Uhren - Neue Zürcher Zeitung

Transcription

Uhren - Neue Zürcher Zeitung
DIE SCHÖNEN SEITEN
BROSCHEN
Mit diesem
Brustschmuck
werden Sie
brillieren
UHREN
Schöne
Stücke, ganz
schwerelos
AUSGABE MÄRZ 2010
INTERVIEW
Was passiert, wenn
Jean Reno
die Orientierung
verliert
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INHALT / EDITORIAL
40
32
24
Uhren & Schmuck
2/10
«Z – Die schönen Seiten»
ist ein Magazin der
«Neuen Zürcher Zeitung» und der
«NZZ am Sonntag».
7
Redaktionelle Leitung:
Jeroen van Rooijen (jvr.)
Publizistischer Beirat:
Markus Spillmann (msn.),
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Deutschschweiz
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Unternehmungen
der Swiss Printers AG
FOTOS: DAN CERMAK, MARCUS GAAB, PD
Verbreitete Auflage:
322 000 Exemplare
Alle Artikel wurden exklusiv
für «Z – Die schönen Seiten»
geschrieben. Alle Rechte
vorbehalten. Jede Verwendung
der redaktionellen Texte (insbesondere deren Vervielfältigung,
Verbreitung, Speicherung
und Bearbeitung) bedarf der
schriftlichen Zustimmung durch
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und elektronischen Produkten
zu verwenden oder eine Nutzung Dritten zu gestatten.
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Inseraten ist die Zustimmung
der Geschäftsleitung einzuholen.
Unternehmensleitung:
Albert P. Stäheli (CEO),
Markus Spillmann,
Daniel Hofer.
ISSN 1662-1573
©2010 Neue Zürcher Zeitung AG
Schuhwerk für daheim
Die handgefertigten Belgian Shoes
sind die perfekten Reisebegleiter auf
Langstreckenflügen. Schon Andy
Warhol schwor auf diese Loafers.
20 Ein Mann wie ein Millefeuille
Jean Reno ist der Star eines neuen
Kurzfilms von IWC. Im Interview
spricht er über Familie, Karriere
und seine allererste Uhr.
24 Weit oben und weit unten
Sportliche Uhren wurden früher an
ihrer Leistung gemessen. Heute
zählt vor allem das Äussere.
D
ie Uhrmacher versuchen,
der Schwerkraft zu entkommen. Das ist keineswegs nur mit Bezug
auf die weitreichenden
Wirkungen der Ökonomie gemeint, die den
Horlogers noch immer zu
schaffen machen, sondern auf die ganz reale
Erdanziehungskraft. Um den Einfluss der
Schwerkraft zu minimieren und die Ganggenauigkeit von Taschenuhren zu verbessern,
erfand Abraham Louis Breguet schon 1795
das Tourbillon. Der «Wirbelwind» mit seinem sich drehenden «Käfig» sollte das Werk
seiner Zeitmesser unabhängig machen von
Lageveränderungen. Bei einer Taschenuhr
mag diese aufwendige technische Spielerei
noch ihren Sinn gehabt haben. Heute weiss
man aber, dass ein Tourbillon wenig oder
gar nichts zur Ganggenauigkeit einer Armbanduhr beiträgt.
Und trotzdem bauen die namhaften
Uhrenfirmen im In- und Ausland mit Leidenschaft weiterhin Tourbillon-Versionen
ihrer Produkte. Weil das Tourbillon, ganz
32 Alles dreht sich um die Uhr
Neues für das Handgelenk: Die
stilvollsten Armbanduhren der
Saison, inszeniert von Marcus Gaab.
40 Geliebte Zeitmesser
Sechs junge Menschen erzählen,
warum sie trotz Zeitanzeige auf dem
Handy lieber eine Uhr tragen – und
warum es genau diese sein muss.
46 Brust raus, Brosche dran
Broschen sind das Stiefkind der
Schmuckindustrie. Zu Unrecht,
wie diese schmucken Stücke
mit ihrer Leuchtkraft beweisen.
48 Sechsstellig – na und?
Der Franzose Richard Mille ist einer
der erfolgreichsten Neulinge unter
den Horlogers. Er schämt sich nicht
wegen der Preise seiner Uhren.
57 Die Lust am Landleben
Städter lieben das Land – mit einem
gewissen Sicherheitsabstand. Mit
diesen Stücken holt man sich die
Landluft ins Wohnzimmer.
58 Beste Freunde
Modemacher Michael Michalsky
und Journalist Marcus Luft sehen
zusammen fern – via Internet.
ungeachtet seiner bescheidenen Funktion, zu
einer Art Waffenschein und Raison d’être
der Uhrmacherei geworden ist. Nur wer das
Tourbillon bauen kann, gehört zum «inner
circle» der Branche. Nur er hat den Freibrief,
seine Preise von jeglicher irdischen Dimension zu befreien. Wenn in wenigen Tagen
in Basel die weltweit bedeutendste Uhrenund Schmuckmesse «Baselworld» (18. bis
25. März 2010) ihre Tore öffnet, werden wir
vielerorts vernünftige, klassische, fast konservative Uhren sehen. Doch die Tourbillons
sind keineswegs verschwunden, sie faszinieren weiterhin – so wie das elegante ZentrumsTourbillon von Omega (siehe Titelbild).
Um zwanzig der wegweisenden neuen
Uhren dieses Jahres ins Licht zu rücken, hat
Fotograf Marcus Gaab das Ringen mit der
Schwerkraft, welches die Branche beschäftigt, zu seinem zentralen Thema gemacht.
Auf seinen Bildern ist nie ganz klar, was
oben und unten ist. Man kann es – das Heft!
– also drehen und wenden, wie man will. Und
wird feststellen: Die Schweizer Uhrenbranche ist keineswegs am Boden, sondern wirbelt unverdrossen weiter. Jeroen van Rooijen
Zur Titelseite
Von links nach rechts:
Skeletonized Central
Tourbillon Co-Axial
Platinum von Omega,
Elite 681 Ultra Thin
von Zenith und
5170 Chronograph
von Patek Philippe.
(Details siehe
Seiten 32 bis 39,
Bezugsquellen
Seite 56.)
Foto:
Marcus Gaab;
www.marcusgaab.com
Styling:
Christiane Bördner;
www.agentur-e.com
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 3
MGB www.migros.ch
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www.rado.com
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FOTO: LUKAS WASSMANN
OBJET DE DÉSIR
Der Hausschuh der
Exzentriker
Die handgefertigten Belgian Shoes sind elegante Schuhe für daheim und
die Reise. Eine fotografische Inszenierung von Lukas Wassmann
Eine Form, Dutzende von Varianten: Belgian Shoes gibt es in
zahlreichen Farbkombinationen und Materialien. Ob aus kostbarem Leder wie Echse, Strauss oder Kalb, ob aus Lack, Velours,
Samt, Flanell oder Leinen – was bei allen Modellen gleich bleibt,
das ist die Form und die kontrastierende Farbe der Sohle, der
Paspeln und des Markenzeichens, der kleinen Schleife.
Belgian Shoes werden seit den 1940er Jahren auf unveränderte
Weise, natürlich in Belgien, von Hand hergestellt: Mit der Innenseite nach aussen wird der Schuh an die mit Rosshaar verstärkte
Ledersohle genäht und anschliessend umgestülpt.
Bekannt geworden durch Henri Bendel, den Gründer des
gleichnamigen Luxus-Kaufhauses in New York, welches die Belgian Shoes jahrzehntelang exklusiv vertrieb, sind die eleganten
und bequemen Hausschuhe in den USA längst Klassiker. Sowohl
bei der Bourgeoisie wie auch bei Exzentrikern der Kunstszene,
unter anderem einst auch bei Andy Warhol, sind sie sehr beliebt.
Belgian Shoes sind ideales Schuhwerk für Damen und Herren,
die auch für die gemütlichen Stunden daheim nicht auf Eleganz
verzichten wollen. Liebhaber schätzen die bequemen Loafers mit
der weichen Ledersohle auch als Reisebegleiter für Langstreckenflüge. Nur für den rauen Asphalt sind die empfindlichen Sohlen
nicht geeignet. Denen, die sie asphalttauglich besohlen lassen
möchten, empfiehlt der Hersteller, sie einige Male einzutragen,
damit die optimale Passform erhalten bleibt. Kim Dang
● Erhältlich für 450 Franken bei Retos,Weite Gasse 4, Zürich,
Tel. 044 251 21 81; www.belgianshoes.com
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 7
SHOPPING
In dem Gebäude an der
Madison Avenue 690
war zuletzt die
Modekette Luca Luca
ansässig, bevor es
im Sommer vor
anderthalb Jahren
für geschätzte
50 Millionen Dollar
verkauft wurde und
Hermès sich anschickte,
hier seine erste
ausschliesslich für
Männer bestimmte
Boutique einzurichten.
Ein Luxustraum für Männer
Die Brille
zum Zeitgeist
Eine Brille ist eine Krücke zur Behebung
einer Sehschwäche. Für sich alleine betrachtet, ist sie zwecklos. Sie erwacht erst
mit dem Träger zum Leben – normalerweise. Es gibt jedoch auch Brillen, die sind
regelrechte Persönlichkeiten. Um diese
Brillen zu tragen, braucht man also ein
doppelt verstärktes Rückgrat. Dafür adeln
sie ihre Träger mit dem unzweifelhaften
Geruch von Zeitgeistkompetenz. Die
Ostberliner Brillenfirma Mykita, 2003 in
einer verlassenen Kindertagesstätte gegründet (deswegen das «kita» im Namen),
stellt solche Brillen her. Sie sind nicht nur
technologisch innovativ, sondern auch
meist von namhaften Avantgarde-Designern unserer Zeit gestaltet. Seit dem
11. März hat Zürich einen eigenen Shop
mit diesen Brillen: David Kirtz wagt
das Abenteuer, ausschliesslich Brillen von
Mykita zu verkaufen. Im «trendigen»
Kreis 5, wo denn sonst! (jvr.)
● Mykita Shop, Langstrasse 187, Zürich,
www.mykita.de
8
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10
waren, Uhren, Parfums und die «special
orders», also Hemden, Anzüge oder
Taschen, die auf individuellen Wunsch
gefertigt werden.
Der Store, in einem stimmungsvollen
Backsteingebäude direkt gegenüber der
bisherigen Uptown-Adresse von Hermès
situiert, überrascht durch sein ebenso
kompaktes wie grosszügiges Layout,
welches Hermès’ «Hausarchitektin»
Rena Dumas gezeichnet hat. Das
rötliche Kirschholz der Wände korrespondiert mit dem Rot der Aussenwände.
Im Erdgeschoss hängen die für Hermès
typischen bedruckten Seidenkrawatten,
sauber nach Farbschattierungen sortiert,
weiter oben findet man Strickwaren,
Casual Wear, Businessbekleidung und
schliesslich zuoberst, als halbprivates
Separée, den Feinmassbereich. (jvr.)
● Hermès Man, 690 Madison Avenue / Ecke
62nd St., 10021 New York, www.hermes.com
Kolumne
Ein Schuh für alle Fälle
S
o langsam komme ich in das
Alter, in dem man im Monatsrhythmus an eine Hochzeit
eingeladen wird. Längst habe
ich mir darum ein «StandardHochzeits-Outfit» zugelegt; kurzes
Kleid (nicht zu sexy, schliesslich gehe ich
an eine Hochzeit, nicht an eine Brautschau), hohe Hacken, einen kuscheligen
Mantel (falls es in der Kirche, und das
ist der Normalfall, kühl ist). Mit dieser
Ausstattung lag ich bisher nie daneben.
Bleibt nur zu hoffen, dass meine
Freunde nie ihre Hochzeitsfotos
miteinander vergleichen.
Nun aber flatterte mir die Einladung
zur einer Trauung in – warum um alles
in der Welt – Andermatt ins Haus.
Andermatt im März; schmelzende
Schneehaufen, dreckige Pfützen,
unerbittliche Temperaturstürze. Noch
dazu enthält die liebevoll gestaltete
Karte den Passus: «Von der Kirche
zurück nach Andermatt gelangt man
auf einem 40-minütigen Spaziergang.»
Ich sehe vor meinem geistigen Auge
schon meine High Heels im Schlamm
versinken, ich sehe mich auf vereisten
Pfaden ins Tal schlittern (hat Andermatt ein Spital?), ich sehe meine feinen
Füsschen durch Blasen verunstaltet.
Neues Schuhwerk muss her. Doch
woher nehmen, wenn in gut sortierten
Fachgeschäften die Wintersaison längst
vorüber ist und die Modeindustrie
den schneetauglichen Abendschuh
einfach noch nicht für sich entdeckt
hat? Seit vier Wochen quäle ich mich
nun schon durch Zürichs Boutiquen,
ja, ich war sogar ausserhalb, in den
endlosen Gängen von Malls und
Outlets (in ländlichen Gebieten soll
Schnee ja ein bekanntes Phänomen
sein). Das alles hat nichts geholfen.
Die Lösung passt in eine (zugegebenermassen grosse) Handtasche: meine
Wanderschuhe, dezent unter die
Kirchenbank geschoben, im Dunkeln
hinterm Busch montiert – sicher ins Tal
gelangt. Und an der allerersten Strassenlaterne stehe ich wieder da, in High
Heels, eine Akrobatin der Winterwanderwege, unter tosendem Applaus.
Katharina Blansjaar
FOTOS: PD
Mitte Februar hat das Pariser Luxuslabel
Hermès auf der New Yorker Madison
Avenue sein weltweit erstes Geschäft
für ausschliesslich männliche Kundschaft eröffnet. Auf vier Etagen findet
der solvente Geniesser, den Preise von
385 Dollar für ein iPhone-Etui (oder von
25 000 Dollar für eine Lederjacke) nicht
abschrecken, so ziemlich alles, womit
er seine Erscheinung veredeln kann:
Bekleidung, textile Accessoires, Leder-
guebelin.ch
Ma d a g a s k a r
made by Gübelin.
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Inspiriert von der Vielfalt der tropischen Inselwelt:
Madagaskar glänzt mit der raffinierten Kombination
von Gelb- und Weissgold, auf Wunsch ergänzt
durch die farbige Strahlkraft von Saphiren und das
Funkeln von Diamanten. Eine kunstvolle Hymne
auf das grösste Juwel jeder Frau: Ihre Einzigartigkeit.
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DESIGN
Das Sofa Ruché
von Inga Sempé gibt es
als 2- und 3-Sitzer,
als Méridienne und
als Méridienne
mit integrierter
Seitenablage. Es
ist ausserdem
in verschiedenen
Holzarten und
mit diversen
Stoffbezügen erhältlich.
Ab 4170 Fr.,
www.ligne-roset.de,
www.ingasempe.fr
MEIN DING
Die Bank mit Auflage
FOTOS: PD
Sie werden auch «Sofas mit Funktion»
genannt, was zwar an umständliche
DDR-Wortschöpfungen wie «Sättigungsbeilage» (Reis, Nudeln) oder «Schallplattenunterhalter» (DJ) erinnert, mit
dem realen Sozialismus aber gar nichts
zu tun hat. Nein, Sofas mit Funktion
sind solche, die sich per Knopfdruck in
Liegen verwandeln lassen. Und «zack!»
in Betten, und «wutsch!» in Sessel und
«schwupp!» wieder zurück in Sofas.
Das ist lustig, vielleicht auch praktisch,
doch leider meist alles andere als
hübsch. Von aussen nicht und von innen
sowieso nicht: Man stelle sich den Wust
an Technikkram vor, den ein solches
Sofa mit Funktion in seinem Bauch
trägt. Erschreckend.
Manchmal machen es sich die Designer wohl einfach zu kompliziert.
Mir zumindest reicht, wenn ich mich
hinsetzen möchte, eine Bank aus Holz.
