Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW
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Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW
Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW Wissenschaftliche Bestandsaufnahme Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW Wissenschaftliche Bestandsaufnahme NRW–––notiert. Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Impressum Herausgeber: Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Referat Presse und Öffentlichkeitsarbeit 40190 Düsseldorf Tel. 02 11-86 18-43 41 Fax: 02 11-86 18-45 66-44 44 Internet http://www.massks.nrw.de Ansprechpartner: Referat Ausländerintegration, soziale Maßnahmen Telefon: 02 11/8 55-33 59 oder -35 34 Telefax: 02 11/8 55-35 26 Autor: Zentrum für Türkeistudien Institut an der Universität/GH Essen Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Landeszentrum für Zuwanderung Nordrhein-Westfalen, Solingen Umschlaggestaltung: Giffhorn und Serres Designbüro, Wuppertal Druck: toennes satz+druck gmbh, Erkrath © 1999/MASSKS 1135 II Diese Broschüre kann bei den Gemeinnützigen Werkstätten Neuss GmbH bestellt werden. Bitte senden Sie Ihre Bestellung unter Angabe der Veröffentlichungsnummer 1135 II schriftlich (per Fax oder Postkarte) an die GWN GmbH Herrn Wendlinger Am Krausenbaum 11 41464 Neuss Fax 0 21 31-74 50 21 32 Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffent- bemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe lichkeitsarbeit der Landesregierung Nordrhein- an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern Eine Verwendung dieser Druckschrift durch Par- während eines Wahlkampfes zum Zwecke der teien oder sie unterstützende Organisationen aus- Wahlwerbung verwendet werden. schließlich zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder bleibt hiervon unberührt. Unabhängig Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen sowie auch für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments. davon, wann, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer be- Mißbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf vorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der werden, die als Parteinahme der Landesregierung Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Auf- zugunsten einzelner politischer Gruppen ver- kleben parteipolitischer Informationen oder Wer- standen werden könnte. 2 Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW Wissenschaftliche Bestandsaufnahme Zentrum für Türkeistudien, Essen Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster –notiert. Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Bestandsaufnahme der Potentiale und Strukturen von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten mit Ausnahme der Selbstorganisationen türkischer, kurdischer, bosnischer und maghrebinischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster Prof. Dr. Dietrich Thränhardt (Projektleitung) Renate Dieregsweiler M.A. (Projektbearbeitung) Bestandsaufnahme der Potentiale und Strukturen von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten türkischer, kurdischer, bosnischer und maghrebinischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen Zentrum für Türkeistudien, Essen Prof. Dr. Faruk S,en Hayrettin Aydin M.A. (Projektleitung) (Projektbearbeitung) Evaluation der von der Landesregierung geförderten Projekte von Migrantenselbstorganisationen Landeszentrum für Zuwanderung Nordrhein-Westfalen, Solingen Dr. Sabine Jungk (Projektleitung und Projektbearbeitung) Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Inhaltsverzeichnis Vorwort von Ilse Brusis, Ministerin für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Vorwort der Projektleiter Prof. Dr. Faruk Şen und Prof. Dr. Dietrich Thränhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI I. 1. 2. 3. 4. 5. Einführung ....................................................................................... Die Relevanz der Selbstorganisation von Zuwanderern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typen und Formen der Selbsthilfe von Zuwanderern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstorganisationen und Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Assimilative Integrationsmuster und ihre Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das soziale Kapital der Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestandsaufnahme der Potentiale und Strukturen von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten mit Ausnahme der Selbstorganisationen türkischer, kurdischer, bosnischer und maghrebinischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster 1. 1 1 2 3 7 8 11 Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Migrationshistorischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aktuelle Bevölkerungssituation in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Entwicklungsgeschichte der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Deutsche Initiativgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Herkunftshomogene Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Herkunftsheterogene Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in der deutschen Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Definition des Begriffs Selbstorganisation von Migrantinnen und Migranten im Rahmen dieser Studie . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 13 14 15 15 18 18 19 2. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 20 21 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Gesamtheit der erfaßten Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Rücklauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Zugehörigkeit zu Dachverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 23 25 27 29 4. Mitgliederstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Altersstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Geschlechterstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 33 35 5. Materielle und personelle Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Räumlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Festangestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 37 38 39 6. Kontakte und Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Kontakte zu und Zusammenarbeit mit Organisationen und Parteien im Herkunftsland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Kontakte und Zusammenarbeit in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Ausländerbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Kommunale Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Einrichtungen des Landes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 40 41 41 41 42 43 V 7. Arbeitsschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Arbeitsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Themengebiet Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Themengebiet Begegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3 Themengebiet Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.4 Themengebiet Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.5 Themengebiet Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.6 Themengebiet Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.7 Themengebiet Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.8 Themengebiet Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.9 Themengebiet Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.10 Themengebiet Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.11 Sonstige Themengebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.11.1 Optimierung der eigenen Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.11.2 Humanitäre Hilfe im Herkunftsland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.11.3 Selbsthilfemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Zielgruppenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Zielgruppe Frauen und Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Zielgruppe Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Zielgruppe Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Zielgruppe Ratsuchende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5 Zielgruppe Jungen und Männer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.6 Zielgruppe Seniorinnen und Senioren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.7 Zielgruppe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.8 Zielgruppe Arbeitslose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.9 Sonstige Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 44 45 45 46 47 48 49 50 50 51 51 51 52 52 52 52 53 54 55 55 56 56 57 57 57 58 8. Orientierung der Angebotsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Gründe der gewählten Angebotsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 61 9. Unterstützungsmöglichkeiten des Landes für Migrantinnen und Migranten aus Perspektive der Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Auf die Arbeit der Selbstorganisationen bezogene Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Politische Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 62 63 10. Zusammenfassung der wichtigsten Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 11. Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 VI III. Bestandsaufnahme der Potentiale und Strukturen von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten türkischer, kurdischer, bosnischer und maghrebinischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrum für Türkeistudien Essen 75 1. Einleitung ........................................................................................ 75 2. Forschungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zum Begriff „Selbstorganisation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Untersuchungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Grundgesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Erfassung der Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Feldphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5 Tiefeninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 76 77 78 79 79 79 80 80 81 3. Bevölkerungszahlen der untersuchten Migrantengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Türken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Kurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Bosnier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Migranten aus den Maghreb-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 82 82 83 83 4. Selbstorganisationen von Migranten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Funktionen und Funktionswandel bei Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Geschichtlicher Überblick über die Entwicklung von Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Entwicklung der Selbstorganisationen insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Die Entwicklung türkischer Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Die Entwicklung kurdischer Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Die Entwicklung bosnischer Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Die Entwicklung maghrebinischer Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 84 85 85 85 86 87 87 5. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Organisationsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.1 Quantitative Daten zu den erfaßten Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.2 Organisationsdichte in den Regierungsbezirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.3 Verteilung nach Vereinstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.3.1 Verteilung nach Vereinstypen insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.3.2 Verteilung nach Vereinstypen bei türkischen Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.3.3 Kurdische Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.3.4 Bosnische Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1.3.5 Maghrebinische Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Rücklauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1 Rücklauf insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2 Rücklauf nach Vereinstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.3 Rücklauf nach Herkunftsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.4 Rücklauf nach Regierungsbezirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Rechtlicher Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Mitgliedschaft in Dachverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.6 Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7 Finanzierung, Räumlichkeiten, Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7.1 Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7.2 Räumlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.7.3 Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 88 90 90 91 92 92 93 97 99 99 100 100 101 102 102 102 104 105 106 107 107 108 109 VII 5.2.8 Kontakte und Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8.1 Zusammenarbeit mit anderen Selbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8.2 Kontakte zur Heimat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8.3 Kontakte und Zusammenarbeit in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8.3.1 Kontakte und Zusammenarbeit mit deutschen Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8.3.2 Kontakte zu anderen deutschen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8.3.3 Kontakte zur Kommunalverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8.3.4 Kontakte zu Einrichtungen des Landes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.9 Arbeitsschwerpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.9.1 Zielgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.9.2 Angebotsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.9.3 Orientierung der Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.10 Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.11 Erwartungen an das Land Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.11.1 Auswertung der genannten Erwartungen insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.11.2 Auswertung nach Vereinstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.12 Weitere Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 109 110 110 110 111 112 113 113 113 114 115 115 116 116 118 119 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 IV. Evaluation der von der Landesregierung geförderten Projekte von Mitgrantenselbstorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landeszentrum für Zuwanderung Nordrhein-Westfalen, Solingen Einleitung ........................................................................................ Ziele und Methoden der Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluationsergebnisse im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die geförderten Migrantenselbstorganisationen und ihre Projekte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII 129 129 130 132 136 I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital 1. Die Relevanz der Selbstorganisation von Zuwanderern „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Anleitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ 1 In diesen klassischen Formulierungen Immanuel Kants aus dem Jahre 1783 ist die geistige Basis auch der modernen Selbsthilfebewegung enthalten. Sie beruht auf der Grundannahme, jeder Mensch habe die Fähigkeit, selbst zu denken und selbst zu entscheiden und dies sei der Entscheidung durch „Vormünder“ (so Kant einige Zeilen später) vorzuziehen - auch wenn er nach Kants Bemerkung an anderer Stelle „ein krummes Holz“ sei. In dieser Option für die Mündigkeit stimmt die Selbsthilfe-Idee auch mit den Grundnormen unserer Gesellschaft überein. Sie entspricht der Annahme, politische Selbstbestimmung sei am besten geeignet, Ergebnisse im Interesse der Bürger zu erzielen, wirtschaftliche Freiheit ermögliche am besten eine optimale Allokation aller Produktionsfaktoren und freie Vereinsbildung sei der beste Weg zu einer optimalen Selbstentfaltung der Bürger. Während Kant seinen Appell an das Individuum richtete und Unmündigkeit „selbstverschuldet“ nannte, setzt Selbsthilfe auf Stärkung und Bildung in Kooperation von Betroffenen in der gleichen Lage. In Kommunikationsprozessen haben sie die Möglichkeit, sich über sich selbst, ihren sozialen Ort, ihre besonderen Fähigkeiten und Probleme klar zu werden. Selbstorganisation schließt daran an und eröffnet Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten anzuwenden und Probleme gemeinsam anzugehen. Dabei ist insbesondere offene Kommunikation wichtig, also die Schaffung von Teilöffentlichkeiten der Betroffenen und deren Vernetzung. Neben die kooperative Lösung von Problemen (Innenperspektive) tritt die Artikulation von Bestrebungen, die Gruppen in gleicher oder ähnlicher Lage betreffen (Außenperspektive). Dabei ist es eine häufige Erfahrung, daß die Betroffenen ihre Bedürfnisse selbst zutreffender artikulieren als andere oder daß sie zumindest ein eigenständiger Partner in Diskussions- und Aushandlungsprozessen werden, wenn sie sich organisieren und ihre Standpunkte gemeinsam wahrnehmbar machen. Authentizität der Willensbildung steht dann also in einem positiven Verhältnis zur Qualität. Zum anderen sind Selbsthilfe-Gruppen besonders geeignet, die Transmission von Lösungen und Lösungswegen an die Betroffenen zu organisieren. In Kants Sprache geht es hier also um die gemeinsame Stärkung „der Entschließung und des Mutes“. Für die Stärkung der Entscheidungsfähigkeit, der Orientierungsqualität und des Entscheidungswillens ist Selbsthilfe besonders geeignet. Sie bedarf allerdings der fruchtbaren Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Trägern, um ihre Interessen zu vermitteln, optimal zu formulieren und durchzusetzen - insbesondere solange die Betroffenen keine vollen politischen und staatsbürgerlichen Rechte haben oder die Landessprache nicht voll beherrschen. Dabei ist Arbeitsteiligkeit anzustreben, so daß jede Organisation die Funktionen erfüllen kann, für die sie am besten geeignet ist. So bedarf es einerseits der Fachberatung in bezug auf soziale Sicherungssysteme, Währungstransfers oder Eigentumsinvestitionen, andererseits können die Ergebnisse solcher Fachberatungen besonders gut in Diskussionen in Gruppen bewertet werden, die sich in gleicher Lage befinden und Lebensentscheidungen treffen müssen. Bestimmte individualisierte Beratungen, wie bei Schwangerschaftskonflikten, müssen anonym durchgeführt werden können, aber andererseits wird die Orientierung über Familienplanung oder über die Gleichberechtigung der Geschlechter nur wirksam werden können, wenn sie ganze Gemeinschaften erfaßt. Ein drittes Beispiel: Es wird auch fernerhin nötig sein, in Frauenhäusern oder Jugendwohnungen Schutz zu gewähren. Aber die positive Orientierung über Erziehung und Familie kann wiederum am besten in Gruppen erfolgen. Merkwürdigerweise haben Zuwanderer in der Diskussion um Selbsthilfe bisher eine eher marginale Rolle gespielt. Dies hing damit zusammen, daß am Anfang der Selbsthilfe-Bewegung häufig eher Menschen aus privilegierten Gruppen oder aus dem Mittelstand mit bestimmten speziellen Problemen im Vordergrund gestanden haben. Zudem wurde Selbsthilfe weitgehend auf den Gesundheitsbereich bezogen. Eine Studie für Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1987 klammert deswegen Zuwanderer-Fragen noch ganz aus.2 In bezug auf das Verhältnis zwischen Staat, Wohlfahrtsverbänden und Selbstorganisationen hat in den letzten Jahrzehnten in Beziehung auf Kooperation und Arbeitsteilung ein vielschichtiger Lernprozeß stattgefunden, in dem alte Abschottungen überwunden wurden. Die Kritik an paternalistischen Strukturen hat dazu ebenso beigetragen wie die Herausforderungen des sozialen Problemdrucks und der finanziellen Rigiditäten.3 Nach wie vor operieren die Eigenorganisationen der Einwanderer aber weitgehend außerhalb des Gesichtskreises der deutschen Öffentlichkeit und ihre Leistungen werden wenig wahrgenommen. Dies macht die hier vorgelegte Bestandsaufnahme relevant, ebenso wie die mit dem Landesprogramm in Nordrhein-Westfalen vorgenommene institutionelle Vernetzung. 1 Immanuel Kant, 1968: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? in: Immanuel Kant, Werke in zehn Bänden, hrsg.v. Wilhelm Weischedel, 2. Aufl., Darmstadt, S. 53. 2 Anita Jakubowski, 1987: Selbsthilfegruppen und Selbsthilfegruppenunterstützung in Nordrhein-Westfalen, Bottrop, (G.I.B., Bottroper Dokumente 2/87). 3 Zum Migrationsbereich vgl. Jürgen Puskeppeleit/Dietrich Thränhardt 1990: Vom betreuten Ausländer zum gleichberechtigten Bürger. Perspektiven der Beratung und Sozialarbeit, der Selbsthilfe und Artikulation und der Organisation und Integration der eingewanderten Ausländer aus den Anwerbestaaten in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg (künftig zitiert: Puskeppeleit/Thränhardt, 1990). Generell zur Leistungsfähigkeit und Einbettung der Selbsthilfe: Klaus Deimer/Dieter Jaufmann, 1986: Wohlfahrtsverbände und Selbsthilfe - Konkurrenz um „Leistungsnutzer“ oder kooperative Verflechtung? in: Wohlfahrtsverbände zwischen Selbsthilfe und Sozialstaat, hg. von Dietrich Thränhardt u.a., Freiburg; sowie Fritz Boll/ Thomas Olk, 1986: Selbsthilfe und Wohlfahrtsverbände, Freiburg. 1 I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital 2. Typen und Formen der Selbsthilfe von Zuwanderern Zuwanderer haben zwei spezielle Adaptionsprobleme. Einmal müssen sie sich in der neuen Gesellschaft orientieren. Diese Notwendigkeit stellt sich für sie intensiver als für die Einheimischen, deren Primärorientierung bereits auf diese Gesellschaft ausgerichtet war. Für beide Gruppen besteht aber zudem ständig auch die Notwendigkeit, sich in einer Welt im Wandel neu zu orientieren. Zum zweiten müssen sich Zuwanderer in Organisationen und Netzwerke einbringen, um die nötigen Kontakte und Orientierungen zu schaffen, oder sie müssen neue tragfähige Kontakte und Netze etablieren. Dies gilt für Zuwanderer mit ausländischer Staatsangehörigkeit in gleicher Weise wie für solche mit deutscher Staatsangehörigkeit. Für den Erfolg ist entscheidend, daß die organisatorische Qualität und Durchschlagskraft der Organisationen, die die Zuwanderer vertreten, der der einheimischen Organisationen entspricht und daß die Kommunikation und Vermittlung hin zu den kommunalen, staatlichen und privaten Entscheidungs- und Diskussionszusammenhängen in gleicher Dichte funktioniert. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen der Zuwanderer mit ausländischer Staatsangehörigkeit zeigt eine große Pluralität, die sich in mehreren Dimensionen beschreiben läßt. Eine erste Unterscheidung betrifft die Beziehung zu deutschen Organisationen. Dabei reicht die Skala von der direkten Mitgliedschaft in deutschen Organisationen wie Gewerkschaften, Sportvereinen, Kirchen und Parteien über die Bildung besonderer Vereine von Ausländern unterschiedlicher Herkunft, zum Teil mit Beteiligung von Deutschen, bis zu Ausländervereinen ausschließlich aus dem gleichen Land, aus der gleichen Region oder der gleichen religösen oder sprachlichen Gruppe. Eine zweite Dimension ist der Organisationszweck der Vereine: vom Sport und anderen Formen der Freizeitgestaltung über die Bildung und die Politik bis zur Religion, wobei der Bereich Arbeit/Betrieb eher ausgespart bleibt. Hier besteht ein integrierter Bereich mit einem hohen Maß an Mitgliedschaft in den Gewerkschaften etwa (höher als bei den Deutschen) und voller Mitwirkung in den Betriebsräten und bei den Betriebsratswahlen. Geschlechtsspezifische oder generationenspezifische Spezialisierungen und Ausformungen erleben weitere Differenzierungen. Eine weitere Dimension ergibt sich aus sozialen Unterschieden, etwa den Einreisebedingungen und Vorerfahrungen der Zuwanderer. Ausländer sind mit unterschiedlichem Rechtsstatus in die Bundesrepublik eingereist, neben ehemaligem Anwerbe-Ausländern stehen Flüchtlinge oder ursprünglich als Studierende Eingewanderte. Betrachten wir die Zuwanderer-Organisationen selbst, so lassen sich zwei Organisationstypen unterscheiden, in denen die Vermittlung zwischen Herkunftsgruppen und Gesamtgesellschaft auf unterschiedliche Weise ausformuliert werden: erstens der Typus der herkunftshomogenen Zusammenschlüsse, zweitens der Typus der her- kunftsheterogenen Zusammenschlüsse.4 Diese Pluralität läßt sich auch auf den Organisationsebenen Region, Land und Bund wiederfinden. Herkunftshomogene Vereine können sich auf unterschiedliche Weise zusammenschließen: * auf Bundesebene (z. B. Spanischer Elternverband), * in einem auf das Heimatland bezogenen transnationalen Organisationszusammenhang (z. B. die katholischen Assoziazioni Cristiane Lavoratori Italiani ACLI), * in nicht herkunftshomogenenen Verbänden, etwa der Caritas oder dem DPWV, * in allgemeinen Vereinigungen wie z. B. dem Deutschen Sportbund oder kirchlichen Organisationen, * außerdem können sie einen Binnenpluralismus ausformulieren, wie die Griechischen Gemeinden, in denen parteibezogene Listen um die Vorstandsposten konkurrieren, * oder schließlich in landes- oder bundesweite Zusammenschlüsse, die auf Herkunftsbasis autonom bleiben, und andere, die sich als landesweite Gesamtorganisation deutschen Spitzenorganisationen (z. B. Wohlfahrtsverbänden) anschließen. Die Mitglieder herkunftshomogener Vereinigungen kommen aus einem einzigen Land, aus einer einzigen Region, Stadt oder einer bestimmten religiösen oder ethnischen Gruppe. Es ist wichtig, diese unterschiedlichen Möglichkeiten von Homogenität zu betonen, da oft nur in nationalen oder ethnischen Kategorien gedacht wird, dies aber die Realität nur unzureichend widergibt. Ein Teil dieser Vereinigungen sind ursprünglich im Kontakt mit den zuständigen Betreuungsverbänden entstanden oder haben sich an Organisationen aus dem Heimatland orientiert. Die Mitglieder herkunftsheterogener Vereinigungen dagegen stammen aus unterschiedlichen Bereichen, dazu gehören unter anderem Initiativgruppen und Vereine und Verbände mit Beteiligung ausländischer und deutscher Staatsangehöriger. Ein Teil der Gruppen sind ursprünglich von Deutschen gegründet worden, um Ausländer und insbesondere ausländische Kinder zu unterstützen, und haben dann in einer zweiten Phase Ausländer auch als gleichberechtigte Mitglieder und Führungspersönlichkeiten aufgenommen und mehr und mehr in den Vordergrund gestellt. Andererseits finden sich darunter Initiativen, die von Anfang an von Ausländern unterschiedlicher Nationalität gemeinsam mit Deutschen gegründet worden sind.5 Trotz des unbefriedigenden Standes des Einbürgerungsrechts und der Einbürgerungspraxis ist dabei das Kriterium Staatsangehörigkeit immer weniger trennscharf, denn gerade viele politisch Aktive haben sich einbürgern lassen. Auch die Kinder aus gemischten Ehen erhalten automatisch beide Staatsangehörigkeiten. Es gibt also immer mehr Menschen, die zwar Einwanderer ausländischer Herkunft sind oder von diesen abstammen, aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und damit Deutsche sind. Angesichts der steigenden Einbürgerungsraten ist damit zu rechnen, daß sich in dieser Beziehung eine dynamische Entwicklung ergibt. Im Falle einer weiteren 4 Diese Zusammenschlüsse werden vielfach auch als „multikulturell“, „interkulturell“ oder „multinational“ bezeichnet. Diese Termini werden hier nicht verwendet, da sie wenig exakt sind und irreführend wirken können. Es ist unzutreffend, Zuwanderer einfach mit einer „Kultur“ zu identifizieren, sie leben vielmehr in einer Situation vielfältiger kultureller Einflüsse, ebenso wie die Deutschen. Dies gilt insbesondere für die jüngere Generation. Die Zusammenschlüsse bilden vielfach ein bestimmtes Milieu aus, das man ebenfalls als „Kultur“ bezeichnen könnte. 5 Zu den unterschiedlichen Entstehungsgeschichten und Entwicklungen vgl. auch II, Kapitel 1.3 dieser Studie. 2 I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital Erleichterung der Einbürgerung für hier Geborene würde dieser Trend noch stärker werden. Die Staatsangehörigkeit als Abgrenzungskriterium bei der Förderung wird also auf Dauer für sich allein kein relevantes Kriterium mehr sein. Herkunftshomogene Initiativen haben den besonderen Vorteil, daß sie kulturelle Elemente aus den Herkunftsländern am Leben halten, aktivieren und einbringen können. Vor allem für die älteren Zuwanderer können sie auch eine wichtige Übersetzungsfunktion erfüllen, indem sie relevante Probleme mit den Betroffenen erörtern. Sie haben auf dieser Grundlage die Chance zu kommunizieren und zu diskutieren sowie Strategien zu formulieren, die der jeweiligen Gruppe besonders angemessen sind. Soweit es dabei überwiegend um Kultur, Bildung und Erziehung geht, wäre im Rahmen der Landesförderung allerdings der Weiterbildungsbereich zuständig, in dem neue Institutionen wie die Spanische Weiterbildungsakademie (Academia Espagnola de Formacion) erfolgreich arbeiten. Auch Verbände, die in ihrer Definition und Struktur völlig von Institutionen oder Verbänden in den Herkunftsländern definiert werden, kommen für eine Förderung kaum in Frage, insbesondere wenn sie diese von dort erhalten und in ihrem Führungspersonal herkunftsorientiert sind oder von dort bestimmt werden. Gleiches gilt schließlich für religiöse Vereinigungen, die ebenfalls in einen anderen Fördersektor fallen. Herkunftsheterogene Vereinigungen haben den besonderen Vorteil, daß sie schon in sich selbst eine plurale Vielfalt zusammenführen und damit als solche integrativ wirken. Sie befinden sich zudem weniger in der Gefahr, über Jahrzehnte Rückkehrillusionen zu kultivieren, auch wenn diese für die meisten Beteiligten unrealistisch bleiben. Für die Bedürfnisse der in Deutschland aufgewachsenen „zweiten“ und „dritten“ Generation sind sie besser geeignet. Damit dürften ihre Reichweite und Akzeptanz eher zunehmen. Auch ihre Fähigkeit zur Kooperation mit inländischen Organisationen dürfte deutlich höher sein. Auch in herkunftsheterogenen Organisationen wird die tägliche Gruppenarbeit aber meist in den Herkunftssprachen geleistet, sie fungieren also überwiegend als organisatorisches Dach. Alle diese Organisationsformen sind grundsätzlich legitim und können Beiträge zur Förderung der Gemeinsamkeiten und der Orientierung der Mitglieder und zur Artikulation und Interessendurchsetzung leisten. Dies gilt z. B. auch für Vereine, die sich nicht in deutscher Sprache verständigen, aber gleichwohl Orientierung in der Gesellschaft vermitteln. Möglicherweise erreichen sie ihre Mitglieder gerade deswegen besonders gut und intensiv, ganz abgesehen von der emotionalen Nähe durch die Herkunftsprache oder durch Dialekte. Vielfach schließen sich Menschen nicht einfach aus einer Nation, sondern aus einer Herkunftsregion, einer Stadt oder einer konfessionellen Gruppe zusammen, so z. B. Griechen aus dem Pontos, deren Schicksal dem der deutschen und jüdischen Aussiedler aus den GUS-Staaten entspricht, Kurden, Armenier, Aleviten oder Yeziden aus der Türkei, Sarden und Trientiner aus Italien oder Kosovo-Albaner aus Serbien. Vereine bilden soziale Netzwerke, die Menschen zusammenführen und Modernisierungsprozesse vermitteln können. Dabei sind funktionale Modernisierung und willentliche Integration zu unterscheiden. Auch Vereine, die programmatisch der Integration eher kühl gegenüberstehen, können funktional integrierend wirken, wenn sie ihre Mitglieder fördern und realistisch orientieren. Es geht dabei um soziale Übersetzungs- und Transferfunktionen, um die Verständlichmachung der Situation für alle, den Aufbau realistischer Beziehungen zwischen den eigenen Bedürfnissen und Wünschen und den Möglichkeiten und die Entwicklung von Strategien zur Erreichung eigener Ziele. 3. Selbstorganisationen und Lebensqualität Um die Relevanz der Einflüsse von Selbsthilfegruppen einschätzen zu können, wird im folgenden ein Vergleich zwischen den fünf großen Herkunftsnationalitäten durchgeführt. Dabei ist es erstaunlich, welch weitreichende Unterschiede zwischen den Gruppen in bezug auf die Integrations- und Lebensqualität bestehen. Berücksichtigt muß werden, daß die Unterscheidung nach Staatsangehörigkeitsgruppen, auf die sich unsere Daten beziehen, nur einen relativ groben Maßstab darstellen. Wie viel mehr Unterschiede in einer kleinteiligeren Bestandsaufnahme aufgewiesen werden können, wird eindrucksvoll in den ersten Statistiken deutlich, die statt des Sammelbegriffs „ehemaliges Jugoslawien“ die fünf Staatsangehörigkeiten der Nachfolgestaaten ausdifferenzieren. In der deutschen öffentlichen Debatte ist die Aussage, es gebe kein Ausländerproblem, sondern nur ein Türkenproblem, seit 1980 präsent. Durch das populäre Huntingtonsche Paradigma vom Kulturkonflikt als neuer weltpolitischer Bestimmungsgröße6 ist sie mit neuer wissenschaftlicher Weihe und Durchschlagskraft versehen worden.Vor allem in der pädagogischen Literatur wird in kulturalistischer Weise immer wieder die Diskrepanz zwischen einem modernen, toleranten, aufgeklärten und individualisierenden Westen und einem traditionalistischen, fundamentalistischen und familistischen Süden beschworen. So schreibt etwa der Demograph Josef Schmid weiter zugespitzt: „Ist das Elternhaus intakt, unterliegen sie [die Kinder, D.T.] strengen Unterordnungsnormen ihrer orientalistischen [sic!] Familie, die für das deutsche Schul- und Leistungssystem wenig Sinn hat. Stammen sie aus zerbrochenen elterlichen Verhältnissen, bilden sie die Gruppe der Abbrecher in allen Bildungsgängen und suchen in Jugendbanden den Familienersatz.“ Schließlich äußert der Autor die Vermutung, die statistisch aufweisbaren besseren Bildungs-erfolge ausländischer Jugendlicher seien „Europäern“ zuzuschreiben und nicht „Jugendlichen orientalischer Herkunft“.7 6 Samuel Huntington, 1996: Kampf der Kulturen, München/Wien. 7 Josef Schmid, 1997: Die dritte Generation. Die doppelte Staatsbürgerschaft weist nicht den Weg in die Integration, sondern in das Chaos, in: FAZ Nr. 270, 20.11.1997. 3 I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital Nimmt man diese geballte Kraft stereotyper Einstellungen zur Kenntnis - hier anhand eines extremen, aber nicht untypischen Beispiels zitiert -, so muß überraschen, daß die Indikatoren für soziale Integration und wirtschaftlichen Erfolg ein sehr viel differenzierteres Bild ergeben. Vergleichen wir die großen Einwanderergruppen in Deutschland in bezug auf Bildungserfolg, Einkommen, Arbeitslosigkeit und Intermarriage, so finden wir einerseits sehr hohe Erfolgswerte bei den Spaniern, andererseits aber sehr niedrige Werte bei den Italienern. Deren Integrationswerte befinden sich etwa auf dem gleichen Niveau wie die der türkischen Staatsangehörigen und liegen zum Teil sogar darunter. Dies überrascht auch deshalb, weil die Italiener in der Bundesrepublik im Vergleich der ehemaligen Anwerbestaaten die älteste Einwanderergruppe sind und schon aus diesem Grund - ausgehend von der Annahme wachsender Integration mit Zeitablauf - erwartet werden könnte, daß ihre Situation sich am besten darstellt. Italien verfügt schließlich im Vergleich der Anwerbeländer auch über das weitaus höchste Pro-Kopf-Einkommen und die stärkste wirtschaftliche Dynamik. Schließlich hatte Italien durch die Jahrhunderte auch immer enge Beziehungen mit Deutschland in Kultur, Wirtschaft und Politik. Besonders auffällig ist der Kontrast bei den Bildungserfolgen der Jugendlichen. Berechnet man die Anteile der Studierenden an der jeweiligen Bevölkerung, so liegt der Prozentsatz der Spanier mit 2,1 mehr als dreimal so hoch wie bei den Italienern mit 0,4. Dabei werden immer nur die „Bildungs-Inländer“ betrachtet, also Jugendliche, die in Deutschland aufgewachsen sind. Alle anderen Gruppen weisen höhere Werte auf als die Italiener - mit Ausnahme des ehemaligen Jugoslawien, das wegen des Krieges und der Fluchtbewegung nicht mehr vergleichbar ist. deutlich wird die Diskrepanz, wenn man zur Veranschaulichung die Schülerzahlen für Gymnasien mit denen für Sonderschulen konfrontiert.8 Ausländische Schüler an allgemeinbildenden Schulen 1994 in % Bei den Einkommen sind die Unterschiede weniger gravierend, aber auch hier zeigt sich keineswegs ein Gefälle zwischen EUBürgern und Türken. Bei den Arbeitslosigkeitsdaten schneiden zwar die Türken am schlechtesten ab, aber die Italiener stehen ihnen kaum nach und haben wiederum weit schlechtere Werte als die Spanier. Arbeitslosenquote der Ausländer nach Herkunftsländern im Bundesgebiet West am 31.12.1995 in % Studenten in den Bevölkerungsgruppen in % – Nur Inländer (WS 99) Betrachtet man die Verteilung der Schüler an den verschiedenen Schultypen, so ergibt sich ein ähnliches Bild großer Diskrepanzen, bei dem die Italiener besonders schlecht abschneiden. Gleiches gilt für einen Vergleich der Bildungsabschlüsse. Statistisch besonders Die Zahl der deutsch-ausländischen Eheschließungen ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen, sie kann als besonders aussagekräftiger Indikator für Intregation gelten.9 Wir messen hier nicht die Intermarriage-Entwicklung selbst, da dies mit erheblichen methodischen Unsicherheiten verbunden ist. Insbesondere müßten die Eheschließungen in den verschiedenen Ländern abgeglichen werden, ganz abgesehen vom verbreiteten Trend zu undokumentier- 8 Bei den Daten für die Schulen können inzwischen die Bürger Bosniens, Kroatiens, Mazedoniens, Sloweniens und des neuen Jugoslawien unterschieden werden. Bei den Staatsangehörigigkeitsdaten ist das noch nicht der Fall, weil zum Teil noch auf der Grundlage der alten gesamtjugoslawischen Staatsangehörigkeit gezählt wird. 9 Peter Schmidt/ Stefan Weick, 1998: Starke Zunahme von Kontakten und Ehen zwischen Deutschen und Ausländern, in: Informationsdienst Soziale Indikatoren, Ausgabe 19, S. 5 (künftig zitiert: Schmidt/Weick, 1998). 4 I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital ten Verbindungen. Statt dessen werden die Kinderzahlen aus deutsch-ausländischen Verbindungen einerseits und von Eltern identischer Staatsangehörigkeit andererseits gegenübergestellt.10 Dies ist zugleich deswegen besonders relevant, weil wir dabei die Formierung der Folgegeneration nachvollziehen können. Wir finden dabei zwar ein Gefälle zwischen Türken und EU-Bürgern, wie es den Erwartungen der öffentlichen Meinung entspricht, andererseits aber erneut große Abstände zwischen den verschiedenen EUNationalitäten. Bei den Spaniern zeigt sich eine dynamische integrative Entwicklung zu mehr als drei Vierteln Kindern aus deutsch-spanischen Verbindungen, bei den Griechen dagegen relativ wenig Integration. Andererseits sind diese bei den Bildungswerten ähnlich günstig positioniert wie die Spanier. Altersstruktur der Italiener im Vergleich zwischen Männern und Frauen Geburten aus deutsch-ausländischen und aus ausländischen Ehen Geburten aus ausländischen Ehen 1980 1986 1986 1990 1995 1995 Türken 39658 28153 43921 41733 1336 2035 2572 4275 9,3 ehem. Jugosl. 9287 4870 1995 Anteil % 1980 3937 1990 Geburten aus deutschausländischen Ehen Altersstruktur der Türken im Vergleich zwischen Männern und Frauen 7121 2454 1969 2505 1789 20,1 43,8 Italiener 9871 5715 6096 4776 3819 3875 4258 3728 Griechen 3904 2217 3124 3578 834 844 1022 1071 23,0 Spanier 1723 670 495 305 1068 1054 1238 1201 79,7 Quelle: Statistische Jahrbücher der Bundesrepublik Deutschland sowie eigene Berechnungen. Dieses sehr unterschiedliche Heiratsverhalten trägt schließlich zu extrem unterschiedlichen Entwicklungen der Gesamtgröße der jeweiligen Staatsangehörigkeits-Gruppe bei. Während nach den Kriterien der deutschen Statistik die Zahl der Spanier von Jahr zu Jahr sinkt, da drei Viertel der Kinder von Spaniern auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, steigen die Zahlen bei den anderen Nationalitäten wegen der Tendenz zur Normalisierung der Altersstruktur an. Bei den türkischen Staatsangehörigen hat sich ein DreiGenerationen-Schema ausgebildet, bei dem die Jahrgangszahlen intergenerational insgesamt stabil bleiben, allerdings in einem Auf und Ab entsprechend den Einwanderungs- und Generationenfolgen. Altersstruktur der Griechen im Vergleich zwischen Männern und Frauen Altersstruktur der Spanier im Vergleich zwischen Männern und Frauen Nur bei einem Kriterium schneiden die italienischen Staatsangehörigen in den bundesweiten Vergleichen besser ab als alle anderen Gruppen: bei den Prozentsätzen für Auszubildende als Anteil am jeweiligen Jahrgang. Dies ist deshalb überraschend und erklärungsbedürftig, weil nach landläufigem Verständnis die Chancen von Bewerbern auf dem Ausbildungsmarkt eng mit den Schulerfolgen zusammenhängen. Die Zahlen zeigen aber, daß die Werte im Vergleich der Nationalitäten gegenläufig sind. 10 Die geringe Zahl der Kinder aus nichtdeutschen binationalen Verbindungen bleibt bei diesem Vergleich unberücksichtigt. 5 I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital Auszubildende nach Staatsangehörigkeit 1986-1994 in %* Staatsangehörigkeit 1986 1988 1990 1992 1993 1994 Türken 23,1 29,1 35,5 44,0 47,8 48,3 Ehem. Jugoslawen 32,3 33,6 40,0 38,8 37,8 36,6 Italiener 30,1 36,6 42,8 50,8 53,7 54,5 Griechen 22,0 24,2 27,2 38,8 43,3 45,0 Spanier 43,2 45,3 49,0 57,4 63,0 63,2 Portugiesen 33,9 42,5 43,8 48,0 53,5 53,8 Ausländer 25,4 29,2 35,5 40,4 42,5 43,5 Deutsche 76,5 85,3 84,8 78,6 74,0 70,8 zwischen den Bundesländern stark unterscheiden. In NordrheinWestfalen liegt der Anteil der ausländischen Schüler mit schulischen Qualitätsabschlüssen - Abitur und Fachoberschulreife - zweieinhalbmal so hoch wie in Bayern. Die Disproportionen sind weit extremer als die entsprechenden Unterschiede zwischen den Jugendlichen deutscher Staatsangehörigkeit. Anteil der weiterführenden Abschlüsse bei den ausländischen Schulabgängern 1996 in den alten Bundesländern in % *Anteil der Auszubildenden bezogen auf die Zahl der 15-18jährigen in der jeweiligen Gruppe. Raumbezug: Alte Bundesländer. Quelle: bmb+f, Berufsbildungsbericht 1996, S. 50. Erklärungen für die Diskrepanzen findet man erst, wenn man auf die Ebene der Bundesländer zurückgeht und in diesem Rahmen die Nationalitäten vergleicht. In der folgenden Tabelle geschieht das für die vier Bundesländer mit mehr als 5000 Schülern italienischer Staatsangehörigkeit. Die extremen Unterschiede, die sich dabei zeigen, sind zu einem großen Teil für die zahlenmäßigen Defizite der Gruppe der italienischen Staatsangehörigen bei den Schulerfolgen verantwortlich. So besuchen jeweils mehr als zehn Prozent aller italienischen Schüler in Bayern und in Baden-Württemberg Sonderschulen, weit mehr als in Hessen oder Nordrhein-Westfalen. Dies ist ein erstaunlich hoher Wert. Gleichzeitig gehen nur 4,2 % der italienischen Schüler in Baden-Württemberg zum Gymnasium, weniger als halb so viele wie in Hessen. Da aber mehr als ein Drittel aller italienischen Schüler in Baden-Württemberg leben, wirken sich die dortigen Verhältnisse stark auf die Gesamtzahlen auf Bundesebene aus. Schulbesuch italienischer Kinder nach Bundesländern 1994/ 95 (%) Bundesland Sonder- Hauptschule schule Real- Gym- Gesamt- Orient.- Schüler Schülerschule nasium schule* stufe in %** zahl Baden-W. 10,7 34,8 9,6 4,2 0,3 0,1 36,0 24.470 Bayern 10,1 36,7 6,3 6,0 0,4 0,1 10,4 7.114 Hessen 5,8 12,1 13,4 9,1 11,0 8,5 12,5 8.522 NRW 6,9 26,3 10,6 7,4 10,0 - 27,1 18.402 Deutschland (W) 8,3 28,1 10,2 6,3 5,1 2,0 100 67.908 Nur Bundesländer mit mehr als 5000 Schülern italienischer Nationalität. In der Gesamtzahl sind auch die Grundschüler (40,0%) enthalten. * Gesamtschule einschließlich Waldorfschule. ** Anteil des Landes an der Gesamtschülerzahl in den alten Ländern. Quelle: KMK; italienische Botschaft. Andererseits stellen sich die Ausbildungschancen in Süddeutschland besser als in den nördlichen Bundesländern dar, was mit den günstigeren ökonomischen Rahmenbedingungen, insbesondere der generell niedrigeren Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit zusammenhängt. Dies erklärt vermutlich die günstigeren Werte für die italienischen Jugendlichen im Ausbildungsbereich insgesamt (Daten für die einzelnen Nationalitäten auf Landesebene liegen uns noch nicht vor). Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Schulerfolge der ausländischen Jugendlichen sich 6 Anteil der weiterführenden Abschlüsse bei allen Schulabgängern 1996 in den alten Bundesländern in % I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital 4. Assimilative Integrationsmuster und ihre Erklärungen Versucht man nun, diese Daten zu interpretieren, so lassen sich Integrationsmuster herausarbeiten, die hier zunächst vorläufig und hypothetisch aufgrund bisher erhobener Daten und der Diskussion in der Literatur formuliert werden. 1. Die Gruppe der Spanier ist in allen Beziehungen vergleichsweise erfolgreich, obwohl sie sich zum Zeitpunkt der Einwanderung nicht durch besonders günstige sozioökonomische Daten auszeichnete. Sie verbindet sich in der zweiten Generation weitgehend mit der deutschen Bevölkerung und ist in der dritten Generation in Deutschland nur noch zu einem kleinen Teil sozial und statistisch sichtbar. Gleichwohl existieren intensive Beziehungen zum Herkunftsland. Die zahlenmäßig zeitweise starke Rückwanderung insbesondere von Rentnern erfolgt aus einer Position realer Wahlmöglichkeit zwischen Deutschland und Spanien.11 2. Die Gruppe der Griechen folgt der Gruppe der Spanier in bezug auf die sozialstrukturellen Daten, insbesondere in bezug auf Bildung, in einem geringen Abstand. Sie bleibt von der deutschen Bevölkerung aber stärker getrennt, sowohl in bezug auf Bildung wie auf Konnubium. Dies hängt mit einer ausgeprägteren Koloniebildung und einer aktiveren Beziehung zum Heimatland zusammen, was sich in stärkerer Hin- und Herwanderung nachweisen läßt. Im Vergleich zu allen anderen Gruppen haben die Griechen die höchsten Prozentsätze an Selbständigen. 3. Die Gruppe der Italiener steht, wie schon ausgeführt, den beiden erstgenannten Gruppen in bezug auf Bildungs- und Einkommenswerte deutlich nach. Sie verbindet sich stärker als die Griechen, aber weniger als die Spanier mit den Deutschen. Weit höher als bei den anderen Gruppen ist bei den Italienern der Männerüberschuß, auch nach über vierzig Jahren Einwanderung. In Verbindung damit muß auch die Hin- und Herwanderung gesehen werden, die traditionell erfolgt und in der Literatur mit der früh gewonnenen EU-Freiheit erklärt wird. 4. Die Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien waren bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges relativ gut integriert, erreichten aber nicht die hohen Integrationswerte der Spanier. Wie sich anhand neuer Daten zeigen läßt, lassen sich aber große Integrationsdifferenzen zwischen Slowenen, Kroaten, Bosniern, Serben und Mazedoniern aufzeigen. 5. Die Türken, die größte Staatsangehörigkeitsgruppe, haben sich ebenfalls stark ausdifferenziert. Obwohl ihre Integrationswerte vergleichsweise niedrig liegen, stellen sie aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke auch in den meisten Erfolgs-Kategorien die größte Gruppe, etwa in den Gymnasien. Nur in bestimmten Regionen Süddeutschlands überwiegen sie nicht. Ebenfalls aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke sind Türken und Kurden in Deutschland am stärksten „sichtbar“, wie in den sechziger Jahren die Italiener. Versucht man zu erklären, warum bestimmte Einwanderungsgruppen sich schnell integrieren, d.h. mit der eingesessenen Bevölkerung verschmelzen und diese gleichzeitig beeinflussen, so stößt man auf unterschiedliche Ansätze. Neben den schon erwähnten Kategorien kultureller Nähe und gleicher Religion werden vor allem das Alter einer Einwanderung, die soziale Schichtung, die ökonomische und politische Integration und schließlich auch die Größe und Sichtbarkeit einer Einwanderungsgruppe diskutiert. Für unser Problem bieten all diese Ansätze keine zureichende Interpretation. Zwar ist evident, daß Türken und Kurden stärkeren Ausgrenzungen unterliegen, was mit den genannten Kriterien übereinstimmt. Hier liegt ein circulus vitiosus vor. Das Problem des relativen Rückstands der Italiener insbesondere gegenüber den Spaniern läßt sich daraus aber nicht erklären. Das oben angeführte Moment des Ländervergleichs ist zwar gewichtig, insbesondere in bezug auf die Bildungspolitik, aber nicht zureichend, da auch innerhalb der Bundesländer Diskrepanzen auftreten, wenn auch in schwächerer Form. So haben italienische Kinder zwar in Nordrhein-Westfalen und Hessen deutlich geringere Sonderschul-Anteile, diese sind aber gleichwohl höher als bei den spanischen Kindern. Hinzu kommt, daß schon die Vergleichsbasis nur die mono-nationalen Personen erfaßt, insbesondere nur die mono-nationalen Kinder. Es kann demgemäß angenommen werden, daß die Disparität zwischen Spaniern und Italienern noch stärker zu Tage träte, wenn auch die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen aus deutsch-ausländischen Verbindungen in den Vergleichen berücksichtigt würden. In der Literatur ist eine weitere Erklärung für die geringen Erfolge gerade der italienischen Staatsangehörigen angeführt worden: kontraproduktive Wirkung der Rechte aus der Freizügigkeit der Europäischen Union (früher EWG bzw. EG). Immer wieder wird argumentiert, die Italiener in Deutschland hätten im Gegensatz zu denen in der Schweiz aufgrund des Rechts der freien Bewegung die Gewohnheit des Hin- und Herwanderns angenommen, und dies habe den Bildungserfolg der Kinder negativ beeinflußt, während die Italiener in der Schweiz bei Rückwanderung das Aufenthaltsrecht verlören und deshalb im Lande blieben. In der Tat kann eine Diskrepanz zwischen den italienischen Einwanderern in der Schweiz und in Deutschland konstatiert werden. Die italienischen Einwanderer in der Schweiz haben sehr positive Integrations- und Bildungserfolge aufzuweisen. Deswegen schließt Ulrike Schöneberg in ihrer vergleichenden Untersuchung: ”Bemerkenswert ist, daß ähnlich wie bei der 11 Schmidt/ Weick heben hervor, daß nur bei den Spaniern der Anteil derjenigen, die dauerhaft in der Bundesrepubik bleiben wollen, 1995 nicht zugenommen hat. Vgl. Schmidt/Weick, 1998, S. 3. 7 I. Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital aufenthaltsrechtlichen Absicherung die weitgehende rechtliche Gleichstellung der Italiener mit den Deutschen sich eher als integrations- bzw. assimilationshemmend auswirkt”.12 rigere Werte als die Türken auf. Schöneberg zweifelt angesichts dieser verwirrenden Ergebnisse daran, daß die Frankfurter Türken korrekt geantwortet hätten.14 Die Untersuchung selbst weist allerdings aus, daß die untersuchten Italiener im Raum Zürich sogar stärker hin- und herwandern als die Italiener in Frankfurt (28 gegenüber 22 Prozent).13 Die Dauer der Anwesenheit in Deutschland ist bei der italienischen Gruppe auch nicht derart niedrig, daß dies eine Erklärung für die Integrationsdefizite liefern könnte. Eine befriedigende Erklärung der Daten läßt sich also anhand von Erklärungen der nationalen Herkunft, des Alters der Einwanderung oder der kulturellen Nähe nicht finden. Auch Kriterien der Schulbildung oder der regionalen Herkunft geifen nicht. Sowohl die italienischen Einwanderer in der Schweiz wie die in Deutschland kommen ganz überwiegend aus Süditalien. Andererseits weisen der außerordentliche ökonomische Erfolg Italiens in den letzten Jahrzehnten ebenso wie die Daten für die Schweiz darauf hin, daß es unsinnig wäre, in essentialistischer Weise Defizite bei den Betroffenen zu suchen. Dies ist zu mechanistisch und nimmt die Betroffenen nur in einem Objektstatus in Betracht. Gleichwohl ist die Analyse der Gruppen- und ebenso der Bundesländerstrukturen gerade deswegen relevant, weil die strukturellen Unterschiede stabil und kontingent sind und über Jahrzehnte verfolgt werden können, auch wenn sich für alle Zuwanderergruppen insgesamt schrittweise Integrationsprozesse vollziehen. Aufenthaltsdauer der über 17 jährigen Ausländerinnen und Ausländer aus den ehemaligen Anwerbeländern nach Staatsangehörigkeit in NRW am 31.12.1995 (Anteile der jeweiligen Altersgruppe in %) Jahre Griechenland Italien ehem. Ju- Portugal goslawien Spanien Türkei unter 4 8,4 % 7,7 % 40,6 % 16,1 % 5,7 % 7,8 % 4- 5 6,6 % 3,1 % 9,4 % 6,2 % 1,8 % 5,1 % 6- 9 9,1 % 5,7 % 6,0 % 4,4 % 2,5 % 8,1 % 10 - 19 9,7 % 18,6 % 8,5 % 12,8 % 8,0 % 28,5 % über 19 66,2 % 64,9 % 35,4 % 60,4 % 82,0 % 50,6 % insgesamt 91.877 117.020 222.609 32.595 38.717 458.466 Quelle: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (Hrsg.), Ausländerinnen und Ausländer in Nordrhein-Westfalen. Zahlenspiegel 1996, Düsseldorf 1997, S. 101. Eine derartige Erklärung widerspräche auch den Zielen, die immer wieder für die oberen und mittleren Gesellschaftsschichten formuliert werden. Dort würde man Bewegungsfreiheit und Souveränität der Entscheidung über das eigene Schicksal zweifellos als produktiv und nicht als kontraproduktiv interpretieren, ebenso wie die Kenntnis mehrerer Sprachen. Die Idee der freien Bewegungsfreiheit des Einzelnen liegen genuin auch dem Liberalismus und der Marktwirtschaft zugrunde. Wäre sie richtig, so hätte dies weitreichende Folgen für unsere Gesellschaftstheorie. Für unseren Zusammenhang ist nun weiter die Feststellung wichtig, daß die zweite von Ulrike Schöneberg untersuchte Gruppe in der Schweiz, die Spanier, in der Untersuchung deutlich schlechter abschneidet als die Italiener in der Schweiz. Diese haben ein höheres Nettoeinkommen pro Kopf, eine weitaus bessere schweizerische Berufsausbildung und eine höhere Intermarriage-Rate als die Spanier. All dies ist zwangslos aus der längeren Anwesenheit der Italiener in der Schweiz zu erklären. Andererseits zeigen auch die Daten von Ulrike Schöneberg keine Entsprechung bei den beiden untersuchten Einwanderergruppen in Frankfurt, den Türken und Italienern. Trotz der längeren Anwesenheit weisen die befragten Frankfurter Italiener bei Einkommen und der Berufsbildung im Einwanderungsland nied- 5. Das soziale Kapital der Selbstorganisationen Schon in der Studie von Ulrike Schöneberg finden sich Aussagen, die auf eine große Relevanz von Kommunikationsprozessen innerhalb der verschiedenen Gruppen und eine hohe Organisationsdichte schließen lassen. Dabei zeigen sich gewichtige quantitative Unterschiede, die den Integrationserfolgen entsprechen. Erfolgreiche Gruppen weisen eine intensivere interne Kommunikation auf und sind vereinsmäßig höher organisiert.15 Allem Anschein nach ist die Intensität der Kommunikation innerhalb der Einwanderer-Gruppen sehr unterschiedlich. Versucht man die Organisationsraten für die Erwachsenen zu schätzen, so kommt man für die spanische und die griechische Gruppe in Deutschland für die achtziger Jahre auf etwa fünfzig Prozent. Bei den anderen Gruppen sind es geringere Werte, die aber gleichwohl noch beachtlich sind.16 Auch für frühere Migrationen ist Vereinsbildung und Organisation ein charakteristisches Merkmal gewesen. 