte Frage bezogen zeigen Becker und Murphy, daß bei konstanten Preisen die kurzfristige Reaktion der Konsumenten auf Preisänderungen kleiner ist als die langfristige Verschiebung der steady states (was vielleicht weniger überrascht). 60 Genauer ergibt sich für die kurzfristige Reaktion:74 (7,13) Interessanter sind ihre Betrachtung instabiler steady states. Bei quadratischen Nutzenfunktionen bedeutet die Existenz eines instabilen steady states, daß der Konsument langfristig entweder nichts oder "unendlich" viel von dem Gut c konsumiert, eine (dauernde) Preisänderung kann also wirklich dramatische "snowballing" Effekte haben. Betrachtet man die quadratische Nutzenfunktion nur als eine Annäherung in der Nähe der steady states und analysiert Fälle mit mehren steady states, kann eine dauernde Preisänderung zur Folge haben, daß der Konsument sich von einem tieferliegenden stabilen zu einem über dem unstabilen liegenden steady state entwickelt. (BECKER/MURPHY 1988 S. 682 f. und 685 f.) VII. "Snowballing Warped Human Development. In an economy that contains a bias in the relative terms of supply of two economic activities: (1) individual human development patterns will be ‘warped’ in a manner that can be precisely defined; (2) ‘warped’ human characteristics will ‘snowball’ over time." (HAHNEL/ALBERT 1990 S. 163) Zu dem Versuch der Autoren, aufbauend auf dem "Beweis" von VI auch VII zu beweisen, sind wohl keine weiteren Bemerkungen mehr nötig. Auf zwei Dinge möchte ich allerdings hinweisen: Teil (1) dieses Theorems ergibt sich schon aus Theorem II, und zwar unabhängig von den Aussagen über die Richtung der Änderung der menschlichen Eigenschaften. Solange man keine Aussagen über Ausmaß und Richtung macht, ist VII (1) eine direkte Konsequenz von II (erste Aussageebene). Das einzige was hier zusätzlich behauptet wird, ist, daß bei Preisen, die zu einer suboptimalen Konsumstruktur führen, auch die damit unmittelbar verbundenen Bestände C i.d.R. nicht ihren Werten in einem Paretooptimum entsprechen werden und in diesem Sinne suboptimal, "warped" (ein vielleicht etwas stärkeres Wort) sind. Mein zweiter Hinweis bezieht sich auf das Modell Beckers und Murphys. Sowohl Teil (1) wie Teil (2) des Theorems werden in diesem Beispiel bestätigt und folgen direkt aus den Ausführungen zu Theorem VI. Theorem VII ist ein beachtliches Ergebnis. Es ermöglicht es, im Gewand moderner Mikrotheorie ein Ergebnis zu reproduzieren, das zum traditionellen Bestand linker 74 Vgl. BECKER/GROSSMAN/MURPHY 1992 S. 365. 61 Kapitalismuskritik gehört. Wenn gezeigt werden kann, daß in einem System in Märkten operierender privater Unternehmen bestimmte Güter oder Formen von Arbeit systematisch zu falschen Preisen angeboten werde (d.h. Preisen, die zu suboptimalen Gleichgewichten führen), dann sind auch die zu jedem Zeitpunkt anzutreffenden menschlichen Eigenschaften der Konsumenten und Arbeiter verformt und suboptimal (sie weichen von den Werten in einem gesamtgesellschaftlichen paretoeffizienten Zustand ab, auch wenn jedes Individuum auf die suboptimalen Preise individuell optimal reagiert.) Genau auf diese Weise bauen die Autoren dann auch im weiteren Verlauf ihres Buches auf diesen Theoremen auf. Sie versuchen zu zeigen, daß Marktwirtschaften Güter mit positiven externen Effekten systematisch zu teuer anbieten;75 daß in Ökonomien mit privatwirtschaftlichen Unternehmen Arbeiten, die die darin Beschäftigten in ihren Fähigkeiten fördern, systematisch unterbezahlt werden;76 und daß zentral geplante Ökonomien selbstverwaltete Arbeitsformen systematisch unterbezahlen. Alle diese Formen suboptimaler Preise führen dann entsprechend des Theorems VII zu systematischen Verzerrungen auch der menschlichen Charaktere: Die entsprechenden Güter und Arbeiten werden von den unter diesen