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"m-willie" <[email protected]>
Hausarbeit Soziologie
Skinheads in den Medien
1. Vorwort
2. Situation
3. Geschichte
3.1. Die erste Generation
3.2. Punk & Politisierung
3.3. Oi!, Redskins, S. H. A. R. P. usw.
3.4. Skinheads im Osten Deutschlands
3.4.1.
In der DDR
3.4.2.
Nach der Wende
4. Outfit
4.1. Skinhead Girls
4.2. Haarschnitt
4.3. Garderobe
4.4. Schuhwerk
5. Medien verwenden Skinheads
5.1. Kleidung
5.2. Der Schneeball-Effekt
5.3. Der Sündenbock
7. Nachbemerkung
2
Skinheads in den Medien
1. Vorwort
In der Ausarbeitung möchte ich vor allem die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen
Skinheads und Rechtsradikalen belegen.
Während der Sichtung aktueller Materialien und der Befragung in Adorfer Einrichtungen
der Jugendarbeit mußte ich feststellen, daß diese Unterscheidung, die für mich vor ein bis
zwei Jahren noch klar auf der Hand lag, heute nur unter Mühen kenntlich gemacht werden
kann. Deswegen bin ich stärker als vorgehabt auf den Aspekt des Skinhead-Outfits
eingegangen, da sich Skinheads gerade darüber identifizieren.
2. Situation
Besonders seit dem Fall der innerdeutschen Grenze ist der Bekanntheitsgrad der Skinheads
in der deutschen Öffentlichkeit vehement gewachsen. Fast täglich kursieren in den Medien
Schlagzeilen wie
!
Asylbewerberheim überfallen,
!
Schlägerei zwischen linken und rechten Jugendlichen oder auch
!
Skandal in der Bundeswehr.
Als Hauptakteure des Geschehens werden wiederholt Skinheads benannt. Woher kommt es,
daß binnen weniger Jahre eine Jugendbewegung aus einem jahrzehntelangen Schattendasein
so sehr ins Licht der Öffentlichkeit geraten ist?
Laut einer Studie von Heitmeyer bezeichnen sich von den 6.000 bis 8.000 geschätzten
Skinheads in Deutschland etwa je ein Viertel als links- bzw. rechtsorientiert, der Rest will
Politik aus der Bewegung heraushalten. Wie aber kommt es, daß der verhältnismäßig kleine
Anteil an rechtsorientierten das Bild der Skinheadbewegung in der Öffentlichkeit so
eindringlich prägt?
Hier scheint es nötig zu sein, einen Exkurs in die Geschichte der Skinheads zu unternehmen,
die immerhin 30 Jahre zurückreicht.
3. Geschichte
3.1. Die erste Generation
In den Jahren 1968/69 entstand in Großbritannien die erste Generation der Skinheads.
Kleine Gangs bildeten sich aus anderen Jugendkulturen, die das Straßenbild und die
nächtlichen Clubs vor allem in London beherrschten:
3
!
Mods – Jugendliche aus der britischen Mittel- und Unterschicht,
!
Rude Boys – Gangs aus jamaikanischen Einwandererkindern,
!
Boot Boys – rivalisierende Fußballgangs.
Die Skinheads waren geprägt von einem ausgeprägten working class-Bewußtsein. Skinhead
sein bedeutete, einer rebellischen und aggressiven Jugendbewegung anzugehören.
Zumeist waren die Skins in kleinen Straßengangs formiert, die meisten waren männlich und
deutlich unter 18 Jahren alt. Sie pflegten ein martialisches Auftreten und adaptierten
teilweise Kleidungsstile der o. g. Gruppierungen. Die Musik (Ska, Mitte der Siebziger kam
Streetpunk hinzu) hatte als sozialisierendes Medium innerhalb der Szene eine große
Bedeutung.
Farbige Skinheads waren damals in England keine Seltenheit. Gemeinsam mit den Söhnen
der jamaikanischen Einwanderer gingen sie abends in die britischen Clubs und tanzten
deren Musik, den Ska – eine Urform des Reggae.