Vielleicht könnte man sie ausserdem
mit einer «Komfort-Auflage» versehen,
sprich: mit einem Kissen oder so. Oder
man macht es wie die Designerin Inga
Sempé und breitet über ein schlichtes
Holzgestell eine weiche Steppdecke.
Sempé schuf so das Sofa «Ruché», das
schönste neue Stück auf der diesjährigen
Kölner Möbelmesse: charmant und
nonchalant. Einfach und raffiniert.
Schlicht und schön. Und für mich ist
darum sonnenklar: lieber eine «Bank mit
Auflage» als ein «Sofa mit Funktion».
Rebekka Kiesewetter
DER KLASSIKER
FÜNF TIPPS FÜRS LEBEN
Essen auf Rädern
Uli Budde
Man fragt sich, wieso der Servierwagen
aus der Mode gekommen ist. Es gab
Zeiten, da war er ein wichtiger Bestandteil der stilvollen Einrichtung. Der Architekt und Designer Alvar Aalto zum
Beispiel, der die von ihm gestalteten Produkte als logische, notwendige und funktionale Erweiterung seiner Bauten verstand, entwarf in den dreissiger Jahren
sogar zwei Modelle, «901» und «900». Der
Praktiker Aalto versprach sich von dieser
Art Möbel einen Nutzen – und trotzdem
verschwanden sie. Vielleicht brauchte
man in den neunziger Jahren, als Küche
und Wohnzimmer vermehrt zu einem
Raum verschmolzen, keine Räder mehr
unter dem Essen; vielleicht waren so
offensichtlich «dienende» Möbel (in der
Schweiz werden Teewagen Servierboys
genannt) im ersten Jahrzehnt des kraftstrotzenden 21. Jahrhunderts auch einfach nicht mehr zeitgemäss. Man stand
wohl eher auf machoide Riesen-Loungesofas und kapriziöse Möbelkunst.
Doch jetzt, wo bei Loftbesitzern die
Kenophobie, die Angst vor grossen, leeren Räumen, zu grassieren scheint und
sie ihre Heime in Mehrraumwohnungen
unterteilen, wäre das Revival des Servierwagens doch angebracht. Nicht nur,
weil die Wege zwischen Küche und Esszimmer länger werden. Nein, auch im
Rahmen der vielzitierten neuen Bescheidenheit, des Bedürfnisses nach Nützlichund Nachhaltigkeit sind gut gemachte
Multifunktionsmöbel wie Alvar Aaltos
Tea-Trolley «901» wieder gefragt: Er wird
vom umweltbewussten Produzenten
Artek aus Birkenholz hergestellt, ist
robust und lässt sich auch als Beistelltisch,
Hausbar und Regal verwenden. (rkw.)
● 2250 Franken, www.artek.fi
Uli Budde, wie verbringt man eine unerwartete Freistunde am besten?
1. Nutzen Sie die geschenkte Zeit nicht
zum Arbeiten.
2. Setzen Sie sich in ein gemütliches
Café.
3. Lesen Sie eine Zeitung ganz durch.
4. Legen Sie sich ins Gras und blicken
Sie in den Himmel.
5. Versuchen Sie, Ihre Umwelt bewusst
wahrzunehmen: zu schauen, zu hören,
zu riechen.
www.ulibudde.com;
mehr über den Designer erfahren Sie
auf www.nzzdomizil.ch/interiordesign
Der Designer Uli Budde lebt in Berlin.
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 11
KUNSTMARKT
AUKTION
Pflanzenwelt,
in Glas gefroren
Wenn das 18. Jahrhundert jenes des Porzellans war, dann war das 19. Jahrhundert
dasjenige des Glases. Eine einmalige
Blütezeit erlebte dieser Werkstoff des
geschmolzenen Sandes um 1900, als an
der Pariser Weltausstellung das Beste an
Art-nouveau-Kreationen gezeigt wurde,
was die französischen Glaskünstler hervorgebracht hatten.
Eines der triumphalsten Kapitel des
abendländischen Glases ist jenes des
Jugendstils – zweifellos ein Sammelgebiet
mit vielen Anhängern. Eine Pflanzenwelt
wie in Glas gefroren verkörpern die splendiden Kreationen etwa der Gebrüder
Daum oder auch von Emile Gallé. Der
Jugendstil griff hier mit grosser Geste in
die Schatztruhe der Botanik. Nicht nur
die biologische Originaltreue der Pflanzen wurde in Gestalt von Vasen und Lampen auf die Spitze getrieben, auch die
Seele eines Schneeglöckchens, einer Narzisse oder Lilie in Glas zu gefrieren, war
der Anspruch dieses Kunsthandwerks.
Solche Stücke kommen nun an einer
Auktion mit Kunsthandwerk und DesignObjekten des 20. Jahrhunderts bei Christie’s in New York zum Aufruf. Darunter
befinden sich zwei besonders schöne Flaschen von Daum in Kamee- oder Glasschnittrelief-Technik mit einer Schätzung
von 1800 bis 2500 Dollar. (phi.)
● Christie’s, 20th Century Decorative Art
& Design, New York, 16. März.
Julian Göthe: «Events during Flood», Installation in der Galerie Daniel Buchholz, Berlin 2008.
KUNSTWERTE
Julian Göthe
lediglich als Bestandteile eines künstlerischen Gesamt-Tableaus. Der 43-jährige
Berliner kommt aus dem Umfeld von
Theater und Set-Design, wobei sich die
Nähe zur bühnenbildhaften Inszenierung
von Räumen vornehmlich aus den
Zeichnungen des Künstlers erschliesst.
Hier finden sich die rätselhaften Figuren
eingebettet in Landschaften mit einer
post-industriellen Topographie. Zeichnungen und Collagen kosten zwischen
3500 und 12 000 Euro, die Plastiken
derzeit 24 000 Euro. Christian Schaernack
KUNST UND KLATSCH
Big is beautiful
Grösse ist nun auch in der Kunstwelt alles.
Dies spätestens seit ihrer Ummünzung
zur glamourösen Unterhaltungsindustrie.
Das Publikum will es so. Immer riesigere
Formate müssen es sein. Unvergessen
etwa der gut zehn Meter breite Warhol für
80 Millionen Franken an der letzten Art
Basel. Und jetzt wieder ein Rekord in
London. Denn Rekorde sind das A und O
für die Auktionswelt. Wer das teuerste
Kunstwerk verkauft, hat gewonnen, so
einfach die Regel, so spannend das Rennen. Der Sieger jüngst an einer Londoner
Auktion ist ein schlaksiger Champion im
12
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10
Langstreckenlauf: Alberto Giacomettis
«Schreitender Mann», der diesen Februar
104,3 Millionen Dollar brachte. Bezeichnenderweise hat in diesem Spiel einer den
absoluten Spitzenpreis der Auktionsgeschichte auch für eine sehr, sehr grosse
Figur bezahlt. Allerdings nicht für eine
einmalige, wie er hoffentlich bemerkt hat.
Mehrere weitere Abgüsse existieren nämlich, und davon sind die wenigsten fest
placiert in Museen. Das Rennen kann also
weitergehen. Man darf gespannt sein,
wann die anderen «Schreitenden» auf dem
Auktionsparkett erscheinen, um noch
grössere Geldsummen zu mobilisieren –
wenn man bloss bedenkt, dass Giacometti
zu seiner künstlerischen Vollendung mit
Figuren in Streichholzschachtelformat
gefunden hat. Philipp Meier
FOTOS: COURTESY GALERIE DANIEL BUCHHOLZ, KÖLN/BERLIN, CHRISTIE’S; ILLUSTRATION: GABI KOPP
Wer die Skulpturen von Julian Göthe
gesehen hat, wird diesen Eindruck so
schnell nicht vergessen. Rund 2,5 Meter
messen die «Boliden» aus pechschwarz
beschichtetem Holz – teils überdimensionale Schachfiguren, teils futuristische
Roboter. Göthe spielt gezielt mit der
Wuchtigkeit totemischer Präsenz, zitiert
die archaische Formensprache aussereuropäischer Stammeskunst genauso
wie die frühen Modernen um Lipchitz,
Epstein oder Gaudier-Brzeska. Und doch
verstehen sich Göthes Hybrid-Wesen
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D A S PA R F U M . E I N E N E U E E S S E N Z
hermes.com
MARKTPLATZ
Schauspielerin
Tilda Swinton
präsentiert
vor schottischer
Landschaft die
Frühjahr/SommerKollektion 2010
von Pringle of
Scotland.
Von wegen Twinset
Keller, ehemals bei Gucci, und Geschäftsführerin Mary-Adair Macaire, die
im vergangenen September von Chanel
nach Schottland wechselte – haben
deshalb nun einen neuen Kurs eingeschlagen. Mit der Schauspielerin Tilda
Swinton haben sie eine Werbeträgerin
verpflichtet, die Twinsets höchstens von
alten Fotos ihrer Grossmutter kennt.
Oscar-Preisträgerin Swinton ist bekannt
für ihre extravaganten Outfits, die sie
Kolumne
Die Poser
unserer Zeit
Blogs sind in der Modebetrachtung das
Salz in der Suppe. Die grossen Verlage
brauen mit ihren Hochglanzmagazinen
den Grundstock, die Blogger würzen diese
bisweilen fade, gleichförmige Brühe mit
witzigen und pointierten Betrachtungen.
Einer der wenigen, die es mit dieser Vorgehensweise zu internationaler Bekanntheit gebracht haben, ist der Westschweizer Yvan Rodic alias «The Facehunter».
Sein Blog gehört zu den Foren, auf denen
sich die modischen Selbstdarsteller unserer Zeit, vorwiegend «fashion people» in
Paris, Mailand, New York oder
London, chic in Pose werfen.
Jetzt sind Yvan Rodics beste
Schnappschüsse in Buchform
erschienen: «Facehunter. Die
Strasse als Catwalk» nennt
der Prestel-Verlag die deutsche
Fassung des im Original
auf Englisch bei Thames
& Hudson erschienenen
Werks, das Bilder und Kommentare des Bloggers enthält. Ein interessantes, weil
authentisches Kompendium
zur Stilgeschichte. (jvr.)
● «Facehunter». 320 Seiten mit
300 Fotos. 20 Euro bzw. 35 Franken; www.randomhouse.de
14
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10
bald wie eine Fee, bald wie ein Wesen
aus dem All erscheinen lassen. Und
ihre androgyne Ausstrahlung macht es
möglich, dass sie nicht nur die Damen-,
sondern auch die Herrenkollektion
präsentiert. Trotz diesem modischen
Satz nach vorn – Pringle bleibt seinen
Wurzeln treu: Tilda Swinton ist Schottin
aus Leidenschaft – und das erkennt
man auch ganz ohne Twinset. (rin.)
● www.pringlescotland.com
Zeit des Wandels
I
ch bin überzeugt, dass alle
Dinge immer auch eine gute
Seite haben – selbst die Hölle
und das Älterwerden. Nachdem
man über die Schwelle zum
40. Lebensjahr getreten ist, bleibt
die Wahl zwischen Resignieren
und Jubilieren. Über das Resignieren
bin ich nach drei Jahren endlich
hinweg, nicht zuletzt dank einem Paar
wadendeckender Lederstiefel.
Es kreuzte meinen Weg nach einer
Odyssee durch das Meer der hässlichen
Schuhe. In seinem braunen, englischen
Kalbsleder stand es in der Auslage, fest
und stark, und kündete von glanzvollen
Taten wie dem Durchqueren eines
Herbstwaldes in Northampton.
Gleichzeitig sah ich mich zum Apéro
am Kaminfeuer im winterlichen
«Palace» sitzen und einen grossen
Schluck Whiskey trinken, während von
den Stiefeln ein herber Lederduft
emporstieg. Mit uns gehst du um die
Welt, sagten mir die Stiefel. Doch
dabei blieb es nicht. Als beide Füsse
zum ersten Mal vom weichen, wohligen
Leder eingefasst wurden, wusste ich:
Die Zeit des Wandels war gekommen
und ein Imagewechsel angesagt. Meine
weissen Haare hatten es mir schon seit
langem zugeflüstert, aber ich verstand
ihre feinen Stimmen lange nicht, weil
mein Gehör schwächer geworden ist.
Sie wollen mir mitteilen, dass ich eine
neue Rolle spielen kann: Noch hast du
Haare, sei froh, nutze sie in ihrer
Grauheit, und mach was draus. Zieh die
neuen Stiefel an und dazu eine Joppe
aus Tweed oder Manchester. Mach
grössere Schritte, sprich in väterlichem
Ton. Nimm ein bisschen Sean Connery
und eine Spur Robert Redford. Das
müsste man doch hinbekommen. Die
schlechte Seite der Medaille: Im
Sommer werde ich aussehen wie ein
alter Mann und auf Flip-Flops verzichten müssen. Oder ich finde eine neue
Rolle. Wie wär’s mit italienischem
Conte im massgeschneiderten Leinenanzug? Marcello Mastroianni lässt
grüssen . . . Roberto Zimmermann
FOTOS: PD
Die Königin von England schwört
auf Twinsets. 25 soll sie sich jedes Jahr
liefern lassen – vom altehrwürdigen
Stricklabel Pringle of Scotland. Dort
freut man sich selbstredend über die
Bestellungen der Queen – doch für eine
geschickte Positionierung auf dem
internationalen Modeparkett taugen
deren Strickjäckchen nur bedingt.
Die zwei neuen Frauen am Ruder
von Pringle – Designerin Claire Waight
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H
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A
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Hublot’s new ambassador, the Swiss cross-country
skier Dario Cologna has won the gold medal in
the 15km free style in Vancouver. This promising
young cross-country skier will also represent Hublot
at the Nordic Ski World Championships in 2011.
Bahnhofstrasse 33 • CH-8001 ZÜRICH
Tel. 044 211 19 33
Hublot TV on: www.hublot.com
F
U
S
I
O
N
Freizeit ist keine
Entschuldigung
für nachlässige
Garderobe.
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REISEN
PANORAMA: MÄRKTE 2 /4
Malerische Verkaufskanäle
FOTOS: AXEL M. MOSLER / VISUM / FOTOFINDER, PD; ILLUSTRATION: GABI KOPP
Südwestlich des Mailänder Zentrums,
in der Nähe des Bahnhofs Porta Genova,
erstreckt sich das Quartier der «Navigli»,
jener Kanäle, welche die Stadt mit
den Flüssen der Poebene verbindet.
Die Gegend ist als «Magen Mailands»
bekannt. Hier isst und trinkt man in
vielen Restaurants hervorragend. Jeden
letzten Sonntag im Monat (ausser im
Juli und Dezember) sind die Navigli aber
auch Kulisse für einen der schönsten
Antik- und Flohmärkte des Landes.
Die meisten Aussteller sind Profis und
kennen den Wert ihrer (oft teuren)
Verkaufsobjekte gut. Sie lassen aber
gerne mit sich handeln. Es lohnt sich,
schon um 10 Uhr dort zu sein. Später ist
das Gedränge zwischen den Ständen
riesig, und die wohlfeilsten Stücke sind
bereits weg. Roberto Zimmermann
Info: www.naviglilive.it/navigli_lombardi
eventi_fiere_mercati.html
Bild: Die Auswahl am antiquarischen Markt
ist riesig. Da braucht jeder mal eine Pause.
EIN TAG IN . . .
IHR HOTELIER EMPFIEHLT
Maastricht
Hotel Beau-Rivage Palace,
Lausanne
8.00: Frühstück in der Rösterei Blanche
Dael (Ruiterij 2). 9.30: Spazieren entlang
der Stadtmauer zum Höllentor (einst
Gefängnis, im Stadspark). 11.00: Shopping: Fashion und Design im StokstraatViertel. Buchhandlung Dominikanerkirche am Vrijthof. 12.00: Essen im
Wintergarten-Bistro ’t Plenkske (Plankstraat 6). Lunchmenu 26 (Kartoffelsuppe
mit Trüffel!). 15.00: Bonnefanten-Museum (Av. Ceramique 250). Kunst der Gegenwart. 18.00: Apéro im Terrassencafé
In den ouden Vogelstruys (Vrijthof 15).