wirtschaftlichen Systemen Lebenden zu jedem Augenblick weniger geschätzt als das im Optimum der Fall wäre. Man könnte sich vielleicht fragen, ob das Ganze nicht einfach nur aus der Interpretation der Zustandsvariablen als Charaktereigenschaften von Menschen folgt. Da es sich dabei ja um unbeobachtbare Variablen handelt, ist eine solche Interpretation nicht unbedingt zwingend. Kann man nicht einfach eine intertemporale Nutzenfunktion annehmen, ohne diese weiter zu interpretieren? Ist die intertemporale Nutzenfunktion nicht nur eine Art black box, die das Verhalten der Individuen beschreibt, ohne daß es möglich oder auch nötig wäre, diese black box zu öffnen und den einzelnen Elemente der Funktion eine Bedeutung zu geben? Ist nicht eine solche Beschreibung der Nutzenfunktion die einzige, die dem Ansatz der offenbarten Präferenzen entspricht? Verzichtet man auf diese Weise auf eine weitere Interpration der intertemporalen Nutzenfunktion, bedeuten endogenisierte Präferenzen nur noch, daß die Nutzenfunktion intertemporal nicht separierbar ist, d.h. daß i.d.R. die Grenzraten der Substitution der Güter zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Konsumpfad in anderen Perioden abhängen.77 Abhängig vom Konsumpfad in anderen Perioden werden sich die Individuen also unterschiedlich verhalten. In diesem Sinne wird man dann aber auch hier sagen müssen, daß die Individuen sich selbst geändert haben. 75 Das ist ein Standardergebnis der Theorie externer Effekte. 76 Sie leiten dieses Ergebnis aus dem Gewinnmaximierungskalkül privater Unternehmen ab! HAHNEL/ALBERT 1990 S. 288ff. 77 Zum Konzept der Separarierbarbeit vgl BARTEN/BÖHM 1982 S. 392-395 und 408 f. 62 Wichtig ist in diesem Zusammenhang, den zeitlichen Charakter des Problems nicht aus dem Auge zu verlieren. Auch wenn wir den Konsumenten und seine Entscheidung in einer Weise modelliert haben, die sich im Grunde in nichts von der Modellierung einer statischen Einperiodenentscheidung unterscheidet (das ist im Fall eines diskreten intertemporalen Modells offensichtlich), bleibt der modellierte Mensch doch dem zeitlichen Fluß unterworfen und findet sich so, auch wenn er sich gemäß seines optimalen Planes verhalten hat, abhängig von den Preisverhältnissen verändert vor. VIII. "Disguised Distortion. The full effects of any bias in the relative terms of supply of activities in an economy will be disguised to participants in the economy and to analysts who view preferences as exogenous." (HAHNEL/ALBERT 1990 S. 163) Theorem VI (1) behauptet, daß eine "neoklassische" Theorie die Effekte suboptimaler Preise unterschätzen würde: Die "neoklassische" Theorie in der Terminologie Hahnels und Alberts ist aber definiert als die Theorie von "analysts who view preferences as exogenous." Theorem VIII würde also direkt aus VI (1) folgen. Wir haben gezeigt, daß es Hahnel und Albert nicht gelungen ist, Theorem VI (1) zu beweisen. Am Beispiel einer quadratischen Nutzenfunktion konnte die Aussage von VI (1) zwar (insbesondere auch für die steady states) bestätigt werden. Es bleibt aber fraglich, ob das Ausmaß der mengenmäßigen Abweichung ein sinnvoller Maßstab für den Grad des Wohlfahrtsverlustes ist. In Bezug auf die Teilnehmer der Ökonomie, d.h. die Konsumenten und Arbeiter selbst, gibt es noch ein zusätzliches Problem der theoretischen Konsistenz. Die Konsumenten sind im vorliegenden Modell als rational und vorausschaudend modelliert worden. Bei ihren Entscheidungen berücksichtigen sie voll die Effekte ihrer einzelnen Konsumentscheidungen auf ihre zukünftigen Präferenzen. Anzunehmen, daß ein solcher Konsument dann gleichzeitig Präferenzen als exogen betrachtet, bedeutet, daß man entweder davon ausgeht, daß er seine optimalen Entscheidungen unbewußt trifft, oder daß er jeweils vergißt, wie er seine Entscheidungen