Können Fische Treppen steigen?

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Können Fische Treppen steigen?
Können Fische Treppen steigen?
Können Fische Treppen steigen?
Projektdurchführung:
Verband für Fischerei und Gewässerschutz in Baden-Württemberg e.V.
und die angeschlossenen Fischereivereine und Einzelmitglieder
Inhalt
1. Das Projekt .................................................................................................................................. 3
2. Biologische Grundlagen............................................................................................................... 6
2.1. Gewässerverbau als Gefährdungsursache für Fische ......................................................... 6
2.2. Sind Wanderhilfen nötig? ..................................................................................................... 7
3. Methodik ...................................................................................................................................... 8
3.1. Auswahl der Gewässer ........................................................................................................ 8
3.2. Erfassung der Wehre ........................................................................................................... 8
3.3. Bewertungsverfahren ........................................................................................................... 8
4. Ergebnisse ................................................................................................................................. 10
4.1. Neckar ................................................................................................................................ 11
4.2. Enz ..................................................................................................................................... 12
4.3. Jagst ................................................................................................................................... 13
4.4. Elsenz................................................................................................................................. 14
4.5. Pfinz.................................................................................................................................... 15
4.6. Würm .................................................................................................................................. 16
4.7. Brenz .................................................................................................................................. 17
4.8. Tauber ................................................................................................................................ 18
5. Weitere Ergebnisse ................................................................................................................... 19
5.1. Fischaufstiegsanlagen an der Tauber im Bereich der Tauberfischereigenossenschaft .... 19
5.2. Bewertung von Fischaufstiegsanlagen aufgrund von Gutachten oder Untersuchungen... 20
6. Meint es Brüssel gut mit den Fischen?...................................................................................... 21
Diese Studie wurde aus Mitteln der Stiftung Landesbank Baden-Württemberg
Natur und Umwelt gefördert.
Herausgeber:
Verband für Fischerei und Gewässerschutz in BadenWürttemberg e.V.
Redaktionelle Bearbeitung: Dr. Michael Schramm
Geschäftsstelle: Urachstr. 34, 70190 Stuttgart
www.vfg-bw.org
© 2005
2
1. Das Projekt
Ein Rheinsalm schwamm den Rhein
bis in die Schweiz hinein.
Und sprang den Oberlauf
von Fall zu Fall hinauf.
Er war schon weißgottwo,
doch eines Tages - oh!
da kam er an ein Wehr:
das maß zwölf Fuß und mehr!
Zehn Fuß - die sprang er gut!
Doch hier zerbrach sein Mut.
Drei Wochen stand der Salm
am Fuß der Wasser-Alm.
Und kehrte schließlich stumm
nach Deutsch- und Holland um.
Christian Morgenstern (1871-1914)
Dass Fische im Jahreslauf Wanderungen
durchführen ist vor allem vom atlantischen Lachs her allgemein bekannt.
Dessen Schicksal gab schon Christian
Morgenstern im vorletzten Jahrhundert
Anlass zu o.g. Gedicht.
Auch die meisten anderen Fischarten in
Baden-Württemberg führen Wanderungen durch.
In der Mitte des letzten Jahrhunderts war
die schlechte Wasserqualität Hauptursache für Schädigungen der Fischfauna.
Zwischenzeitlich hat das Land BadenWürttemberg viele Mittel in die Abwasserreinigung und somit in eine bessere
Wasserqualität investiert (z.B. im
Neckargebiet rund 3,7 Mrd. €).
Heute stellen Gewässerbegradigungen,
Uferbefestigungen und Wehre noch
schwerwiegende und nachhaltige Eingriffe in den Lebensraum der Fische und
deren Bestände dar. Nur 10-15 % unserer Fließgewässer sind naturnah.
Vor diesem Hintergrund haben die Fischereivereine und Einzelmitglieder im
Verband für Fischerei und Gewässerschutz in Baden-Württemberg e.V. (VFG)
ein Projekt auf den Weg gebracht, die
Querverbauungen zu kartieren und zu
bewerten. Der Titel war „Die Durchgängigkeit unserer Bäche und Flüsse –
lebensnotwendig für Fische“.
Die einzelnen Ergebnisse wurden jeweils
schon lokal veröffentlicht und diskutiert.