12 Ulrike Schöneberg, 1982: Bestimmungsgründe der Integration und Assimilation ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz, in: Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz. Segregation und Integration: eine vergleichende Untersuchung, hg. von Hans-Joachim Hoffmann-Nowotny und Karl-Otto Hondrich, Frankfurt, S. 472. Ganz ähnlich gleichzeitig Barbara von Breitenbach, 1982: Italiener und Spanier als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, Mainz/München. 13 Vgl. ebd., S. 458 und 477. 14 Vgl. ebd., S. 460. 15 Vgl. ebd., S. 485f. 16 Dietrich Thränhardt, 1989: Patterns of Organization among Different Ethnic Minorities, in: New German Critique, Nr. 46, Special Issue on Minorities in German Culture, hrsg. von Russell A. Berman, Azade Seyhan und Arlene Akiko Teraoka, New York, S. 10-26. 8 I Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital Nach den Hinweisen, die sich aufgrund von Veröffentlichungen und aufgrund von Kontakten mit informierten Personen aus dem jeweiligen Umfeld ergeben, können die Profile der einzelnen Nationalitäten wie folgt charakterisiert werden: Effektive autonome Interessenartikulation: Der spanische Elternverband ist auf der Grundlage vorheriger lokaler Gründungen 1973 auf Bundesebene etabliert worden.17 Er konnte intensive staatliche und kirchliche Unterstützung gewinnen und setzte - zum Teil auch gegen deutsche Schulverwaltungen integrativen Unterricht und Hausaufgabenhilfe durch. In der Gründungszeit bestand eine weitgehende Einheit der Willensbildung, die sich aus der Opposition gegen das Franco-Regime speiste, das sich in der Endkrise befand. Die Beteiligten selbst sprechen in ironischer Umkehrung des offiziellen Wahlspruchs der spanischen Polizei „todos contra la patria“18. Auch Meinungsverschiedenheiten konnten die Interessenvertretung nach außen nicht beeinträchtigen. Der integrative Erfolg der spanischen Organisationen führt intergenerational in absehbarer Zeit zum Aufgehen der Gruppe in der deutschen Bevölkerung. Dies kommt zur Zeit darin zum Ausdruck, daß Seniorenvereine heute der Schwerpunkt der Aktivitäten sind. Die spanischen Vereine operieren unabhängig vom ursprünglichen Betreuungsverband und arbeiten mit unterschiedlichen Wohlfahrtsverbänden und anderen Institutionen zusammen. Heimatbezogene Einheitsverbände: Die Griechischen Gemeinden in Deutschland entstanden in Opposition gegen die Militärdiktatur.19 Nach deren Ende fungieren sie weitgehend als Einheitsverband, andere Organisationen sind bedeutungslos. Die Führungspositionen werden durch Wahlen anhand von Parteilisten bestimmt, was eine starke Beziehung der Organisationseliten auf die griechischen Parteien bedingt. „Nationale Schulen“ und bilinguale Kindergärten waren vielfach ein Ziel selbstbewußt formulierter Aktivitäten. Dies hat zu großer Geschlossenheit der griechischen Gruppe geführt, für die der Ausdruck „Einwandererkolonie“ angemessen ist. Trotz der Differenz des Konzepts ist der Bildungserfolg fast ebenso hoch wie bei der spanischen Gruppe, verbunden mit einer weitgehenden Aufrechterhaltung der Herkunfts-Identität. Klientelistische Politisierung der italienischen Vereine. Die italienische Regierung finanzierte von Anfang an Stellen zur Betreuung der italienischen Arbeitskräfte in Deutschland, und zwar für verschiedene italienische Organisationen (Associazione Cattolica Lavoratori Italiani, Gewerkschaften, Parteien). Damit gab es professionelle Organisationseliten, die an einem späteren Aufstieg im Heimatkontext orientiert waren und ehrenamtliche Eliten, die ebenfalls an diesen Kontext gebunden waren. Die italienischen Parteien hatten ein erhebliches Interesse an den Italienern im Ausland als Wählern. Die Wahlbeteiligung wurde durch die Freifahrten aus Anlaß der Wahlen gefördert. Insgesamt entstand so ein doppelter Klientelismus gegenüber dem Betreuungsverband und der Heimatpolitik, der die Formulierung eigenständiger Interessen eher behinderte. Dies kommt auch heute noch dadurch zum Ausdruck, daß die meisten Vereine der Italiener im Gegensatz zu denen der Spanier keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, sondern finanziell von der Caritas abhängig sind.20 Auch Kammerer resümiert entsprechend: “The reproduction of the Italian political mosaic seems to favour the links with Italy at the cost of a better collective interaction with German society.”21 Diese Struktur kontrastiert der in der Schweiz. Dort hat die italienische Einwanderung eine ältere historische Kontinuität und ist insbesonders durch die Tradition des antifaschistischen Exils geprägt, das intensiv mit der Arbeiterschaft verbunden war und sich gegen das Mussolini-Regime definierte. Kißler/Eckert konstatieren in einer lokalen Studie in einem Kölner Wohnviertel bei der Gruppe der Italiener eine „deutlich geringere interne Verpflechtung“ als bei der Gruppe der Türken.22 Dualismus bei den ehemaligen Jugoslawen: Schon vor dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens gab es bei der Betreuung ebenso wie in der Vereinsstruktur „jugoslawische“ Vereine mit engen Beziehungen zur damaligen Regierung und „kroatische“ Vereine mit engen Beziehungen zur Caritas.23 Dieser Dualismus führte zu einer starken Heimatorientierung und einem latenten Konflikt innerhalb der Gruppe, insbesondere da der kroatisch-katholische Nationalismus bei den Sozialberatern der Caritas stark ausgeprägt war. 17 Confederacion de las Associaciones de Padres de Familia e la RFA/ Bund der spanischen Elternvereine in der Bundesrepublik Deutschland, 1979: Lo que somos y hacemos/ Was wir sind, was wir tun, Bonn. Vgl. auch Barbara von Breitenbach, 1978: Der Spanische Elternverein als Mittel zur Willensbildung und Selbstbestimmung spanischer Arbeitsemigranten in der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden. 18 Interview mit dem “presidente fundador” der Elternvereinigung, Manuel Romano-Garcia, Dezember 1997. 19 Hans Schlumm, 1984: Eine neue Heimat in der Fremde. Die Entwicklung der griechischen Gastarbeiter zu Angehörigen einer Einwanderungsminorität in der Bundesrepublik, Frankfurt. 20 Hier handelt es sich bereits um ein Ergebnis der vorliegenden Studie. 21 Peter Kammerer 1991: Some problems of Italian immigrants’ organisations in the Federal Republic of Germany, in:(Hg.), Ethnicity, structured inequality, and the state in Canada and the Federal Republic of Germany, hg. von Robin Ostow, Jürgen Fijalkowski u.a., Frankfurt am Main u.a., S. 196. Eine Darstellung der Entwicklung bei: Edith Pichler, 1997: Migration, Community-Formierung und ethnische Ökonomie. Die italienischen Gewerbetreibenden in Berlin, Berlin, S. 41-46. 22 Mechtilde Kißler/Josef Eckert, 1990: Multikulturelle Gesellschaft und Urbanität - Die soziale Konstruktion eines innerstädtischen Wohnviertels aus figurationssoziologischer Sicht, in: Migration. A European Journal of International Migration and Ethnic Relations, S. 43-79. 23 Vgl. Dietrich Thränhardt, 1983: Ausländer im Dickicht der Verbände - Ein Beispiel verbandsgerechter Klientenselektion und korporatistischer Politikformulierung, in: Sozialarbeit und Ausländerpolitik, hg. von Franz Hamburger u.a., Neuwied 1983, S. 63 (Neue Praxis, Sonderheft 7). 9 I Einführung: Selbstorganisationen von Zuwanderern: Relevanz, Charakteristika und soziales Kapital Symbolischer Extremismus bei den Türken: Der Beginn der Einwanderung der Türken fiel mit der Zuspitzung der innenpolitischen Konflikte zusammen, der in den Militärputsch 1980 mündete. Zugleich wurde die Repression gegen die Kurden fortgeführt. Dies hatte zur Folge, daß Deutschland zum Austragungsort von in der Türkei unterdrückten Konflikten und zum Finanzierungsraum für politische Organisationen wurde.24 Ein weiterer Effekt dieser Situation war es, daß türkische Organisationen sich gegenseitig gegenüber der deutschen öffentlichen Meinung denunzierten und auf diese Weise Schreckbilder schufen, die bis heute weit über die faktische Relevanz hinaus lebendig geblieben sind, insbesondere das des „Grauen Wolfes“ und des „islamischen Fundamentalisten“. Dies trug tendenziell zur Stigmatisierung der Türken und Kurden bei. Einige der im Kontext der Einwanderung bis 1973 gegründete Gruppen sind nach wie vor existent, so etwa die „Griechischen Gemeinden“. Über die Organisationen selbst hinaus hat sich aber allem Anschein nach zu Beginn der Einwanderung eine Phase der Formierung ergeben, in der bestimmte Organisations- und Aktivitätsmuster entstanden, die dann in einem hohen Maß kontingent weiterwirkten. Vergleichbar sind diese Muster und Strukturen mit denen der Parteiensysteme, die seit dem Epoche machenden Aufsatz von Lipset und Rokkan als cleavage structures beschrieben worden sind. Solange sich keine grundlegenden Veränderungen ergeben, wirken solche Strukturen fort und entfalten eine hohe Eigendynamik. Münster, 18. Juli 1998 Dietrich Thränhardt Bemerkenswert ist die Kontinuität der Organisationsmuster der einzelnen Nationalitäten, obwohl immer wieder neue Organitionen entstanden sind. So ist bemerkenswert, daß sich bei den spanischen Einwanderern immer wieder der Typ der produktiv an Integrationsund Lebensproblemen arbeitende Gruppe zeigt, die sich mit der deutschen Umwelt auseinandersetzt, während die italienische und die griechische Gruppe stärker heimatbezogen operieren. Zum Teil sind auch bis heute die gleichen Aktivisten tätig. Wir können beispielsweise Persönlichkeiten identifizieren, die um 1970 einen Elternverein gegründet haben, sich in den achtziger Jahren in der Weiterbildung engagierten und in den neunziger Jahren einen Seniorenverein ins Leben gerufen haben. 24 Ahmet Sezer/ Dietrich Thränhardt, 1983: Türkische Organisationen in der Bundesrepublik, in: Karl-Heinz Maier-Braun/ Yüksel Pazarkaya (Hrsg.), Die Türken. Berichte und Informationen zum besseren Verständnis der Türken in Deutschland, Frankfurt, S. 119-154. 10 II. Bestandsaufnahme der Potentiale und Strukturen von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten mit Ausnahme der Selbstorganisationen türkischer, kurdischer, bosnischer und maghrebinischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten 1.1 Migrationshistorischer Überblick Deutschland ist ein Land mit einer weit zurückreichenden Einund Auswanderungstradition, wobei der Region des heutigen Nordrhein-Westfalen immer wieder eine bedeutende Rolle zukam. Bis ins 20. Jahrhundert hinein kann Deutschland als Auswanderungsland charakterisiert werden, allein in den Jahren zwischen 1830 und 1920 emigrierten über 5 Millionen Deutsche in Erwartung besserer ökonomischer Verhältnisse nach Amerika, nach Kanada oder nach Australien. Gleichermaßen kam es bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu bedeutenden Einwanderungsbewegungen. Aufgrund der hohen Beschäftigungsmöglichkeit in Bergbau und Industrie verfügte das Ruhrgebiet über beträchtliche Aufnahmekapazitäten und erwuchs schnell zu einem der bedeutendsten Aufnahmegebiete in Deutschland. Das bekannteste Beispiel ist die Einwanderung preußischer Staatsbürger mit polnischer Muttersprache, den sog. Ruhrpolen1, doch auch russische und italienische Migranten gehörten zu den ausländischen Arbeitskräften. Bezogen auf das Jahr 1914 wird die Anzahl fremdsprachiger Arbeiter im Ruhrgebiet zwischen 350.000 und 500.000 Personen geschätzt. Im ersten Weltkrieg wurden neben russisch-polnischen Saisonarbeitern auch Kriegsgefangene in der Kriegswirtschaft eingesetzt; ihre Anzahl wird in der Literatur auf über zwei Millionen beziffert. Im zweiten Weltkrieg wurden über sieben Millionen ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene zur Aufrechterhaltung der kriegswichtigen Produktion beschäftigt, wobei die Kriegsgefangenen unter oft menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden. Nach Kriegsende wurden die meisten nun als ‘displaced people’ bezeichneten Zwangsarbeiter in ihren Heimatländer repatriiert, zum Teil wanderten sie im Rahmen des von den Alliierten durchgeführten ‘resettlements’ nach Kanada, Australien, in die Vereinigten Staaten und nach Israel aus. Etwa 100.000 von ihnen blieben in Deutschland, vorwiegend in Nordrhein-Westfalen. Nach 1950 erklärte sich die Bundesrepublik für diesen Personenkreis zuständig und überführte ihn in den Rechtsbegriff ‘Heimatlose Ausländer’. Diesen Rechtsstatus haben sie in der Regel noch heute inne, der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vollzieht sich primär über Ehen mit Deutschen. Bis zum Bau der Mauer 1961 war Deutschland zudem durch starke Zuwanderungsbewegungen von Vertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten sowie von DDR-Flüchtlingen gekennzeichnet. 1960 betrug der Anteil der Zugewanderten mit 10 Millionen vertriebenen und 3 Millionen aus der DDR übergesiedelten Personen 24% der Gesamtbevölkerung.2 Demgegenüber blieb die Zuwanderung von Ausländern in den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik sehr gering; in den fünfziger Jahren betrug ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung weniger als 1%. Gleichzeitig verzeichnete die deutsche Wirtschaft einen starken Aufstieg. Mitte der fünfziger Jahre stand der in bestimmten Sektoren noch vorherrschenden Arbeitslosigkeit in anderen Branchen bereits ein Arbeitskräftemangel gegenüber; schon 1953/54 sprach sich der württembergische Bauernverband für die gezielte Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer aus; 1960 war das erste Jahr der Vollbeschäftigung im Sinne gewerkschaftlicher Zielvorstellungen. Um die prosperierende wirtschaftliche Entwicklung nicht zu behindern und um gleichzeitig den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte regulieren zu können, wurden schon bald bilaterale Anwerbevereinbarungen mit verschiedenen südeuropäischen und nordafrikanischen Staaten getroffen, denen die Vorstellung einer zeitlich befristeten Arbeitsaufnahme junger ausländischer Männer zugrunde lag, die nach dem Auslaufen ihrer Arbeitsverträge mit Ersparnissen und technischem Know-How wieder in ihre Heimat zurückkehren sollten: 1955 1960 1960 1961 1963 1964 1965 1968 Italien Spanien Griechenland Türkei Marokko Portugal Tunesien ehemaliges Jugoslawien 1 Vgl. Christoph Kleßmann, 1993: Einwanderungsprobleme im Auswanderungsland: das Beispiel der „Ruhrpolen“, in: Deutsche im Ausland, Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart, hg. von Klaus. J. Bade, München, Sonderauflage (künftig zitiert: Deutsche im Ausland - Fremde in Deutschland), S. 303-310. 2 Vgl. Dietrich Thränhardt/Renate Dieregsweiler/Bernhard Santel, 1994: Ausländerinnen und Ausländer in Nordrhein-Westfalen. Die Lebenslage der Menschen aus den ehemaligen Anwerbeländern und die Handlungsmöglichkeiten der Politik, Landessozialbericht Bd. 6, hg. vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf (künftig zitiert: Thränhardt/Dieregsweiler/Santel, 1994), S. 32-34, sowie Zuwanderung in Nordrhein-Westfalen. Situation, Perspektiven und Anforderungen an eine zukunftsorientierte Integrationspolitik, Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Zuwanderung“ der Landesregierung, hg. vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1995, S. 6f. 11 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Die Anwerbeverträge lagen im Interesse sowohl der deutschen Wirtschaft als auch der Anwerbestaaten, die hohe Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen hatten. Nicht zuletzt versprachen sich auch die Zuwanderer selber eine positive Lebensperspektive von ihrem vorübergehenden Arbeitsaufenthalt in Deutschland. Der zeitlich befristete Charakter der Einwanderung wurde anfangs sowohl von den ausländischen Arbeitnehmern selber wie auch von der deutschen Bevölkerung akzeptiert. Diese Haltung wurde insbesondere auch durch die schnelle Etablierung des nichtamtlichen Begriffs des „Gastarbeiters“ im öffentlichen Sprachgebrauch mehr als deutlich. Die Anwerbephase bis 1973 war durch einen kontinuierlichen Anstieg der Zahl ausländischer Beschäftigter gekennzeichnet, die nur in der Rezessionsphase 1966/67 unterbrochen wurde. Im Zuge dieses wirtschaftlichen Einbruchs verließen nahezu die Hälfte der angeworbenen Arbeitnehmer Deutschland, was die ihnen zugewiesene konjunkturelle Pufferfunktion sehr plastisch werden ließ. Bis 1973 erhöhte sich der Anteil der ausländischen Bevölkerung mit 4 Millionen Menschen auf 6,5% an der Gesamtbevölkerung. Dabei wurden die ausländischen Arbeitnehmer vorwiegend in Zentralbereichen der industriellen Produktion als un- und angelernte Arbeitskräfte eingesetzt. „Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit, die seit Jahrzehnten dauerhaft in der Bundesrepublik leben, ihre hier geborenen und aufgewachsenen Kinder oder sogar schon Enkel, sind im rechtlichen Sinne zwar zumeist nach wie vor Ausländer, aber doch längst nicht mehr Fremde mit deutscher Aufenthaltsgenehmigung, sondern Einheimische mit fremdem Paß. In Lebensformen, Mentalitäten und Selbstverständnis dominieren Zwischen- und Übergangsformen, die in der Diskussion um den multikulturellen Alltag der paradoxen Einwanderungssituation in Deutschland entsprechend paradox umschrieben werden als ‘einheimische Ausländer’, ‘ausländische Inländer’ bzw. ‘inländische Ausländer’ und als ‘ausländische Bindestrich-Deutsche’ in einem ‘Nicht-Einwanderungsland mit Einwanderern’.“3 Auch nach dem Anwerbestopp 1973 wuchs die ausländische Bevölkerung in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen immer mehr an. Zugenommen hat dabei insbesondere der Anteil asiatischer und afrikanischer sowie osteuropäischer Migranten. In NordrheinWestfalen leben derzeit Menschen mit über 180 verschiedenen Staatsangehörigkeiten.4 Der als Folge der ersten Ölkrise 1973 verhängte Anwerbestopp für ausländische Arbeitnehmer setzte dieser Entwicklung ein abruptes Ende. Gleichwohl bewirkte dieser Schritt entgegen seiner Intention keine Abnahme der Ausländerzahlen in Deutschland, sondern wirkte in Richtung einer Umschichtung der nationalen wie demographischen Struktur. Aufgrund der über die Römischen Verträge garantierten, bereits geltenden oder in Aussicht stehenden Freizügigkeit sowie der oft positiven wirtschaftlichen und politischen Entwicklung in den Herkunftsländern wanderten in den folgenden Jahren viele Arbeitnehmer aus EU-Ländern zurück, während die Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten häufig eher krisenhaften Entwicklungen in ihren Herkunftsländern gegenüberstanden und für sie im Fall einer Rückkehr die Wiedereinreise zum Zweck der Arbeitsaufnahme in der Regel nicht möglich war. Diese Gegebenheiten führten zunehmend zu einer Entscheidung für einen Daueraufenthalt in Deutschland, was einen verstärkten Familiennachzug zur Folge hatte. Somit veränderte sich die Struktur der ausländischen Bevölkerung zum einen in Richtung von Nicht-EU-Angehörigen, des weiteren stellte sich eine zunehmende Feminisierung und Verjüngung und somit eine Normalisierung der demographischen Situation ein. Die ausländische Bevölkerung näherte sich bezüglich Erwerbs-, Geschlechts- und Altersquote der einheimischen Bevölkerung immer mehr an. Auch bezüglich des Aufenthaltsstatus wurden immer festere Aufenthaltstitel erreicht, so daß mittlerweile eine rechtlich weitgehend gesicherte Aufenthaltssituation besteht. Der vorübergehende Aufenthalt ist für die Migranten zu einer echten Einwanderungssituation geworden, auch wenn diese seitens der Bundesregierung immer wieder dementiert wird: 3 Klaus J. Bade, 1993: Einheimische Ausländer: ‘Gastarbeiter’, Dauergäste, Einwanderer (künftig zitiert: Bade, 1993), in: Deutsche im Ausland - Fremde in Deutschland, S. 393-401, hier S. 398. 4 Vgl. Hans Dietrich Loeffelholz/Dietrich Thränhardt, 1996: Kosten der Nichtintegration ausländischer Zuwanderer, hg. vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, sowie Thränhardt/Dieregsweiler/Santel, 1994, S. 34-37. 12 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten 1.2 Aktuelle Bevölkerungssituation in Nordrhein-Westfalen Insgesamt leben 82 Millionen Menschen in Deutschland, von denen 9% oder 7,3 Millionen über keinen deutschen Paß verfügen. In Nordrhein Westfalen liegt der Anteil der Migranten mit 11% an der Gesamtbevölkerung leicht über dem Bundesdurchschnitt. Im Vergleich nach Bundesländern leben im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen mit fast 2 Millionen die meisten Migranten, im prozentualen Vergleich weisen neben den Stadtstaaten nur Hessen und Baden-Württemberg einen höheren Ausländeranteil auf. In bezug auf Herkunftsregionen sind Migranten europäischer Herkunft mit 84% am stärksten vertreten; außerdem leben in NRW zu 9% Migranten asiatischer und zu 5% Einwanderer afrikanischer Herkunft. Die deutlich größte Gruppe stellen mit 35% aller Migranten die Staatsangehörigen aus der Türkei, gefolgt von den Staatsbürgern Jugoslawiens, Italiens und Griechenlands. Insgesamt weisen Migranten aus 13 Nationalitäten über 30.000 Einwohner in Nordrhein-Westfalen auf. Bezogen auf unsere Untersuchung werden Migranten nordeuropäischer, nordamerikanischer, kanadischer, japanischer und australischer Herkunft nicht berücksichtigt. Somit gehen ca. 90% aller in Nordrhein-Westfalen erfaßten Einwanderer in die Gesamtstudie ein. Zudem fallen die Organisationen der statistisch nicht als Gruppe erfaßten Kurden sowie die Staatsangehörigen aus der Türkei, BosnienHerzegowina, Algerien, Marokko und Tunesien im Rahmen dieser Studie in den Bearbeitungsbereich des Zentrums für Türkeistudien. Bezüglich der Staatsbürger aus den Maghrebstaaten muß darauf verwiesen werden, daß sie zwar insgesamt nur einen recht geringen Anteil der in NRW ansässigen Migranten stellen, innerhalb der afrikanischen Bevölkerungsgruppe in NRW jedoch 60% ausmachen. Diese Einschränkung muß bei den folgenden Aussagen über Selbstorganisationen afrikanischer Herkunft berücksichtigt werden. Dabei liegt die Aufenthaltsdauer der meisten Migranten in Nordrhein-Westfalen sehr hoch: 56% der über 16-jährigen leben seit über 15 Jahren in Deutschland, weitere 6% sind bereits länger als 10 Jahre hier.5 Somit gehen in diesen Teil der Untersuchung 48% der Migranten ein, über deren Selbstorganisationen Aussagen getroffen werden sollen. Im folgenden beziehen sich alle Aussagen immer nur auf diesen für unsere Studie relevanten Bevölkerungsteil. * Staatsangehörige Kroatiens, Bosnien-Herzegowinas, Makedoniens und Sloweniens werden in der deutschen Statistik zum Teil noch als Jugoslawien gezählt. Quelle: MAGS (Hg.), 1997: Ausländerinnen und Ausländer in Nordrhein-Westfalen, Zahlenspiegel 1996 Düsseldorf sowie eigene Berechnungen 5 Es empfiehlt sich, in die Berechnung der Aufenthaltsdauer nur die über 16-jährigen Migranten einzurechnen, weil in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern mit ihrem Lebensalter in die Aufenthaltsstatistiken eingehen und somit die Gesamtaufenthaltsdauer stark drücken, obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt ihr ganzes Leben ausschließlich in Deutschland hatten. 13 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten 1.3 Entwicklungsgeschichte der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Es ist ein charakteristisches Merkmal für Einwanderungsländer, stetig mit neuen Verhaltensweisen, Wertvorstellungen und Lebensentwürfen konfrontiert zu werden, während sich parallel dazu Homogenisierungsprozesse vollziehen. Innerhalb dieser Dynamik wechseln die als besonders fremd erscheinenden Einwanderungsgruppen. Hier handelt es sich um eine Entwicklung, die auch in der deutschen Einwanderungsgeschichte nachvollzogen werden kann. So wurden Menschen aus den früheren europäischen Anwerbeländern als kulturell anders und fremdartig konstruiert, während sie der deutschen Bevölkerung gegenwärtig als kulturell nahestehend empfunden werden und die besondere Andersartigkeit auf jüngere Einwanderungsgruppen projiziert wird. In der Realität können die einzelnen Einwanderungsgruppen jedoch keineswegs als homogen betrachtet werden, vielmehr differenzieren auch sie sich durch Alter, Bildung, Beruf, Geschlecht, Familienstand, ökonomische Situation, Migrationsgrund etc.. Diese Verschiedenartigkeit impliziert unterschiedliche Möglichkeiten, sich in einer neuen Gesellschaft durch individuelle oder kollektive Selbsthilfe bzw. durch die Annahme fremder Unterstützungsangebote zurechtzufinden. Im Zusammenspiel mit den strukturellen Bedingungen des Einwanderungslandes bestimmen diese Möglichkeiten die Inhalte und Handlungsweisen der Netzwerke von Migranten und Migrantinnen, was in der Konkretion bedeutet, „daß sich beispielsweise die Netzwerke von Migranten, die als Werkvertragsarbeiter legal befristet auf Berliner Baustellen arbeiten (und vielleicht auch wohnen), anders zusammensetzen und andere Funktionen erfüllen als die Netzwerke von polnischen Frauen, die ohne Arbeitsund Aufenthaltsgenehmigung in privaten Haushalten als Putzfrauen tätig sind.“6 Netzwerke von Einwanderern können sich sowohl in formal bestehenden Vereinen und Organisationen ausdrücken als auch in informellen Beziehungen und communities von Migranten. Communities gibt es bei fast allen Einwanderungsgruppen; sie bieten auf der einen Seite informelle Strukturen im Einwanderungsland und reproduzieren zum anderen bereits im Herkunftsland bestehende Beziehungen.7 Eng verbunden mit den ethnischen Gemeinschaften sind häufig durch Kettenmigration entstandene segregierte Siedlungskolonien. Sie können jedoch nicht einseitig als bewußte Abkapselung von der Aufnahmegesellschaft bewertet werden, sondern ermöglichen den Neuzugewanderten durch die Stärkung der Binnenintegration auch die Voraussetzungen für eine positive Integration in die neue Gesellschaft und dienen somit als Indiz für einen echten Einwanderungsprozeß.8 Parallel zu der Herausbildung der auf informellen Kontakten beruhenden ethnic communities vollzog sich in Deutschland jedoch auch ein Prozeß der Gründung formaler Organisationen und Vereine. Schon die polnischen Einwanderer gründeten als Reaktion auf die seit 1890 verschärfte Germanisierungspolitik des preußischen Staates eigene Vereine, Kirchengemeinden und eine Gewerkschaft.9 Zudem übernahm die Caritas bereits im 19. Jahrhundert die Betreuung sowohl dieser als auch der italienischen Einwanderungsgruppe, 1896 wurde das erste „Italienische Arbeiter-Secretariat“ eingerichtet, das in der Folgezeit mehrere Büros eröffnete, die 1908 offiziell dem Caritas-Verband angegliedert wurden.10 Die Tradition der Betreuung durch die Wohlfahrtsverbände wurde mit der Massenanwerbung ausländischer Arbeitskräfte in den fünfziger und sechziger Jahren fortgesetzt, ohne jedoch gesetzlich oder durch Erlasse geregelt worden zu sein. Durch informelle Gespräche zwischen Vertretern des Staates und der Verbände wurden die Migranten nach ihrer Konfessionszugehörigkeit aufgeteilt, so daß sich die Zuständigkeit der Caritas auf italienische, spanische und portugiesische Migranten erstreckte, wobei sie auch jugoslawischen Staatsangehörigen Angebote machte. Dem Diakonischen Werk wurde vornehmlich die Betreuung der griechischen und der Arbeiterwohlfahrt die der türkischen, jugoslawischen, marokkanischen und tunesischen Einwanderer übertragen. „Die Verbände übernahmen die Betreuung, aber auch die Advokatenfunktion.“11 So waren die im Rahmen der Sozialbetreuung eingerichteten Treffpunkte und Vereine für Migranten inhaltlich häufig stark von den jeweiligen Trägern abhängig.12 Die Betroffenen wurden bei der Artikulation und der Lösung ihrer Probleme durch die Verbände in den ersten Jahrzehnten weitgehend ausgeschlossen, da eine institutionalisierte demokratisch legitimierte Interessenvertretung fehlte. Dieses Defizit fand seinen Niederschlag auch in der Gründung von Organisationen und Vereinen, die sich unabhängig von diesem fest verankerten und vom Staat finanziell subventionierten Betreuungssystem etablierten.13 Dabei handelt es sich um deutsche Initiativgruppen, um herkunftshomogene sowie um herkunftsheterogene Migrantenorganisationen. 6 Frauke Miera, 1997: Neue Polonia in Berlin?, in: WZB-Mitteilungen 75, März 1997, S. 18-21, hier S. 18. 7 Vgl. Brief des Vorsitzenden der Deutsch-Burundischen Gesellschaft, Ralf Buttermann, vom 7. Juni 1997 an die Autorin dieser Studie. 8 Vgl. Bade, 1993, S. 397. Kontrovers diskutiert bei Rosemarie Sackmann, 1997: Migranten und Aufnahmegesellschaften, in: Zuwanderung und Stadtentwicklung, hg. von Hartmut Häußermann und Ingrid Oswald, Leviathan Sonderheft Nr. 17 (künftig zitiert: Zuwanderung und Stadtentwicklung), S. 42-59, bes. S. 47-51. 9 Zur Dialektik zwischen Separierung und Integration der polnischen Netzwerke vgl. Walter Siebel, 1997: Die Stadt und ihre Zuwanderer, in: Zuwanderung und Stadtentwicklung, S. 30-41, bes. S. 36f. 10 Vgl. 100 Jahre Sozialberatung für Italiener, in: Informationsdienst der Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 4/1996, S. 1. 11 Dietrich Thränhardt, 1993: Marginalisierung, Klientelisierung, Bürgerrechte. Die Unterschiede des Sozialstatus und der Vereinigung neuer Minderheiten in Europa, in: Intermediäre Nonprofit-Organisationen in einem Neuen Europa, hg. von Rudolph Bauer, Rheinfelden/Berlin, S. 155-163, hier S. 161. 12 Zur Bedeutung des Systems der Ausländer-Sozialberatung vgl. auch Kap. 3.4: Zugehörigkeit zu Dachverbänden. 13 Vgl. Martin Breuer, 1984: Ausländer-Betreuung und Ausländer-Selbsthilfe in Nordrhein-Westfalen (künftig zitiert: Breuer, 1984), in: Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden. Eine vergleichende Bestandsaufnahme, hg. von Dietrich Thränhardt, Bocholt (künftig zitiert: Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden), S.164-185, hier S. 174. 14 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten 1.3.1 Deutsche Initiativgruppen Zu Beginn der Anwerbung lebten die eingereisten ausländischen Arbeitskräfte oft unter menschenunwürdigen Bedingungen, wobei sie anfangs über keine Strukturen zur Ausbildung einer effektiven Interessenvertretung zur Verbesserung ihrer Situation verfügten. Gleichzeitig wurde diese Gruppe seitens der deutschen Mehrheitsbevölkerung vielfach nur unter wirtschaftlichen ‘Verwertungsgesichtspunkten’ wahrgenommen, was eine Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben zur Folge hatte. In dieser Situation gründeten sich vielerorts deutsche Initiativgruppen, die die alltägliche Situation der angeworbenen Migranten und ihrer nachgezogenen Familien zum Anknüpfungspunkt ihrer Arbeit nahmen. Hier lagen in der Regel keine formalen Verknüpfungen mit Wohlfahrtsverbänden, Kirchen oder anderen etablierten Trägern vor, vielmehr handelte es sich mehrheitlich um selbstverwaltete Gruppen oder kleinere Vereine. Innerhalb des Initiativbereichs können zwei verschiedene Formen differenziert werden. Zum einen waren humanistisch-idealistische Gründe für das Engagement ausschlaggebend; Migranten sollten bei ihren Problemen Hilfsangebote erhalten. Die thematischen Schwerpunkte dieser Initiativen bezogen sich in der Regel auf außerschulische Hilfestellungen für die Kinder, auf Unterstützungsangebote im Arbeits- und Wohnbereich, auf Beratungen bezüglich juristischer Fragestellungen sowie auf eine Verbesserung des kulturellen Austausches zwischen den Migranten und der deutschen Bevölkerung. In das vorherrschende Subsidiaritätssystem eingebettet, wurde staatliche und wohlfahrtsverbandliche Sozialarbeit durch diese Initiativen teilweise substituiert, weiterhin trugen Defizitbereiche der staatlichen Sozialpolitik vor allem im Kindergarten- und Schulbereich zur Gründung der Initiativen bei. Durch Arbeit von Deutschen für Migranten sollten sprachliche und schulische Defizite behoben und ausgeglichen sowie Eingliederungshilfen initiiert werden. Erfolge dieser Kampagne lagen sicherlich in einer Sensibilisierung breiter Bevölkerungsschichten für die Situation der Migranten wie in der tatsächlichen Unterstützung der Betroffenen bei vielen Alltagsproblemen. Gleichzeitig waren diese Initiativen häufig durch eine starke Diskontinuität geprägt. Wesentlich für das Scheitern vieler Initiativen war jedoch auch die fehlende Integration der Zielgruppen selbst in diese Bewegung, so daß auch hier der Betreuungsaspekt gegenüber der Emanzipation im Vordergrund stand. An diesem Punkt setzt die Arbeit der zweiten Form der deutschen Initiativgruppen an, die sich durch eine gleichberechtigte Initiativpolitik von Einheimischen und Zuwanderer sowie durch die Unterstützung der Selbsthilfebestrebungen letzterer auszeichnet. Die Initiativarbeit für Migranten entwickelte sich zu einer Zusammenarbeit, in deren Verlauf zum einen Professionalisierungsbestrebungen in Richtung einer Etablierung fester Anlaufstellen sowie der Einstellung von Fachpersonal deutlich wurden, zum anderen aber auch inhaltliche Ausdifferenzierungen vorgenommen wurden, so daß sich bestimmte Initiativen mit ihren Angeboten auf konkrete Zielgruppen wie Kinder, Jugendliche, Frauen oder Erwerbstätige konzentrierten. Weiterhin ist diese Form der gleichberechtigten Kooperation durch eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit sowie eine zunehmende Politisierung gekennzeichnet.14 Einige dieser Organisationen verloren im Laufe der Zeit ihren deutschen Initiativcharakter und konnten sich sowohl personell als auch strukturell zu Migrantenorganisationen entwickeln. 1.3.2 Herkunftshomogene Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Neben dem Engagement im öffentlich geförderten System der Ausländer-Sozialarbeit oder innerhalb des deutschen Initiativbereichs bildeten sich sehr schnell eigene Migrantenorganisationen heraus, die aufgrund der Sprachkenntnisse und kulturellen Eigenarten, aber auch aufgrund ihrer Ausgrenzung aus dem deutschen Organisationssystem in der Regel herkunftshomogen strukturiert waren. In den 70er Jahren hatten alle größeren Migrantengruppen aus der Anwerbezeit ihr Organisationswesen etabliert. In diesem Prozeß weisen die Einwanderer unterschiedlicher ethnischer Herkunft auch eine jeweils unterschiedliche Organisationsgeschichte auf, die im folgenden exemplarisch beleuchtet werden soll. Migrantinnen und Migranten aus Italien Als Angehörige des Staates, der als erster ein bilaterales Anwerbeabkommen mit Deutschland geschlossen hatte, entwickelten die Italiener eine Organisationsstruktur, die bereits sehr früh eine enge Anbindung an die Katholischen Italienischen Missionen aufwies, aus der der Emigrantenverband FAIEG hervorging. Daneben dominierte eine Vereinslandschaft, die durch einen festen Bezug zum italienischen Parteien- und Gewerkschaftswesen gekennzeichnet und in nur geringem Maße auf die Situation in der Einwanderungsgesellschaft ausgerichtet war.15 Migrantinnen und Migranten aus Spanien Demgegenüber waren die Bestrebungen der Organisationen der spanischen Einwanderer sehr früh auf eine effektive Interessenvertretung in Deutschland ausgerichtet. Zwischen 1960 und 1967 bildeten sich von der Caritas geförderte Zentren mit religiösem Hintergrund, politische Vereinigungen, die entweder unter der Schirmherrschaft des spanischen Konsulates standen oder von oppositionellen Parteien und Gewerkschaften organisiert wurden, sowie Sportvereinigungen heraus. Seit 1967 entstand jedoch eine Basisbewegung, die sich auf der einen Seite gegen die Franco-Diktatur formierte, die aber gleichzeitig gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen thematisierte und gegen sie vorging. Erste bundesweite Vernetzungen konnten bei den Kindergeldaktivitäten Mitte der 70er Jahre konstatiert werden. Im Zuge einer verstärkten Familienzusammenführung trat der Einwandererstatus immer stärker in den Vordergrund, insbesondere durch die Defizitanalyse für spanische Kinder im deutschen 14 Vgl. Rolf-D. Haug, 1985: Initiativgruppen in der Ausländerarbeit und Selbstorganisation der Ausländer. Verbreitung, Bedeutung, Möglichkeiten, in: Ausländerpolitik und Ausländerintegration in Belgien, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Dietrich Thränhardt (künftig zitiert: Ausländerpolitik und Ausländerintegration in Belgien, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland), S. 103-129, hier. S. 104-108. 15 Zur Organisationsgeschichte der Migranten italienischer Herkunft vgl. Kapitel 3.3: Rechtsform. Vgl. auch Ursula Apitzsch, 1980: Italienische Emigrantengruppen in der BRD. Klientel der Sozialbetreuung oder Selbstorganisation?, in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit, Nr. 4, S. 81f. 15 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Bildungssystem.16 Konsequenz dieser Erkenntnis war die Gründung der spanischen Elternvereine, die sich zum Teil direkt als Basisorganisationen formierten. Um in Deutschland sowohl gegenüber dem Herkunftsland als auch gegenüber der Bundesrepublik durch eine legitimierte Interessenvertretung repräsentiert zu werden, zielten weitere Bestrebungen auf die Koordination der einzelnen Vereine auf Bundesebene. Durch die Gründung des Bundesverbandes der spanischen Elternvereine sowie des Bundesverbandes spanischer sozialer und kultureller Zentren, deren Orientierung vornehmlich auf die Situation in Deutschland ausgerichtet war, wurde eine koordinierte Interessenvertretung der Migranten gegenüber offiziellen Stellen erreicht.17 Migrantinnen und Migranten aus Griechenland Ein Element der griechischen Tradition besteht darin, selbst bei dauerhafter Auswanderung möglichst an der nationalen und kulturellen Identität festzuhalten. Dieses Bewußtsein wird auch in den Organisationsbestrebungen der nach Deutschland eingewanderten Migranten deutlich. Die griechischen Einwanderer haben sich relativ schnell in verschiedensten Organisationen und Vereinen organisiert. Bereits 1961 wurden die ersten Arbeitergemeinden gegründet, die sich ihrem Selbstverständnis nach auch als tatsächliche Arbeitergemeinden verstanden und somit ihre Hauptziele auf die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen legten. Insofern war eine Zusammenarbeit mit deutschen Gewerkschaften in den ersten Jahren von zentraler Bedeutung. Bereits 1965 schlossen sich die Arbeitergemeinden in einem großen Dachverband zusammen, dem Verband der Griechischen Gemeinden in der BRD (OEK), was zur Folge hatte, daß sich die ehemaligen Arbeitergemeinden fortan als nationale Gemeinden definierten, auch wenn der faktische Bezug zu Arbeitnehmerinteressen vielerorts erhalten blieb. Wenige Monate nach der Gründung der OEK setzte König Konstantin in einem Palastputsch den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Papandreou ab, wodurch der Weg zur Diktatur geebnet wurde. Die neue reaktionärmonarchistische Regierung überwachte die Aktivisten der Griechischen Gemeinden sowie deren Aktivitäten von Anfang an. Während der Diktatur distanzierten sich die einzelnen griechischen Gemeinden ebenso wie ihr Dachverband offiziell vom griechischen Regime. Regime-loyale Gruppen organisierten sich im Verband der Griechen in Deutschland, der nach dem Sturz der Diktatur jedoch stark an Bedeutung verlor, wohingegen der Verband der Griechischen Gemeinden durch einen erneuten Massenzulauf gekennzeichnet war. Innerhalb der Verbandsführung wurden in der Folgezeit die in Griechenland stattfindende Parteienkonkurrenz zwischen Konflikten von Anhängern der orthodox-kommunistischen Gruppen der KKE und den PASOK-orientierten Vereinigungen reproduziert. Neben den parteipolitischen Auseinandersetzungen geriet in der griechischen Einwanderungsgruppe die schulische Integrationspolitik zu einem zentralen Streitthema. Während alle Parteien Griechenlands, die griechische Regierung und auch die OEK die Einrichtung griechischer Nationalschulen forderten, stieß dieses Bildungskonzept auf den erbitterten Widerstand verschiedener griechischer Elterninitiativen, die sich entsprechend dem spanischen Modell für die volle Integration ihrer Kinder in das deutsche Schulwesen einsetzten. Diese Kontroversen führten neben den innergriechischen ebenfalls zu spürbaren Spannungen zwischen deutschen Institutionen und der OEK. Neben den Griechischen Gemeinden, deren Dachverband nach aktuellen Angaben 124 Mitgliedsorganisationen umfaßt, was auf seine Dominanz unter den griechischen Organisationen schließen läßt, haben sich weitere Vereine herausgebildet, die nach regionalen Kriterien sowie nach funktionsspezifischen und zielgruppenorientierten Merkmalen differenziert sind.18 Migrantinnen und Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien Die Migranten jugoslawischer Herkunft waren seitens ihres Herkunftsstaates dazu angehalten worden, sich nicht in die innenpolitischen Angelegenheiten der Bundesrepublik zu mischen, wodurch eine klare Interessenartikulation von vornherein gehemmt war. Der Hauptgrund dafür war, daß die jugoslawische Regierung ihre Staatsbürger als einen Bestandteil der jugoslawischen Arbeiterschaft definierte, somit stärker als alle anderen Herkunftsstaaten auf deren Rückkehr setzte und in diesem Sinne auf den Erhalt ihrer Integrität und ihrer nationalen Identität drängte. Aufgrund mangelnder Angebote seitens der Aufnahmegesellschaft, die den Erhalt der kulturellen Gewohnheiten und vorhandene Remigrationsabsichten stärken, waren die jugoslawischen Einwanderer vorwiegend auf sich selbst bzw. die Integrationspolitik Jugoslawiens angewiesen. Diese organisierten auf der einen Seite zahlreiche mündliche, schriftliche und audiovisuelle Möglichkeiten, den im Ausland beschäftigten Staatsangehörigen Entwicklungen im Heimatland zu übermitteln. Gleichzeitig unterstützte der jugoslawische Staat Basisorganisationen, womit er den Migranten ermöglichte, ihre Isolation zu überwinden. Gleichermaßen erhöhte sich somit seine potentielle Einflußnahme auf die Ausgestaltung der Aktivitäten, die sich vornehmlich auf den Bereich der Erhaltung der kulturellen Identität bezogen. 16 Hierzu vgl. auch Kap. 3.3: Rechtsform. 17 Vgl. Andres Delgado, 1980: Auf dem Weg zu einer selbständigen Emigrantenorganisation, in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit, Nr. 4, S. 68-71. 18 Vgl. Die griechischen Gemeinden in der BRD, in: Informationdienst zur Ausländerarbeit, 4/1980, S. 71-74; Hans B. Schlumm, 1984: Die Griechischen Gemeinden: Organisationsform einer Minderheit in Deutschland, in: Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden, S. 186-201; Jürgen Puskeppeleit/ Dietrich Thränhardt, 1990: Vom betreuten Ausländer zum gleichberechtigten Bürger. Perspektiven der Beratung und Sozialarbeit, der Selbsthilfe und Artikulation und der Organisation und Integration der eingewanderten Ausländer aus den Anwerbestaaten in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg, (künftig zitiert: Puskeppeleit/Thränhardt, 1990), S. 156-158. 16 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Eine Schwierigkeit in dem Prozeß der Organisationsbildung war die Anforderung an die Vereine, ein einheitliches Bild der jugoslawischen Staatsangehörigen zu vermitteln, um latente Nationalitätenkonflikte zu überdecken. Hier knüpfte die Tatsache, daß die Caritas vornehmlich für die jugoslawischen Staatsbürger kroatischer Volkszugehörigkeit Angebote machte, an ein bestehendes Konfliktpotential des Vielvölkerstaats an, welches unter den Migranten in Deutschland somit zusätzlich verschärft wurde.19 In der Folge des Krieges im ehemaligen Jugoslawien sind nur wenige Organisationen übriggeblieben, die die verschiedenen Staatsangehörigen vereinen. Die meisten Migranten haben sich in national ausgerichteten Vereinen organisiert, wobei die früher gesamtjugoslawischen Zusammenschlüsse nun vornehmlich als serbisch/montenegrinische Organisationen weitergeführt werden. Exemplarisch für die Organisationsgeschichte der Einwanderungsgruppen, die nicht aus den ursprünglichen Anwerbeländern kommen, soll im folgenden näher auf die Zusammenschlüsse der Migranten koreanischer sowie iranischer Herkunft eingegangen werden. Migrantinnen und Migranten aus dem Iran Einwanderungen iranischer Staatsbürger nach Deutschland sind zum Teil schon aus dem ersten Weltkrieg bekannt, wobei eine kontinuierliche Zuwanderung vornehmlich iranischer Studierender erst seit den fünfziger Jahren, größere Einwanderungsbewegungen vor allem religiös oder politisch Verfolgter nach der Revolution 1979 zu verzeichnen sind. Selbsthilfebestrebungen waren innerhalb der iranischen Exilcommunity sehr wichtig, soziale und politische Netzwerke boten eine große Hilfe bei der Neuorientierung in der Einwanderungsgesellschaft. Zu unterscheiden sind hier die politischen Organisationen, die Kulturvereine sowie die Frauenorganisationen. Die politischen Organisationen haben sich seit Anfang der 90er Jahre zu zersplittern begonnen. Differenziert werden müssen die ‘Heimatorientierten’, die als Monarchisten, Volksmojahedin oder Vertreter linker Splittergruppen primär auf eine Veränderung des politischen Systems im Iran hinarbeiten, die ‘Internationalisten’, die ihre Aktivitäten sowohl auf Geschehnisse im Iran als auch in Deutschland richten, und die Flüchtlingsgruppen, die ihre Angebote auf die rechtlichen und sozialen Belange der iranischen Flüchtlinge in Deutschland orientieren. Die Kulturvereine sind durch die Bestrebung geprägt, ihre Heimatkultur zu erhalten und weiterzuentwickeln; sie beschäftigen sich vornehmlich mit iranischem Theater sowie mit Literatur und Musik. Bei den Frauenorganisationen handelt es sich um eine Vielzahl selbstorganisierter Gruppierungen, die thematisch sehr unterschiedliche Schwerpunkte haben. Die kritische Auseinandersetzung mit der zunehmenden Islamisierung im Iran bildete den Hintergrund für die ersten Frauengruppen. Anfang der achtziger Jahre wurde die Dachorganisation Autonome Iranische Frauenbewegung im Ausland gegründet, die zum einen die ungenügende Behandlung der Frauenfrage insbesondere innerhalb der marxistisch-leninistischen Widerstandsbewegung kritisierte und zum anderen versuchte, aus dem Exil heraus gegen die frauenfeindliche Politik der islamischen Regierung vorzugehen. Die Bewegung spaltete sich in einen sozialistischen und in einen feministischen Flügel, der sich vorwiegend mit der Situation von Flüchtlingsfrauen in Deutschland auseinandersetzt. Daneben existieren zahlreiche unabhängige kulturelle und politische Frauenorganisationen.20 Migrantinnen und Migranten aus Korea Die Organisationen der Zuwanderer koreanischer Herkunft lassen sich zum einen in solche Vereinigungen differenzieren, deren Arbeit von offiziellen koreanischen Stellen begrüßt und unterstützt wird. Hier handelt es sich um Koreaner-Vereine, Berufsvereine (Bergarbeiter und Krankenschwestern), um Sportvereine sowie um Wohlfahrtsvereine. Weiterhin existieren von koreanischen Stellen unabhängig arbeitende Zusammenschlüsse, so die koreanischen evangelischen Kirchengemeinden, politisch-oppositionelle Organisationen, koreanische Schulen, kulturelle Vereinigungen und Frauengruppen. Der Korea-Verband ist eine koreanisch-deutsche Selbstorganisation und hat keine weiteren Untergruppen. Keine dieser Gruppen arbeitet ausschließlich auf das Herkunftsland oder ausschließlich auf Deutschland bezogen, gleichermaßen sind ihre jeweiligen Orientierungen unterschiedlich stark ausgeprägt, wobei sich die Frauenorganisationen innerhalb des koreanischen Netzwerkes durch eine besonders starke Ausrichtung auf die Einwanderungsgesellschaft auszeichnen. Alle Vereinigungen haben jedoch dazu beigetragen, den Integrationsprozeß der Koreaner in Deutschland zu fördern, wenn nicht erst zu ermöglichen.21 Bei allen herkunftshomogen ausgerichteten Organisationen läßt sich jedoch beobachten, daß sie sich nicht nur bezüglich ihrer Orientierung zunehmend auf die Einwanderungsgesellschaft einlassen, sondern daß sie sich auch bezüglich ihrer Mitgliederstruktur öffnen. So ist es keine Seltenheit, daß Angebote auch für Angehörige anderer ethnischer Herkunft zugänglich sind und Vereinskontakte auch außerhalb der eigenen Gruppe explizit gewünscht und herbeigeführt werden. 19 Vgl. Petar Pusic, 1980: Jugoslawen in der Bundesrepublik Deutschland: Zwischen Desinteresse und Rückkehrwilligkeit, in: Informationdienst zur Ausländerarbeit, Nr. 4, S. 75-79, sowie Breuer, 1984, S. 183f. 20 Vgl. Tahereh Agha, 1997: Lebensentwürfe im Exil. Biographische Verarbeitung der Fluchtmigration iranischer Frauen in Deutschland, Frankfurt/M./New York, bes. S. 58-72. 21 Vgl. Jung-Sook Yoo, 1997: „Woher kommen Sie wirklich?“ Interessenvertretung durch Selbstorganisationen. Das Erscheinungsbild der Migration am Beispiel koreanischer Migrantinnen und Migranten, in: Sozial Extra, Nr. 7/8, S. 13f. 17 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten 1.3.3 Herkunftsheterogene Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Herkunftsheterogene Organisationen sind zum größten Teil aus deutschen Initiativgruppen hervorgegangen, haben sich daneben aufgrund der Notwendigkeit einer gemeinsamen Interessenvertretung aller Einwanderer auf verschiedenen Ebenen jedoch auch eigenständig gegründet. Dabei handelt es sich sowohl um den Zusammenschluß von Individuen unterschiedlicher Nationalität als auch um ein Bündnis verschiedener herkunftshomogener Vereinigungen. Als erster Versuch einer multikulturellen Dachorganisation wurde 1976 das Internationale Forum ausländischer Arbeitnehmervereinigungen gegründet, zu deren Mitgliedern gleichermaßen europäische, asiatische und afrikanische Organisationen gehörten. Seine Arbeitsschwerpunkte lagen primär im Bereich der Verbesserung sozialer und politischer Rahmenbedingungen in Deutschland. Konkret benannt wurden die Unterstützung der Kooperation von Migrantenorganisationen sowie ihrer Einzelaktivitäten, die Förderung der Beziehungen zur deutschen Bevölkerung und ihren Organisationen, die Erarbeitung und Veröffentlichung gemeinsamer Stellungnahmen sowie die Solidarisierung mit einzelnen Arbeitnehmern im Fall politischer Verfolgung. Trotz seiner integrativen Ansätze und einer ideellen Unterstützung durch das Europäische Parlament wurde die Organisation seitens der deutschen Migrationsszene kaum beachtet.22 Nachfolgeorganisation des Forums ist die auch heute noch existierende Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in der Bundesrepublik (BAGIV), die nach anfänglicher Nichtbeachtung zunehmend auch durch offizielle Stellen wahrgenommen wird. 1.4 Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in der deutschen Öffentlichkeit In der deutschen Öffentlichkeit unterlagen die Selbstorganisationen im Laufe der Zeit verschiedenen Wahrnehmungen. In der Anfangsphase konzentrierte sich die öffentliche Perzeption von Migrantengruppen vornehmlich auf die Hervorhebung extremer politischer Bestrebungen, insbesondere der Gefahr der kommunistischen Infiltration. Später wurden nationalistische Bestrebungen vor allem in Gestalt der „Grauen Wölfe“ und fundamentalistische Gefahren breit diskutiert. Eine weitere Phase ist gekennzeichnet durch den Versuch, die Einwandererorganisationen nicht nur nicht auszugrenzen, sondern ihre Leistung anzuerkennen und zu unterstützen. Sie wurden in ihrer positiven Funktion herausgestellt, Kontakte zur Aufnahmegesellschaft zu schaffen und integrativ zu wirken. Während ihre freizeitund kulturspezifischen Leistungen Anerkennung fanden, wurde ihr Beitrag zur sozialen Beratung jedoch weitgehend ignoriert. Gleichzeitig wurden ihnen kaum politische Partizipationsrechte zugestanden. Vielmehr fungierten auf kommunaler Ebene weiterhin die Sozialberater der Betreuungsverbände als Interessenvertretung der ausländischen Bevölkerung. In den Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen wurde Selbstorganisationen auch politisch ein höherer Stellenwert eingeräumt, wenn auch aus unterschiedlichen Motivationen und mit unterschiedlichen Wirkungen.23 Im Rahmen der rot-grünen Koalitionsvereinbarungen wird den Selbstorganisationen von Migranten auch seitens der nordrheinwestfälischen Landesregierung eine größere Bedeutung zugemessen. Explizit enthält die Koalitionsvereinbarung den Punkt der Unterstützung von Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen.24 Diese Entscheidung wird der Kenntnis gerecht, daß Vereine soziale Netzwerke sind, die eine gesellschaftliche Integrationsfunktion ausüben, auch wenn Integration kein explizites Ziel der jeweiligen Organisation ist. Sie erleichtern eine Orientierung in der Aufnahmegesellschaft, was die erhöhte Nutzung der in ihr bestehenden Chancen impliziert. So wirken auf der einen Seite das Recht, kulturelle Traditionen zu pflegen, weiterzuentwickeln und in das Gemeinwesen einzubringen, gleichzeitig mit dem Recht, vollständige Gleichheit zu den Deutschen zu genießen und auch am deutschen Organisationssystem partizipieren zu können. Erst beide Aspekte zusammen ergeben eine gleichberechtigte Mitwirkung und eine produktive gegenseitige Integration. Insofern steht die Förderung der Selbstorganisationen von Migranten einer Politik der Gleichberechtigung nicht entgegen, sondern ist ihr sinnvolles Korrelat. Mit der erstmalig von den Wohlfahrtsverbänden abgekoppelten finanziellen Förderung von Selbstorganisationen ist ein deutliches Zeichen gesetzt in Richtung Akzeptanz der eigenen Artikulation von Interessen durch die Betroffenen selbst. Das Fördervorhaben wird durch die vorliegende wissenschaftliche Begleitstudie flankiert, bei der es sich nicht um eine Defizitforschung handelt, sondern bei der Migranten und Migrantinnen mit ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und Leistungen im Mittelpunkt stehen. Im folgenden soll die dieser Untersuchung zugrundeliegende Definition des Begriffs „Selbstorganisation“ näher dargelegt werden. 