getroffen hat. 63 C. Kurzsichtig oder vorausschauend? Wenn man nicht weisz, dasz Akte, die in bestimmter Richtung erfolgen, einen entsprechenden Habitus erzeugen, so nimmt sich das beinahe wie Stumpfsinn aus. 78 Aristoteles Wir haben grundsätzlich zwei Weisen behandelt, in denen man das Konsumentenverhalten unter endogenen Präferenzen modellieren kann: den kurzsichtigen Konsumenten, der den Effekt seiner Entscheidungen auf künftige Präferenzen vernachlässigt und den vorausschauenden, der sich dieser Zusammenhänge voll bewußt ist. Es stellt sich jetzt die Frage, welches der beiden Modelle das angemessenere ist. In vier Schritten möchte ich diese Frage diskutieren: 1. Welches Modell erlaubt, reichere wohlfahrtstheoretische Ergebnisse abzuleiten? 2. Welches Modell wird empirisch besser bestätigt? 3. Welches Modell ist mit der Grundannahme moderner Mikroökonomie, d.h. der Annahme rationaler Konsumenten vereinbar? 4. Ist die Alternative falsch gestellt und sollte man einen dritten Weg gehen? ad. 1: Unter Voraussetzung seines schwächeren Kriteriums für eine Wohlfahrtsverbesserung eines kurzsichtigen Konsumenten konnte von Weizsäcker zeigen, daß endogene Präferenzen bei kurzsichtigen Konsumenten ein zusätzlicher Grund für die Ineffizienz von Marktlösungen sein können: Gegenüber der laissez faire Lösung können u.U. Paretoverbesserungen möglich sein. Das ganze Problem dieses Ansatzes liegt in den Schwierigkeiten, die mit der Wahl des vorausgesetzten langfristigen Kriteriums verbunden sind. Der Konsument selbst berücksichtigt bei seinen Entscheidungen jeweils nur die unmittelbaren, momentanen Effekte, er sucht sich bei gegebenen Preisen einer Periode das Konsumbündel, das seinen momentanen Nutzen optimiert, unabhängig von den Konsequenzen, die das später haben mag. Es erscheint deshalb in hohem Maß fraglich, was dann als Maßstab der wohlfahrtstheoretischen Bewertung der intertemporalen Folgen, die seine Entscheidungen ja hat (auch wenn er sie nicht berücksichtigt), dienen kann. 78 Nikomachische Ethik 1114a. Den Hinweis verdanke ich ELSTER 1984 S. 83. 64 Die Entscheidung für ein solches Kriterium bleibt immer in dem Sinne willkürlich, daß es nicht einfach mit dem Kriterium des Konsumenten (seiner Präferenzordnung) identisch sein kann. Diese Präferenzordnung ist eben gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie sich nur auf gegenwärtige, momentane Güterbündel bezieht.79 Selbst das Kriterium, das wohl am ehesten dem Grundansatz moderner Wohlfahrtstheorie entsspechen würde80, nämlich einfach die kurzfristigen Präferenzen als Kriterium auch der langfristigen Konsequenzen zu nehmen, ist zumindest eine Interpolation. Und hätte die vielleicht doch beunruhigende Konsequenz, daß der Konsument von Abb. 1 sich auf seinem Weg in den Hungertod in der Tat immer verbessern würde. Ein einzelner, eine Gesellschaft, die die Kurzsichtigkeit dieses Individuums ausnützen würde, täte ihm nur Gutes. Die Modellierung vorausschauender Konsumenten ist eine direkte Extension des Standardmodelles rationaler Konsumentenentscheidung auf eine intertemporale Entscheidung bei endogenen Präferenzen. Es ist deshalb keine Überraschung, daß die grundsätzlichen Ergebnisse der modernen Wohlfahrtstheorie, insbesondere die drei Wohlfahrtstheoreme, dadurch nicht berührt werden. Endogene Präferenzen sind in diesem Modell kein eigenständiger Grund für die Ineffizienz von Marktlösungen. Der sehr hohe Anspruch, den Hahnel und Albert für die wohlfahrtstheoretischen Folgerungen ihres Ansatzes erheben, wurde nur zum Teil eingelöst. Einige interessante Ergebnisse können aber doch festgehalten werden. In sehr direkter Weise folgt aus der Modellierung vorausschauender Konsumenten bei endogenen Präferenzen, daß eine Theorie, die endogene Präferenzen vernachlässigt (natürlich!) die