Aktuelles zur Futterbewertung bei Milchkühen

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Aktuelles zur Futterbewertung bei Milchkühen
Aktuelles zur
Futterbewertung
bei Milchkühen
H. Spiekers, Bonn
M
it steigendem Leistungsniveau rückt neben der Versorgung der Milchkühe mit NEL, nXP, RNB sowie Mineral- und Wirkstoffen die Gewährleistung der „Struktur” in der Ration und die gezielte Steuerung der
Kohlenhydratversorgung in den Vordergrund. „Angeheizt” wird die Diskussion
durch die Globalisierung des Know-hows der Milchviehhaltung. Neben den Entwicklungen und Erfahrungen in den Niederlanden, Dänemark und anderen europäischen Zentren der Milchviehhaltung sind die Strategien aus den USA und
Kanada in Diskussion und auch in Anwendung. Der folgende Beitrag zeigt einige Hintergründe auf und gibt Empfehlungen.
Was sind Kohlenhydrate?
Der größte Teil der Futterration besteht
aus Kohlenhydraten (siehe Abbildung 1).
Im Zellinhalt sind es die hochverdaulichen
Kohlenhydrate Stärke, Zucker, Pektin,
Pentosane etc. und in der Zellwand die
Cellulose, Hemicellulosen etc., deren Verdaulichkeit stark vom Grad der Lignifizierung und auch vom Fütterungsniveau abhängt. Die einzelnen Kohlenhydrate haben in stark unterschiedlichem Maß Einfluss auf:
– die Strukturwirkung der Ration (Speichelfluss, Säurebildung im Pansen),
– das Wachstum der Mikroben und somit
auf die Menge an Mikrobenprotein
(Freisetzung von Energie im Pansen),
Rohasche
Rohprotein
Rohprotein
Rohfett
Rohfett
NFC
Stärke – Zucker –
organischer Rest
50 %
Cellulose
ADF**
Hemicellulosen
Zellwand (NDF*)
Kohlenhydrate
Pektine
ADF = Acide (saure) Detergenzfaser;
NDF = Neutrale Detergenzfaser; NFC =
Non-Fiber Carbohydrate (lösliche Kohlenhydrate) = Trockenmasse – (Rohasche + Rohprotein + Rohfett + NDF);
NfE = N-freie Extraktstoffe = Trockenmasse – (Rohasche + Rohprotein +
Rohfett + Rohfaser).
* = ohne Pektin plus geschädigtes Protein; ** = plus unlösliche Asche
N-freie
Extrakt-Stoffe
Rohfaser
0%
Erweiterte Analyse
Rohasche
Zellinhalt
Weender Analyse
100 %
– die Bildung von Milchzucker und Milchfett,
– die hormonelle Ausrichtung der Kuh.
Es ist unter Fachleuten daher unstrittig,
dass für die Rationsplanung bei der hochleistenden Kuh eine gezielte Steuerung
der Kohlenhydratversorgung angezeigt
ist.
In Diskussion ist die Frage, welche
Kenngrößen mit welchen Zielgrößen in
der Rationsplanung und Rationskontrolle
Verwendung finden sollen. Bereits vor
über 30 Jahren hat die Arbeitsgruppe van
Soest die erweiterte Faseranalytik mit der
sauren Detergenzfaser (ADF) und der
neutralen Detergenzfaser (NDF) entwickelt, um die Futtermittel besser zu beschreiben. Zu beachten ist, dass es sich
Lignin
Abb. 1: Chemische Zusammensetzung einer Pflanze (nach Kirchgeßner, verändert)
Fütterung
Übersicht 1: Wirkung und Orientierungswerte einiger Kohlenhydratfraktionen
Fraktion
Wirkungsrichtung
Orientierungswert
(in der Gesamtration)
– Rohfaser*
– Zucker
–
–
–
–
–
–
–
–
min. 160 g/kg TM
bis 75 g/kg TM
sind unkritisch
20 bis 60 g/kg TM
max. 250 g/kg TM
150 bis 250 g/kg TM
min. 190 g/kg TM
min. 280 g/kg TM
min. 210 g/kg TM
250 bis 400 g/kg TM
max. 400 g/kg TM
– beständige Stärke
– Zucker und
unbeständige Stärke
– ADF*
– NDF*
– NDF* aus Raufutter
– NFC
Struktur
Durchfallproblematik
Energie für Mikroben
Vorstufe für Lactose
Pansenübersäuerung
Energie für Mikroben
Struktur
Struktur
– Energie für Mikroben
– Pansenübersäuerung
* je nach Herkunft, Teilchengröße und Fütterungssystem unterschiedliche Strukturwirkung
bei ADF und NDF als auch bei der Rohfaser um über die chemische „Kochvorschrift” definierte Größen handelt, die je
nach Futtermittel recht unterschiedliche
Zusammensetzungen aufweisen. In der
NDF sind zum Beispiel geschädigte Proteine enthalten.