22 Vgl. Puskeppeleit/Thränhardt, 1990, S. 159-162. 23 Einen fundierten Überblick bieten Puskeppeleit/Thränhardt, 1990, S. 163-180 sowie S. 195-220. 24 „Insgesamt soll die Selbstorganisation von Migrantinnen und Migranten gestärkt werden.“ Koalitionsvereinbarung zwischen der NRW-SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Punkt 2.3.10. 18 1. Einwanderungsgeschichtlicher Überblick und Entwicklung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten 1.5 Definition des Begriffs Selbstorganisation von Migrantinnen und Migranten im Rahmen dieser Studie Generell wird unter einer Selbstorganisation der freiwillige Zusammenschluß von Personen zu Gruppen verstanden, um bestimmte gemeinsame eigene Ziele zu verfolgen25; die entsprechenden Gruppen bieten solidarische Formen der „gesellschaftlichen Bearbeitung sozialer Probleme“26. Diese Definition ist grundlegend für die möglichst umfassende Bestandsaufnahme von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten, sie erscheint uns im Hinblick auf die Erfassung des Integrationspotentials jedoch zu unspezifisch. Bezüglich des genannten Untersuchungsmerkmals konkretisieren wir den Begriff der Selbstorganisation in Anlehnung an das Selbsthilfekonzept. Unterscheiden wir zwischen privater (oder individueller) und sozialer Selbsthilfe, so gehören Selbstorganisationen in unserem Sinne eher in das Konzept der sozialen Selbsthilfe. Während private Selbsthilfe die Aktivität von Gruppen kennzeichnet, deren Mitglieder sich zusammentun, um ausschließlich sich selbst zu helfen, betreffen die Aktivitäten sozialer Selbsthilfe einen größeren Kreis von Betroffenen, zu dem die Gruppenmitglieder allerdings auch selbst gehören. Die gemeinsame autonome Bestimmung von Lebensbedingungen, die über die Verfolgung bloß privater Interessen hinausgeht, steht im Zentrum der Bemühungen.27 Für den sozialen Selbsthilfebereich sind somit drei Wirkungsebenen konstitutiv: der Kampf um das konkrete Sachziel, die eigene politische Resozialisation, durch die Handlungsalternativen deutlich werden und das eigene Selbstbewußtsein gefördert wird, sowie die Weitergabe der erlangten Erkenntnisse durch Öffentlichkeitsarbeit.28 Innerhalb der etablierten Systematik fallen Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in den Bereich der diskriminierten Gruppen. Die Herauslösung der Menschen aus traditionellen Milieus macht eine Einbindung in neue Zusammenhänge notwendig. Hier steht die Überforderung durch die gegebenen Lebensverhältnisse einer Versorgungslücke im Angebot professionell-staatlicher Leistungssysteme gegenüber, was zu eigenen Organisationsbestrebungen führt. Dem Selbstverständnis der Migrantenselbstorganisationen steht der Empowerment-Ansatz wohl am nächsten: Hier ist die Gewinnung von Kontrolle und die Ermöglichung der Gestaltung der eigenen Lebensumstände konzeptionelle Zielsetzung.29 Diese Zielsetzung folgt aus den rechtlichen Bedingungen und der gesellschaftlichen Marginalisierung von Migranten und Migrantinnen einerseits, andererseits kann durch diese Konzeption eine erhöhte Integration durch Handlungsfähigkeit und Partizipation erreicht werden. Denn gesellschaftliche Mitwirkung und politische Mitbestimmung sind Grundpfeiler der Demokratie und binden die Individuen positiv an die Gesellschaft, in der sie leben. Soziale Selbsthilfebestrebungen bemühen sich häufig um sehr spezifische Themen und Anliegen. Dabei wird aber generell individuelle Handlungskompetenz gestärkt, wodurch eine wesentliche Voraussetzung für kollektive Artikulations- und Interessenvertretungsstrategien geschaffen wird.30 Als Interessenvertretung der eigenen Klientel reichen Selbstorganisationen von Migranten somit jedoch häufig über den sozialen Selbsthilfebereich hinaus. Diese Form der Integrationsförderung kann durch professionelle Dienste nicht substituiert werden, wodurch die Notwendigkeit der Förderung der Selbstorganisationen von Migranten erneut deutlich wird. Bei der Unterteilung zwischen herkunftshomogenen und herkunftsheterogenen Organisationen haben wir folgende Differenzierungsmerkmale gewählt: * Organisationen, bei denen mindestens 80% der Mitglieder einer ethnischen Herkunft sind, gelten als herkunftshomogen. * Organisationen, die auch Mitglieder deutscher Herkunft haben, gelten in den Fällen als herkunftshomogen, in denen die Migranten einer gemeinsamen ethnischen Herkunft und Mitglieder deutscher Herkunft mindestens 80% ausmachen. In allen anderen Fällen werden die Organisationen als herkunftsheterogen in die Auswertung aufgenommen. * Organisationen, deren Mitglieder zu über 60% deutscher Herkunft sind, werden nicht in die Auswertung aufgenommen. Die einzige Ausnahme bildet hier die Initiative Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland, bei der deutsche Mitglieder zwar deutlich überwiegen, deren Lebensrealität als schwarze Deutsche aber in bezug auf Diskriminierung und Benachteiligung mit den Erfahrungen von Migranten vergleichbar ist. Insgesamt ist darauf hinzuweisen, daß bei der Erfassung nicht die aktuelle Staatsangehörigkeit, sondern die ethnische Selbstdefinition als ausschlaggebendes Merkmal gewertet wurde. Aufgrund dieser Eingrenzungen haben wir einzelne Vereine nicht in die Untersuchung einbezogen und ihnen ihre Unterlagen zurückgesandt, da sie nach unserem Verständnis nicht mehr als Selbstorganisation von Migranten bewertet werden können. Gleichermaßen möchten wir betonen, daß wir auch ihre Arbeit wertschätzen und für wichtig erachten. Auch wenn diese Organisationen nicht zum Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie gehören, möchten wir uns bei ihnen für ihr Engagement und das uns entgegengebrachte Vertrauen bedanken. 25 Vgl. Thomas Wex, 1995: Selbsthilfe und Gesellschaft, in: Was Selbsthilfe leistet. Ökonomische Wirkungen und sozialpolitische Bewertung, hg. von Hans Dietrich Engelhardt u.a., Freiburg, S. 13-41, hier S. 17. 26 Christoph Sachße, 1993: Subsidiarität, in: SelbstHilfe. Ein einführendes Lesebuch, hg. von C. Wolfgang Müller, Weinheim/Basel (künftig zitiert: SelbstHilfe), S. 63-67, hier S. 66. 27 Vgl. Brigitte Runge/Fritz Vilmar, 1993: Was Soziale Selbsthilfe ist. Vielgestalt und wachsende Bedeutung, in SelbstHilfe, S. 41-62, hier S. 41-43. 28 Vgl. Christian Marzahn, 1993: Partizipation und Selbsthilfe, in: SelbstHilfe, S. 17-25, hier S. 22. 29 Vgl. Norbert Wohlfahrt/Helmut Breitkopf, 1995: Selbsthilfegruppen und Soziale Arbeit. Eine Einführung für soziale Berufe, Freiburg, S. 35. 30 Vgl. Rolf G. Heinze/Josef Hilbert, 1993: Selbsthilfe und ehrenamtliches Engagement, in: SelbstHilfe, S. 31-40, hier S. 34. 19 2. Vorgehensweise 2.1 Bestandsaufnahme Am Anfang der Studie stand die Bestandsaufnahme der in Nordrhein-Westfalen ansässigen Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten. Für diese Phase wurde die bereits dargelegte möglichst weite Definition von Selbstorganisationen gewählt. Bei der Erfassung konnte auf eine bereits durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen durchgeführte Umfrage bei den Wohlfahrtsverbänden bezüglich der bei ihnen angeschlossenen Selbstorganisationen zurückgegriffenen werden. Diese Liste der Zusammenschlüsse wurde ergänzt durch nochmalige Anschreiben an einzelne Verbände, die nicht geantwortet hatten, sowie durch Nachfragen an die jeweils vor Ort zuständigen Personen, wenn Angaben über Anschriften der den Wohlfahrtsverbänden angehörigen Selbstorganisationen nur unzureichend vorhanden waren. Um zudem die nicht an Wohlfahrtsverbände angeschlossenen Organisationen in die Studie aufnehmen zu können, wurden zusätzlich weitere Institutionen befragt. Dieser Schritt soll einerseits eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme gewährleisten, des weiteren wird hiermit dem eigentlichen Sinn der der Studie zugrunde liegenden politischen Entscheidung entsprochen, Migrantenorganisationen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu den etablierten Wohlfahrtsverbänden finanziell zu fördern. Wir haben themenspezifische Literatur ausgewertet31 und uns sowohl an offizielle als auch an selbstorganisierte Institutionen und Vereinigungen gewandt. Zu nennen sind zum einen die offiziellen Vertretungen der Herkunftsländer bzw. Volksgruppen der jeweiligen Migranten, also die Botschaften und Konsulate sowie die offiziellen Generaldelegationen. Diese verfügen offensichtlich über recht unterschiedliche Kenntnisse bezüglich der Vereinigungen ihrer Staatsangehörigen; während uns einige Vertretungen nahezu vollständige Vereinslisten zusandten, waren andere Botschaften entweder nicht in der Lage oder nicht dazu bereit, uns die gewünschten Auskünfte zu übermitteln. Doch scheint hier nicht nur der Kenntnisstand der einzelnen Ländervertretungen, sondern auch das jeweilige Interesse an den Ergebnissen sehr unterschiedlich zu sein. So kam es in einem Fall vor, daß ausdrücklich keine Angaben über Organisationen gemacht wurden, deren Mitglieder zu einer Volksgruppe gehören, die im Herkunftsland gegen das offizielle Regime opponiert, während wir gleichzeitig dazu aufgefordert wurden, der Botschaft über ermittelte Vereinsadressen Auskunft zu geben. Hier ist im Umgang mit Datenmaterialien sicherlich große Vorsicht geboten, um die Angehörigen dieser Organisationen keinen Nachteilen oder gar Repressionen auszusetzen. Neben den Botschaften und Konsulaten waren die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Ausländer sowie die kommunalen Ausländerbeauftragten und -koordinatoren, Ausländerbüros, Beratungs- und Koordinierungsstellen für ausländische Mitbürger etc. von Bedeutung. Die Umfrage ist seitens der kommunalen Stellen jedoch nur auf schwache Resonanz gestoßen. Offensichtlich spiegelt sich die nur geringe Kenntnis und Akzeptanz öffentlicher Stellen gegenüber Selbstorganisationen von Migranten in diesem Antwortverhalten wider. Eine Ausnahme bilden hier die Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien in NRW (RAA), die sich durch eine sehr differenzierte Kenntnis der Vereinslandschaft auszeichnen. Zwar traten auch hier große Unterschiede zutage, gleichermaßen waren die Antworten insgesamt jedoch durch einen recht guten Gesamtüberblick gekennzeichnet. Von der Gewerkschaftsseite aus haben nur wenige Stellen auf unsere Anfrage reagiert. Hier waren Kenntnisse jenseits statistischen Datenmaterials zum jeweiligen Gewerkschaftszweig in der Regel nicht verfügbar. Weiterhin traten wir in Kontakt zu deutsch-ausländischen Gesellschaften. Von dieser Seite aus wurde nur selten auf unsere Anfrage eingegangen. Aus den wenigen Antworten läßt sich jedoch herleiten, daß die deutsch-ausländischen Gesellschaften nicht in jedem Fall Mitglieder fremder Herkunft haben und daß ein Großteil von ihnen auch nicht mit Selbstorganisationen von Migranten kooperiert, da eine solche Zusammenarbeit auch nicht immer auf das Selbstverständnis der Gesellschaften trifft. In mehreren Rückschreiben wurde jedoch auf weitere Gruppen oder Einzelpersonen als kompetente Ansprechpartner bezüglich unserer Fragestellung verwiesen und in Einzelfällen wurden auch fundierte Stellungnahmen zur Situation der Selbstorganisationen bestimmter Zuwanderungsgruppen in NRW abgegeben. Als Basisorganisationen schrieben wir zum einen die Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte NRW (LAGA) sowie die kommunalen Ausländerbeiräte an. Hier war der Rücklauf insgesamt zwar deutlich höher als bei den zuvor genannten Institutionen, lag aber dennoch unter unseren Erwartungen. Es ist schwer zu beurteilen, ob die Ausländerbeiräte, die auf unsere Anfrage nicht reagiert haben, der Studie - etwa aufgrund von Befürchtungen einer Instrumentalisierung der Angaben - grundsätzlich distanziert gegenüberstehen, oder ob sie tatsächlich über keine Kenntnisse der Selbstorganisationen vor Ort verfügen. Ein weiterer Erklärungsansatz kann darin liegen, daß viele Ausländerbeiräte aufgrund der demographischen Verhältnisse häufig von türkischen Gruppen und Einzelpersonen dominiert sind, so daß unter Umständen auch stärkere Kontakte zu Selbstorganisationen von Migranten türkischer Herkunft bestehen, die jedoch nicht zu unserem Untersuchungsbereich gehören. 31 Allerweltshaus Köln (Hg.), 1997: Afrika - Netzwerk NRW und Euregio. Ein Adressenverzeichnis für Nordrhein-Westfalen und die Umgebung von Liège/Maastricht/Aachen, Köln; Burkhard Herbote, 1997, 2. Aufl.: Handbuch für deutsch-internationale Beziehungen. Verzeichnis deutscher und ausländischer Vertretungen, Verbindungsbüros und Informationsstellen aus den Bereichen Politik, Außenwirtschaft und Banken, Kulturaustausch, Medien, Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe, Wissenschaft und Forschung, Bd. 1-3, München; S. Balimo Jalloh, 1994: Sierra Leone (Landesbericht), Bergisch-Gladbach; Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, Sozialamt/Presseamt (Hg.), 1997: Multikultureller Wegweiser, Bonn; Oberbürgermeister der Stadt Herne, Gleichstellungsstelle, 1996: Wegweiser für Migrantinnen in Herne, Herne. 20 2. Vorgehensweise Weitere Ansprechpartner waren Dachverbände von Migrantenorganisationen, Menschenrechtsorganisationen, wissenschaftliche Einrichtungen, Initiativgruppen im Migrations,- Flüchtlings-, Selbsthilfe- und Eine-Welt-Bereich, Beratungsstellen, Antirassismusgruppen sowie engagierte Einzelpersonen. Einen wesentlichen Beitrag haben zudem die Selbstorganisationen selbst geliefert, indem sie uns vielfach auf weitere ihnen bekannte Gruppen und Vereine hingewiesen haben. Besonders hier sind wir auch auf kleine und weniger etablierte Zusammenschlüsse aufmerksam geworden. Ihnen allen sei an dieser Stelle für Ihre Bemühungen und Kooperation noch einmal ganz herzlich gedankt. Am Ende der Erhebungsphase haben sich die uns neu zugegangenen Angaben über Selbstorganisationen von Migranten mit unseren bereits vorhandenen Daten weitgehend gedeckt; nur selten konnte die Liste noch um zusätzliche Vereine erweitert werden. Somit gehen wir davon aus, einen großen Teil der Zusammenschlüsse von Migranten und Migrantinnen erfaßt zu haben, auch wenn wir nicht ausschließen können, daß verschiedene Selbstorganisationen in NRW nicht in diese Studie eingegangen sind, da wir über ihre Existenz keine Kenntnis haben. 2.2 Datenerhebung Nach der Erfassung der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW sollen sowohl quantitative als auch qualitative Aussagen über sie getroffen werden. Zu diesem Zweck wurde an alle Organisationen ein Fragebogen mit sowohl geschlossenen als auch offenen Fragestellungen geschickt, des weiteren wurden vereinzelt Tiefeninterviews geführt. Angesichts der Tatsache, daß es sich hier um die erste empirische Studie handelt, die Selbstorganisationen von Migranten in Nordrhein-Westfalen zum Untersuchungsgegenstand hat, werden grundlegende Daten abgefragt. Durch die Studie soll ein erster Einblick in die Organisationsform und Wirkungsweise der Zusammenschlüsse gegeben werden; ebenso sollen Aussagen darüber getroffen werden, welche unterstützenden Maßnahmen seitens des Landes von den Selbstorganisationen als hilfreich eingestuft werden. Die in den Fragebögen gemachten Angaben werden als maßgeblich erachtet und durch keine weiteren Nachforschungen kontrolliert. Somit basieren alle Ergebnisse dieser Studie auf Eigenaussagen. Die Form der schriftlichen Befragung haben wir gewählt, da den Organisationen durch diese Art mehr Zeit zur Beantwortung der Fragen gegeben wird. Es war wichtig, den Zeitfaktor zu berücksichtigen, da sich häufig Vorstandsmitglieder oder andere aktive Mitarbeiter getroffen haben, um den Fragebogen gemeinsam auszufüllen. Anders als bei Umfragen an Individuen war hier häufig ein hohes Maß an Abstimmung notwendig, um das Vereinsprofil genau zu treffen. So kann durch die postalische Befragung ein konzentrierteres und in seiner Genauigkeit exakteres Antwortverhalten angenommen werden als in einer mündlichen Befragungssituation. Der Nachteil einer schriftlichen Befragung, spontane Antworten nur relativ schlecht ermitteln zu können, war in diesem Fall nebensächlich, da die Umfrage nicht primär auf Überzeugungseinstellungen ausgerichtet war. Als problematisch angesehen werden muß jedoch die der schriftlichen Befragung implizite höhere Rücklaufquote bei Personen mit Erfahrung im Umgang mit schriftlich fixierten Medien. Hier können Verzerrungseffekte insbesondere aufgrund des unterschiedlichen Bildungsstands und Sprachniveaus der Mitglieder der einzelnen Organisationen nicht ausgeschlossen werden. Dieser Exklusionseffekt wird über das als überdurchschnittlich hoch angenommene thematische Interesse bei den Befragten jedoch reduziert. Zusätzlich haben wir diesen Effekt durch möglichst viele geschlossene Fragestellungen zu begrenzen versucht. Hier handelt es sich sowohl um Fragestellungen mit einer Alternativenvorgabe (ja/ nein) als auch um solche mit einer Mehrfachvorgabe mit der Möglichkeit zur Mehrfachnennung ohne Rangfolge. Ergänzt wurden diese Fragen häufig mit einem abschließenden offenen Frageteil, in dem die Antwort entweder exemplarisch konkretisiert werden sollte oder in dem für nicht vorgegebene Antwortmöglichkeiten Platz geboten wurde (Hybridfrage). Ausschließlich bei den Fragen nach dem Grund für eine Angebotsorientierung auf Deutschland bzw. auf das Herkunftsland und zum anderen nach möglichen Unterstützungsmaßnahmen seitens des Landes NRW für Selbstorganisationen von Migranten wurden vollständig offene Fragestellungen gewählt, da die Antworten der Befragten hier unter keinen Umständen bereits durch Antwortvorgaben vorstrukturiert werden sollten. Diese Antworten sollten tatsächlich möglichst nah am Einstellungsrahmen des Befragten angesiedelt und möglichst wenig von außen beeinflußt sein. Zusätzlich zu der allgemeinen standardisierten Fragebogenumfrage wurden nach ausgewählten Arbeitsbereichen Tiefeninterviews geführt. Vorrangiges Ziel war hier nicht, eine möglichst große Gleichheit der Interviewsituationen herbeizuführen, um die Ergebnisse in bezug auf konkrete Fragestellungen miteinander vergleichen zu können. Hier sollte vielmehr die in der Vielschichtigkeit gesellschaftlicher Realitäten bestehende Diversifikation der Selbstorganisationen exemplarisch verdeutlicht werden. Dementsprechend wurde der standardisierten auch eine wenig strukturierte Interviewsituation vorgezogen und die Form des explorativen Interviews gewählt.32 32 Zur Methodik vgl. auch Rainer Schnell, Paul B. Hill und Elke Esser, 1995: Methoden der empirischen Sozialforschung, 5. überarb. und erw. Aufl., S. 297-386. 21 2. Vorgehensweise Insgesamt ist die Untersuchung bei den Befragten auf eine sehr positive Resonanz gestoßen. Häufig wurde die Hoffnung geäußert, durch die verstärkte Aufmerksamkeit seitens der Landesregierung gegenüber Selbstorganisationen in Zukunft mehr Beachtung zu finden, ernst genommen und in den politischen Meinungsbildungsprozeß integriert zu werden. Wichtig sei jetzt allerdings, den Prozeß zu forcieren und nicht abbrechen zu lassen. Neben diesen positiven Reaktionen wurden aber auch Zweifel und Mißtrauen geäußert sowie Befürchtungen darüber, für politische Zwecke vereinnahmt zu werden. Ebenso wurde auch Skepsis gegenüber öffentlichen Instanzen deutlich gemacht sowie die daraus resultierende Haltung, Energien lieber in eigene Aktivitäten zu lenken, da von außerhalb perspektivisch keine Unterstützung zu erwarten sei. Die meisten Organisationen mit dieser Grundeinstellung werden auf unsere Anschreiben nicht reagiert haben, vereinzelt wurden diese Bedenken jedoch auch konkret geäußert. Die folgenden Auszüge aus einem Brief an uns sowie aus einem Fragebogen können für diese resignierte Haltung exemplarisch angeführt werden: „Über 50 Jahre kommunistischer Diktatur hat kein Forschungsinstitut irgendeinen politischen Kreis dazu bewegen können, sich um Rumänien zu kümmern. Die Zeit der schweren Politik in Rumänien ist vorbei, aber das Land wird mit 22 vielen anderen Problemen konfrontiert, und in dieser Situation besteht überhaupt kein Bedarf für Forschung und Fragebögen“ oder „Pauschal sind alle dabei zu helfen. Wenn es aber in der Praxis darauf ankommt, kneifen sie (...) Selbst Sie nehmen uns mit diesem Fragebogen Zeit weg. Alle unsere Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich ohne jegliches Honorar. Nicht einmal ihre Unkosten werden erstattet, weil unser Verein nicht in der finanziellen Lage ist, auch geringere Beiträge an unsere Helfer zu zahlen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, uns in Zukunft in Ruhe zu lassen. Weitere Fragebögen werde ich für Sie nicht mehr ausfüllen.“ Angesichts dieser realen Situation ist es sicherlich sehr wichtig, den Kontakt zu den Migrantenorganisationen zu stabilisieren. Die Initiative des Landes, auf die Selbstorganisationen zuzugehen, kann als eine vertrauensbildende Maßnahme bewertet werden, die im Falle einer fehlenden Fortsetzung jedoch Enttäuschung hervorrufen kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht allein eine finanzielle Förderung, sondern auch die glaubwürdige Vermittlung der Überzeugung, Selbstorganisationen und ihre Vertreter als Experten im Migrationsbereich anzuerkennen und ihre Aussagen im Diskurs über die Entwicklung migrationspolitischer Perspektiven ernst zu nehmen und zu berücksichtigen. 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform 3.1 Gesamtheit der erfaßten Organisationen Insgesamt konnten für die Migrantengruppen, die in diesen Teil der Studie eingehen, 952 Selbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen erfaßt werden. Diese Selbstorganisationen entsprechen den bereits zugrunde gelegten Kriterien und müssen aufgrund der nicht beanstandeten postalischen Zustellung unserer Schreiben als existente Vereinsadressen betrachtet werden. Dabei können Organisationen aus insgesamt 64 Herkunftsgebieten bzw. von nicht an ein Staatsgebiet gebundene ethnische oder herkunftsheterogene Minderheitengruppen differenziert werden. Insgesamt entfallen 89% aller Selbstorganisationen auf herkunftshomogene und 11% auf herkunftsheterogene Zusammenschlüsse. 64% allerVereinigungen werden von Migranten europäischer Herkunft, 15% von Migranten asiatischer Herkunft, 8,5% von Migranten afrikanischer und 1,5% von Migranten lateinamerikanischer Herkunft gebildet. Somit machen die Organisationen von Migranten europäischer Herkunft fast 2/3 aller Selbstorganisationen aus, wobei zudem berücksichtigt werden muß, daß auch die herkunftsheterogenen Organisationen ebenfalls häufig von Einwanderern europäischer Herkunft geprägt sind. Weiterhin muß darauf hingewiesen werden, daß in den Fällen, in denen Migrantenvereinigungen zwar nicht nach ethnischen oder nationalstaatlichen Kriterien organisiert sind, sich aber dennoch auf Regionen oder Kontinente beziehen, die entsprechenden Zuordnungen vorgenommen werden. Konkret handelt es sich hier um gesamtafrikanische, gesamtasiatische, gesamtarabische und gesamtlateinamerikanische Vereine. Ebenfalls werden die auf das ehemalige Jugoslawien bezogenen Organisationen zwar als herkunftsheterogen, gleichermaßen aber als europäisch betrachtet. Die nach Kontinenten differenzierten Herkunftsgebiete weisen eine ausgesprochene Vielfältigkeit auf. Während sich die Organisationen der Migranten europäischer Herkunft, die 64% an allen Vereinigungen ausmachen, auf nur 15 Herkunftsregionen verteilen, sind die Organisationen aus dem afrikanischen und asiatischen Raum mit 20 bzw. 21 Herkunftsgebieten sehr viel stärker aufgefächert. Asien Europa 144 609 Org. abs. Org. % Herkunftsland / ethnische Zugehörigkeit Org. abs. Org. % Org. % des Kon- an tinents allen 82 23 28 2,4 Togo 9 11 0,9 Kongo (Ex-Zaire) 8 10 0,8 Somalia 7 9 0,7 Äthiopien 5 6 0,5 Ägypten 4 5 0,4 Angola 4 5 0,4 Kamerun 4 5 0,4 Nigeria 4 5 0,4 Äquatorial-Guinea 2 23 2 0,2 0,2 2 0,2 Elfenbeinküste 1 1 0,1 Guinea 1 1 0,1 Guinea-Bissau 1 1 0,1 Kongo (Brazaville) 1 1 0,1 Liberia 1 1 0,1 Mosambik 1 1 0,1 Namibia 1 1 0,1 Sierra Leone 1 1 0,1 Indien 19 13 2,0 Korea 17 12 1,8 Vietnam 15 10 1,6 Iran 14 10 1,5 Tamilisch 14 10 1,5 Armenisch 9 6 0,9 Assyrisch 7 5 0,7 Philippinen 7 5 0,7 Aramäisch 6 4 0,6 Gesamtarabisch 6 4 0,6 China 6 4 0,6 Afghanistan 6 4 0,6 Pakistan 4 3 0,4 Palästinensisch 4 3 0,4 Gesamtasiatisch 3 2 0,3 Libanon 2 1 0,2 Indonesien 1 1 0,1 Irak 1 1 0,1 Kambodscha 1 1 0,1 Laos 1 1 0,1 Thailand 1 1 0,1 Griechenland Lateinamerika 15 152 25 15,9 Spanien 93 15 9,8 Italien 82 13 8,6 Portugal 74 12 7,8 Serbien u. Montenegro 74 12 7,8 Kroatien 41 7 4,3 Polen 27 4 2,8 Makedonien 22 4 2,3 Albanisch 21 3 2,2 Slowenien 10 2 1,1 ehem. Jugoslawien 5 0,8 0,5 Roma 3 0,5 0,3 Ungarn 3 0,5 0,3 Osteuropäisch 1 0,2 0,1 Rumänien 1 0,2 0,1 Gesamtlateinamerikanisch 6 40 0,6 Brasilien 2 13 0,2 Chile 2 13 0,2 Peru 2 13 0,2 Argentinien 1 7 0,1 1,6 8,6 Gesamtafrikanisch 2 2 64,0 Herkunftshomogene Organisationen Afrika 2 Ghana 15,1 Gesamtzahl der erfaßten Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen in NRW nach Herkunftskontinent und Herkunftsland Herkunftskontinent Eritrea Bolivien 1 7 0,1 Karibisch 1 7 0,1 102 100 10,7 Herkunftsheterogene Organisationen Herkunftsheterogen 102 10,7 Herkunftsheterogen Quelle: eigene Berechnungen 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform Bezüglich der Frage, ob die Bildung von Selbstorganisationen eher mit einer hohen Anzahl oder mit einem hohen Anteil von Migranten korreliert, können keine signifikanten Zusammenhänge konstatiert werden. So weisen zwar fast alle Kreise und kreisfreien Städte mit über 40 Selbstorganisationen mehr als 20.000 Zuwanderer auf, die zu den für diese Studie relevanten Bevölkerungsgruppen gehören33; daneben gibt es jedoch viele weitere Kreise und kreisfreie Städte mit einer entsprechenden oder höheren Zahl an Einwanderern, die wesentlich weniger Organisationen haben. Bezüglich des prozentualen Anteils der Migranten in Kreisen und kreisfreien Städten mit mehr als 40 Selbstorganisationen lassen sich gar keine Übereinstimmungen feststellen: Hier schwankt der Wert zwischen 7 und 12%. Andersherum haben Migranten in Kreisen und kreisfreien Städten, in denen nur zwischen 1 und 3 Selbstorganisationen erfaßt wurden, in keinem Fall einen über 5% liegenden Anteil an der Gesamtbevölkerung; gleichzeitig gibt es Einheiten mit einem ähnlich niedrigen Bevölkerungsanteil, in dem wesentlich mehr Selbstorganisationen existieren. Somit können weder der Bevölkerungsanteil noch die absolute Zahl von Migranten in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt allein als signifikantes Korrelat für die Bildung von Selbstorganisationen ausgemacht werden. Insgesamt ist die Anzahl der Selbstorganisationen von Migranten jedoch nicht unabhängig von den beiden Kategorien Bevölkerungsanzahl und Bevölkerungsanteil. So deckt sich die regionale Verteilung der Selbstorganisationen in NRW auch in etwa mit der regionalen Verteilung der nichtdeutschen Bevölkerung. Insbesondere im Ruhrgebiet sowie entlang der Rheinschiene befindet sich ein Großteil der erfaßten Selbstorganisationen. Besonders viele Zusammenschlüsse haben wir mit 109 Selbstorganisationen in Köln erfaßt, gefolgt von Dortmund (52) und Düsseldorf (47). Demgegenüber sind in den Regierungsbezirken Detmold und Münster sowie im Sauerland und in Ostwestfalen-Lippe nur sehr wenige Selbstorganisationen ansässig. Hier schlägt sich der Umstand nieder, daß diese Gebiete insgesamt weniger stark bevölkert sind und zudem einen durchschnittlich geringeren Anteil an Zuwanderern haben. Ausnahmen bilden die Städte Bielefeld und Münster, die mit 44 bzw. 43 Selbstorganisationen gemessen an der Bevölkerungsstruktur nicht nur für den jeweiligen Regierungsbezirk, sondern auch landesweit überdurchschnittlich viele Zusammenschlüsse aufweisen. Anzahl von Selbstorganisationen in Kreisen/kreisfreien Städten in Relation zu Anzahl und Anteil der MigrantInnen Regierungs- Kreisfreie Stadt/Kreis bezirk Migranten in % am 31.12.1995 insgesamt Düsseldorf untersuchte Bev.gruppen* Migranten abs. am 31.12.1995 insgesamt untersuchte Bev.gruppen* Düsseldorf 19,2 85.328 47 Duisburg 17,4 7,1 93.212 37.895 21 9,7 6,3 59.499 38.828 36 14,1 8,3 35.186 20.739 17 Essen Krefeld 14,9 109.447 Selbstorganisationen Mönchengladbach 10,9 6,8 29.105 18.229 9,5 5,9 16.684 10.396 9 11,1 6,1 24.833 13.661 24 Remscheid 18,0 10,3 21.947 12.645 9 Solingen 15,2 9,9 25.235 16.383 11 Wuppertal 14,9 10,1 56.858 38.500 20 Kreis Kleve 8,2 6,9 23.588 19.892 4 Kreis Mettmann 12,1 8,1 61.243 40.852 26 Kreis Neuss 12,0 8,0 52.268 34.652 12 Kreis Viersen 7,5 5,5 21.585 15.745 9 Kreis Wesel 9,4 5,3 43.713 24.484 16 23 Mülheim/Ruhr Oberhausen Köln Aachen 13,4 9,5 33.335 23.648 Bonn 13,9 10,9 40.630 31.785 43 Köln 20,5 12,0 197.898 115.454 109 Leverkusen 12,1 8,7 19.647 14.166 Kreis Aachen 10,4 6,2 31.371 18.776 9 Kreis Düren 8,2 5,2 21.136 13.525 6 12 Erftkreis Münster 10,6 6,5 46.672 28.833 5,4 4,5 9.870 8.115 1 Kreis Heinsberg 8,2 5,6 19.529 13.295 7 Oberbergischer Kreis 8,6 5,4 24.247 15.206 4 Rheinisch-Bergischer Kreis 9,9 7,1 26.649 19.106 14 Rhein-Sieg-Kreis 8,9 6,1 48.688 33.353 11 Bottrop 8,9 4,1 10.737 4.917 2 14,3 5,3 41.494 15.547 15 7,8 6,8 20.731 18.088 43 13 Münster Arnsberg 11 Kreis Euskirchen Gelsenkirchen Detmold 23 Kreis Borken 6,5 4,9 22.117 16.773 Kreis Coesfeld 4,1 3,4 8.338 6.777 1 Kreis Recklinghausen 9,7 4,5 64.215 29.936 15 Kreis Steinfurt 5,4 3,9 22.388 16.196 11 Kreis Warendorf 8,4 4,5 22.767 12.193 10 13,2 7,3 42.668 23.498 44 Kreis Gütersloh 9,2 5,3 30.112 17.383 35 Kreis Herford 7,8 4,3 19.506 10.800 3 Kreis Höxter 4,4 2,9 6.757 4.440 3 Kreis Lippe 6,4 3,9 23.121 14.066 8 Kreis MindenLübbecke 5,4 4,0 17.113 12.710 9 Kreis Paderborn 6,8 4,7 18.767 12.956 17 Bielefeld 9,3 5,5 37.250 22.124 19 Dortmund Bochum 12,4 7,1 74.009 42.670 52 Hagen 14,7 9,0 31.063 19.170 11 Hamm 11,0 4,1 20.113 7.475 3 Herne 13,0 4,9 23.442 8.741 3 Ennepe-Ruhr-Kreis 9,6 6,5 33.739 22.910 12 Hochsauerlandkreis 7,7 5,8 21.821 16.440 20 Märkischer Kreis Kreis Olpe 12,5 7,6 57.451 35.043 18 8,0 5,6 11.059 7.688 7 23 Kreis SiegenWittgenstein 8,9 6,1 26.626 18.343 Kreis Soest 7,2 5,9 21.648 17.718 9 Kreis Unna 8,9 3,9 37.531 16.659 12 Quelle: MAGS (Hg), 1997: Ausländerinnen und Ausländer in Nordrhein-Westfalen, Zahlenspiegel 1996, Düsseldorf, sowie eigene Berechnungen *hier handelt es sich um die ausländische Wohnbevölkerung abzüglich der Staatsangehörigen aus der Türkei, Marokko und Tunesien 33 Hier wurden aus der ausländischen Gesamtbevölkerung die Staatsangehörigen aus der Türkei, Marokko und Tunesien herausgerechnet. Da die Staatsangehörigen der weiteren nicht zur Studie gehörenden Länder auf Kreisebene in den Statistiken nicht differenziert werden, müssen die zugrunde gelegten Daten als Näherungswerte gelesen werden. 24 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform Zudem wird deutlich, daß in den ländlichen Regionen nicht nur weniger Selbstorganisationen existieren, sondern daß diese auch zum überwiegenden Teil von Migranten europäischer Herkunft, insbesondere aus den Anwerbeländern, sowie von einer herkunftsheterogenen Struktur geprägt sind. So sind ohne Berücksichtigung der Städte Bielefeld und Paderborn die im Regierungsbezirk Detmold ansässigen Selbstorganisationen nur zu 5% solche von Migranten außereuropäischer Herkunft, in absoluten Zahlen ausgedrückt gerade einmal 3 von 60 Organisationen. Auch im Hochsauerlandkreis konnten ohne Berücksichtigung der Stadt Siegen insgesamt 35 Organisationen ausgemacht werden, von denen 6, also 17%, keinen europäischen oder herkunftsheterogenen Migrationshintergrund hatten. Im Kreis Soest sind überhaupt nur in den Städten Lippstadt und Soest Selbstorganisationen zu verzeichnen; diese sind alle multikulturell zusammengesetzt oder kommen aus dem europäischen Raum. Somit befindet sich in den ländlichen Regionen ein deutlich über dem Durchschnitt liegender Anteil europäischer und herkunftsheterogener Vereinigungen. Demgegenüber organisieren sich die innerhalb der eingewanderten Bevölkerung bestehenden Minderheitengruppen stärker in den Städten als auf dem Land; so befinden sich beispielsweise äthiopische Zusammenschlüsse in Aachen, Bonn, Köln und Wuppertal, ghanaische in Dortmund und Oberhausen oder vietnamesische in Dorsten, Dortmund, Essen, Köln, Krefeld, Mönchengladbach, Münster, Oberhausen, Recklinghausen, Rheine, Unna und Wuppertal. Die Organisationen lateinamerikanischer Migranten sind besonders städtisch orientiert: nicht eine Organisation befindet sich in einer kleineren Gemeinde im ländlichen Raum. Auch die Vereinigungen von Migranten afrikanischer Herkunft befinden sich gegenüber dem Anteil von 26% an allen Organisationen nur zu 11% in ländlichen Regionen. Organisationen von Migranten asiatischer Herkunft liegen demgegenüber mit 24% nur leicht unter dem Mittelwert. Entsprechend der geringeren Anzahl von Organisationen liegt auch der Bevölkerungsanteil der Migranten afrikanischer und asiatischer Herkunft in eher ländlichen Gebieten niedriger als in städtischen Regionen: so weisen Migranten afrikanischer Herkunft in allen nordrhein-westfälischen Kreisen nur einen Bevölkerungsanteil von 3,7% gegenüber einem Bevölkerungsanteil von 5,3% in den kreisfreien Städten auf. Dieses Verhältnis ist bei Migranten asiatischer Herkunft ebenfalls festzustellen, mit 8,0 zu 8,9% jedoch in einem geringeren Ausmaß. Als Organisationsschwerpunkt kann bei den afrikanischen Organisationen Münster, bei den asiatischen Organisationen Köln ausgemacht werden. Diese Verteilung ist insbesondere bei den afrikanischen Organisationen auffällig, da Münster insgesamt keinen hohen Einwandereranteil aufweist. Der Anteil der afrikanischen Migranten liegt mit 5,3% zwar über dem Landesdurchschnitt, beträgt in absoluten Zahlen jedoch lediglich 1.100 Personen. Gleichermaßen sind 18% aller afrikanischen Organisationen hier angesiedelt. Eine Erklärung kann in dem Umstand gesehen werden, daß es in Münster ein selbstverwaltetes Afro-Europäisches Kulturzentrum gibt, in dem viele der bestehenden Organisationen von Migranten afrikanischer Herkunft ihre Anlaufstelle haben. Hier wird deutlich, daß eine bestehende Infrastruktur offensichtlich zur Vereinsbildung beiträgt. Die studentische Kultur kann sich unter Umständen als ein weiterer begünstigender Faktor auswirken. 25 Insgesamt muß jedoch beachtet werden, daß allein die Anzahl von Selbstorganisationen keine ausreichende Berechnungsgrundlage für die Organisationsdichte von Migranten ist. Da für die Gesamtheit der Selbstorganisationen keine Angaben über die Mitgliederstärke der einzelnen Organisationen vorliegen, muß die Anzahl der erfaßten Organisationen hier jedoch alleinige Indikatorfunktion übernehmen. 3.2 Rücklauf Von den 952 in Nordrhein-Westfalen erfaßten Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen haben sich 302 Organisationen an unserer Studie beteiligt. Diese Rücklaufquote von 32% bewerten wir angesichts der Länge des Fragebogens mit vielen Hybrid- und zum Teil auch offenen Fragen, der Notwendigkeit, als Verein und nicht als Einzelperson zu antworten, sowie der möglicherweise aufgetretenen sprachlichen Schwierigkeiten als gut. Von der Gesamtzahl der eingegangenen Antworten entfallen 17% auf herkunftsheterogene und 83% auf herkunftshomogene Zusammenschlüsse. Diese verteilen sich zu 55% auf Organisationen von Migranten europäischer, zu 16% auf Organisationen von Migranten asiatischer, zu 11% auf solche von Migranten afrikanischer und zu 1,3% auf solche von Migranten lateinamerikanischer Herkunft. Somit entspricht die Verteilung der Antworten nach Kontinenten in etwa dem jeweiligen Anteil an allen Organisationen. Unterschiede ergeben sich vor allem bei den europäischen und bei den herkunftsheterogenen Zusammenschlüssen. Bei letzteren liegt die Rücklaufquote deutlich über dem Gesamtanteil, auch die Organisationen der Migranten afrikanischer Herkunft können einen leicht höheren Anteil verbuchen. Demgegenüber ist der Anteil der Organisationen von Migranten europäischer Herkunft an der Rücklaufquote stark zurückgegangen, bildet mit 55% aber immer noch mehr als die Hälfte aller Organisationen, die sich an der Studie beteiligt haben. Ein anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man die Rücklaufquote für die einzelnen Kontinente gesondert betrachtet. Unter dieser Fragestellung schneiden die herkunftsheterogenen Organisationen besonders gut ab: mit 49% haben sich fast die Hälfte aller erfaßten Organisationen an der Studie beteiligt. Eine ebenfalls überdurchschnittlich hohe Beteiligung kann mit 40% bei den Organisationen afrikanischer Herkunft konstatiert werden. Danach folgen die Organisationen von Migranten asiatischer Herkunft mit 33%, die geringste interne Rücklaufquote weisen die europäischen und lateinamerikanischen Organisationen mit jeweils 27% auf. 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform Europa 167 Indonesien 1 2 0,3 Irak 1 2 0,3 Kambodscha 1 2 0,3 Pakistan 1 2 0,3 55 Griechenland 43 26 14,2 Spanien 31 19 10,3 Italien 28 17 9,3 Portugal 15 9 5,0 Kroatien 13 8 4,3 Montenegro 10 6 3,3 Makedonien 7 4 2,3 Albanisch 6 4 2,0 Polen 6 4 2,0 ehem. Jugoslawien 4 2 1,3 Osteuropäisch 1 0,6 0,3 Roma 1 0,6 0,3 Slowenien 1 0,6 0,3 Ungarn 1 0,6 0,3 Serbien und Im folgenden beziehen sich alle Aussagen auf die in den Rückläufen gemachten Angaben. Somit basieren die Ergebnisse der Studie auf Eigenaussagen von 32% der erfaßten Selbstorganisationen. Nach nationalitätenspezifischen Kriterien verteilen sich die für die folgenden Aussagen maßgeblichen Antworten folgendermaßen: Rücklauf der Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen in NRW nach Herkunftskontinent und Herkunftsland Herkunftskontinent Org. abs. Org. % Herkunftsland / ethnische Zugehörigkeit Org. abs. Org. % Org. % des Kon- an tinents allen Lateinamerika 4 1,3 Gesamtlateinamerikanisch 1 25 0,3 Argentinien 1 25 0,3 Brasilien 1 25 0,3 Chile 1 25 0,3 50 100 17 Herkunftsheterogene Organisationen Herkunftsheterogen 50 17 Herkunftsheterogen Quelle: eigene Berechnungen Herkunftshomogene Organisationen Afrika Asien 33 48 11 Gesamtafrikanisch 6 18 2,0 Äthiopien 4 12 1,3 Kongo (Ex-Zaire) 3 9 1,0 Togo 3 9 1,0 Ägypten 2 6 0,7 Angola 2 6 0,7 Kamerun 2 6 0,7 Somalia 2 6 0,7 Äquatorial-Guinea 1 3 0,3 Ghana 1 3 0,3 Guinea 1 3 0,3 Kongo (Brazaville) 1 3 0,3 Liberia 1 3 0,3 Mosambik 1 3 0,3 Namibia 1 3 0,3 Nigeria 1 3 0,3 Sierra Leone 1 3 0,3 Indien 8 17 2,6 Iran 6 13 2,0 Korea 6 13 2,0 Tamilisch 5 10 1,7 Armenisch 4 8 1,3 Philippinen 4 8 1,3 Aramäisch 3 6 1,0 16 Afghanistan 2 4 0,7 Assyrisch 2 4 0,7 China 2 4 0,7 Vietnam 2 4 0,7 26 Demnach haben die herkunftsheterogenen Organisationen mit 17% den größten Anteil an allen Antworten, gefolgt von den Organisationen von Migranten griechischer Herkunft mit 14% und denen spanischer Herkunft mit 10%. Die ersten sieben Gruppen werden neben den herkunftsheterogenen allesamt von Organisationen von Migranten aus den früheren Anwerbestaaten gebildet. An achter Stelle folgen dann die Organisationen von Migranten indischer Herkunft, deren hohe Anzahl von Organisationen angesichts der relativ kleinen Bevölkerungszahl von nicht einmal 10.000 Personen in Nordrhein-Westfalen erstaunt. Die zehn stärksten Herkunftsgruppen ergeben bereits einen Anteil am gesamten Rücklauf von 69%, die 15 stärksten sogar von 79%. Bereits an dieser Differenzierung wird deutlich, wie die Organisationsdichte bei den einzelnen herkunftsbezogenen Gruppen ist. Organisationen aus 20 Herkunftsgebieten weisen lediglich eine, aus weiteren 8 Herkunftsgebieten lediglich zwei Selbstorganisationen auf. Die Herkunftsgebiete mit geringer absoluter Zahl von Zusammenschlüssen entstammen vorwiegend dem afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Raum. Aufgrund der geringen Datenbasis für bestimmte Nationalitäten werden über sie vorwiegend nach Kontinenten zusammengefaßte Aussagen getroffen. 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform Ein unterdurchschnittliches Antwortverhalten kann insbesondere bei den Vereinigungen serbisch/montenegrinischer Migranten konstatiert werden. Hier haben sich nur 13% aller erfaßten Organisationen an der Studie beteiligt. Dies kann unter anderem dadurch erklärt werden, daß die früher jugoslawischen Vereine heute als serbisch/montenegrinische Vereine weiterbestehen. Ihre Vereinstätigkeit ist jedoch häufig zum Erliegen gekommen, da eine Zusammenarbeit seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien vielfach nicht mehr gewünscht wird oder möglich erscheint und die Konflikte unter den jugoslawischen Staatsbürgern häufig auch im Ausland fortwirken. Diese Einschätzung teilte in einem Telefongespräch auch ein Mitglied eines serbischen Vereins aus Halle, der selber aus eben diesen Gründen keine Aktivitäten mehr zeigt. Eine Besonderheit stellen die regionalen Differenzierungen herkunftshomogen strukturierter Organisationen dar. Hier bilden nicht die gesamte Nationalität, sondern bestimmte Landstriche oder Volksgruppen den Bezugspunkt. Diese Untergliederung entlang regionaler oder ethnischer Kriterien weisen griechische und italienische Organisationen auf. Bei den griechischen Organisationen sind fast 21%, bei den italienischen immerhin 18% regional differenziert. Die quantitativ bedeutendste Untergliederung bildet die Gruppierung der Pontos-Griechen. Eine Erklärung kann darin gefunden werden, daß diese Gruppe auch in Griechenland eine diskriminierte Gruppe ist. Die Erfahrung der gruppenbezogenen Benachteiligung kann natürlich auch im Ausland dazu führen, weiterhin eigene Wege zu gehen und sich nicht mit der Mehrheitsbevölkerung zu solidarisieren oder zu identifizieren. Als weitere regionale Zusammenschlüsse sind unter denen der griechischen Migranten die der Epiroten, der Kreter, der (griechischen) Makedonen, der Thessalier und der Margaritäner zu verzeichnen, bei den italienischen Einwanderern handelt es sich um Zusammenschlüsse der Sarden, Sizilianer und der Südtiroler. Interessanterweise rührt das Phänomen der regionalen Differenzierung offensichtlich nicht aus der ersten Einwanderergeneration. Sowohl bei den griechischen als auch bei den italienischen Organisationen weisen die auf Regionen bezogenen Zusammenschlüsse ein im Mittel jüngeres Gründungsjahr auf als die auf die gesamte Nationalität rekurrierenden Vereine. Bei den Selbstorganisationen von Migranten griechischer Herkunft schwankt der Durchschnittswert zwischen den Gründungsjahren um 6 Jahre (1981 bzw. 1987), bei denen von Migranten italienischer Herkunft beträgt die Diskrepanz sogar 9 Jahre (1980 bzw. 1989). Zu dieser Ausprägung paßt, daß die Altersstruktur der Mitglieder der italienischen regional differenzierten Organisationen auch deutlich niedriger ist als die aller italienischer Vereinsangehörigen. Möglicherweise rührt die bei der zweiten und dritten Einwanderergeneration stärkere Orientierung auf bestimmte Regionen daher, daß ein individueller Bezug zu dem Herkunftsland der Eltern oder Großeltern weitgehend verloren gegangen ist, der zu konkreten Regionen aufgrund bestehender Verwandtschaftsverhältnisse und Urlaubserfahrungen aber möglicherweise noch besteht. Die traditionell wichtige Bedeutung regionaler Besonderheiten sowohl in Italien als auch in Griechenland prägt die Kenntnis über den Migrationshintergrund und wirkt sich somit auf die vermittelte Eigenwahrnehmung der kulturellen Identität auch für die in Deutschland aufgewachsene Generation aus. Des weiteren zeigt dieses Verhalten besonders bei den italienischen Migranten deutliche Parallelen zu derzeit auch in Italien bestehenden Regionalisierungstendenzen. In einem Drittel der herkunftshomogenen Zusammenschlüsse arbeiten auch Deutsche mit. Bei der Hälfte dieser Selbstorganisationen sind insgesamt nur eine oder zwei Vereinigungen erfaßt worden. Hier liegen mit Ausnahme Brasiliens auch die Mitgliederzahlen in keinem Fall über 70 Personen. Möglicherweise wird die deutsche Beteiligung somit auch durch den Umstand begünstigt, daß insgesamt nur sehr wenige Angehörige der jeweiligen Nationalität in NRW ansässig sind, so daß eine Organisationsbildung durch die Mitarbeit weiterer Personen effektiver ausgestaltet werden kann. 3.3 Rechtsform 77% der Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen in Nordrhein-Westfalen sind im Vereinsregister als eingetragener Verein amtlich registriert. Dabei ist unter den Organisationen afrikanischer Migranten mit 88% der höchste Anteil an eingetragenen Vereinen zu konstatieren, gefolgt von den Organisationen europäischer Migranten, die zu 78% eine feste Rechtsform aufweisen. Den juristisch losesten Charakter weisen die Zusammenschlüsse der Migranten asiatischer Herkunft mit 71% eingetragener Vereine an allen Organisationen auf. Obwohl es sich bei den eingetragenen Vereinen der Migranten afrikanischer Herkunft mit dem durchschnittlichen Gründungsjahr 1993 um die nach Kontinenten verglichen jüngsten Organisationen handelt34, gibt es zwischen eingetragenen Vereinen und losen Zusammenschlüssen bezüglich dieses Untersuchungsmerkmals insgesamt keine signifikanten Unterschiede. Das durchschnittliche Gründungsjahr differiert hier lediglich um ein Jahr, bei den eingetragenen Vereinen liegt es bei 1985, bei den lockeren Zusammenschlüssen bei 1986. 34 Nach den Organisationen der Migranten afrikanischer Herkunft folgen die herkunftsheterogenen Vereinigungen und die der Migranten lateinamerikanischer Herkunft mit dem durchschnittlichen Gründungsjahr 1988. Die Vereinigungen der Migranten asiatischer Herkunft haben sich im Durchschnitt 1987 gegründet, und die Organisationen der Migranten europäischer Herkunft sind in NRW mit dem durchschnittlichen Gründungsjahr 1982 die ältesten Selbstorganisationen. Quelle: eigene Berechnungen. 27 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform Dieses Ergebnis kann nicht auf das absolute Zahlenverhältnis zwischen älteren und jüngeren Vereinen zurückgeführt werden, so daß etwa das Gros der schon in früheren Jahren gegründeten Organisationen die aktuellen Trends verschlucken würde. Die meisten heutigen Migrantenorganisationen entstanden nicht schon zu Beginn der Einwanderung der angeworbenen Arbeitskräfte in den 60er und frühen 70er Jahren; vielmehr zeichnen sich gerade die Jahre seit 1990 durch eine verstärkte Bildung von Zusammenschlüssen von Migranten und Migrantinnen aus. Der Großteil der Organisationsgründungen liegt somit auch unter Einbeziehung der an die klassischen Wohlfahrtsverbände angeschlossenen Gruppierungen nicht in der ersten Einwanderungsgeneration. Auch weichen die prozentualen Schwankungen bezüglich des Anteils eingetragener Vereine an allen Verbindungen bei den Organisationen, die in den Jahren zwischen 1964 und heute gegründet wurden, nur unwesentlich voneinander ab. Somit kann zwischen den Selbstorganisationen, die vornehmlich von den als Arbeitskräften angeworbenen Einwanderern gegründet wurden, und denen der zweiten und dritten Generation bzw. denen der neuen Einwanderungsgruppen kein wesentlich verändertes Verhalten bezüglich der rechtlichen Zementierung ihrer Treffpunkte und Sprachrohre festgestellt werden. Anzahl aller Selbstorganisationen und Anteil eingetragener Vereine nach Gründungsjahr 35 Gründungs- Anzahl Anzahl jahr Org. insg. e.V. Anteil e.V. Gründungs- Anzahl Anzahl jahr Org. insg. e.V. Anteil e.V. 1898 1 1 100 1980 11 9 81 1962 1 1 100 1981 8 7 88 1963 3 3 100 1982 11 8 73 1964 3 1 33 1983 8 6 75 1965 3 3 100 1984 14 7 50 1966 1 1 100 1985 8 7 88 1967 4 3 75 1986 7 6 86 1968 2 1 50 1987 13 12 92 1969 3 3 100 1988 10 9 90 1970 4 2 50 1989 5 3 60 1971 6 6 100 1990 17 11 65 1972 2 2 100 1991 12 10 83 1973 5 4 80 1992 19 13 68 1974 7 7 100 1993 16 13 81 1975 2 1 50 1994 19 12 63 1976 3 2 67 1995 25 22 88 1977 11 10 91 1996 14 10 71 1978 7 4 5 1997 5 4 80 1979 2 1 50 Quelle: eigene Berechnungen Wohl aber ergeben sich beim nationalitätenspezifischen Vergleich Auffälligkeiten. So haben die Zusammenschlüsse der italienischen Migranten lediglich zu 39% einen Vereinsstatus, was angesichts des konstatierten Gesamtanteils stark unterdurchschnittlich ist. Die Vereinigungen der in ihrer Einwanderungsgeschichte vergleichbaren Gruppen der Migranten griechischer und spanischer Herkunft weisen demgegenüber mit 91 bzw. 74% einen wesentlich höheren Anteil eingetragener Vereine an allen Selbstorganisationen auf. Bezüglich der unterschiedlichen rechtlichen Einbindung kann ein Zusammenhang zur jeweiligen Organisationsgeschichte der einzelnen Gruppen festgestellt werden. Die Einwanderungsgeschichte der italienischen Migranten in Deutschland ist stark dadurch geprägt, daß sie als Staatsangehörige einer Nation, die zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Gemeinschaft gehörte, von Anfang an eine ausländerrechtlich relativ hohe Sicherheit besaßen. Durch diesen Umstand war die Herstellung eines weitgehend homogenen, auf die Bundesrepublik gerichteten Interessenbildes sowie eine effektive Interessenvertretung in geringerem Ausmaß als für die übrigen angeworbenen Arbeitnehmer notwendig. Als Folge davon standen die Zusammenschlüsse häufig unter dem Einfluß verschiedener, unter Umständen miteinander konkurrierender Gruppierungen aus dem Herkunftsland, deren Agitationsrichtung in der Regel weniger auf die Entwicklung im Einwanderungsland als vielmehr auf Geschehnisse in Italien wies. Auch heute noch finden sich insbesondere unter den Organisationen der Migranten italienischer Herkunft solche, die offiziell an das italienische Konsulat oder die katholische Kirche angebunden sind. Hier sind zum Beispiel die Italienischen Katholischen Missionen zu nennen sowie das Fürsorgekomitee COAS, das in geringem Ausmaß finanzielle Unterstützungen für notleidende italienische Staatsbürger in Deutschland gewährt. Gleichermaßen muß darauf hingewiesen werden, daß diese institutionellen Anbindungen zwar überdurchschnittlich häufig, aber keinesfalls exklusiv bei den italienischen Organisationen auftreten. Diese Organisationsgeschichte italienischer Vereinigungen behinderte offensichtlich die Etablierung autonomer Standpunkte sowie eine damit einhergehende Stärkung bestehender Interessengruppen und begünstigte demgegenüber die Klientelisierung durch deutsche Verbände. Demgegenüber zeichnen sich sowohl die spanischen als auch die griechischen Einwanderer durch eine wesentlich geschlossenere Organisationsstruktur aus. Auch wenn sich die Aktivitäten der beiden Gruppen insofern deutlich voneinander unterscheiden, als die Interessenvertretung der griechischen Migranten auch auf das Herkunftsland, die der spanischen Migranten hingegen in erster Linie auf das Einwanderungsland Deutschland ausgerichtet waren, gelang es ihnen doch in beiden Fällen, die jeweilig bestehenden Selbstorganisationen auch durch den Aufbau eigener starker Dachorganisationen näher aneinander zu binden und nach außen weitgehend einheitliche Standpunkte zu vertreten.36 35 3,3% aller Organisationen und 3,0% der eingetragenen Vereine haben keine Angaben zum Gründungsjahr gemacht. 36 Zur Organisationsgeschichte vgl. auch Puskeppeleit/Thränhatdt, 1990. 