wohlfahrtstheoretischen Konsequenzen von Preisänderungen falsch einschätzen wird (Theorem I), und daß die momentanen, beobachtbaren Präferenzen wohlfahrtstheoretisch bedeutungslos sind, weil sie zum einen der Veränderung unterworfen sind, und zum anderen das Ergebniss u.U. erheblicher Verzerrungen und Ineffizienzen sein können (Theorem II, Theorem VII (1)). Die Überprüfung anhand einer quadratischen Nutzenfunktion bestätigt die Vermutung, daß beim Vorliegen von Ineffizienzen sowohl die Güternachfrage als auch die Entwicklung menschlicher Eigenschaften systematisch von ihrem Optimalpfad abweichen, und daß diese Abweichungen unter verschiedenen Rücksichten im Zeitablauf wachsen (Theoreme VI (2) und VII (2)). Auch die Vermutung, daß eine Theorie, die endogene Präferenzen vernachlässigt, die mengenmäßige Abweichung der Nachfragen bei suboptimalen Preisen von den 79 Zur Möglichkeit, das Verhalten eines kurzsichtigen Konsumenten im Rahmen eines intertemporalen Ansatzes zu modellieren s. unter ad. 3. 80 Der Konsument selbst ist bester Richter über die Frage, was gut und was schlecht für ihn ist. 65 Nachfragen bei optimalen Preisen unterschätzt, konnte bestätigt werden (Theorem VI (1)). Die wohlfahrtstheoretische Bedeutung dieser mengenmäßigen Abweichungen ist allerdings überaus fragwürdig. Keine Schwierigkeit hat dieser Ansatz mit der Wahl eines langfristigen Kriteriums für wohlfahrtstheoretische Urteile. Wie im statischen Kontext steht dafür die (langfristige) Nutzenfunktion des Konsumenten selbst zur Verfügung. ad. 2: Empirische Arbeiten, die zwischen Modellen kurzsichtiger und vorausschauenden Konsumenten zu diskriminieren versuchen, gibt es sehr wenige. VENDRIK (1993 S. 3) zitiert zwei Arbeiten (beide 1988), die eher kurzsichtiges Verhalten unterstützen, und eine Arbeit (1986), die genau zum gegenteiligen Ergebnis kommt. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal wäre die Reaktion auf wahrgenommene zukünftige Preisänderungen. (BECKER/MURPHY 1988 S. 687) Weil letztere selbst ein empirisch schwer faßbares Konzept darstellen, wird deutlich, wie schwierig es sein wird, auf empirischer Basis zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Becker und Murphy verweisen u.a. auf empirische Arbeiten zu verändertem Raucherverhalten in den 60er und 70er Jahren. Das generelle Bild ist ein deutlich Rückgang des Rauchens in der amerikanischen Gesamtbevölkerung und auch in Subbevölkerungen. Da gerade in diesem Zeitraum die Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Rauchen und Gesundheit bekannt wurden, kann man den Rückgang als Reaktion auf veränderte (erhöhte) wahrgenommene (Schatten-) Preise des Rauchens interpretieren. In dieser Interpretation wäre diese Entwicklung ein Beweis für die Tatsache, daß Konsumenten die zukünftigen Konsequenzen ihrer Entscheidungen sehr wohl berücksichtigen. (BECKER/MURPHY 1988 S. 687) In einer Reihe weiterer empirischen Arbeiten zum Raucher-, Trinker-, und Spielerverhalten finden Becker und Murphy ihr Modell bestätigt, weil sie untermauern, daß sich Konsumenten in wesentlichen Punkten so verhalten, wie ein Modell rationaler Abhängigkeit es voraussagen würde. "In particular, long-run price elasticities are sizable and much bigger than short-run elasticities, higher future as well as past prices reduce current consumption, lower income persons respond more to changes in prices of addictive goods than do higher income persons, whereas the latter respond more to changes in future harmful effects, and younger persons respond more to price changes than older persons." (BECKER/GROSSMAN/MURPHY 1992 S. 368 f.)81 81 Die letzten Punkte zählen als Bestätigung der Theorie rationaler Abhängigkeit, weil die Autoren bestimmte Annahmen über die Zeitpräferenz der verschiedenen Gruppen machen. Vgl. ebd. S. 366f. Becker scheint seine frühere Position bezüglich der ökonomischen Bedeutung der Zeitpräferenz revidiert zu haben. 