Ihr typischer Aktionsraum blieb aber die (mit anderen rivalisierende) Straßengang. Eine
weiter besondere Rolle spielte die wöchentlich stattfindende Schlacht in den Fußballstadien
mit gegnerischen Fans.
Skinheads verstanden sich auch als Gegenpol zur – von Studenten geprägten, friedlichen –
Flower Power-Bewegung, deren Weltbild war den Jugendlichen der proletarischen
Unterschicht fremd. Rassismus war nicht mehr oder weniger vorhanden, als in anderen
Gesellschaftsschichten auch. Eine gängige Meinung zum Thema Rassismus war: Der
schwarze Fließbandarbeiter neben mir hat mehr mit mir gemein als ein weißer Bankangestellter.
Diese erste Ära der dominierenden Skinheadbewegung war bereits zu Beginn der 70er Jahre
zu ende.
3.2. Punk & Politisierung
Mit dem Entstehen des Punk in der zweiten Hälfte der 70er erlebte die Skinheadbewegung
einen neuen Höhepunkt. Besonders wegen der rasanten kulturellen Vereinnahmung
desselben suchten viele Punks eine neue Plattform. Sie fanden sie in der Wiederbelebung
des Skinheadstils mit den typischen Erscheinungen wie Straßengangs, Fußballgewalt und
martialischem, streng proletarischem Image. Im Zusammenhang mit Punk fand der Skinheadkult zum ersten Mal eine starke Verbreitung über die Grenzen Großbritanniens hinaus.
Als die Medien nach mehreren spektakulären Fußballschlachten die Skinheads als neues,
gewaltbereites Feindbild der Gesellschaft entdeckten, dauerte es nicht lange, bis organisierte
Gruppierungen versuchten, Skinheads zu agitieren und für ihre Zwecke zu rekrutieren. Da
der Aufschwung der rechtsextremistischen “National Front” am Ende der siebziger Jahre
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zeitlich mit der neuen Skinheadgeneration zusammenfiel, diente das als gutes Argument für
die Gleichsetzung von Skinheads mit Neonazis.
Für einen Teil der Skinheadbewegung stimmte dies immerhin. Sie gaben sich den heute
kaum noch populären Namen Bonehead (engl. Holzkopf) und bekannten sich meist offen zu
einer rechtsextremistischen Weltanschauung; ansonsten übernahmen sie das
Erscheinungsbild der Skinheads. Auch das rechte “British Movement” entstand unter
Beteiligung tonangebender nationalistisch eingestellter Skinheads.
Einen großen Anteil hatte die gezielte Förderung rechtsextremer Skinheadbands. Analog zu
den “Rock Against Racism”-Festivals (Rock gegen Rassismus), die als Antwort auf den
Aufschwung von rechter Parteien und Vereinigungen ins Leben gerufen wurden,
veranstaltete eine Bewegung innerhalb der “National Front” Konzerte unter der Überschrift
“Rock against Communism”. Daraus entstand 1986 nach dem Leitspruch der Waffen-SS
“Blut und Ehre” die Blood & Honour-Bewegung, die heute als Sammelbecken gewaltbereiter Neonazis weltweit aktiv ist.
3.3. Oi!, Redskins, S. H. A. R. P. usw.
Gegen dieses Bild von den “Nazis mit kurzen Haaren” gingen vor allem seit dem Ende der
80er Jahre viele Skinheads aktiv vor. Skinheads, die ihre Zugehörigkeit nicht über politische
Ziele definierten, sammelten sich unter den Begriffen “Oi!-Skins” oder “unpolitische”
Skins. Unpolitisch bedeutet hier eine Abgrenzung gegen linke wie rechte Extreme. (Linke
Extreme sind z. B. die sogenannten Redskins.) Die Gleichsetzung des Skinheadstils mit
einer politischen Bewegung lehnen sie kategorisch ab.
Das working class-Selbstverständnis stellt weniger ein revolutionäres Klassenbewußtsein
dar. Vielmehr ist es ein Gefühl der Selbstachtung der Jugendlichen aus unteren
Mittelschichten: Stolz behaupten sie den eigenen Wert gegen die Ausgrenzung und die
Arroganz gesellschaftlicher Eliten.