28 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform Dabei wirkt die Möglichkeit, Gruppeninteressen zielgerichtet und effektiv vermitteln zu können, offensichtlich optimierend auf die Integrationspotentiale der jeweiligen Gruppenmitglieder. Beispielhaft sei hier auf die Bildungsabschlüsse junger Migranten verwiesen.Während die Organisationen italienischer Migranten diesem Thema weitgehend indifferent gegenüberstanden, traten die spanischen Einwanderer schon früh für ein integratives Konzept spanischer Kinder in deutsche Schulen ein37. Derzeit weisen die italienischen Schüler im nationalitätenspezifischen Vergleich die schlechtesten Bildungsabschlüsse auf, während die spanischen Schüler hier besonders positive Ergebnisse erzielen.38 Diese unterschiedlichen Integrationserfolge können zumindest auch als Folge der unterschiedlichen Haltung der Selbstorganisationen zur schulischen Integration ihrer Kinder bewertet werden. Somit wirkt die Organisationsgeschichte der Selbstorganisationen in einem nicht unbedeutenden Ausmaß auf die Integrationsmöglichkeiten ihrer Mitglieder. Von allen in Nordrhein-Westfalen ansässigen erfaßten Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten konnten 25 als Dachverbände qualifiziert werden. Diese gliedern sich nicht nur nach nationalitätenspezifischen bzw. regional differenzierten Kriterien (Panepirotischer Verband, Verband der Südtiroler Vereine in der Bundesrepublik Deutschland etc.), sondern sind zum Teil auch zusätzlich berufsständisch oder inhaltlich orientierte Verbände, wie zum Beispiel der Verband der chinesischen Studenten und Wissenschaftler, der Verband portugiesischer Unternehmen, der Bundesbzw. Landesverband der spanischen Elternvereine, das Netzwerk spanischsprechender Seniorinnen und Senioren in NRW Adentro oder der Landesverband der koreanischen evangelischen Kirchengemeinden in Nordrhein-Westfalen. Neben jeweils vier griechischen und spanischen sowie jeweils zwei polnischen und portugiesischen Dachverbänden existieren afrikanische, aramäische, armenische, chinesische, indische, italienische, koreanische, philippinische und somalische Dachorganisationen. Gegenüber einer insgesamten Rücklaufquote von 32% hat ein überdurchschnittlich hoher Anteil von 56% aller Dachverbände an der Studie teilgenommen, was auf ihre vergleichsweise professionellere Struktur schließen läßt. Somit sind knapp 5% der am Rücklauf beteiligten Zusammenschlüsse keine Einzelorganisationen. Die Dachverbände unterscheiden sich bezüglich der Anzahl der bei ihnen organisierten Vereine stark voneinander. Die Spannbreite der insgesamt 462 bei ihnen angeschlossenen Organisationen liegt zwischen 5 und 145 Mitgliedsvereinen. Während die am Rücklauf beteiligten Dachverbände der europäischen Organisationen nur 43% ausmachen, beherbergen sie 72% aller Mitglieder. Zudem weisen die inhaltlich orientierten Verbände im Mittel weniger Mitglieder auf als die ethnisch oder multikulturell organisierten Vereinigungen. 3.4 Zugehörigkeit zu Dachverbänden Selber Mitglied in einer Dachorganisation sind 32% der Organisationen, die sich an unserer Umfrage beteiligt haben. Zusätzlich oder alternativ sind 15% Vollmitglied und weitere 22% kooperatives Mitglied bei einem der etablierten Wohlfahrtsverbände. Insgesamt weisen somit deutlich über die Hälfte aller Zusammenschlüsse Verbindungen zu einer Dachorganisation oder zu einem Wohlfahrtsverband auf; 42% aller Vereinigungen befinden sich in einer völlig autonomen Organisationsstruktur. Die Dachverbände, bei denen die Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen Mitglied sind, zeichnen sich durch eine ausgesprochene Heterogenität und Vielfältigkeit aus. Es handelt sich sowohl um zielgruppenorientierte als auch um thematisch verankerte Gruppen, in ihrer Reichweite um kommunal, landes-, bundesoder europaweit organisierte Verbände, um regionale oder nationalstaatliche Zusammenschlüsse sowie um Dachorganisationen, die ihren Sitz im Herkunftsland haben. Religiöse Institutionen werden genauso aufgeführt wie Sportbünde, entwicklungspolitische ebenso wie feministische. Auch die Mitarbeit in institutionalisierten Landesund Bundesarbeitsgemeinschaften zu bestimmten politischen Themen stellt keine Ausnahme dar. In dieser Heterogenität fallen bestimmte Dachorganisationen durch ihre vergleichsweise häufige Nennung jedoch besonders ins Auge. Zu nennen sind hier beispielsweise die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände BAGIV, der Verband Griechischer Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland OEK, der Verband der Initiativgruppen in der Ausländerarbeit VIA oder der Bundesverband der spanischen Elternvereine. Am häufigsten wurde die Entscheidung zur Mitgliedschaft bei einer Dachorganisation in den Organisationen von Migranten polnischer, griechischer und koreanischer Herkunft mit 67%, 56% und 50% getroffen.39 Insbesondere die herkunftsheterogenen Organisa- 37 Vgl. Dietrich Thränhardt, 1985: Die Selbstorganisation von Türken, Griechen und Spaniern im Vergleich, in: Ausländerpolitik und Ausländerintegration in Belgien, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland, S. 130-156, hier S. 143f. 38 Während von den italienischen Schülern 1995 an weiterführenden allgemeinbildenden Schulen 51% die Hauptschule und 11% das Gymnasium besuchten, lag der Anteil der spanischen Schüler hier bei 31% bzw.26%. Quelle: Grund- und Strukturdaten 1996/97, hg. vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, 1996, S. 82f., sowie eigene Berechnungen.. 39 Diese Aussage bezieht sich nur auf Selbstorganisationen, bei denen mehr als vier Organisationen auf dieselbe Bezugsgröße rekurrieren. 29 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform tionen zeichnen sich durch die gleichzeitige Mitgliedschaft bei mehreren Dachorganisationen aus. Neben dieser Organisationsstruktur gibt es die Möglichkeit der Zugehörigkeit zu einem Wohlfahrtsverband. Hier muß differenziert werden zwischen der Vollmitgliedschaft und der kooperativen Mitgliedschaft, bei der die einzelnen Organisationen dem Wohlfahrtsverband ohne Mitbestimmungsrecht angeschlossen sind. Diese beiden verschiedenen Mitgliedsarten resultieren aus der Struktur der Wohlfahrtsverbände an sich sowie aus dem System der Ausländer-Sozialberatung, das in der frühen Anwerbephase der 50er und 60er Jahre etabliert wurde. Die ältesten deutschen Wohlfahrtsverbände sind der Deutsche Caritasverband (DCV) und das Diakonische Werk (DW); ihre Ursprünge reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Bei beiden Verbänden handelt es sich um theologisch legitimierte konfessionelle Einrichtungen, und von den angeschlossenen Mitgliedern wird die Teilung der Auffassungen des Verbandes erwartet. Nach dem 1. Weltkrieg trat eine gewisse Pluralisierung des bestehenden konfessionellen Wohlfahrtssystems durch die Gründung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands (DPWV) ein. Die AWO wurde 1919 von den Sozialdemokraten als Gegenbewegung zu den bereits bestehenden konfessionellen Wohlfahrtsverbänden gegründet. Hier standen die Leitideen einer präventiven Sozialpolitik anstelle einer karitativen Armenfürsorge sowie die Befähigung zur Selbstorganisation statt einer paternalistischen Betreuung der Mitglieder im Vordergrund. Die AWO konstituierte sich von vornherein als Mitgliederverein, was die Form der kooperativen Mitgliedschaft jedoch nicht grundsätzlich ausschließt. Der DPWV ist der einzige Wohlfahrtsverband, der die Pluralität seiner Mitglieder als integralen Bestandteil seiner Existenz betrachtet, somit auf eine gemeinsame Ideologie verzichtet und die Autonomie seiner Verbandsmitglieder explizit befürwortet. Das Grundprinzip des DPWV besteht in seiner Konstruktion als lobbyistischem Dachverband, der die rechtliche wie programmatische Eigenständigkeit seiner Mitgliedsorganisationen zum konstitutiven Prinzip erhebt. Durch dieses Eigenverständnis kommt die Form einer kooperativen Mitgliedschaft beim DPWV grundsätzlich nicht in Betracht.40 Durch das System der Ausländer-Sozialberatung, anfangs auch Ausländer-Sozialbetreuung genannt, wurde die volle Zuständigkeit für die angeworbenen ausländischen Arbeitskräfte in die Verantwortung der Wohlfahrtsverbände übergeben. Die ausländische Wohnbevölkerung wurde entsprechend ihrer Religionszugehörigkeit aufgeteilt und nach diesem Kriterium auf die Wohlfahrtsverbände verteilt. Die Schaffung dieser Zuständigkeiten entsprach planmäßig sowohl der konfessionellen Struktur der Migranten als auch dem Kräfteverhältnis der Wohlfahrtsverbände, da zu diesem Zeitpunkt die später eintretende quantitative Veränderung zugunsten der Zuwanderer aus der Türkei noch nicht absehbar war. Der Deutsche Caritasverband war somit als stärkste Organisation auch für die vermeintlich größte angeworbene Gruppe verantwortlich, nämlich für die katholischen Arbeitnehmer aus Italien, Spanien und Portugal, und machte zusätzlich Angebote für die Jugoslawen kroatischer Volkszugehörigkeit. Die Migranten evangelischer und orthodoxer Religionszugehörigkeit, also vornehmlich die Arbeitnehmer aus Griechenland, fielen in den Zuständigkeitsbereich des Diakonischen Werkes, die Muslime wurden einer Betreuung durch die Arbeiterwohlfahrt unterstellt. Das Deutsche Rote Kreuz und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband wurden nicht sofort in das System der Ausländer-Sozialberatung einbezogen. Die Migranten selbst hatten keine Möglichkeit, sich aktiv für einen der bestehenden Wohlfahrtsverbände zu entscheiden. Eine pluralistische Wahlmöglichkeit, bei der die Interessen und Weltanschauungen der Individuen hätten berücksichtigt werden können, war nicht gegeben. Staatlicherseits wurde das System der Ausländer-Sozialberatung im Sinne des Subsidiaritätssystems als ein wesentlicher Pfeiler der sozialen Integration betrachtet und finanziell gestärkt. In der Praxis hat dieses Betreuungsverhältnis jedoch vielfach eher zur Klientelisierung der Migranten als zu ihrer politischen Emanzipation beigetragen, da Betreuung in der Regel auch soziale Kontrolle impliziert. Die in dieses System eingebundenen Wohlfahrtsverbände förderten die eigenständige Interessenvertretung ihrer Klientel meistens nur in dem Maße, in dem es ihren eigen Organisationsbedürfnissen nützlich war. So wurden vielfach kommunale Ausländerzentren und Ausländervereine mit einer eingeschränkten Selbstverwaltung eingerichtet, die vornehmlich auf die Ausgestaltung des Freizeitbereiches ausgerichtet war. Trägerschaft und Vereinssatzungen ließen aber genügend Raum, unbeabsichtigte Strömungen von vornherein zu unterbinden, häufig wurde den Vereinen politische Arbeit generell untersagt. Durch die finanzielle Abhängigkeit, die zwischen Vereinen und Wohlfahrtsverbänden bestand, hatten die Vereine nur wenige Möglichkeiten, aus diesem System auszubrechen und eine autonome Interessenvertretung voranzubringen.41 Eine Sonderrolle unter den Wohlfahrtsverbänden nimmt diesbezüglich der DPWV ein. Ihm schlossen sich viele der parallel zum öffentlich geförderten Ausbau des Systems der Ausländer-Sozialberatung gegründeten Selbstorganisationen an, um an der über die Wohlfahrtsverbände verteilten finanziellen Unterstützung des Staates teilhaben zu können, ohne sich der Gefahr einer Klientelisierung auszusetzen. In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis zwischen den Betreuungsverbänden und den früheren Anwerbegruppen jedoch zu verändern begonnen. So sind den Betreuungsverbänden mittlerweile auch einige Vereinigungen von Migrantinnen und Migranten als stimmberechtigte Vollmitglieder und nicht mehr nur als zu betreuende Gruppen angeschlossen. Derzeit ist die Hälfte aller Organisationen, die an der Untersuchung teilgenommen haben, in irgendeiner Form mit einem Wohlfahrtsverband verbunden. Von ihnen befinden sich 35% in einer kooperativen und 15% in einer Vollmitgliedschaft. Dabei weisen die einzelnen Wohlfahrtsverbände große Disparitäten zwischen der Aufnahme von Migrantenorganisationen als formal gleichberechtigtes oder als kooperatives Mitglied auf. 40 Vgl. Karl-Heinz Boeßenecker, 1995: Spitzenverbände in der Freien Wohlfahrtspflege in der BRD. Eine Einführung in Organisationsstrukturen und Handlungsfelder, Münster. 41 Vgl. Dietrich Thränhardt, 1983: Ausländer im Dickicht der Verbände. Ein Beispiel verbandsgerechter Klientenselektion und korporatistischer Politikformulierung, in: Sozialarbeit und Ausländerpolitik, hg. von Franz Hamburger, Neuwied/Darmstadt, S. 62-78, hier S. 65. 30 3. Gesamtheit der Organisationen, Rücklauf, Rechtsform Die Extrempunkte liegen deutlich zwischen dem DPWV und dem DRK: Während der DPWV nur Vollmitglieder aufnimmt, sind beim DRK ausschließlich kooperative Mitglieder angeschlossen. Von den Selbstorganisationen von Migranten, die zum DW gehören, haben nur 10%, das sind 2 Organisationen, die volle Mitgliedschaft. Beim DCV sind die ihm angeschlossenen Migrantenorganisationen zu 25%, bei der AWO zu 41% als formal gleichberechtigte Mitglieder aufgenommen. Wenn die Vollmitglieder und die kooperativ angeschlossenen Mitglieder jeweils als eine Einheit bewertet werden, verteilen sie sich prozentual zu sehr verschiedenen Anteilen auf die einzelnen Wohlfahrtsverbände. Von den Vollmitgliedern ist die große Mehrheit, 52%, dem DPWV angeschlossen, immerhin 27% gehören zum Caritasverband, 16% zur AWO und nur 4% sind beim Diakonischen Werk als Vollmitglied eingetragen. Demgegenüber ist bei den kooperativ angeschlossenen Selbstorganisationen der DCV der wichtigste Verband. Hier sind mit 52% über die Hälfte aller Organisationen versammelt, gefolgt vom Diakonischen Werk mit 26%, der AWO mit 14% und dem DRK mit 9% aller informell angeschlossenen Mitglieder. Insgesamt ist der Caritasverband für unseren Zusammenhang nach wie vor der wichtigste Wohlfahrtsverband. An ihn sind 42% aller Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen angeschlossen, gefolgt vom DPWV mit 20%, dem DW und der AWO mit 18 bzw. 15% und schließlich dem DRK mit 5%. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß der DPWV seine Mitgliedsvereine 31 nach unserem Eindruck verbandlicherseits nachhaltig zur Teilnahme ermuntert hat, so daß hier leicht verzerrende Effekte nicht ausgeschlossen werden können. Die Aufschlüsselung nach ethnischen Kriterien ist dabei immer noch stark an die alte Zuteilung angelehnt. Bezüglich der kooperativ angeschlossenen Selbstorganisationen weist das DW die homogenste Struktur auf. Hier sind 72% der kooperativen Mitglieder Selbstorganisationen griechischer Migranten. Auch beim DCV lassen sich deutlich nationale Schwerpunkte ausmachen: Über die Hälfte aller angeschlossenen Organisationen sind solche von Migranten italienischer und spanischer Herkunft. Das DRK und die AWO zeichnen sich hingegen gerade durch eine mangelnde Schwerpunktsetzung aus, was bei der AWO aber darin begründet liegt, daß die Vereinigungen der Migranten türkischer Herkunft in diesen Teil der Studie nicht eingehen. Demgegenüber läßt sich beim DRK tatsächlich eine vermehrte kooperative Anbindung auch von Minderheitengruppen konstatieren. Auch an der prozentualen Verteilung der Vollmitglieder können die althergebrachten Zuständigkeitsbereiche der Wohlfahrtsverbände noch nachvollzogen werden. Der DPWV, der in das System der Ausländer-Sozialberatung nicht integriert war, umfaßt von den Migrantenorganisationen zu 70% die ebenfalls nicht aufgeteilten herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse, allerdings auch zu über 20% die Vereine von Migranten griechischer und spanischer Herkunft, die sich aus ihren traditionellen Anbindungen gelöst haben. Entsprechend sind die dem Caritasverband offiziell angeschlossenen Organisationen fast ausschließlich solche der ihm traditionell zugehörigen Gruppen, nämlich zu 40% italienischer, zu weiteren 25% kroatischer, zu 17% spanischer und zu 8% portugiesischer Herkunft. Innerhalb der einzelnen nach ethnischen Kriterien bzw. multikulturell organisierten Vereinigungen sind die italienischen, koreanischen, spanischen wie die herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse mindestens zur Hälfte mit einem Wohlfahrtsverband verbunden. Hier stechen die herkunftsheterogen organisierten Vereinigungen mit einer überproportional hohen Vollmitgliedschaft (44%) heraus, während die koreanischen in keinem Fall ein offizielles Mitglied eines Wohlfahrtsverbandes sind. Die italienischen und spanischen bilden mit 18 bzw. 16% aller Organisationen einen immer noch relativ hohen Anteil von den Wohlfahrtsverbänden auch formal angeschlossenen Mitgliedern. Demgegenüber fallen insbesondere die Zusammenschlüsse griechischer und portugiesischer Migranten unter den ehemaligen Anwerbestaaten durch eine insgesamt relativ niedrige Anbindung an die klassischen Wohlfahrtsverbände auf. Die griechischen Zusammenschlüsse sind trotz ihrer traditionellen Zuweisung an das DW mit 63% zu einem durchschnittlichen Anteil von den Wohlfahrtsverbänden unabhängig, die portugiesischen Organisationen liegen mit 80% sogar noch deutlich über dem Durchschnitt. Während die griechischen Organisationen diese nur geringe Anbindung an die Wohlfahrtsverbände durch eine überdurchschnittlich hohe Mitgliedschaft bei anderen Dachverbänden kompensieren, stimmt der festgestellte Trend der unterdurchschnittlichen Mitgliedschaft bei den Wohlfahrtsverbänden für die portugiesischen Zusammenschlüsse mit ihrem Organisationsverhalten gegenüber anderen Dachverbänden überein. Bei ihnen ist unter den Organisationen, die diese Studie unterstützt haben, nicht eine, die einem Dachverband als Mitglied angehört. 4. Mitgliederstruktur Von allen Organisationen haben 95% Angaben zur Mitgliederzahl gemacht.42 Danach verzeichnen die erfaßten Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen in Nordrhein-Westfalen insgesamt 52.510 Mitglieder, von denen 52.035 Einzelmitglieder und 475 korporative Mitglieder sind. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der erfaßten Organisationen sind somit 17% aller in NRW lebenden Migranten Mitglied einer Selbstorganisation43. Angesichts der Tatsache, daß sich diese Angabe auf die gesamte Wohnbevölkerung, also auch auf Kinder und Kleinkinder bezieht, liegt der tatsächlich Anteil der in Selbstorganisationen zusammengeschlossenen Einwanderer wohl noch deutlich darüber. Nach Kontinenten aufgeschlüsselt erfassen die Organisationen der Migranten europäischer Herkunft mit 81% den Großteil aller Mitglieder, obwohl sie nur 55% aller Selbstorganisationen aufweisen. Demgegenüber sind lediglich 4% aller Mitglieder bei den herkunftsheterogenen Vereinigungen organisiert, während ihnen 17% aller Gruppierungen angehören. Auch bei den Organisationen der Migranten afrikanischer und asiatischer Herkunft fallen diese Diskrepanzen ins Auge, wenn auch nicht in so gravierendem Ausmaß wie bei den zuvor genannten. Hier wird noch einmal deutlich, daß die Anzahl der Organisationen allein nicht ausreicht, die Organisationsdichte bestimmter Gruppierungen zuverlässig zu bestimmen. Die Einwanderer europäischer Herkunft liegen im Vergleich des hochgerechneten Anteils organisierter Personen an der gesamten Wohnbevölkerung mit 21% ebenfalls an der Spitze, gefolgt von den Migranten afrikanischer, lateinamerikanischer und asiatischer Herkunft mit 12, 11 bzw. 10%. Anteil an allen Organisationen, Anteil an allen Mitgliedern und Anteil der Mitglieder an der Wohnbevölkerung nach Herkunftskontinent Kontinent Anteil an allen Organisationen Anteil an allen Mitgliedern Hochgerechneter Anteil der Mitglieder an der Wohnbevölkerung Afrika 11 3 12 Asien 16 11 10 Europa 55 81 21 1 1 11 17 4 Lateinamerika Herkunftsheterogen Quelle: Statistisches Bundesamt, 1997: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Fachserie1, Reihe 2, sowie eigene Berechnungen Nationalitätenspezifisch betrachtet konzentrieren sich die Mitglieder insbesondere auch unter den Organisationen der Zuwanderer europäischer Herkunft sehr stark. Allein die Organisationen griechischer und italienischer Herkunft verzeichnen jeweils über 25% aller Mitglieder. Demgegenüber folgen nur noch 10 Nationalitäten, deren Vereinsangehörige mindestens 1% an allen Mitgliedern ausmachen, die übrigen 38 Nationalitäten können nicht einmal die 1%-Marke erreichen. Der hohe Mitgliederanteil der Migranten griechischer Herkunft verteilt sich auf 41 Organisationen, von denen 16 Organisationen weniger als 100 und 20 Organisationen zwischen 101 und 500 Einzelmitglieder aufweisen. Drei Vereinigungen liegen bei einer Mitgliederstärke zwischen 501 und 1.000 und zwei Zusammenschlüsse haben über 1.000 Vereinsangehörige angegeben. Mit Ausnahme einer Griechisch-Orthodoxen Kirchengemeinde, die im Selbstverständnis einer Selbstorganisation geantwortet hat und als solche in die Auswertung eingeht, ist keine der Organisationen eine an eine offizielle Institution angebundene Vereinigung. Bei den weiteren Zusammenschlüssen mit einer überdurchschnittlich hohen Mitgliederzahl handelt es sich vielmehr um Griechische Gemeinden sowie um Kultur- oder Elternvereine. Doch auch ohne die 6.000 Mitglieder der Griechisch-Orthodoxen Kirchengemeinde entfallen immer noch 16% aller Mitglieder auf die griechischen Organisationen. Die in dieser Studie erhobenen Zahlen bestätigen somit das Bild einer weit verbreiteten Organisierung griechischer Einwanderer mit einer starken Dachorganisation. Allein dem Verband Griechischer Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland sind 145 Einzelvereine angeschlossen. Daneben gibt es viele weitere griechische Vereine, die mit anderen Dachverbänden oder unabhängig von ihnen agieren. Somit zeugt die hohe Mitgliedschaft hier von einer tatsächlich starken Organisierung herkunftshomogen strukturierter Zusammenschlüsse griechischer Migranten. 42 Die Organisationen, die keine Angaben zu ihrer Mitgliederstärke gemacht haben, verteilen sich anteilig in vergleichbaren Größenverhältnissen zur Gesamtzahl der Selbstorganisationen nach Kontinenten und kommen aus so unterschiedlichen Herkunftsgebieten, daß hier keine signifikanten statistischen Verzerrungen zu erwarten sind. 43 Nach einer in 5 westdeutschen Großstädten durchgeführten DIFU-Studie aus den achtziger Jahren liegt der Organisationsgrad der Migranten in Selbstorganisationen, bezogen auf die gesamte ausländische Bevölkerung, zwischen 20 und 30%. Vgl. Michael Krummacher/Viktoria Waltz, 1996: Einwanderer in der Kommune. Analysen, Aufgaben und Modelle für eine multikulturelle Stadtpolitik, Essen, S. 228. 32 4. Mitgliederstruktur Die Anzahl der Einzelmitglieder von Organisationen italienischer Zuwanderer verteilt sich auf insgesamt 25 Zusammenschlüsse, von denen 16 weniger als 100 und sieben zwischen 101 und 500 Mitglieder haben. Der Großteil der Beteiligten fällt hier auf zwei Italienische Katholische Missionen, die jeweils eine Mitgliederstärke von 6.000 angeführt haben. Ohne Berücksichtigung der Missionen fällt die Mitgliedsstärke italienischer Organisationen auf einen Mittelwert zurück und liegt mit genau 4% zwischen den herkunftsheterogen organisierten und den serbisch/montenegrinischen Zusammenschlüssen. Gemessen an der Vielzahl der herkunftsheterogenen Organisationen erstaunt ihre relativ geringe Mitgliederzahl. Sie verfügen nur über 4,5% aller Mitglieder, während sie mit 50 Zusammenschlüssen den höchsten Anteil an Vereinigungen aufweisen. Hier liegt die Mitgliederzahl pro Organisation somit deutlich niedriger als bei den griechischen und italienischen Organisationen. 35 Zusammenschlüsse weisen unter 50, weitere 8 unter 100 Vereinsangehörige auf. In keiner multikulturellen Vereinigung sind mehr als 200 Mitglieder organisiert. Demgegenüber zeichnen sich die aramäischen und chinesischen Organisationen durch wenige, aber mitgliederstarke Vereinigungen aus. Während sie in der Rangfolge der Organisationen den 21. und den 23. Platz einnehmen, liegen sie in der Mitgliederskala auf den Plätzen 9 und 10. In Relation zu ihrem jeweiligen Bevölkerungsanteil sind insbesondere die Organisationen der Migranten indischer, aber auch die chinesischer Herkunft sehr stark organisiert. Sie weisen deutlich mehr Mitglieder auf als viele Organisationen bevölkerungsstärkerer Gruppen. Auf die regional differenzierten Organisationen entfallen 4%, auf die unter deutscher Beteiligung arbeitenden Vereine 7% aller Mitglieder. Bei den letzteren ist besonders auffällig, daß ihnen mit 16% überdurchschnittlich viele korporative Mitglieder angehören. Zwar sind zwei Dachverbände unter den deutsch-ausländischen Vereinigungen; diese beherbergen jedoch nur 30% der korporativen Mitglieder. Für dieses Phänomen kann keine sichere Erklärung gegeben werden. So ist zum einen möglich, daß unter deutscher Beteiligung arbeitende Vereinigungen Mitglieder gezielter anwerben als Selbstorganisationen, denen fast ausschließlich Migranten angehören. Ein Indiz in dieser Richtung ist die Tatsache, daß gegenüber 21% an allen herkunftshomogenen Organisationen 57% aller deutsch-ausländischen Zusammenschlüsse als Gründungsanlaß oder heutige 33 Zielsetzung explizit die Verbesserung der Beziehungen zwischen den Deutschen und ihrer jeweiligen Herkunftsnationalität angaben. Durch eine solche Zielsetzung wird die verstärkte Kontaktierung auch deutscher Vereine und Institutionen programmatisch bereits vorgegeben. Ebenfalls kann ein erhöhtes Interesse an korporativen Mitgliedschaften darin begründet liegen, daß sich bei den deutschausländischen überproportional viele Selbstorganisationen befinden, die humanitäre Hilfe im Herkunftsland leisten. Für diese Aufgabe kann ein möglichst hohes Maß institutioneller Hilfe sehr förderlich sein. Gleichermaßen ist aber auch denkbar, daß Vereine einem Beitritt zu reinen Selbstorganisationen kritischer gegenüberstehen. Aktiv beteiligen sich ca. 21% aller Mitglieder an der Vereinsarbeit. Hier geht die Mitgliedschaft von Beitragszahlungen und der Wahrnehmung von Angeboten in eine direkte Mitgestaltung des Vereinsprofils über. Im Vergleich nach Kontinenten zeigt auch der Anteil aktiver Mitarbeiter große Differenzen. Hier sind es die Migranten afrikanischer Herkunft, die sich mit über 36% durch einen besonders hohen Anteil aktiver Einzelmitglieder auszeichnen, gefolgt von den Migranten asiatischer Herkunft mit 32% und den Mitarbeitern der herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse mit 27%. Die Vereinsangehörigen der Organisationen der Migranten lateinamerikanischer Herkunft weisen 21% aktive Mitarbeiter auf, das Schlußlicht bilden die Migranten europäischer Herkunft, die sich lediglich zu 18% direkt an der Vereinsarbeit beteiligen. Unter Einbeziehung der korporativen Mitglieder verändert sich die prozentuale Verteilung aktiver zu passiver Mitglieder nur unwesentlich. Anteil aktiver Einzel- und korporativer Mitglieder nach Herkunftskontinent Kontinent aktive Einzelmitglieder aktive korporative Mitglieder aktive Mitglieder insgesamt Afrika 36% 64% 37% Asien 32% 20% 32% Europa 18% 43% 18% Lateinamerika 21% - 19% Herkunftsheterogen 27% 75% 29% insgesamt 21% 40% 21% Quelle: eigene Berechnungen 4.1 Altersstruktur Die Altersstruktur der Mitglieder der Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen in Nordrhein-Westfalen wurde in vier Altersklassen erhoben: die erste Kategorie bilden die unter 18-jährigen, dann folgen die 19-40-jährigen, die 41-55-jährigen und schließlich die über 55-jährigen. 55 Organisationen aus 20 verschiedenen Herkunftsgebieten haben keine Angaben zur Altersstruktur ihrer Mitglieder gemacht. Somit bilden 82% der an der Studie beteiligten Organisationen die Grundlage für die folgenden Aussagen. Insgesamt sind 10% aller Vereinsangehörigen jünger als 18 Jahre, der Großteil aller Mitglieder, 43%, ist zwischen 19 und 40 Jahre alt, 33% fallen in die Altersklasse der 41-55-jährigen und 14% aller Mitglieder sind über 55 Jahre alt. 4. Mitgliederstruktur Verglichen nach Herkunftskontinenten weisen die Migranten deutliche Unterschiede in ihrer Altersstruktur auf. Mit 21% an über 55-jährigen Vereinsmitgliedern haben die Einwanderer europäischer Herkunft den mit Abstand höchsten Anteil in dieser Altersklasse. Ihnen folgen in weit geringerem Ausmaß die Mitglieder lateinamerikanischer und herkunftsheterogener Organisationen, die zu jeweils 8% in diese Kategorie fallen. Den geringsten Anteil in der höchsten Altersklasse haben die Vereinsangehörigen afrikanischer Herkunft mit lediglich 4%. Hier sind 3/4 aller Mitglieder zwischen 19 und 40, weitere 17% zwischen 41 und 55 Jahren alt. Somit sind vor allem die unter 18-jährigen Mitglieder, gemessen an ihrem Anteil von 25% an der gesamten ausländischen Wohnbevölkerung44, stark unterdurchschnittlich vertreten. Dieses ungleiche Verhältnis ist wohl darauf zurückzuführen, daß Kinder und Jugendliche erst nach der Vollendung des 7. Lebensjahres über eine beschränkte und erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres über eine volle Geschäftsfähigkeit verfügen, so daß eine elternunabhängige Mitgliedschaft frühestens mit Erreichung der Volljährigkeit möglich ist.45 Dagegen ist der Bevölkerungsanteil von 44% in der Gruppe der 19-40-jährigen mit dem Mitgliederanteil von 43% fast identisch. In dieser Altersklasse befinden sich sowohl die meisten Zuwanderer in NRW als auch die meisten Vereinsangehörigen. In der Altersklasse der 41-55-jährigen übersteigt der Organisationsgrad den Bevölkerungsanteil, der bei 19% liegt, um über 10 Punkte; ebenso liegt bei den über 55-jährigen der Mitglieder der Organisationsgrad über dem Bevölkerungsanteil, mit 3% hier jedoch nur geringfügig. Auf der Grundlage dieser Daten kann die Annahme abgeleitet werden, daß Migrantenselbstorganisationen zukünftig weiter an Bedeutung zunehmen werden, da ein großer Bevölkerungsanteil in den noch nicht organisierten Altersklassen liegt. Selbst wenn sich jüngere Einwanderer hier insgesamt weniger stark organisieren sollten als die vorhergehende Generation, werden aufgrund der demographischen Verhältnisse weiterhin quantitative Zuwächse in den Vereinen zu beobachten sein. Auch aus dieser Perspektive ist es wichtig, seitens der Landesregierung weiterhin den Kontakt zu den Selbstorganisationen zu suchen und sie als Interessenvertretung einer bedeutenden Bevölkerungsgruppe ernst zu nehmen. Im nationalitätenspezifischen Vergleich fallen in der jüngsten Altersklasse insbesondere die Organisationen der Migranten koreanischer Herkunft auf, deren Mitglieder zu 46% in dieser Kategorie zu finden sind. Dieser hohe Anteil läßt sich jedoch dadurch erklären, daß sich unter den koreanischen Vereinigungen zwei koreanische Schulen und ein Elternverein befinden, bei denen auch die Kinder als Mitglieder registriert sind, so daß hier ein überdurchschnittlich hoher Anteil junger Vereinsangehöriger auftritt. Bei den übrigen koreanischen Zusammenschlüssen ist die Altersstruktur deutlich höher. Weiterhin weisen sich die aramäischen Organisationen und die der Migranten somalischer Herkunft durch eine besonders junge Mitgliedschaft aus. In beiden Fällen basieren die Angaben jedoch auf einer sehr dünnen Datenbasis; erschwerend kommt bei den aramäischen Zusammenschlüssen hinzu, daß sie mehrheitlich keine Angaben zur Altersstruktur gemacht haben. Somit können diese Aussagen nicht verallgemeinert werden. Über eine besonders junge Mitgliedschaft verfügt zudem ein Großteil der afrikanischen Organisationen. Sowohl bei den angolanischen, ghanaischen, kamerunischen, kongolesischen und togoischen als auch bei den gesamtafrikanischen Zusammenschlüssen sind über 93% der Vereinsangehörigen jünger als 41 Jahre. 44 Die Angaben beziehen sich hier nicht nur auf die in die Studie eingehenden Migrantengruppen, sondern auf die gesamte nichtdeutsche Bevölkerung in NRW. Aufgrund fehlenden Datenmaterials in den von uns gewählten Erhebungsgrößen mußten Angaben vom 31.12.1995 und vom 31.12.1996 zusammengerechnet werden. Quelle: Statistisches Bundesamt, 1997, Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW, 1997, sowie eigene Berechnungen. 45 Da im Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 5. August 1964 (BGBl. I, S. 593) sowie in seinen Änderungen keine Bestimmungen zur Vereinsmitgliedschaft gemacht werden, gelten hier die entsprechenden allgemeinen Regeln zur Geschäftsfähigkeit, vgl. §§104-113 BGB. 34 4. Mitgliederstruktur Demgegenüber zeichnen sich die Organisationen der Zuwanderer spanischer, ungarischer, italienischer und ägyptischer Herkunft durch eine vergleichsweise ältere Mitgliedschaft aus. Während die Aussagen bezüglich der ungarischen und ägyptischen Mitgliedschaft wieder auf einer unzureichenden Datenlage basieren, können insbesondere bei den spanischen Migranten Übereinstimmungen zur Altersstruktur der Bevölkerung konstatiert werden. Gegenüber der gesamten nichtdeutschen Bevölkerung sind die für diese Studie maßgeblichen Migrantengruppen europäischer Herkunft in NRW deutlich älter, hier nehmen die spanischen Migranten jedoch noch einmal eine Sonderrolle ein. Während von den gesamten ausländischen Einwanderern ebenso wie von den europäischen Migranten insgesamt lediglich 3,2% älter als 65, aber 40% jünger als 25 Jahre sind, liegen die entsprechenden Daten für die in den Untersuchungsbereich dieser Studie gehörenden Migrantengruppen europäischer Herkunft46 bei 4,9 bzw. 33%. Demgegenüber sind 5,9% aller in Nordrhein-Westfalen lebenden spanischen Staatsangehörigen über 65 Jahre alt, aber nur 25% von ihnen sind jünger als 25. Diese Altersstruktur ist auch auf das Verhältnis spanisch-spanischer zu spanisch-deutschen Ehen zurückzuführen. In ganz Nordrhein-Westfalen wurden 1995 gegenüber 292 spanisch-deutschen nur 3 spanisch-spanische Ehen geschlossen. Von den insgesamt 541 Kindern, die in NRW 1995 in spanisch-spanischen und spanisch-deutschen Ehen geboren wurden, sind lediglich 123 Kinder aus spanisch-spanischen Ehen. Jedoch nur diese Kinder werden in der deutschen Statistik als spanische Staatsangehörige aufgeführt; die aus spanischdeutschen Ehen hervorgehenden Kinder werden als deutsche Staatsbürger gezählt. Diese demographische Erklärung greift bei den Migranten italienischer Herkunft jedoch nicht. Sie haben mit 4% über 65jähriger und mit 33% unter 25jähriger eine durchschnittliche Altersstruktur. Hier scheinen proportional tatsächlich mehr ältere Migranten in der Vereinsarbeit tätig zu sein. 4.2 Geschlechterstruktur Von allen Organisationen haben 86% Angaben zur Geschlechterstruktur ihrer Mitglieder gemacht. Demnach entspricht die Verteilung zwischen den Geschlechtern mit einem 55%igen Männer- und einem 45%igen Frauenanteil bei den Mitgliedern der Selbstorganisationen exakt dem Geschlechterverhältnis der in diese Studie eingehenden Migrantengruppen insgesamt. Im Vergleich nach Kontinenten werden jedoch einige Diskrepanzen deutlich. Männer- und Frauenanteil aller Mitglieder nach Herkunftskontinent Kontinent Männeranteil Frauenanteil Afrika Asien Europa Lateinamerika Herkunftseterogen 73 51 59 35 38 27 49 41 65 62 insgesamt 55 45 Allein die Vereinsangehörigen der lateinamerikanischen Organisationen weisen bezüglich der Geschlechterstruktur mit einem weiblichen Mitgliederanteil von 65% eine nahezu identische Relation zur entsprechenden Wohnbevölkerung auf. Bei den Zusammenschlüssen der Migranten afrikanischer wie europäischer Herkunft liegt der Männeranteil bei der Mitgliedschaft in den Selbstorganisationen mit 6 bzw. 4% über dem entsprechenden Bevölkerungsanteil; bei den Zusammenschlüssen asiatischer Migranten hingegen sind 5% mehr Frauen organisiert als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Hier deckt sich die kontinentale Betrachtung weitgehend mit der im nationalitätenspezifischen Vergleich besonders uneinheitlich auftretenden Verteilung der Geschlechterverhältnisse. So liegt der höchste Männeranteil mit über 85% bei ghanaischen, angolanischen, togoischen und albanischen Organisationen vor, also bei Organisationen aus dem afrikanischen und europäischen Raum. Die Mitglieder albanischer Vereinigungen werden in den Statistiken zwar als Staatsangehörige des albanischen Staates, nicht aber als ethnische Gruppe erfaßt, so daß hier keine Aussagen über die Geschlechterverteilung der Gesamtgruppen gemacht werden können. Das gilt ebenfalls für die Migranten angolanischer und togoischer Herkunft, die aufgrund ihrer geringen Gesamtzahl in NRW in den Statistiken nicht gesondert aufgeführt werden. Der hohe Männeranteil unter den Vereinsangehörigen ghanaischer Herkunft kann jedoch nicht von der Geschlechterverteilung der in NRW ansässigen Gesamtbevölkerung abgeleitet werden. Hier liegt mit 58% zwar tatsächlich ein erhöhter Männeranteil vor; dieser reicht jedoch nicht aus, um die geringe Vereinsmitgliedschaft von Frauen auf allein demographische Ursachen zurückzuführen. Den stärksten Frauenanteil weisen demgegenüber mit jeweils über 60% koreanische, philippinische und herkunftsheterogen strukturierte Organisationen, also weitgehend asiatische Zusammenschlüsse auf. Hier kann der erhöhte Frauenanteil nur zum Teil als Ergebnis der Geschlechterverteilung in der jeweiligen Bevölkerungsgruppe gewertet werden. So machen die Koreanerinnen nur 54% an der Wohnbevölkerung aus, liegen also deutlich unter ihrem Organisierungsgrad.47 46 Hier wurden aus der Gesamtzahl der Migranten europäischer Herkunft in NRW die Migranten türkischer Staatsangehörigkeit herausgerechnet. Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW, 1997, sowie eigene Berechnungen. 47 Zur Organisationsgeschichte der Koreaner in der Bundesrepublik vgl. Jung-Sook Yoo, 1996: Koreanische Immigranten in Deutschland. Interessenvertretung und Selbstorganisation, Hamburg. Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Organisationsgeschichte der koreanischen Zusammenschlüsse kommt Yoo zu dem Ergebnis, daß die Arbeit insbesondere bei vielen Koreanerinnen zur Entwicklung eines starken Selbstbewußtseins beigetragen hat. Das Engagement in den koreanischen Vereinigungen hat zu einem Integrationserfolg in das deutsche Gesellschaftssystem geführt, ohne jedoch die Herkunftskultur aufzugeben. Vgl. ebd., S. 338. 35 4. Mitgliederstruktur Der gegenüber der ausländischen Gesamtbevölkerung leicht überdurchschnittliche Frauenanteil bei den herkunftsheterogenen Vereinigungen kann darauf zurückzuführen sein, daß unter diesen Gruppierungen 13 reine Frauenorganisationen zu finden sind. Insgesamt sind fast 7% aller Selbstorganisationen in NRW reine Frauenorganisationen, wohingegen es nur zwei ausdrückliche Männerorganisationen gibt48. Somit sind 539 Frauen gegenüber 50 Männern in geschlechtsspezifisch strukturierten Gruppierungen organisiert. Bei den männerspezifischen Zusammenschlüssen handelt es sich in keinem Fall um einen eingetragenen Verein; beide Organisationen sind kooperative Mitglieder bei einem Wohlfahrtsverband. 60% ihrer Mitglieder sind aktiv an der Vereinsarbeit beteiligt. Arbeitsschwerpunkte liegen in der Freizeitgestaltung und der gegenseitigen Unterstützung. Veranstaltungen und interne Diskussionsrunden finden vorwiegend zu (gesellschafts-)politischen Themen, wie Arbeitslosigkeit, Rentenreform, politischen Partizipationsmöglichkeiten von EU-Bürgern, oder der politischen Situation im Heimatland statt. Beide Zusammenschlüsse wollen durch ihre Arbeit in Richtung Begegnung und Integration wirken. Ebenso wie die männer- sind auch die frauenspezifischen Organisationen mit nur 35% unterdurchschnittlich selten als eingetragener Verein registriert. Bezüglich ihrer Funktion eines Dachverbandes nehmen sie mit 5% jedoch einen Mittelwert ein. Überdurchschnittlich häufig weisen die frauenspezifischen Zusammenschlüsse aber eine Vollmitgliedschaft bei den Wohlfahrtsverbänden auf: hier nehmen sie mit 45% einen dreimal so hohen Wert ein wie die Selbstorganisationen insgesamt; in einer kooperativen Mitgliedschaft zu einem Wohlfahrtsverband befinden sich gegenüber dem Durchschnittswert hingegen deutlich weniger. Die Mitgliedschaft der frauenspezifisch organisierten Vereinigungen ist gegenüber allen Vereinsangehörigen deutlich jünger. 63% von ihnen sind unter 40 Jahren und nur 10% sind älter als 55. Mit 44% aktiver Mitglieder weisen die frauenspezifischen Gruppierungen einen gegenüber dem Gesamtwert mehr als doppelt so hohen Beteiligungsgrad auf. Als Gründungsmotivation wird zum einen angegeben, verbreiteten rassistischen und sexistischen Strukturen entgegenwirken zu wollen; zum anderen wird häufig darauf verwiesen, daß die Frauen in den entsprechenden gemischten Vereinigungen ihre Interessen nicht effektiv durchsetzen konnten und somit neben den bestehenden reine Frauengruppen eingerichtet haben. Ihre Angebote richten sich dabei nicht nur auf Frauen als solche, sondern sind in verschiedenen Organisationen auf spezielle Zielgruppen zugeschnitten, so auf junge Migrantinnen, Arbeitslose oder Flüchtlingsfrauen. Besonders häufig werden die Bereiche Bildung, Integration, Begegnung und Kultur als maßgebliche Arbeitsgebiete genannt. Dabei bewegen sich die Angebote zwischen politischen, sozialen, kulturellen und informativen Aktivitäten. Einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt bilden die berufliche Orientierung und Qualifizierung von Migrantinnen. Hier stehen Berufsberatungen, Bewerbungstrainings und Hilfestellungen bei der Ausbildungsplatzsuche, Informationsveranstaltungen zum aktuellen Arbeitsmarkt und zu Umschulungsmöglichkeiten ebenso wie EDV- und Sprachkurse oder Gesprächskreise zum beruflichen Wiedereinstieg nach der Kindererziehung im Vereinsprogramm. Des weiteren unterstützen frauenspezifische Gruppierungen ihre Mitglieder durch Informationsveranstaltungen oder Angebote zur Stärkung ihres Selbstbewußtseins und Durchsetzungsvermögens bei der Alltagsbewältigung; in diesen Bereich fallen auch thematisch breit gestreute Gesprächskreise und Beratungsangebote. Weiterhin sind Initiativen zur Freizeitgestaltung ebenso bedeutsam wie politische Aktionen als öffentlicher Protest gegen Diskriminierung und Benachteiligung sowohl hier als auch im Herkunftsland oder als Nutzung bestehender Möglichkeiten zur kreativen Mitgestaltung eigener Lebensräume. Insgesamt weisen sich die Aktivitäten frauenspezifisch organisierter Gruppen durch eine starke Vielfältigkeit ihrer Angebote aus. Diese besitzen sicherlich eine Indikatorwirkung für die Perzeption aktueller Problemlagen und sind somit richtungsweisend für Handlungsnotwendigkeiten auch auf politischer Ebene. 48 Insgesamt weisen 10 Organisationen (= 3% an allen Organisationen) eine rein männliche Mitgliedschaft auf. Von diesen verstehen sich inhaltlich jedoch nur zwei Gruppierungen explizit als Männerorganisation. 36 5. Materielle und personelle Ausstattung 5.1 Finanzierung Zur Beantwortung der Frage nach der Finanzierung der Selbstorganisationen wurden verschiedene Antwortkategorien zur Verfügung gestellt. Explizit waren die Möglichkeiten der Eigenfinanzierung (Mitgliedsbeiträge, Spenden etc.) sowie der Unterstützung durch die Kommune, das Land oder den Bund aufgeführt; weiterhin gab es die Kategorie der sonstigen Finanzierung, durch die die Möglichkeit zur Nennung konkreter Finanzierungsalternativen gegeben war. Insgesamt haben 6% aller Organisationen keine Angaben zu dieser Fragestellung gemacht, unter denen sich überproportional viele herkunftsheterogene Vereinigungen befinden. Nach den eingegangenen Angaben werden 72% aller Ausgaben aus Eigenmitteln, jeweils 6% aus kommunalen und Landesmitteln, weitere 4% aus Bundesmitteln und 12% aus sonstigen Quellen gedeckt. Während die Organisationen der Zuwanderer lateinamerikanischer und afrikanischer Herkunft zur Bestreitung ihrer Vereinsausgaben zu 100 bzw. 92% auf Eigenmittel angewiesen sind, können die herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse ihre Ausgaben zu über der Hälfte aus Fremdmitteln decken. Ihre Ausgaben werden durchschnittlich zu 17% von der Kommune, zu 13% vom Land und zu 11% vom Bund getragen. Damit stellen sie bei allen Instanzen die am stärksten geförderte Gruppe dar. Ihnen folgen die Zusammenschlüsse der Migranten europäischer Herkunft bei der Landes- und Bundesförderung, mit 6 und 3% jedoch in einem wesentlich geringeren Ausmaß. Allein die Kommunen unterstützen die Vereinigungen asiatischer Migranten mit durchschnittlich 4% an ihren Gesamtausgaben in einem gleichen Ausmaß wie die der europäischen. Hier liegt mit 3% auch die höchste Fremdförderung der afrikanischen Zusammenschlüsse. Einzig bei den sonstigen Finanzierungsquellen liegen die herkunftsheterogenen Organisationen nicht an der Spitze. Hier sind es die europäischen Vereinigungen, die mit 16% den höchsten Anteil an sonstigen Einnahmen aufweisen, gefolgt von den Zusammenschlüssen der Einwanderer asiatischer Herkunft mit 12%. Unter den sonstigen Geldgebern wurden besonders häufig die Wohlfahrtsverbände genannt, wobei der Caritasverband und das Diakonische Werk eine herausragende Rolle spielen. Weiterhin gaben mehrere Migrantenselbstorganisationen in NRW an, durch das Herkunftsland, kirchliche Mittel, die EU oder durch Stiftungen unterstützt zu werden. Vereinzelt wurden auch Dachverbände oder Institutionen, wie der Sprachverband Mainz und die Asienstiftung, aufgeführt. Von allen Organisationen finanzieren sich fast 50% ausschließlich aus Eigenmitteln, 60% werden zu maximal 10% des Gesamtvolumens ihrer Ausgaben unterstützt. Lediglich 9% gaben an, ganz ohne die Aufwendung von Eigenmitteln auszukommen. 22% aller Organisationen werden aus kommunalen Mitteln finanziell gefördert, 4% mit einem über 50%igen Anteil an ihren Gesamtausgaben. Eine Organisation verwies darauf, allein aus kommunalen Mitteln zu arbeiten. Der Gesamtanteil der vom Land unterstützten Selbstorganisationen ist mit 18% etwas geringer. Hier gab ebenfalls eine Organisation an, eine 100%ige Landesförderung zu erhalten; 5% aller Zusammenschlüsse können mindestens die Hälfte ihrer Ausgaben aus Landesmitteln decken. Bundesmittel erhalten hingegen lediglich 8% aller Migrantenorganisationen in Nordrhein-Westfalen. Ebenfalls 8% aller Zusammenschlüsse gaben an, sich ausschließlich aus anderen Geldquellen zu finanzieren, vornehmlich durch die Unterstützung von Wohlfahrtsverbänden oder aus dem Herkunftsland. Aus einer nationalitätenspezifischen Perspektive sind vorwiegend Gruppierungen mit einer nur geringen Gesamtzahl an Organisationen am stärksten von einer exklusiven Eigenfinanzierung betroffen, aber auch die philippinischen und gesamtafrikanischen Zusammenschlüsse werden von keiner Stelle gestärkt. Wenn Minderheitengruppen finanziell gefördert werden, geschieht dies im höchsten Umfang auf kommunaler Ebene. Die Gesamtausgaben werden hier anteilig am stärksten bei der Roma-Organisation und den Vereinigungen der vietnamesischen und äthiopischen Einwanderer übernommen. Bundesmittel erreichen anteilig hingegen am stärksten die osteuropäisch heterogen zusammengesetzte Vereinigung sowie die polnischen Organisationen. Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit besteht in der Beantragung einer konkreten Projektförderung. 32% aller Organisationen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, beinahe 20% der allein auf Eigenmittel angewiesenen Organisationen. 37 5. Materielle und personelle Ausstattung Die meisten Projekte werden dabei von der Kommune unterstützt, unwesentlich weniger vom Land NRW. Deutlich darunter liegen die Projektfinanzierungen aus dem Herkunftsland, vom Bund, von der EU und von verschiedenen Stiftungen. Insgesamt werden 98% aller angegebenen Projekte von diesen Stellen unterstützt. Die Projektförderung verteilt sich zu 52% auf europäische, zu 25% auf herkunftsheterogene, zu 14% auf afrikanische, zu 8% auf asiatische und zu 1% auf lateinamerikanische Organisationen. Im internen Vergleich schneiden hingegen die herkunftsheterogenen Vereinigungen wie die Zusammenschlüsse der Migranten afrikanischer Herkunft besonders gut ab. Von diesen erhalten 44 bzw. 39% eine zweckgebundene finanzielle Unterstützung. In die Projektförderung fallen zudem relativ viele Selbstorganisationen, die bezüglich der ethnischen Herkunft ihrer Mitglieder in NRW einen Minderheitenstatus einnehmen.Von den klassischen Anwerbestaaten zeichnen sich besonders die Organisationen der Migranten makedonischer, spanischer und serbisch/montenegrinischer Herkunft durch eine hohe Unterstützung auf Projektbasis mit 42, 35 und 30% aus. Vom Herkunftsland werden auf Projektebene ausschließlich europäische und zu einem geringeren Anteil von 17% afrikanische Organisationen unterstützt; allein 75% aller Vereinigungen sind solche von Einwanderern aus den ehemaligen Anwerbestaaten. Demgegenüber werden sowohl vom Land als auch von der EU mit 45 bzw. 62% besonders die Projekte der multikulturellen Zusammenschlüsse protegiert, während die Kommunen zu 54% die Projekte europäischer Gruppierungen überdurchschnittlich stark unterstützen. Eine nach Kontinenten ausgeglichenere Förderung tritt bei den Stiftungen und beim Bund zutage, hier nehmen in keinem Fall Organisationen eines Kontinents mehr als 40% der Gesamtförderung ein. So werden die Projekte asiatischer Vereinigungen anteilig auch zu einem besonders hohen Anteil von Stiftungen und die der afrikanischen Gruppen durch den Bund unterstützt. 5.2 Räumlichkeiten Zur Frage der Räumlichkeiten haben 95% aller Organisationen Auskunft gegeben. Demnach nutzen mit 38% die meisten aller Vereinigungen ausschließlich zur Mitbenutzung überlassene Räumlichkeiten für ihre Vereinsaktivitäten, 29% können auf eigene Räume zurückgreifen und 18% aller Zusammenschlüsse stehen sowohl eigene als auch Nutzungsmöglichkeiten fremder Räume zur Verfügung. Insgesamt sind 15% aller Organisationen jedoch weder mit eigenen Räumlichkeiten ausgestattet, noch werden ihnen andere Räume zur Mitbenutzung überlassen. Hier stellen die Privatwohnungen der einzelnen Mitglieder oft die einzige Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Vereinslebens dar. Unter dieser Kategorie befinden sich im Vergleich nach Kontinenten mit 41 bzw. 33% besonders viele Organisationen von Migranten afrikanischer und asiatischer Herkunft. Die herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse sowie die der Migranten europäischer Herkunft haben lediglich zu einem Anteil von 9 bzw. 7% keinerlei Räumlichkeiten, weisen demgegenüber jedoch zu 56 bzw. 74% eigene Vereinsräume auf. Bei den Organisationen, denen eigene Räume zur Verfügung stehen, weist die durchschnittliche Größe im Vergleich nach Herkunftskontinenten große Diskrepanzen auf.49 Die angegebene Quadratmeterzahl liegt zwischen 6 bei den Organisationen der Migranten lateinamerikanischer Herkunft und 282 bzw. 232 bei den Gruppen der Migranten asiatischer Herkunft und den herkunftsheterogenen Zusammenschlüssen. Diese hohen Durchschnittszahlen können jedoch dadurch erklärt werden, daß die 5 mit den größten eigenen Räumlichkeiten versehenen Zusammenschlüsse alle den asiatischen bzw. multikulturellen Organisationen angehören und eine Quadratmeterzahl zwischen 1.500 und 600 qm aufweisen. Inhaltlich handelt es sich hier entweder um religiöse Organisationen oder um multikulturelle Zentren. Ohne Berücksichtigung dieser weit über dem Durchschnitt liegenden Räumlichkeiten fällt die durchschnittliche Größe pro Vereinigung bei den herkunftsheterogenen Zusammenschlüssen auf 110 qm, bei den asiatischen sogar auf 39 qm zurück. Damit liegen beide Gruppen hinter den europäischen Gruppierungen, die durchschnittlich 120 qm an eigenen Vereinsräumen aufweisen; die asiatischen Vereinigungen haben bei dieser Berechnung zudem eine geringere Raumgröße als die afrikanischen Selbstorganisationen mit durchschnittlich 62 qm. Insgesamt verfügen 25% aller Organisationen mit eigenen Vereinsräumen über maximal 50 qm, 46% weisen Örtlichkeiten bis zu 100 qm auf. Die Vereinigungen mit den kleinsten räumlichen Möglichkeiten haben weder bezüglich der inhaltlichen Orientierung noch bezüglich der ethnischen Herkunft Gemeinsamkeiten. Die Räume weiterer 50% befinden sich in der Größenordnung zwischen 100 und 400 qm, darüberliegende Kapazitäten weisen lediglich 4% der Zusammenschlüsse auf. Deutliche Veränderungen in der durchschnittlichen Raumgröße treten jedoch auf, wenn die zur Mitbenutzung überlassenen fremden Räumlichkeiten einbezogen werden.50 Insgesamt sind die zur Mitbenutzung überlassenen Räumlichkeiten durchschnittlich zwar kleiner 49 12% aller Organisationen, die angegeben haben, über eigene Räumlichkeiten zu verfügen, haben keine Größenangaben gemacht. Somit beziehen sich die folgenden Berechnungen auf 88% der Organisationen mit eigenen Räumen und auf 39% aller Organisationen. 50 61% aller Organisationen, die angegeben haben, über Mitnutzungsmöglichkeiten fremder Räumlichkeiten zu verfügen, haben keine Größenangaben gemacht. Somit beziehen sich die folgenden Berechnungen auf 39% der Organisationen mit zur Mitbenutzung überlassenen Räumen und auf 21% aller Organisationen. 