66 ad. 3: Hier geht es vor allem um die Frage, ob kurzsichtige Konsumenten als rational angesehen werden können. Rationalität soll hier im engen Sinn der Ökonomie verstanden werde, d.h. es soll gefragt werden, ob kurzsichtige Konsumenten sinnvoll so beschrieben werden können, daß sie bei gegebener Budgetrestriktion eine Nutzenfunktion optimieren. Meine Antwort ist ein vielleicht überraschendes Nein, das zu begründen sein wird. Das Nein ergibt sich einfach aus der Tatsache, daß es sich hier um die Aufgabe der Modellierung intertemporalen Verhaltens handelt. Die Modellierung kurzsichtige Konsumenten ist der Versuch, die Methoden komparativer Statik auf ein Problem anzuwenden, das essentiell dynamischer Natur ist. Man versuche, ein Modell eines Konsumenten zu entwickeln, das auf der einen Seite endogene Präferenzen berücksichtig, auf der anderen aber auch zumindest eine andere intertemporale Entscheidung, sagen wir eine Sparentscheidung. Die einzige konsistente und der Annahme rationaler Konsumenten entsprechende Form ist es, eine intertemporale Nutzenfunktion anzunehmen und aus dieser das Verhalten des Konsumenten abzuleiten. Unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen kann daraus als ein Sonderfall ein Modell abgeleitet werden, daß dem kurzsichtigen Konsumenten genau entspricht: 1. Der Konsument hat keine anderen intertemporalen Enscheidungen (Kauf dauerhafter Konsumgüter, Sparen, Kreditaufnahme, Ausbildung) zu treffen. 2. Dem Konsumenten ist für jede Periode ein Budgetbeschränkung exogen vorgegeben. Auf eine Gesamtlebensbudgetbeschränkung würde ein kurzsichtiger Konsument einfach so reagieren, daß er in der ersten Periode alles konsumiert und in den folgenden nur noch zahlt und arbeitet (wie?). 3a. Die intertemporale Nutzenfunktion ist intertemporal separabel. (Das läuft auf den Ausschluß endogener Präferenzen hinaus). oder 3b. Der Konsument diskontiert zukünftigen Nutzen mit einem Diskontierungsfaktor von 0 ab. Ich möchte nun nicht behaupten, daß ein solcher Konsument, der die Bedingungen 1,2 und 3b erfüllt, nicht im engen ökonischen Sinn rational zu nennen sei. Für die Beschreibung empirischen Verhaltens wird ein solches Modell aber eher irrelevant sein. Menschen treffen in der Realität sehr viele intertemporale Entscheidungen. Sie kaufen dauerhafte Konsumgüter, bauen Häuser, sparen oder nehmen Kredit, nehmen eine Ausbildung auf, heiraten und schließen Versicherungen ab. Einige dieser Entscheidungen sind, solange man sonst ein Standardmodell aufrecht erhält, bei einem Diskontierungsfaktor von Null überhaupt nicht erklärbar (Sparen z.B.). Bei anderen ist zu erwarten, daß die Annahme eines Diskontfaktors von Null zu Ergebnissen führt, die sich empirisch wohl kaum bestätigen werden (z.B. Kreditaufnahme). Ein Konsument allerdings, der die Bedingungen 1-3b nicht erfüllt und trotzdem nur jeweils seine momentanen Nutzenfunktionen maximiert, ist dann auch im engen Sinne 67 nicht rational zu nennen.82 ad 4. Trotzdem wird der Weg, endogene Präferenzen über intertemporal optimierende, vorausschauende Individuen zu modellieren von einer Reihe von Ökonomen scharf abgelehnt: "Intertemporal models in which tastes in each period depend upon past consumption and in which this is foreseen by the consumer are technically very difficult to handle and, by making no concession to imperfect knowledge or to questions of calculation, are extremely implausible as description of observed behaviour." (DEATON/MUELLBAUER 1980 S. 374) "[...] if one continues to believe that even in a world of changable tastes the foundation for policy and prediction has to be a theory of individual rational choice, then one risks turning