Aus den USA kam Ende der 80er “S. H. A. R. P.” (SkinHeads Against Racial Prejudice –
Skinheads gegen Rassenvorurteile) nach Europa und verbreitete sich sehr schnell. Die
Logik ist einfach: Es ist absurd sich für schwarze Musik (neben Ska gehören auch Soul und
Reggae zum typischen Musikspektrum) zu begeistern und gleichzeitig die Musiker wegen
ihrer Hautfarbe und Kultur angreifen zu wollen. Diese Bewegung, zieht einen klaren
Trennstrich, zu denen, die in erster Linie Nazis sind und sich selbst Skinheads nennen.
Es wäre sicher verfehlt, nicht rechtsextrem orientierte Skinheads als antirassistisch
einzustufen: Skinheads definieren sich ausdrücklich über Ungleichheiten anderen
gegenüber. Aber es gibt unter Skinheads genauso viele verschiedene Ansichten hinsichtlich
Politik, wie in anderen Gesellschaftsgruppen oder Subkulturen auch.
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3.4. Skinheads im Osten Deutschlands
3.4.1. In der DDR
Mitte der 80er Jahre entstand in der DDR eine Skinheadszene. Deren Träger entstammten
zumeist der Punkszene, oft waren die Szenen eng vermischt. Informationen über die
Wurzeln in Ska und Reggae waren weitgehend unbekannt. Für den engen Zusammenhang
mit dem Punk waren nicht politische Ansichten entscheidend, sondern die Reaktion auf die
soziale Agonie, den allgemeinen Anpassungsbrei und die totalitäre Kälte.
Entsprechend wurden Skinheads wie Punks durch die DDR-Organe verfolgt, im
Allgemeinen konnten diese die jeweiligen Vertreter nicht zuordnen. Allerdings fielen Skins
wegen der unauffälligeren Kleidung weniger polizeilichen Maßnahmen anheim. Die
undifferenzierte Betrachtung der Jugendkulturen hatte ihren Weg in den sozialistischen
Staat genommen: Punks sahen sich “links”, Skins “rechts”. Entsprechend gab es kaum
Kenntnisse von Bewegungen wie S. H. A. R. P. oder Oi!-Skins.
Skinheads unterschieden sich in der DDR vorwiegend durch zwei Dinge von Punks: Sie
waren weitaus gewalttätiger und die meisten waren im rechten Spektrum orientiert. Der
entscheidende Bruch vollzog sich im Oktober 1987 beim Überfall von etwa 30
rechtsextremen Skinheads auf ein Punkkonzert in der Berliner Zionskirche: Zum einen
wurde die (rechtsextreme) Politisierung der ostdeutschen Skinheads ein für allemal fixiert,
zum anderen reagierten die DDR-Medien massiv.
Es begann eine intensive Berichterstattung über die kurzhaarigen Nazis, die bis dahin nicht
dagewesen war – der sozialistische Staat hatte die Existenz von nicht mit der “Freien
Deutschen Jugend” konformen Jugendlichen möglichst geleugnet. Die Auswirkungen im
gesellschaftlichen Leben waren ziemlich groß, so wurde beispielsweise am 1. Mai 1988
mittels Pkw-Kontrollen verhindert, daß Skinheadgruppen in die DDR-Hauptstadt gelangten.
3.4.2. Nach der Wende
Mit der Wende traten vor allem über die informelle Achse West-Berlin S. H. A. R. P.-Skins
verstärkt in Erscheinung. Mit seit 1991 regelmäßig stattfindenden Ska-Festivals und an
diesem kulturellen Aspekt ansetzender politischer Arbeit begründete die Berliner
S. H. A. R. P-Sektion einen Aufschwung ausdrücklich nicht rechtsorientierter Skinheads in
Ostdeutschland.
Allerdings sank die anfängliche Attraktivität dieser Bewegung für viele Skinheads rapide,
als diese Bewegung sich stärker über ihren antirassistischen Anspruch definierte als ihre
Verwurzelung in der Skinheadszene zu betonen. Im Klartext: Für eine Mitgliedschaft war
das eigene Selbstverständnis als Skinhead weniger wichtig als die politische Einstellung.