20.00: Dinner im Gourmet-Restaurant
Beluga (Plein 1992, Tel. +31 43 321 33 64,
reservieren!). 22.30: In die Jazzcafés von
Platielstraat und Amorsplein. 23.30: Am
Maasboulevard und in De Preuverij wird
abgetanzt (Kakeberg 6). Anita Geurts
Atemberaubend schön: Das «Beau-Rivage Palace».
Fred Hürst, Direktor «Grand Hyatt»,
Berlin, Deutschlands Hotelier des Jahres 2010: «Als ich geschäftlich öfters in
Lausanne war, lernte ich das Hotel BeauRivage kennen. Es ist in den letzten Jahren
sehr stilsicher und mit viel Flair renoviert
worden. Für mich präsentiert es sich als
klassisches Hotel mit einer phantastischen
Ausstrahlung und Mut zu Neuerungen – es
hat zum Beispiel einen neuen Spa-Bereich
auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern.
Und natürlich liegt das ‹Beau-Rivage› atemberaubend schön in Ouchy am Lac Léman.
Die Sommerterrasse ist wunderbar. Ich
liebe es, dort die hervorragenden Filets de
Perche zusammen mit einem schönen
Weisswein zu geniessen. Auch punkto
Service ist das Haus absolut überzeugend.
Den Direktor François Dussart zeichnet
sein Auge fürs Detail aus. Man merkt, dass
er sein Geschäft versteht und die ServiceQualität hochhält. Er bringt seine Mitarbeiter dazu, ihr Bestes zu geben. Ich fühle
mich immer willkommen, und die Freundlichkeit der Bedienung wirkt nie angelernt.
Hier erkennt man den Gast nach
mehrmaligen Besuchen und weiss
bald, welches seine besonderen
Wünsche sind. Als Hotelier mit
langer Auslanderfahrung kann ich
sagen: Ein altehrwürdiges Hotel
wurde auf gelungene Weise
in die Gegenwart geführt.» (roz.)
● Hotel Beau-Rivage Palace, Place du Port 17–19,
CH - 1000 Lausanne 6, Tel.
+41 (0)21 613 33 33, www.
brp.ch, DZ/Nacht ab 400 Fr.
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 17
18
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10
REPORTAGE
Mr. Gübelin
Über 50 Jahre hat Walter Marek für das Luzerner Traditionshaus
Gübelin gearbeitet. Er bediente die Queen von England und
den Schah von Persien. Und wurde schon zweimal pensioniert
«Eine Gruppe
Chinesen kauft
schon mal
für eine
halbe Million»
Linke Seite:
Charme, Sachverstand
und Humor:
Walter Marek, im
Gübelin-Geschäft
Zürich.
gehörte dort zur Stammkundschaft, der
man Champagner oder einen Tee anzubieten pflegte, damals, als der internationale Jetset St. Moritz für sich zu entdecken begann, als sie alle da waren, Felipe, der Thronfolger von Spanien, Gianni
Agnelli, der verstorbene Fiat-Patron, und
natürlich Tina und Aristoteles Onassis
oder Gunther Sachs, der mit Brigitte
Bardot im «Badrutt’s Palace» abstieg.
Gübelin war zu jener Zeit nur in der Wintersaison vor Ort: «Wir sind jeweils mit
einem Reisebus unter Polizeischutz nach
St. Moritz gefahren. Es war eine Tagesreise. 6 Plätze besetzte das Personal, die
restlichen 34 Plätze waren für die Ware
gedacht. Wir haben sogar unsere Schreibmaschinen hochgeschleppt. Aber auch
Pendulen und Figuren aus Stein. Dinge,
die heute kaum mehr jemand kaufen
würde», erzählt Walter Marek.
Im Jahr 2004 wurde Walter Marek pensioniert. So war es zumindest gedacht.
Drei Jahre später kam ein Telefonanruf
von Gübelin: Ob er sich vorstellen könne,
das Geschäft in Luzern interimsmässig
zu übernehmen? Er werde dringend gebraucht. Schliesslich kannte keiner die
Firma – und die Branche – so gut wie er.
Vor allem aber: Niemand hatte einen so
breiten Erfahrungshorizont wie der gelernte Uhrmacher aus Österreich. Wenn
Marek gebraucht wird, ist er da. Das hat
nicht nur mit Pflichtbewusstsein zu tun,
sondern mit Loyalität. Wer über 50 Jahre
für ein und dasselbe Familienunternehmen im Dienste steht, fühlt sich als
Teil davon: «Die Familie Gübelin ist über
die Jahre wie eine Familie für mich geworden.» Und so tauchte er als 68-Jähriger wieder voll ins Arbeitsleben ein.
Seit einem halben Jahr ist er nun zum
zweiten Mal pensioniert. Beinahe: Er hat
nach wie vor einen Sitz im Verwaltungsrat der Gübelin-Familien-AG inne. Auch
betreut er «by appointment» noch immer
seine langjährigen Stammkunden. Es
sind gut ein Dutzend. Dazu gehören
Familien, die er zum Teil schon in der
zweiten Generation kennt. Die meisten
sind über die Jahre zu guten Freunden geworden, bei denen er regelmässig eingeladen ist. Namen fallen natürlich keine –
Diskretion ist in dieser Branche oberstes
Gebot. «Über Kunden darf man erst nach
etwa 25 Jahren reden, wenn eine neue
Generation herangewachsen ist.» Und so
erzählt er, wie früher die Mitglieder der
europäischen Königshäuser den Weg zu
Gübelin fanden. Dann kamen die Adligen immer seltener. «Vielleicht, weil sie
schon alles haben?» An ihre Stelle traten
Businessleute und natürlich die Touristen(-Gruppen). Zuerst die Amerikaner, dann die Japaner, Koreaner und
Thailänder. Heute sind es vor allem
Gruppen aus China, die das Uhrengeschäft auf Trab halten: «Eine chinesische
Gruppe kauft schon mal für eine halbe
Million ein – Uhren, selten Schmuck. Es
sind keine Spontankäufe, denn in der
Regel bereiten sich die Chinesen gut auf
den Einkauf vor und wissen oft schon im
Voraus genau, welche Uhr sie kaufen
wollen.»
BARGELD IM PLASTICSACK
In den achtziger Jahren waren es die Russen, die einerseits viel Geld für Luxusartikel ausgaben, anderseits den Stoff für
zahlreiche kuriose Geschichten lieferten:
Marek könnte abendfüllend davon erzählen: «Einmal kam ein Popstar aus Russland
ins Geschäft. Er war fast zwei Meter gross,
breit wie ein Bär und hatte eine lange,
wilde Mähne. Er wollte sich ein grosses
Kreuz mit einer Kette aus Edelsteinen
kaufen, das er bei einem früheren Besuch
in Zürich in unserer Auslage gesehen
hatte. Er kam mit einem Reklame-Plasticsack in der Hand herein, auf dem stand:
‹I walk a mile for a Camel›. Darin befanden sich 100-Dollar-Scheine im Wert von
etwa 200 000 Dollar», erzählt Walter
Marek. «Wir sind natürlich zur Bank gegangen, um das Geld zu überprüfen. Alles
war okay, und wir haben den Betrag von
150 000 Dollar von Hand abgezählt, weil
man damals noch keine Zählmaschine
hatte. Dann brachte ich dem Kunden das
Stück ins Hotel. Später merkten wir, dass
wir uns um 100 Dollar verzählt hatten. Als
ich ihm den Geldschein ins Hotel brachte, schaute er mich an, als wäre ich verrückt geworden!»
STOFF FÜR ALBTRÄUME
Nicht alle Erlebnisse waren amüsant, und
nicht alle Kunden immer angenehm. «Es
ist auch schon, wenn auch selten, vorgekommen, dass ich Kunden, die sich danebenbenahmen und zum Beispiel das
weibliche Verkaufspersonal belästigten,
des Ladens verweisen musste.» Oder jener
Diebstahl im grossen Stil, vor zehn Jahren:
«Ein Mann kam ins Geschäft und liess sich
ein Collier im Wert von einer halben Million zeigen. Plötzlich sprang er auf, schlug
mir beim Wegrennen mit dem Schmuckstück ins Gesicht und stürmte aus dem
Laden. Draussen wartete schon ein Auto
auf ihn. Das Collier kam nie wieder zum
Vorschein.» Heute noch verfolgt ihn
dieses Erlebnis. «Es spielt sich immer wieder in meinem Kopf ab, wie ein Film. Auch
träume ich manchmal davon.» Erlebnisse
wie dieses würde Marek gerne ungeschehen machen. Sonst ist er zufrieden mit
seinem Leben, mit seiner Arbeit. «Ich
würde sogar alles wieder genau gleich machen.» Die Arbeit sei für ihn nie eine
Pflicht gewesen, sondern immer ein Vergnügen. Wohl eine der besten Voraussetzungen für ein erfülltes (Arbeits-)Leben.
Christina Hubbeling
● Der gebürtige Österreicher und diplomierte Gemmologe und Uhrmachermeister Walter Marek, 70, kam 1959 in die
Schweiz. Er war 50 Jahre für Gübelin tätig,
zunächst in Luzern und St. Moritz, dann
in Genf, New York und Zürich. Nach seiner Pensionierung im Jahr 2004 wurde er
Mitglied des Verwaltungsrates von Gübelin. 2008 ist er wieder interimsmässig
ins operative Geschäft eingestiegen. (chu.)
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 19
FOTOS: MARION NITSCH
Heute würde man ihn wohl als Sesselkleber bezeichnen, als einen, der zu wenig
Flexibilität beweist, zu lange auf seinem
Posten verharrt und den Jungen keinen
Platz machen will: Walter Marek, 70 Jahre
alt, hat ein halbes Jahrhundert lang für das
Luzerner Uhren- und Schmuckhaus Gübelin gearbeitet. In den sechziger Jahren
verkaufte er den Königinnen von England
und Dänemark eine Uhr. In den siebziger
Jahren begrüsste er den Schah von Persien
und seine Frau Farah Diba im GübelinGeschäft in St. Moritz. Auch Vico Torriani
PORTR ÄT
«Ich habe
keine
Geduld»
Schauspieler Jean Reno ist der Star eines neuen Kurzfilms
von IWC. Im Interview spricht er über Nationalismus,
seine späte Vaterschaft und die Orientierungslosigkeit nach
seinem ersten grossen Erfolg im Filmgeschäft
Hat Ihr Vater Sie jemals Jean gerufen?
Nein, er nannte mich immer Juan. Wir sprachen zu Hause anfangs auch nur Spanisch, erst später Französisch.
FOTO: JEAN-FRANÇOIS ROBERT / CORBIS OUTLINE
Wann begannen die anderen, Sie mit Jean anzusprechen?
Vermutlich, als ich in die Schule kam. Ich wurde in Casablanca
geboren, man sprach dort Französisch. Ausserhalb unseres
Hauses war es selbstverständlich, dass man mich mit Jean ansprach.
Ab wann fühlten Sie sich mehr als Franzose denn als Spanier?
Als ich in die Armee eintrat. Aber das fühlte sich nicht an, als
verlöre ich etwas oder müsste mich für etwas entscheiden. Ich
glaube nicht, dass man dadurch etwas verliert. Menschen sind
wie ein Kuchen, ein Millefeuille. Im Laufe des Lebens sammeln
sich verschiedene Schichten an. Meine Frau ist Engländerin, sie
20 «z – die schönen seiten»
ausgabe 2/10
wurde in London geboren, aber ihre Mutter ist Französin, und
sie hat in Amerika gelebt. Es geht nicht darum, etwas zu verlieren, sondern darum, etwas dazuzugewinnen. Ich habe etwas
gegen diesen Nationalismus. Ich mag es nicht, zu sagen: «Ich bin
Franzose, ein französischer Schauspieler . . .» – fuck you. Man ist
eine Menge Dinge. Man kann doch auch gleichzeitig Walzer,
Jazz und Rock’n’Roll mögen. Warum sollte man dann wählen
müssen, ob man Portugiese oder Italiener ist?
Aber sobald Sie ausserhalb Frankreichs arbeiten, werden Sie als französischer Schauspieler wahrgenommen.
Nicht immer. Ich bin immerhin Teil der amerikanischen Filmakademie. Ich gehe an die Oscar-Verleihungen, jeder kennt mich
dort, ich reise seit über zwanzig Jahren um die Welt. Natürlich
nehmen mich viele als Franzosen wahr. Aber in meinem letzten
Film habe ich zum Beispiel einen Amerikaner gespielt. Und
manchmal bitten sie mich auch, ein Italiener zu sein. Oder zumindest die Vorstellung, die sie von einem Italiener haben, der in
Amerika lebt – was eine ganz andere Geschichte ist. Wenn man
genauer hinsieht, dann wollen zumindest die guten Leute nicht
den Franzosen Jean Reno engagieren, sondern mein Talent,
meine Art, etwas darzustellen.
▼
Erinnern Sie sich an Ihre erste Uhr?
Mein Vater gab mir eine Taschenuhr, ein ganz einfaches Modell.
Und ich habe sie immer noch. Aber es war kein grosser Akt, als
er sie mir schenkte. Mein Vater wurde in Andalusien geboren.
Wenn er etwas Wichtiges tat, machte er es immer auf die einfache Art, er machte kein grosses Tamtam darum.
Andalusien
im Herzen
Jean Reno wurde als
Juan Moreno
y Jederique Jiménez
in Casablanca geboren.
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 21
PORTR ÄT
Sie fühlen sich also nicht eingeschränkt, wenn Sie in Amerika arbeiten?
Nein. Ich will nicht angeberisch wirken, aber die Einschränkung
verschwindet zusammen mit der Angst. Und je älter man wird,
desto weniger schämt man sich dafür, gegenüber anderen seine
Schwächen zu zeigen. Als ich jünger war, hatte ich grosse
Probleme, mit anderen zu kommunizieren, heute habe ich das
nicht mehr.
Bei Uhren dreht sich vieles um Handwerk. Sie sind selbst ein Handwerker, produzieren Ihr eigenes Olivenöl.
Ja, aber das ist lange nicht so komplex wie die Herstellung einer
Uhr. Man nimmt eine Olive, presst sie – und schon hat man Olivenöl. Ich bewundere dagegen die Arbeit, die hinter einer Uhr steckt.
Ich habe keine Geduld, ich könnte nicht stundenlang an einem
Tisch sitzen und an etwas herumbasteln mit kleinen Teilchen.
«Leider sind
meine Kinder
überhaupt nicht
an Uhren
interessiert»
Im IWC-Film, für den Sie vor der Kamera standen, dreht sich alles
um die Navigation, die Orientierung. Wann verlieren Sie die Orientierung?
Ich glaube, was meine Arbeit angeht, habe ich die Orientierung
nach «Le Grand Bleu» verloren. Weil ich jung war, auf einmal viel
Erfolg hatte. Auf einmal reiste ich um die Welt, nach Australien,
China. Es ging nicht ums Geld – ich hatte keines – aber ich verlor
meinen Geschmack, meine Lust. Ich hatte an nichts mehr
Geschmack für . . . etwa anderthalb Jahre. Danach kamen die
Dinge irgendwie wieder in Ordnung.
Was brachte Sie wieder auf die Bahn?