Economic Man into a complex monster of calculated schizophrenia, who chooses or manipulates future mutations of himself." (MARSCHAK 1978 S. 386) "The principal difficulty with this approach [to view the problem in an intertemporal framework] is that it is schizophrenic. The habit formation model is tractable because the individual is assumed to be myopic [...] it is difficult to reconcile this approach to welfare with an approach to demand analysis based on myopic habit formation." (POLLAK 1973 S. 296) Wenn das unter ad 3. gesagte korrekt ist, laufen diese Zitate auf die Aufforderung hinaus, Konsumenten im Kontext endogener Präferenzen als irrational zu modellieren. Hauptgründe für Probleme mit dem intertemporalen Ansatz scheinen vor allem zwei zu sein: - Die Arbeit des Ökonomen mit solchen Modellen gestaltet sich ziemlich schwierig. Sehr schnell gerät man z.B. zu kaum mehr handhabbaren Differenzen- oder Differentialgleichungssystemen. - Es erscheint "extrem unplausibel", daß Konsumenten sich tatsächlich so verhalten. Einmal wird in den Modellen perfekte Voraussicht vorausgesetzt, zum anderen implizieren sie, daß der Konsument (unbewußt?) die komplizierten mathematischen Probleme löst, die selbst berühmte Ökonomen zurückschrecken lassen. Pollak bezieht diese Überlegungen noch direkt auf die Frage der Wohlfahrtstheorie: Wenn man z.B. aus Gründen der Handhabbarkeit in der Nachfragetheorie ein Modell 82 Wenn er eine intertemporale Nutzenfunktion hat, dann maximiert er seinen Nutzen auf diese Weise nicht. 68 kurzsichtiger Konsumenten benutzt, dann sollte man das auch in der Wohlfahrtstheorie tun. Nun ist zunächst einmal die Feststellung, daß die Verfolgung eines wissenschaftlichen Ansatzes schwierig ist, für sich genommen noch kein Argument gegen diesen. Nur wenn sich mit einem koheränten einfacheren Ansatz ähnlich gute Vorraussagen und ein ähnlicher Reichtum an Erkenntnissen gewinnen ließen, wäre die Schwierigkeit ein Argument. Auch die Voraussetzung perfekter Voraussicht wird man kaum als Kritik gelten lassen. Es handelt sich offensichtlich um eine vereinfachende Annahme. Es ist sicher ein legitimes Forschungsprogramm, zunächst einmal ein solches Modell mit perfekter Voraussicht zu untersuchen. In weiteren Schritten könnte man dann in den Rahmen eines intertemporal optimierenden Konsumenten auch Unsicherheit und Informationskosten einführen. (Was die Modelle kaum einfacher machen wird.) Interessant ist allerdings das letzte Argument, das aus den großen mathematischen Schwierigkeiten, die mit solchen intertemporalen Optimierungen verbunden sind, schließt, daß ein solches Modell nur schwerlich tatsächliches Konsumentenverhalten beschreiben wird. Der Einwand ist interessant, weil es sich dabei eigentlich um einen Standardvorwurf gegen die moderne Konsumententheorie handelt, auf den diese mit einer Standartverteidigung antwortet: "Needless to say, we do not assume that the average consumer knows the techniques of optimal control: the theory of consumer demand is a construction made by and for economists, for the sake of a better explanation and a better forcast of observed behaviour." (PHLIPS 1974 S. 255) In jedem Fall ist der Vorwurf, es sei nicht vorstellbar, daß der Konsument sich gemäß eines Kalküles verhalte, das so komplizierte Mathematik voraussetzt, dann nicht mehr haltbar, wenn man sich zu einer tautologischen Interpretation der Nutzenmaximierung durchringt, wie sie etwa von SCHOKKAERT (1982 S. 15ff.) als die in der modernen Mikrotheorie vorherrschende beschrieben wird. Nach dieser Interpretation handelt es sich bei der Annahme der Rationalität der Konsumenten um eine rein methodologische Annahme. Was immer ein Konsument entscheidet, ist per definitionem die beste Alternative aus den ihm zur Wahl stehenden Möglichkeiten. Unter