Die ADF umfasst auch die in der Zellwand gebundene Asche. Bezüglich der
Analytik
bestehen
unterschiedliche
Vorgaben. Da insbesondere Sand keine
Faserwirkung hat, sollten ADF und NDF
um die salzsäureunlösliche Asche korrigiert werden. Von Bedeutung ist dies insbesondere bei Grassilage. Ohne Korrektur steigen mit der Verschmutzung die Gehalte an ADF und NDF.
Im Gegensatz dazu sind Stärke,
Zucker und Pektin klarer gefasste Stoffgruppen.
Die Wirkung im Tier ist jedoch insbesondere bei der Stärke stark abhängig
von der physikalischen Ausbildung der
Stärke, die über die Geschwindigkeit des
Abbaus und somit den Ort des Abbaus
(Pansen, Dünndarm) und die resultierenden Endprodukte entscheidet. Dies hat
wiederum Folgen für die Säuerung im
Pansen und die Bildung von Vorstufen der
Milchzuckersynthese.
Verwendung
welcher
Kenngrößen?
Zur
Beschreibung
der
Kohlenhydrate
bietet sich alternativ
die Verwendung folgender Größen an:
Die Variante I findet
verstärkt in Nordwesteuropa Anwendung. Schwierigkeiten bereitet die Abschätzung der Beständigkeiten
der
Variante I:
–
–
–
–
Rohfaser
Stärke
Zucker
beständige Stärke
Variante II:
– saure Detergenzfaser (ADF)
– neutrale Detergenzfaser (NDF)
– Nichtfaserkohlenhydrate (NFC)
Stärke. Die Variante II ist in den USA/Kanada, aber auch in Großbritannien, üblich. Für die einzelnen Größen gibt es teils
nach Leistung und Laktationsstadium
gestaffelte Zielgrößen. Zur Einordnung
der Werte sind der Übersicht 1 einige
Größen zu entnehmen. Zur „Ausreizung"
der Ration werden in der Anfütterung und
im ersten Drittel der Laktation Mindestwerte an löslichen Kohlenhydraten
(Zucker plus unbeständige Stärke) oder
NFC empfohlen.
Schwierigkeiten bereitet die direkte
Übernahme von Empfehlungen aus Nordamerika, da im Vergleich zu Europa gänzlich andere Futtermittel (Luzerne, silierte
Maiskörner etc.) und andere Zielsetzungen wie maximale Milchmenge und geringe Berücksichtigung der Milchinhaltsstof-
Tab. 1: Kohlenhydrate und Strukturwert (SW) in Futtermitteln für Milchkühe (in g/kg TM)
Futtermittel
Rohfaser
Stärke
Zucker
NDF
ADF
NFC
NEL
MJ/kg
SW
Grassilage 1. Schnitt (jung)
Grassilage 1. Schnitt (mittel)
Grassilage 1. Schnitt (überst.)
Maissilage (gut)*
Maissilage (mittel)*
Pressschnitzelsilage
230
260
300
185
210
208
–
–
–
350
280
–
60
40
20
15
15
31
420
495
570
365
415
459
260
290
330
215
245
250
250
195
115
480
425
348
6,5
6,1
5,6
6,6
6,4
7,4
2,67
3,05
3,55
1,57
1,79
1,05
Stroh, Weizen
429
–
–
850
540
22
3,5
4,30
Mischfutter (18 % XP, Est. 3)
Weizen
Melasseschnitzel
Sojaextraktionsschrot
Rapsextraktionsschrot
110
29
157
67
143
190
663
–
69
–
95
33
201
108
98
380
123
398
125
295
180
30
243
91
235
300
700
387
283
202
7,6
8,5
7,6
8,6
7,2
0,20
–0,11
0,25
0,20
0,33
* 6 mm Häcksellänge
132
milchpraxis, 38. Jg. (3) 2000
fe gegeben sind. Die Beratung bietet beide Möglichkeiten an. Standard ist die Variante I. Eine Weiterentwicklung beider
Varianten ergibt sich durch die generelle
Einbeziehung der Abbaugeschwindigkeiten im Vormagen und die Optimierung einer synchronen Freisetzung der Nährstoffe im Vormagen und einer entsprechenden Anflutung im Euter zur Synthese der
Milchinhaltsstoffe. Voll praxistauglich ist
hier noch kein System. Über eine abgestimmte Fütterungstechnik durch Mischration und/oder Abrufautomaten wird die
synchrone Nährstofffreisetzung gefördert.