Meine Arbeit. Warum, das weiss ich eigentlich nicht. Mann muss
arbeiten, um zurückzukommen. Manche kommen nie zurück,
sie verlieren sich, in Sex, im Alkohol. Vielleicht war es auch eine
Kombination aus verschiedenen Dingen. Die Arbeit, wieder
Theaterspielen, Freunde, meine Kinder, meine Familie . . .
Sie hatten ja so einige Familien.
Ja, eine grosse Familie.
Was brachte Sie dazu, in Ihrem Alter noch einmal Vater zu werden?
Ich bin ja mit einer Frau zusammen, ein Paar ist man nie alleine.
Diese Entscheidung kam nicht nur von mir.
Sie haben im Rahmen der Dreharbeiten eine IWC bekommen – werden
Sie die an einen Ihrer Söhne weitergeben?
Leider sind meine Kinder überhaupt nicht an Uhren interessiert.
Sie lesen die Zeit von ihren Mobiltelefonen ab. Wenn ich sie
frage, warum sie ohne Uhr aus dem Haus gehen, schauen sie
mich verständnislos an. Aber ich bin sicher, dass, wenn ich einmal nicht mehr da bin, sie sich für meine Dinge, auch für meine
Uhren, interessieren werden.
Interview: Katharina Blansjaar
22 «z – die schönen seiten»
ausgabe 2/10
Jean Reno (*1948) wurde als Juan Moreno y Jederique Jiménez in Casablanca geboren. Seine Eltern waren Andalusier,
die vor dem spanischen Franco-Regime in die damals französische Kolonie Marokko geflohen waren. Reno absolvierte
eine Schauspielschule, bevor er mit 19 Jahren in die französische Armee eintrat. Nach seiner Militärzeit tourte er
während einiger Jahre mit Didier Flamands Theatergruppe
durch Europa. Der Durchbruch im Filmgeschäft gelang ihm
erst mit vierzig Jahren in Luc Bessons «Le Grand Bleu»
(1988). International bekannt wurde er durch seine Rolle als
«Léon» (1994). Reno spielte seither in Hollywood-Blockbustern wie «Mission Impossible», «The Pink Panther» oder
«The Da Vinci Code», arbeitet aber nach wie vor auch in
Frankreich. Mit seiner dritten Ehefrau Zofia Borucka hat er
einen acht Monate alten Sohn. Vier weitere Kinder stammen aus seinen früheren Ehen.
Kürzlich stand Jean Reno für einen Kurzfilm im Auftrag
von IWC vor der Kamera. «The Spirit of Navigation» entstand im Rahmen der Lancierung der aufgefrischten «Portugieser»-Linie des Schaffhauser Uhrenherstellers. Unter
Zuhilfenahme von Computeranimationen und mit Jean
Reno als Moderator zeigt der knapp zwölfminütige Film,
wie sich Seefahrer im Laufe der Geschichte auf den Weltmeeren orientierten. Regie führte Jean Renos langjähriger
Freund Didier Flamand.
● Link zum Film «The Spirit of Navigation»:
www.iwc.com/novelties2010/index-de.html#/movie
Katharina Blansjaar
Ein Mann mit
vielen Facetten:
Diese Seite:
Bilder aus dem
Kurzfilm «The Spirit
of Navigation», in dem
Jean Reno für IWC
vor der Kamera stand.
Rechte Seite:
1 Die Rolle
als Apnoe-Taucher
Enzo Molinari
in Luc Bessons
«Le Grand Bleu»
brachte Jean Reno
den Durchbruch
als Filmschauspieler.
2 In «Mission
Impossible» spielte er
an der Seite von
Tom Cruise; 3 in
«The Da Vinci Code»
gab er den französischen Polizisten
Bezu Fache. 4 In
«The Pink Panther»
(im Bild mit Steve
Martin und Beyoncé
Knowles) stellte Reno
sein komödiantisches
Talent unter Beweis.
5 Unvergessen ist seine
Rolle als Léon im
gleichnamigen Film
von Luc Besson.
Als Auftragsmörder,
der sich mit dem
Mädchen Matilda
anfreundet, empfahl
Reno sich auch für
grosse HollywoodProduktionen.
2
3
4
5
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 23
FOTOS: CINETEXT, PD
1
FOTOS: PD
4 . . 3. . 2
HINTERGRUND
. . 1 . . Go
Sportliche Uhren werden fast nur noch an ihrem
Äusseren gemessen. Was sie zu leisten vermögen,
spielt kaum noch eine Rolle. Ein Abgesang
auf die Zeit, als Uhren noch Rekorde brachen
Jede Uhr
übersteht heute
einen Marathon
Fast jede Uhrenmarke hat heutzutage Sportler als sogenannte
Markenbotschafter unter Vertrag. – Ob die beworbene Uhr
allerdings tatsächlich zum Sport taugt, ist nur noch Nebensache.
Während die Modelle immer grösser und bulliger werden, die
Materialien immer leichter und funktionaler, ist die Funktion
der Uhr selbst weit in den Hintergrund gerückt. Statt «Sportuhr»
sagen die Verkäufer lieber «sportliche Luxusuhr», statt mit der
Beständigkeit und Performance eines Modells werben die Hersteller lieber mit der Optik. Was die Uhr leistet, ist unwichtig, es
zählt nur die Leistung desjenigen, der sie repräsentiert. Philippe
Léopold-Metzger, CEO von Piaget, gibt offen zu, dass er nicht
weiss, ob sein Markenbotschafter überhaupt je mit der «FortyFive» aufs Polofeld geht (siehe Interview auf Seite 27). Es gehe
auch nicht wirklich um die Performance der Uhr, sondern vielmehr darum, einen neuen Markt – jenen der jüngeren männlichen Kundschaft – auf die Marke aufmerksam zu machen.
Dabei können Uhren wirklich etwas. Lange vor Titanium und
Kautschuk, lange vor Gehäuseverzierungen, die an die Lüftungsschlitze von Rennwagen erinnern (aber zu nichts dienen), in
einer Zeit, als Uhren noch aus Stahl waren und an Stoff- oder
Lederarmbändern getragen wurden, wurde der Zeitmesser nicht
nur an der Leistung seines Trägers gemessen, sondern an dem,
was er selbst zu leisten imstande war.
Ein kalter Oktobertag im Jahr 1927 war wohl die Geburtsstunde der Sportuhr. Mercedes Gleitze durchquert als erste Frau
den Ärmelkanal. An einem Band um den Hals trägt sie eine
Rolex-Uhr, das Modell «Oyster». Es ist das erste komplett wasserdichte Uhrengehäuse, die erste Uhr, die damit auch tatsächlich für sportliche Aktivitäten geeignet ist. Am nächsten Tag
schaltet Rolex-Gründer Wilsdorf eine Anzeige auf der Frontseite
des «Daily Mail»: «The wonder watch that defies the elements» –
die Wunderuhr, die den Elementen trotzt. Beständig gegen
Feuchtigkeit, Wasser, Hitze, Vibration, Kälte, Staub. Die Armbanduhr ist von da an nicht mehr nur ein schmückender Zeitmesser, sie ist zum Gebrauchsgegenstand geworden, der auch
unter schwierigen Bedingungen seine Leistung erbringt.
Was eine Uhr alles zu leisten imstande ist, das sollten die
folgenden Jahrzehnte beweisen. Die grossen Hersteller – allen
voran Rolex – liessen keine Gelegenheit aus, ihre Zeitmesser
extremsten Bedingungen auszusetzen. Die komplette Mannschaft der Expedition, die 1953 den Mount Everest eroberte, war
mit Rolex-Uhren ausgerüstet. Ironischerweise ist allerdings bis
heute ungeklärt, ob der Erstbesteiger Sir Edmund Hillary seine
tatsächlich am Arm trug, als er auf dem Gipfel stand. Denn
neben der Rolex hatte er eine zweite – britische – Uhr dabei.
Beiden Herstellern beschied er nach der geglückten Expedition
in Briefen, dass ihre Zeitmesser auch auf dem Mount Everest
▼
P
alermo, Buenos Aires, im November. Vor grandioser Kulisse jagen Männer auf Ponys einem kleinen
weissen Ball hinterher. Am Spielfeldrand, umringt
von hübschen Frauen in Poloshirts, der Star der
Stunde, Marcos Heguy. Der athletische Mittvierziger, Polospieler mit dem maximalen Handicap
10, reckt die Brust nach vorn, schiebt sein Kinn ins rechte Licht,
posiert für die Fotografen. Und vergisst dabei nie, sein Handgelenk gekonnt in Szene zu setzen. Denn um das Handgelenk –
oder genauer um die Uhr daran – geht es hier. «Polo FortyFive»
heisst das gute Stück, der Hersteller Piaget. Bullig ist die Uhr,
aus Kautschuk und Titan, eine Sportuhr, ganz eindeutig. 30 Jahre
sind es her, dass Piaget die erste Version der «Polo» lancierte, und
zum Jubiläum gibt es sie nun in einer sportlichen Version, passend zum Poloteam Pilará-Piaget, das seit gut einem Jahr vom
Genfer Uhren- und Schmuckhersteller gesponsert wird.
Doch im weiteren Verlauf des Spiels sucht man vergeblich
nach der Uhr an Marcos Heguys Handgelenk. Auch andere
Spieler auf dem Platz scheinen wenig davon zu halten, sich zum
Polo einen Zeitmesser umzuschnallen. Ein wenig erinnert die
Szenerie an Roger Federer, der immer erst zur Siegerehrung
seine Rolex anlegt und dann mit Zeitmesser und Pokal werbewirksam für die Fotografen posiert. Oder an all die Fussballer,
die in Anzeigen mit massigen Uhren auftreten, obwohl auf dem
Feld jede Art von Schmuck streng verboten ist.
Uhren im All
Diese Seite:
Die Omega-Uhren
werden für
Astronauten mit einem
extralangen Band
ausgestattet, damit
sie sich über
dem Raumanzug
befestigen lassen.
Linke Seite:
Astronaut mit Uhr
auf einem
Weltraumspaziergang.
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 25
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Fortsetzung von S. 25
▼
HINTERGRUND
tadellos ihren Dienst verrichtet hätten.
Doch egal, ob am Arm oder im Rucksack, die Uhr war da (und
zumindest von Tenzing Norgay existieren Fotos, auf denen er eine
Rolex trägt), und der Hersteller hatte wieder eine Gelegenheit, zu
verkünden, dass seine Uhr wirklich jede Beanspruchung aushalte.
Sieben Jahre später tauchte Jaques Piccard mit der «Trieste» in
den Marianengraben (sein Tauchrekord ist bis heute ungeschlagen). Aussen an der Tauchkapsel war eine Rolex angebracht,
die – wie könnte es anders sein – auch in fast 11 000 Metern Tiefe
tadellos funktionierte. 1969 glänzte dann Omega mit einer neuen
Rekordmarke. Ihre «Speedmaster Professional» war – am Handgelenk von Buzz Aldrin – die erste Uhr auf dem Mond und ist bis
heute die erste Wahl der Astronauten bei Missionen im All.
UHREN WAREN WEIT OBEN UND WEIT UNTEN
Natürlich waren auch diese Träger berühmt, natürlich verkaufte
man auch hier Uhren mit klingenden Namen. Genau wie bei den
Uhren all der Flieger und Rennfahrer, die in jenen Jahren neue
Rekorde aufstellten, zählte auch bei den oben erwähnten der
Name jener, die den Zeitmesser getragen hatten, als Verkaufsargument. Aber eben nicht nur. Während damals die Faszination
genau darin lag, dass ein kleines, schlichtes Wunderwerk aus
Stahl allen Belastungen standhielt, werden heute die Gehäuse
immer grösser und dicker, wird die Uhr immer protziger und
futuristischer – während sich an dem, was sie zu leisten vermag,
kaum etwas geändert hat. Natürlich kann man mit einer dieser
bulligen neuen Sportuhren locker den Mount Everest besteigen
– aber warum so einen Klotz am Handgelenk tragen, wenn eine
simple, dünne und unprätentiöse Rolex-«Explorer» die gleiche
Leistung erbringt? Die Entwicklung der Uhr als robuster Zeitmesser, der auch den abenteuerlichsten Ansprüchen gerecht
wird, ist längst an ihrem Ende angelangt. Uhren waren weit oben
und weit unten, und jedes solide Gehäuse übersteht heute locker
einen Marathon oder das 24-Stunden-Rennen von Le Mans.
Kein Wunder also, dass die Hersteller den Fokus nach aussen
verschieben. Wo Funktion und Leistung kein Verkaufsargument
mehr sind, muss eine Uhr zumindest in Grösse und Form den
Anschein machen, als sei ihr Träger ein Abenteurer. Und es
scheint so, als gehe diese Rechnung auf, denn die sportliche
Herrenuhr, so Philippe Léopold-Metzger, hat die Krise so gut
gemeistert wie kaum ein anderes Marktsegment.
Bleibt noch eines zu klären: Kann man mit einer Piaget-«Polo
FortyFive» auch tatsächlich Polo spielen? Man kann. Ob es
bequem ist, ist eine andere Frage. Katharina Blansjaar
Abenteurer
Oben:
Die gesamte EverestMission um
Sir Edmund Hillary,
die 1953 erstmals
den höchsten Gipfel
der Erde erreichte,
wurde mit RolexUhren ausgestattet.
Unten:
Philippe LéopoldMetzger, CEO von
Piaget, und die 2009
zum 30. Geburtstag
des Polo-Modells
neu eingeführte
Polo FortyFive.
«Elegant wie das Polo»
Piaget-CEO Philippe Léopold-Metzger will mit
der «Polo FortyFive» neue Märkte erobern
Z: Will Piaget mit der sportlichen «Polo FortyFive» jüngere Käufer
anlocken?
Philippe Léopold-Metzger: Ja, und das ist ein sehr attraktiver
Markt. Wobei zu sagen ist, dass wir uns im Preis nicht an ein
jüngeres Publikum angepasst haben. Wir sind nach wie vor eine
Marke, die Produkte im gehobenen Preissegment anbietet. Die
Automatik-Version startet bei einem Preis von 13 000 Franken.
Aber die Kundschaft für «haute horlogerie» ist in den letzten
Jahren tatsächlich immer jünger geworden. Ich bin seit 30 Jahren
in dieser Sparte tätig, und hätten Sie mich vor 30 Jahren gefragt,
welches die Hauptkundschaft sei, hätte ich gesagt, Männer und
Frauen zwischen 45 und 65 Jahren. Heute dagegen glaube ich,
dass vielerorts das Alter der Hauptkundschaft bei 35 bis 50 Jahren liegt. Um dieser Kundschaft gerecht zu werden, braucht es
ein sportives Angebot, das gleichzeitig auch elegant ist.
FOTOS: PD
Sehen Sie in diesem Markt auch weiterhin Wachstumspotenzial?
Ja. Wenn ich in der Krisenzeit herumgefragt habe, welche
Märkte am besten bestehen, dann war das vor allem derjenige
der Männeruhr. Und unter den Luxus-Männeruhren sind es die
sportlichen Modelle.
Passt die sportliche «Polo FortyFive» denn überhaupt zu Piaget?
Der Name «Polo» existierte ja schon vorher, die Uhr war 1979 so
getauft worden, weil sie etwas sportlicher, etwas mehr «casual»
war als der Rest des Sortiments. Und diesen Gedanken verfolgen
wir mit der «FortyFive» weiter. Es ist die einzige Uhr in unserem
Sortiment, die nicht aus Gold ist. Sie ist aber nicht in erster Linie
sportiv, sondern elegant – genau wie das Polo. Piaget besetzt mit
seinen Uhren eine relativ kleine Nische, und es war uns deshalb
wichtig, einen Nischensport zu finden. Wir sehen uns nicht im
Rennsport oder im Fussball.
Weil dort zu viel Konkurrenz herrscht?
Ja, weil sich dort schon zu viele andere Marken tummeln.