Diese Broschüre fasst die erhobenen
Daten zusammen und stellt sie in Bezug
zu aktuellen Entwicklungen.
Aufgrund der mehrjährigen Bearbeitungszeit wurde die Durchgängigkeit an
manchen Stellen durch den Bau von
Umgehungsgerinnen (Verbindungsgewässern) bereits wieder hergestellt. Diese Entwicklung begrüßen wir außerordentlich.
Danken möchten wir den vielen ehrenamtlichen Helfern aus den Vereinen, die
an den Gewässern den Hauptteil der
Arbeit dieser Studie erledigt haben.
Finanziert wurde das Projekt aus Mitteln
der
Stiftung
Landesbank
BadenWürttemberg Natur und Umwelt.
Ebenso danken wir den Behörden, die
den Fischereiverband unterstützt haben.
Insbesondere den Gewässerdirektionen
und der Landesanstalt für Umweltschutz
in Baden-Württemberg, sowie der ESRI
Gesellschaft für Systemforschung und
Umweltplanung mbH.
3
Das Titelbild des Infofaltblattes zu Beginn
des Projektes zeigte die Autmutmündung
in den Neckar. Dieses Foto wurde damals ausgewählt, da es stellvertretend
für viele Gewässerverbauungen deutlich
machte, wie der Slogan der Bauindustrie
„Beton – es kommt drauf an, was man
draus macht“ missverstanden werden
konnte:
Abb. 1: Ehemalige Verbauung der Autmutmündung in den Neckar.
Abb. 2: Vor der Sprengung ...
Inzwischen wurde der Mündungsbereich
der Autmut naturnah rückgebaut.
Besonders an kleinen Fließgewässern sind häufig Querbauten zu finden, die keine Funktion mehr haben
und deren Rückbau sehr kostenaufwendig ist.
Einfache Lösungen können sehr
praktisch sein – dass zeigt die Sprengung eines Wehres in der Aich im
Jahr 2000. Diese wurde in Kooperation von Technischem Hilfswerk,
Gewässerdirektion und Fischereivereinen erfolgreich durchgeführt (Abb. 2
u. 3).
4
Abb. 3: ... danach freie Bahn für Fische
(Fotos Martin Lehmann)
Bei vielen Verbauungen sind aber solche
Maßnahmen nicht möglich. Es müssen
dort naturnahe oder technische Fischaufstiegshilfen installiert werden.
So konnte der VFG erfolgreich mitwirken,
dass der Fischaufstieg vom Neckar in die
Enz wieder möglich wurde. Allerdings
hatte dies auch seinen Preis: So waren
jahrelange Verhandlungen erforderlich,
um die neue Konzeption umzusetzen.
Nur mühevoll konnte mit dem Kraftwerksbetreiber ein tragbarer Kompromiss
gefunden werden. Finanziert wurde der
Fischaufstieg aus Mitteln der Fischereiabgabe des Regierungspräsidiums Stuttgart und lokalen Geldgebern.
Der VFG übernahm für dieses Mustervorhaben die Planungskosten. Der Fischereiverein betreut den Fischaufstieg.
Abb. 4: Wiederhergestellte Durchgängigkeit
in der Enz.
Es finden sich viele Ansätze, die von
Seiten der Fischerei befürwortet werden.
Auch kann festgestellt werden, dass
durch verschiedenste Initiativen der
Kenntnisstand über die Gewässer und
deren Bewohner zugenommen hat.
Vielerorts sind die gewässerökologischen
Probleme identifiziert worden und können teilweise durch die Anwendung der
gesetzlichen Regelwerke gelöst werden.
Wir begrüßen diese Entwicklungen und
hoffen, dass die Broschüre noch einmal
mehr die zuständigen Stellen veranlasst
und ermutigt, für die Belange der Gewässer Maßnahmen zu ergreifen und zu
realisieren.
Die vorliegende Studie ist ein Beitrag zur
gemeinsamen Arbeit, der Gewässerökologie und dem Fischartenschutz den gebührenden Stellenwert einzuräumen.
WOLFGANG REUTHER
Präsident des Verbandes für Fischerei und
Gewässerschutz in Baden-Württemberg e.V.