38 5. Materielle und personelle Ausstattung als die eigenen, gleichwohl nutzen mehr Organisationen diese Möglichkeit, so daß es zu einer deutlichen Verbesserung des Raumangebots kommt. Die zur Mitbenutzung überlassenen Räume sind bei 65% der beteiligten Zusammenschlüsse kleiner als 100 qm, bei weiteren 30% liegen sie zwischen 100 und 300 qm und bei 5% übersteigen sie diese Größe. Insbesondere im Vergleich nach Kontinenten weichen die Nutzungsmöglichkeiten eigener Räume, zur Mitbenutzung überlassener Räume und der insgesamt zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten bei den jeweils betroffenen Organisationen deutlich voneinander ab. Dabei sind keine Korrelationen zwischen Raumgröße und Mitgliederzahl der jeweiligen Vereinigungen erkennbar. Durchschnittliche Raumgröße der jeweils betroffenen Organisationen nach Herkunftskontinent in qm Kontinent eigene Räume zur Mitbenutzung überlassene Räume zur Verfügung stehende Räumlichkeiten insgesamt Afrika 62 53 57 Asien 281 165 272 Europa 120 91 118 6 200 103 232 118 218 Lateinamerika Herkunftsheterogen Quelle: eigene Berechnungen Einschränkend muß hier jedoch hinzugefügt werden, daß bei einer Mitnutzung von Räumen den entsprechenden Organisationen diese nicht uneingeschränkt, sondern nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung stehen. Dabei variieren die diesbezüglichen Angaben stark voneinander.51 Während 27% aller Organisationen angaben, die ihnen zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten bedarfsorientiert nutzen zu können, sind 8% aller Vereinigungen ihre Treffpunkte nur einige Male im Jahr zugänglich. Meistens wurden jedoch wöchentliche, 14tägige oder monatliche Raumnutzungsmöglichkeiten aufgeführt, so daß hier in der Regel zwar keine außerplanmäßigen, aber doch regelmäßige Vereinsaktivitäten gewährleistet sind. 5.3 Festangestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen 19% aller Organisationen aus 16 verschiedenen Herkunftsgebieten haben angegeben, daß festangestellte Kräfte in ihrer Selbstorganisation beschäftigt sind. Dabei divergieren die Vorstellungen darüber, was unter einer festangestellten Kraft zu verstehen ist, erheblich voneinander. Hier gehen sowohl zeitlich unbefristete wie befristete Arbeitsverhältnisse ein, Teilzeit- wie Vollzeitstellen, ABMund ASS-Kräfte ebenso wie auf Honorarbasis arbeitende Personen oder Aushilfen. Zudem ist ein Großteil der Angaben ohne weitere Erläuterungen gemacht worden, so daß hier unklar bleibt, inwieweit es sich um volle sozialversicherungspflichtige Stellen oder andere Formen der entgeltlichen Mitarbeit handelt. Zudem mögen weitere Organisationen insbesondere mit Hilfe von Honorar- und Aushilfskräften arbeiten, ohne diese im Fragebogen angegeben zu haben, da sie sie nicht als festangestellte Mitarbeiter einstufen. Insofern handelt es sich bei den folgenden Aussagen nur um Richtwerte, die aber gleichwohl einen ersten Einblick in die personelle Situation der Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen in NordrheinWestfalen vermitteln. Nach den vorliegenden Angaben stammen 2% aller Organisationen, die festangestellte Mitarbeiter beschäftigen, aus dem lateinamerikanischen Raum, weitere 4% aus dem afrikanischen und 13% aus dem asiatischen Raum. 34% aller Zusammenschlüsse sind solche von Migranten europäischer Herkunft, und mit 48% gehören fast die Hälfte von ihnen zu den herkunftsheterogenen Vereinigungen. Bei den Organisationen arbeiten insgesamt 187 Personen, von denen allein 58% auf die herkunftsheterogenen Gruppierungen entfallen, weitere 33% sind bei europäischen Organisationen beschäftigt und insgesamt 10% sind bei lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Vereinen angestellt. Bei den Vereinigungen der Einwanderer europäischer Herkunft zeichnen sich vor allem die der Griechen und die der Italiener aus, die 15 bzw. 6% aller Angestellten umfassen. Weiterhin verfügen die Zusammenschlüsse der Migranten spanischer, serbischer und polnischer Herkunft sowie die Roma-Organisation und die osteuropäische Gruppierung über festangestellte Personen. Bei den asiatischen und afrikanischen Zusammenschlüssen bestehen feste Beschäftigungsverhältnisse in koreanischen, tamilischen, chinesischen, den armenischen, aramäischen und assyrischen sowie äthiopischen Selbstorganisationen. Dabei liegt die durchschnittliche Anzahl festangestellter Kräfte zwischen 1 und 3 Personen; Ausnahmen bilden insbesondere die herkunftsheterogenen Organisationen, die in Einzelfällen bis zu 50 Mitarbeiter beschäftigen; weiterhin wurden von Zusammenschlüssen der Griechen, der Roma sowie der Serben und Montenegriner mehr als 3 Angestellte angegeben. Viele dieser Stellen sind jedoch nicht auf Dauer angelegt. ABMund ASS-Stellen werden zunehmend abgebaut, befristete Arbeitsverträge nur bei einer entsprechenden Weiterfinanzierungsmöglichkeit fortgesetzt. Gleichermaßen zeugen sie von der hohen Professionalisierung einzelner Organisationen, die ihre Angebots- und Arbeitsfelder durch eine rein ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr bewältigen können. Gerade hier wäre zu hoffen, daß in Zukunft bestehende Arbeitszweige nicht durch mangelnde Finanzierungsfragen abgebrochen und zerstört werden müssen. Denn gerade stabile Arbeitsverhältnisse gewährleisten eine kontinuierliche Arbeit der Selbstorganisationen. 51 9% aller Organisationen, die angegeben haben, über Mitnutzungsmöglichkeiten fremder Räumlichkeiten zu verfügen, haben keine Angaben zur Nutzungshäufigkeit gemacht. Somit beziehen sich die folgenden Aussagen auf 91% der Organisationen mit zur Mitbenutzung überlassenen Räumen und auf 49% aller Organisationen. 39 6. Kontakte und Zusammenarbeit Die Frage nach Außenkontakten der Selbstorganisationen wurde in verschiedenen Antwortkategorien erhoben. Diese bezogen sich auf Verbindungen zu anderen Migrantenorganisationen sowie zum Ausländerbeirat ebenso wie auf Beziehungen zu lokalen politischen Parteien, kommunalen und Landeseinrichtungen in Deutschland oder zu Parteien und Organisationen im Herkunftsland. Während bezüglich der Beziehungen zu anderen Selbstorganisationen nur nach einer echten Kooperation gefragt wurde, konnte bei den anderen Kategorien jeweils zwischen einfachen Kontakten und einer bestehenden Zusammenarbeit differenziert werden. Dabei sollten die jeweiligen Ansprechpartner konkret benannt werden. Beim Ausländerbeirat wurde demgegenüber nach der konkreten Ausgestaltung der Zusammenarbeit gefragt. Die Verbindungen der Selbstorganisationen zu Parteien oder Organisationen im Herkunftsland weichen im Vergleich nach Kontinenten stark voneinander ab. Während die Vereinigungen der Migranten lateinamerikanischer und europäischer Herkunft zu 75 bzw. 54% Kontakte zu Organisationen im Herkunftsland haben, liegt der entsprechende Anteil bei den herkunftsheterogenen Zusammenschlüssen lediglich bei 16%. Hier bestehen überhaupt keine Kontakte zu politischen Parteien, während 15% der Organisationen der Migranten afrikanischer Herkunft Beziehungen zu Parteien ihres Herkunftslandes aufweisen und 12% sogar mit ihnen zusammenarbeiten. 6.1 Kontakte zu und Zusammenarbeit mit Organisationen und Parteien im Herkunftsland 44% aller Vereinigungen bejahten die Frage, in Kontakt zu Organisationen im Herkunftsland zu stehen, wohingegen nur 28% auch mit solchen zusammenarbeiten. Kontakte zu Parteien im Herkunftsland gibt es hingegen wesentlich weniger. Lediglich 9% aller Organisationen gaben an, parteipolitische Kontakte zu pflegen, eine konkrete Zusammenarbeit wurde nur von 5% der in NRW ansässigen Zusammenschlüsse von Migranten bestätigt. Die Organisationsformen, die hier konkret genannt wurden, beinhalten eine sehr große Spannbreite. So wurden Verbindungen zu verschiedenen Kirchen, wie etwa zur armenisch-orthodoxen Mutterkirche in Äthiopien, zum Patriarchat der serbisch-orthodoxen Kirche, zum Tempel in Sri Lanka und in Indien, zur katholischen und evangelischen Kirche in verschiedenen Herkunftsländern oder zur griechisch-orthodoxen Kirche aufgeführt. Weiterhin bestehen Kontakte zu Parlamenten und Ministerien sowohl auf nationaler wie auch auf regionaler oder kommunaler Ebene, die zum Teil über die diplomatischen Vertretungen in Deutschland hergestellt werden. Selbstorganisationen in NRW stehen ebenso in Kontakt zu Auswanderungs- wie zu Rückkehrorganisationen. Zudem wurden Beziehungen zu Stiftungen, gewerkschaftlichen Vereinigungen und wissenschaftlichen Einrichtungen genannt, zu kulturellen, sportlichen und wirtschaftlichen Institutionen sowie zu Basisgruppen. Ebenfalls gibt es Kontakte zum Internationalen Roten Kreuz, zu Caritas International, zu politischen Widerstandsgruppen und zu verschiedenen Frauenorganisationen. Mit all diesen Gruppen, Organisationen und Institutionen in den jeweiligen Herkunftsländern besteht seitens der Selbstorganisationen von Migranten in NRW nicht nur Kontakt, sondern auch eine konkrete Kooperation; in diesem verbindlichen Arbeitsverhältnis befinden sich insgesamt jedoch weniger Zusammenschlüsse. Die Kontakte der Selbstorganisationen zu politischen Parteien im Herkunftsland können nur schwer konkretisiert werden, da häufig nur allgemeine Einstufungen zu dieser Frage vorgenommen wurden. Antwortmuster lauten hier „zu allen“, „zu allen demokratischen Parteien“, „zu Oppositionsparteien“ oder „zu allen im Parlament vertretenen Parteien“. 40 Von den afrikanischen Organisationen, die insgesamt die stärksten Kontakte zu politischen Parteien aufweisen, pflegen die gesamtafrikanisch strukturierten Zusammenschlüsse in keinem Fall solche Beziehungen. Parteipolitische Kontakte werden hier ausschließlich von den afrikanisch nationalstaatlich organisierten Gruppen gepflegt. Durch ein besonders hohes Maß an Kontakten zu Parteien im Herkunftsland zeichnen sich die griechischen Vereinigungen mit 19% aus; einen überdurchschnittlich hohen Anteil weisen sie mit 61% ebenfalls bei Kontakten zu Organisationen im Herkunftsland auf. Diese Tatsache läßt sich jedoch aus der griechischen Organisationsgeschichte erklären, die neben Integrationsbemühungen im Einwanderungsland immer auch auf die Pflege der Verbindungen zum Herkunftsland ausgerichtet war. In diesem Kontext ist jedoch überraschend, daß die italienischen Organisationen, die traditionell starke Beziehungen zu Parteien und Institutionen in Italien haben, lediglich zu 4% Kontakte zu Parteien angegeben haben, während sie mit 46% bei den Kontakten zu Organisationen im Herkunftsland eine ebenfalls nur leicht überdurchschnittliche Position einnehmen. Die Organisationen aus dem ehemaligen Jugoslawien bzw. seinen Nachfolgestaaten verweisen zwar überdurchschnittlich häufig auf Kontakte zu Organisationen im Herkunftsland, pflegen jedoch mit Ausnahme eines kroatischen Vereins in keinem Fall Beziehungen zu politischen Parteien. Dieses Verhalten läßt sich daraus ableiten, daß aufgrund des Krieges vielfältige Beziehungen zum Herkunftsland aufgebaut und gepflegt wurden und insbesondere für humanitäre Hilfsaktionen eine Zusammenarbeit mit Organisationen im Herkunftsland gesucht wurde. Demgegenüber existiert nach der Auflösung 6. Kontakte und Zusammenarbeit der Einheitspartei ‘Bund der Kommunisten Jugoslawiens’ 1990 kein Mehrparteiensystem mit parteipolitischen Abgrenzungen, sondern vielmehr eine Parteienlandschaft, die sich vornehmlich durch die Bildung nationaler Lager auszeichnet. Somit kann es keine Anlehnung der Selbstorganisationen an eher liberale oder konservative Parteien im Herkunftsland geben, während die Aufspaltung nach nationalen Kriterien häufig nicht aufgrund parteipolitischer Präferenzen, sondern wegen der direkten Auswirkungen des Krieges auf die nationale Identität der ehemals jugoslawischen Staatsbürger vollzogen wurde. Diesbezüglich weisen die albanischen Organisationen, zu deren Mitgliedern vor allem Kosovo-Albaner gehören, ein anderes Verhalten auf. Parteipolitische Kontakte und auch Kooperationen werden von der Hälfte der Zusammenschlüsse angegeben, beziehen sich in der Regel jedoch nicht auf Parteien der offiziellen politischen Arena der Bundesrepublik Jugoslawien, sondern auf Parteien, die bei der politischen Selbstorganisation im parallelen politischen Leben der Kosovo-Albaner angesiedelt sind. 6.2 Kontakte und Zusammenarbeit in Deutschland Bezüglich der Kontakte und Zusammenarbeit in Deutschland wurden mehr Antwortkategorien aufgestellt als zu denen im Herkunftsland. Abgefragt wurden hier Beziehungen zu anderen Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten, zum Ausländerbeirat, zu lokalen Parteien, zu kommunalen Ämtern und Institutionen sowie zu Landeseinrichtungen. Danach bestehen die stärksten Verbindungen bei den Selbstorganisationen untereinander; lediglich 30% gaben an, nicht mit anderen Selbstorganisationen zu kooperieren. Weiterhin pflegen 67% aller Organisationen Kontakte sowohl zu den Ausländerbeiräten als auch zur Kommune. Demgegenüber weisen nur 38% aller Zusammenschlüsse Beziehungen zu deutschen Parteien auf, die geringsten Kontakte bestehen mit 19% zwischen Selbstorganisationen und Landeseinrichtungen. Eine über die Kontaktpflege hinausreichende Kooperation wurde regelmäßig von weniger Selbstorganisationen angegeben, die quantitative Reihenfolge bleibt dabei jedoch unverändert. Nach Kontinenten aufgeschlüsselt heben sich besonders die herkunftsheterogenen Organisationen durch intensive Verbindungen nach außen ab. Lediglich in den Beziehungen zum Ausländerbeirat liegen sie nicht an der Spitze; hier weisen die europäischen Organisationen die höchste Position auf. 41 Kontakte und Zusammenarbeit in Deutschland nach Herkunftskontinent und insgesamt in % Kontinent Kontakt zu Ausl.- Parteien Kombeirat mune Zusammenarbeit mit Land Selbst- Ausl.- Parteien Komorg. beirat mune Land Afrika 52 42 58 18 64 27 18 24 Asien 56 29 42 13 58 42 8 21 12 4 Europa 75 31 68 17 71 51 14 49 13 L.-amerika 25 25 75 - 75 25 25 50 - Heterogen 60 70 92 36 84 42 48 68 20 insgesamt 67 38 67 19 70 45 20 45 12 Quelle: eigene Berechnungen 6.2.1 Ausländerbeirat Die Zusammenarbeit zwischen Selbstorganisationen und Ausländerbeirat ergibt sich häufig durch personelle Überschneidungen von Mitarbeitern eines Vereins und Ausländerbeiratsmitgliedern. Durch diese Doppelbesetzungen werden Themen des Vereins in die Diskussionen des Ausländerbeirats eingebracht und umgekehrt, so daß es an vielen Schnittstellen zu einer Kooperation kommt. Eine Zusammenarbeit findet zu einem Großteil in Form gemeinsamer Veranstaltungen statt, die sowohl kulturellen als auch politischen oder sportlichen Charakters sind. Häufig werden auch themenspezifische Informationsveranstaltungen angeboten. Neben Veranstaltungen werden auch gemeinsame Aktivitäten durchgeführt. Hier wurden neben den allgemeinen Bereichen Politik, Soziales, Kultur und Religion konkret Bemühungen zur Jugendhilfe, zur seniorenspezifischen Zusammenarbeit sowie zur Einbürgerung genannt. Weiterhin besteht eine Kooperation durch gemeinsame themenspezifische Arbeitskreise, Gesprächskreise und Runde Tische, durch informellen Informationsaustausch und gegenseitige Beratungen. Einzelne Organisationen gaben auch an, Integrationsprojekte in Zusammenarbeit mit dem Ausländerbeirat durchzuführen, Publikationen gemeinsam zu erstellen oder Ausländerbeiratsmitglieder fort- und weiterzubilden. 6.2.2 Parteien Nach den eingegangenen Antworten sind es fast ausschließlich die etablierten Parteien, zu denen die Selbstorganisationen in Kontakt stehen oder mit denen eine Zusammenarbeit stattfindet. Von allen Kontakten entfallen 36% auf die SPD, 28% auf Bündnis 90/Die Grünen, 22% auf die CDU, 6% auf die FDP, 1% auf die CSU und 0,4% auf die PDS. Weitere 6% beinhalten allgemeinere Antworten wie „zu allen Parteien“, „zu allen kommunalen Parteien“, „zu allen im Stadtrat vertretenen Parteien“ oder „zu allen demokratischen Parteien“. Lediglich 1% der Kontakte sind solche zu Klein- und Kleinstparteien, so zur UWG, zur Feministischen Partei und zur BIG. Bezüglich der Frage nach einer konkreten Zusammenarbeit werden die Kleinparteien als Kooperationspartnerinnen gar nicht mehr aufgeführt. Während die bei den Kontakten aufgeführte Rangfolge der etablierten Parteien bei einer Zusammenarbeit unverändert bleibt, ergeben sich aber Veränderungen bezüglich ihrer Relevanz. So nimmt die Bedeutung von Bündnis 90/Die Grünen in der Zusammenarbeit zu, während die der CDU und FDP gegenüber den Kontakten leicht abnimmt. 6. Kontakte und Zusammenarbeit Kontakte und Zusammenarbeit der Selbstorganisationen mit deutschen Parteien in % Partei SPD Bündnis 90/Die Grünen CDU FDP CSU PDS Feministische Partei BIG UWG Allgemeine Nennungen Kontakte und Zusammenarbeit der Selbstorganisationen nach Herkunftskontinent zu SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP in % Kontakte Zusammenarbeit Afrika 36 28 22 6 1 0,4 0,4 0,4 0,4 6 36 31 20 5 1 1 6 K ZA K ZA SPD 46 44 33 33 Bündnis 90/ Die Grünen 33 22 33 50 CDU 17 22 25 17 FDP 4 11 4 K = Kontakt, ZA = Zusammenarbeit Quelle: eigene Berechnungen Insbesondere die Organisationen der Zuwanderer afrikanischer Herkunft weisen sich durch deutlich überdurchschnittlich häufige Kontakte zur SPD aus, während sie wesentlich seltener Verbindungen zur CDU haben. Demgegenüber sind die Beziehungen zur CDU bei den Zusammenschlüssen der Migranten asiatischer und europäischer Herkunft relativ stark ausgeprägt. Bei den europäischen Organisationen lassen sich zudem überdurchschnittlich viele Kontakte zur SPD feststellen, während Berührungspunkte zu den Grünen nur von 23% angegeben wurden. Mit ihnen stehen hingegen besonders viele herkunftsheterogene Vereinigungen in Verbindung. Ebenso wie bei der Kontaktpflege konzentrieren sich die Selbstorganisationen auch bei einer Zusammenarbeit in der Regel nicht auf eine Partei, sondern kooperieren mit mehreren gleichzeitig. Die Schwerpunkte einer echten Kooperation variieren gegenüber den Kontakten im Vergleich nach Kontinenten jedoch erheblich voneinander. So liegt die Zusammenarbeit der afrikanischen Organisationen mit der SPD zwar weiterhin überdurchschnittlich hoch, eine Kooperation mit den Grünen fällt jedoch mit 9%-Punkten unter dem Durchschnittswert erheblich niedriger aus. Demgegenüber haben die Zusammenschlüsse der Migranten asiatischer Herkunft, die mit Parteien zusammenarbeiten, zu 50% die Grünen angegeben, jedoch nur noch zu 17% die CDU. Dieser Trend läßt sich auch bei den herkunftsheterogenen Organisationen konstatieren. Im Gegensatz dazu weisen hingegen die europäischen Vereinigungen eine überdurchschnittliche Kooperation mit der CDU und eine unterdurchschnittliche Zusammenarbeit mit den Grünen auf. Europa K ZA 40 36 23 26 9 26 26 7 LateinHerkunftsamerika heterogen K ZA K ZA 50 50 34 39 50 - 50 - 35 23 5 39 17 4 Quelle: eigene Berechnungen Unter den Organisationen der ehemaligen Anwerbestaaten weisen die Organisationen der Migranten griechischer Herkunft mit 23% überdurchschnittlich starke Verbindungen zu Parteien auf, während diese insbesondere bei italienischen und spanischen Selbstorganisationen mit 14 bzw 6% deutlich unterhalb des Mittelwerts liegen. 6.2.3 Kommunale Einrichtungen Deutlich stärkere Kontakte als zu den Parteien pflegen die Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW zu kommunalen Einrichtungen, wobei hier ebenfalls von den meisten Zusammenschlüssen mehrere Kontaktpartner gleichzeitig genannt werden. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Gemeinde- und Stadtverwaltungen, auf die sich 74% aller Nennungen beziehen. Insgesamt werden kommunale Behörden in einer recht großen Spannbreite aufgeführt, wobei sich bestimmte Ämter gleichzeitig durch ihre zentrale Rolle im Kontakt zu Selbstorganisationen von Migranten hervorheben. Die häufigsten Kontakte bestehen zum Sozial- und zum Kulturamt, gefolgt vom Ausländer-, Jugend-, Schulund Arbeitsamt. Kontakte zu und Zusammenarbeit mit kommunalen Ämtern Amt Sozialamt Kulturamt Ausländeramt Jugendamt Schulamt Arbeitsamt Sportamt Frauenamt Ordnungsamt Amt für multikulturelle Angelegenheiten Amt für Ratsangelegenheiten, Amt für Wirtschaftsförderung, Bauordnungsamt, Bürgermeisteramt, Einbürgerungsbehörde, Einwohnermeldeamt, Finanzamt, Gesundheitsamt, Liegenschaftsamt, Planungsamt, Presseamt, Straßenverkehrsamt, Versorgungsamt, Wohnungsamt K = Kontakte, ZA = Zusammenarbeit Quelle: eigene Berechnungen 42 Asien % der Nennungen K ZA 22 21 19 21 12 7 10 13 7 8 7 9 4 5 3 4 3 2 2 0,5 11 9,5 6. Kontakte und Zusammenarbeit Neben den Behörden stehen die Selbstorganisationen nach eigenen Angaben in Kontakt zu Runden Tischen, Ausschüssen, Beiräten und Arbeitskreisen, zu Schulen und Kindergärten, zu Ausländerbüros, Senioren- und Gleichstellungsstellen, zu Jugendfreizeiteinrichtungen und Bürgerzentren, zu Familienbildungsstätten und zur Volkshochschule, zu Drogenberatungsstellen, Bürgerberatungen und zu kommunalen Flüchtlingsunterkünften. In der konkreten Zusammenarbeit geht die Bedeutung der kommunalen Behörden gegenüber anderen kommunalen Einrichtungen mit 67% aller Nennungen etwas zurück. Innerhalb der Kooperation mit der Stadtverwaltung kommt es im Vergleich mit vorhandenen Kontakten zu deutlichen Verschiebungen. Besonders auffällig ist, daß sich bei den Kontakten zwar 12% aller Nennungen auf das Ausländeramt beziehen, jedoch nur noch 7% bei einer Zusammenarbeit. Dieses Phänomen ist erklärbar durch den Umstand, daß Migranten in bezug auf aufenthaltsrechtliche Fragen in Kontakt zur Ausländerbehörde treten müssen, daß entsprechend auch ihre Organisationen häufig mit diesem Thema vertraut sind und somit über die diesbezüglichen Kontakte verfügen. Gleichermaßen wird hier seltener eine konkrete Arbeitsebene angestrebt als mit anderen Ämtern. Die wichtigsten Kooperationspartner sind das Sozial- und das Kulturamt. Die häufige Nennung des Sozialamtes ist auch darauf zurückzuführen, daß „Ausländerangelegenheiten“ verwaltungsintern vielfach automatisch in den Zuständigkeitsbereich des Sozialamtes überführt werden, selbst wenn es sich konkret beispielsweise um kulturelle Aktivitäten handelt. Diese Zuständigkeitsregelung beinhaltet eine Symbolik, die ausgrenzend und integrationshemmend wirkt und somit äußerst problematisch ist. Weiterhin ist das Jugendamt für viele Selbstorganisationen ein oft genannter Ansprechpartner, was darauf deuten läßt, daß Jugendarbeit für die Vereinigungen von Migranten ein wichtiger Arbeitbereich ist. Diese Ableitung wird gestützt durch die recht häufige Nennung einer Kooperation mit dem Arbeitsamt , bei der es sich vielfach um Angebote im Berufsberatungsbereich handelt. Unter den sonstigen Kooperationspartnern spielen insbesondere die Volkshochschulen eine große Rolle, auf die sich ein Viertel aller Nennungen im Bereich der nicht behördlichen Zusammenarbeit bezieht. Ebenfalls wichtig sind migrationsspezifische Einrichtungen wie Ausländerbüros, Referate für Multikulturelles oder Koordinierungsstellen für Ausländerangelegenheiten; auch mit der Gleichstellungsstelle findet eine relativ häufige Kooperation statt. Die bei den Kontakten bereits aufgeführten weiteren Bereiche werden auch in der Zusammenarbeit genannt, fallen quantitativ jedoch nicht stark ins Gewicht. 6.2.4 Einrichtungen des Landes Von den Nennungen der Selbstorganisationen zu Kontakten zu Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen entfallen 44% auf Ministerien und 56% auf weitere Einrichtungen; bei einer Zusammenarbeit variiert dieses Verhältnis mit 41 zu 59% nur gering. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales kann mit Abstand auf die meisten Kontakte und auf die intensivste Zusammenarbeit mit den Organisationen der Einwanderer in Nordrhein-Westfalen verweisen. 62% aller Nennungen zu Kontakten zu Ministerien 43 Kontakte und Zusammenarbeit der Selbstorganisationen zu Ministerien des Landes NRW in % Ministerium Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Ministerium für Schule und Weiterbildung Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr Innenministerium Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft Kontakt 62 10 Zusammenarbeit 50 19 10 13 7 13 3 3 6 - 3 - Quelle: eigene Berechnungen Anmerkung der Herausgeber: Die Untersuchung wurde vor der Umorganisierung der Landesregierung NRW in 1998 durchgeführt entfielen auf das MAGS und immerhin noch die Hälfte aller Nennungen zur Zusammenarbeit. Zum einen resultiert dieser hohe Anteil sicherlich aus dem Zuständigkeitbereich des Ministeriums, zum anderen kann er aber auch als Ergebnis ausgeprägter Integrationsbemühungen seitens eines Landesministeriums in Gemeinschaft mit den Migranten gewertet werden. Gleichermaßen bleibt zu berücksichtigen, daß es sich in absoluten Zahlen jedoch um eine vergleichsweise geringe Zahl von Selbstorganisationen handelt, die sich auf diesen Kooperationspartner beziehen. Insgesamt passen die Nennungen auf Landesebene zu den auf kommunaler Ebene aufgeführten Behörden, zu denen die Selbstorganisationen Verbindungen haben. Eine weitere wichtige Rolle spielen seitens der Ministerien insbesondere das Ministerium für Schule und Weiterbildung, das Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport, das in den konkreten Nennungen jedoch ausschließlich als Kulturministerium aufgeführt wurde, sowie das Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann. Entsprechend der kommunalen Ebene verzeichnet das Ministerium für Schule und Weiterbildung in der konkreten Zusammenarbeit einen Bedeutungszuwachs gegenüber den Nennungen zu bloßen Kontakten. Hier verstärkt sich der Eindruck, daß seitens der Selbstorganisationen eine intensive Kinder- und Jugendarbeit betrieben wird. In diesen Zusammenhang paßt auch, daß als Landeseinrichtungen neben der Ministerialebene besonders häufig die Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung ausländischer Kinder und Jugendlicher (RAA) sowie die Landesjugendämter als Ansprechpartner aufgeführt werden. In dieser Kategorie nehmen sie 30 bzw. 14% aller Nennungen zu Kontakten und 30 bzw. 17% aller Nennungen zu Kooperationen ein. Auch Universitäten und Fachhochschulen spielen als Landeseinrichtungen in den Beziehungen zu Selbstorganisationen eine wichtige Rolle. Zudem werden vereinzelt der Landtag, die Staatskanzlei und der Petitionsausschuß sowie die Landeszentrale für politische Bildung, das Landeszentrum für Zuwanderung und der Landessportbund aufgeführt. Weiterhin werden die Landesbeauftragte für Polenstämmige sowie die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenberatungsstellen als Kontaktstellen genannt. 7. Arbeitsschwerpunkte Die Verschiedenartigkeit der von den Migrantenselbstorganisationen angegebenen Kontakt- und Kooperationspartner deutet bereits auf die Vielfältigkeit ihrer Arbeitsgebiete hin, die durch die Analyse der im Fragebogen beschriebenen Vereinsaktivitäten bestätigt wird. Die Arbeitsschwerpunkte der Zusammenschlüsse wurden in unterschiedlichen Varianten abgefragt. Bezogen auf die thematischen Arbeitsgebiete konnten die Arbeitsschwerpunkte der jeweiligen Organisation bei vorgegebenen Antwortkategorien unter möglicher Mehrfachnennung angekreuzt werden. Zur Auswahl standen Angebote in den Arbeitsbereichen Beratung, Begegnung, Betreuung, Kultur, Bildung, Integration, Sport, Politik, Gesundheit und Religion. Nicht berücksichtigte Themengebiete konnten in einem Zusatzfeld hinzugefügt werden. Eine Konkretion dieser Angaben erfolgte durch die Frage nach den prägenden Aktivitäten der Organisationen in den Jahren 1996 und 1997. Hier wurden keine thematischen Vorgaben gemacht, eine auf die vorherigen Ankreuzfelder bezogene Systematisierung erfolgte im nachhinein. Eine weitere Möglichkeit, die Angebotspalette zu differenzieren, lag in der Angabe der Zielgruppenorientierung einzelner Aktivitäten. Hier wurde ebenfalls die Form eines Ankreuzverfahrens bei möglicher Mehrfachnennung und der Option, zusätzliche Angaben zu machen, gewählt. Aufgeführte Antwortkategorien waren Angebote für Kinder, für Jugendliche, für Frauen bzw. Männer, für Senioren, Arbeitslose, Arbeitnehmer und für allgemein Ratsuchende. Anschließend wurde darum gebeten, die Angebote für die angegebenen Personengruppen zu konkretisieren. Weiterhin war für uns von Interesse, ob die Vereinsaktivitäten öffentlichkeitswirksam begleitet werden; diese Frage war verbunden mit der Bitte, eine Auswahl vorhandener Materialien beizufügen. 7.1 Arbeitsgebiete Migrantenselbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen arbeiten am häufigsten in den Gebieten Kultur und Begegnung. 90 bzw. 86% aller Vereinigungen haben angegeben, Angebote in diesen Bereichen durchzuführen. Im gehobenen Mittelfeld befinden sich die Themenschwerpunkte Integration, Beratung und Bildung, gefolgt von Betreuung und Sport. Insgesamt weniger Selbstorganisationen gaben an, Aktivitäten in den Bereichen Politik, Gesundheit und Religion anzubieten. Angebote in bestimmten Arbeitsbereichen Arbeitsgebiet Kultur Begegnung Integration Beratung Bildung Betreuung % von allen Organisationen 90 86 67 62 59 52 Arbeitsgebiet % von allen Organisationen Sport Politik Gesundheit Religion Sonstiges 41 26 23 21 17 Quelle: eigene Berechnungen 44 Werden alle Nennungen zusammengefaßt betrachtet, ergeben sich deutlich weniger Abstufungen. Während die Bereiche Kultur und Begegnung jeweils 16% aller Nennungen ausmachen, liegen die sonstigen Angebote mit 3% aller Nennungen am unteren Ende der Skala. Im Vergleich nach Herkunftskontinenten treten in einzelnen Arbeitsgebieten stark unterschiedliche Präferenzen auf. So ragen die Organisationen der Migranten afrikanischer Herkunft insbesondere im beratenden, betreuenden und gesundheitlichen Sektor durch ein überdurchschnittlich hohes Angebot hervor; sie sind in keinem Arbeitsbereich unterrepräsentiert. Die anderen Organisationen fallen mit Ausnahme der lateinamerikanischen in einzelnen Arbeitsbereichen nicht durch ein so stark über dem Mittel liegendes Angebot auf, wobei die lateinamerikanischen Organisationen aufgrund ihrer geringen Fallzahl nicht repräsentativ sind. Im kulturellen Bereich sind die Zusammenschlüsse der Migranten afrikanischer und asiatischer Herkunft am aktivsten, im Integrationsund Bildungsbereich haben herkunftsheterogene Vereine am häufigsten angegeben, Angebote zu machen. Sportliche Aktivitäten werden am meisten von europäischen und asiatischen Zusammenschlüssen durchgeführt, im Politikbereich dominieren wiederum afrikanische und herkunftsheterogene Gruppen. Angebote in bestimmten Arbeitsbereichen nach Herkunftskontinent Kontinent Kul- Be- Inte- Bera- Bil- Be- Sport Poli- Ge- Reli- Sontur geg- gra- tung dung treutik sund- gion stiges nung tion ung heit Afrika 94 94 61 76 Asien 94 77 67 69 Europa 92 89 67 53 Lateinamerika 100 100 100 100 Heterogen 74 78 70 70 Quelle: eigene Berechnungen 54 54 60 70 54 48 30 48 48 45 23 17 36 15 23 21 29 25 15 15 16 25 50 - 25 25 - 25 66 54 22 44 22 4 26 7. Arbeitsschwerpunkte Bei der Zuordnung der konkreten Angebote auf die verschiedenen Antwortkategorien kommt es immer wieder zu leichten thematischen Überschneidungen. Bestimmte Angebote können sowohl zum Sport- als auch zum Integrationsbereich gezählt werden, andere Angebote erfüllen gleichermaßen kulturelle wie Bildungsaufgaben etc.. In der Zuteilung haben wir den unserer Ansicht nach primären Charakter des jeweiligen Angebots als maßgeblich erachtet. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß es diesbezüglich in einigen Fällen zu unterschiedlichen Bewertungen bei uns und den Selbstorganisationen gekommen ist. Zudem muß beachtet werden, daß die Selbstorganisationen keine vollständige Auflistung, sondern eine Auswahl der ihnen besonders wichtig erscheinenden Angebote aufgeführt haben. Insofern verwundert es nicht, daß die Rangfolge aller Nennungen in der Kategorie der Angebotsschwerpunkte leicht von der Angebotskonkretisierung abweicht. 7.1.1 Themengebiet Kultur Die Angebote, die im kulturellen Bereich aufgeführt wurden, sind sehr unterschiedlich. Ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Angebots von Selbstorganisationen ist das Feiern traditioneller Feste, so zum Beispiel des argentinischen Karnevals, des italienischen Muttertags, des griechischen Nationalfeiertags, des portugiesischen Kastanienfestes oder des indisches Onam-Festes, des Jahrestags der Unabhängigkeit Mosambiks ebenso wie des chinesischen Mond- , des assyrischen Neujahrs- oder des vietnamesischen Kinderfestes. Weiterhin spielen Kulturabende eine große Rolle im Kulturprogramm der Selbstorganisationen. Hier werden häufig Künstler aus dem Heimatland eingeladen oder folkloristische Darbietungen von hier lebenden Migranten dargebracht. Sie dienen sowohl der Pflege der Heimatkultur als auch dem Versuch, diese an die deutsche Bevölkerung heranzutragen. Die Darbietungen von Konzerten gehört ebenso zum Repertoire vieler Vereinigungen wie die Organisation von Ausstellungen, die thematisch breit gefächert sind und sowohl rein ästhetischen Charakter haben als auch Präsentationen der Herkunftskultur oder künstlerische Spiegelungen der Realität vieler Migranten in Deutschland sind. Eine weitere Form der kulturellen Darbietung sind Lesungen und Rezitationen, häufig mit Autoren aus dem Herkunftsland. Wieder andere Selbstorganisationen haben eigene (folkloristische)Tanzgruppen, Chöre oder Theaterkreise, die von Laienspielgruppen bis zu professionellen Ensembles reichen. In den Kulturbereich fallen auch kreative Angebote wie die Ausschreibung eines Mal- oder Liederwettbewerbs, Video- und Fotoarbeiten, Bastelnachmittage oder ein Rap-Workshop ebenso wie die Organisation eines Poeten-Cafés, die Durchführung eines indonesischen Nachtbazars oder der Auf- und Ausbau muttersprachlicher Bibliotheken. Kulturarbeit mit und für Zuwanderer kann auch als Integrationsmöglichkeit fungieren, wie die konkrete Arbeit eines vorwiegend osteuropäisch ausgerichteten Kulturzentrums zeigt. Hier steht neben einem eigenen Kulturprogramm die Motivation möglichst vieler Gruppen zur Umsetzung selbständiger kultureller Aktivitäten im Mittelpunkt, so daß es im Ergebnis ein ausgesprochen vielfältiges Kulturangebot gibt, das von Jazznachmittagen über polnische Literaturabende und russische Märchen- und Liederstunden zu Konzerten, jüdischen Abenden und Literaturgesprächen führt. Das von den nationalstaatlich organisierten Vereinen aufgestellte Kulturangebot wird über Pressemitteilungen und ein monatlich erscheinendes Programmheft von dem Zentrum verbreitet. Im Ergebnis sind die einzelnen Veranstaltungen immer international durchdrungen. Denn „Migranten sind meistens einsam, und wenn sie hierher kommen, fühlen sie sich zu Hause. Aber es gibt auch viele einsame Deutsche, und die kommen her und fühlen sich auch wie zu Hause, und die Amerikaner eben auch. Was sollen wir da erzählen?“ Und so funktionieren die Kontakte. Als wichtig wird hervorgehoben, daß die einzelnen Angebote nicht institutionalisiert werden, denn kulturintegrative Arbeit könne nur geleistet werden, wenn Offenheit für aktuelle Bedürfnisse bestehe. Somit stehen auch nicht die konkreten inhaltlichen Ausgestaltungen der jeweiligen Veranstaltungen im Vordergrund, sondern immer die über Kultur entstehenden Kontaktund Begegnungsmöglichkeiten. Auf diese Weise kann die konzeptionelle Prämisse „Integration durch Begegnung“ umgesetzt werden.52 7.1.2 Themengebiet Begegnung Ebenso wie im Kulturbereich bietet eine überwältigende Mehrheit aller Organisationen auch auf dem Gebiet der Begegnung Aktivitäten an. Im Vordergrund stehen hier gemeinsame Feste, gesellige Treffen, Stammtische oder Grillabende für Mitglieder und Freunde. Das gemeinsame Feiern darf in seiner Bedeutung für die Zuwanderer keineswegs unterschätzt werden; so wird das Fest von einem Seelsorger für Migranten als „ein Moment des Glücks, der von dem Emigranten, der in der Regel isoliert und mit vielen familiären Problemen und Schwierigkeiten in Beruf und Arbeit lebt, glühend herbeigesehnt wird“53 charakterisiert. Eine ebenfalls beliebte Form der Begegnung sind gemeinschaftliche Ausflüge. Hier handelt es sich um Wanderungen, Picknicks, Schiffahrten, Besichtigungen anderer Städte oder gemeinsame Besuche sportlicher oder kultureller Ereignisse. Neben den Ausflügen werden für die Vereinsmitglieder auch weitere Freizeitbeschäftigungen angeboten, die in den Fragebögen jedoch nicht weiter differenziert werden. Eine weitere Begegnungsmöglichkeit stellen die offenen Treffs dar. Es gibt uneingeschränkt zugängliche Treffs ebenso wie solche, die auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind. Hier handelt es sich beispielsweise um Seniorencafés, Frauenfrühstücke, Jugenddiscos oder Männerabende. An den offenen Treffs können alle Interessierten spontan teilnehmen, ohne sich für eine kontinuierliche Mitwirkung entscheiden zu müssen. 52 Interview mit Vertreterinnen des Europäischen Kulturzentrums IGNIS e. V. im Oktober 1997. 53 Fabio Biasi, 1993: La Missione Cattolica Italiana di Siegen - Attendorn. Die Katholische Italienische Mission in Siegen - Attendorn, Siegen, hier S. 77 (künftig zitiert: Fabio Biasi, 1993). 45 7. Arbeitsschwerpunkte Dies ist anders bei der Etablierung eigener Gruppen im Rahmen des Gesamtvereins, bei denen es sich in der Regel um eine geschlossene Struktur handelt, die eine regelmäßige und verbindliche Mitarbeit der Teilnehmer voraussetzt. Konkret aufgeführt werden MutterKind-Gruppen, Kinder-, Jugend- und Frauengruppen. Die einzelnen Zusammenschlüsse verlieren mit der Zeit zum Teil ihren rein auf die Gruppenmitglieder gerichteten Charakter und entfalten Aktivitäten, die auch nach außen getragen werden. Doch auch in den Fällen, in denen sich die Begegnungsmöglichkeiten auf die Vereinsmitglieder beschränken, erfüllen sie eine integrative Funktion. Sie vermindern die Isolationsgefahr, ermöglichen den gegenseitigen Austausch über allgemeine Lebens- und Problemlagen und erhöhen somit die Orientierung im Einwanderungsland, wodurch die individuelle Handlungskompetenz der Mitglieder der Selbstorganisationen gestärkt wird. 7.1.3 Themengebiet Integration Insbesondere für das Themengebiet Integration gilt, daß es gegenüber anderen Arbeitsbereichen keine trennscharfe Abgrenzung der Angebote gibt. Viele Aktivitäten haben einen integrativen Charakter, auch wenn sie nicht explizit als solche benannt werden. Hier ist häufig schwer zu beurteilen, ob die integrative Wirkung lediglich das Nebenprodukt beispielsweise eines sportlichen Wettkampfes ist, oder ob in diesem Fall der Sport als Mittel einer integrativen Maßnahme gewählt wurde. Wir haben dem Themengebiet Integration nur solche Aktivitäten zugeordnet, bei denen die integrative Intention unseres Erachtens eindeutig im Vordergrund steht. Die häufigste Form der Integrationsarbeit von Selbstorganisationen ist die Teilnahme an internationalen Festen und Veranstaltungen. Eine besondere Rolle spielt hier die traditionelle interkulturelle Woche, es werden aber auch Stadtfeste, Jugendjahrmärkte oder internationale Tauschringe genannt. Auf diesen Ereignissen präsentieren sich die Organisationen häufig durch folkloristische Darbietungen, Informationsstände oder den Verkauf kulinarischer Spezialitäten des Herkunftslandes. Weiterhin geben viele Zusammenschlüsse an, bewußt Kontakte zur deutschen Bevölkerung aufzunehmen. Dies geschieht ebenso durch Nachbarschaftstreffen wie durch die nationalitätenübergreifende Kooperation mit deutschen Vereinen zu bestimmten Inhalten. Einige Organisationen schaffen Kontakte, indem sie Besuche von Kindergärten, Schulen oder Altenheimen in ihr Programm aufnehmen. Zudem führen verschiedene Organisationen an, sich nicht nur um Kontakte zu Deutschen, sondern um internationale Integrationsmöglichkeiten zu bemühen. Insbesondere Organisationen von Migranten nichteuropäischer Herkunft geben an, Vorträge mit integrationspolitischen Inhalten durchzuführen. Hier geht es um Möglichkeiten zur Überwindung von Rassismus und Fremdenhaß, um Ursachen und Lösungsansätze für Integrationsschwierigkeiten, um Perspektiven für Zuwanderer in Deutschland, um Voraussetzungen zur Identitätsfindung in der Fremde oder um die Förderung des interkulturellen Dialogs. Möglicherweise spiegelt sich in diesen Programmen wider, daß Menschen nichteuropäischer Herkunft in einem besonders starken Maß mit Vorurteilen und gesellschaftlichen Ausgrenzungsmechanismen konfrontiert sind. Im Bemühen um ein freundschaftliches und gleichberechtigtes Zusammenleben werden insbesondere von herkunftsheterogenen Vereinigungen stadtteilorientierte Projekte durchgeführt, die zum Beispiel unter dem Motto „Das Viertel gehört uns allen“ oder „Mädchen und Jungen planen und bauen ihren Spielplatz selbst“ stehen. Weiterhin werden Integrationsbemühungen von einzelnen Organisationen auch durch einen internationalen Jugendaustausch oder durch die Betreibung multikultureller Kindergärten54 vorangetrieben. Andere Zusammenschlüsse bieten Maßnahmen an, durch die ihre Mitglieder zu einer stärkeren gesellschaftlichen Partizipation motiviert werden sollen, so steht beispielsweise für einen koreanischen Verein die Entwicklung eines Modells für eine Lebensgemeinschaft im Alter im Zentrum der Diskussionen. Eine weitere Form integrativer Maßnahmen besteht in der Antirassismusarbeit, die jedoch nicht immer an thematische Projekte gebunden ist, sondern auch durch kontinuierliche Einstellungsarbeit geleistet wird. Die Mitarbeiterinnen eines interkulturellen Mädchentreffs verweisen darauf, daß Antirassismusarbeit einhergehen muß mit einer grundsätzlichen thematischen Sensibilität und einer offenen Gesprächsatmosphäre. So müssen die Migrantinnen über ihre alltäglichen Diskriminierungserfahrungen reden können, wobei es zudem notwenig ist, aufgrund aktueller Anlässe rassistische Gewalt auch seitens der pädagogischen Leitung anzusprechen und aufzuarbeiten. Zu einer antirassistischen Arbeit gehört jedoch immer auch eine multikulturelle Zusammensetzung des Leitungsteams. Nur so kann die Basis für eine positive Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen geschaffen werden. Denn die bestehenden gesellschaftlichen Vorurteile setzen sich auch bei den jungen Migrantinnen fest. Transportierte und verinnerlichte Vorstellungen über den eigenen niedrigen Stellenwert in der gesellschaftlichen Hierarchie stehen einem positiven Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen entgegen. Dieses Bild kann durch ein gleichberechtigtes Team aufgelöst werden, spielt im Rahmen einer antirassistischen Arbeit also eine wesentliche Rolle.55 54 Zur Betreibung eines bikulturellen Kindergartens vgl. auch Kap. 7.2.1: Zielgruppe Kinder. 55 Interview mit Vertreterinnen des Interkulturellen Mädchentreffs AZADE im Juni 1997. 46 7. Arbeitsschwerpunkte Während antirassistische Arbeit mit Zuwanderern auf die Stärkung ihres Selbstbewußtseins zielt, bedeutet sie in der Arbeit mit Deutschen eher, eigene diskriminierende Denk- und Verhaltensmuster offenzulegen. Eine Form, in diese Richtung zu arbeiten, ist das Angebot von Antirassismustrainings. Exemplarisch für Antidiskriminierungsarbeit in ethnisch gemischten Gruppen soll das Videoprojekt „Brillenträger raus“ vorgestellt werden, das von einem internationalen Begegnungszentrum mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Schulen durchgeführt wurde.56 Mit dem Projekt sollen eigene Erfahrungen mit Diskriminierung sowohl aus der „Opfer“als auch aus der „Täter“-Perspektive aufgearbeitet werden. Davon ausgehend, daß den Diskriminierungen verschiedener Bevölkerungsgruppen dieselben Mechanismen zugrunde liegen, wird Fremdenfeindlichkeit und Rassismus mit der eigenen Lebenswirklichkeit in Verbindung gebracht. Durch einen reflektierenden Umgang soll es den Jugendlichen ermöglicht werden, Diskriminierung als solche zu erkennen. Im Ergebnis zeigt das auch als Unterrichtsmaterial einsetzbare Video von den Schülern selbst entwickelte Sequenzen zu Diskriminierung in der Schule, Diskriminierung von Randgruppen und Diskriminierung von Geschlechtern. Die Inhaltbeschreibung einer Spielszene soll hier zitiert werden: „Die Szene spielt in einer fast leeren Straßenbahn. Ein südländisch aussehender Junge, der auf einem für Behinderte ausgewiesenen Platz sitzt, wird von einem zusteigenden älteren Fahrgast aufgefordert, ihm den Platz zu überlassen. Nachdem der Junge auf die vielen leeren Plätze verweist, steht er letztendlich doch auf. Die Szene wird fortgesetzt mit einem kurzen Dialog zwischen einer jungen Frau und dem Mann, der ihr jetzt gegenüber sitzt: ‘Diese Ausländer nehmen einem aber auch alles weg: Die Wohnungen, die Arbeitsplätze...’. ‘Ja, und die Sitzplätze!’ Daraufhin zeigt der Junge seinen deutschen Personalausweis vor... Diese Spielszene beruht auf tatsächlichen Gegebenheiten, die von den teilnehmenden Schülern mehrfach erlebt worden sind. Allein der Schluß ist frei erfunden und wirft die Frage auf, ob durch die formelle Gleichstellung durch den deutschen Paß auch eine tatsächliche Gleichbehandlung erfolgt.“57 Somit zeichnet sich auch die integrative Arbeit der Migrantenorganisationen durch eine ausgesprochene Vielfältigkeit aus. Diese beruht auf unterschiedlichen Angebotsarten, unterschiedlichen Problemstellungen sowie auf einer unterschiedlichen Zielgruppenorientierung. 7.1.4 Themengebiet Beratung Insgesamt haben 62% aller Selbstorganisationen angegeben, im Rahmen der Vereinsarbeit beratend tätig zu sein. In der Konkretisierung dieser Beratungsarbeit werden zwei Bereiche differenziert: Es werden sowohl themengebundene Beratungsangebote genannt als auch bestimmte Personengruppen angesprochen. Bezüglich der ersten Kategorie geben die meisten Vereine an, allgemein beratend tätig zu sein. Hier findet eine nicht oder nur wenig spezialisierte Beratung entlang den Bedürfnissen der Migranten statt. Bei besonderen Problemlagen werden die betroffenen Personen häufig an andere Facheinrichtungen weitervermittelt. Andere Selbstorganisationen bieten eine thematisch spezialisierte Beratungstätigkeit an. Hier wird besonders häufig die Beratung zu berufsbezogenen Themen genannt, aber auch Informationen zu rechtlichen Fragestellungen wie Sozialberatungen werden durchgeführt. Zudem werden psychologische und Suchthilfen aufgeführt. Als Zielgruppen werden Studierende, Flüchtlinge und allgemein Randgruppen ebenso genannt wie junge Migranten, Frauen und Familien. Häufig ist die Beratungstätigkeit der Vereine an eine praktische Unterstützung der Ratsuchenden, wie die Begleitung zu Ämtern, Rechtsanwälten oder Ärzten, gekoppelt. Verschiedene Organisationen legen Wert auf ein ganzheitlich angelegtes Beratungskonzept. Hier werden nicht nur aktuelle Problemlagen bearbeitet, vielmehr soll auf das gesamte Umfeld der ratsuchenden Person eingegangen und reagiert werden. In diesen Fällen wird die klassische Beratungstätigkeit durch eine psychosoziale Unterstützungsarbeit ergänzt. Die Beratung von Migranten für Migranten ist auch deshalb besonders wichtig, weil hier eine herkunftsspezifische Vertrauensbasis zur Klientel hergestellt werden kann. Sprachliche Fähigkeiten sowie der eigene Migrationshintergrund ermöglichen für viele Fragestellungen eine kompetente Hilfestellung. Auf diesem Weg werden viele Personen erreicht, die durch das herkömmliche Beratungsangebot nicht angesprochen werden. Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit einer interkulturellen Öffnung der sozialen Dienste in der Fachöffentlichkeit schon seit geraumer Zeit diskutiert.58 Auch wenn von vielen Seiten daran gearbeitet wird, möglichst niedrigschwellige Angebote einzurichten, werden die in der Beratungstätigkeit erfahrenen Selbstorganisationen von Migranten in diesen Diskurs auffallend selten einbezogen. Hier liegt sicherlich eine der Ursachen, warum trotz vieler Bemühungen kaum Fortschritte bezüglich der Integration von Zuwanderern in die Klientel allgemeiner Beratungsdienste verzeichnet werden können. Diese mangelnde Kooperationsbereitschaft ist umso unverständlicher, als sich verschiedene Selbstorganisationen durch einen ausgesprochen professionellen Charakter in ihren Beratungsangeboten auszeichnen. Hier sei beispielhaft auf die Arbeit einer Informationsund Beratungsstelle für Migrantinnen verwiesen, bei der die psychosoziale Beratung und Unterstützung zum einen als Beratungsstelle, 56 Zum Projekt vgl. Brillenträger raus. Ein Videoprojekt von und für Jugendliche zum Thema Diskriminierung im Alltag. Begleitheft zum Film, hg. vom Internationalen Begegnungszentrum Friedenshaus e. V., Bielefeld 1996. 57 Ebd., S. 8. 58 Vgl. Friedemann Tiedt, 1985: Sozialberatung für Ausländer, Basel; Wolfgang Hinz-Rommel, 1994: Interkulturelle Kompetenz. Ein neues Anforderungsprofil für die soziale Arbeit, Münster/New York; Empfehlungen zur interkulturellen Öffnung sozialer Dienste, hg. von der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer, Bonn 1995; Stefan Gaitanides, 1996: Stolpersteine auf dem Weg zur interkulturellen Öffnung der Sozialen Dienste, in: Zeitschrift für Migration und Sozialarbeit, Nr. 3/4, S. 42-46. 47 7. Arbeitsschwerpunkte zum anderen im Rahmen von Streetwork geleistet wird. Durch ein multikulturell besetztes Team können Frauen verschiedener Herkunftsländer muttersprachlich begleitet werden. Klientinnen sind vorwiegend Flüchtlingsfrauen, Heirats- und Prostitutionsmigrantinnen sowie Frauen der sog. zweiten Generation, bei denen ein jeweils unterschiedlicher Beratungsbedarf besteht. Die Beratungstätigkeit ist ausgesprochen vielfältig. Sie erstreckt sich von der Beantwortung aufenthalts- und allgemeinrechtlicher Fragen über die Stellung von Petitionsanträgen bis zur Vermittlung von Rechtsbeiständen. Sie umfaßt die Begleitung zu medizinischen Einrichtungen und Behörden ebenso wie die Hilfe bei der Suche nach Kindergartenplätzen oder Bildungsmöglichkeiten. In Fällen häuslicher Gewalt werden geschützte Unterbringungsmöglichkeiten organisiert, Flüchtingsfrauen werden zu Anhörungen begleitet, Prostitutionsmigrantinnen erhalten ‘Einstiegshilfen zum Ausstieg’, gesundheitliche Beratung, die Vermittlung zu kostenlosen Arztbehandlungen sowie emotionale Unterstützung. Ein weiteres Standbein ist die psychosoziale Beratung und die Psychotherapie. Die verschiedenen Beratungstätigkeiten können mit einem einzigen Telefonanruf erledigt sein, zum Teil bedeuten sie aber auch eine langjährige Betreuung einzelner Frauen. Immer jedoch steht die Förderung der Selbsthilfe im Zentrum der Beratung.59 Eine grundsätzliche Schwierigkeit in der Beratungstätigkeit ist der Übergang von der aktuellen Beratungssituation hin zu dem Bemühen um strukturelle Veränderungen, um über eine reine Symptombekämpfung hinauszugelangen. Es ist sicherlich notwendig, die Ursachen der Problemlagen öffentlich zu benennen und gegen sie vorzugehen. Eine solche über die Einzelfallhilfe hinausreichende politische Arbeit bedeutet für viele der zumeist ehrenamtlich arbeitenden Selbstorganisationen jedoch eine deutliche Überforderung ihrer Kapazitäten. Eine weitere Form der Beratung ist die Unterstützung von Vereinen bei formalen und rechtlichen Fragestellungen. Hier geht die Beratung von der Einzelfallhilfe in eine Stärkung sowohl der gesamten Selbstorganisation als auch deren Minderheitengruppen über und erhält somit eine Multiplikationsfunktion. 7.1.5 Themengebiet Bildung Im Bildungsbereich werden vorwiegend Informationsveranstaltungen angeboten, häufig in Form von Podiumsdiskussionen, Vorträgen und seltener auch ganz- oder mehrtägigen Seminaren. Bezüglich der Herkunftsgebiete gibt es bei den veranstaltenden Organisationen keine Einschränkungen; alle Herkunftskontinente sind stark vertreten, ebenso die herkunftsheterogenen Zusammenschüsse. Inhaltlich sind diese Angebote breit gestaffelt, sie umfassen Themen zur ausländerrechtlichen Situation, zum Sozialversicherungssystem oder zur Rentenreform. Weiterhin werden Veranstaltungen zur schulischen und beruflichen Bildung ebenso wie zur beruflichen Orientierung und zu Fragen der Arbeitslosigkeit durchgeführt, aber auch die Einbürgerungsthematik oder Probleme zu Alter und Armut werden genannt. Zudem werden immer wieder Jugendthemen aufgeführt; zu nennen sind hier Drogenproblematik, Jugendkriminalität oder Pubertätsprobleme. Die Veranstaltungen werden zum Teil aus- schließlich für die Mitglieder der Selbstorganisationen angeboten, in anderen Fällen sind sie explizit auch für Besucher geöffnet. Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld im Bildungsbereich ist die Organisation muttersprachlichen Unterrichts vornehmlich für die Kinder der ersten Einwanderungsgeneration. Neben der reinen Sprachvermittlung wird den Kindern häufig auch die Geschichte und Kultur ihres Herkunftslandes nahegebracht. Auf diese Weise sollen sie den Bezug zur Herkunftskultur ihrer Eltern nicht verlieren und in der eigenen Identitätsfindung unterstützt werden. In den meisten Fällen beschränkt sich der muttersprachliche Unterricht auf einige Stunden in der Woche. Für den Unterricht werden jedoch auch Schulen eingerichtet, in denen nach einem umfassenden Lehrplan vorgegangen wird. Diese Form wurde von einzelnen assyrischen, chinesischen, griechischen, polnischen und koreanischen Organisationen genannt, von einzelnen Vereinigungen werden auch interessierte deutsche Kinder und Jugendliche zum Mitmachen aufgefordert. Eine Besonderheit stellen in diesem Zusammenhang sicherlich auch die griechischen Nationalschulen dar, die durch zwei Elternvereine in der Studie repräsentiert sind. Neben dem muttersprachlichen Unterricht werden von vielen der im Bildungsbereich engagierten Organisationen zudem Deutschund zum Teil auch Alphabetisierungskurse angeboten. Eine weitere Form der unterstützenden Bildungsarbeit ist die allgemeine Hausaufgaben- und Nachhilfe, die vorwiegend von herkunftsheterogenen Vereinigungen durchgeführt wird. Zudem nimmt der schulische und berufliche Bildungsbereich im Vereinsleben vieler anderer Selbstorganisationen ebenfalls einen zentralen Stellenwert ein. In diesem Zusammenhang soll das von einem herkunftsheterogenen Zusammenschluß entwickelte Projekt zur beruflichen Orientierung von Jugendlichen exemplarisch dargestellt werden. Grundlegendes Konzept ist hier die Zusammenarbeit mit Schulen, Berufsförderungswerken, Jugendheimen und natürlich den Jugendlichen selbst. Im Zentrum der Maßnahme stehen Informationstreffen zu bestimmten Berufsbereichen. Hier stellen Ausbilder und Auszubildende Berufsbilder aus Handwerk und Industrie, dem Dienstleistungs- und dem kaufmännische Bereich sowie aus dem Sozialund Gesundheitswesen vor. Zudem werden Möglichkeiten der überbetrieblichen Ausbildung erläutert. Um die Teilnahmeschwelle für die Jugendlichen möglichst niedrig anzusetzen, sind die einmal im Monat in den Räumen der Migrantenorganisation stattfindenden Veranstaltungen in Kooperation mit den entsprechenden Lehrkräften in die Schulzeit gelegt worden. Neben der Einbindung der Schule ist für die Teilnahme der ausländischen Jugendlichen auch ihre Akzeptanz der Migrantenselbstorganisation ausschlaggebend. Bei diesen Treffen werden den Jugendlichen zum einen Vorstellungen über ihre eigene berufliche Zukunft vermittelt, zum anderen werden Kontakte zu Sozialpädagogen der Jugendberufshilfe, der Berufsberatung sowie der Migrantenorganisation selbst hergestellt. Diese erste Kontaktaufnahme ermöglicht es den Jugendlichen, sich auch in anderen Fragen an die entsprechenden Stellen zu wenden. Im Ergebnis werden von den Jugendlichen regelmäßig Anfragen bezüglich Bewerbungshilfen, Computernutzung etc. geäußert. Aus den konkreten Nachfragen werden weitere bedürfnisorientierte Angebote erarbeitet, 59 Vgl. den Jahresbericht 1995 der Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung agisra e. V., Köln 1996. 