Kann man mit der «FortyFive» denn auch tatsächlich Polo spielen?
Ich weiss nicht, ob Marcos Heguy, unser Markenbotschafter,
tatsächlich mit der Uhr spielt. Aber es gibt Spieler in unserem
Team, die während des Matchs die Uhr tragen. Wir haben die
Uhr aber nicht aus dem Blickwinkel der Performance entwickelt.
Polo ist ja auch kein Bereich der extremen Performance.
Interview: Katharina Blansjaar
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 27
UHREN NEWS
Das Zeitalter der Bes
Zur «Baselworld» 2010 berufen sich viele Marken auf ihre Geschicht
teilweise in aktualisierter Form neu aufgelegt werden. Eine Auswahl n
Extrem
Girlie
Funkelnd
Das Potenzial des Erfolgsmodells
«Big Bang» ist offenbar noch nicht
ganz ausgereizt: Für den Basler Salon
lanciert Hublot-Chef Jean-Claude
Biver nun also die «Tutti Frutti Rosé»
mit Perlmuttkleid, Alligatorarmband
und rosa Saphiren. 19 900 Franken.
● www.hublot.com
Es gibt nichts, was die Kristallschleifer
von Swarovski in Wattens/Tirol nicht
bauen könnten – neuerdings auch ein
ganzes Uhrengehäuse aus Glaskristall
mit 32 Facetten, welches die Basis der
«Rock'n'Light Avant Time No. 2» ist.
Limitiert auf 2222 Stück, 1200 Fr.
● www.swarovski.com
Hypnotisch
Legendär
Die Horlogerie des Couture-Hauses
Dior lanciert die kompaktere «Christal
mystérieuse» (38 mm) mit demselben
elektromechanischen Werk, das vor
Jahresfrist in Basel präsentiert wurde.
Zwei sich im Sekundentakt
und gegenläufig drehende Scheiben
zaubern laufend neue Muster. 18 900 Fr.
● www.christiandior.fr
Das Zürcher Uhren- und Juwelenhaus
Türler am Paradeplatz legt die dekorativen Armbanduhren des Gestalters
und Architekten Alessandro Mendini
neu auf. Mendini war Mitbegründer
der Mailänder Design-Bewegung
«Alchimia» und eine prägende Figur
der achtziger Jahre. Ab 29 500 Fr..
● www.tuerler.ch
Klassisch
28
Reduziert
Extragross
Auch die zur Swatch Group gehörende
Glashütte Original aus Sachsen erinnert sich ihrer eigenen Geschichte und
präsentiert in Basel die an die sechziger
Jahre erinnernde «Sixties Panorama
Date». Im Innern der Uhr arbeitet
das Automatikkaliber 39-47. 10 350 Fr.
● www.glashuette-original.com
Die «L. U. C Louis-Ulysse» (49,6 mm)
von Chopard ist eine Taschenuhr, die
auch am Handgelenk getragen werden
kann, und erinnert an den Firmengründer Louis-Ulysse Chopard (siehe
auch Bericht ganz rechts). Die Krone
des mit einer Frequenz von 21 600
Halbschwingungen/h arbeitenden
Manufakturkalibers mit 80 Stunden
Gangreserve und Genfer Siegel sitzt
typengerecht bei 12 Uhr. Ca. 49 500 Fr.
● www.chopard.com
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10
Mondsüchtig
Treffsicher
Mit der Eighties-Welle kommen
auch die Mondphasen-Uhren wieder
– natürlich von Blancpain, die mit der
neuen «Villeret»-Kollektion den 275.
Geburtstag der Marke feiern. Die Uhr
(40 mm) verfügt ausserdem über einen
vollständigen Kalender. 29 500 Franken.
● www.blancpain.com
Die Idee war vor Jahresfrist offenbar
ein Erfolg, also haben Jaermann &
Stübi gleich noch einmal ein Set von
Golfschlägern des spanischen ÜberGolfers Seve Ballesteros schmelzen
und zu Gehäusen für den Course-Timer
«Seve II» giessen lassen. 19 500 Fr.
● www.jaermann-stuebi.com
esinnung
hte und bewährte Klassiker, die
l neuer Modelle dieses Jahrgangs
Die Saga zweier
Pionierfamilien
Die Genfer Marke Chopard,
heute in deutscher Hand, feiert
ihr 150-jähriges Bestehen
Die Geschichte der Genfer Uhren- und
Schmuckmanufaktur Chopard, die dieses Jahr ihren 150. Geburtstag feiert, geht
auf Louis Ulysse Chopard zurück, der
1860 im Alter von 24 Jahren eine Werkstatt für Taschenuhren und Chronometer
im Val de Travers eröffnete. 44 Jahre
später gründete 330 Kilometer weiter
nördlich der Pforzheimer Karl Gotthilf
Scheufele seine Schmuckuhrenmarke
«Eszeha» (wie «Sch» von Scheufele). 1963,
Gertenschlank
Auch die «Golden Bridge» von Corum
ist ein Kind der achtziger Jahre: 1980
schuf der Markengründer René Bannwart das Modell mit dem «Miniaturstabwerk», von dem es nun erstmals
eine schlanke Damenvariante gibt,
die «Miss Golden Bridge». 25 400 Fr.
● www.corum.ch
einige Generationen später, kreuzten
sich in Genf die Wege der Nachfahren
der Pioniere. Chopard ging es miserabel,
die Firma hatte nur noch 4 Angestellte,
also verkaufte Paul-André Chopard
willfährig an Karl Scheufele III. Der Rest
ist (Erfolgs-)Geschichte: Heute gehört
Chopard, unter der Führung der vierten
Generation, zu den führenden Uhrenund Schmuckmarken der Welt und
beschäftigt rund 1700 Angestellte. (jvr.)
Exzentrisch
Die Tüftler von Renaud et Papi (siehe
auch Seite 49) haben der Keramikuhr
«J12» von Chanel zu ihrem zehnten
Geburtstag ein Werk verpasst, dessen
Krone sich vorne auf der Lünette
befindet. Die Zeitanzeige geschieht
deswegen ab der 10-Minuten-Marke
retrograd. Limitierte Sonderauflage.
● www.chanel.com
Sportlich
Federleicht
Und wieder erinnert sich eine Firma
der Eighties-Legenden! Eterna, Herstellerin der Porsche Design Timepieces,
lanciert den Titan-Chronographen
«P’6530» neu. Angetrieben wird er
vom bewährten Eta Valjoux 7750.
Limitiert auf 911 Exemplare. 4 990 Fr.
● www.porsche-design.com/timepieces
Gründer Louis-Ulysse Chopard (rechts) mit seiner Familie.
FOTOS: PD
Markig
Raymond Weil erweitert seine Nabucco-Familie um das sandgestrahlte
Titan-Modell «Va, Pensiero» (46 mm).
Das 7753-Tricompax-Werk von ETA
mit automatischem Aufzug und 28 800
Halbschwingungen/h sorgt für GangGenauigkeit. 5200 Franken. (jvr.)
● www.raymondweil.com
Co-Präsidentin Caroline Gruosi-Scheufele.
Handwerkskunst bei Chopard.
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Die Kunst, neue Wege zu
gehen und dennoch seiner
Linie treu zu bleiben.
Der neue Audi A8. Die Kunst, voraus zu sein.
Als erste Limousine weltweit wirft der neue Audi A8 ein einzigartiges Licht auf unsere Strassen: Auf Wunsch
setzen Voll-LED-Scheinwerfer einen neuen Massstab für innovative, effziente Lichttechnologie – und prägen
dazu das kraftvoll-markante Gesicht des neuen Audi A8. Die präzise Linienführung der Aluminiumkarosserie
unterstreicht dabei, wie dynamisch und leicht sich eine Limousine dieser Klasse anfühlen kann. Ein Design, das
auf unverwechselbare Art Überlegenheit ausstrahlt. Wir nennen das «die Kunst, voraus zu sein».
Audi A8 4.2 TDI, 258 kW (350 PS), 4134 cm3. Normverbrauch gesamt 7,6 l/100 km. CO2-Emissionen: 199 g/km (204 g/km:
Durchschnitt aller Neuwagenmodelle). Energieeffizienzkategorie C.
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Erotik der Räder
Von oben nach unten:
Die «El Toro» zeigt
den ewigen Kalender
von Ulysse Nardin
in neuer Gestalt.
Lünette und Drücker
sind aus Keramik
gefertigt.
Die aufgeschnittenen
Zeiger erleichtern
die Ablesbarkeit.
49 800 Franken.
Der Käfig der
«Skeletonized Central
Tourbillon Co-Axial
Platinum» von Omega
dreht sich einmal pro
Minute um seine Achse.
Die Spiralfeder
kommt von Breguet.
540 Stunden Arbeit
stecken in jeder der auf
18 Stück limitierten
Uhren. Preis auf
Anfrage.
Die «HLQ03»
von Hautlence verfügt
über ein komplett
neues Werkskaliber
mit springendem
Datum und Stunden,
eine retrograde
Minutenanzeige und
eine Gangreserve von
40 Stunden. 60 000 Fr.
Die ovale «Millenary
Carbon One»-Chrono
von Audemars Piguet
hat eine Grundplatine
aus Karbon und
Brücken aus
geschwärztem
Edelstahl. Lünette,
Krone und Drücker
sind aus schwarzer
Keramik. Der
Technologieträger ist
limitiert auf 120 Stück.
304 200 Franken.
Die «Tradition
Tourbillon Fusée»
von Breguet arbeitet
unter ihrem von Hand
guillochierten
Zifferblatt mit
einer neuartigen
Spiralfeder
aus Silizium.
Eine Kraftübertragung
mit Kette und Schnecke
sichert das konstante
Drehmoment des
Tourbillons.
184 600 Franken.
Zur Produktion:
Fotos: Marcus Gaab
Styling:
Christiane Bördner
Studio:
Blow-up, Zürich
UHREN
Den
Dreh
raus
Die Schweizer Horlogers besinnen sich nach der Krise auf
ihre Stärken: innovative Werkstoffe und eine Wiederentdeckung
der Uhrmacherkunst. Wir zeigen unsere Favoriten
Schwarze Magie
Von links nach rechts:
Die neue «Calibre»
von Cartier in Stahl
mit schwarzem
Zifferblatt und
Alligator-Lederband.
6900 Franken.
Die kissenförmige
«Patravi EvoTec
PowerReserve»
von Carl F. Bucherer
fällt mit einer
kautschukbeschichteten
Lünette auf und hat
neu auch eine Anzeige
für die Gangreserve,
die 55 Stunden beträgt.
16 500 Franken.
Die «Madison Eight
Days 7720» knüpft
an die besten Zeiten der
Eterna an und verfügt
über eine phänomenale
Gangreserve von acht
Tagen. 11 950 Franken.
Mit der «r5.5
Automatic» hat
Industrie-Designer
Jasper Morrison
den Keramikuhren von
Rado ein zeitgemässes
Gesicht verpasst.
Ab 2500 Franken.
Die «Master Memovox
International»
von Jaeger-Le Coultre
zitiert die späten
fünfziger Jahre.
Die Uhr verfügt über
eine Weckerfunktion
mit 24 Zeitzonen.
11 200 Franken.
Der dunkelbraune
Chronograph
«Silverstone» von TAG
Heuer beruft sich
auf ein Original
von 1974, das zu Ehren
der englischen
Rennstrecke so benannt
wurde. Der gleiche
Schriftzug wie damals
ziert die Neuauflage
des Klassikers.
6900 Franken.
34
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10
UHREN
D
ie Fakten zum Geschäftsjahr 2009 liegen inzwischen auf dem Tisch: Die
Schweizer Uhrenbranche
verzeichnete mit einem
Exportrückgang von 22,3
Prozent gegenüber dem (sehr guten) Jahr
2008 eines ihrer schwächsten Jahre.
Nicht allen ging es indes gleich miserabel: Während Hersteller mit einem von
Marketing-Zauberern und Selbstdarstellertum aufgeblähten Produktportfolio
durch ein Tal der Tränen schritten (und
ihre Zampanos im Dutzend zum Teufel
jagten), erfreuten sich die eher konservativen Hersteller klassischer Modelle erstaunlich stabiler Geschäfte. So erzielte
Omega im Dezember etwa die besten
Verkäufe überhaupt – laut Konzernchef
Nick Hayek lagen die Ergebnisse sogar
über jenen von 2007. Über das ganze Jahr
gesehen, musste jedoch auch die Swatch
Group, zu der Omega gehört, einen Umsatzrückgang von 8 Prozent verbuchen.
ERHOLUNG IST ABSEHBAR
▼
2010 sieht die Branche nun aber Licht
am Ende des Tunnels. Das Komitee der
Schweizer Aussteller auf der «Baselworld»
2010, der Weltmesse für Uhren und
Schmuck, vermeldet erleichtert, die Exporte Ende des letzten Jahres hätten nur
noch einstellig abgenommen und für
dieses Jahr zeichne sich ein zaghafter
Aufschwung ab. Die Swatch Group hat
deshalb bereits seit längerem wieder auf
Vollbeschäftigung umgestellt, und auch
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 35
Klassischer Look
Von oben nach unten:
Girard-Perregaux
pflanzt seinem zeitlosen
Modell «GP 1966» ein
Chronographenwerk
mit Säulenrad,
30-Minuten-Zähler
und zentralem
Sekundenzeiger ein.
24 000Franken.
Ein Jahreskalender
fehlte bisher
im Sortiment
von A. Lange & Söhne.
Das Modell «Saxonia
Jahreskalender» füllt
diese Lücke nun.
39 400 Franken.
Die auf 25 Stück
limitierte «Nicolas
Rieussec» von
Montblanc beruft sich
auf jenen Uhrmacher,
der 1822 das erste
Patent für einen
Chronographen
in Paris anmeldete.
Ankerhemmung und
Ankerrad der Uhr
sind aus Silizium.
43 400 Franken.
Der «5170
Chronograph» von
Patek Philippe ist
mit einem klassischen
Handaufzugskaliber
CH 29-535 PS
ausgestattet, für das die
Genfer sechs Patente
angemeldet haben.
Stilistisch erinnert
die Uhr (39 mm) an
die vierziger und
fünfziger Jahre.
Preis auf Anfrage.
Hermès erweitert
die «Dressage»-Familie
um ein Modell mit
ewigem Kalender,
eine der grossen
Komplikationen der
Uhrmacherkunst. Die
Datumsanzeige muss
erst im Jahr 2100 neu
eingestellt werden. Die
Uhr zeigt Wochentag,
Monat und Jahreszahl
an, ausserdem hat sie
eine Mondphase.
Limitiert auf 24 Stück.
72 100 Franken.
▼
Fortsetzung von S. 35
der
RichemontKonzern meldete anlässlich des Genfer
Uhrensalons SIHH im Januar, dass die
2009 verhängte Kurzarbeit, die vor allem
400 Angestellte von Cartier betraf,
wieder aufgehoben werde. Auch JaegerLe Coultre arbeitet seit Anfang März
wieder mit ungedrosselter Kraft. Die
Uhrensalons profitieren mit: In Genf
wurden im Januar bereits wieder 10 Prozent mehr Besucher als im Vorjahr
registriert, und auch die «Baselworld»,
welche vom 18. bis 25. März stattfindet,
dürfte nach einem enttäuschenden Jahr
2009 (93 900 Besucher) wieder Anschluss
an die guten Jahre davor (mit über
100 000 Besuchern) finden.