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2. Biologische Grundlagen
In einem technisch ausgebauten Bach
ohne begleitende Strauchvegetation
kommen maximal 50 Tierarten vor. Es
sind überwiegend Wirbellose und Insekten. Ein naturbelassener Bach mit intakten Ufern kann hingegen bis zu 600 Arten Lebensraum bieten.
Je natürlicher ein Gewässer sein kann,
desto höher ist die zu erwartende Artenvielfalt, desto größer wird die biologische
Selbstreinigungskraft und desto mehr
wirkt das Gewässer in der Landschaft
und dient es auch der Erholung des Menschen.
Nutzungen durch den Menschen (Wasserbau, Energiewirtschaft) haben zu Barrieren in Bächen und Flüssen geführt.
Die Unterbrechung der Durchgängigkeit
durch Wanderhindernisse für Fische und
Wirbellose beeinträchtigt sowohl die
Aufwärts- als auch die Abwärtswanderung und führt somit zur Verkleinerung
des Lebensraums. Die verminderte
Fließgeschwindigkeit im Staubereich der
Anlagen und die damit sich ändernden
Temperatur- und Sauerstoffverhältnisse
führen dazu, dass die typischen, auf
Fließgewässer angewiesenen Bewohner
keine geeigneten Lebensbedingungen
mehr vorfinden. Im Rückstaubereich
kommt es zur Ablagerung von Feinsedimenten und damit zur Schädigung des
wichtigen Lückensystems in der Gewässersohle.
Unter einer ökologisch notwendigen Gewässerdurchgängigkeit versteht man die
6
quantitative und qualitative Wechselmöglichkeit zwischen Teillebensräumen. Diese umfasst am bei den Fischen Laichwanderungen,
Überwinterungswanderungen, Nahrungswanderungen, Drift,
kompensatorische Aufwanderung und
Wiederbesiedlung.
Fischarten haben aufgrund beträchtlicher
artspezifischer Unterschiede in den verschiedenen Alterstadien saisonal variierende Ansprüche an Fließgeschwindigkeit, Wassertiefe und Substrat.
In verschiedensten fischereibiologischen
Fachpublikationen werden schon Querbauwerke von 20 cm Höhe als Hindernisse bewertet und kausal mit einer sukzessiven Abnahme der Fischarten gewässeraufwärts in Verbindung gebracht.
Dieses gilt auch für Strömungsgeschwindigkeiten von >1 m/s.
2.1. Gewässerverbau als Gefährdungsursache für Fische
Querbauwerke behindern wanderaktive
Fischarten am Erreichen ihrer Fortpflanzungs-, Nahrungs- und Aufwuchshabitate. Damit haben diese Gewässerverbauungen allgemein einen wesentlichen Anteil am Artenrückgang und auch an der
Stagnation von Fischarten auf niedrigem
Niveau, was die Bestandsgröße betrifft.
Aus der Roten Liste der Fische BadenWürttembergs (Stand 2001) ist ersichtlich, dass die Gefährdung unserer Fischarten in den meisten Fällen mit der Weite
der Wanderstrecken zu den jeweiligen
Laichgebieten
zunimmt
(Abb.
5).
10
Langstreckenschwimmer (über 50 Km)
5
0
verschollen
10
vom
Aussterben
bedroht
stark
gefährdet
gefährdet
potentiell
gefährdet
nicht
gefährdet
Mittelstreckenschwimmer (bis 50 Km)
5
0
verschollen
10
vom
Aussterben
bedroht
stark
gefährdet
gefährdet
potentiell
gefährdet
nicht
gefährdet
Kurzstreckenschwimmer (bis 1 Km)
5
0
verschollen
vom
Aussterben
bedroht
stark
gefährdet
gefährdet
potentiell
gefährdet
nicht
gefährdet
Gefährdungskategorien
Abb. 5: Anzahl der Fischarten in Baden-Württemberg in Bezug zu ihrer Wanderleistung und ihrer
Gefährdung (Stand 2001).
2.2. Sind Wanderhilfen nötig?
80 % der Fischarten in BadenWürttemberg sind in der Roten Liste der
gefährdeten Arten aufgeführt. Flussregulierungen, beeinträchtigte Durchgängigkeit und Strukturverlust sind dabei wesentliche Ursachen.