48 7. Arbeitsschwerpunkte so daß sich die Arbeit ständig weiterentwickelt. Neben den Kontakten zu den Jugendlichen werden die beruflichen Orientierungsmaßnahmen auch durch den Versuch unterstützt, Ausbildungskapazitäten lokaler Betriebe zu erhöhen.60 Neben diesen speziellen Unterstützungsmaßnahmen gibt es bei den Selbstorganisationen ein breit angelegtes Kursprogramm, in dem sowohl handwerkliche und kreative Fähigkeiten als auch Sprach- oder EDV-Kenntnisse vermittelt werden. Von einigen Vereinen werden zudem Weiter- und Fortbildungen angeboten. Diese Aktivitäten werden durch das Angebot organisierter Studienreisen ergänzt, die zum Teil das Herkunftsland der Migranten zum Ziel haben. Hier ist insbesondere auf die Organisationen der Einwanderer ägyptischer Herkunft hinzuweisen. Die Studienfahrten werden als Möglichkeit genutzt, das Herkunftsland einmal wiederzusehen und bieten den jugendlichen Migranten die Gelegenheit, die Herkunft ihrer Eltern kennenzulernen. Gleichzeitig dienen sie als Mittel der Völkerverständigung und des Kulturaustausches, da häufig auch Deutsche zur Teilnahme eingeladen werden. 7.1.6 Themengebiet Betreuung Obgleich 52% aller Organisationen angegeben haben, Betreuungsangebote durchzuführen, ist bei der Konkretion der Aktivitäten nur wenig in diesem Bereich aufgeführt worden. Dies liegt sicherlich auch daran, daß viele Projekte in anderen Gebieten einen zugleich betreuenden Charakter aufweisen. In den Fällen, in denen Betreuungsmaßnahmen direkt genannt werden, sind sie zielgruppenbezogen. Am häufigsten werden Angebote für Flüchtlinge aufgeführt, aber auch Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern in Deutschland sind, oder hier lebende Landsleute in Notlagen werden durch einzelne Selbstorganisationen betreut. Eine weitere Zielgruppe sind die von Frauenhandel und Zwangsprostitution betroffenen Migrantinnen, schließlich werden auch allgemeine Betreuungsmaßnahmen für Senioren und Kinder genannt. Im folgenden soll näher auf die Arbeit einer Selbstorganisation eingegangen werden, die Betreuungsangebote nicht in die Gesamtheit ihrer Vereinsaktivitäten integriert, sondern die sich ausschließlich zum Zweck der Schaffung eines Betreuungssystems für iranische Kinder und Jugendliche, die in Folge des zweiten Golfkrieges ohne ihre Eltern nach Deutschland fliehen mußten, gegründet hat. Aufgrund der Bombardierung einer im Irak operierenden Gruppe der Volksmodjahedin sind ca. 1.000 Kinder und Jugendliche mit Hilfe von Menschenrechtsorganisationen nach Europa gebracht worden, von denen 120 nach Deutschland kamen. Die Betreuungspersonen dieser Kinder haben bezüglich der asylrechtlichen Begleitung Kontakt zu einem Anwaltsbüro aufgenommen, das die rechtliche Vertretung übernommen hat. Schon sehr schnell wurde jedoch sowohl den iranischen Betreuern als auch den deutschen Rechtsbeiständen klar, daß den Kindern nur mit Einzelfallhilfe nicht ausreichend geholfen werden konnte. Um die Aufteilung der Kinder auf verschiedene Kinderheime zu verhindern und um sie langfristig auch in ihrem Alltag begleiten zu können, wurde die Selbstorganisation mit dem Ziel gegründet, ein gemeinnütziger Träger der Freien Jugend- hilfe zu werden. Nach längeren Bemühungen und Kontakten zu Verwaltung und Politik konnte nach einiger Zeit die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erreicht werden, woraufhin sowohl eigene als auch in Kooperation mit anderen Trägern der Freien Jugendhilfe betriebene Wohngruppen eingerichtet werden konnten. Durch die bestehenden intensiven Kontakte zu den Kindern konnten deren Bedürfnisse immer in die Planung einbezogen werden, so daß für unterschiedliche Kinder auch unterschiedliche Wohnformen etabliert werden konnten. Der völligen Entwurzelung der Kinder und Jugendlichen wird begegnet, indem das Betreuungspersonal mindestens paritätisch mit Iranerinnen und Iranern besetzt wird. Die durch eine bikulturelle Erziehung auftretenden Probleme werden in den wöchentlichen Vorstandssitzungen aufgearbeitet. Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen können auf der einen Seite bei den Kindern sicherlich zu Verwirrungen führen, doch wenn sie in einen Dialog gebracht werden, können sie sehr fruchtbar sein. Grundsätzlich besteht das pädagogische Konzept darin, die Beziehungen der Kinder zu ihren Eltern und Familienangehörigen sowie die vorhandenen Identitäten zu erhalten, gleichzeitig aber auch dafür zu sorgen, daß die Kinder hier einen qualifizierten Berufsabschluß erlangen, also eine Integrationsperspektive haben. Praktisch umgesetzt wird dieses Konzept dadurch, daß mit den Kindern sowohl kulturelle als auch religiöse Anlässe gefeiert werden und daß sie Persischunterricht erhalten. Gleichzeitig besuchen sie deutsche Schulen, wo der Kontakt zu deutschen Jugendlichen hergesteltt wird. Der Kontakt zu und die Auseinandersetzung mit beiden Kulturen wird für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen als sehr wichtig eingestuft. Mit Erreichung der Volljährigkeit werden die Kinder nach einer kurzen Verselbständigungsphase aus dem Betreuungsverhältnis des Vereins entlassen. Alle Maßnahmen müssen nach den Vorgaben der Stadt mit dem 18. Lebensjahr beendet werden. In Extremfällen müssen dann auch kurz vor dem Abitur stehende Jugendliche die Einrichtung verlassen. Der Verein steht den Kindern natürlich auch weiterhin zur Verfügung, aber die Betreuung und die Vormundschaften sind zu diesem Zeitpunkt formal beendet. Somit wird sich der Verein mit Erreichung der Volljährigkeit des jüngsten Kindes auflösen.61 Hier handelt es sich wegen der Zweckgebundenheit und der von vornherein befristet angelegten Vereinsdauer sicherlich um einen ganz besonderen Organisationszusammenhang, der jedoch auf die Unterstützung von Zuwanderern ausgerichtet ist und den Kriterien einer Selbstorganisation entspricht. Hier wird erneut deutlich, daß Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen nicht nur hinsichtlich ihrer Themenschwerpunkte ein ausgesprochen vielfältiges Profil aufweisen, sondern daß sie sich auch organisatorisch deutlich voneinander unterscheiden. 60 Interview mit Vertretern des Internationalen Kulturkreis Moers e. V. im Oktober 1997. 61 Interview mit einem Vertreter und einer Vertreterin der Iranischen Flüchtlingskinderhilfe e. V. im Oktober 1997. 49 7. Arbeitsschwerpunkte 7.1.7 Themengebiet Sport Unter den Organisationen, die Sportangebote machen, sind 5% reine Sportvereine; weitere 12% haben in ihrem Verein eigene Sportmannschaften oder festetablierte Sportgruppen, einige andere Organisationen bieten regelmäßig sportliche Angebote in Kursform an. Hier handelt es sich meistens um herkunftsheterogene Vereinigungen, die insbesondere für islamische Mädchen und Frauen Bewegungsangebote aufstellen. Der Großteil der Nennungen bezüglich sportlicher Aktivitäten rekurriert auf die Teilnahme an Sportturnieren, Wettkämpfen und internationalen Meisterschaften. Unter den Sportarten wird besonders häufig Fußball aufgeführt, aber auch Basketball, Tischtennis, Boccia oder Schach werden genannt. Zudem werden im Gymnastikund Trimmbereich Angebote gemacht. Bei den Tanzgruppen ist häufig unklar, ob sie eher dem Kultur- oder dem Sportbereich angehören. Wir haben sie in der Regel jedoch den Kulturangeboten zugeordnet, da es sich sehr häufig um Folkloregruppen handelt. Insbesondere unter den portugiesischen, aber auch den makedonischen und albanischen Organisationen werden überproportional häufig Sportangebote gemacht. Nach Schätzungen des Vorsitzenden des Ausschusses Sport mit ausländischen Bürgerinnen und Bürgern im Landessportbund, Karl-Heinz Zündorf, engagieren sich zudem 7% der nichtdeutschen Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen in den Sportvereinen der jeweiligen Städte und Gemeinden. Mit Zunahme der fremdenfeindlichen Übergriffe, insbesondere seit den Morden in Solingen, werde jedoch die Tendenz deutlich, daß sich Migranten verstärkt in ihre ethnisch organisierten Zusammenschlüsse zurückziehen. Auch nähmen die Gründungen ausländischer Fußballvereine in einigen Kommunen zu; insgesamt seien im Fußballverband Westfalen 80 verschiedene Nationalitäten vertreten.62 In Fällen, in denen ethnisch separierte Mannschaften in Wettkämpfen aufeinandertreffen, können verbindende Momente entstehen; gleichermaßen kann die ethnische Trennung jedoch sowohl auf die Spieler als auch auf die jeweiligen Fangemeinden eskalierend wirken. Insgesamt muß jedoch betont werden, daß der gemeinsam betriebene Sport gute Möglichkeiten bietet, Menschen verschiedener Herkunft zu verbinden. Hier stehen nicht die jeweiligen Unterschiede der Menschen im Vordergrund, sondern das gemeinsame Interesse an der Sache sowie das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe, die nicht auf ethnische Merkmale rekurriert. So kommt auch Ministerialdirigent Jeromin vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen zu dem Schluß, „sportliche Betätigung schaffe für Migrant/innen Identität und trage zu einer ‘Integration von unten’ bei. Sport fördere interkulturelles Leben und könne einen Beitrag zum besseren Verständnis unterschiedlicher Kulturkreise leisten.“63 7.1.8 Themengebiet Politik Obwohl nur 26% aller Vereinigungen angegeben haben, politisch aktiv zu sein, sind in der konkreten Nennung von Angebotsschwerpunkten ziemlich differenzierte politische Betätigungsfelder aufgeführt worden. Diese Diskrepanz ist wohl darauf zurückzuführen, daß politische Betätigung oftmals mit parteipolitischen Aktivitäten gleichgesetzt wird. Der relativ geringe Stellenwert parteipolitischer Ausrichtungen wurde bereits im Kapitel über Kontakte und Zusammenarbeit der Selbstorganisationen deutlich, wo nur 20% aller Vereinigungen eine Zusammenarbeit mit Parteien in Deutschland bestätigten. Die nur schwache Bindung an Parteien mag auch in der weitestgehend fehlenden politischen Partizipationsmöglichkeit für Migranten begründet liegen, wodurch eine Lebenswirklichkeit geschaffen wird, in der eine effektive Interessendurchsetzung primär nicht auf parlamentarischem Weg angestrebt wird. Gleichermaßen gibt es vielfältige gesellschaftspolitische Aktivitäten seitens der Selbstorganisationen. Am häufigsten wurden Veranstaltungen zu politischen Themenstellungen aufgeführt, zu nennen sind hier umwelt- und frauenpolitische Veranstaltungen, Vorträge zur politischen Situation des Herkunftslandes, Reflexionen über die Bedeutung des Europäischen Jahres gegen Rassismus, Diskussionen zur „Festung Europa“, zur bundesdeutschen Flüchtlings- und Migrationspolitik sowie Informationsabende zu kommunalpolitischen Fragestellungen oder zum kommunalen Wahlrecht für EU-Angehörige. Weiterhin zeichnen sich die politischen Aktivitäten durch politische Aktionen und Demonstrationen aus. Beispiele liegen hier im Widerstand gegen Frauenunterdrückung im Herkunftsland wie in der Bundesrepublik, Aktivitäten gegen bevorstehende Abschiebungen, z. B. der Veranstaltung eines Bleibefestes für bosnische Flüchtlinge, oder Aktionen gegen allgemein restriktive ausländerrechtliche Maßnahmen, wie der Einführung der Visumspflicht für ausländische Kinder. Ein wichtiger Pfeiler der politischen Arbeit besteht auch in der Teilnahme an kommunalen Arbeitskreisen sowie in der Erstellung und Verbreitung aufklärender Flugblätter und Informationsschriften. Eine äthiopische und eine iranische Organisation gaben an, eigene Recherchen und Studien zur politischen Situation im Herkunftsland zu erstellen, andere Zusammenschlüsse engagieren sich in der EineWelt-Arbeit, eine weitere Vereinigung trat als Nebenklägerin im Mykonos-Prozeß auf. Wieder andere Zusammenschlüsse unterstützen oppositionelle Exilstrukturen durch Spendensammlungen; der Besuch des Landtags gehört ebenso zu den politischen Aktivitäten wie die Durchführung migrationsgeschichtlicher Stadtrundgänge. Diese politischen Betätigungen werden nicht selten durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit in Form von Radiosendungen und Zeitschriften etc. begleitet. Daß jedoch nicht alle politischen Aktivitäten den Migrationsbereich betreffen, beweist z. B. das umweltpolitische Engagement eines Vereins für multikulturelle Kinder- und Jugendarbeit. Grundlage dieser Arbeit ist die umfassende Information aller Bevölkerungsteile bezüglich der eigenen Möglichkeiten, zu einem effektiven Umweltschutz beizutragen. Zu diesem Zweck sind verschiedene mehrsprachige Broschüren erstellt worden. Weiterhin werden Aktionen und Exkursionen sowie konkrete Projekte zur Umwelterziehung 62 Vgl. Sport und Ausländer(innen), in: Landtag intern vom 29.4.1997, Ausschußberichte, S. 15. 63 Ebd. 50 7. Arbeitsschwerpunkte durchgeführt. Hier handelt es sich zum einen um Besuche einer städtischen Mülldeponie, eines Imkervereins, eines Bio-Bauernhofes etc. oder um Aktivitäten wie Gewässeruntersuchungen, Umweltralleys, Müllsammlungen und die Herstellung eigenen Recyclingpapiers. Projekte gibt es im Bereich des umweltgerechten Schulbedarfs, der Kompostierung, der Ernährung sowie zum Thema energiesparendes Verhalten im Haushalt oder zum Verkehrsverhalten. Das Projekt Verkehr wendet sich an 13-18-jährige Jugendliche, um ihnen ein verantwortungsbewußtes und emanzipatorisches Verkehrsbewußtsein zu vermitteln. Um dieses Ziel zu erreichen, werden von den Jugendlichen Lärmpegelmessungen an vielbefahrenen Straßen in Wohngebieten und Geschwindigkeitsmessungen in verkehrsberuhigten Zonen durchgeführt und Bevölkerungsumfragen zum Öffentlichen Personennahverkehr und zu verkehrsbezogenen Themen erstellt. Die Ergebnisse werden öffentlichkeitswirksam aufbereitet und der Bevölkerung zugänglich gemacht.64 Durch diese thematisch breite Staffelung in der Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen wird deutlich, daß die Selbstorganisationen von Migranten natürlich ihre eigene Situation thematisieren, darüber hinaus aber auch einen aktiven Beitrag in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion leisten. Diese Haltung zeugt von einer Orientierung auch auf die Geschehnisse in der Bundesrepublik und der Bereitschaft, hierfür Verantwortung zu übernehmen. 7.1.9 Themengebiet Gesundheit Im Gesundheitsbereich werden nur sehr wenig konkrete Arbeitsgebiete genannt. Die große Mehrheit der Angaben bezieht sich auf Veranstaltungen zu gesundheitlichen Themen, so der Vorbeugung und Erkennung von Kinderkrankheiten, dem Zusammenhang zwischen Umweltbelastungen und Allergien, homöopathischen Behandlungsmöglichkeiten oder depressiven Erkrankungen und der Wirkung von Streß auf die menschliche Psyche. Aids-Aufklärung ist ein weiterer Schwerpunkt einiger Organisationen, zudem werden allgemein die Posten Gesundheitserziehung und Krankheitsprophylaxe aufgeführt. 7.1.10 Themengebiet Religion Bei 19% der Organisationen, die angegeben haben, religiöse Angebote zu machen, handelt es sich um religiöse Einrichtungen. Zu nennen sind katholische Missionen, orthodoxe Kirchengemeinden und eine hinduistische Tempelgemeinde. Es ist jedoch nicht selbstverständlich, daß sich religiöse Organisationen auch als Selbstorganisationen verstehen, selbst wenn ihr Angebot über eine seelsorgerische Betreuung deutlich hinausreicht. So verstehen sich die Angehörigen der Bahá’i-Religion als eine internationale Gemeinschaft, fungieren ihrem Selbstverständnis nach aber nicht als Selbstorganisation. Ebenso hat eine Katholische Italienische Mission darauf verwiesen, eine kirchliche Einrichtung, jedoch keine Selbstorganisation zu sein. Drei andere Katholische Italienische Missionen haben sich hingegen im Selbstverständnis einer Selbstorganisation an dieser Studie beteiligt. Stellvertretend für alle religiösen Organisationen soll am Beispiel der Katholischen Italienischen Missionen dargelegt werden, warum sie in unserer Studie als Selbstorganisation behandelt werden, wenn diese Charakterisierung ihr eigenes Empfinden widerspiegelt. Bereits in der ersten Einwanderungsphase gab es in bestimmten Regionen einen Seelsorger für die Betreuung der Zuwanderer aus Italien, ihm stand jedoch keinerlei Infrastruktur zur Verfügung. Gleichermaßen war er Ansprechpartner und Kristallisationspunkt aller möglichen Probleme: „Er war das Faktotum. Er mußte Messen zelebrieren und Formulare ausfüllen, Kinder auf die Erste Hl. Kommunion vorbereiten und Dolmetscher sein, die Kranken besuchen und Wohnung und Arbeit suchen. (...) Die Leute wenden sich an das ‘Faktotum’ Seelsorger in allen Angelegenheiten, und er steht Problemen und Situationen gegenüber wie einst der Landarzt in unseren Dörfern.“65 Zudem waren die Missionen vielerorts die ersten Versammlungsorte für die italienischen Einwanderer, so daß das Aufgabenprofil der Missionen neben ihren religiösen Funktionen schnell in alle Lebensbereiche der Migranten hineinreichte. Auch wenn die umfassende Betreuung der Missionen heute auf verschiedene Facheinrichtungen und alternative Organisationen aufgeteilt ist, findet in ihnen doch immer noch ein Leben statt, das neben den Sonn- auch die Alltage kennt. An konkreten Angeboten im religiösen Bereich nannten die Organisationen vielfach die gemeinsame Begehung religiöser Feste. Hier wird in den meisten Fällen im Sinne der Pflege und Erhaltung der eigenen Religion großer Wert auf die traditionelle Begehung der Feiern gelegt, zum anderen erhalten sie aber auch eine soziale Funktion, so zum Beispiel, wenn ein Verein ein ‘Weihnachtsfest für Alleinstehende’ veranstaltet. Weiterhin werden Veranstaltungen mit religiösen Themenstellungen durchgeführt, so z. B. zur Rolle der Religion in der Gesellschaft, zum Verhältnis der Kirchen zueinander oder zu Ursprung und Entwicklung von Religionen. Verschiedene Vereinigungen führen eine Zusammenarbeit mit der Kirche an, andere verweisen auf die Durchführung von und Teilnahme an Wallfahrten, wieder andere erteilen Religionsunterricht, haben einen Kirchenchor oder bemühen sich durch den Besuch ökumenischer Gottesdienste und Gespräche mit Vertretern anderer Glaubensrichtungen um einen interreligiösen Dialog. 7.1.11 Sonstige Themengebiete Obwohl die Kategorie der sonstigen Themengebiete nicht vorstrukturiert war, ergeben sich im Antwortverhalten relativ homogene Antwortmuster, die sich auch in den konkreten Angebotsnennungen widerspiegeln. Hier handelt es sich um die Themengebiete der Optimierung der eigenen Organisationsstruktur, der humanitären Hilfe im Herkunftsland sowie um den Selbsthilfebereich. 64 Vgl. das Faltblatt Ideen, Projekte, Schwerpunkte: Umweltschutz, hg. von der IFAK e.V., Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendarbeit. 65 Fabio Biasi, 1993, S. 47 und 51. 51 7. Arbeitsschwerpunkte 7.1.11.1 Optimierung der eigenen Organisationsstruktur Auf dem Gebiet der sonstigen Arbeitsschwerpunkte beziehen sich die meisten Nennungen auf eine Verbesserung der eigenen Organisationsstruktur. Insgesamt gaben 20% aller Organisationen an, mit dieser Frage intensiv beschäftigt zu sein, wobei keine Konzentration auf bestimmte Herkunftsgebiete konstatiert werden kann. In diesem Arbeitsgebiet spielt die Vernetzungsarbeit eine wesentliche Rolle. Vernetzungsbestrebungen werden mit anderen Selbstorganisationen, aber auch mit deutschen Vereinen und öffentlichen Einrichtungen angestrebt. Als ein Beispiel gelungener Vernetzungsarbeit kann die von einer interkulturellen Vereinigung veranstaltete Stadtteilkonferenz aufgeführt werden, zu der interessierte Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Wohlfahrtsverbände, Kirchen sowie Vertreter der Polizei und verschiedener kommunaler Ämter eingeladen werden. Gemeinsam werden die Probleme der im Stadtteil lebenden Menschen analysiert und Lösungsansätze gesucht. Die auf der Stadtteilkonferenz angeregten Diskussionen werden häufig in speziellen Arbeitsgruppen vertieft, und in vielen Fällen können konkrete Verbesserungsvorschläge erarbeitet und durchgesetzt werden.66 Eine andere Form der Vernetzung stellt die mehrfach aufgeführte Bestrebung zur Gründung eines Dachverbandes dar. Grundsätzlich kann Vernetzungsarbeit als Indikator für eine zunehmende Professionalisierung der jeweiligen Organisationen bewertet werden. Weiterhin ist in diesem Arbeitsbereich von verschiedenen Zusammenschlüssen die Veranstaltung von bzw. die Teilnahme an Seminaren für Vorstandsmitglieder oder ehrenamtliche Mitarbeiter aufgeführt worden, die auf eine Optimierung der Vereinsorganisation und der Vereinsaktivitäten gerichtet sind. Zudem wurden die Beschaffung eigener Vereinsräume und die Gründung von Versammlungs- und Begegnungsstätten als Maßnahme zur Verbesserung der eigenen Organisationsmöglichkeiten genannt. 7.1.11.2 Humanitäre Hilfe im Herkunftsland 13% aller Organisationen haben angegeben, humanitäre Hilfe im Herkunftsland zu leisten. Dabei handelt es sich bei den meisten Vereinigungen um Zusammenschlüsse aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens, weiterhin um afrikanische Gruppierungen sowie um asiatische Organisationen und zu einem nur geringen Teil um polnische und herkunftsheterogene Verbindungen. Inhaltlich konzentriert sich die Arbeit auf die materielle und finanzielle Unterstützung von Schulen, Waisenhäusern, Altenheimen, medizinischen Einrichtungen und Selbsthilfegruppen, aber auch auf konkrete Einzelfallhilfe. Diese richtet sich entweder auf die Verbesserung der Lebensbedingungen im Herkunftsland oder auf die Ermöglichung einer medizinischen Therapie im Ausland für Personen mit Erkrankungen, die in ihrer Heimat aufgrund der allgemeinen schlechten Versorgungslage nicht behandelt werden können. Eine weiterer Arbeitsschwerpunkt der humanitären Hilfe liegt in der Sammlung, Verpackung und Verschickung humanitärer Hilfsgüterleistungen. 7.1.11.3 Selbsthilfemaßnahmen Der wesentliche Arbeitsbereich im Gebiet der Förderung der Selbsthilfe ist das Angebot von allgemeinen, themenspezifischen oder zielgruppenorientierten Gesprächskreisen. Beispielhaft sei hier auf Gesprächskreise zur Überwindung von Integrationsproblemen, zur Lösung jugendspezifischer Schwierigkeiten, für vergewaltigte Frauen oder für psychisch erkrankte Migranten hingewiesen. Weitere Nennungen bezogen sich relativ unspezifisch auf Projekte für ‘Hilfe zur Selbsthilfe’. Als konkrete Selbsthilfemaßnahme, die sich an aktuellen Bedürfnislagen orientiert, soll hier exemplarisch eine innovative Arbeitmarktinitiative vorgestellt werden, die in der Gründung eines Vermittlungszentrums zwischen arbeitssuchenden Migranten und deutschen Firmen besteht, die in osteuropäischen Staaten Niederlassungen haben oder aufbauen wollen. Ziel dieser Initiative ist es, in Deutschland lebenden Migranten osteuropäischer Herkunft die Möglichkeit anzubieten, als Mitarbeiter deutscher Firmen in ihre Herkunftsländer zu gehen, um dort zu arbeiten. Die deutschen Firmen reagieren auf dieses Angebot sehr positiv und die Selbstorganisation übernimmt den Vermittlungsservice. Auf diesem Weg konnte bereits vielen interessierten Personen eine Arbeitsstelle vermittelt und ihre Lebenssituation entscheidend verbessert werden.67 Hier wurden Beobachtungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität analysiert und in ein praxisbezogenes Konzept transformiert, das sich durch eine problemorientierte Selbsthilfe auszeichnet. 7.2 Zielgruppenorientierung Neben der Möglichkeit, themengebundene Arbeitsschwerpunkte anzugeben, konnte auch eine zielgruppenspezifische Angebotsorientierung aufgeführt werden. Nach den Ergebnissen dieser Studie werden von den meisten Organisationen frauen-, jugend- oder kinderspezifische Aktivitäten durchgeführt. Hier haben jeweils zwischen 40 und 50% aller Vereinigungen angegeben, Angebote für einen dieser Personenkreise durchzuführen. Zwischen 20 und 30% aller Organisationen gehen mit ihren Angeboten konkret auf allgemein Ratsuchende, Männer oder Senioren ein. Speziell bei den männerspezifischen Angeboten ist jedoch unklar, ob es sich tatsächlich um Angebote handelt, die auf die besondere Situation der Migranten zugeschnitten sind, oder ob hier auch solche Aktivitäten eingehen, an denen neben anderen Zielgruppen gleichfalls oder hauptsächlich Männer teilnehmen. Konkret wurden tatsächlich männerspezifische Angebote nur sehr selten benannt. Am unteren Ende der Skala rangieren Angebote für Arbeitslose und Arbeitnehmer, die jeweils 18% der Selbstorganisationen durchzuführen angegeben haben. Einige Vereinigungen weisen zudem eine Zielgruppenorientierung für weitere Personengruppen auf. Am häufigsten wurden hier Angebote für Flüchtlinge und Familien genannt. 66 Interview mit Vertretern des Internationalen Kulturkreis Moers e. V. im Oktober 1997. 67 Interview mit Vertreterinnen des Europäischen Kulturzentrums IGNIS e. V. im Oktober 1997. 52 7. Arbeitsschwerpunkte Zielgruppenorientierte Angebote Zielgruppe Mädchen/Frauen Jugendliche Kinder Ratsuchende Jungen/Männer % von allen Organisationen 49 46 41 30 29 Zielgruppe % von allen Organisationen Senioren Arbeitnehmer Arbeitslose Sonstige 27 18 18 10 Quelle: eigene Berechnungen Bei der prozentualen Verteilung aller zielgruppenspezifischen Nennungen machen Angebote für Kinder, Jugendliche und Frauen zusammen die Hälfte der Aktivitäten aus. Demgegenüber sind nur 14% aller Nennungen solche zu Angeboten für Arbeitslose und Arbeitnehmer. Dieses Ergebnis erstaunt etwas angesichts der Tatsache, daß sich die Organisationen, wie bereits dargelegt, stark im berufsorientierenden Bereich engagieren. Die entsprechenden Maßnahmen sind in der Regel jedoch nicht uneingeschränkt zugänglich, sondern für bestimmte Gruppen konzipiert, insbesondere für Jugendliche und Frauen. Somit dürften einige der berufsbildenden und -orientierenden Angebote eher in dieser Kategorie verzeichnet sein als unter der allgemeinen Kategorie der Arbeitslosen und Arbeitnehmer. Im Vergleich nach Herkunftskontinenten fallen die herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil frauenspezifischer Angeboten auf. Diese Angebotsstruktur ist dadurch erklärbar, daß die herkunftsheterogenen Vereinigungen in der Mitgliederstruktur einen mit 65% überdurchschnittlichen Frauenanteil aufweisen. Entsprechend führen die Zusammenschlüsse der Migranten afrikanischer Herkunft, die mit 27% den niedrigsten weiblichen Mitgliederanteil haben, auch am seltensten auf Frauen und Mädchen bezogenen Aktivitäten durch. Bei den männerspezifischen Angeboten sind keine signifikanten Korrelationen zur Mitgliederstruktur zu konstatieren, was wiederum bestätigt, daß in diese Kategorie auch Angebote aufgenommen wurden, die für beide Geschlechter zugänglich sind. Der festgestellte Zusammenhang zwischen Angebots- und Mitgliederstruktur ist nicht nur geschlechts-, sondern auch altersspezifisch. Auffällig viele Organisationen von Migranten europäischer Herkunft haben angegeben, sich im Seniorenbereich zu engagieren, und in dieser Gruppe befindet sich sowohl auf die nordrhein-westfä- 53 lische Gesamtbevölkerung als auch auf die Mitglieder bezogen der höchste Anteil älterer Einwanderer. Die Bevölkerungsgruppen der Migranten europäischer und asiatischer Herkunft umfassen die meisten minderjährigen Angehörigen und entsprechend liegen ihre Organisationen bei den auf Kinder und Jugendliche ausgerichteten Vereinsaktivitäten an der Spitze. Zielgruppenorientierte Angebote nach Herkunftskontinent Kontinent Afrika Asien Europa Lateinamerika Heterogen Frauen/ Ju- Kin- Ratsu- Männer/ Senio- Arbeit- Ar- SonMäd- gendli- der chende Junren nehmer beits- stige chen che gen lose 21 56 47 18 48 50 24 46 43 24 29 28 15 31 35 15 15 36 9 8 23 12 6 20 15 8 10 25 25 50 25 25 25 25 25 - 70 50 40 40 20 20 16 24 12 Quelle: eigene Berechnungen 7.2.1 Zielgruppe Frauen und Mädchen Ebenso wie die meisten Organisationen Frauen und Mädchen als eine ihrer Zielgruppen benannt haben, wurden in diesem Bereich auch die meisten konkreten Angebote aufgeführt. Am relevantesten sind hier ein breites Kursangebot sowie Informationsveranstaltungen zu frauenspezifischen Themen. Zu erwähnen sind insbesondere Vorträge zum beruflichen Wiedereinstieg sowie Weiterbildungsseminare; es wird aber auch die spezielle Situation von Migrantinnen aufgearbeitet, zudem werden bestehende Frauenorganisationen und Frauenberatungsstellen vorgestellt. Das Kursangebot umfaßt Handarbeitsund Nähkurse, allgemeine Kreativkurse ebenso wie Back- und Koch-, Sport-, Selbstbehauptungs- oder Integrationskurse. Auch Deutschunterricht, oft mit der Möglichkeit einer gleichzeitigen Kinderbetreuung, wird in das Kursprogramm integriert. Ferner sind in diesem Bereich die Bildung von dauerhaften Frauen- und Mädchengruppen sowie das regelmäßige Angebot eines offenen Treffs wichtige Standbeine. Auch Chöre, Tanz-, Theater- und Folkloregruppen gehören zum frauenspezifischen Angebotsbereich. Eine wichtige Funktion haben die Bildung von Gesprächskreisen und Selbsthilfegruppen sowie gemeinsame Ausflüge oder eine Beratungsmöglichkeit nur für Frauen. Maßnahmen zur beruflichen Orientierung und Bewerbungstrainings sind ebenso wie die Beratung und materielle Unterstützung von Frauenselbsthilfegruppen im Herkunftsland genannt worden. In der Berufsorientierung sind die einzelnen Projekte häufig auf Migrantinnengruppen, die besonders schlechte Arbeitsmarktchancen haben, zugeschnitten. Ein Beispiel ist die von einem herkunftsheterogenen Verein initiierte berufsorientierende Maßnahme für Frauen, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen sind und hier in der Regel keine berufliche Perspektive haben. Innerhalb des zweijährigen Projektes, das täglich sechs Stunden umfaßt, werden sowohl theoretische als auch praktische Kenntnisse vermittelt. Während sich die theoretischen Lerninhalte vorwiegend auf eine Erweiterung der Sprachkenntnisse und auf die Vermittlung erster Einblicke in verschiedene Berufsbereiche kon- 7. Arbeitsschwerpunkte zentrieren, werden im praktischen Teil Berufspraktika und Betriebsbesichtigungen organisiert. Ziel dieser Maßnahme ist, daß die einzelnen Frauen am Ende des Projektes in der Lage sind, für sich eine erfolgversprechende berufliche Perspektive zu entwickeln.68 Eine weitere Personengruppe mit schlechten Berufs- und Ausbildungschancen sind junge Migrantinnen. An diesen Problembereich greift beispielsweise das Projekt „Schulische und berufliche Förderung junger Migrantinnen“ an, das von einer interkulturellen Mädchenorganisation durchgeführt wird. Das eine Standbein dieses Projekts sind die qualifizierte Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung für Mädchen aller Schulklassen. Das zweite Standbein ist als Ergänzungsangebot zur bestehenden Jugendberufshilfe die Beratung und Begleitung der Mädchen bezüglich individueller Berufswünsche, individueller beruflicher Möglichkeiten und einer Erläuterung der für bestimmte Berufsbilder notwendigen Bildungsabschlüsse. Gekoppelt wird diese Arbeit an eine enge Kooperation mit den Schulen, in denen zum Beispiel Berufsorientierungswochen veranstaltet werden, in denen Migrantinnen, die bereits berufliche Erfahrungen gesammelt haben, über eigene Wege der Berufsfindung sowie ihre Schwierigkeiten und auch ihre Stärken in ihrem jeweiligen Beruf als Rechtsanwaltsgehilfin, Hotelfachfrau, Bibliothekarin, Schreinerin oder Studentin referieren. Neben den Schulen wird mit kleinen Betrieben zusammengearbeitet, bei ihnen wird, zum Teil auch erfolgreich, für die Bereitstellung von Praktikums- und Ausbildungsstellen geworben. Die Betriebspraktika werden dann sowohl inhaltlich als auch öffentlichkeitswirksam begleitet.69 Einen ganz anderen Bereich frauenspezifischer Unterstützungsmaßnahmen betrifft das Gebiet der Schutzmöglichkeiten von Migrantinnen, die Opfer sexueller oder häuslicher Gewalt geworden sind. Während diesbezüglich auch bei deutschen Frauen großer Handlungsbedarf besteht, kommt bei Migrantinnen erschwerend die ausländerspezifische Rechtslage hinzu. Nach § 19 Ausländergesetz müssen bestimmte Ehebestandszeiten gewahrt sein, damit Frauen ohne eigenständiges Aufenthaltsrecht im Falle einer Trennung von ihrem Ehemann nicht ausgewiesen werden. Aufgrund dieser Bestimmung haben viele Migrantinnen Angst, ein Frauenhaus aufzusuchen, da ihre Schwierigkeiten dann aktenkundig werden. Diese Situation hat eine interkulturelle Frauenkontakt- und Beratungsstelle dazu bewogen, für diesen Zweck möglichst unbürokratische Formen einer geschützten Unterbringung einzurichten. In diesen Notunterkünften soll der Raum geschaffen werden, zuerst einmal die Situation der Frau zu klären, um dann mit ihr die gemeinsamen weiteren Schritte abzusprechen und die Frau in ihrer jeweiligen Entscheidung zu unterstützen. Diese kann sowohl in der Rückkehr zum Ehemann liegen als auch im Wechsel in ein Frauenhaus. Grundsätzlich ist jedoch eine Zeit gewährleistet, in der die Frau und ihre Kinder sicher untergebracht sind, und in der sie sich über ihre weitere Situation Klarheit verschaffen kann, ohne eine bürokratische Welle auszulösen.70 Weitere geschützte Unterbringungsformen gibt es für von Frauenhandel und Zwangsprostitution betroffene Frauen, die aufgrund ihres unfreiwillig illegalen Status ebenfalls kein Aufenthaltsrecht in Deutschland besitzen und somit von Ausweisung bedroht sind, wenn sie sich an Behörden wenden. Im Falle eines Verfahrens gegen die Menschenhändler ist den Frauen ihr Aufenthalt nur für die Zeit ihrer Zeuginnenaussage gewährleistet; im Anschluß daran werden sie in der Regel abgeschoben. Aufgrund dieser Rechtslage versuchen einzelne Organisationen, für die Frauen, die sich aus ihren Abhängigkeitsverhältnissen befreien, als Zwischenlösung eine geschützte Form der Unterbringung anzubieten. Insgesamt machen die aufgeführten Arbeitsgebiete und konkreten Beispiele deutlich, daß sich die frauenspezifischen Angebote von Selbstorganisationen sowohl in ihrer Zielgruppenbestimmung als auch in ihrer thematischen Breite durch ein vielfältiges Angebot ausweisen, das häufig durch eine sehr professionelle Arbeit realisiert wird. 7.2.2 Zielgruppe Jugendliche Ein Großteil der für Jugendliche konkret aufgeführten Angebote sind schulische und berufliche Fördermaßnahmen. Im schulischen Bereich werden die jugendlichen Migranten durch Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfeunterricht ebenso unterstützt wie durch Beratungsgespräche zu Problemen rund um den Schulalltag, während im beruflichen Bereich vorwiegend Maßnahmen zur Berufsorientierung und Berufsberatung aufgeführt werden71. Zudem spielt die Berufsbildung im Themenkanon der jugendspezifischen Veranstaltungen eine wesentliche Rolle; hier werden weiterhin Probleme der Identitätsfindung diskutiert und Medienseminare angeboten, aber auch Informationsabende zum Herkunftsland organisiert. Verschiedene Vereinigungen haben angegeben, muttersprachlichen Unterricht für Jugendliche anzubieten, andere führen Religionsunterricht und Firmvorbereitungen durch oder organisieren einen internationalen Jugendaustausch. Ein weiteres Gebiet der auf Jugendliche orientierten Angebote umfaßt den Freizeitbereich. Hier werden Jugenddiscos und Jugendtreffs veranstaltet, es gibt Jugendchöre, Tanz- und Folkloregruppen oder Theaterspielkreise für Jugendliche, Sportkurse und Sportmannschaften oder Spielabende. Es werden aber auch Gesprächskreise organisiert, Antirassismusarbeit geleistet oder gemeinsame Ausstellungs- und Theaterbesuche angeboten. Außerdem werden Angebote für klar definierte Gruppen durchgeführt, so Betreuungsangebote für Jugendliche, die ohne Eltern in Deutschland leben, oder Informations- und Begleitungsmaßnahmen für behinderte Jugendliche. 68 Interview mit einem Vertreter und einer Vertreterin des Multikulturellen Forums Lünen e. V. im Februar 1997. 69 Interview mit Vertreterinnen des Interkulturellen Mädchentreffs AZADE im Juni 1997. 70 Interview mit Vertreterinnen der Interkulturellen Frauenkontakt- und Beratungsstelle MONA e. V. im April 1997. 71 Zu berufsorientierenden Maßnahmen für Jugendliche vgl. auch Kap. 7.1.5: Themengebiet Bildung. 54 7. Arbeitsschwerpunkte 7.2.3 Zielgruppe Kinder In den konkreten Nennungen weichen die Angebote für Kinder nicht sehr stark von denen für die Jugendlichen ab. Auch hier spielen Hausaufgaben- und Nachhilfemaßnahmen ebenso wie der muttersprachliche Unterricht und Informationsvermittlung über das Herkunftsland eine wichtige Rolle. Auffällig ist jedoch, daß im Freizeitbereich deutlich mehr Angebote für Kinder aufgeführt werden als für Jugendliche. Zusätzlich zu den unter Kapitel 7.2.2 bereits dargelegten Aktivitäten werden hier kreative Angebote genannt, die Organisation verschiedener Feste wie Weihnachten oder Karneval für Kinder, Ferienprogramme, Koch- und Backkurse, Ausflüge, thematisch ausgerichtete Malwettbewerbe oder Projekte im Medienbereich wie eine ‘Projektwoche Kinderfunk’. Zudem wird das Angebot durch Veranstaltungen für Kinder ergänzt, so durch Theatervorstellungen oder die Produktion von Kindersendungen. Eine Besonderheit stellen die Bemühungen im Elementarbereich dar. So werden zunehmend bi- und multikulturell arbeitende Kindergarteneinrichtungen von Selbstorganisationen gegründet und betrieben. Die Ursache dieser Entwicklung liegt zum einen in einer immer noch gegebenen Unterversorgung insbesondere zugewanderter Kinder mit einem Kindergartenplatz und zum anderen in der durch das neue Kindergartengesetz ermöglichten Schaffung neuer Kindergartenplätze durch Elterninitiativen. Auf diesem Weg rückte das Konzept der multikulturellen Erziehung auch in der allgemeinen Diskussion stärker in den Vordergrund. Beispielhaft für diese Entwicklung soll hier die Arbeitsweise eines deutsch-griechischen Kindergartens vorgestellt werden, der nach einem bikulturellen pädagogischen Konzept arbeitet. Das auf zwei Kulturen bezogene Erziehungskonzept bedeutet jedoch nicht, daß der Kindergarten nur deutsche und griechische Kinder aufnimmt. Vielmehr bestehen Überlegungen, wie bei einer erfolgreichen bikulturellen Anfangsphase der Übergang zu einer multikulturellen Erziehung geschaffen werden kann; bereits jetzt besuchen Kinder unterschiedlicher Herkunft den Kindergarten. Voraussetzung zur Realisierung des Konzeptes ist die gleichberechtigte Stellung griechischer und deutscher Erzieherinnen und Erzieher. Nur so kann gewährleistet werden, daß beide Kulturen tatsächlich als gleichwertig vermittelt werden können. Inhaltlich spielt besonders der Erhalt und die Förderung der Muttersprache eine zentrale Rolle. Die Möglichkeit, sich mit einem Teil der Erzieherinnen und einem Teil der Kinder in griechischer, mit einem jeweils anderen Teil aber in deutscher Sprache zu verständigen, fördert die Sprachfähigkeit in beide Richtungen. Doch neben der rein sprachlichen Ebene hat die bilinguale Erziehung auch eine immens wichtige psychologische Bedeutung, da ein ausländisches Kind seine Muttersprache auf diese Weise nicht als minderwertig erlebt. Eine weitere Konsequenz des Kindergartenbesuchs liegt speziell für Kinder griechischer Herkunft darin, daß über die Erlernung deutscher und griechischer Sprachkenntnisse eine tatsächliche Wahlfreiheit für den späteren Besuch einer deutschen Grundschule oder einer griechischen Nationalschule hergestellt wird. Demgegenüber verfügen Kinder, die nie einen Kindergarten besucht haben, praktisch nicht über eine solche Entscheidungsmöglichkeit, da sie in der Regel nicht zweisprachig aufwachsen. Neben der sprachlichen Komponente ist auch die Pflege der Traditionen, Sitten und Gebräuche ein wesentlicher Bestandteil der bikulturellen Erziehung. Hier sollen Feste gemeinsam und nicht getrennt gefeiert werden, so daß die Kinder Einblick sowohl in ihre eigene als auch in die jeweils andere Kultur erhalten. Neben den Aktivitäten für die Kinder werden zudem familienbezogene Unternehmungen initiiert, da die Förderung und Stärkung der persönlichen Kontakte der ganzen Familien in diesem Konzept ebenfalls eine wichtige Rolle einnehmen.72 Mit verschiedenen Normen und Werten gleichwertig umgehen zu lernen, ist in unserer Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit. Gleichermaßen sind insbesondere die Erfahrungen junger Menschen für die gesamte Persönlichkeitsentwicklung sehr prägend. Im Konzept der multikulturellen Arbeit mit Kindern kann ein möglicher Ansatzpunkt liegen, langfristig zu einer toleranten und gleichberechtigten Gesellschaft zu kommen. Solange ein Zustand der Gleichberechtigung jedoch nicht erreicht ist, kommt der Stärkung von Kindern auch in herkunftshomogenen Organisationen eine besondere Bedeutung zu, da die Kinder hier lernen können, sich selbst und ihre Herkunftskultur gegenüber der Mehrheitsgesellschaft nicht als minderwertig wahrzunehmen und zu definieren. 7.2.4 Zielgruppe Ratsuchende Auch wenn 30% aller Organisationen angegeben haben, Angebote für Ratsuchende durchzuführen, sind bezüglich dieser Zielgruppe nur wenige konkrete Aktivitäten aufgeführt worden. Möglicherweise wurde diese Kategorie im Selbstverständnis eines Vereins gewählt, der Ratsuchenden auch dann Unterstützung gewähren möchte, wenn im jeweiligen Fall keine konkreten Angebote im Programm verzeichnet sind. Der Großteil der aufgeführten Angebote befindet sich im Beratungsbereich. Hier wurden allgemeine Sozial- und Rechtshilfeberatungen, Beratungen in finanziellen Angelegenheiten und solche bezüglich des Sozialversicherungswesen genannt. Weiterhin bieten einzelne Selbstorganisationen Ratsuchenden auch Begleitungen zu Behörden sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche an. Schließlich werden für Ratsuchende auch Gesprächskreise angeboten und Selbsthilfemaßnahmen eingeleitet, die thematisch jedoch nicht näher benannt werden. 72 Interview mit einem Vertreter der deutsch-griechischen Elterninitiative Estia Solingen e.V. im Juni 1997. 55 7. Arbeitsschwerpunkte 7.2.5 Zielgruppe Jungen und Männer Auch männerspezifische Angebote werden von den Selbstorganisationen nur in wenigen Fällen konkret benannt. Die Hälfte der aufgeführten Aktivitäten bezieht sich dabei auf den Sportbereich, in dem Fußballmannschaften an erster Stelle stehen. Weiterhin werden Veranstaltungen zu männerspezifischen Tabu-Themen organisiert, in wenigen Vereinigungen bestehen selbständige Männergruppen oder Gesprächskreise. In einem Fall ist ein regelmäßiges Bergarbeitertreffen als männerspezifisches Angebot angegeben worden, aber auch eine Männer-Folkloregruppe sowie ein Kochkurs für Männer werden unter den männerspezifischen Aktivitäten aufgeführt. 7.2.6 Zielgruppe Seniorinnen und Senioren Angebote für Senioren spielen bei Migrantenselbstorganisationen eine zunehmend wichtige Rolle, was als Ausdruck der veränderten demographischen Struktur zu bewerten ist, die sich durch eine Zunahme auch älterer Einwanderer auszeichnet. Es ist zu erwarten, daß diese Zielgruppe in der Angebotsstruktur zukünftig weiter an Bedeutung zunehmen wird, da die bundesdeutsche Gesellschaft, die offiziell immer noch an dem provisorischen Charakter der Einwanderung festhält, entsprechend schlecht auf dieses Phänomen vorbereitet ist. Nach der Einschätzung des Internationalen Kulturkreis Moers entscheiden sich immer mehr Migranten dafür, im Alter nicht in ihr Herkunftsland zurückzugehen, sondern hier in Deutschland zu bleiben. Ein Ausdruck dieser Entscheidung sei zum Beispiel auch die Auseinandersetzung um den Muezzin-Ruf, da sich die Frage nach der Lebensgestaltung in dem Moment, in dem Rückkehroptionen aufgegeben werden, völlig neu stelle. Eine Moschee könne als Übergangslösung auch in einer Garage akzeptiert werden, doch veränderten sich diesbezügliche Vorstellungen mit der Entscheidung, mit seinen Kindern hier zu leben und wahrscheinlich auch zu sterben. In diesem Moment würden die berechtigten Ansprüche auf eine ordentliche Moschee oder einen islamischen Friedhof deutlich, es würden angemessene Perspektiven für den Fall der Pflegebedürfigkeit angestrebt. In dieser Situation werden seitens der Zuwanderer viele Fragen neu gestellt. Gleichzeitig werde dieser neu entstehende Beratungsbedarf seitens der Bundesrepublik nur unzureichend erkannt. Anstelle der notwendigen Aufstockung würden die klassischen Beratungsdienste häufig reduziert, so daß entstehende Probleme von diesen Stellen nicht oder zumindest nicht angemessen berücksichtigt werden könnten.73 Seniorenspezifische Angebote werden bereits von 27% aller Organisationen genannt, die meisten Angebote beziehen sich auf den Begegnungsbereich. Viele Zusammenschlüsse organisieren offene Seniorentreffs, was wohl als Reaktion auf starke Isolationstendenzen gerade bei älteren Einwanderern zu bewerten ist. Im Begegnungsbereich liegen auch die genannten Freizeitangebote wie Chöre, Filmgruppen, Ausflüge, Kochabende, Besuche von Senioren anderer Vereine oder die Pflege von Nachbarschaftskontakten. Weiterhin werden zu einem großen Teil Informationsveranstaltungen durchgeführt, die Orientierungsmöglichkeiten für die Zukunft bieten sollen. Themenstellungen beziehen sich auf die Rentenreform, Versicherungsfragen, Behandlungs- und Pflegemöglichkeiten sowie auf Krankheitsprophylaxe im Alter oder Überführungsmöglichkeiten ins Herkunftsland nach dem Tod. Dabei betreffen insbesondere Fragestellungen bezüglich des Rentensystems sowohl die Situation im Herkunftsland als auch die Situation hier. Neben der Information der Migranten ist jedoch gleichermaßen eine Aufklärung der ambulanten Pflegedienste notwendig, die häufig nicht mit kulturspezifischen Unterschieden und Besonderheiten vertraut sind, so daß die Bedürfnisse der Zuwanderer häufig auch aufgrund von Unkenntnis ignoriert werden. Ein Indiz für die zunehmende Bedeutung der Seniorenarbeit bei Selbstorganisationen ist die Gründung eines Verbandes, der sich ausschließlich mit diesem Personenkreis beschäftigt. Als selbständige Weiterentwicklung eines Modellprojektes will der Verband ältere Migranten motivieren, ihre Zukunft in Deutschland aktiv zu gestalten. Sie sollen befähigt werden, zu den Behörden ihres Herkunftslandes sowie zu deutschen Behörden, zu kommunalen Ämtern und Wohlfahrtsverbänden Kontakte aufzunehmen und Wege zu finden, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und zu erfüllen. Derzeit existieren in Nordrhein-Westfalen in sieben verschiedenen Städten aus dem Modellprojekt hervorgegangene Gruppen, die die Seniorenarbeit vor Ort durchführen. Das Schwergewicht liegt dabei insbesondere auf den älteren Menschen, die weitgehend isoliert und abgekapselt leben. Durch aufsuchende Sozialarbeit sollen sie dazu motiviert werden, ihre Isolation zu durchbrechen und an den verschiedenen Angeboten teilzunehmen. Diese sind von Ort zu Ort sehr verschieden und reichen vom Kartenspiel über Seniorentanz und Sportgruppen bis zu heimatsprachlichen Lesungen; sie sind jeweils auf die konkreten Bedürfnisse der Migranten zugeschnitten. Tatsächlich lassen sich allmählich immer mehr Senioren zum Mitmachen motivieren; doch selbst wenn diese Eigeninitiative ausbleibt, haben die Besuche einen eigenen Wert, da sie die starke Isolation in regelmäßigen Abständen durchbrechen. Erfolge dieser Initiative sind auch darin sichtbar, daß insgesamt eine Sensibilisierung für die Gruppensituation eingesetzt hat, die sich zum Beispiel in verstärkten Krankenhausbesuchen manifestiert. Auf der individuellen Ebene sollen Senioren aus ihrer Einsamkeit herausgeführt werden, um ihre ganz persönliche Lebenssituation zu verbessern. Darüber hinaus sollen sie jedoch auch von offizieller Seite wahr- und ernstgenommen und als Gesprächspartner anerkannt werden, so daß sie langfristig zu einer eigenständigen Interessenvertretung gelangen können.74 73 Diese Einschätzung formulierte ein Vertreter des Internationalen Kulturkreis Moers e. V. im Oktober 1997. 74 Interview mit einem Vertreter des Netzwerks spanischsprechender Seniorinnen und Senioren in NRW ‘Adentro’ im März 1997. 56 7. Arbeitsschwerpunkte 7.2.7 Zielgruppe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Lediglich 18% aller Organisationen haben angegeben, besondere Aktivitäten für ArbeitnehmerInnen anzubieten, und entsprechend selten wurden konkrete Angebote für diese Zielgruppe aufgeführt. Dabei wurden von Organisationen aus nur fünf verschiedenen Herkunftsgebieten Angaben gemacht, neben den herkunftsheterogenen Gruppierungen waren indische Organisationen in diesem Zusammenhang die einzigen nicht europäischen Vereinigungen. Die meisten Angaben bezogen sich auf Informationveranstaltungen mit Themen zum Arbeitsrecht, zur Sozialversicherung oder zur Vorbereitung aufs Rentenalter. Daneben fallen berufliche Fortund Weiterbildungsseminare ebenso in diesen Bereich wie Ausbildungsbegleitung oder Beratungstätigkeiten. 7.2.8 Zielgruppe Arbeitslose Ebenso wie für Arbeitnehmer werden auch für Arbeitslose nur relativ selten konkrete Angebote aufgeführt. Hier sind jedoch nicht vorwiegend Organisationen der Migranten europäischer Herkunft Anbieter der entsprechenden Maßnahmen, sondern auch Vereinigungen von Zuwanderern asiatischer, afrikanischer wie lateinamerikanischer Herkunft beziehen sich mit ihrem Vereinsprogramm direkt auf Arbeitslose. Am häufigsten werden Informationsveranstaltungen durchgeführt, um die Betroffenen in bezug auf mögliche Veränderungen ihrer Situation zu unterstützen. Hier werden Diskussionen zu Problemen mit dem Arbeitsamt veranstaltet, Auskünfte über Existenzgründungsmöglichkeiten gegeben, Erfahrungsberichte Selbständiger organisiert, Informationen zu Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen gegeben oder Grundsätze einer ansprechenden Bewerbung vermittelt. Daneben spielt die Arbeitslosenberatung eine ebenso wichtige Rolle wie der Arbeitslosentreff, der den Betroffenen Migranten die Möglichkeit bietet, sich gegenseitig auszutauschen. Vereinzelt werden arbeitslose Migranten auch aktiv bei ihrer Arbeitssuche unterstützt. 7.2.9 Sonstige Zielgruppen Entsprechend den sonstigen Themengebieten haben sich auch bei den sonstigen Zielgruppen bestimmte Antwortmuster herauskristallisiert, obwohl hier keine Vorgaben gemacht wurden. Die beiden wesentlichen Personenkreise, die hier aufgeführt wurden, sind Familien und Flüchtlinge, des weiteren wurden von einzelnen Organisationen Studierende als Zielgruppe genannt. Zudem bietet jeweils ein Zusammenschluß Beratungen an für Drogen- und Alkoholabhängige bzw. für Angehörige von Personen, die während eines Urlaubs oder Verwandtschaftsbesuchs im Herkunftsland verhaftet worden sind. Studierende werden am häufigsten durch Beratungsangebote unterstützt, des weiteren hat ein Verein angegeben, ihnen bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Für Familien werden gemeinsame Treffen angeboten, Ausflüge durchgeführt und Feste veranstaltet. Auch hier werden Vorträge organisiert und Beratungen ermöglicht. Auch in der Flüchtlingshilfe stellt die Beratungstätigkeit die wichtigste Unterstützung dar, zudem werden hier praktische Hilfestellungen wie Übersetzungsdienste geleistet und Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten geschaffen. Ein besonderes Beispiel im Kontakt mit Flüchtlingen stellt eine deutsch-afrikanische Musikgruppe dar. Hier haben sich Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern Afrikas und Deutsche zusammengefunden, um in einem interkulturellen Projekt gemeinsam Musik zu machen. Das Repertoire der Gruppe beinhaltet Lieder aus verschiedenen afrikanischen Regionen in verschiedenen Sprachen. Zum Einüben mußte von den Deutschen ein enormes Einfühlungsvermögen aufgebracht werden, und von den Afrikanern, die die Lieder einstudierten, wurde viel Geduld vorausgesetzt. Später wurde auch ein deutsches Lied gegen Rassismus eingeübt, dessen Refrain mittlerweile in viele verschiedene Sprachen übersetzt ist. Bereits nach drei Monaten ging die Gruppe erstmals an die Öffentlichkeit und hatte hier wie bei den folgenden Auftritten großen Erfolg. Neben der musikalischen Leistung wird vom Publikum auch die Lebendigkeit und positive Ausstrahlung der Sänger und Sängerinnen gewürdigt. Die Gruppe schafft es, sich als wirklich grenzüberschreitendes Projekt zu präsentieren und besitzt die Fähigkeit, ihre Zuschauer zu begeistern und mitzureißen. Das Ziel der Gruppe, Menschen verschiedener Herkunft miteinander zu verbinden, bestätigt sich auch in ihrem Versuch, in Kindergärten und Schulen interkulturelles Lernen durch Musik zu fördern, wodurch immer wieder positive Ansatzpunkte geschaffen werden. Für die Deutschen ist die Teilnahme an dieser Gruppe eine einzigartige Chance, in einer lebendigen Atmosphäre Kontakte zu knüpfen und Elemente fremder Kulturen kennenzulernen. Für die Afrikaner ist die Gruppe eine Chance, die Isolation nach außen zu durchbrechen und in der deutschen Bevölkerung auf positive Resonanz zu stoßen. Allerdings ist es schwer, sich in einer Situation für die Perspektive einer Musikgruppe zu engagieren, in der die eigene Zukunft völlig ungewiß ist. Und in der Tat sind mittlerweile viele Flüchtlinge, die zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe gehörten, abgeschoben worden, so daß die Mitgliederzahl von 20 auf 8 Personen gesunken ist.75 Dennoch macht dieses deutsch-afrikanische Musikprojekt deutlich, daß es möglich ist, zu einem respektvollen und gleichberechtigten Miteinander zu gelangen und das teilnahmslose Nebeneinander zu überwinden. Insgesamt wird deutlich, daß die Aktivitäten der Selbstorganisationen sowohl zielgruppenbezogen als auch im thematischen Bereich ausgesprochen vielfältig sind. Dabei erfüllen die Angebote auch aus einer sozialpolitischen Perspektive einen wichtigen Zweck, da sie häufig an einer Stelle ansetzen, an der staatliche Angebote entweder nicht existieren oder an den Bedürfnissen der Migranten vorbeigehen. Insofern muß der Arbeit der Selbstorganisationen eine wichtige integrative Wirkung zugesprochen werden, da sie die Situation der Zuwanderer in der Bundesrepublik positiv verändert und somit Unzufriedenheit und daraus entstehende Konfkliktpotentiale eindämmt. Selbstorganisationen nehmen häufig Vermittlungspositionen ein und schaffen damit Voraussetzungen für die Migranten, in Kontakt zu 75 Interview mit einem Vertreter und einer Vertreterin des Multikulturellen Forums Lünen e. V. im Februar 1997. Vgl. auch Pit Budde: SOLIMBEYA. Lieder aus Container-City. Dokumentation eines deutsch/afrikanischen Projekts, Lünen 1996. 