Das führte dazu, daß sich vor allem ältere Skinheads, die “unpolitisch sein” zum Kult
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erhoben hatten – und trotzdem gegen rassistische Strömungen innerhalb der Szene vorgehen
wollten –, wieder abwandten.
Gleichzeitig wuchs (vor allem um 1989/91) die Anzahl an rechtsextrem orientierten
Skinheads in Ostdeutschland. Rechtsextreme Kaderorganisationen aus der “alten”
Bundesrepublik legten ihr Augenmerk darauf, vorher (von privaten, auch bundesweiten
Kontakten abgesehen) eher autonom agierende rechte Skinheads zu untereinander
vernetzten Verbänden zusammenzuschließen. Die Argumente für ausländerfeindliche
Attitüden wurden angesichts einschneidender ökonomischer und sozialer Veränderungen
massiv verstärkt.
Im Bereich der rechtsorientierten Skinheadszene stellten die sogenannten Babyskins das
jugendkulturelle Moment dar; ältere Naziskins bildeten die kommunikative Verbindung zu
organisierten Rechtsextremen. Diese Szene teilte sich in zwei Lager mit fließenden
Übergängen. Teilungsfaktor war die Haltung zur Gewalt und ihre Verbindung mit einer
neuen Organisationsform:
!
Bei nicht organisierten Skinheads gehört die beinahe kultische Ausübung von Gewalt
zu den Existenzgrundlagen der Gruppierung. Die spontane Gewaltanwendung gegen
“unehrerbietige” szenefremde Personen dient der Selbstbestätigung.
!
Organisierte Rechtsextreme: Das ideologische Konzept schließt Gewalt ein, jedoch
nicht deren ständige Ausübung. Ihr Sozialstatus und ihr intellektuelles Niveau
kanalisieren die latente Gewaltbereitschaft in andere Realisierungsformen. Diese
werden in gezielten Aktionen gegen Feinde (Linke, Ausländer, Schwule etc.) gefunden;
der Tod der Opfer ist impliziert.
Diese rechtsextrem ausgerichtete Skinheadkultur ist seit etwa 1991 wieder rückläufig.
Immer mehr Skinheads distanzierten sich von Naziskins, Mitgliedern rechtsextremer
Kameradschaften; diese wanderten aus der Szene ab. Die Oi!-Skins traten wieder in den
Vordergrund.
4. Outfit
Bevor ich mich mit dem Bild der Skinheads in den Medien beschäftige, ist es nötig, einen
intensiven Blick auf deren typisches Erscheinungsbild zu richten. Nur in diesem Kontext ist
möglich, oft spektakuläre Berichterstattung und schiere Propaganda als Mittel der
Schuldzuweisung auseinanderzuhalten. Ebenfalls wird es nur so möglich zu erkennen, ob
Medienberichte Skinheads, modisch gekleideten Jugendlichen oder gar offensichtlichen
Neonazis zum Thema haben.
Ich halte die Aufzählung relativ ausführlich, auch um zu zeigen, daß Skinheads, bis auf den
auffälligen Haarschnitt, der wiederum eher konform zur aktuellen Mode läuft, oft nicht als
solche zu identifizieren sind. Das Bild vom “typischen Gewalttäter in Bomberjacke und
Springerstiefeln” ist schlicht falsch. Gerade die Bomberjacke wird, wenngleich sie ein sehr
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praktisches Kleidungsstück darstellt, wegen ihrer US-amerikanischen Herkunft oft
geringgeschätzt. Harringtons und Donkey Jackets werden bevorzugt getragen. Zu den
Springerstiefeln komme ich noch weiter unten.
Zu den in der Szene sehr verbreiteten Tätowierungen, kann man nur sagen, daß deren
Träger selbst erst einige Jahre später wissen wird, was er auf dem Körper trägt: eine
Erinnerung, das Bekenntnis zu einem Lebensstil, eine Jugendsünde oder Kunst.