ZURÜCK ZUR FUNKTION
Mit der wirtschaftlichen Stabilisierung
zeichnet sich auch eine Zeitenwende im
Design ab. Der Trend hin zu flachen,
kleineren und eleganteren Uhren, die oft
an Baureihen aus vergangenen Jahrzehnten erinnern, hält an. Allerdings
werden nicht einfach alte Typen neu
aufgelegt: An den Details wurde behutsam gefeilt, um die Uhren zeitgemäss
erscheinen zu lassen, und auch in ihrem
Inneren sind diese Zeitmesser mit
modernster Technik und innovativen
Materialien aufdatiert worden. Statt
verwirrender Zifferblätter und imposanter Komplikationen sind nun wieder
eine hohe Funktionalität, eine gute Ablesbarkeit und eine optimale Alltagstauglichkeit der Uhr im Fokus.
Ein schönes Beispiel für diese Tendenz
liefert Vacheron Constantin mit seinem
neuen Modell (Seite 39), das einem
Modell von 1955 nachempfunden ist und
dessen Gehäuse nur 4,1 mm dünn ist –
das darin verbaute mechanische Uhrwerk ist so kompakt wie ein 20-RappenStück. Ähnlich flach und schlank präsentiert sich die neue «Altiplano» von
Piaget (ebenfalls auf Seite 39), deren
Werk trotz Automatikaufzug und Rotor
nur 2,35 Millimeter hoch ist.
Während sich der Heimmarkt 2010
also langsam zu erholen scheint, ruhen
die Hoffnungen der Uhrenkonzerne vor
allem auf dem Fernen Osten, wo in nächster Zeit ein sprunghaftes Wachstum erwartet wird. Während wir in Europa uns
wieder den dezenten Klassikern zuwenden, ist die neue Luxusklientel in China
oder Indien hungrig auf plakativere
Symbole des wirtschaftlichen Wohlgedeihens. Diesen Spagat müssen die
Uhrenmacher also in Zukunft hinbekommen: das Erbe und die Handwerkskunst behutsam pflegen und dabei
trotzdem nicht den Hauch von Übermut
und kreativem Wahnsinn verlieren, der
dieses Gewerbe so vital und einzigartig
macht. Jeroen van Rooijen
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<wm>10CEXLIQ6AMBAEwBf1stujvZaTUFSDAMILCJr_KxIMYuT07knwmdp6tM0JDDmUiJqKW1UxkE6qSkmZjsgcQYzMNE1m5n8I0xx2YAFOUJ7rfgG0q0m7YAAAAA==</wm>
Flach und fein
V. l. n. r:
Die «Altiplano»
von Piaget erinnert
mit ihrer extrem
flachen Bauweise
(5,25 mm Höhe)
an Uhren aus den
sechziger Jahren.
Automatischer Aufzug.
20 500 Franken.
Mit der «Elite 681
Ultra Thin» (3,8 mm
dünn, 40 mm
Durchmesser) setzt
Zenith wieder
auf zeitlose Eleganz.
Das Automatikwerk
arbeitet mit 28 800
Halbschwingungen pro
Stunde. 10 800 Franken.
Auch Vacheron
Constantin ist mit der
«Historique Ultra-fine
1955» auf Rekordjagd:
Das Werk ist mit
1,64 mm Bauhöhe
das dünnste der Welt.
Das Gehäuse hat nur
4,1 mm Bauhöhe.
24 800 Franken.
«Back to basics»
für die IWC:
Die «Portugieser
Handwound»
verzichtet auf jeden
Schnickschnack und
wird wie einst
von Hand aufgezogen.
8950 Franken. (jvr.)
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 39
UHREN
Uhren machen
Fetische, Identifikationsmittel, Statussymbole, Abgrenzungstaktik
und Anker im Alltag – Uhren können vieles sein. Sechs Porträts
von Individualisten, die gegen den Mainstream laufen
PHILIPP JUNKER, 30,
STYLIST
Uhr: «Eterna.Matic 2002»
FOTOS: DAN CERMAK, BILDBEARBEITUNG: LISA BIEDLINGMAIER
«Die Eterna habe ich vor drei Jahren von
meinem Vater zu Weihnachten geschenkt
bekommen. Ich habe damals den Wunsch
geäussert, ein Stück aus der Familie zu
besitzen, als Begleiter im Alltag. Da wir
keinen Familienschmuck besitzen, hat mir
mein Vater diese Uhr dann geschenkt, was
eine grosse und freudige Überraschung für
mich war. Er hatte sie im Jahr 1973, als er
gerade als deutscher Einwanderer in die
Schweiz gekommen war, von seinem ersten
Lohn gekauft. Sie kostete damals etwa 500
Franken, was für ihn ein kleines Vermögen
war. Seit ich die «Eterna.Matic» von
meinem Vater bekommen habe, trage ich sie
fast immer am Gelenk. Nur zum Schlafen,
Duschen und für Sport ziehe ich sie aus. Vor
dieser Uhr habe ich, abgesehen von einer
Flik-Flak-Uhr in Kindertagen, nie eine getragen und hatte auch kein Bedürfnis, eine
anzuziehen.» (kid.)
40 «z – die schönen seiten»
ausgabe 2/10
en Leute
MYRIAM ZUMBÜHL, 33,
RADIO-REDAKTORIN
SCHWEIZER RADIO DRS
Uhr: Max-Bill-«Chronoscope» by Junghans
«Ich trage immer eine Uhr. Bei meiner
Arbeit im Radio ist Zeit entscheidend, da
zählt jede Minute, und ich werfe aus
Gewohnheit ständig einen Blick aufs Handgelenk. Für den täglichen Gebrauch habe ich
eine Omega-«Speedmaster», aber für die
Freizeit und besondere Anlässe trage ich
lieber die Junghans, die ich mir vor zweieinhalb Jahren gekauft habe. Damals war
ich schon lange auf der Suche nach einer
klassischen, zeitlosen Uhr, die zu allem passt.
Ich hatte mit einer IWC geliebäugelt, doch
die Modelle waren alle zu gross. Schliesslich
stiess ich im Schaufenster eines Uhrengeschäftes in der Zürcher Altstadt auf dieses
Modell und wusste sofort, dass es diese Uhr
sein musste. Leider hatte ich in dieser Zeit
gar kein Geld für eine so grosse Investition.
Nachdem ich mir zwei Wochen lang die
Nase am Schaufenster plattgedrückt hatte,
bemerkte die Geschäftsführerin meine Begeisterung für die Uhr und verkaufte mir
mit einem Augenzwinkern die Junghans
mit Rabatt.
Mir gefällt neben dem Design auch das
Ticken des Werks, welches mich an den
Rhythmus eines Herzschlages erinnert.
Wenn mich manchmal etwas nervt und sich
für mich die Welt zu schnell dreht, dann
halte ich die Uhr dicht an mein Ohr und
lausche dem Geräusch des Uhrwerks,
welches ein bisschen wie ein zartes Glöcklein klingt.» (kid.)
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 41
UHREN
B
▼
ei erwachsenen Herren, vorwiegend bei solchen, die in
Anzug und Krawatte unterwegs sind, lässt sich oft ein
amüsantes Ritual beobachten.
Sobald sich zwei Alphatiere zusammen
an einen Tisch setzen, sei es für ein
Meeting oder einen Lunch, wie man das
neudeutsch nennt, schütteln beide diskret ihre Armbanduhren aus dem Hemdärmel, um sodann die Unterarme demonstrativ auf die Tischplatte zu legen
und sich und ihre Zeitmesser schweigend
zu mustern. Der, der als Erster etwas
sagt, unterliegt in diesem machoiden
Machtkampf, denn es ist in der Regel der
mit der einfacheren, günstigeren Uhr,
der dem Gegenüber dann ein Kompliment macht und dieses auf eine höhere
Statusebene stellt.
Das Beispiel zeigt, welche «Funktion»
die vielen schönen und teuren Armbanduhren heute haben, die in der Schweiz
produziert und verkauft werden. Sie dienen natürlich dazu, die Zeit anzuzeigen –
doch das tun Laptop, iPhone, Blackberry
und andere technische Hilfsmittel des
modernen Büro-Tigers mindestens so
zuverlässig. Diese sind aber in ihrer Uniformität nicht annähernd gleich gut dazu
geeignet, den Lifestyle, die Geschmackswelt und den (tatsächlichen oder imaginären) sozialen Status ihres Besitzers
anzuzeigen. Deshalb greift man zu
Uhren. Und dies tun nicht nur die Leithammel der Managerwelt, sondern auch
die sogenannten Hipster und Szenevögel,
von denen wir auf diesen Seiten stellvertretend sechs Exemplare abbilden.
Auch für diese Menschen ist eine Uhr
ein Stück persönlicher Lebensgeschichte
und ein Identifikationsmittel, welches
anderen Menschen wortlos über ihre
Prioritäten Auskunft gibt. Wenn Stylist
Philipp Junker also eine alte Eterna von
1973 trägt, so verbindet diese Uhr ihn
einerseits mit seinem Vater, der die Uhr
von seinem ersten Lohn erwarb, es
sendet aber gleichzeitig eindeutige
Signale bezüglich der Überzeugungen
ihres heutigen Trägers aus. Die alte
JEREMY GLOOR, 28,
JOURNALIST
Uhr: Gelber Nixon-«Time Teller»
«Diese auffällige Uhr habe ich vergangenen
Sommer erstanden. Mir schwebte in jener
Zeit eine genaues Bild von einem Outfit für
mich vor: ein schmal geschnittener grauer
Anzug, kombiniert mit einer knallgelben
Plastic-Uhr. Den Anzug fand ich einige
Monate später in New York (bei Opening
Ceremony) – er kostete mich das ganze
Budget für die restlichen USA-Ferien. Auf
die Uhr bin ich später gestossen, als ich bei
der Zeitschrift «Annabelle» als Volontär
arbeitete. Sie hat 120 Franken gekostet.
Ich habe zehn Jahre lang keine Uhr getragen, die letzte war ein Modell von Adidas. Die Reaktionen, die ich auf die Uhr
bekomme, sind verschieden. Die einen verstehen sie gar nicht, andere beschreiben sie
als Ausrufezeichen zu meinem Outfit, was
ich ganz treffend finde. Die Farbe Gelb
gefällt mir besonders, weil sie so ins Auge
sticht.» (kid.)
42 «z – die schönen seiten»
ausgabe 2/10
FABRICE AEBERHARD, 30,
DESIGNER
Uhr: «Chromachron», Edition
Tian Harlan
«Dieses Modell von Designer Tian Harlan,
dem Erfinder dieser Farbzeit-Uhr, habe ich
vor etwa einem Jahr persönlich von ihm
geschenkt bekommen, als ich aus beruflichen
Gründen mit ihm zu tun hatte. Die Uhr ist
aus dem Jahr 1978 und war bis zum Ende
der achtziger Jahre ziemlich bekannt. Harlans Slogan für die Uhr, «colour your day»,
offenbar auch sein persönlicher Leitspruch,
bedeutet für ihn so viel wie «have a nice
day». Mit diesen Worten schenkte er mir
auch diese Uhr aus seiner – mittlerweile
wertvollen – Sammlung.
Ich besitze etwa zehn Uhren, die ich je
nach Lust, Laune und Outfit anziehe.
Neben dieser von Tian Harlan geschenkten
Uhr besitze ich noch zwei weitere «Chromachron»-Modelle, die ich nachträglich für
mich erstanden habe. Uhren im Allgemeinen faszinieren mich als Objekte, denn
eine Uhr hat sowohl schmückenden wie
auch funktionalen Charakter. Die «Chromachron» ist ein Zeitmesser, der auf geometrische Weise, mittels Farbsegmenten, die
Zeit anzeigt. Die Zeit wird als Farbe dargestellt – ein schöner Gedanke. Deswegen
setzt sich der Name der Uhr aus den
griechischen Begriffen «Chroma» (Farbe)
und «Chronos» (Zeit) zusammen. Es ist
nicht einfach, mit dieser Uhr die genaue
Uhrzeit zu ermitteln, doch mittlerweile
habe ich gelernt, die Uhr auf die Minute
genau zu lesen.» (kid.)
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 43
NADIA MACCAGNAN, 31,
REDAKTEURIN SCHWEIZER
FERNSEHEN
Uhr: Goldfarbene Casio-«A 168»
Fortsetzung von S. 42
▼
«Diese Uhr trage ich seit anderthalb Jahren.
Ich wollte damals eine neue Uhr, die zwei
Kriterien erfüllen sollte: Einerseits wollte
ich etwas Spezielles, und zudem schwebte
mir die Farbe Gold vor den Augen. Über
das Internet wurde ich dann auf die ReEdition der kultigen Digital-Uhr aus den
achtziger Jahren aufmerksam und habe sie
mir sofort gekauft. Vorher trug ich eine
langweilige, schlichte Uhr von Festina, die
ich mit der Zeit zu bieder fand und die nicht
mehr zu mir passte.
Meine erste Uhr war eine kleine weisse
Damenuhr, die ich zur Erstkommunion
erhielt. Danach folgten diverse SwatchUhren, und mit 17 musste es eine Casio«G-Shock» sein. Die jetzige Casio findet
meine Mutter übrigens schrecklich. Für sie
ist die Gold-Uhr wie ein Spielzeug aus
einem Kaugummi-Automaten; sie findet, ich
sei langsam aus diesem Alter heraus.» (kid.)
Eterna illustriert
ein Faible fürs Zufällige und Authentische und grenzt Junker eindeutig gegen
das Establishment ab, welches solche
einfachen Uhren vielleicht sammelt, aber
nur selten trägt.
Emotionale Bande entstehen auch
über intellektuelle Werte, die Uhren verkörpern. Für Designer und Architekten
muss es entweder eine der Hannes-Wettstein-Uhren der verblichenen Schweizer
Avantgarde-Marke Ventura sein – oder
der Max-Bill-Chronograf, den Junghans
heute noch herstellt und für einen ganz
vernünftigen Preis verkauft. Max Bill,
das weiss Myriam Zumbühl, die eine solche Uhr trägt, ist nie falsch: Der grosse
Schweizer Architekt, Designer und Vertreter der Zürcher Schule der Konkreten,
steht für ein klares, geordnetes und
schnörkelloses Weltbild. Die Uhr erzählt
von einem Menschen, dem Moden weniger bedeuten als Prinzipien. Ganz ähnlich verhält es sich mit der zeigerlosen
Farbzeituhr «Chromachron» von Tian
Harlan, welche Fabrice Aeberhard trägt:
Sie ist ein Relikt aus einer Zeit, an die
sich Ästheten oft nur mit einem leichten
Frösteln erinnern. Die Uhr hat keinen
übermässigen materiellen Wert, doch sie
wird von ihrem Träger für ihre unorthodoxe Weltanschauung genauso geliebt,
wie andere Menschen eine Rolex-«Daytona» verehren.
Uhren haben eben über ihren Preis
hinaus auch einen ideellen Wert. Deswegen lieben gewisse Menschen auch billige, scheinbar «wertlose» Uhren wie die
goldfarbene Casio-«A 168», welche Nadia
Maccagnan besitzt (und die auch der
Autor dieser Zeilen sehr liebt!). Dieses
Kultstück der frühen achtziger Jahre
kann man als Original mit etwas Glück
auf Flohmärkten oder Online-Auktionen
ergattern – oder als tadellos funktionierende Replika kaufen, etwa im sehr coolen Casio-Concept-Store im trendigen
Porta-Ticinese-Viertel in Mailand. Auch
den poppigen «Time Teller» von Nixon,
den Jeremy Gloor trägt, bekommt man
in solchen und ähnlichen Szeneshops, wo
Menschen Uhren kaufen, die sie gar
nicht brauchen – aber trotzdem besitzen
wollen. Jeroen van Rooijen
44 «z – die schönen seiten»
ausgabe 2/10
UHREN
THOMAS RUTISHAUSER, 28,
ARCHITEKT
Uhr: «Ventura v-tec Delta W 21 S»,
Design von Hannes Wettstein
«Die Uhr hat mir vor einigen Jahren mein
Vater geschenkt. Er ist in der Uhrenbranche
tätig und hatte damals die einmalige Gelegenheit, diese limitiert produzierte Uhr in
schwarz gefärbtem Stahl zu erwerben. Ich
besitze neben der «v-tec Delta» noch eine
Uhr von Sector, doch meistens trage ich die
«Ventura». Nur für Auslandreisen lasse ich
sie daheim, weil ich Angst habe, dass sie mir
dann abhanden kommt.