dieser Voraussetzung kann aus den beobachteten Entscheidungen des Konsumenten (und der Kenntnis der ihm vorliegenden Möglichkeiten) auf die Präferenzen des Konsumenten geschlossen werden. Von diesen Präferenzen kann man dann allerdings im strengen Sinn nicht sagen, daß der Konsument sie hat, sondern nur, daß der Ökonom dessen Verhalten mit ihrer Hilfe beschreibt. Unter der Voraussetzung, daß das beobachtete Verhalten des Konsumenten bestimmten Beschränkungen folgt (wie sie in den Axiomen offenbarter Präferenzen formuliert 69 werden) und in diesem Sinne konsistent ist, wird es dann möglich, eine zeitliche Folge von Entscheidungen als Optimierung einer konstanten Präferenzordnung oder einer invarianten Nutzenfunktion zu beschreiben. Erst durch diese Annahme einer invarianten Nutzenfunktion wird die Theorie der Nutzenmaximierung, die Behauptung der Rationalität der Konsumenten empirisch gehaltvoll. Was bedeutet es in diesem Kontext, von einer invarianten periodenbezogenen Nutzenfunktion auf eine intertemporale Nutzenfunktion überzugehen? Zunächsteinmal brauchen wir uns ganz sicher keine Sorgen um die mathematischen Fähigkeiten unseres Konsumenten zu machen. Der Konsument trifft unter den Annahmen von perfekter Voraussicht genau eine Konsumentscheidung, die immer durch irgendeine Nutzenfunktion beschreibbar sein wird. Während im Fall der über die Zeit konstanten periodenbezogenen Nutzenfunktion sich noch die Frage stellen konnte, welche Eigenschaften, Fähigkeiten des Konsumenten denn die geforderte Konsistenz der Entscheidungen sicherstellen, ist selbst diese Frage jetzt bedeutungslos. Die andere Seite dieser Aussage ist es allerdings, daß in dieser Form die Annahme der Nutzenmaximierung, der Rationalität des Konsumenten wieder rein tautologisch ist, weil sie dem beobachteten Verhalten des Konsumenten keinerlei Beschränkungen auferlegt. In dieser Form ist die Annahme der Nutzenmaximierung nicht falsifizierbar. Erst die Spezifizierung der intertemporalen Nutzenfunktion oder zumindest die Festlegung spezifischer Eigenschaften derselben führt wieder zu solchen Beschränkungen.83 Wie entscheidet man über die angemessene Spezifizierung der intertemporalen Nutzenfunktion? Zwei Kriterien stehen im Vordergrund. Zum einen wird der Forschungszweck die Spezifizierung bestimmen. Zum anderen ist ganz offensichtlich die mathematische Handhabbarkeit eine wichtige Entscheidungshilfe. Gerade dieses Kriterium der mathematischen Handhabbarkeit aber verführt zur Modellierung kurzsichtiger, unvernünftiger Konsumenten. Der tautologische Charakter der Annahme einer intertemporalen Optimierung und das bestehende Maß an Beliebigkeit der Spezifizierung der intertemporalen Nutzenfunktion; der Mangel an intuitiver Überzeugungskraft und die extreme Unplausibilität der intertemporalen Optimierung bei endogenen Präferenzen; der Charme, den die Modellierung kurzsichtiger Konsumenten für viele Ökonomen zu besitzen scheint, lassen vielleicht für die Zukunft noch einen anderen Weg interessant werden: Die Modelle kurzsichtiger Konsumenten hielten trotz des prinzipiellen Mangels an Rationalität ihrer Konsumenten am kurzfrisigen Optimierungsverhalten fest. Man könnte ja einmal versuchsweise die Annahme der Rationalität der Konsumenten überhaupt aufgeben, nicht um in Beliebigkeit abzugleiten, sondern um 83 Man beachte, daß schon der Übergang von U=U(q1,q2,...,qT) zu U=∑τtu(qt) eine erhebliche Einschränkung der Allgemeinheit bedeutet. 