57 7. Arbeitsschwerpunkte verschiedenen Einrichtungen zu treten, wodurch ein Dialog ermöglicht wird.76 Außerdem ist eine Vielzahl an Aktivitäten explizit darauf gerichtet, zu einem friedlichen und gleichberechtigten Miteinander zwischen den verschiedenen Menschen in Deutschland zu gelangen. Es werden Einsichten in fremde Kulturen vermittelt und Möglichkeiten geschaffen, sich gegenseitig kennenzulernen. Dabei steht der gegenseitige Respekt im Vordergrund sowie der Versuch, verschiedene Kulturen zwar als unterschiedlich, aber gleichwertig zu vermitteln. Wichtig ist die Erkenntnis, daß auch Menschen mit unterschiedlichen Traditionen und Gebräuchen Gemeinsamkeiten haben und daß der Lernprozeß gegenseitig ist. Integration kann nicht bedeuten, ein komplettes Werte- und Normensystem gegen ein anderes auszutauschen. So werden Herkunftstraditionen erhalten und gestärkt, da den Migranten auf diese Weise ermöglicht wird, sich in der Einwanderungsgesellschaft wohl zu fühlen. Nur so kann die Bereitschaft erwachsen, sich dem Einwanderungsland zugehörig zu fühlen und ihm loyal gegenüberzustehen. Hierzu ist jedoch gleichermaßen gesellschaftliche Chancengleichheit notwendig, die in der Bundesrepublik bislang nicht ausreichend gegeben ist. So gehen die Aktivitäten der Selbstorganisationen auch in die Richtung, den Zuwanderern zu helfen, sich in der neuen Gesellschaft zurechtzufinden, ihre Rechte kennenzulernen und zu nutzen und die Bildungschancen zu verbessern. Gleichberechtige gesellschaftliche, ökonomische und politische Partizipationsmöglichkeiten sind die Grundvoraussetzung für ein dauerhaft positives und langfristig funktionierendes Zusammenleben. Zu diesen Grundlagen zu gelangen, ist jedoch nicht nur die Aufgabe der Migranten und ihrer Organisationen, sondern ist auch eine Verpflichtung der deutschen Gesellschaft. Um auch auf einer politischen Ebene gemeinsame Perspektiven entwickeln zu können, ist die Anerkennung der Organe von Migrantinnen und Migranten als fachlich kompetenter Kooperationspartner unbedingt notwendig. 7.3 Öffentlichkeitsarbeit Im Zusammenhang mit den aufgeführten Aktivitäten der Selbstorganisationen ist zudem von Interesse, inwieweit sie von den Vereinigungen öffentlichkeitswirksam begleitet werden. Zu dieser Frage gibt die Hälfte der Organisationen an, eine nach außen gerichtete Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Im Vergleich nach Herkunftskontinenten unterscheiden sich die Organisationen nicht stark voneinander, lediglich die herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse fallen durch eine überdurchschnittlich häufige Öffentlichkeitsarbeit auf. In der Konkretion der Maßnahmen einer öffentlichkeitswirksamen Begleitung der Vereinsaktivitäten wird am häufigsten auf die Möglichkeit der lokalen Berichterstattung verwiesen. Während einige Vereine eine ausgesprochen gute Zusammenarbeit mit der Presse erwähnen, wird durch eine Organisation kritisiert, daß die lokalen Medien grundsätzlich nur einen Artikel eines Vereins innerhalb eines Jahres drucken, wodurch eine engagierte Öffentlichkeitsarbeit sehr erschwert werde. In die Zusammenarbeit mit den lokalen Medien fällt zudem das Schreiben von Pressemitteilungen, um auf besondere Vereinsereignisse aufmerksam zu machen oder um zu aktuellen Geschehnissen Stellung zu beziehen. Eine weitere häufig genutzte Möglichkeit, die Vereine und ihre Aktivitäten bekanntzumachen, ist die Erstellung und Verbreitung von Veranstaltungshinweisen und Programmheften, so daß ein möglichst breiter Personenkreis hiervon Kenntnis erlangt. Um das Vereinsprofil nach außen deutlich zu machen und um Interessierte anzusprechen, haben sich mehrere Zusammenschlüsse dazu entschieden, Selbstdarstellungen von ihren Organisationen anzufertigen, die in ihrer äußeren Form vom Faltblatt bis zur gebundenen Broschüre reichen. Auch Jahres- und Tätigkeitsberichte oder die Zusammenstellung von Pressemappen werden als eine Form der Selbstdarstellung aufgeführt. Vereinzelt wurden auch Vereinsdarstellungen in Publikationen anderer Einrichtungen genannt. Zudem präsentieren sich Organisationen in Rundbriefen für ihre Mitglieder oder in Informationsblättern für Interessierte. In anderen Fällen werden Projekt- und Tagungsberichte sowie Dokumentationen erstellt. Weiterhin haben verschiedene Vereinigungen angegeben, regelmäßig eine Zeitschrift herauszugeben, die oft auch zweisprachig erscheint. Hier handelt es sich ebenso um Kulturmagazine wie um politische Journale oder Wirtschaftsmitteilungen, Jugend-, Kirchenzeitschriften werden genauso erwähnt wie Nachbarschaftszeitungen oder Vereins- bzw. Verbandszeitschriften. Andere Zusammenschlüsse haben aufgeführt, Bücher in Auftrag zu geben oder herauszugeben. Eine weitere Form der Öffentlichkeitsarbeit besteht in der Gestaltung von Radio- und Fernsehsendungen sowie in der Herstellung eines Videofilms über den Verein. Informationsstände, Informationstafeln und Plakate gehören ebenso wie öffentliche Stellungnahmen und Briefe an Behörden oder Institutionen zu den Maßnahmen, die Kontur eines Vereins zu verdeutlichen. Insbesondere von religiösen Einrichtungen wird der Tag der offenen Tür als Möglichkeit genutzt, über die stattfindenden Aktivitäten zu informieren77, hier werden aber auch Prozessionen und die Erstellung eines Jahreskalenders im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit verortet. 76 Vgl. auch Andreas Koderisch, 1996: Interkulturelle Öffnung - aber wie? Familienbildung und Elternarbeit in der Einwanderungsgesellschaft, hg. von der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen EAF, Bonn, S. 72. 77 Während insgesamt mehrere Organisationen bei ihren Aktivitäten angegeben haben, einen Tag der offenen Tür zu veranstalten, ist es ausschließlich bei den religiösen Einrichtungen auch unter der Rubrik Öffentlichkeitsarbeit genannt worden. 58 8. Orientierung der Angebotsstruktur Neben der Nennung von Arbeitsschwerpunkten und Zielgruppen wurden die Organisationen um eine Angabe darüber gebeten, ob ihre Angebote eher auf ein Leben in Deutschland oder eher auf ein Leben im Herkunftsland ausgerichtet sind bzw. ob ihre Angebote eine Mischform zwischen diesen beiden Möglichkeiten darstellen. Weiterhin sollten zum einen Beispiele aufgeführt werden, die die angegebene Orientierung besonders deutlich machen, zum anderen wurde danach gefragt, warum sich die jeweilige Organisation gerade für diese Orientierung entschieden hat. Ein weiteres Indiz für die Angebotsorientierung sind die Fragen nach der Gründungsmotivation bzw. den heutigen Zielen der Organisationen. Auch aus diesen Antworten kann auf die Ausrichtung der Aktivitäten der Vereinigungen geschlossen werden. Während die Angaben zum ersten Fragenkomplex somit vollständig auf Eigenaussagen beruhen, wurden die Zuordnungen im zweiten Bereich nachträglich von uns vorgenommen. Auf die Frage nach der eigenen Einschätzung bezüglich der Orientierung der Angebotsstruktur haben 84% aller Organisationen geantwortet. Von ihnen gibt mit 67% die überwiegende Mehrheit an, ein sowohl auf das Herkunftsland als auch auf die Bundesrepublik hin orientiertes Angebot zu haben. 28% orientieren ihre Aktivitäten stärker auf das Leben in Deutschland, 5% beziehen sich eher aufs Herkunftsland. Ein etwas anderes Bild ergibt sich bei der Analyse der Zielangaben der einzelnen Organisationen. Hier gehen 90% aller Zusammenschlüsse in die Auswertung ein; die übrigen 10% haben entweder keine Angaben gemacht, oder ihre Angaben ließen keine Rückschlüsse auf die Angebotsorientierung zu. Während auch hier die meisten Antworten auf eine Mischform der Aktivitäten schließen lassen, ergibt sich ein deutlich höherer Anteil bei der Orientierung aufs Herkunftsland, jedoch ein geringerer bei der hauptsächlichen Ausrichtung der Vereinstätigkeiten auf ein Leben in Deutschland. Orientierung der Angebotsstruktur nach Eigen- und Fremdkategorisierung Orientierung der Angebote eher auf Deutschland eher aufs Herkunftsland als Mischform Eigenkategorisierung Fremdkategorisierung nach heutigen Zielen 28% 5% 67% 18% 24% 58% Quelle: eigene Berechnungen 59 Darüber hinaus macht die Betrachtung des Übergangs von der Gründungsmotivation zu den heutigen Zielen eine zunehmende Orientierung auf die Bundesrepublik deutlich. Während bei den Angaben zum Gründungsanlaß noch 43% aller Vereinigungen ausschließlich aufs Herkunftsland bezogene Gründe nannten, beträgt der entsprechende Anteil bei den Angaben zu heutigen Zielvorstellungen nur noch 24%. Bezüglich des durchschnittlichen Gründungsjahres gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Innerhalb der auf einer Eigenkategorisierung beruhenden Gruppe liegt es für jede Orientierungsmöglichkeit bei 1985. Aber auch bei den Zusammenschlüssen, deren Angebotsorientierung auf der Grundlage ihrer Zielvorstellungen bestimmt wurde, schwankt es nur unwesentlich. Während das durchschnittliche Gründungsjahr hier bei den Organisationen, die sich vornehmlich aufs Herkunftsland beziehen bzw. eine Mischform an Aktivitäten anbieten, ebenfalls bei 1985 liegt, ist es bei den Zusammenschlüssen, die vornehmlich auf ein Leben in Deutschland ausgerichtet sind, mit 1986 nur ein Jahr später. Somit vollzieht sich die zunehmende Orientierung auf die Bundesrepublik nicht vornehmlich bei der zweiten und dritten Einwanderergeneration, sondern weitgehend unabhängig von diesem Betrachtungsmerkmal. Zudem ist die fehlende Diskrepanz der Gründungsdaten bei den verschiedenen Kategorien ein Anzeichen dafür, daß die Angebotsorientierung der jüngeren Einwanderergruppen durchaus mit den Bedürfnissen der angeworbenen Arbeitnehmer der fünfziger und sechziger Jahre vergleichbar ist. Insgesamt ist das Vereinsangebot eines Großteils der Organisationen somit unabhängig von seinem Entstehungsjahr sowohl auf die Erhaltung einer Rückkehroption als auch auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland gerichtet. Im Vergleich nach Herkunftskontinenten haben die Organisationen von Zuwanderern afrikanischer Herkunft zu einem besonders hohen Anteil angegeben, ihre Angebote sowohl auf die Einwanderungs- als auch auf die Herkunftsgesellschaft zu beziehen. Auf ein Leben in Deutschland sind vornehmlich die Aktivitäten der herkunftsheterogenen Organisationen ausgerichtet, während die Zusammenschlüsse der Migranten lateinamerikanischer Herkunft prozentual besonders stark auf das Herkunftsland orientiert sind. Hier wirkt sich die geringe Fallzahl jedoch statistisch verzerrend aus; in absoluten Zahlen handelt es sich lediglich um eine Organisation. Die Angaben über aktuelle Zielvorstellungen der jeweiligen Gruppen führen in der Fremdkategorisierung auch im Vergleich nach Herkunftskontinenten zu deutlichen Verschiebungen. Hier sind es insbesondere die Vereinigungen der Zuwanderer afrikanischer Herkunft, die durch einen starken Bezug zum Herkunftsland auffallen. Ein Mischangebot wird am stärksten durch die Zusammenschlüsse der Migranten asiatischer wie lateinamerikanischer Herkunft präsentiert, während es wiederum die multikulturellen Organisationen sind, die ihre Angebote am stärksten auf ein Leben in Deutschland ausrichten. Diese Orientierung mag auch darin begründet liegen, daß die herkunftsheterogenen Vereine durch die Vielfalt der Herkunftsgebiete stärkere Schwierigkeiten haben, eine auf das Herkunftsgebiet bezogene Angebotspalette in ihr Programm aufzunehmen. Zudem resultieren sie häufig aus ehemals deutschen Initiativgruppen, so daß auch aufgrund ihrer Gründungsgeschichte eine Orientierung auf ein Leben in Deutschland strukturell vorgegeben ist. 8. Orientierung der Angebotsstruktur Diese differierenden Angaben können ein Anzeichen dafür sein, daß ein Teil der Organisationen in seiner konkreten Arbeit stärker auf ein Leben in Deutschland ausgerichtet ist, als es seine Zielsetzungen erwarten lassen. Diese Erklärung stimmt auch mit dem Trend der abnehmenden primär auf das Herkunftsland zielenden Ausrichtung zugunsten einer Doppelorientierung überein. Insofern kann die Arbeit der Selbstorganisationen als zunehmend auf die Situation der Migranten im Einwanderungsland orientiert bewertet werden. Die Tatsache, daß 95% aller Selbstorganisationen nach eigenen Angaben Aktivitäten zumindest auch auf das Leben in Deutschland beziehen, läßt auf starke Integrationspotentiale schließen. In der Konkretion der für die einzelnen Orientierungen besonders maßgeblichen Angebote werden sehr unterschiedliche Aktivitäten aufgeführt. Als wesentlich wird eine Unterstützung der Sprachund Ausdrucksfähigkeit durch Deutschunterricht genannt, bezüglich der Zukunftsgestaltung werden Aktivitäten zur Berufsorientierung sowie die Notwendigkeit, die Infrastruktur in Deutschland kennenzulernen, als wichtige Bestandteile formuliert. Weiterhin nehmen Veranstaltungen, die sich thematisch auf ein Leben in Deutschland beziehen, einen großen Stellenwert ein. Hier geht es um die Rentensituation der Einwanderer, um Sozialversicherungen oder um den Status als EU-BürgerIn in Deutschland. Die Interessenvertretung der Zuwanderer wird ebenso wie die Zusammenarbeit mit Ämtern und Institutionen als maßgeblich erachtet, auch Kontakte außerhalb der eigenen Gruppe werden als wegweisendes Angebot für eine primär auf Deutschland gerichtete Orientierung genannt. Weiterhin werden in diesem Zusammenhang Einbürgerungsberatungen sowie die Lösung aufenthaltsrechtlicher Probleme aufgeführt, Aktionen gegen Diskriminierung und für Bürgerrechte gehören ebenso hierher wie die Organisation von Veranstaltungen zu „schwarzer deutscher Geschichte“. Auch werden von einzelnen Organisationen die Erstellung einer deutschsprachigen Jugendzeitschrift, die Förderung der sozio-kulturellen Kommunikation, die Beteiligung am kulturellen Leben der Stadt oder Ausflüge innerhalb Deutschlands aufgeführt. Demgegenüber beziehen sich die Nennungen zu maßgeblich auf das Herkunftsland orientierten Aktivitäten auf die Pflege und den Erhalt traditioneller Tänze und Lieder, auf religiöse Angebote zur Aufrechterhaltung der eigenen Kultur, auf die Begehung traditioneller Feste oder die Freizeitgestaltung für Kinder in ihrer Muttersprache. Des weiteren werden Theaterstücke über traditionelle Geschichten 60 und zur Mythologie des Herkunftslandes aufgeführt, muttersprachlicher Unterricht erteilt und Kriegsopfer unterstützt. Bezüglich einer Mischform werden Angebote angestrebt, die eine Integration in die deutsche Gesellschaft bei gleichzeitiger Wahrung der kulturellen Identität ermöglichen, die auf verstärkte Kontakte zwischen Migranten einerseits und Migranten und Deutschen andererseits hinarbeiten oder die auf die Verbesserung individueller Lebensperspektiven der Einwanderer in Deutschland bei gleichzeitiger Unterstützung des Herkunftslandes zielen. Hierbei werden die unterschiedlichsten Kombinationen an Aktivitäten aufgeführt, am häufigsten die Durchführung von Veranstaltungen sowohl über die Situation hier als auch im Herkunftsland. Beispielhaft können Schulsituation, Berufsausbildung, Arbeitsmarktchancen, Investitionsmöglichkeiten, Renten, neue Gesetze oder die Situation von Frauen genannt werden. Weiterhin führen viele Organisationen an, Feste verschiedener Kulturkreise gemeinsam zu feiern, Sprachkurse sowohl für Deutsche als auch für Migranten anzubieten, Mitgliedern der eigenen Gruppe sowohl Deutschunterricht als auch muttersprachlichen Unterricht zu erteilen, gemeinsame Ferienmaßnahmen für Kinder von Migranten und von Deutschen zu organisieren oder zweisprachige Zeitschriften herauszugeben. Hier wurden auch mehrfach Angebote für die Partner binationaler Ehen sowie für ihre Kinder genannt. Die jeweiligen Angebote stimmen weitgehend mit den aufgeführten Zielen der Zusammenschlüsse überein. In bezug auf eine vornehmlich auf Deutschland gerichtete Orientierung werden die gesellschaftliche Integration der Mitglieder sowie ihre langfristige Lebens- und Zukunftsplanung als Aufgabe benannt, aber auch Bestrebungen hinsichtlich einer praktischen Antidiskriminierungspolitik sowie der Erlangung sozialer und politischer Gleichberechtigung werden aufgeführt. Weiterhin wird die Verbesserung der individuellen Lebenssituation der Mitglieder hier in Deutschland angestrebt, außerdem werden die Stärkung des Selbstbewußtseins sowie eine effektive Interessenvertretung als Ziele dargelegt. Bei den Selbstorganisationen, die primär auf ihr Herkunftsland orientiert arbeiten, liegt eine wesentliche Absicht darin, als Treffpunkt für die Migranten zu dienen, ihre Herkunftskultur zu pflegen und sie zu erhalten. Weiterhin sind hier die Kontaktpflege zu Personen im Herkunftsland, die Schaffung von Reintegrationsmöglichkeiten, die Unterstützung von Demokratisierungsbestrebungen oder die Erbringung humanitärer Hilfe zu nennen. Bei einer Doppelorientierung wird von einem Großteil der Vereine eine möglichst gute Integration unter Beibehaltung der eigenen Kultur als Ziel aufgeführt, weitere Absichten sind die Unterstützung der Völkerverständigung, die Förderung eines friedlichen Zusammenlebens von Deutschen und Migranten, die Erbringung humanitärer Hilfe für das Herkunftsland bei einer möglichst guten Beratung der hier lebenden Migranten sowie der Erreichung weitreichender Partizipationsmöglichkeiten in Deutschland. 8. Orientierung der Angebotsstruktur 8.1 Gründe der gewählten Angebotsorientierung 66% der Organisationen, die eigene Angaben zu ihrer Angebotsorientierung gemacht haben, haben diese auch begründet. Weitere 15% haben keine diesbezüglichen Angaben gemacht, 19% haben die Frage erweitert und auf die grundsätzliche Notwendigkeit der Gründung einer Selbstorganisation bezogen. Die häufigsten Begründungen für eine Orientierung der Angebote, die sich vornehmlich auf ein Leben in Deutschland richten, liegen in der Reaktion der Selbstorganisationen auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder sowie in der individuellen Notwendigkeit, sich in Deutschland zurechtfinden zu müssen. Weiterhin wird diese Orientierung aus dem Selbstverständnis heraus gewählt, daß die hier lebenden Migranten Teil der deutschen Gesellschaft sind, ihr Leben auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ausrichten und sich somit auch selbstverständlich in ihren Handlungen auf diese Gesellschaft beziehen. Dazu notwendig ist die Beseitigung von Diskriminierung und Integrationshindernissen, die auch als Grund für eine primäre Ausrichtung auf Deutschland genannt wird. In diesen Zusammenhang gehört auch das Anliegen, am kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und es aktiv mitgestalten zu wollen. Weiterhin wird beklagt, daß insbesondere Jugendliche von deutscher Seite zu wenig Hilfestellungen bei der Bewältigung ihres Lebens in Deutschland erhalten, so daß diese Aufgabe von den Selbstorganisationen übernommen werden muß. Gründe einer vorwiegenden Ausrichtung aufs Herkunftsland liegen vielfach in dem Wunsch, die eigene Kultur aufrechtzuerhalten, insbesondere auch bei solchen Organisationen, die nicht mehr über ein einheitliches Siedlungsgebiet verfügen oder bei denen die Entfernungen zur alten Heimat so groß sind, daß für die meisten Zuwanderer Besuche dorthin nur selten oder gar nicht möglich sind. Weiterhin wurde diese Orientierung mit der aktuellen Notsituation im Herkunftsland begründet sowie dem Wunsch, hier lebende Migranten, aber auch Deutsche für die Situation im Herkunftsland zu sensibilisieren. Durch die Orientierung auf die alte Heimat soll es den Kindern ermöglicht werden, zurückkehren zu können. Einige Zusammenschlüsse sehen sich aber auch durch die gesellschaftliche Realität in Deutschland zu dieser Orientierung gezwungen. So sei es keine freiwillige Entscheidung, sich so stark aufs Herkunftsland zu stützen, sondern eine Reaktion auf fehlende Integrationsangebote: „Ein Miteinander kann nur dann erfolgreich sein, wenn das Nebeneinander gut organisiert ist. Multikulti halten wir für Unfug, vor allem deshalb, weil Integration von deutscher Seite nur teilweise gewünscht wird. Pizza backen hat mit Integration nichts zu tun.“ Diese in einem Fragebogen dargelegte Haltung macht sehr deutlich, daß nicht nur die eigene Lebensvorstellung für eine Orientierung auf Deutschland oder auf das Herkunftsland maßgeblich ist, sondern daß diese Entscheidung auch von den äußeren Umständen geprägt ist wie von dem Empfinden, gerne aufgenommen zu werden oder unerwünscht zu sein. In diesem Zusammenhang wirken sich fehlende Integrationsbestrebungen von deutscher Seite, die sowohl in politischen Entscheidungen und Gesetzen ihren Niederschlag finden als auch in einer fremdenfeindlichen gesellschaftlichen Realität offenbar werden, auf eine positive Integrationspolitik verheerend aus. 61 Hier werden Zeichen gesetzt, die häufig hohen symbolischen Wert tragen und ein Vertrauen zerstören können, das aufzubauen oft sehr lange dauert. Insofern erfordert eine umfassende Förderung des positiven Zusammenlebens von Zuwanderern und Deutschen eine allgegenwärtige Sensibilität für diskriminierende Verhaltensmuster sowie die Handlungsmaxime, Integrationspolitik nicht hinter ökonomische oder andere Entscheidungen zurückzustellen. Der Schritt, sich auf eine Einwanderungsgesellschaft voll einzulassen, setzt die Bereitschaft dieser Gesellschaft voraus, Einwanderung anzuerkennen und den Migranten volle Entscheidungs- und Mitwirkungsrechte zu gewähren. Organisationen, die sich in ihrer Angebotsstruktur sowohl auf Deutschland als auch aufs Herkunftsland beziehen, begründen diese Orientierung mit einer gewünschten Integration unter Wahrung ihrer kulturellen Identität. Ein weiterer Anlaß liegt in dem Wunsch, einen Beitrag zu einem positiven Zusammenleben von Deutschen und Nichtdeutschen zu leisten. Andere Organisationen geben an, nur durch diese Orientierung könne die europäische Idee verwirklicht werden, wieder andere begründen die Doppelorientierung mit der Entscheidung ihrer Mitglieder, zu einem Teil ins Herkunftsland zurückkehren zu wollen, zu einem Teil in Deutschland bleiben zu wollen oder zwischen beiden Ländern zu pendeln. Schließlich sehen verschiedene Zusammenschlüsse in dieser Ausrichtung den besten Weg zu einer optimalen Entfaltung der Fähigkeiten und Möglichkeiten ihrer Mitglieder. Abschließend muß bemerkt werden, daß die Selbstorganisationen in keinem Fall für die Aufgabe der eigenen Identität plädiert haben. Auch die Vereinigungen, die sich primär auf ein Leben in Deutschland beziehen, tun dies nicht unter der Option, sich vollständig zu assimilieren. Vielmehr liegen zwischen den Orientierungen oft nur Nuancen. So entscheiden sich verschiedene Zusammenschlüsse, die kulturelle Identität durch die Pflege der Herkunftskultur aktiv zu fördern; andere überlassen diesen Teil eher dem familiären Umfeld und orientieren ihre Angebote stärker auf das Leben in Deutschland, da diese Aufgaben sonst von niemanden übernommen werden. Auch wenn nicht an eine reale Rückkehroption gedacht wird, ist die Entwicklung der individuellen Identität unter Einbeziehung der Herkunftskultur ausgesprochen wichtig, da nur auf diesem Weg die Erfahrung von Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung gemacht werden kann. Weiterhin ist der Erhalt der kulturellen Vielfalt nicht nur für die Migranten, sondern auch für die deutsche Gesellschaft positiv, da auf diesem Weg Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten für alle Mitglieder der Gesellschaft erweitert werden können. 9. Unterstützungsmöglichkeiten des Landes für Migrantinnen und Migranten aus Perspektive der Selbstorganisationen Abschließend wurden die Selbstorganisationen gefragt, was das Land Nordrhein-Westfalen aus ihrer Perspektive in seinen Bemühungen um eine Unterstützung von Migranten und Migantinnen besonders beachten solle. Hier handelte es sich um eine offene Fragestellung ohne jede Vorstrukturierung. Zu diesem Punkt antworteten 75% aller Organisationen, wobei die Zusammenschlüsse der Migranten afrikanischer Herkunft mit 82% den höchsten Anteil stellen.78 Im Rahmen der nachträglichen Kategorisierung lassen sich verschiedene Antwortmuster differenzieren, von denen häufig gleich mehrere von einer Organisation genannt werden. Zum einen werden Erwartungen bezüglich einer Verbesserung der eigenen Arbeitsbedingungen geäußert, Grundsätze für die konkrete Förderpolitik vorgeschlagen, Möglichkeiten einer besseren Vernetzung angeführt sowie Präferenzen bezüglich konkret zu fördernder Arbeitsschwerpunkte formuliert. Zum anderen werden politische Rahmenbedingungen thematisiert, die ebenfalls als notwendig für eine Verbesserung der Situation von Einwanderern betrachtet werden. Sie beziehen sich auf migrations- und integrationspolitische Erwartungen, betreffen Maßnahmen in der schulischen Bildungspolitik sowie in der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, zielen auf Verbesserungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik und thematisieren, welche Rolle Selbstorganisationen im politischen Diskurs einnehmen sollen. Weiterhin werden verschiedene Einzelmaßnahmen aufgeführt sowie Zielgruppen genannt, für deren Belange sich das Land NRW in besonderer Weise einsetzen soll. 9.1 Auf die Arbeit der Selbstorganisationen bezogene Erwartungen 49% aller Nennungen beziehen sich auf konkrete Unterstützungsmaßnahmen der Arbeit von Selbstorganisationen von Migranten und Migrantinnen. Dabei spielt die finanzielle Unterstützung eine bedeutende Rolle; 52% aller Organisationen geben an, daß das Land in dieser Richtung tätig werden solle. Besonderer Wert wird dabei auf dauerhafte Regelfinanzierungen, die Weiterfinanzierung bestehender Einrichtungen, eine ergänzende Festfinanzierung interkultureller Zentren sowie auf die Übernahme von Büro- und Personalkosten gelegt. Regelfinanzierungen werden deshalb als besonders sinnvoll erachtet, weil über sie ein großer Teil der Arbeitskapazitäten nicht mehr durch Verwaltungsaufgaben gebunden wäre, sondern für inhaltliche Arbeit freigesetzt werden könnte. Zudem müßten Arbeitsprozesse dann nicht in der derzeitig vorhandenen perspektivischen Unsicherheit ausgeführt werden und bekämen automatisch eine stärkere Kontinuität. Personalgelder werden angestrebt, weil sie in den meisten Projektmitteln nicht einmal über eine Teilfinanzierung enthalten sind, auf der anderen Seite aber einen großen Teil der Kosten ausmachen. Die Berechtigung der finanziellen Erwartungen wird damit begründet, daß die durch die Selbstorganisationen geleistete Migrationssozialarbeit zum sozialen Frieden in Deutschland beitrage und den deutschen Staat durch das hohe Maß an Ehrenamtlichkeit auch finanziell stark entlaste. Während die Initiativen einen wichtigen gesellschaftlichen Stellenwert einnähmen, würden sie gleichzeitig in nur geringem Maße unterstützt; derzeit müßten die Unkosten vieler Aktivitäten persönlich beglichen werden. Zudem wird noch einmal die Wichtigkeit betont, daß die Mittelvergabe nicht über die Wohlfahrtsverbände, sondern direkt über die Selbstorganisationen erfolgen soll, da die Migranten ihre Interessen und Ziele selber vorstellen und vertreten können und wollen. Unter den Grundsätzen für eine Landesförderpolitik wird an erster Stelle aufgeführt, daß sich die Subventionierung nicht allein an quantitativen Gesichtspunkten orientieren dürfe, sondern daß eine gleichberechtigte Förderung wesentlich sei, innerhalb derer auch Minderheiten und kleinere Organisationen ihren Platz haben. Weiterhin wird angeregt, die oft starren Förderrichtlinien zugunsten individueller Gestaltungsmöglichkeiten zu lockern. Zudem kritisieren verschiedene Vereinigungen den ausgrenzenden und desintegrativen Charakter der häufigen Trennung der Fördertöpfe für Zuwanderer aus Anwerbeländern und für Flüchtlinge, die es aufzuheben gelte. Ebenfalls wird darauf aufmerksam gemacht, daß das Land einer Polarisierung zwischen der Finanzierung von Sondermaßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit und langfristigen Integrationsmaßnahmen entgegenwirken möge. Der Aufbau eines Förderinstrumentariums dürfe keineswegs vom Abbau eines anderen begleitet werden. Insgesamt werden mehr Informationen und Transparenz bezüglich vorhandener Fördermöglichkeiten sowie unbürokratischere Förderanträge gewünscht. Ein weiterer wichtiger Punkt im Rahmen unterstützender Maßnahmen der konkreten Arbeit von Selbstorganisationen ist die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten. Wie bereits dargelegt, verfügen viele Organisationen über keine eigenen Vereinsräume, andere haben zudem keine zur Mitbenutzung überlassenen Begegnungsorte. Somit ist dieser Punkt eine zentrale Erwartung an das Land NRW, durch deren Erfüllung mehr Aktionsmöglichkeiten realisiert werden könnten. Ein Verein wies darauf hin, daß bei der Einrichtung von Begegnungszentren das Vorhandensein einer kleinen Küche sowie eines Thekenbereichs sinnvoll seien, zudem sei der Einbau abschließbarer Schränke für die einzelnen Vereine sehr hilfreich. Neben der finanziellen wird aber auch eine fachliche Beratung und Begleitung der Selbstorgansationen gewünscht. Hier reichen die Vorschläge von der Etablierung eines oder einer Landesausländerbeauftragten über die Installierung von festen Ansprechpartnern unterhalb der Ministerialebene bis zu festen Anlaufstellen. Dabei wird eine Fachbegleitung durch Personen mit Migrationshintergrund und Sprachkompetenz gewünscht. Diese Ansprechpartner sollen eine unbürokratische und flexible Hilfestellung ebenso gewährleisten wie Unterstützungsmaßnahmen bei der Durchführung konkreter Projekte. 78 Von den Zusammenschlüssen der Migranten afrikanischer Herkunft antworteten 82% auf diese Frage, die herkunftsheterogenen Organisationen äußerten sich zu 80%, die Vereinigungen von Migranten europäischer und lateinamerikanischer Herkunft waren zu jeweils 75% beteiligt und die der Migranten asiatischer Herkunft antworteten zu 69%. 62 9. Unterstützungsmöglichkeiten des Landes für Migrantinnen und Migranten aus Perspektive der Selbstorganisationen Im Vernetzungsbereich wird insbesondere die Erstellung einer Infrastruktur für regelmäßige Kommunikationsmöglichkeiten unter den Selbstorganisationen angestrebt, in diesem Zusammenhang wird auch die Hilfestellung bei der Gründung von Dachverbänden erwähnt. Weiterhin gehen die Erwartungen in Richtung einer Stabilisierung der Kontakte zwischen den Organisationen und dem Land. Hier könne auch die Initiierung von themenbezogenen Arbeitskreisen oder von Begegnungsfeldern gute Dienste leisten; im gegenseitigen Verhältnis spiele die Anerkennung der Bedeutung der Arbeit der Selbstorganisationen sicherlich eine bedeutende Rolle. Als besonders unterstützenswerte Arbeitsschwerpunkte werden integrationsfördernde Maßnahmen, Projekte zur Stärkung des Selbsthilfepotentials der Selbstorganisationen sowie Projekte zur Völkerverständigung genannt. Weiterhin werden Angebote zur Erhöhung sozialpolitischer Partizipation ebenso wie Qualifizierungsmaßnahmen zur Förderung ehrenamtlichen Engagements und Aktivitäten zur Stärkung des Selbstwertgefühls der Migranten zu den besonders förderbedürftigen Themengebieten gezählt. Während sich eine Organisation gerade für die Subvention von Entwicklungshilfeprojekten ausspricht, weist eine andere Organisation darauf hin, daß Fördermittel nicht zur Unterstützung politischer Arbeit im Herkunftsland, sondern für sozialarbeiterische Projekte in Deutschland verwendet werden sollen. Für Kinder und Jugendliche werden Angebote im Bereich der Jugendberufshilfe, Austauschprogramme sowie die Förderung benachteiligter Jugendlicher gemacht. Auch im Seniorensowie im Mädchen- und Frauenbereich werden Aktivitäten als in besonderem Maße förderungswürdig eingestuft. Die frauenspezifischen Belange seien keine exklusive Angelegenheit des Frauenministeriums, sondern beträfen alle Stellen gleichermaßen. Während die Mehrzahl der Organisationen für internationale Begegnungs- und Kulturzentren eintritt, weisen einzelne Zusammenschlüsse darauf hin, daß die Förderung nationalitätenbezogener Zentren einer Unterstützung multikultureller Einrichtungen vorzuziehen sei. Hier kommt sehr deutlich die bestehende Sorge vor Identitätsverlusten durch die fehlende Wahrung des Zusammenhalts der eigenen Gruppe zum Ausdruck. Diese Aussage macht noch einmal deutlich, daß sich positive Integrationsprozesse nur unter der Gewißheit vollziehen, daß neben Anpassungserscheinungen auch kulturelle Eigenheiten erhalten, gepflegt und weitergegeben werden können. 9.2 Politische Erwartungen Auf der politischen Ebene werden besonders häufig integrationspolitische Erwartungen und migrationspolitische Forderungen formuliert. Unter integrativen Gesichtspunkten sind die meistgenannten Anliegen die Akzeptanz und Förderung der unterschiedlichen Heimatkulturen der Migranten, ohne sie miteinander zu vergleichen und zu bewerten, sowie die Möglichkeit, mit zwei Kulturen zu leben, also eine Integration unter Bewahrung der kulturellen Identität zu vollziehen. Der in Integrationskonzepten häufig vorherrschende Defizitansatz müsse aufgegeben werden. Statt dessen sei es vielmehr notwendig, die Stärken der Zuwanderer, wie Zweisprachigkeit und interkulturelle Kompetenz, wahrzunehmen und als besondere Fähigkeit zu beurteilen. Doch auch unter diesen Bedingungen sei die Integration nicht die alleinige Aufgabe der Migranten, vielmehr sei eine gegenseitige Integration erforderlich. Hier wird aufgeführt, daß sich das Land schon deshalb stärker für die Belange der Einwanderer einsetzen müsse, da sie Nordrhein-Westfalen in einem besonderen Maße mitaufgebaut hätten und ein Teil dieser Gesellschaft seien. Integration könne nicht als einseitige Anpassung durchgesetzt werden, sondern bedeute auch für die Aufnahmegesellschaft, für Veränderungen und Lernprozesse offen zu sein und die Bereitschaft zu zeigen, die hiesige Kultur immer wieder durch neue Einflüsse zu ergänzen.79 Um zu einem wirklichen Miteinander von Einheimischen und Zugewanderten zu gelangen, werden die Schaffung von Begegnungsstätten, die Durchführung multikultureller Veranstaltungen sowie eine Intensivierung der Aufklärungsarbeit über verschiedene Kulturen mit all ihren Facetten als unverzichtbar eingestuft. In diesem Zusammenhang werden auch Antidiskriminierungsmaßnahmen und eine kontinuierliche antirassistische Aufklärungsarbeit als wesentlich für die Schaffung stärkerer Akzeptanz und gegenseitiger Toleranz erachtet. Hier wird zudem die Förderung der aktiven Beteiligung von Migranten in bestehenden Vereinen als möglicher Weg hin zu einer gegenseitigen Achtung aufgeführt, ebenso werden gute Beziehungen zum Herkunftsland als integrationsfördernd eingestuft. Insgesamt werden vom Land klare Integrationsprogramme und Eingliederungshilfen sowie mehr Verständnis für die Situation von Einwanderern erwartet. Ein Schritt in diese Richtung könne die verstärkte Einstellung von Migranten in den öffentlichen Dienst auch in verantwortlichen Positionen sein; dieses Anliegen ist eine weitere zentrale Forderung der Selbstorganisationen.80 79 Zur politischen Notwendigkeit der Ergänzung einer bloßen Anerkennung der Gleichwertigkeit verschiedener Kulturen durch die Bereitschaft, die eigene Kultur durch Verschmelzung mit anderen Einflüssen zu verändern vgl. Charles Taylor, 1993: Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung, Frankfurt/M. 80 In Nordrhein-Westfalen sind im öffentlichen Dienst nur rund 2% nichtdeutsche Personen beschäftigt, wobei das Verhältnis mit der Höhe der Position sinkt. Vgl. Franz Müntefering, 1995: Integration und Migration. Perspektiven einer nordrhein-westfälischen Integrationspolitik, hg. vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Düsseldorf, hier. S. 15. Zur Situation in Westdeutschland vgl. Dagmar Lill, 1996: „Vor allem zuständig für deutsche Sauberkeit“ - Ausländische Beschäftigte im öffentlichen Dienst, in: Integration und Konflikt. Kommunale Handlungsfelder der Zuwanderungspolitik, hg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung (Gesprächskreis Arbeit und Soziales Nr. 69), Bonn, S. 57-69. 63 9. Unterstützungsmöglichkeiten des Landes für Migrantinnen und Migranten aus Perspektive der Selbstorganisationen Im Bereich der Migrationspolitik wird am häufigsten die Forderung nach der rechtlichen und politischen Gleichstellung mit Deutschen aufgestellt, die namentlich den Erhalt des Wahlrechts, stärkere Partizipationsmöglichkeiten besonders für Jugendliche sowie die Gleichstellung von EU- und Nicht-EU-Bürgern umfaßt. Weitere Anliegen betreffen die Ermöglichung des Erhalts einer doppelten Staatsangehörigkeit, eine erleichterte Einbürgerung sowie die Rücknahme der Bestimmungen zur Visumspflicht für Kinder aus Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören. Zudem werden verbesserte aufenthaltsrechtliche Bedingungen sowie erleichterte Zugänge zu Arbeitserlaubnissen angestrebt, auch hier in besonderem Maße für Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten. Ferner wird der migrationspolitische Forderungskatalog um eine Antidiskriminierungsgesetzgebung sowie um die offizielle Anerkennung der Bundesrepublik als Einwanderungsland erweitert. Spätaussiedler sollen nach der Ansicht einiger Selbstorganisationen aufgrund ihrer vergleichbaren Situation zu den Migranten gezählt werden; die Roma fordern, nicht länger als „Randgruppe“ behandelt, sondern als Volk anerkannt zu werden. Insgesamt soll Ausländerpolitik nicht als Ausgrenzungsinstrumentarium dienen, sondern integrative Wirkungen entfalten. Zuwanderer sollen auf allen Ebenen stärker in die Kommunalarbeit einbezogen und bei allen lokalen Themen in den Diskussions- und Entscheidungsprozeß integriert werden81. Ausländerbeiräte sollen unterstützt und ihre Kompetenzen erweitert werden; ein Verein drängt zudem auf die Veränderung der diesbezüglichen Gesetzesgrundlage, so daß die Ausländerbeiräte weniger schnell von einer Bevölkerungsgruppe dominiert werden können und auch Minderheiten reale Partizipationschancen erhalten. Weiterhin wird die interkulturelle Öffnung der Regeldienste und eine bessere Kooperation zwischen der kommunalen und der Landesebene angemahnt. Die migrationsrelevanten Anliegen werden durch asylpolitische Forderungen ergänzt. Hier wird eine stärkere Hilfestellung für Flüchtlinge im Bereich der Rechtsberatung sowie bei der Wohnungs- und Arbeitssuche aufgeführt, zudem wird die Verkürzung der Wartezeiten bei Asylverfahren angestrebt, weiterhin wird auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den Asylunterkünften gedrängt. Eine weitere Forderung betrifft die Anerkennung frauenspezifischer Fluchtgründe als Asylgrund sowie eine stärkere Aufklärung insbesondere der zuständigen Sachbearbeiter in Ämtern und Behörden über die Situation von Flüchtlingsfrauen. Frauenspezifische Belange sollen insbesondere im Flüchtlingsbereich sowohl ideell als auch finanziell stärker berücksichtigt werden. Auch wenn ein Teil dieser Forderungen nicht direkt in den Kompetenzbereich der Landesregierung fällt, wird hier darauf gedrängt, daß sich die zuständigen Landesvertreter auf Bundesebene für entsprechende Veränderungen einsetzen. Die Erwartungen bezüglich einer verbesserten Informations- und Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren sich im wesentlichen auf zwei Bereiche. Zum einen werden regelmäßige Informationen zu aktuellen Entwicklungen im Migrationsbereich angeregt, so zu neuen Gesetzen und Richtlinien, zu Diskussionsschwerpunkten, sich abzeichnenden Trendentwicklungen und den diesbezüglichen Haltungen der Parteien. Wichtig sei hier eine weit verbreitete und leicht zugängliche Informationspolitik, eine zusätzliche Möglichkeit bestehe in der Durchführung regelmäßiger Informationstreffen zwischen Vertretern des Landes und den jeweiligen Vereinsspitzen. Der andere Bereich betrifft eine verstärkte Medienberichterstattung über migrationsrelevante Themen sowie die Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit der Selbstorganisationen. So werden auf der einen Seite die kontinuierliche Berichterstattung über ausländerpolitische Belange sowie mehr Beiträge über das Leben von Zuwanderern, ihre Traditionen, Kulturen und ihre Herkunftsländer sowie über ihre Situation in Deutschland in den öffentlichen Sendern eingefordert, zum anderern wird beispielsweise eine Erweiterung der Sendezeiten für heimatsprachliches Radio und Fernsehen angestrebt. Eine weitere Anregung in diesem Bereich bezieht sich auf die Herausgabe mehrsprachiger Broschüren zu verschiedenen relevanten Lebensbereichen, so zum Beispiel zur Rentenreform, zur Pflegeversicherung oder zum Gesundheitsbereich. Weitere politische Erwartungen der Selbstorganisationen beziehen sich auf den schulischen Bereich, der von vielen Organisationen als wesentlich für die zukünftige Entwicklung eines multikulturellen Landes bewertet wird. Hier wird besonders großer Wert auf die Erhaltung und Stärkung muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts gelegt, wobei von einer Organisation betont wird, in Absprache mit den deutschen Schulämtern mehr Mitspracherechte bezüglich des Lehrpersonals anzustreben. Weitere Wünsche betreffen die Etablierung bilingualer Grundschulen und Gymnasien sowie die Erweiterung des bestehenden Fächerkanons durch die Einführung verschiedener Herkunftssprachen als Fremdsprache. Weiterhin zielen die Erwartungen auf die Unterstützung schulischer Bildungsmaßnahmen für Migranten sowie auf die Veränderung und Erweiterung der in den Curricula festgelegten Lerninhalte. Diese seien trotz der multikulturellen Bevölkerungsstruktur immer noch weitgehend ethnisch homogen ausgerichtet und ignorierten somit die Lebensrealität vieler Schüler und Schülerinnen, was wiederum zu ausgrenzenden und benachteiligenden Effekten führe. Der interkulturelle Aspekt müßte integraler Bestandteil der pädagogischen und sozialpädagogischen Ausbildung sein und nicht immer nur als Spezialthema behandelt werden. 81 Hier wurden in früheren Diskussionsplenen bereits konkrete Vorstellungen bezüglich der Notwendigkeit einer verstärkten Partizipation an kommunalen Entscheidungsprozessen geäußert. Demnach betreffen stärkere Mitwirkungsmöglichkeiten verschiedene Ebenen. Konkret aufgeführt werden Ratsausschüsse und Bezirksvertretungen, Ausländerbeiräte, Stadtverwaltung, kommunale Beratungsgremien wie Jugendhilfeausschuß, Seniorenvertretung, Anhörungen etc., Mitsprache- und Fachgremien wie Elternräte, Schulpflegschaften, Mieterkonferenzen etc., Parteien und lokale Medien. Vgl. Anton Rütten, 1996: Zusammenfassung der Diskussion bzgl. der Partizipation von Migranten (-organisationen) an kommunalen Enscheidungsprozessen, in: Integration und Konflikt. Kommunale Handlungsfelder der Zuwanderungspolitik, hg. von der Friedrich-EbertStiftung (Gesprächskreis Arbeit und Soziales Nr. 69), Bonn, S. 81-83, hier S. 81. 64 9. Unterstützungsmöglichkeiten des Landes für Migrantinnen und Migranten aus Perspektive der Selbstorganisationen Neben Maßnahmen im schulischen Bildungsbereich beziehen viele Migrantenorganisationen ihre politischen Erwartungen auf den Bereich der beruflichen Chancengleichheit. Hier werden Hilfestellungen bei der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche, mehr Ausbildungsplätze für Zuwanderer, die Anerkennung von Berufsabschlüssen und Diplomen und Umschulungsmöglichkeiten gefordert. Zielgruppenspezifisch werden politische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Senioren, Jugendlichen und Frauen und Mädchen angestrebt. Während sich die Forderungen für Senioren auf Aktivitäten beziehen, die ihnen das hiesige Leben durch muttersprachliche Angebote zugänglich machen sollen, werden im Jugendbereich insbesondere politische Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und Jugendkriminalität gefordert. Frauen- und mädchenspezifische Verbesserungen werden insbesondere bezüglich einer besseren Integration in den Arbeitsmarkt, aber auch in bezug auf Bildungs- und Aufklärungsangebote erwartet. Bezogen auf das Verhältnis zwischen Landespolitik und den Organisationen selber wird insbesondere ein gegenseitig respektvoller Umgang angestrebt. Selbstorganisationen fungieren nach ihrem Selbstverständnis als legitimierte Vertreterinnen der Migranten und wollen auch als solche anerkannt werden. Es müsse akzeptiert werden, daß die Leistungen der Migrantenorganisationen über die Werbung um kulturelles Verständnis hinausreichen und zentrale Bedeutung im Bereich der Sozialarbeit einnähmen. Die ihre Arbeit unterstützenden Fördergelder dürften keine Bevormundung evozieren oder die Erwartung von Gegenleistungen hervorrufen. Vielmehr müsse die Position der Selbstorganisationen von Migranten durch Fortbildungsseminare und Qualifizierungsmaßnahmen weiter gestärkt werden, zudem sei es erforderlich, ihnen mehr Partizipationsmöglichkeiten einzuräumen. Weiterhin sei wichtig, daß die Hinweise, die die Betroffenen den Ministerien geben, auch wahrgenommen und in die eigenen Überlegungen integriert werden. Nur so könne verhindert werden, daß die Politik nicht immer wieder vor zu spät erkannten Problemen stehe und keine adäquaten Lösungen aufweisen könne. 65 Die Ernsthaftigkeit der Bemühungen des Landes um gleichberechtigte Kontakte zu Selbstorganisationen zeige sich jetzt vor allem darin, inwieweit diese Studie Konsquenzen zeige. Den Selbstorganisationen ist wichtig, daß ihre Aussagen nicht ungehört verhallen oder daß weitere Schritte sogar an ihren Interessen vorbeigehen. Um seitens des Landes in einen wirklich glaubwürdigen Dialog mit den Selbstorganisationen zu treten, ist die ernsthafte Auseinandersetzung mit den hier geäußerten Positionen eine unabdingbare Voraussetzung. 10. Zusammenfassung der wichtigsten Daten Gesamtzahl der erfaßten Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Bei der Bestandsaufnahme konnten für diesen Teil der Studie insgesamt 952 Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten aus 64 verschiedenen Herkunftsgebieten erfaßt werden. Von ihnen weisen 89% eine herkunftshomogene und 11% eine herkunftsheterogene Mitgliederstruktur auf. Die Mitglieder der herkunftshomogenen Vereinigungen sind mit 64% zum großen Teil europäischer Herkunft, weiterhin zu 15% asiatischer, zu 8,5% afrikanischer und zu 1,5% lateinamerikanischer Herkunft. Bei den erfaßten Zusammenschlüssen handelt es sich zum überwiegenden Teil um Einzelorganisationen, 25 Zusammenschlüsse konnten als Dachorganisationen qualifiziert werden. Diese gliedern sich nach nationalen wie regionalen Kriterien, sind zum Teil jedoch auch berufsständisch oder thematisch orientiert. Rücklauf Von allen erfaßten Organisationen haben sich 32% an der Studie beteiligt, bei den Dachverbänden beträgt der Rücklauf sogar 56%. Diese Quote kann angesichts der Länge des Fragebogens, der möglicherweise aufgetretenen sprachlichen Schwierigkeiten sowie der Notwendigkeit, nicht als Einzelperson, sondern als Verein zu antworten, als gut bewertet werden. Unter den Zusammenschlüssen, die in die Auswertung eingehen, befinden sich zu 17% herkunftsheterogen und zu 83% herkunftshomogen strukturierte Selbstorganisationen. Diese verteilen sich zu 55% auf Zusammenschlüsse von Migranten europäischer, zu 16% auf Migranten asiatischer, zu 11% auf Migranten afrikanischer und zu 1,3% auf Migranten lateinamerikanischer Herkunft. Somit entspricht die Verteilung der Organisationen nach Kontinenten bei den Antworten in etwa den jeweiligen Anteilen bei allen erfaßten Gruppen. Die weitere Ausdifferenzierung der herkunftshomogenen Zusammenschlüsse nach regionalen oder ethnischen Kriterien ist ein Spezifikum der Organisationen von Migranten griechischer und italienischer Herkunft. Gründungsjahr Bezogen auf das Gründungsjahr der Organisationen lassen sich keine besonderen Schwerpunkte feststellen. Vereinsgründungen erfolgen seit den sechziger Jahren kontinuierlich, seit Anfang der neunziger Jahre in verstärktem Ausmaß. Rechtsform Über dreiviertel aller Organisationen weisen als eingetragener Verein eine feste Rechtsform auf. Dabei besteht statistisch kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Jahr der Vereinsgründung und einer amtlichen Registrierung. Einen besonders hohen Anteil eingetragener Vereine haben die Organisationen afrikanischer Herkunft, den juristisch losesten Charakter weisen die Zusammenschlüsse der Migranten asiatischer Herkunft auf. Besonders auffällig ist der mit 39% niedrige Anteil eingetragener Vereine bei den italienischen Organisationen im Gegensatz zu den griechischen und spanischen Zusammenschlüssen mit 91 bzw. 74%. Hier kann ein Zusammenhang zwischen der rechtlichen Einbindung und der jeweiligen Organisationsgeschichte der einzelnen Einwanderungsgruppen konstatiert werden. 66 Mitgliedschaft bei Wohlfahrts- und Dachverbänden 50% aller Selbstorganisationen sind Mitglied bei einem Wohlfahrtsverband; 15% gehören ihnen als formal gleichberechtigte Mitglieder an, zu 35% besteht eine kooperative Mitgliedschaft. Der in diesem Zusammenhang quantitativ wichtigste Wohlfahrtsverband ist der Deutsche Caritasverband, in dem 42% aller an einen Wohlfahrtsverband angeschlossenen Selbstorganisationen vereinigt sind. Die Aufteilung auf die Wohlfahrtsverbände erfolgt mit Ausnahme des DPWV nach wie vor schwerpunktmäßig nach nationalen Kriterien. 32% aller Selbstorganisationen sind Mitglied eines Dachverbands, oft einer Migrantendachorganisation. 42% aller Organisationen arbeiten unabhängig von einem Dach- oder Wohlfahrtsverband. Mitgliederstruktur Die an der Studie beteiligten Selbstorganisationen haben insgesamt 52.510 Mitglieder. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der erfaßten Selbstorganisationen sind somit 17% aller in NRW lebenden Migranten Mitglied einer Selbstorganisation. 81% aller Vereinsmitglieder sind in Zusammenschlüssen von Migranten europäischer Herkunft vereinigt, nur 4% aller Mitglieder befinden sich in herkunftsheterogenen Organisationen. Dieses Datum ist angesichts ihres Anteils an der Gesamtzahl der Organisationen deutlich unterdurchschnittlich. Die Zahl der Besucher der Angebote herkunftsheterogener Zusammenschlüsse übersteigt die Zahl der Vereinsmitglieder in der Regel jedoch um ein Vielfaches. 43% aller Vereinsmitglieder sind zwischen 19 und 40, 33% zwischen 41 und 55 Jahre alt; 14% der Vereinsmitglieder sind älter als 55. 55% der Mitglieder sind Männer, 45% sind Frauen. Dabei sind 7% aller Zusammenschlüsse reine Frauenorganisationen, weniger als 1% der Vereine haben angegeben, männerspezifisch zu arbeiten. Finanzierung Die Ausgaben der Selbstorganisationen werden nach eigenen Aussagen zu einem überwiegenden Teil von 72% aus Eigenmitteln, zu jeweils 6% aus kommunalen bzw. Landesmitteln, zu 4% aus Bundesmitteln und zu 12% aus sonstigen Quellen gedeckt. Unter die sonstigen Quellen fallen insbesondere die Wohlfahrtsverbände, Kirchen, das Herkunftsland, die EU oder Stiftungen. Die stärkste Förderung erfahren die herkunftsheterogenen Organisationen; hier können über die Hälfte der Ausgaben aus Fremdmitteln bestritten werden. Fast 50% aller Organisationen finanzieren sich ausschließlich aus Eigenmitteln, 60% werden zu maximal einem Zehntel des Gesamtvolumens ihrer Ausgaben unterstützt. 