Wanderhilfen sind
!" Beckenpässe
!" Umgehungsbäche
!" Raue Rampen
Diese führen zu einer Vernetzung von
Lebensräumen und sind daher auch
dann sinnvoll und notwendig, wenn nur
einzelne Abschnitte in einem mehrfach
gestauten Gewässer verbunden werden.
7
3. Methodik
3.1. Auswahl der Gewässer
Unter den Zuflüssen des Neckars und
des Rheins wurden folgende wichtige
Nebenflüsse erfasst:
!" Würm
!" Brenz
!" Neckar
!" Enz
!" Jagst
!" Elsenz
!" Pfinz
!" Tauber
Die Gewässer wurden von der Mündung
an flussaufwärts durch die lokalen Fischereivereine untersucht.
3.2. Erfassung der Wehre
Für die Analyse der Durchgängigkeit der
Gewässer erfolgte zunächst eine Erfassung der Wehre. Die Wehre wurden aufgesucht und fotografiert.
Mitaufgenommen wurden die Lage sowie
Dimensionierung eventuell vorhandener
Fischaufstiegshilfen und die Restwasserführung. Vor Ort wurde entsprechend
den nachfolgend dargestellten Kriterien
die Passierbarkeit in beiden Richtungen
abgeschätzt.
Insgesamt wurden über 600 Wehre
und Abstürze bewertet.
3.3. Bewertungsverfahren
Die Beurteilung der Durchgängigkeit erfolgte anhand dem Bewertungsschemas,
das der Studie „Analyse der biologischen
8
Durchgängigkeit eines Gewässerverbundsystems am Beispiel des oberfränkischen Mains“ des Bezirksfischereiverbandes Oberfranken e.V. entspricht (Dissertation von Dr. Phillip Strohmeier,
1998).
Uneingeschränkte Passierbarkeit wird in
dieser Untersuchung so verstanden,
dass sämtliche im Gewässerabschnitt
vorkommende Fischarten in allen Altersstufen ein Wehr überwinden können.
Dies entspricht den aktuellen Forderungen nach einem Erhalt der biologischen
Funktionsfähigkeit eines Fließgewässers.
Entsprechend der Fachliteartur wurde die
Passierbarkeit im Hinblick auf eine Wanderung in beiden Richtungen wie folgt
klassifiziert und definiert (s. a. Tab. 1):
!" Durchwanderbar - Das Bauwerk ist
für alle Arten und Größenklassen
ganzjährig uneingeschränkt durchwanderbar.
!" Weitgehend durchwanderbar - Das
Bauwerk ist für eine begrenzte Anzahl aller vorkommenden Arten und
Größenklassen durchwanderbar.
!" Selektiv oder nur zeitweilig durchwanderbar - Die Durchwanderbarkeit
ist stark behindert. Das Bauwerk ist
entweder nur zeitweilig und/oder nur
für bestimmte Arten und Größenklassen durchwanderbar.
!" Nicht durchwanderbar - Das Bauwerk ist generell nicht durchwanderbar. Eine vereinzelte Passage ist selten, aber nicht völlig ausgeschlossen.
aufwärts
•
Auf dem gesamten Wehr (Rampe) existieren
strömungsberuhigte Bereiche mit Nischen,
Kolken und Lücken in ausreichender Zahl.
•
Der Einstieg von Wanderhilfen liegt so, dass
er von suchenden Organismen leicht gefunden werden kann.
•
Technische Fischpässe mit geringen Wasserspiegeldifferenzen, hydraulisch korrekter
Bauweise und rauhem Sohlsubstrat.
•
Die funktionsfähige Wanderhilfe kann nur von •
einem Teil der Organismen gefunden werden.
•
Bereiche mit ausreichend niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten (bei Blocksteinrampen) werden nur von einem Teil der
aufstiegswilligen Organismen gefunden.
•
Wehre, über die nur ein Teil des Jahres ausreichend Wasser abgegeben wurde.
•
Es wird nicht das ganze Jahr Wasser
über das Wehr abgegeben.
Senkrechte Absturzhöhen von über 0,2 m.
•
Der Abstieg wird von bestimmten Organismen nicht gefunden, z.B. da sie
an einem Streichwehr vorbeigetrieben
werden.
•
Das Wasser fließt bei tiefem Stauraum
nur in einem dünnen Film über das
Wehr.