4.1. Skinhead Girls
Obwohl ich nicht sexistisch erscheinen will, werde ich die Mädchen unter den “Glatzen”
nur an dieser Stelle kurz würdigen.
Innerhalb der Skinheads gibt es relativ wenige sogenannte Renees. Scheinbar werden sie oft
von der stark männerorientierten Szene abgeschreckt. Im gesamten Auftreten gleichen sie
eher ihren männlichen Pendants. Spezielle Frauenvereinigungen (wie z. B. bei Rechten
üblich) gibt es nicht.
Modisch unterscheiden sie sich durch einen Haarschnitt, der im Nacken und an den Ohren
längere Haare (Feathers) hat. Wenn es die Witterung zuläßt werden Miniröcke in
Kombination mit Netzstrümpfen getragen. Sonst ist die Kleiderordnung analog zum
Skinhead.
4.2. Haarschnitt
Die Skinheads der ersten Generation hatten einen sehr viel längeren Haarschnitt als seit
Mitte der 70er Jahre üblich. Der Begriff “Skinhead” – wörtlich übersetzt Hautkopf – rührte
daher, daß man bei den ersten Skinheads, ganz anders als es der damaligen Mode entsprach,
die Haut durch das Haar durchschimmern sah. Diese ersten Skinheads hatten rundum etwa
streichholzlange Haare. Heute werden die Haare in der Länge getragen, wie sie beim
Scheren mit der Schermaschine mit dem kleinsten oder ohne Aufsatz entstehen: ein bis drei
Millimeter. Bis zum nächsten Scheren kann das Haar bis etwa einen Zentimeter lang
werden. Verpönt sind sogenannte Yankee Crops, d. h. Militärhaarschnitte, bei denen das
Haar auf dem Scheitel etwas länger und vom Nacken bis oberhalb der Ohren ausrasiert ist.
Smart Skins, die sich auf die Wurzeln um 1970 beziehen, tragen ihre Haare entsprechend
länger. Vor allem bei Naziskins sind häufig Naßrasuren des Schädels zu sehen.
Immer schon gehören Backenbärte, sogenannte Koteletten, zur Skinheadmode. Kurze
Schnauzbärte werden teilweise als proletenhaftes (nicht als proletarisches!) Symbol
geduldet. In letzter Zeit sieht man öfter auch Kinnbärte; dies ist auf Hardcore-Einflüsse USamerikanischer Skinheads zurückzuführen.
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4.3. Garderobe
Zur Skinheadgarderobe gehören seit 1968:
–
Jeans (Levi’s, Wrangler, Lee), diese oft hochgekrempelt, teilweise mittels starker
Haushaltsreiniger stellenweise entfärbt, meistens in Verbindung mit schmalen
Hosenträgern,
–
Kordhosen und die legendären Levi’s Sta Prest,
–
Button-Down-Shirts – Hemden mit geknöpften Kragenenden – oft von Ben Sherman,
auch Brutus oder Jaytex,
–
Polohemden, hier ist die bevorzugte Marke Fred Perry (Fred Perry, der die Sportmarke
später begründete, gewann als erster Tennisspieler aus dem Arbeitermilieu das Turnier
in Wimbledon.),
–
weiße T-Shirts,
–
Pullunder, V-Pullover und Strickjacken,
–
Harringtons – Bundjacken mit Futter im Schottenmuster,
–
Jeansjacken,
–
lange Mäntel: Sheepskin und Crombie,
–
Drei-Loch-Anzüge,
–
Hüte: Pork Pie und Schiebermützen.
Mit dem Wiederaufleben der Skinheads kamen um 1980 weitere Kleidungsstücke hinzu:
–
bedruckte T-Shirts und Kapuzenpullover,
–
Sportkleidung von Lonsdale (Ausstatter von Boxvereinen) gewann an Bedeutung,
–
Bomberjacken, hauptsächlich in grün,
–
Donkey Jackets – schwarze geknöpfte hüftlange Jacken aus schwerem Filz mit PVCBesatz an den Schultern.