70 die ökonomischen Konsequenzen von Verhaltenshypothesen zu erforschen, die sich vor allem durch eine Eigenschaft auszeichnen sollten: ihre breite empirische Bestätigung: "Utility is empty, so we can fill it."84 84 Mary Douglas, zitiert nach Schokkaert 1982. Ein bemerkenswerter Versuch in dieser Richtung ist die Theorie der "Melioration". Vgl. HERRNSTEIN/PRELEC 1991, 1992a und 1992b. 71 IV. Zum Abschluß Im Versuch, die Verdienste und Schwächen von Modellen kurzsichtiger und vorausschauender Konsumenten gegeneinander abzuwägen, sind wir u.a. zu unserer Ausgangsfrage zurückgelangt. Bringt die Berücksichtigung endogener Präferenzen neue, interessante wohlfahrtstheoretische Ergebnisse oder bestätigt sie nur mit größeren mathematischen Aufwand alte Erkenntnisse? Modelle mit kurzsichtigen Konsumenten führen zu der schwierigen Frage, was denn als Kriterium intertemporaler, längerfristiger Wohlstandswirkungen dienen kann, wenn die Konsumenten selbst nur die Gegenwart im Blick haben. Wohlfahrtstheoretische Ergebnisse solcher Modelle werden deshalb immer mit dem Zweifel an den angewandten längerfristigen Kriterien behaftet bleiben. Modelle mit vorausschauenden Konsumenten können als Extension der Modellierung rationaler Konsumenten auf Fragestellungen bei endogenen Präferenzen verstanden werden und sind deshalb grundsätzlich auch zugänglich für die Anwendung der bekannten wohlfahrtstheoretischen Methoden. Wenn man berücksichtigt, wie wenig bisher in dieser Richtung gearbeitet wurde, sind die bestätigbaren ersten Ergebnisse, die Hahnel und Albert aufbauend auf den Arbeiten von H. Gintis vorlegen, beachtlich und vielversprechend. Eine ganze Reihe von Fragen bleiben offen und könnten Ansatzpunkt eines interessanten Forschungprogramms sein: - Einige der in Theoremen geäußerten Vermutungen der Autoren konnten nur anhand eines Beispieles bestätigt werden. Es wäre zu untersuchen, inwieweit und unter welchen Bedingungen und Einschränkungen diese Ergebnisse verallgemeinerbar sind. - Ein wichtiges Anliegen der Autoren war es, das Ausmaß wohlfahrtstheoretischer Konsequenzen von Preisänderungen in Modellen mit exogenen und endogenen Präferenzen zu vergleichen. Das von ihnen verwandte Kriterium ist fragwürdig oder zumindest nicht ausreichend begründet. Ließe sich ein solcher Vergleich auf einer sichereren wohlfahrtstheoretischen Basis durchführen? - Die Annahmen vollkommener Voraussicht ist sicher unrealistisch. Was wären die wohlfahrtstheoretischen Konsequenzen einer Modellierung von endogenen Präferenzen bei Unsicherheit oder unter Berücksichtigung von Informationskosten? Die Modellierung von Konsumenten, die zu einem Zeitpunkt Null die Konsum- und Arbeitsentscheidungen ihres ganzen Lebens vorausplanen und dabei noch die induzierte Entwicklung ihrer Präferenzen berücksichtigen, ist für viele Ökonomen intuitiv wenig anziehend. Solche Modelle scheinen allzu realitätsfremd zu sein. Ein 72 konsequentes Durchdenken einer Position, die intertemporale Nutzenfunktionen bei endogenen Präferenzen im Rahmen einer Theorie geoffenbarter Präferenzen interpretiert, zeigt, daß eine solche Theorie prinzipiell tautologisch ist und deshalb empirisch bedeutungslos. Die Frage nach Sinn und Unsinn der Rationalitätsannahmen der modernen Konsumenten- und Wohlfahrtstheorie ist damit neu gestellt. Es steht zu hoffen, daß Ökonomen auch dieser grundsätzlichen Frage nicht ausweichen. 73 Literaturverzeichnis85 ABEL, A.B. (1990), Asset Prices under Habit Formation and the Catching Up with the Joneses, AER 80, 38-42 ALBERT, M.; et al. (1986), Liberating Theory, Boston ALBERT, M.; HAHNEL, R. (1991), Looking Forward: Participatory Economics for the Twenty First Century, Boston ALESSIE, R.; KAPTEYN, A. (1991), Habit Formation, Interdependent Preferences and Demographic Effects in the Almost Ideal Demand System, Economic Journal 101, 404-419 ALLEN, R.G.D. (1971), Mathematische Wirtschaftstheorie, Berlin ANDERSON, R. N.; KHAN, M. A.; RASHID, S. (1982), Approximate Equilibrium with Bounds Independent of Preferences, Review of Economic Studies 44, 473-75 ARROW, K. 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