Bezüglich der Weide sind eine kontinuierliche Beifütterung und mehrere kurze
Weideperioden je Tag (Siestaweide) von
Vorteil.
Strukturwert (SW)
statt Rohfaser
Alle in der Übersicht 1 aufgeführten
Größen beschreiben die Strukturwirkung
der Ration nur unzureichend, da sie in
erster Linie chemisch definiert sind. Ganz
anders verhält es sich mit dem in Belgien
von der Arbeitsgruppe De Brabander et
al. 1999 entwickelten Strukturwert (SW).
Basis dieses Systems sind über 80 Versuche zur Kauzeitmessung und über 50 Versuche zur Ermittlung der kritischen Relation von Kraft- zu Grundfutter in der Ration.
Da in Belgien ähnliche Futtermittel wie in
Deutschland verwendet werden, bietet
sich die Anwendung dieses Systems geradezu an.
Der erforderliche SW in der Ration
schwankt je nach Leistung und Fütte-
Fütterung
Über das SW-System können die
Grenzen der Ration besser abgeschätzt
werden. Bei kritischen Rationen kann
über die Wahl des Kraftfutters die Strukturwirkung gezielt eingestellt werden.
Nicht voll erfasst wird durch den SW die
Wirkung der Ration auf die Kotkonsistenz.
Auch bei ausreichendem SW können Probleme auftreten, da der SW auf die Wirkung im Vormagen abgestellt ist.
Für die Strukturbewertung der Ration empfiehlt
sich der Strukturwert (SW). Alle Erweiterungen
in der Rationsplanung erfordern ein gesteigertes Fütterungscontrolling, da die Rationen stärker ausgereizt werden und Fehler in der Rationsgestaltung und Vorlage sich früher und
stärker auswirken.
rungssystem zwischen 0,9 und 1,25. Die
Werte im Grundfutter schwanken zwischen 1,5 bei energiereicher Maissilage
und 4,3 bei Stroh (siehe Tabelle 1). Biertreber, Pressschnitzel, Futterrüben und
Kartoffelprodukte liegen im SW um 1, was
deren günstige Strukturwirkung belegt.
Kraftfutter können über die Höhe und Geschwindigkeit der Freisetzung von flüchtigen Fettsäuren im Vormagen unterschiedlich stark negativ wirken. Dementsprechend können die SW der Kraftfutterkomponenten von minus 0,4 (Melasse)
bis plus 0,5 (Sojaschalen) schwanken.
Das Vorgehen in der Praxis wird an einem Beispiel verdeutlicht. In der Tabelle 2
ist eine Ration für 45 kg Tagesleistung
aufgeführt. Der Strukturwert beträgt 1,12
je kg Trockenmasse. Dies liegt unter der
Vorgabe von 1,22. Bei Einsatz einer Kraftfutterabrufstation oder eines Futtermischwagens reduziert sich die Vorgabe
auf 1,12, so dass die Ration als wiederkäuergerecht anzusehen ist. Weitere Anpassungsmöglichkeiten liegen in der
Wahl des Kraftfutters. Der geringe Grundfutteranteil von 42 % der Trockenmasse
ist möglich, da mit der Pressschnitzelsilage ein Futter mit hoher Energiedichte und
vergleichsweise hohem Strukturwert Verwendung findet.
Rationsgestaltung
Die Rationen in der Praxis basieren
zum größten Teil auf Gras- und Maissilage. Der Einfluss des Maissilageanteils auf
die Proteinversorgung wird an einem Beispiel erläutert. Um den Bedürfnissen der
Hochleistungskuh zu entsprechen, ist sowohl die Gras- als auch die Maissilage
von überdurchschnittlicher Qualität.