•
Aufgrund großer Fallhöhen können
Fische Verletzungen beim Aufprall auf
z.B. einen Betonsockel erleiden.
•
Über das Wehr wird nur an wenigen
Tagen im Jahr Wasser abgegeben, die
auch nicht in der Phase liegen, in der
normalerweise die Abwanderungen erfolgen.
durchgängig
weitgehend
durchgängig
•
zeitweilig
•
oder selektiv
durchgängig
nicht
durchgängig
abwärts
•
Wanderhilfen ohne bodennahe Übertritte und
ohne rauem Sohlsubstrat.
•
Senkrechte Wehre von mehr als 0,5 m Höhe,
oder auch von geringerer Höhe, wenn kein
Kolk zum Anlaufnehmen vorhanden ist.
•
Wehre mit Vorboden oder zu steile oder glatte
geneigte Rampen mit einem Staubrett
und/oder Überfallstrahl.
•
•
Auf Rampen treten Strömungsgeschwindigkeiten von 2m/s und mehr flächig auf.
•
Bei vorhandenen Fischpässen haben die
Gefällesprünge eine Höhe von 0,4 m oder
mehr.
•
Die Abmessungen der Fischpässe ist so gering, dass für Organismen zu wenig Raum zur
Verfügung steht, um Anlauf zu nehmen.
•
Wegen ungünstiger Lage ist der Einstieg des
Fischpasses nicht auffindbar oder fast nie erreichbar.
•
Die Fallhöhen sind nur gering und es
erfolgt keine Wasserausleitung.
Es wird zwar Wasser ausgeleitet, aber
das Wehr wird dennoch ganzjährig überströmt und es ist sichergestellt, dass
ein erheblicher Teil der Organismen
den Weg findet.
Die Abgabe der Restwassermenge
erfolgt über undichte Stellen in Schütztafeln u.a..
Der Weg über das Wehr kann nur von
wenigen Individuen gefunden werden.
Tab. 1: Beurteilung der Durchgängigkeit nach Strohmeier (1998).
9
4. Ergebnisse
Im Laufe der Kartierung wurden Fotos
von über 600 Wehren erstellt. Jedes
Wehr und die vorhandenen Fischaufstiegsanlagen wurden anhand eines Bewertungsbogens beschrieben.
Das folgende Kapitel beinhaltet einen
Überblick über die biologische Durchgängigkeit dieser Wehre. Die roten
Querstriche kennzeichnen die Wehre in
den Abbildungen. Zu den Kriterien der
Beurteilung siehe Kapitel 3.4.
In den Gewässern in BadenWürttemberg stehen in kurzen Abständen viele Wehre (über 4000 nach der
behördlichen Bestandsaufnahme zur
Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im Jahr
2004). In der Jagst sind dies 61 Bauwerke auf knapp 190 km Flusslänge. 75 %
davon werden zur Energiegewinnung
aus Wasserkraft genutzt.
Diese außerordentliche Dichte an Wehren ist nicht ohne Auswirkungen auf die
Abb. 6: Biologische Durchgängigkeit der untersuchten Wehre.
Gewässer, da diese Barrieren zum großen Teil nicht oder nur eingeschränkt
biologisch durchgängig sind (Abb. 6). Die
Mehrzahl der Wehranlagen besitzt noch
keine Fischaufstiegshilfen. Vorhandene
Bauwerke sind zum Teil nur eingeschränkt funktionsfähig (Abb. 7).
Fischaufstiegshilfensituation an den untersuchten Wehren
250
200
150
100
50
0
Mit FAH
Mit FAH aber
unpassierbar
Ohne FAH aber
passierbar
Ohne FAH
unpassierbar für
Aufw anderung
Abb. 7: Bewertung der Fischaufstiegshilfen.
10
4.1. Neckar
Abb. 8: Querbauwerke im Neckar.
11
4.2. Enz
Abb. 9: Querbauwerke in der
Enz.
12
4.3. Jagst
Abb. 9: Querbauwerke in der Jagst.
13
4.4. Elsenz
Abb. 10: Querbauwerke in der Elsenz.
14
4.5. Pfinz
Abb. 11: Querbauwerke in der Pfinz.
15
4.6. Würm
Abb. 12: Querbauwerke in der Würm.
16
4.7. Brenz
Abb. 13: Querbauwerke in der Brenz.