4.4. Schuhwerk
Skinheads bevorzugten immer schweres Schuhwerk, sehr schnell kamen Arbeitsstiefel der
Marke Doc Martens in Mode. Diese sind oft mit Stahlkappen versehen, was in einer
Straßenschlägerei zum Vorteil, bei der Flucht vor der Polizei zum Nachteil gereichen kann.
Zur Betonung der besonderen Schnürung bei den hohen Stiefeln und, weil es einfach gefällt,
werden oft farbige (weiße bevorzugt) Schnürsenkel verwendet.
Von rechtsextremen Skinheads werden Doc Martens kaum getragen. Sie bevorzugen wegen
ihres martialischen Äußeren Ranger Boots. Das sind schwere Schnürstiefel mit
knochenharter Sohle und auffällig abgenähter Stahlkappe, diese ist teilweise außen
aufgesetzt.
Sehr gerne werden aber auch Loafers (flache Schuhe mit Fransen) und Brogues (mit
Lochmuster) getragen. Zumeist weiße Turnschuhe aller Marken werden als Freizeitkleidung
toleriert.
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5. Medien verwenden Skinheads
5.1. Kleidung
Bis auf die Bomberjacke (Pilotenjacke der US-Luftwaffe) hat es kein Uniformstück in die
Skinheadgarderobe geschafft. Dies sollte man unbedingt berücksichtigen, wenn in den
Medien wiederholt uniformierte, Fahnen tragende Jugendliche als Skinheads bezeichnet
werden.
Für rechtsextrem organisierte Skins hat sich allerdings so etwas wie eine Uniform
herausgebildet, die zu Anlässen wie dem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch zu sehen ist:
–
wahlweise weißes oder braunes Hemd mit schwarzem Binder
–
oder weißes T-Shirt
–
über schwarzen Jeans oder Reithosen mit Koppel und eventuell Pistolengurt,
–
dazu schwarze Bomberjacke,
–
möglichst hohe Schnürstiefel und
–
sonst eher selten – naß rasierte Kopfhaut.
Die vielzitierten Springerstiefel werden überhaupt nicht getragen. Echte (Fallschirm)Springerstiefel sind aus sehr weichen Material und haben sowohl Schnürsenkel als auch
einen Reißverschluß. Wenn sie immerhin angenehm zu tragen sein mögen, sehen sie doch
lächerlich aus. Diese Bezeichnung für Schnürstiefel entspringt wohl eher dem Versuch,
Skinheads einen latenten Militarismus zu unterstellen.
Die Farben der Schnürsenkel sind medienpolitisch ein äußerst interessanter Aspekt. Hierzu
werden in verschiedenen Publikationen haarsträubende Geschichten geliefert. Anhand
dieser – immer wieder verschieden interpretierten – Farben scheint es einfach, Skins aller
Couleur auseinanderzuhalten. Ausgerechnet eine Schrift des Bundesministeriums des
Inneren (BdI) weiß zu berichten: “So können weiße Schnürsenkel bedeuten, daß die Skins
der Gruppe sich als White-Power-Skins sehen. Gelbe Schnürsenkel können ein Indiz dafür
sein, daß sich diese Skinhead-Gruppe der verbotenen FAP verbunden fühlt […] Rote
Schnürsenkel dokumentieren u. U. die Zugehörigkeit zur Szene der Redskins.”
Abgesehen davon, daß einzelne Skins ihren Schnürsenkeln tatsächlich eine Bedeutung
zuweisen, ist zu solchen pauschalisierten Deutungen zu sagen, daß man damit gehörigen
Mißfallen erregen kann: Auch linksgerichtete Skins oder Punks tragen weiße Schnürsenkel,
und gerade roten Schnürsenkeln werden ebenfalls die Bedeutungen Blood & HonourAktivist oder auch “Ich habe für meine Überzeugung getötet” zugewiesen.
Im gleichen Artikel wird die Marke Lonsdale hervorgehoben: “Wenn über diesen T-Shirts
[…] die halboffene Bomberjacke getragen wird, kann man […] nur noch N-S-D-A lesen
und assoziiert NSDAP.” – Diese Bedeutungsschwere dürfte nicht einmal aktiv boxenden
Naziskins bekannt sein.