Zum Ausgleich werden beispielhaft Melasseschnitzel und Sojaextraktionsschrot
verwendet. Das Milchleistungsfutter verfügt über 7,0 MJ NEL je kg und 170 g nXP
bei einer RNB von 4 g je kg. Es zeigt sich,
dass mit entsprechenden Sojaschrotmengen nach NEL und nXP ausgeglichene
Rationen zu erstellen sind. Alle Rationen
Rationsplanung auf Basis
nXP und RNB
Für eine erfolgreiche Proteinversorgung der Hochleistungskuh ist eine am
heutigen Stand des Wissens orientierte
Rationsplanung der Ausgangspunkt.
Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand Tab. 2: Rationsbeispiel für eine Milchkuh mit 45 kg
sollte als Maßstab ei- Milch je Tag; 4 % Fett
nes der bewährten Futtermittel
Verzehr
NEL
Rohfaser
SW/
Proteinbewertungskg TM/Tag MJ/kg TM
g/kg TM
kg TM
systeme
gewählt
Maissilage
5,0
6,6
185
1,57
werden. Wichtig ist
Grassilage
5,0
6,3
245
2,86
die konsequente An2,5
7,4
208
1,05
wendung des jeweili- Pressschnitzelsilage
2,0
7,2
143
0,33
gen Systems bei der Rapsextraktionsschrot
Bewertung
der Kraftfutter
9,5
7,6
110
0,15
Grund- und der Kraft- Mittelwert
(24 kg TM)
7,1
167
1,12
futter. Da in Deutschverfügen über eine positive RNB.
land das nXP/RNB-System allgemein einDie Beispiele zeigen, dass auch mit regeführt ist und die eigenen Versuchserlativ einfachen Rationsgestaltungen die
gebnisse (Pfeffer, et. al, 1999) keine VorAnforderungen gedeckt werden können.
teile für das DVE-System zeigen, wird das
Voraussetzungen sind eine ausreichende
nXP/RNB-System empfohlen.
Futteraufnahme und die Erreichung der
Die wesentlichen Betrachtungen zu
unterstellten Qualitäten. Zu Beginn der
diesem System sind der DLG-Information
Laktation und bei Färsen ist die Futterauf1/1998 zu entnehmen. An dieser Stelle
nahme nicht wie hier aufgeführt entspresollen Ergänzungen für den Leistungsbechend zu realisieren. Geringere Milcheireich oberhalb 40 kg Tagesleistung erfolweißgehalte sind die Folge. Ein gewisser
gen.
Ausgleich kann über die Erhöhung der
nXP-Versorgung erfolgen. Die entspreWelche Versorgung
chenden Wechselwirkungen zur Milchist zu empfehlen?
zuckerbildung und zur Nutzung von AmiDie erforderlichen Mengen an NEL und
nosäuren zu Energiezwecken sind jedoch
nXP sind der Tabelle 3 zu entnehmen. Je
zu beachten.
nach realisierter Futteraufnahme differieBei Einsatz von Abrufstationen empren die Konzentrationen. Wird bei den
fiehlt sich der Einsatz von unterschiedlifrischmelken Tieren ein Körpersubstanzchem Milchleistungsfutter, um die Hochabbau von 500 g je Tag unterstellt, so releistungstiere gezielt auszufüttern. Futter
sultieren hieraus 10 MJ NEL je kg und gemit 160 und 180 g nXP je kg sind eine
gebenenfalls 80 g nXP je Tag. Gleichzeitig
mögliche Variante (Spiekers & Rodehutsreduziert sich die Futteraufnahme um
cord, 1999).
etwa 1,5 kg Trockenmasse je Tag. Hierdurch steigt die erforderliche KonzentratiRationskontrolle
on an nXP je kg Trockenmasse.
Die Rationsplanung ist um eine gezielFür eine Herde mit 10.000 l Jahreste Rationskontrolle zu ergänzen. Aussadurchschnittsleistung werden bei Einsatz
gen zur Versorgung der Mikroben mit
der Mischration die in der Tabelle 4 aufgeStickstoff und der Kuh mit nXP liefern die
führten Gehalte empfohlen. Es wurden
Daten der Milchkontrolle. Die realisierte
die Phasen hochleistend und niederleisund die laut Papier erfütterte Milcheiweißtend unterschieden.
menge müssen etwa übereinstimmen.