17
4.8. Tauber
Abb. 14: Querbauwerke in der Tauber.
18
5. Weitere Ergebnisse
5.1. Fischaufstiegsanlagen an
der Tauber im Bereich der
Tauberfischereigenossenschaft
Aufgrund struktureller Defizite der Tauber, Veränderungen des Abflussverhaltens, der Nährstoffsituation und dem Auftreten von Kormoranen hat sich der dortige Fischbestand in den zurückliegenden Jahrzehnten verringert.
Die Gewässerdirektion Künzelsau, die
Fischereibehörde des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Tauberfischereigenossenschaft (TFG) haben in den letzten Jahren viele biotopverbessernde
Maßnahmen realisiert. An 9 der 15 existierenden Wanderbarrieren im Bereich
der TFG wurden bereits Fischaufstiegshilfen (FAH) errichtet (Beispiele s. Abb.
15, 16 u. 17 gegenüber).
Zudem wurden Altarme wiederangeschlossen und damit Fischlaichgebiete
neu geschaffen.
Diese Aktivitäten sollen fortgesetzt werden.
Die Funktionsfähigkeit der FAH wurde
durch den VFG zusammen mit den Fischereivereinen Mergentheim, Weikersheim, der Taubergenossenschaft und
Vertretern der Gewässerdirektion und
des Landratsamtes untersucht und bestätigt. Hierfür wurden stichprobenartige
elektrofischereiliche Bestandsaufnahmen
in den FAH durchgeführt. Es wurden 14
Fischarten in teils erheblicher Individuenzahl nachgewiesen.
19
5.2. Bewertung von Fischaufstiegsanlagen aufgrund von
Gutachten
oder
Untersuchungen
Die Durchgängigkeit der Fließgewässer
und die Funktion vorhandener Fischaufstiegshilfen (FAH) wurden ebenso in einem Projekt der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg (FFS)
untersucht.
Auch diese behördliche Studie belegt,
dass letztlich nur ein geringer Teil der
FAH uneingeschränkt funktionsfähig ist.
Als beeinträchtigende Faktoren werden
genannt:
!" Falsche Lage der FAH,
!" Sackgasseneffekt im Unterwasserkanal, Auffindbarkeit,
!" Dotierung der FAH zu gering oder
nicht eingehalten,
!" fehlender Sohlanschluss (Unter- und
Oberwasser)
!" in FAH kann bei Niedrigwasser nicht
eingeschwommen werden,
!" FAH fällt bei Niedrigwasser trocken
!" Leitströmung zu gering,
!" Einstieg zu weit unterhalb des Wehres,
!" Wassertiefe im Einstiegsbereich (z.B.
wegen Kiesauflandung) zu gering,
!" Stauspiegelschwankungen im Oberwasser lassen FAH trockenfallen,
!" Einlauf liegt im Sedimentationsbereich und wird zugesetzt,
!" Ausstieg mündet im Triebwerkskanal
zu nahe am Turbineneinlauf,
!" Hochwasserschäden an der FAH,
!" Freizeitnutzung (Kanueinstiegsstelle)
in FAH schränkt Fischaufstieg ein.
Abb. 18: Bewertung von Fischaufstiegsanlagen aufgrund von Gutachten oder Untersuchungen,
2002 (mit freundlicher Genehmigung der FFS)
20
6. Meint es Brüssel gut
mit den Fischen?
Man könnte meinen, Gewässer haben
derzeit Konjunktur. Denn viel wird über
diese diskutiert. Unter der Schlagzeile
„Brüssel meint es gut mit den Fischen im
Neckar“ berichtete die Presse im vergangenen Oktober mit Bezug zur europäischen
Wasserrahmenrichtlinie
(WRRL). Diese erweitert jetzt den wasserwirtschaftlichen
Handlungsrahmen.
Laut dieser EU-Richtlinie sollen Defizite
in den Gewässern bis zum Jahr 2015
beseitigt sein. Das Vorkommen einer
artenreichen und gewässertypischen
Lebensgemeinschaft von Fischen und
Kleintieren ist dann das entscheidende
Maß, ob die Vorgaben der WRRL erfüllt
werden. Dies beinhaltet auch die Wiederherstellung der Gewässerdurchgängigkeit für natürliche Gewässer.