Von den Funktionen Datum, Alarm und
Stoppuhr brauche ich eigentlich nur die
Uhrzeit und das Datum. Mir gefällt die
«v-tec Delta», weil sie ein schönes DesignStück ist und die Digitalschrift eigens für
die Uhr entworfen wurde. Es ist eine
schlichte Metall-Uhr, welche besonders in
Grafiker- und Architektenkreisen viele anerkennende Reaktionen hervorruft.» (kid.)
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 45
Obere Hemdhälfte, von links nach rechts:
Gottesanbeterin mit einem tropfenförmigen Turmalin (5,78 Kt), 586 Tsavoriten (5,11 Kt),
31 gelben Diamanten (0,09 Kt), 61 weissen Diamanten (1,40 Kt), 64 Saphiren (0,38 Kt);
Unikat aus der Animal World Collection von Chopard, Preis auf Anfrage. Ovale Brosche
«Hypnose» mit 70 Diamanten (2,24 Kt), 42 200 Fr., von Cartier. Blumen-Brosche aus Gelbgold
mit Saphiren (27,71 Kt) und Pavé-Diamanten (0,99 Kt), von Bulgari, Preis auf Anfrage.
Kleine Platin-Libelle mit Brillant-Saphiren (0,01 Kt) und runden Brillanten (0,59 Kt),
5150 Fr., von Tiffany & Co. Blume «Fil de Camélia» aus Weissgold (18 K) mit einem grossen
Diamanten (1,50 Kt) und 242 kleineren Diamanten (5 Kt), von Chanel, Preis auf Anfrage.
Gelbgold-Brosche mit 7 Citrinen mit Tropfen-Schliff, 6 rosafarbenen Turmalinen mit HerzSchliff und 16 Diamanten mit Brillant-Schliff (total 0,07Kt), 1890 Fr., von Kurz Schmuck & Uhren.
Rotgold-Brosche mit Rosen-Motiv mit 102 Diamanten (~2,32 Kt), 15 000 Fr., von Piaget.
Untere Hemdhälfte, von links nach rechts:
Storch mit einem rosafarbenen Kunzit-Tropfenbriolett (48,12Kt), 256 gelben Diamanten
(0,54 Kt), 532 weissen Diamanten (3,36 Kt), 204 schwarzen Diamanten (1,40 Kt), 117 rosafarbenen
Diamanten (0,41 Kt); Unikat aus der Animal World Collection von Chopard, Preis auf Anfrage.
Schneeflocke «Swing» aus Weissgold (18 K) und 21 runden Diamanten (12,30 Kt) und 75 Diamanten
(8 Kt), von Chanel, Preis auf Anfrage. Herz-Brosche «Cupidon» mit Spinellen (6,40 Kt) und
12 Diamanten (1,20 Kt), 55 900 Fr., von Dior. Seestern aus Roségold (18 K) und mit braunen FancyDiamanten (13,2 Kt), 30 900 Fr., bei Bucherer. Platin-Brosche mit zwei runden Diamanten mit
Brillant-Schliff (0,36 Kt), Brillanten (1,51 Kt), Baguette-Diamanten (1,46 Kt) und konisch
zulaufenden Baguette-Diamanten (0,54 Kt), von Bulgari, Preis auf Anfrage. Jeanshemd von Levi’s.
Schmucke
Stücke
Das Schweizer Model Anouk Manser
beweist, dass üppige Broschen
alles andere als altbacken sind
FOTO: JONATHAN HEYER; STYLING: KIM DANG; MODEL: ANOUK MANSER (VISAGE); HAARE UND MAKE-UP: RACHEL WOLFISBERG (VISAGE); BILDBEARBEITUNG: PIXELPOLISH
SCHMUCK
FOTOS: GUY LUCAS DE PESLOUAN, PD
PORTR ÄT
Radikale
Formen,
dreiste
Preise
Der Franzose Richard Mille
zählt zu den Schrittmachern der
Uhrenbranche. Auch, was die
astronomischen Preise betrifft
▼
Der hagere, asketisch wirkende Mann weiss, was er will: die Uhrenbranche revolutionieren. Das haben schon viele vor ihm versucht. Richard Mille lancierte 2001 seine erste Uhr. Der damals
49-jährige Franzose stieg preislich ganz oben ein – und spendierte dem Zeitmesser gleich ein Tourbillon-Werk, eine der
höchsten uhrmacherischen Komplikationen. Acht Jahre später
erzielt Mille einen Jahresumsatz von 83 Millionen Franken.
Keiner ist ästhetisch so radikal – und keiner so dreist, das
Doppelte des bisher gängigen Preises zu verlangen. Richard
Mille wagt es. Seine Kreationen lösen zuerst Staunen aus: Herkömmliche Zifferblätter gibt es bei seinen Uhren nicht mehr.
Stattdessen prägt Mille die Stunden- und Minutenskala direkt
auf das Uhrglas. Dann blickt man direkt in das Innere der Uhr, in
die Tiefe von Zahnrädchen und Platinen, die bei seinen Stücken
so ausgearbeitet sind, dass sie möglichst viel vom Uhrwerk sichtbar machen. Skelettierte Uhrwerke, die alles zeigen, kennt man
in der Branche zwar seit Jahrhunderten. Doch Mille räumt auf
mit den verschnörkelten, ziselierten Formen von gestern.
Kaum jemand inszeniert heute die Rädchen, Schrauben und
Spiralen geschickter als Richard Mille in seinen Uhren. Er verpackt das mechanische Ticken in futuristische Gehäuse, die oft
aus Titan-Legierungen bestehen. Für das Gehäuse hat er sich
zwar von einem Bootsrumpf inspirieren lassen, die Lünette und
der Gehäuseboden wirken wie das Ober- und Unterdeck eines
Schiffs, und die Krone gemahnt an eine Winde. Doch vermischt
er all das mit federleichten und ultraharten Materialien aus der
Luft- und Raumfahrt (wie etwa Aluminium-Siliziumkarbid) oder
aus dem Rennsport. So sind seine Zeitmesser ausgesprochen
technoide Erscheinungen – Mille nennt sie «eine Rennmaschine
für das Handgelenk». Am konsequentesten ist vielleicht das
Modell «RM 012», bei dem er die herkömmlichen Platinen eines
Uhrwerks durch röhrenförmige Verstrebungen ersetzt, die an
einen Gitterrohrrahmen erinnern. So etwas hat man in der
Uhrmacherei tatsächlich noch nie gesehen.
Bis es so weit war, musste Mille einen weiten Weg zurücklegen. Nach einem Marketing-Studium in der damaligen Uhrenstadt Besançon im französischen Jura steigt er 1974 in den
Vertrieb der Uhrenfabrik Anguenot ein. Später wechselt er zu
Mauboussin, einer Schmuck- und Uhrenfirma im Besitz der
weltweit grössten Luxusgütergruppe LVMH (Louis Vuitton
Moët Hennessy). In den neunziger Jahren entwickelt sich eine
erste Zusammenarbeit mit dem Grossmeister der Uhrenkonstrukteure, Giulio Papi von Renaud & Papi. Die Firma in Le
Locle, heute ein Teil von Audemars Piguet, zählt zu den besten
auf dem Gebiet der uhrmacherischen Komplikationen. Für
Bei Uhren von
Richard Mille
blickt man direkt
in die Tiefe von
Zahnrädern und
Platinen.
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 49
B A S E LW O R L D
THE WATCH AND JEWELLERY SHOW
MARCH 18 – 25, 2010
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▼
Fortsetzung von S. 49
Richard Mille, der selbst ja kein Uhrmacher, sondern Marketing-Fachmann ist, konstruiert Giulio
Papi die transparenten Werke, kombiniert die Tourbillons mit
dem Chronographen-Mechanismus und liefert so ausgefallene
Dinge wie eine Anzeige für das Drehmoment des Federhauses.
Ohne dieses Wissen hätte die Firma Richard Mille gar nie entstehen können. Die gesamte Produktion erfolgt in der Schweiz.
«Das Bearbeiten von Titan, das Mille oft einsetzt, ist extrem
aufwendig. Wegen der hohen Verschmutzung müssen wir jeweils
die gesamte übrige Produktion stoppen», sagt einer seiner Zulieferer. Zusammenbauen lässt Mille die Uhren in seiner Gesellschaft Horométrie in Les Breuleux im Kanton Jura. Dort
beschäftigt er etwa 60 Angestellte; insgesamt zählt die MilleEquipe 75 Leute. Er selbst residiert seit 2002 im Château de
Monbouan, einem Schloss aus dem 18. Jahrhundert in Moulins in
Keiner inszeniert
die Mechanik
geschickter
der Bretagne. «Meine Frau wollte auf dem Land leben. Und ich,
ich wollte nicht in der Schweiz wohnen», begründet Mille dies in
einer französischen Fachpublikation.
Der Franzose mit einer Affinität zur Rennsport-Technik wurde
in den letzten Jahren so etwas wie der Schrittmacher für teure
Schweizer Uhren: Sein Stil hat einige Modelle von Top-Marken
wie Hublot, Jaeger-Le Coultre, Audemars Piguet und viele mehr
beeinflusst. Und auch für die exorbitanten Preise war er so etwas
wie der Wegbereiter. Der Einstiegspreis für Männeruhren liegt
bei über 50 000 Franken, sie können aber auch über 400 000
Franken kosten. Der begnadete Verkäufer hat verstanden, dass
in der obersten Preisklasse Wiedererkennung und Werterhalt
eine zentrale Rolle spielen. Ob ein Wertzuwachs, wie er ihn im
nachfolgenden Interview anspricht, realistisch ist, bleibt jedoch
fraglich. Im Zweitmarkt werden Mille-Uhren oft deutlich unter
dem offiziellen Verkaufspreis angeboten.
Nur wenigen Marken ist allerdings letztes Jahr wie Richard
Mille eine Umsatzsteigerung von 22 Prozent gelungen. Der Erfolg der letzten Jahre blieb auch Audemars Piguet nicht verborgen: Im März 2007 beteiligte sich die Traditionsmanufaktur mit
10 Prozent am Aktienkapital von Mille. Für dieses Jahr peilt
Mille 2800 Uhren und 100 Millionen Franken Umsatz an. Und
wenn in dieser Branche so viel über Zahlen gesprochen wird, ist
es häufig so, dass in nicht so ferner Zukunft die Marke von einem
der Grossen übernommen wird. «Ich war abenteuerlich beim
Entwurf meiner Produkte. Aber ich bin sehr konservativ, was
meinen Geschäftsplan anbelangt», sagt Mille. Daniel Hug
Diese Seite:
Richard Mille RM 022
Aerodyne: Tourbillon,
zweite Zeitzone,
Anzeige für
Gangreserve und
Drehmoment, Gehäuse
und Platine aus Titan,
Karbon und einer
Legierung aus Titan
und Aluminium.
410 000 Franken.
Rechte Seite
Richard Mille residiert
auf einem Schloss
in der Bretagne.
Skizze: Eine Uhr von
Richard Mille.
WWW.BASELWORLD.COM
PORTR ÄT
«Meine Uhren
lügen nicht»
Z: Sie haben 2001 Ihre Uhrenmarke lanciert. Seither sind Sie von null
auf über 80 Millionen Franken Umsatz gewachsen. Wie macht man das?
Richard Mille: Wir verfolgen bei unseren Uhren einen radikalen
Ansatz ohne Kompromisse. Ich habe mit der etablierten Kultur
der Branche gebrochen. Sie stellt Uhren her, die weitgehend wie
im 19. Jahrhundert aussehen, aber mit modernen, automatisierten Werkzeugen produziert werden. Ich mache das Gegenteil:
Uhren des 21. Jahrhunderts, aber hergestellt in bester Handwerkstradition. Wenn man viel Handarbeit einsetzt, kostet das
ein Vermögen. Wir haben etwas Authentisches geschaffen – ohne
Marketing-Gimmicks. Ich habe mein Unternehmen ohne jede
Marktstudie gestartet – und zwar mit Absicht.
Sie kommen ja ursprünglich aus dem Marketing . . .
Ja, genau. Aber wenn Sie mit einem Marketing-Ansatz arbeiten,
beginnen Sie schon von Anfang an mit Kompromissen. Sie erstellen eine Studie über die Preispositionierung der Konkurrenten – und richten sich nach ihr aus. Das hemmt das Projekt.
Denn Sie werden sagen: Diese Idee werde ich nicht umsetzen,
sie kostet zu viel Geld. Und das werde ich nicht tun, das braucht
zu viel Zeit. Am Ende haben Sie ein Produkt, das firmenpolitisch
korrekt ist, das aber keine Stärke mehr besitzt und keine Aussage
hat. Man muss die Sache umgekehrt angehen. Meine erste Uhr
war ein wegbereitendes Spitzenprodukt, doch sie kostet doppelt
so viel wie alle anderen auf dem Markt. Bevor ich begann, war
ich sozusagen schon aus dem Markt.
Trotzdem griffen die Leute zu. Warum?
Ich wusste, es gibt einen Markt für solche Uhren. Was ich nicht
wusste, war, dass er so gross ist. Als ich damit anfing, explodierte
dieser Markt sofort. Letztes Jahr verzeichnete ich ein Umsatzwachstum von 22 Prozent.
Wo liegt heute der Einstiegspreis für eine Richard-Mille-Uhr?
Bei etwas über 50 000 Franken. Der Durchschnittspreis unserer
Uhren ist bei etwa 100 000 Franken anzusiedeln.
Ist Ihr Produkt so begehrt, weil man damit Prestige zeigen kann?
Es gibt manchmal Leute, die schreiben ein Produkt sehr teuer
an, weil sie glauben, das sei attraktiv für eine gewisse Käufer-
schicht. Doch die Kunden wissen heute enorm viel über Uhren,
sie kennen alle Daten und Zahlen. In meinen Uhren kann man
alles sehen. Es sind dreidimensionale Uhren, welche die gesamte
Mechanik offenlegen. Meine Uhren lügen nicht – und verstecken
nichts. Was von Hand finissiert und bearbeitet wurde, ist ersichtlich. Hergestellt werden nur kleine Serien, unter Einsatz
von ausgesuchten Materialien. Titan zu bearbeiten, ist zum
Beispiel sehr schwierig, es ist ein Albtraum.
Die Ästhetik Ihrer Uhren ist sehr eigen. Was war die Überlegung
dahinter?
Ich wollte meinen Uhren eine sehr starke Identität geben. Das
Gehäuse einer Uhr ist da, um die mechanischen Aspekte einer
Uhr zu betonen oder ihnen mehr Wert zu geben.
Warum sehen Ihre Zeitmesser so futuristisch aus?
Ich habe eine Passion für alles, was mit Mechanik zu tun hat,
Flugzeuge, Automobile, Rennsport. Und für Architektur. In meinen Augen müssen wir in alles, was wir tun, eine künstlerische
Dimension bringen. Die Leute, die eine meiner Uhren kaufen,
sind Konsumenten und gleichzeitig Investoren. Sie mögen es,
wenn das, was sie kaufen, mit der Zeit an Wert gewinnt. Ich stelle
nur kleine Serien her, letztes Jahr 2500 Stück, dieses Jahr werden
es etwa 2800 sein. Die einzelnen Modelle haben dabei nur eine
kurze Laufzeit. Das sichert die Exklusivität. Ich entwerfe ständig neue Modelle und nehme die alten aus der Produktion. Weil
sie selten und rar sind, gewinnen sie dann an Wert.