Bei den hochleistenden Kühen empZur Beurteilung der Versorgung ist eine
fiehlt sich eine positive RNB. Anzustreben
gute Abschätzung oder besser Messung
ist eine RNB von 30–50 g Stickstoff je Kuh
des Futterverzehrs Voraussetzung.
und Tag.
milchpraxis, 38. Jg. (3) 2000
133
Fütterung
Tab. 3: Empfehlungen zur Versorgung von Hochleistungskühen mit NEL und nutzbarem Rohprotein am
Darm (nXP) – Vorgaben: 700 kg Lebendmasse, 4,0 %
Milchfett, 3,4 % Milcheiweiß
Milchmenge TM-Aufnahme
kg/Tag
kg/Tag
NEL
MJ/Tag
nXP
MJ/kg TM
g/Tag
g/kg TM
6,9
7,1
7,2
7,3
3.470
3.900
4.330
4.760
158
166
171
176
Frischmelk (500 g Körpersubstanzverlust je Tag)
45
23,8
173
7,2
50
25,5
188
7,3
4.250
4.680
178
184
Standard (ohne Körpersubstanzverlust)
35
22,0
151
40
23,5
167
45
25,3
183
50
27,0
198
Tab. 4: Empfohlene Gehalte an NEL, nXP und RNB
in der Mischration bei zweiphasiger Fütterung und
10 000 kg Milch/Kuh und Jahr
Phase
Milch, kg/Tag
I. hochleistend
Kühe
30
Färsen
24
II. niederleistend
Kühe
30
Färsen
24
Ansatzpunkte zur
Verbesserung der
nXP-Versorgung
Sowohl beim Grund- als auch beim
Kraftfutter bestehen erhebliche Möglichkeiten zur Steigerung der nXP-Versorgung.
Beim Kraftfutter ist sowohl über die Auswahl
der Energie- als auch der Proteinträger eine erhebliche Anpassung möglich (Foto: Hensch)
Neben dem Milcheiweißgehalt ist der
Milchharnstoffgehalt zu beachten. Der
Harnstoff in der Milch resultiert aus überschüssigem Stickstoff im Pansen (RNB)
und aus dem Abbau von Aminosäuren im
Stoffwechsel.
Aus dem Harnstoffgehalt ist nicht direkt
auf die Versorgung der Kuh mit Aminosäuren zu schließen. Das Füttern auf
einen bestimmten Harnstoffgehalt macht
daher wenig Sinn.
Ziel sollte eine bestimmte Bandbreite
sein, um eine ausreichende Versorgung
der Mikroben mit Stickstoff im Vormagen
(RNB) zu gewährleisten und starke Überschüsse im Intermediärstoffwechsel zu
vermeiden.
Für Hochleistungsherden hat sich der
Bereich von 250 bis 300 ppm Harnstoff für
die erste Hälfte der Laktation als günstig
herausgestellt. Wichtig ist die Beobachtung der Entwicklung der Werte, um frühzeitig Fehlentwicklungen zu erkennen
und Auswirkungen von Rationsänderungen beurteilen zu können.
134
milchpraxis, 38. Jg. (3) 2000
Grundfutter
Die nXP-Gehalte im Grundfutter unterliegen starken Streuungen in Abhängigkeit vom Ausgangsmaterial, dem Konservierungsverfahren und der Lagerung der
Futtermittel bis zum Verzehr. Über die Bestandszusammensetzung und die Düngung, dem Nutzungszeitpunkt und eine
sachgerechte Konservierung bestehen
Einflussmöglichkeiten. Der Einsatz von
geprüften Siliermitteln und von Melasse
bei der Silierung sind spezielle Ansatzpunkte zur Verbesserung der Futterqualität. Bei der Maissilage ist eine optimale
Ausreife (60 % Trockenmasse im Korn)
anzustreben.
NEL
MJ/kg TM
nXP
g/kg TM
RNB
g/kg TM
7 bis 7,2
170 bis 175
1 bis 4
6,7
150
0 bis 4
Kraftfutter
Beim Kraftfutter ist sowohl über die
Auswahl der Energie- als auch der Proteinträger eine erhebliche Anpassung
möglich. Entsprechende Futter mit nXPWerten zwischen 160 und 180 g je kg sind
am Markt. Die Auswahl hat sich an den
Zielsetzungen des Betriebes und den
ökonomischen Rahmenbedingungen zu
orientieren.