Bereits das preußische Fischereigesetz
von 1874 forderte die Errichtung und
Unterhaltung von Fischpässen. Ebenso
wie ein Staatsvertrag von 1885 zur Regelung der Lachsfischerei, der dessen
Aussterben verhindern sollte und der im
übrigen immer noch Gültigkeit hat.
Durch Wasserkraftnutzung ergeben sich
Auswirkungen, die sich schädlich auf
aquatische Lebensräume und deren Lebensgemeinschaften auswirken können.
Durch das neue Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) der Bundesregierung soll
diesbezüglich ein Ausgleich geschaffen
werden. Eine erhöhte Einspeisevergütung wird mit dem Erreichen eines guten
ökologischen Zustandes verknüpft. Die
Frage, wie der Nachweis der Verbesserung erbracht wird, ist insgesamt unbeantwortet.
Abb. 19: Aal; Teildurchtrennung in der Körpermitte durch Wasserkraftwerksturbine
21
In diesem Zusammenhang verweist der
Landesfischereibeirat des Ministeriums
für Ernährung und Ländlichen Raum in
Baden-Württemberg auf eine Studie des
Umweltbundesamtes, die zu dem Ergebnis kommt, dass bei gesamthafter Betrachtung die nachteiligen ökologischen
Auswirkungen der kleinen Wasserkraft
deren möglichen Nutzen deutlich übersteigen. Der Beirat erinnert ferner daran,
dass die kleine Wasserkraft bis ein Megawatt Einzelleistung selbst im Mittelgebirgsland Baden-Württemberg nicht einmal ein halbes Prozent der gesamten
Stromerzeugung ausmacht und damit
weder zur Versorgungssicherheit noch
zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes wesentlich beitragen kann. Diesem
geringen Allgemeinnutzen stehen die von
den etwa 1500 bestehenden Kleinwasserkraftwerken an den Fließgewässern
verursachten
gewässerökologischen
Probleme gegenüber.
Wasserkraftwerke sollten nur dann zugelassen werden, wenn deren gesamtökologische Bilanz eindeutig positiv ausfällt.
Dabei sind die besondere Empfindlichkeit
der kleineren Fließgewässer einerseits
und der geringe Allgemeinnutzen der
kleinen Wasserkraft andererseits angemessen gegeneinander aufzuwiegen. An
neuen und alten Kraftwerken soll durch
geeignete Schutzmaßnahmen und Wanderhilfen die ökologische Durchgängigkeit der Fließgewässer erhalten oder
wiederhergestellt werden.
22
Abb. 20: Trockengefallene Ausleitungsstrecke eines Wasserkraftwerkes
Aus der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
(FFH) der EU ergibt sich eine besondere
Verantwortung für die Erhaltung natürlicher Lebensraumtypen (wie Fließgewässer mit Unterwasservegetation) und
Fischarten (wie den Lachs). Ziel der
Richtlinie ist, die entsprechenden Lebensräume zu bewahren oder wieder
herzustellen. So werden z.B. bis 2020
weitere Fischpässe an den Staustufen
des Rheins gebaut und die bedeutenden
Nebengewässer angebunden sowie potentielle Laichgebiete und Jungfischhabitate des Lachses saniert.
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In der Mitte des letzten Jahrhunderts war die schlechte Wasserqualität Hauptursache für
Schädigungen der Fischfauna. Zwischenzeitlich hat das Land Baden-Württemberg viele Mittel
in die Abwasserreinigung und somit in eine bessere Wasserqualität investiert.
Heute stellen Gewässerbegradigungen, Uferbefestigungen und Wehre noch schwerwiegende
und nachhaltige Eingriffe in den Lebensraum der Fische und deren Bestände dar.
Nur 10-15 % unserer Fließgewässer sind naturnah.
Vor diesem Hintergrund haben die Fischereivereine und Einzelmitglieder im Verband für
Fischerei und Gewässerschutz in Baden-Württemberg e.V. ein Projekt auf den Weg gebracht,
die Querverbauungen zu kartieren und zu bewerten.
Der Titel war „Die Durchgängigkeit unserer Bäche und Flüsse - lebensnotwendig für Fische“.
Diese Broschüre fasst die erhobenen Daten zusammen und stellt sie in Bezug zu aktuellen
Entwicklungen.