Stimmt es, dass der Formel-1-Fahrer Felipe Massa Ihre Uhr im Rennen
trägt – und die Uhr in der vergangenen Saison trotz einem Aufprall bei
über 200 km/h unversehrt blieb?
Ja. Als er im Juli diesen schrecklichen Unfall in Ungarn hatte,
sahen viele, wie er auf der Bahre lag, die Uhr am Handgelenk. Als
Massa mit dem Ambulanz-Flugzeug nach Brasilien zurückkehrte, sah man, dass er immer noch seine Uhr trug. Viele Leute
fragten mich: «Ist das immer noch die gleiche Uhr?» Ja, es war die
genau gleiche Uhr. «Felipe ist mein Testfahrer», pflege ich zu
sagen. Wir erzielten dank ihm viel Fortschritt auf dem Gebiet
der Stosssicherung – denn die Formel 1 ist zerstörerisch für
Uhren. Interview: Daniel Hug
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 51
BEAUTY
Wie riecht
denn das?
«Frisch und leicht, mit einer fruchtigen
Zitrusnote.» – «Eine Strasse im Sommer
nach einem Regen?» – «Ziemlich wässrig,
irgendwie geschlechtslos.» – «Ein schwieriger Fall, es ist kaum mit anderen Düften
zu vergleichen.» – «Weich, warm, ziemlich
sommerlich.» – «Ist das eins für Männer?»
– «Nein, eindeutig ein Damenparfum.» –
«Riecht gut, aber auch androgyn.» – «Mit
der Zeit wird es etwas lieblicher.» (jvr.)
● «L’Eau» von Serge Lutens versteht sich
als «tonisches Anti-Parfum», das mit einer
«Sauerstoffnote» Bilder von Sauberkeit und
Leichtigkeit evoziert. 100 ml für 158 Franken.
Beauty-Babble:
Urea
Manche Frauen lassen an ihre Haut nur Chanel No. 5 – dabei würden diese Abziehbildchen so gut zum Duft passen.
Schmuck auf Zeit
FOTOS: PD, ILLUSTRATION: GABI KOPP
Chanel haucht den noch vor
kurzem verrufenen Temporary
Tattoos neues Leben ein
In den späten achtziger Jahren waren Temporary Tattoos
(mangels Fremdsprachenkenntnissen auch gern als
Abziehbildchen bezeichnet) bei Kindern und Teenagern
der Renner. Kurz schwappte danach aus Asien der Hype
der Hennamalereien zu uns herüber, dann verschwanden
die vergänglichen Körperdekorationen in der Versenkung – und das war auch gut so. Die Motive wirkten
schäbig, sobald sie zu verblassen begannen, und wem
schemenhafte Umrisse von Comic-Helden oder verwa-
schene Blumenmuster unterm Ärmel hervorblitzten, der
wurde mitleidig belächelt oder gar ausgelacht.
Wahrlich ein grosses Wagnis war es deshalb, als Chanels Creative Director Peter Philips an der Schau für
Frühjahr/Sommer 2010 Models mit Temporary Tattoos
auf den Laufsteg schickte. Doch die Vögel, Perlenketten
und Armbänder zum Aufkleben kamen an, so sehr, dass
Chanel sie nun in die Läden bringt. Auf zarter Haut, die
gerade vom Frühling wachgeküsst wird, wirken die filigranen Motive besonders schön. Nur sollte man, sobald
der Designerschmuck zu verblassen beginnt, unbedingt
zum Rollkragenpullover greifen. Katharina Blansjaar
● Les Trompe-l’Œil de Chanel, zirka 80 Franken, limitierte
Edition, erhältlich nur in Chanel-Boutiquen.
Urea ist der lateinische Ausdruck für
Harnstoff. Dieser kommt in vielen
menschlichen Körperflüssigkeiten vor –
und in den Zellen der Haut. Harnstoff
bindet dort die Feuchtigkeit und lockert
die Hornschicht auf. Ist zu wenig Harnstoff in der Haut, verhornt sie, trocknet
aus und wird schuppig. Urea ist deshalb
ein beliebter Inhaltsstoff von Kosmetika,
denn er macht trockene Haut weicher
und geschmeidiger und gleicht den
Feuchtigkeitsverlust aus. Er kommt
auch in Crèmes zur Behandlung von
Psoriasis und Neurodermitis zur Anwendung, da er antibakteriell wirkt und die
Abwehrfunktion der Haut stärkt. (rin.)
VERLOSUNG
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von Balenciaga Paris
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WAS MÄNNER WOLLEN
NEU
ZU TISCH
Zum roten Curry
passt Jasmintee oder
ein kühles Bier.
Für die Sauce das Zitronengras und die
Currypaste im Öl kurz anbraten, mit der
Kokosmilch ablöschen, dann Kaffir-Blätter, braunen Zucker, Fischsauce und Chili
beigeben. Etwas einköcheln lassen und
zum Schluss den Limettensaft einrühren.
In der Zwischenzeit den Broccoli «al
dente» blanchieren und die Nudeln kochen. Zu guter Letzt die Nudeln und den
Broccoli mit der Sauce vermengen. Sofort auf warmen Tellern servieren und die
gerösteten Erdnüsse, die Lauchzwiebelringe und den Koriander grosszügig darüberstreuen. Als Vorspeise empfehle ich
einen kleinen Salat, zum Dessert eine
Kokosmousse mit Mangosalat. Dazu
passt Jasmintee oder ein kühles Bier.
«Chok di!» – viel Glück und Prost!
● Daniela Chemelli hat in der Zürcher
Altstadt ein beliebtes Quartierrestaurant
RESTAURANT
Genüsse in der Höhe
Als wir im angesagten und während
der Hochsaison stets ausgebuchten
Restaurant Mulania in Laax einen Tisch
reservieren möchten, ist nur noch der
«Küchentisch» frei. Der sei eigentlich
für Ehepaare bestimmt, die sich nichts
mehr zu sagen hätten, bemerkt der Wirt
Michael Bauer. Denn allein der Blick in
die Küche sorgt für Unterhaltung: Man
schaut dem Chef zu, wie er mit seinen
MBT-Schuhen hinter dem Herd hinund herwuselt, Fleisch anbrät, schwarze
Trüffeln hobelt oder frische Kräuter
über die Gerichte streut, bevor die Teller
geschickt werden. Dass der Chef
ursprünglich aus Österreich kommt,
merkt man schnell. Es fehlt weder der
traditionelle Tafelspitz auf der Speisekarte, noch muss man auf ein Glaserl
Bründlmayer-Sekt verzichten. Wir
entscheiden uns fürs Menu und beschränken uns dabei auf vier Gänge:
Gänseleberterrine an Quittenchutney
und Salat von gebratener Entenleber mit
Kartoffel-Rucola, dann folgen Langustine und Wolfbarsch auf Gemüse-Curry-
54 «z – die schönen seiten»
ausgabe 2/10
Gratin und sardisches Milchlamm mit
Spinatquarkpizokel – wunderbar! Den
Käse zum Dessert darf man im Weinkeller auswählen. Und zum Schluss gibt’s
eine süsse Überraschung: Pralinés und
Konfekt, hübsch assortiert in einer
Ca’Marcanda-Weinkiste aus Holz. (chu.)
● Restaurant Mulania, Casa Murschetg,
7032 Laax, Tel. 081 927 91 91.
mit integriertem italienischem Delikatessenladen geführt. Zurzeit ist sie als Stör- und
Gastköchin im In- und Ausland unterwegs.
HAUPTSPEISE FÜR 4 PERSONEN
450 Gramm Broccoli
200 Gramm Asia-Nudeln
2 EL Sonnenblumenöl
rote Currypaste
1 Zitronengras-Stengel, in Ringen
3–4 Kaffir-Blätter
2,5 dl Kokosmilch
1 EL Fischsauce
½ EL brauner Zucker
Saft von einer Limette
2 EL Erdnüsse, grob gehackt und
leicht geröstet
1 roter Chili, fein geschnitten
4 Stengel Lauchzwiebeln,
fein geschnitten
1 Bund Koriander, gezupft
AUSPROBIERT
Delikater Schaum
für Romantiker
Die blumenverzierte Flasche ist auffällig
und weiss Liebhaber des Romantischen
in ihren Bann zu ziehen. Der prestigeträchtige Champagner «Belle Epoque»
des 1811 gegründeten Hauses PerrierJouët, das heute dem Pernod-RicardKonzern gehört, ist derzeit sehr en
vogue. Er mausert sich auch zum Lieblingsgetränk des Jet-Sets. Jedenfalls ist
die perlende Preziose kürzlich zum
Haus-Champagner des berühmt-berüchtigten Nachtklubs «GreenGo» in Gstaad
erkoren worden. Die Diskothek gehört
zum ehrwürdigen Hotel Palace. Für
einmal zählt in der High Society allerdings nicht nur die Etikette. Der «Belle
Epoque» 2002 ist in der Tat ein eleganter,
delikater Schaumwein: feine Perlage,
komplexes Bouquet mit Brioche-Noten,
schöne Fülle, lang anhaltend im Finale.
Die Cuvée aus Chardonnay, Pinot noir
und einem kleinen Anteil Pinot Meunier
ist gut und teuer – zumindest für VIPs
wohl das kleinste Problem. Peter Keller
● Belle Epoque 2002, Perrier-Jouët,
erhältlich für 209 Franken bei Globus.
FOTOS: MIRJAM GRAF, NZZ FOTOSTUDIO, PD
Daniela
Chemellis
Rezept des
Monats:
Rotes Curry
mit Nudeln
und Gemüse
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Audemars Piguet
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Bagus
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Bitossi
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Bottega Veneta
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Boucheron
www.boucheron.com
Breguet
www.breguet.com
Bulgari
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Cappellini
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Carl F. Bucherer
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Carl Hansen
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Dior
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Eterna
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Girard-Perregaux
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Hautlence
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Hermès
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IWC
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Kurz Schmuck & Uhren
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K ALEIDOSKOP
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FOTOS: PD
Land in the City
«Wie sehne ich mich nach dem einfachen
Landleben», seufzen gestresste Städter
an Städter-Veranstaltungen wie Vernissagen momentan besonders tief in ihre
Drinks. Sie seufzen so inbrünstig, dass die
Prosecco-Kelche in ihren manikürten
Fingern leise beben. Was wäre wohl, wenn
man den Händen die Gläser entrisse
und diese durch Mistgabeln ersetzte?
Geseufzt würde wohl immer noch, aber
aus einem anderen Grund. Denn das
Landleben ist schön, aber am schönsten –
weil weniger schmutzig, weniger geruchsintensiv und weniger anstrengend – ist es
doch mit einem gehörigen Sicherheitsabstand: Das putzige Huhn etwa ist in
der aufs T-Shirt gedruckten Version um
vieles putziger als in der originalen,
flatternden, gackernden, scharrenden
(und riechenden) Variante. Deshab
überlassen wir das «Bauern» den Bauern
und freuen uns an den vielen landverliebten Dingen, die uns die Designer
in dieser Saison bescheren.
1 Ein Outfit aus der Sommerkollektion
von Peter Jensen. 2 Silber-Schmetterling aus
der Serie Dance of Life von Amouschka.
3 Die dotterfarbene Intreccio-Nuance-Bag
von Bottega Veneta. 4 Objekte aus der FarmSerie von Studio Job. 5 Der Strohhut Pinot
noir von Le Tom. 6 Mit Marmorplatte:
der Tisch Achille von L’Abbate. 7 Gedörrte
Apfelringe von Migros Sélection. 8 In diversen
Farben gibt es Bac von Cappellini. 9 Der
CH25 von Carl Hansen ist ein Klassiker.
10 Vase und Schale Rete von Bitossi. 11 Cosy
heisst das gelbe Kissen von Zoeppritz. 12 Très
naturel: Lippenstift Cruising von Nars.
13 T-Shirt mit Hühnerprint aus der neuesten
Peter-Jensen-Kollektion. 13 Die Mini-HappleApfeldose von Bagus.
Auswahl/Redaktion: Rebekka Kiesewetter
«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10 57
BESTE FREUNDE
Michael Michalsky
(Bild), Absolvent des
London College of
Fashion, war von 1995
bis 2006 als Global
Creative Director
für Adidas tätig,
bevor er sein eigenes
Label gründete.
Der 44-Jährige lebt
und arbeitet heute in
Berlin-Kreuzberg.
Über sein iPhone
vernetzt sich
Michalsky mit
Facebook, wo er seinen
«besten virtuellen
Freund» Marcus Luft
(auf dem Bildschirm)
kennenlernte.
Der 40-jährige Luft
ist Modechef des
Magazins «Gala».
Ein Periskop in die Modewelt
Michael Michalsky pflegt
eine intensive FacebookFreundschaft mit dem
Journalisten Marcus Luft
Anfangs, so berichten beide, hätten sie
sich nicht leiden können. Marcus Luft,
Modechef der «Gala», fand den in Berlin
lebenden Modedesigner «überheblich»
und lästerte in seinen Artikeln über den
Selbstdarsteller Michael Michalsky. Und
dieser habe ihn darum, so sagt Michalsky, für einen «Giftzwerg» gehalten. Tempi
passati. Heute liegen sich Michalsky und
Luft beinahe täglich in den Armen, um
sich öffentlich zu herzen. Manchmal tatsächlich, meistens jedoch im virtuellen
Raum, also: auf Facebook.
Nach der Freundschaftsanfrage durch
Marcus Luft (202 Freunde) habe Michael
Michalsky (336 Freunde) erst gemerkt,
dass jener «eigentlich ein ganz netter
Typ» sei. Zwar wolle er grundsätzlich
keine Journalisten auf seiner Freundesliste, so Michalsky, «weil Journalisten nie
deine Freunde sein können». Bei Luft
habe er aber eine Ausnahme gemacht.
Und siehe da: Auch Luft mochte das digitale Alter Ego von Michael Michalsky
und fand dessen Statements, die er fast
im Stundentakt auf Facebook hinterlässt,
«überwiegend sehr witzig».
«Marcus und ich gucken inzwischen
abends zusammen Fernsehen und posten
uns Kommentare zu dem, was wir gerade
gucken», berichtet Michalsky über die
enger gewordene Freundschaft. «Ich verbringe mit Marcus wahrscheinlich mehr
Zeit als mit allen meinen bisherigen Partnern im richtigen Leben. Er sitzt zwar
nicht physisch neben mir, aber es ist
trotzdem intensiv.» Marcus Luft bestätigt: «Es sind bei Facebook ganz andere
Facetten als im richtigen Leben, die man
aneinander mag.» Doch der Journalist
weiss auch: «Ich bin mir nicht sicher, ob
ich Michalsky auch ‹im richtigen Leben›
so gut mögen würde.» Denn natürlich sei
Facebook auch immer eine «inszenierte
Daseinsform», sagen beide. «Es ist ja teilweise ein Austausch von Banalitäten», so
Marcus Luft. «Richtig wichtige Dinge
würde man dort nie mitteilen.»
Trotz der Oberflächlichkeit möchten
beide ihre Facebook-Beziehung aber
nicht mehr missen. «Marcus ist für mich
eine Art ‹Periskop› in die Modewelt», sagt
Michalsky, «denn wenn er in Mailand
gerade eine Show von Dolce & Gabbana
sieht und diese beschreibt, so kann das
für mich eine wichtige Information für
meine Arbeit sein.» Jeroen van Rooijen
Die nächste Ausgabe von «Z – Die schönen Seiten» zum Thema Reisen und Mobilität
erscheint am 8./9. Mai in der «Neuen Zürcher Zeitung» und der «NZZ am Sonntag».
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«z – die schönen seiten» ausgabe 2/10
FOTO: MARCUS HÖHN
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