Steuerung
der Aminosäurenversorgung
Letztlich braucht die Kuh Aminosäuren
zur Milcheiweißbildung. Beschränkend
sind die essenziellen Aminosäuren. Im
Gegensatz zu Schweinen und Geflügel ist
bei der Kuh jedoch nicht eine Aminosäure
eindeutig als allein limitierend identifizierbar.
Am häufigsten genannt werden Methionin, Leucin, Lysin und Hystidin. Gezielt
beeinflussen lässt sich die Versorgung
über die Zusammensetzung des unabgebauten Futterproteins. Gegenwärtig empfiehlt sich jedoch keine gezielte Optimierung auf Aminosäuren am Darm, da
die Möglichkeiten zur Vorhersage von
Versorgung und Leistung noch gering
sind.
Energiereiche Saftfutter
Mit den Nebenprodukten aus der Lebensmittelindustrie und dem Gärungsgewerbe lässt sich vielfach gezielt die Versorgung mit nXP verbessern. Über Pressschnitzelsilage ist z. Tab. 5: Rationen für Milchkühe mit 45 kg TagesleiB. die Energieversor- stung und einem Futterverzehr von 25,3 kg TM/Tag;
gung der Pansenmi- 700 kg Lebendmasse; 4 % Fett; 3,4 % Eiweiß
kroben zu erhöhen. Maissilage, % der TM
0
25
50
75
In Versuchen erga- Grassilage
kg
28,5
21,5
14,5
7,0
ben sich Vorteile be- Maissilage
kg
–
8,5
17,0
26,0
züglich der Milchei- Melasseschnitzel
kg
3,0
–
–
–
weißgehalte (Spie- Sojaextr.schrot
kg
0,6
0,6
1,1
2,0
kg
–
–
0,1
0,1
kers und Brinker, Mineralfutter 1
kg
0,1
0,1
–
–
1995). Biertrebersila- Mineralfutter 2
kg
11,9
15,1
14,6
13,7
gen bringen hohe An- MLF 170/7,0*
teile an unabgebau- Reicht für .... kg Milch:
44,1
44,7
45,1
45,4
tem
Futterprotein. nach NEL
nach nXP
44,1
44,7
45,1
45,8
Kartoffeln und deren
RNB, g/Tag
103
89
64
46
Nebenprodukte verMJ NEL/kg TM
7,2
7,2
7,3
7,3
fügen über hohe Ang nXP/kg TM
168
170
171
174
teile an im Pansen
* 170 g nXP und 7,0 MJ NEL/kg
verfügbare Energie.
Fütterung
Fazit
Die Kohlenhydratgehalte in Rationen
hochleistender Kühe sind zur Ausschöpfung des Leistungspotenzials gezielt einzustellen. Empfohlen wird die Berücksichtigung von Zucker, Stärke und beständiger Stärke. Alternativ ist die Anwendung
der Detergenz-Analyse (ADF/NDF/NFC).
Zu beachten ist, dass die Zielgrößen aus
dem Ausland hierzu auf hiesige Verhältnisse anzupassen sind.
Für die Strukturbewertung der Ration
empfiehlt sich der Strukturwert (SW). Alle
Erweiterungen in der Rationsplanung erfordern ein gesteigertes Fütterungscontrolling, da die Rationen stärker ausgereizt werden und Fehler in der Rationsgestaltung und Vorlage sich früher und stär-
ker auswirken. Die Proteinbewertung auf
Basis nXP und RNB erlaubt eine Rationsplanung auf dem aktuellen Stand des
Wissens und ist leicht zu handhaben. Offene Fragen bestehen noch bezüglich der
tolerierbaren RNB.
Zukünftig werden sich Weiterentwicklungen ergeben, die auch die einzelnen
Aminosäuren umfassen.
MP
–
–
–
–
Anschrift des Autors:
Dr. Hubert Spiekers, Landwirtschaftskammer Rheinland, Endenicher Allee 60, 53115 Bonn
Literatur
–
Aktuelles zur Futterbewertung
bei Milchkühen
– De Brabander, D. L.; J. L. Boever, J. M. Vanacker,
Ch. V. Boucqué und S. M. Botterman (1999): Eva-
–
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6,217 - 236.
Pfeffer, E.; H. Spiekers; K. Hardebusch (1999): Mit
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Spiekers, H. und M. Rodehutscord (1999): Knackpunkte zur Proteinversorgung. In: Fütterung der
10.000-Liter-Kuh; Arbeiten der DLG/Band 196, 65 –
84.
milchpraxis, 38. Jg. (3) 2000
135