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Eine weitere Aussage, die einer Prüfung nicht standhält, ist eine in den Medien gern
angewandte Rechtfertigungslüge. Wenn darauf aufmerksam gemacht wird, daß auf den
Bildern keine Skinheads zu sehen sind, wird erklärt, diese hätten sich “getarnt”. Sie trügen
die Haare ein bißchen länger und hätten etwas modischere Kleidung an, um nicht als
Skinheads aufzufallen. Genau das aber ist einer der Hauptgründe, überhaupt Skinhead zu
werden. Ein Skinhead kann als solcher nicht innerhalb seiner Gruppe bestehen bleiben,
wenn er sich opportun zu öffentlichen Meinung verhält. Für einen politischen Aktivisten ist
ein solches Täuschungsmanöver möglich und eventuell sogar ehrenhaft.
5.2. Der Schneeball-Effekt
Skinheads werden in den Medien immer nur im Zusammenhang mit Gewalt, Alkohol und
Einstellung zwischen Hitler-Kult und Feindseligkeit gegenüber Fremden dargestellt. Ihr
typisches Outfit “Glatze, Bomberjacke, Springerstiefel” ist ein Synonym für alles Fremde
hassende Gewalttäter.
Die “Zugangsmodalitäten” zur Skinheadszene sind:
–
Rebellion, auffällig und “anders sein” wollen,
–
Ausstieg und Protest gegen “das System” und soziale Ungerechtigkeiten – dies meinte
aber eher die eigene soziale Herkunft,
–
Männlichkeitskult,
–
Verherrlichung der Arbeiterklasse (Produzent gesellschaftlichen Reichtums).
Nach Anzahl und Bedeutsamkeit waren die Skinheads in Ost- und Westdeutschland bis
1989 unmaßgeblich. Heute scheint es im Straßenbild unter den 16- bis 18jährigen sehr viel
mehr Skins zu geben, als diese Motive für die meisten Jugendlichen hergeben. Das kann
man auf die unverständliche deutsche Einwanderungs- und Asylpolitik einerseits und eine
gezielte Fehlinformation durch die Medien andererseits zurückführen:
!
Die Bundesregierung wird nicht müde, die Problematik der in Deutschland lebenden
Ausländer und Asylbewerber zu betonen (Kriminalität, Schwarzarbeit). Gleichzeitig
scheint sie nicht in der Lage, eine vernünftige Einwanderungspolitik zu etablieren.
!
Der ökonomisch und sozial gefährdete Teil der Bevölkerung (gerade im Osten) folgt
dieser Problemdefinition und sieht als gangbaren Ausweg den Zusammenschluß gegen
Ausländer, deren Vertreiben, den gewaltsamen Konflikt.
!
In den Medien werden aber alle rassistischen Gewalttaten unter dem Schlagwort SkinTerror aufgearbeitet. (Über antirassistische Skinheadaktionen – z. B. Demos jährlich in
Potsdam oder 1994 in Lübeck – wurde nie medienwirksam berichtet.)
!
Wer im “richtigen Alter” ist und glaubt, gegen die scheinbar wohlstandsbedrohlichen
Ausländer vorgehen zu müssen, der wird sich mit einiger Wahrscheinlichkeit der früher
kaum bekannten Gemeinschaft der Skinheads anschließen wollen.
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!
Durch dieses “Auffüllen” der Skinheadszene mit ausländerfeindlich eingestellten
Jugendlichen steigt die Wahrscheinlichkeit, daß tatsächlich Skinheads an rassistischen
Aktivitäten beteiligt sein werden.
!
Diese Tendenz wird dadurch unterstützt, daß typische “Szeneklamotten” mittlerweile
zur Grundausstattung vieler Sportgeschäfte gehören: Fred Perry, Ben Sherman, aber
auch Harrington-Jacken. Einige dieser Läden liefern Aufnäher und Anstecker mit
einschlägigen Inhalten gleich mit.
Der Skinheadstil wird seit mehreren Jahren in der aktuellen Mode adaptiert. Gerade
Bomberjacken und die vielfach als Waffen eingestuften Stahlkappenschuhe haben an
Akzeptanz gewonnen. Der “normale” Bürger faßt die Identifizierung “Skinhead” sehr weit,
weil immer mehr Jugendliche dem pauschalisierten Bild “Glatze, Bomberjacke,
Springerstiefel” entsprechen.
Berichterstattungen über Großkundgebungen rechtsextremer Vereinigungen wie in
Hoyerswerda, Mölln oder über Angriffe auf Asylbewerberheime (Rostock-Lichtenhagen)
trugen dazu bei, die Grenzen der Identifizierung zu verwischen: Dort wurden Jugendliche
mit normal-kurzem Haarschnitt in Jeansjacken oder Blousons und Turnschuhen als
Skinheads bezeichnet. Die Teilnehmer waren aber im einhelligen Medienton nicht
“Neonazis” oder “Rechtsextreme” sondern (bestenfalls rechtsextreme) “Skinheads”.
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5.3. Der Sündenbock
Politische Aktivisten müssen über kurz oder lang aus der Skinheadszene aussteigen. Sie
paßt nicht zur Politik, dazu ist der Way of Life zu desorganisiert. Das heißt nicht, daß sie
nicht weiterhin über Kontaktpersonen Zugriff haben können.
Wie schon gesagt, gibt es bei Skinheads linke und rechte Orientierungen. Grundsätzlich
wird aber der Begriff Skinhead heute mit Neonazi gleichgesetzt. Das birgt die Gefahr – oder
ist dies Absicht? –, daß rechte Extremisten, nicht mehr als solche wahrgenommen werden.
Denjenigen, die im Zentrum einer Kundgebung mit wohlgesetzten Formulierungen gezielt
rassistisch vorgehen oder in öffentlichen Einrichtungen einschlägige Farbdrucke verteilen,
werden immer mehr als innerhalb der Demokratie stehend verstanden.
Die Diffamierung der Skinheadszene als rechte Randgruppe dient dazu, von einem
gesamtgesellschaftlichen Problem abzulenken. Angesichts des Auseinanderbrechens des
Sozialstaates in der Bundesrepublik und der immer öfter betonten Risiken der Europäischen
Union könnte ein neuer Gesellschaftsvertrag gegen Ausländer entstehen.
7. Nachbemerkung
Ich verwende im Text absichtlich die geographischen Bezeichnungen der real existierenden
Teilung Deutschlands in Ost und West, weil ich der Logik eines “Mitteldeutschlands”, die
ein weiter östlich liegendes deutsches Gebiet impliziert, nicht folgen will.
Die Quelle des Bundesinnenministeriums habe ich im Text als einziges namentlich erwähnt,
weil ich es haarsträubend finde, das solche oberflächlichen Materialien publiziert und
offensichtlich zur Fortbildung genutzt werden. Alle anderen Quellen sind zu sehr
miteinander und mit meinen eigenen Erfahrungen vermischt, als daß ich sie jeweils trennen
könnte.
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Literaturverzeichnis:
Klaus Farin [Hg.] “Skinhead – A Way Of Life”, Europäische Verlagsanstalt, Syndikat,
Hamburg 1996
Klaus Farin [Hg.] “Skins – Mythos und Realität”, Links Verlag, Berlin 1996
Wilhelm Heitmeyer u. a. “Die Bielefelder Rechtsextremismus-Studie – Erste
Langzeituntersuchung zur politischen Sozialisation männlicher Jugendlicher”,
Juventa Verlag, Weinheim und München 1992
Alfred Janzik “Skinheads” in “Texte zur Inneren Sicherheit Band I/97”,
Bundesministerium des Inneren, Bonn 1997
George Marshall “Spirit of ’69 – Eine Skinhead Bibel” – Deutsche Erstveröffentlichung,
George Marshall, Dunoon 1993
Nick Night “Skinhead”, Omnibus Press, London 1982
Bernd Wagner “Rechtsextremismus und kulturelle Subversion in den neuen Ländern” in
“Bulletin Sonderausgabe 1998”, Zentrum Demokratische Kultur, Berlin 1998
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