9% aller Organisationen haben angegeben, ganz ohne die Aufwendung von Eigenmitteln auszukommen. Ein Drittel aller Organisationen werden über die finanzielle Unterstützung konkreter Projekte gefördert. Hierunter fallen nahezu 20% der allein auf Eigenmittel angewiesenen Organisationen. Den größten Anteil der Projektförderung tragen mit 27% die Kommunen und mit 24% das Land NRW. 13% der Projektmittel kommen aus den Herkunftsländern der Migranten. Der Bund, die EU und Stiftungen übernehmen jeweils einen Anteil von 12%. 10. Zusammenfassung der wichtigsten Daten Räumlichkeiten 29% aller Selbstorganisationen verfügen über eigene Vereinsräume, 38% der Zusammenschlüsse nutzen ihnen zur Mitbenutzung überlassene Räumlichkeiten und 18% aller Vereinigungen stehen beide Möglichkeiten offen. 15% der Selbstorganisationen stehen überhaupt keine Räume zur Verfügung. Hier sind die Privatwohnungen der Vereinsmitglieder oft die einzige Möglichkeit, das Vereinsleben aufrechtzuhalten. Von dieser akuten Raumnot sind besonders oft die Organisationen der Migranten afrikanischer und asiatischer Herkunft betroffen, während die europäischen und herkunftsheterogenen Zusammenschlüsse überdurchschnittlich häufig eigene Räume haben. Die stärkste Zusammenarbeit wird zu anderen Selbstorganisationen gepflegt. 70% aller Zusammenschlüsse haben angegeben, mit anderen Migrantenvereinen zu kooperieren. Eine Zusammenarbeit mit dem Ausländerbeirat besteht bei 45% der Selbstorganisationen, entsprechend hoch ist die Kooperation mit der Kommune. 20% der Vereine pflegen eine Zusammenarbeit mit den Parteien, wobei 36% aller Nennungen auf die SPD, 31% auf Bündnis 90/Die Grünen, 20% auf die CDU und 5% auf die FDP entfallen. 12% der Zusammenschlüsse haben eine Zusammenarbeit mit dem Land angegeben, wobei das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales nicht nur der wichtigste Ansprech-, sondern mit 50% auch der meistgenannte Kooperationspartner ist. Festangestellte Mitarbeiter 19% der Selbstorganisationen haben angegeben, festangestellte Mitarbeiter zu beschäftigen. Dabei divergieren die hier aufgeführten Arbeitsverhältnisse erheblich voneinander: Aufgeführt werden Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, befristete und unbefristete Stellen, Honorarkräfte, ABM-Stellen und Aushilfen. Auch bleibt häufig unklar, ob es sich um sozialversicherungspflichtige Stellen oder um andere Formen der entgeltlichen Mitarbeit handelt. Insofern handelt es sich hier nicht um exakte Angaben, sondern um Richtwerte, die aber gleichermaßen einen ersten Einblick in die personelle Situation der Selbstorganisationen von Migranten in NRW ermöglichen. Insgesamt befinden sich 187 Personen in einem Beschäftigungsverhältnis, die durchschnittliche Zahl der festangestellten Mitarbeiter liegt bei 1 bis 3 Personen pro Organisation. Eine Ausnahme bildet ein herkunftsheterogener Verein mit 50 festangestellten Kräften. Von allen Organisationen, die über festangestellte Mitarbeiter verfügen, sind mit 48% fast die Hälfte herkunftsheterogene Zusammenschlüsse. 34% der Organisationen sind solche von Migranten europäischer Herkunft, 13% der Vereinigungen stammen aus dem asiatischen, 4% aus dem afrikanischen und 2% aus dem lateinamerikanischen Raum. Arbeitsgebiete Selbstorganisationen von Migranten in Nordrhein-Westfalen arbeiten am häufigsten in den Gebieten Kultur und Begegnung. 90 bzw. 86% aller Vereinigungen haben angegeben, Angebote in diesen Bereichen durchzuführen. Im gehobenen Mittelfeld befinden sich die Themenschwerpunkte Integration, Beratung und Bildung, gefolgt von Betreuung und Sport. Insgesamt weniger Selbstorganisationen gaben an, Aktivitäten in den Bereichen Politik, Gesundheit und Religion anzubieten. Unter den weiteren Arbeitsgebieten wurden besonders häufig Angebote zur Optimierung der eigenen Organisationsstruktur, Aktivitäten zur humanitären Hilfe im Herkunftsland sowie Maßnahmen im Selbsthilfebereich genannt. Nur 6% aller Organisationen weisen einen klar definierten Organisationszweck auf: 2% sind Sportvereine und 4% sind religiöse Einrichtungen. Doch auch hier werden neben sportlichen und religiösen Angeboten weitere Arbeitsgebiete als wesentlich aufgeführt. 3% aller Vereinigungen haben angegeben, ausschließlich in einem Arbeitsgebiet tätig zu sein. Demgegenüber haben 68% aller Organisationen mindestens vier Themenschwerpunkte benannt. Somit weisen die meisten Migrantenvereine eine große Angebotsvielfalt und eine daraus hervorgehende Multifunktionalität auf. Kontakte und Zusammenarbeit 44% aller Organisationen stehen in Kontakt zu Organisationen im Herkunftsland, 28% pflegen hier eine Zusammenarbeit. Die entsprechenden Werte liegen für Parteien im Herkunftsland bei 9 bzw. 5%. Insgesamt haben 46% aller Organisationen angegeben, institutionelle Kontakte ins Herkunftsland zu haben, 30% der Zusammenschlüsse arbeiten mit Einrichtungen im Herkunftsland zusammen. Gegenüber dem Herkunftsland besteht insgesamt ein stärkerer Kontakt zu Einrichtungen in Deutschland. Jeweils 67% aller Selbstorganisationen haben Kontakte zum Ausländerbeirat und zu Ämtern und Einrichtungen der Kommune. Hier werden besonders häufig das Sozialamt, das Kulturamt, das Ausländeramt und das Jugendamt aufgeführt. Der Kontakt zu Parteien wird von 38% aller Organisationen gepflegt. 36% aller Nennungen entfallen auf die SPD, 28% auf Bündnis 90/Die Grünen, 22% auf die CDU und 6% auf die FDP. 19% der Zusammenschlüsse stehen in Kontakt zum Land NRW, wobei das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit 62% aller Nennungen der mit Abstand bedeutendste Ansprechpartner ist. 67 10. Zusammenfassung der wichtigsten Daten Zielgruppenorientierung Nach den Ergebnissen dieser Studie werden von den meisten Organisationen frauen-, jugend- oder kinderspezifische Aktivitäten durchgeführt. Hier haben jeweils zwischen 40 und 50% aller Vereinigungen angegeben, Angebote für einen dieser Personenkreise durchzuführen. Zwischen 20 und 30% aller Organisationen gehen mit ihren Angeboten konkret auf allgemein Ratsuchende, Männer oder Senioren ein. Speziell bei den männerspezifischen Angeboten ist jedoch unklar, ob es sich tatsächlich um Angebote handelt, die auf die besondere Situation der männlichen Migranten zugeschnitten sind, oder ob hier auch solche Aktivitäten eingehen, an denen neben anderen Zielgruppen gleichfalls oder hauptsächlich Männer teilnehmen. Konkret wurden tatsächlich männerspezifische Angebote nur sehr selten benannt. Am unteren Ende der Skala rangieren Angebote für Arbeitslose und Arbeitnehmer, die jeweils 18% der Selbstorganisationen durchzuführen angegeben haben. Einige Vereinigungen weisen zudem eine Zielgruppenorientierung für weitere Personengruppen auf. Am häufigsten wurden hier Angebote für Flüchtlinge und Familien genannt. Öffentlichkeitsarbeit 52% aller Organisationen haben angegeben, eine aktive Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Darunter fallen Berichterstattungen in den lokalen Tageszeitungen, Pressemitteilungen, die Herausgabe vereinseigener Zeitschriften sowie die Erstellung von Tagungs- und Projektberichten. Weiterhin werben die Migrantenvereine durch Programmhefte, Selbstdarstellungen und Veranstaltungshinweise, Jahres- und Tätigkeitsberichte sowie Mitgliederinformationen für ihre Zwecke und Interessen. Eine weitere Möglichkeit, sich bekanntzumachen, sind Radio- und Fernsehsendungen im Lokalfunk, Informationsstände, öffentliche Briefe und Stellungnahmen an Politik und Verwaltung sowie ein Tag der offenen Tür. Orientierung der Angebotsstruktur Auf die Frage, ob die Angebote der Selbstorganisationen eher auf ein Leben im Herkunftsland oder eher auf ein Leben in Deutschland hin orientiert sind, haben 5% der Zusammenschlüsse eine Orientierung auf das Herkunftsland und 28% eine Orientierung auf die Einwanderungsgesellschaft angegeben. Der überwiegende Teil von 67% jedoch befürwortet eine Verbindung beider Möglichkeiten. Die primäre Orientierung der Vereinsangebote auf ein Leben im Herkunftsland wird mit dem Wunsch begründet, die eigene Kultur aufrechtzuerhalten. Diese Option ist besonders ausgeprägt, wenn die Migrantengruppen nirgendwo über ein einheitliches Siedlungsgebiet verfügen oder wenn die räumliche Distanz zum Herkunftsland sehr groß ist. Auch Notsituationen im Herkunftsland können dazu führen, die Angebote eher aufs Herkunftsland als auf die Aufnahmegesellschaft zu konzentrieren, da die Leistung humanitärer Hilfe hier häufig eine bedeutende Rolle im Vereinsleben einnimmt. Herkunftsorientierte Angebote sollen aber auch dazu dienen, den Kindern eine Rückkehroption zu erhalten. Diese Bestrebung muß auch als eine Reaktion auf fehlende Integrationsangebote und Ausgrenzungsmechanismen seitens des Aufnahmelandes verstanden werden. 68 Selbstorganisationen, die ihre Angebote primär auf ein Leben in Deutschland orientieren, stellen den dauerhaften Aufenthalt ihrer Mitglieder in den Vordergrund. Daraus resultiert das Bedürfnis der Migranten, sich in der Aufnahmegesellschaft zurechtzufinden. Das Verständnis, ein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein, macht ein Vorgehen gegen bestehende Diskriminierungsmuster, Zugangsbarrieren und Integrationshindernisse ebenso notwendig wie die Teilnahme und aktive Mitgestaltung des kulturellen und politischen Lebens. Der größte Teil der Selbstorganisationen befürwortet das Konzept einer Integration unter Wahrung der kulturellen Identität und hat sich somit für eine Mischform bei der Angebotsorientierung entschieden. Die Kombination dieser Komponenten bietet zum einen die optimale Entfaltungsmöglichkeit der Mitglieder und fördert zum anderen das positive Zusammenleben zwischen der Bevölkerungsmehrheit und der Bevölkerungsminderheit im Sinne einer gegenseitigen gesellschaftlichen Integration. 11. Abschließende Bemerkungen Jedes faktische Einwanderungsland spiegelt in seiner Bevölkerungsstruktur den globalen Diskurs unterschiedlicher ideologischer und religiöser Ausrichtungen wider, angereichert durch die verschiedensten Zwischen- und Übergangsformen. Dabei werden Wahrnehmungen selten durch fundierte Differenzierungen, sondern vielmehr durch diffuse Kenntnisse und Eindrücke bestimmt. Auch in Deutschland werden Migranten mit unterschiedlichen, zumeist verallgemeinernden Vorstellungen und Bildern in Verbindung gebracht, die das jeweilige gegenseitige Verhältnis stark beeinflussen. Gleichwohl ist das Organisationsverhalten von Einwanderern sowohl bezogen auf Integration/Separation in das deutsche Vereinswesen als auch auf die Mitgliederstruktur oder den Organisationszweck eigener Zusammenschlüsse durch große Unterschiede gekennzeichnet. Dabei sind Orientierungen und Strukturen nicht unveränderlich, sondern unterliegen im Laufe der Zeit Wandlungen. Die meisten Organisationen sind in bezug auf ihre ethnische Herkunft homogen strukturiert; von allen erfaßten Vereinigungen weisen nur 11% eine herkunftsheterogene Mitgliedschaft auf. Die mehrheitliche Entscheidung der Migranten für die ethnisch segregierte Organisationsform muß dahingehend interpretiert werden, daß eine gesellschaftliche Integration generationsübergreifend von einem Großteil der Zuwanderer unter Wahrung der kulturellen Identität angestrebt wird, wozu herkunftshomogene Zusammenschlüsse strukturell besser geeignet sind. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß herkunftshomogene Organisationen in ihrer Angebotsstruktur einen zunehmend integrativen Charakter gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen aufweisen. Herkunftsheterogene Vereinigungen sind indes a priori auf eine möglichst große Pluralität ausgerichtet und wirken somit von sich aus integrativ. Auch wenn diese Organisationsform quantitativ derzeit unterdurchschnittlich vertreten ist, scheint sie perspektivisch jedoch an Bedeutung zuzunehmen. Dabei weisen die Selbstorganisationen eine ausgesprochen große Handlungsbreite und dementsprechend verschiedene Lösungsansätze auf. Während Problemlagen, wie zum Beispiel die Schwangerschaftskonfliktberatung oder die Notwendigkeit einer geschützten Unterbringung, ein auf Anonymität und Diskretion basierendes Konzept erfordern, liegt der Erfolg eines großen Teils des gesellschaftspolitischen Engagements gerade in der Vermittlung von Empathie und Unterstützung weiter Bevölkerungsteile. Die differenzierten Bedürfnisse der Migranten finden ihren Ausdruck in Organisationsformen, die von Chören bis zu professionellen Anbietern von Dienstleistungen reichen. Diese Vielfältigkeit ist zentral für den Integrationserfolg und sollte unbedingt erhalten und gestärkt werden. Selbstorganisationen bemühen sich, Verantwortung sowohl gegenüber den Landsleuten als auch gegenüber der Aufnahmegesellschaft zu übernehmen. Den Mitgliedern der Selbstorganisationen wird eine bessere Orientierung im Immigrationsland geboten, wodurch bestehende Chancen wahrgenommen und besser genutzt werden können. Gleichzeitig treten Selbstorganisationen durch Öffentlichkeitsarbeit und Interessenvertretung direkt in den gesellschaftlichen Diskurs ein und gestalten ihn mit. Dabei beziehen sich die Stellungnahmen nicht ausschließlich auf originäre Belange der Migranten, sondern betreffen auch allgemeine gesellschaftspolitische Fragestellungen. Einige Vereine haben sich von der Pflege der Herkunftskultur hin zu einer gleichzeitigen Orientierung auf Belange in Deutschland entwickelt, bei anderen lag die Vereinsgründung von vornherein in gesellschaft- 69 lichen Mitwirkungswünschen begründet. Hier kommt der Wunsch vieler Migranten, am (gesellschafts-) politischen Leben Deutschlands zu partizipieren, sehr deutlich zum Ausdruck. Dieses Interesse wird auch durch das Umfrageergebnis der vorliegenden Studie bestätigt, daß die überwältigende Mehrheit von 95% aller Organisationen ihre Angebote zumindest auch auf ein Leben in Deutschland orientiert. Selbst bei den verbleibenden 5% kann ein Bezug zur Aufnahmegesellschaft nicht vollkommen ausgeschlossen werden, was bereits die Teilnahme an dieser vom Land Nordrhein-Westfalen initiierten Studie zeigt. Die zunehmende Orientierung der Organisationen auf das Einwanderungsland vollzieht sich weitgehend unabhängig von der bestehenden Vereinsdauer. So sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den bereits in den sechziger und siebziger Jahren gegründeten Zusammenschlüssen gegenüber den in den neunziger Jahren entstandenen Vereinigungen erkennbar, was darauf schließen läßt, daß diese Entwicklung kein ausschließliches Merkmal entweder älterer Einwanderungsgruppen oder Angehöriger der sog. zweiten oder dritten Generation ist. Im nationalitätenspezifischen Vergleich sind die herkunftsheterogenen Gruppen bezüglich einer stärkeren Orientierung auf Deutschland überdurchschnittlich stark vertreten, was sich jedoch bereits aus ihrer strukturellen Zusammensetzung ergibt. Bezogen auf die ehemaligen Anwerbestaaten können nach den Ergebnissen dieser Studie die in der Wissenschaft vorgenommen traditionellen Zuordnungen bezüglich Rückkehr- und Bleibeoptionen nicht mehr aufrechterhalten, sondern müssen als in Auflösung begriffen werden. So weisen die Organisationen der Migranten griechischer und italienischer Herkunft gegenüber denen spanischer Herkunft in ihrer primären Ausrichtung zwar eine vergleichsweise stärkere Rückkehrorientierung auf, sie ist nach ihren eigenen Aussagen jedoch auch hier nur marginal vorhanden. Griechische Nationalschulen bieten in der Praxis zwar weiterhin eine bildungspolitische Alternative, gleichzeitig gibt es jedoch Bestrebungen und Initiativen hin zu bi- oder multikulturellen Erziehungseinrichtungen. Alle drei Gruppen bevorzugen mehrheitlich eine Doppelorientierung, die verschiedene Lebensperspektiven einschließt; der vornehmliche Bezug zu Deutschland liegt mit ca. einem Viertel aller Vereinigungen gleich. Einen anteilig stärkeren Bezug zum Herkunftsland weisen hingegen solche Organisationen auf, deren Heimatländer aktuell mit krisenhaften wirtschaftlichen oder politischen Entwicklungen konfrontiert sind. Hier sind vor allem die Organisationen der Migranten aus Kroatien und der Bundesrepublik Jugoslawien betroffen, insbesondere auch diejenigen aus dem Kosovo. Die Orientierung der Angebote auf das Herkunftsland kann jedoch nicht automatisch mit Rückkehrabsichten gleichgesetzt werden, vielmehr steht häufig die Sorge um Verwandte und Bekannte im Vordergrund. Insbesondere bei jüngeren Einwanderungsgruppen werden Rückkehrgedanken durch eine unsichere rechtliche Aufenthaltssituation zwangsläufig stabilisiert; es ergibt sich eine exkludierende Wirkung des Ausländerrechts. 11. Abschließende Bemerkungen So kann für die Selbstorganisationsbewegung von Migranten und Migrantinnen trotz hoher Diversizität insgesamt eine über funktionale Modernisierungserscheinungen hinausreichende zunehmende programmatische Orientierung auf Deutschland konstatiert werden. In der Regel dienen die Vereinigungen der Einwanderer nationalitäten- und generationsübergreifend nicht mehr vorrangig der Pflege sozialer Kontakte und kultureller Werte einer gesellschaftlich marginalisierten Gruppe. Die Organisationen von Migranten erfüllen zunehmend den Zweck einer sachkundigen Interessenvertretung bezüglich ihrer originären Belange sowie zu zentralen gesellschaftspolitischen Themen. Dabei sind ihre Aktionsformen oft innovativ, sie erfüllen Korrekturfunktionen gegenüber etablierten Denk- und Verhaltensmustern und machen auf eine defizitäre Ausgestaltung verschiedener Bereiche des öffentlichen Raums aufmerksam. Innerhalb der assimilationsorientierten Ansätze der Minderheitentheorie wird die Funktion der Selbstorganisationen, die diese Position im Integrationsprozeß von Zuwanderern einnehmen, als kollektiv transitorisch charakterisiert. Diese Gruppen versuchen, im Ringen um vorhandene Rechte und Ressourcen strukturelle Benachteiligungen aufzulösen. Sie sind in ihrer Zielsetzung primär auf die Gesamtgruppe hin orientiert, erfüllen in aller Regel aber auch auf die einzelnen Mitglieder ausgerichtete Hilfsleistungen. Sie fungieren als Interessenvertretung ihrer Klientel und führen auf der politischen, der praktischen und der Verwaltungsebene Auseinandersetzungen mit Vertretern der Mehrheitsgesellschaft. Sie nehmen eine selbstgewählte Vermittlungsposition ein, fördern die Schaffung der Voraussetzungen für eine politische, soziale und ökonomische Integration der Einwanderungsgruppe und wirken somit stark grenzauflösend.82 Die Selbstorganisationen erhalten somit eine entscheidende Vermittlerrolle im Diskussionsprozeß zwischen Einheimischen und Zuwanderern. Diese Art der Vermittlung erhöht die Anerkennung der Minderheiten und vermindert somit zur Abgrenzung führende Frustrationserlebnisse. Entsprechend beinhalten die Aktivitäten der Selbstorganisationen bedeutende Integrationspotentiale, die wesentlich zu einer friedlichen Gestaltung komplexer Integrationsprozesse und somit zu einer gesamtgesellschaftlich stabilen Situation beitragen. Von deutscher Seite aus ist es deswegen umso wichtiger, die Vertreter der Selbstorganisationen im politischen Prozeß ernstzunehmen und als gleichwertige Diskussionspartner anzuerkennen. Diese Entwicklung kann als wesentlicher Impuls dienen, auch die politische Gleichheit der Minderheitengruppen voranzubringen. Nordrhein-Westfalen hat mit dem Programm zur SelbsthilfeFörderung einen neuen Weg beschritten, dessen Perspektiven vielversprechend sind. Die Selbstorganisationen stellen direkte und authentische Informationen über die Bedürfnisse, Probleme und Aspirationen der Zuwanderer bereit. Sie erfüllen wichtige Orientierungs- und Willensbildungsfunktionen unter den Migranten und können deswegen in ihren Funktionen nicht von institutionalisierten Angeboten ersetzt werden. Sie sind ein wichtiger Motor zur Stärkung der Gleichberechtigung der Einwanderer und der Offenheit der Gesellschaft. Ihre Förderung ist ein spezifischer Teil des Integrationsangebots des Landes. 82 Vgl. Ulrike Schöneberg, 1993: Gestern Gastarbeiter, morgen Minderheit: zur sozialen Integration von Einwanderern in einem „unerklärten“ Einwanderungsland, Frankfurt/M., S. 44-99, sowie Renate Dieregsweiler, 1998: Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in Deutschland: die Entwicklung effektiver Eigenhilfe als Antwort auf gesellschaftliche Defizitbereiche in einem demokratischen System, in: Jahrbuch Migration - Yearbook Migration 1998/99: Internationale Migration, hg. von Axel Schulte/ Dietrich Thränhardt, Münster, erscheint 1998. 70 Quellen- und Literaturverzeichnis I. 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Die Organisierung von Selbsthilfe in Form informeller oder auch formalisierter Zusammenschlüsse, wie Vereinen, ist - auch bei den „älteren“ Zuwanderergruppen - ein Prozeß, der bis heute kontinuierlich andauert und sogar eine Ausweitung erfahren hat. Auch bei einigen der „klassischen“ Migrantengruppen ist die Zahl eigener Zusammenschlüsse relativ konstant geblieben oder sogar größer geworden. Angesichts des Andauerns dieses Prozesses, der auch mit einer Ausweitung der Aktivitäten einhergeht, stellt sich die Frage nach dem „Entwicklungsstand“ der Selbstorganisationen. Unter diesem Begriff sind einerseits der Organisationsgrad bzw. die Organisationsdichte zu verstehen, zum anderen aber auch die Kontinuität, der Grad der Vernetzung und die Qualität der inhaltlichen und praktischen Arbeit der Selbstorganisationen, zu der keine aktuellen Daten in kompakter Form vorliegen. Die Bedeutung der Selbstorganisationen im integrationspolitischen Kontext wird in immer stärker werdendem Maße von den politisch Verantwortlichen und offiziellen Einrichtungen wahrgenommen. Aus diesem Grunde ist beabchsichtigt, der Bedeutung und den Leistungen der Migrantenorganisationen für die eigene Gruppe dadurch Rechnung zu tragen, indem sie durch entsprechende Maßnahmen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen stärker gefördert werden sollen. In konkreter Gestalt ist dies die Einrichtung eines Förderetats, der sich auf eine Vereinbarung der Koalitionsregierung in Nordrhein-Westfalen stützt und mittlerweile eingesetzt wird, um Projekte von Selbstorganisationen finanziell zu fördern. Um die Fördermaßnahme gezielter einzusetzen, sollen durch die vorliegende Bestandsaufnahme sämtlicher Migrantenorganisationen empirische Grundlagen zu ihrer Zahl, Struktur und ihrem Integrationspotential ergänzend herangezogen werden. Vor dem Hintergrund dieser Fördermaßnahme wurde vom Zentrum für Türkeistudien in Kooperation mit dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster eine Bestandsaufnahme zu allen Selbstorganisationen sämtlicher Herkunftsländer erstellt,1 zu der hiermit der Endbericht vorgelegt wird. Die Untersuchung soll den offiziellen Einrichtungen eine Übersicht über das Selbsthilfepotential der Migranten geben und auf Grundlage der hierbei gewonnenen Erkenntnisse eine weitere Hand- 1 Untypische Migrationsländer, z.B. die skandinavischen, blieben jedoch unberücksichtigt. 75 habe zur Stützung und Förderung von Selbstorganisationen darstellen. In der landesweiten Bestandsaufnahme wurden empirische Daten zum Entwicklungsstand der Selbstorganisationen der verschiedenen Migrantengruppen gewonnen, die Aufschlüsse darüber geben, in welchen Bereichen aufgrund einer konkreten Bedarfslage Selbstorganisationen im Rahmen projektbezogener Aktivitäten stärker gefördert werden sollen. Darüber hinaus soll vor dem Hintergrund der Förderung des Selbsthilfepotentials der Migrantengruppen gestützt auf empirische Daten auch aufgezeigt werden, welche Aufgaben sie im Rahmen sozialberaterischer, sozialbetreuerischer und kultureller Aufgaben bereits heute oder in naher Zukunft übernehmen könnten. Bekannt ist, daß viele Migrantenvereine soziale Dienstleistungen anbieten, Kinder und Jugendliche betreuen und sich neuerdings verstärkt um die Versorgung älterer Migranten kümmern. In Anbetracht dieser Tatsache ist zu überdenken, ob bei der Unterstützung und möglicherweise Delegierung bestimmter Aufgaben gegebenfalls Teilbereiche der sozialen Versorgung an Migrantenselbstorganisationen übertragen werden oder diese in das System flankierend miteinbezogen werden können. An dieser Stelle sei betont, daß die Errichtung eigener Einrichtungen - auch kulturhomogener Selbstorganisationen - nicht als Verweigerung der Integration in die Gesamtgesellschaft zu verstehen sind. Dies entspricht auch den Förderrichtlinien der Koalitionsvereinbarung, die prinzipiell auch Projekte herkunftshomogener Organisationen fördert. 2. Forschungsrahmen 2.1 Forschungsstand Selbstorganisationen von Migranten als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen sind bislang ein eher marginal behandelter Aspekt in der Migrationsforschung geblieben. Neben verschiedenen Abhandlungen zu den Selbstorganisationen einer Migrantengruppe, die meist auf lokaler Ebene deren Aktivitäten, Funktionen oder Entwicklungsstand darstellen, gibt es auch Untersuchungen, in denen Migrantenorganisationen als ein Aspekt der Migrationsforschung behandelt und das Selbsthilfepotential auch in Form von Zusammenschlüssen in Vereinen etc. entsprechend gewürdigt werden.2 Neben monographischen Darstellungen der Organisationen einer Zuwanderergruppe3 gibt es auch explorative Untersuchungen zu einem Organisationstypus (z.B. religiöse Selbstorganisationen) auf lokaler oder auch Landesebene.4 Ein deutlicher Mangel ist das Fehlen empirischer Untersuchungen zu den Migrantenselbstorganisationen, die anhand von breit angelegten Erhebungen gewonnen wurden. Hier sind lediglich einzelne Erhebungen auf lokaler Ebene bekannt.5 Landes- oder gar bundesweite Erhebungen unter diesen existierten bislang nicht. Die vorliegende Untersuchung ist somit der erstmalige Versuch, empirische Daten zu Selbstorganisationen aller in einem Bundesland lebenden Migrantengruppen zu gewinnen. Eine geringe Beachtung der Selbstorganisationen in der Forschung und in der Praxis ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, daß die Betreuung der Zuwanderergruppen aufgrund entsprechender politischer Entscheidungen in der „Ausländerpolitik“ deutschen Trägern - hier vornehmlich den Wohlfahrtsverbänden übertragen wurde. Bei der Übertragung dieser Aufgabe an die verschiedenen Wohlfahrtsverbände wurde eine Arbeitsteilung nach einzelnen Nationalitäten- bzw. Religionsgruppen vorgenommen.6 Mit der arbeitsteiligen Delegierung der Sozialbetreuung und -beratung der Migranten an die Verbände der freien Wohlfahrt geht entsprechend die Vergabe der hierfür bereitgestellten finanziellen Mittel einher. Im Bereich der Sozialberatung und -betreuung haben die Wohlfahrtsverbände auch heute noch eine dominierende Rolle. Zur Beibehaltung wurde und wird, wie dies kritisiert wird, eine „Klientelisierung“ der Migranten betrieben, der die Fortdauer dieser Dominanz legitimieren soll.7 Die Klientelisierung ist auch ein wichtiger Grund dafür, daß das Selbsthilfepotential der Migrantenorganisationen auch in der Forschung vernachlässigt wurde. Ein weiterer Grund für die marginale Behandlung der Selbstorganisationen sind die hiermit verbundenen Ängste, die sie als Manifestation der Segregation wahrnehmen, bzw. die Sorge, sie könnten eine segregierende Auswirkung haben. Diese Vorbehalte sind nicht allein bei den Einrichtungen und Funktionsträgern der Mehrheitsgesellschaft anzutreffen. Auch einige Sozialwissenschaftler teilen diese Sorge. So kann mitunter gleichzeitig die funktionale Bedeutung der Selbstorganisation bei Zuwanderungsprozessen konstatiert,8 und an anderer Stelle für „Akkulturationsstrategien zur Einebnung ethnischer Unterschiede“ plädiert werden.9 Eine weitere Ursache für die geringe Wahrnehmung und Einbeziehung der Selbstorganisationen ist, daß sie von vielen wenig „ernstgenommen“ oder mit Skepsis betrachtet werden. Auch Berührungsängste auf seiten der Mehrheitsgesellschaft spielen hierbei eine Rolle. Die distanzierte Haltung ist zum einen darin begründet, daß einige Verbände oder auch einzelne Vereine eine politische Ausrichtung aufweisen, die an dem Herkunftsland orientiert ist. Obwohl es in den letzten Jahren bei vielen der Selbstorganisationen zu einer Umorientierung gekommen ist, die das Zuwanderungsland in den Mittelpunkt des Wirkens stellt, haben sie teilweise immer noch mit dem Image der Vergangenheit zu kämpfen. Die Umorientierung hat unter anderem auch dazu geführt, daß sich viele der Selbstorganisationen stärker geöffnet haben und verstärkt den Kontakt zu Einrichtungen der Mehrheitsgesellschaft suchen. Viele sind mittlerweile daran interessiert, auch am demokratischen Willensbildungsprozeß mitzuwirken und verstehen sich als Interessenvertretung einer Migrantengruppe. Bei einer Weiterentwicklung, die mit der Gewährung politischer Partizipationsrechte einhergehen müßte, könnten sie sich zu Interessenverbänden entwickeln, die integrierter Bestandteil des politischen Systems sind. 2 Siehe beispielsweise Krummacher, Michael/Waltz, Viktoria: Einwanderer in der Kommune. Analyse, Aufgaben und Modelle für eine multikulturelle Stadtpolitik, Essen 1996; auch Heckmann, Friedrich: Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, Stuttgart 1992. 3 Vgl. etwa Özcan, Ertekin: Türkische Immigrantenorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland: Die Entwicklung politischer Organisationen und politischer Orientierung unter türkischen Migranten in der BRD und Berlin West, 2. Aufl., Berlin 1992. 4 Genannt werden können hier Bestandsaufnahmen zu den Moscheevereinen in Essen und den türkisch-islamischen Organisationen in Nordrhein-Westfalen. Siehe Zentrum für Türkeistudien: Moscheevereine in Essen. Ein Kurzgutachten im Auftrag der Geschäftsstelle Ausländerbeirat der Stadt Essen, Essen 1995; oder Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Türkische Muslime in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1997. 5 Eines der selteneren Beispiele neueren Datums ist Fijalkowski, J./Gillmeister, H.: Ausländervereine - ein Forschungsbericht, Berlin 1997. Es handelt sich jedoch nicht um eine Erhebung unter den Selbstorganisationen, sondern um eine Befragung organisierter und nicht-organisierter Personen zu diesen. 6 So wurde die Arbeiterwohlfahrt für die Betreuung der Türken, Jugoslawen, Marokkaner und Tunesier für zuständig erklärt, die Sozialberatung der Italiener, Portugiesen und Spanier in den Zuständigkeitsbereich des Caritasverbandes gelegt. Das Diakonische Werk wiederum wurde mit der Betreuung der Griechen und Jugoslawen betraut. Vgl. Puskeppeleit, Jürgen/Thränhardt, Dietrich: Vom betreuten Ausländer zum gleichberechtigten Bürger. Perspektiven der Beratung und Sozialarbeit, der Selbsthilfe und Artikulation und der Organisation und Integration der eingewanderten Ausländer aus den Anwerbestaaten in der BRD, Freiburg i. Br. 1990, S. 47-50. 7 Vgl. a.a.O., S. 115 ff. 8 Vgl. Heckmann, Friedrich, a.a.O., S. 102 ff. 9 Ders.: Ethnische Vielfalt und Akkulturation im Eingliederungsprozeß, in: Bade, Klaus J. (Hg.): Das Manifest der 60. Deutschland und die Einwanderung, München 1994, S. 38-43. 76 2. Forschungsrahmen 2.2 Zum Begriff „Selbstorganisation“ Der Begriff „Selbstorganisation“ wird in der sozialwissenschaftlichen Literatur einerseits selten verwendet, zum anderen bestehen definitorische Unterschiede hinsichtlich der Frage, welche Formen von Zusammenschlüssen dieser Kategorisierung zugeordnet werden können. In der einschlägigen sozialwissenschaftlichen Literatur bzw. auch den Nachschlagewerken begegnet man kaum dem spezifischen Begriff „Selbstorganisation“. Häufiger wird er in Verbindung mit Zusammenschlüssen von Migranten verwendet, auch wenn er hier kein feststehender, von allen verwendeter Begriff ist. In einem allgemeineren Sinne wird er als Oberbegriff verwendet, der das Potential zur Strukturierung bezeichnet. Im systemtheoretischen Ansatz wird er als Konzept von Strukturbildung und Strukturveränderung definiert.10 In der allgemeineren Verwendung des Begriffes schließt der Begriff „Selbstorganisation“ auch andere Organisationsformen wie religiöse Gemeinden und Schulen mit ein, die Bestandteil eines sozio-kulturellen Systems sind, zu dem auch eine eigene ökonomische Infrastruktur gehört.11 Bei Definitionen des Begriffes „Organisation“ in der Organisationssoziologie werden Merkmale genannt, die bei der Übertragung auf den Begriff »Selbstorganisation« zu eng gefaßt sind. In der Organisationssoziologie werden neben Vereinen und Verbänden unter dem Begriff „Organisation“ auch solche Zusammenschlüsse gefaßt, deren Zielsetzungen wirtschaftlichen Charakters (Betriebe, Banken etc.) sind, als auch staatlich organisierte (Behörden, Bildungseinrichtungen) und gesellschaftlich formierte Institutionen, zu denen auch Körperschaften wie die Kirche gehören. Als konstitutive Merkmale der Organisationen in dieser organisationssoziologischen Definition werden die zweck- bzw. interessenorientierte Zusammenlegung von Ressourcen durch Personen als Akteure, eine arbeitsteilige Gliederung, das Vorhandensein einer Leitungsinstanz sowie einer formalen oder informellen Verfassung genannt.12 Die hier aufgezählten Merkmale treffen auch auf formalisierte bzw. strukturierte Migrantenselbstorganisationen zu, die sich in Form von Vereinen oder auch als Dachorganisationen organisiert haben. Faßt man den Begriff „Selbstorganisation“ weiter und bezieht auch informelle Zusammenschlüsse wie Selbsthilfe- oder Initiativgruppen mit ein, lassen sich die genannten Strukturmerkmale teilweise nur in Ansätzen bzw. in einer schwächeren Ausprägung erkennen. In migrationssoziologischen Untersuchungen werden unterschiedliche Begriffe zur Bezeichnung zweck- bzw. interessenorientierter Zusammenschlüsse von Zuwanderergruppen verwendet. Hier sei auf die doppeldeutige Verwendung des Begriffes „Selbstorganisation“ hingewiesen. Zum einen wird er als Oberbegriff verwendet, der das Potential der mehr oder weniger strukturierten Selbsthilfe abhebt und auch lose bzw. informelle Formen der Netzwerkbildung miteinschließt. Die zweite Verwendung des Begriffes bezeichnet direkt die mehr oder minder strukturierten einzelnen Zusammenschlüsse, also beispielsweise einen einzelnen Verein oder eine Selbsthilfegruppe. Ein Begriff, der in der wissenschaftlichen Literatur verwendet wird, ist der Oberbegriff bzw. die Bezeichnung „Selbsthilfeorganisation“. Selbsthilfeorganisationen werden von einigen Wissenschaftlern als Bestandteil ethnischer Koloniebildungen gesehen, die ihre Entstehungsursache in dem Orientierungs- und Existenzsicherungsbedürfnis einer zugewanderten Gruppe haben sollen.13 Schwierigkeiten der Abgrenzung und unterschiedliche Auffassungen bestimmter, im Kontext der Migrationssoziologie und -sozialarbeit verwendeter Begriffe werden auch bei Typologisierungsversuchen deutlich. So werden in einem dieser Einordnungsversuche Selbsthilfegruppen, Selbsthilfevereine, Selbstorganisationen und multikulturelle Organisationen als eigenständige Organisationstypen ausgemacht und gegeneinander abgegrenzt, wobei den Abgrenzungskriterien die Stringenz fehlt. Während die Abgrenzung zwischen Selbsthilfegruppe und Selbsthilfeverein (unterschiedlicher rechtlicher Status) schlüssig ist, bleibt unklar, warum derselben Typologisierung zufolge unter „Selbstorganisation“ lediglich Dachverbände von Migrantenorganisationen gefaßt werden, denn das hierzu angeführte Kriterium der Vernetzung auf lokaler und auch überregionaler Ebene trifft durchaus auch auf einzelne Selbsthilfevereine und sogar Selbsthilfegruppen zu. Unklar bleibt ebenfalls, wie multikulturelle Organisationen in Abgrenzung zu den anderen Organisationstypen eine eindeutig eigenständige Kategorie bilden, denn außer der herkunftsheterogenen Zusammensetzung trifft das genannte Merkmal „Träger sozialer Arbeit“ durchaus auch auf die zuvor genannten Selbsthilfegruppen und Selbsthilfevereine zu.14 10 Vgl. Fuchs-Heinritz, Werner/Lautmann, Rüdiger/Rammstedt, Otthein/Wienold, Hanns: Lexikon zur Soziologie, 3. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Opladen 1994, S. 593-594. 11 Zu dieser Verwendung siehe Büdel, Dragica: Die Selbstorganisation der Jugoslawen in Dortmund - Ein Beispiel erfolgreicher Integration, in: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 4/1985, S. 172-177. 12 Vgl. Büschges, Günter/Abraham, Martin: Einführung in die Organisationssoziologie, 2., neubearbeitete Aufl., Stuttgart 1997, S. 17-26. 13 Vgl. Heckmann, Friedrich: Ethnische Minderheiten..., a.a.O., S. 102-103. 14 Zu dieser Typologie siehe Boll, Rudolf: Selbsthilfe, Selbstorganisation, multikulturelle Organisation. Organisationstypen, Aufgaben, Entwicklungsnotwendigkeiten in der Migrationssozialarbeit, in: Blätter der Wohlfahrtspflege - Deutsche Zeitschrift für Sozialarbeit 3/96, S. 55-56. 77 2. Forschungsrahmen Zur Vermeidung begrifflicher Unklarheiten wird hier deshalb als Oberbegriff die Bezeichnung „Selbstorganisation“ verwendet, die alle Formen und Ausgestaltungsvarianten der Selbsthilfe von Migranten subsumiert.15 So kann eine Selbstorganisation im konkreten Fall sowohl ein informeller (z.B. Selbsthilfe- oder Initiativgruppe) als auch ein formalisierter Zusammenschluß sein (eingetragener Verein, gegebenenfalls gemeinnützig). Desgleichen bilden Dachorganisationen einen - übergeordneten - Organisationstypus der Migrantenselbstorganisation, die überwiegend in Gestalt herkunftshomogener Zusammenschlüsse in Erscheinung treten. Neben diesen gibt es jedoch auch herkunftsheterogene Zusammenschlüsse sowohl auf regionaler Ebene16 als auch in Form von Spitzenverbänden, in denen nationalitätenübergreifend meist herkunftshomogene Dachverbände organisiert sind.17 Teilweise mit Schwierigkeiten verbunden ist die Einstufung von herkunftsheterogenen Zusammenschlüssen als Migrantenselbstorganisation. Ein Grund hierfür ist, daß die Initiative zur Bildung derartiger Zusammenschlüsse oft von deutscher Seite ausgeht. Neben „multikulturellen“ Organisationen, die in ihren Aktivitäten und in der Zusammensetzung des Vorstandes und des angestellten Personals diesen Charakter beibehalten, entwickeln sich andere in den genannten Bereichen jedoch zu herkunftsheterogenen Zusammenschlüssen, die bei einer Dominanz nichtdeutscher Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter als Migrantenselbstorganisationen eingestuft werden können. Mittlerweile existieren auch auf der Ebene einzelner Selbstorganisationen Zusammenschlüsse, die bei ihrer Gründung dem Anspruch folgen, eine „multikulturelle“ Migrantenselbstorganisation zu sein, auch wenn diese häufig von der Migrantengruppe eines Herkunftslandes dominiert werden. Erwähnt werden müssen hier auch die „Grenzfälle“ von Migrantenselbstorganisationen bzw. auch solche Formen von Zusammenschlüssen, in denen Migranten organisiert und aktiv sind, die jedoch in ihrer Mitgliederstruktur oder ihren Zielsetzungen diese Zuordnung eher nicht gestatten. Unter derartige Grenzfälle fallen beispielsweise binationale „Freundschaftsvereine“ (deutsch-türkisch, deutsch-arabisch etc.), deren Gründung von offiziellen Stellen oder politischen Kreisen18 initiiert wurde, um ein Forum für einen intensiveren Austausch in zwischenstaatlichen Beziehungen - auch etwa in den Außenhandelsbeziehungen - zwischen Volksgruppen zu schaffen. Aufgrund der Gründungsmotivation und den (ursprünglichen) Zielsetzungen lassen diese formalisierten Zusammenschlüsse schwerlich eine Zuordnung als „Selbstorganisation“ zu. Vor dem Hintergrund der Zuwanderung in die Bundesrepublik haben diese „Freundschaftsvereine“ oder „Gesellschaften“ in einigen Fällen einen Wandel in der Mitgliederstruktur und den Aktivitäten erfahren, die sie in die Nähe der Selbstorganisationen gerückt hat. 2.3 Untersuchungsziele Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, auf Grundlage einer möglichst vollständigen Erfassung der bestehenden Selbstorganisationen der Migranten im Bundesland Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Erhebung eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, die empirisch fundierte Aussagen über den Entwicklungsstand der Migrantenselbstorganisationen liefert. Auf Grundlage der Erhebung, die einen zentralen Teil der Bestandsaufnahme bildet, sollte eine Analyse der Struktur der Migrantenselbstorganisationen vorgenommen werden. Unter Struktur ist hier zum einen allgemein eine typologische Einordnung der Organisationen zu verstehen. Ergeben sollte sich eine Übersicht darüber, welche Typen von Organisationen in welchen quantitativen Größen und in welcher Verteilung vorhanden sind und welche Arbeiten sie für ihre Mitglieder und ihre Klientel leisten. So bilden die Angebote und Dienstleistungen einen zentralen Aspekt der Untersuchung. Neben Zahlen zu den Mitgliedern und der Mitgliederstruktur sollten darüber hinaus Daten zur Rechtsform der Selbstorganisationen, zu ihren Finanzierungsgrundlagen, zu den Kontakten und der Vernetzung mit anderen Selbstorganisationen und Einrichtungen der Mehrheitsgesellschaft gewonnen werden. Weitere Aspekte der Untersuchung, die durch die Erhebung empirische Daten liefern sollte, sind die Zielgruppen der Selbstorganisationen sowie die Ermittlung ihrer Angebotsstruktur. Den Hintergrund dieser Zielsetzung bildet die Überlegung und Absicht, Selbstorganisationen stärker zu fördern und in integrationspolitische Maßnahmen einzubeziehen. Inwieweit und in welchen Bereichen dies möglich und erforderlich ist, kann sicherer vor dem Hintergrund ihres Entwicklungsstandes eingeschätzt werden, der auch mögliche Defizite in den Selbstorganisationen oder Defizite in bestimmten Bereichen der Selbstorganisation aufzeigt. So zielt die Untersuchung gleichzeitig darauf, Selbstorganisationen gezielter zu unterstützen und zu fördern, um sie in ihrer Funktion als Selbsthilfepotential zu stärken. Auf Grundlage der gewonnenen empirischen Daten und Analyseergebnisse sollten Empfehlungen zu den Richtlinien gemacht werden, die das Selbsthilfepotential der Migrantenorganisationen fördern. 15 In der Definition von „Selbstorganisation“ und den verschiedenen Organisationstypen wird hier Jürgen Puskeppeleit und Dietrich Thränhardt gefolgt. Siehe Vom betreuten Ausländer zum gleichberechtigten Bürger. Perspektiven der Beratung und Sozialarbeit, der Selbsthilfe und Artikulation und der Organisation und Integration der eingewanderten Ausländer aus den Anwerbestaaten in der BRD, Freiburg i. Br. 1990. Ein alternativer Begriff, der neurdings verwendet wird, ist „Eigenorganisation“. Vgl. Fijalkowski, Jürgen/ Gillmeister, Helmut: Ausländervereine - ein Forschungsbericht. Über die Funktion von Eigenorganisationen für die Integration heterogener Zuwanderer in eine Aufnahmegesellschaft - am Beispiel Berlins, Berlin 1997. 16 Als ein Beispiel sei hier der „Dachverband der Ausländer-Kulturvereine in Bremen e.V.“ (DAB) genannt. 17 Als Beispiele hierfür seien die „Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände“ (BAGIV), die nationalitätenübergreifenden islamischen Spitzenverbände wie der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (ZMD) und der „Islamrat“, und als länderübergreifender Zusammenschluß das „Europäische Immigrantenforum“ genannt. 18 Gemeint sind hier Organisationen wie die „Deutsch-Türkische Gesellschaft“, zu der es Pendants für verschiedene andere Nationalitäten gibt, oder „Freundschaftsvereine“, die hiesigen politischen Parteien nahestehen. 78 2. Forschungsrahmen 2.4 Methodik 2.4.1 Grundgesamtheit Grundsätzlich wurde versucht, möglichst viele (theoretisch alle) Selbstorganisationen der ausgewählten Staatsangehörigkeiten zu erfassen und diese wiederum möglichst komplett zu befragen. In diesem Sinne war also eine Totalerhebung das theoretische Ziel. Faktisch stand jedoch von vornherein fest, daß dies nicht möglich sein würde. Insgesamt konnten 1.785 Organisationen erfaßt werden, von denen 1.435 Selbstorganisationen der entsprechenden Nationalitäten waren, die in diesem Projektteil untersucht werden. Bei den übrigen 350 Organisationen handelte es sich einerseits um deutsche Einrichtungen (z.B. Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände, multikulturelle Einrichtungen der Kommunen oder anderer deutscher Träger) und um Selbstorganisationen anderer Nationalitäten (z.B. Iraner, Afghanen, Araber). Die Grundgesamtheit, die das Zentrum für Türkeistudien untersuchte, wurde von türkischen (auch kurdischen), bosnischen, marokkanischen, tunesischen und algerischen Selbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen gebildet. Eine Ausnahme bilden die christlichen türkischen Vereine (Aramäer, syrisch-orthodoxe Kirche), die durch das Institut für Politikwissenschaft in Münster befragt wurden. Die Selbstorganisationen aller anderen Herkunftsländer gehörten ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich des Kooperationspartners in Münster. Die Teilung der Gesamtuntersuchung zwischen dem Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster und dem Zentrum für Türkeistudien erforderte eine inhaltliche Abstimmung sowohl der Untersuchungsziele wie der Methodik. Das methodische Vorgehen wurde dahingehend aufeinander abgestimmt, daß inhaltlich weitgehend identische Fragebögen verwendet wurden. Lediglich einige Fragen sind nur in einem der Fragebögen enthalten; so etwa nach der Zusammensetzung der Mitglieder nach Altersgruppen und Geschlechtern (nur Münster) und der Quadratmeterzahl der Räumlichkeiten (Münster). 2.4.2 Erfassung der Adressen Der erste Untersuchungsschritt war die Erfassung der Selbstorganisationen der Migranten der hier untersuchten Herkunftsländer. Die über die verschiedenen Quellen erfaßten Selbstorganisationen wurden in einer dBase-Datenbank gesammelt. Eine zentrale Quelle bilden die Ausländerbeiräte, die als Gremien vor Ort aus ihrem Selbstverständnis heraus den intensivsten Kontakt zu Selbstorganisationen haben sollten und größtenteils auch haben. Mit Hinweis auf das Ziel der Untersuchung wurden die 139 Ausländerbeiräte in NordrheinWestfalen schriftlich darum gebeten, die ihnen bekannten Adressen von Vereinen mitzuteilen. Während ein Großteil dieser Bitte nachkam, gab es auch einzelne Beiräte, die ihr nicht folgten. Ein Grund hierfür ist, daß einige Beiräte als solche keine intakten Gremien sind. Bei anderen wiederum bestanden Vorbehalte gegen die Untersuchungsziele oder es fand sich keine Mehrheit dafür, die Untersuchung durch die Bereitstellung der Vereinsadressen zu unterstützen. Im Zusammenhang mit den Ausländerbeiräten muß insbesondere die Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte (LAGA) in Nordrhein-Westfalen genannt werden, die als Institution ihrerseits das Projekt dergestalt unterstützte, daß sie die Mitgliedsbeiräte über die Erhebung informierte und dazu aufforderte, die Untersuchung zu unterstützen. Einzelne Mitglieder der LAGA-Gremien waren zudem persönlich dabei behilflich, Adressen aus ihrem Umfeld zusammenzutragen oder die Selbstorganisationen im eigenen Umfeld über die Ziele der Untersuchung aufzuklären und so mögliche Bedenken zu reduzieren. Eine weitere Quelle zur Erfassung der Migrantenselbstorganisationen waren Stadtverwaltungen, zu denen fernmündlich oder schriftlich Kontakt aufgenommen wurde. Die verschiedenen Ämter waren insbesondere in den Gemeinden eine wichtige Informationsquelle, in denen keine eigenen Ausländerbeiräte oder vergleichbare Gremien bestehen. Insbesondere die Kultur- und Jugendämter der Städte waren behilflich, Adressen von Vereinen zur Verfügung zu stellen. Teilweise stellten sie Städte- oder Gemeindeführer zur Verfügung, in denen teilweise auch Adressen von Migrantenorganisationen enthalten sind. In ähnlicher Weise waren auch die Einrichtungen der Wohlfahrt dabei behilflich, die Adressen vor Ort befindlicher Selbstorganisationen zusammenzutragen. Adressen von Selbstorganisationen sind auch in offiziellen Adressenverzeichnissen und Branchenbüchern erfaßt, die seit Mitte der 90er Jahre zunehmend erstellt bzw. vorbereitet werden. Die vornehmlich türkischen Branchenführer enthalten neben Adressen privatwirtschaftlicher Einrichtungen auch die von Beratungseinrichtungen und Selbstorganisationen, die in der Vorbereitungsphase durch Eingabe in eine dBase-Datenbank ausgewertet wurden.19 Nicht zuletzt die Dachorganisationen der Migrantenorganisationen selber stellten - wenn auch nicht alle - die Adressenlisten ihrer Mitgliedsvereine zur Verfügung und versuchten, diese in der Erhebungsphase durch persönlichen Einsatz zu einer Teilnahme an der Untersuchung zu motivieren. Zur Erfassung weiterer, möglicherweise fehlender Adressen wurden die während der Feldphase angeschriebenen Selbstorganisationen gebeten, ihnen bekannte Adressen mitzuteilen. Eine weitere Quelle, die bei der Erfassung der bestehenden Vereine erfolgreich genutzt werden konnte, ist die Presse. Sowohl in nationalitätenspezifischer Tagespresse als auch in Presseorganen, die in größeren zeitlichen Abständen erscheinen, konnten mittels entsprechender Nachrichten neugegründete Vereine ermittelt und miteinbezogen werden. 19 Siehe İş Rehberi. Altın Sayfalar. Branchenbuch NRW 1997, Berlin 1997; Beyaz Sayfalar. Dünya Türk İş Yerleri Rehberi. Branchenbuch türkischer Firmen in der Welt 1996-1997, İstanbul 1997. 79 2. Forschungsrahmen 2.4.3 Fragebogen Parallel zur Adressensammlung erfolgte die Konstruktion und Abstimmung des Fragebogens. Der zentrale Untersuchungsschritt zur Bestandsaufnahme der Zahl und Struktur der Selbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen war die Erhebung, die mittels eines überwiegend standardisierten Fragebogens erfolgte, der allen mit Adresse erfaßten Selbstorganisationen zugestellt wurde. Der Erhebungsbogen setzte sich überwiegend aus geschlossenen Fragen zusammen, in denen alternativ vorgegebene Antwortmöglichkeiten anzukreuzen waren. Lediglich einige der Fragen waren offen und gaben so die Möglichkeit, eigene Antwortalternativen zu formulieren. Sie dienten der Aufführung von Beispielen für durchgeführte bzw. geplante Angebote oder solche, die die Orientierung der Selbstorganisation dokumentieren. Eine weitere offene Frage betrifft die Erwartungen an das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Integrationspolitik. Die systematische Datengewinnung durch den teilstandardisierten Fragebogen, der den Selbstorganisationen zugeschickt wurde, sollte zum einen Grunddaten zu den einzelnen Einrichtungen geben, wie Gründungsjahr, Mitgliederzahl und die Mitgliedschaft in Dachorganisationen. Einen weiteren Punkt bildeten die Finanzierungsgrundlagen der Organisationen. Auf Grundlage dieser Grunddaten sollten Aussagen zur Organisationsdichte, Organisationsstruktur, zu Kontakten und Kooperationen ermöglicht werden. Einen Themenkomplex im Erhebungsbogen bildeten die Zielgruppen und die Angebote der Selbstorganisationen. Der Fragebogen wurde inhaltlich mit dem Kooperationspartner abgestimmt. Aufgrund allgemeiner wie eigener Erfahrungen mit den Nachteilen schriftlicher Befragungen war ursprünglich eine weitgehend standardisierte telefonische Befragung vorgesehen. Leider konnte diese nicht durchgeführt werden, sodaß die Befragung schriftlich erfolgen mußte. Um Mißverständnisse und Fehler so weit wie möglich zu reduzieren, wurden auch hier nach Möglichkeit vollstrukturierte Fragen verwendet. Der Fragebogen selbst umfaßte 31 Fragen zu folgenden Bereichen: - Angaben zum Verein (Name des Vorsitzenden, Gründungsjahr, Anlaß der Vereinsgründung, evtl. Vorläuferorganisationen, Rechtsform, Mitgliederzahl, Mitgliedschaft in Dachverbänden, evtl. Anschluß an Wohlfahrtsverbände und Kooperation mit anderen Selbstorganisationen) - Kontakte zur Heimat (Kontakte zu Parteien und anderen Organisationen) - Kontakte in Deutschland (Kontakte zu deutschen Parteien, zur Kommunalverwaltung, zu Einrichtungen des Landes und zu anderen deutschen Organisationen) - Finanzierung/Mitarbeiter/Räume - Zielgruppen und spezifische Angebote - Orientierung der Arbeit auf die Heimat/Deutschland/beides 20 Das Begleitschreiben befindet sich im Anhang des Endberichtes. 80 Für die obengenannten Fragen wurde die voll- oder teilstrukturierte Form gewählt. Als offene Fragen wurden erhoben: - Beispiele für laufende Angebote - Beispiele für geplante Angebote - Publikationen/Veröffentlichungen/Broschüren o.ä. des Vereins - die Meinung zur Frage, was hinsichtlich der Integration der ausländischen Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen besonders beachtet werden muß 2.4.4 Feldphase Ab Mai 1997 wurde allen Selbstorganisationen, die in den Untersuchungsbereich fielen oder bei denen die Möglichkeit bestand, daß es sich um eine Organisation der untersuchten Nationalitäten handelt, der Fragebogen mit einem Begleitschreiben zugestellt. Das Begleitschreiben enthielt Informationen zum Auftraggeber und zu den Zielsetzungen der Untersuchung.20 Um mögliche Bedenken auf Seiten der Selbstorganisationen beseitigen zu können, wurde durch Angabe der Telefonnummer die Möglichkeit gegeben, direkte Rückfragen zu stellen. Zur Motivierung wurde in dem Begleitschreiben zudem darauf hingewiesen, daß alle Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligen, nach Abschluß der Untersuchung ein Handbuch aller in Nordrhein-Westfalen ansässigen Selbstorganisationen zugeschickt bekommen werden. Um die bei schriftlichen Befragungen bekanntlich niedrige Rücklaufquote zu erhöhen, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. So wurde der Fragebogen vor der Erhebung ins Türkische übersetzt und in Form einer zweisprachigen Version verschickt. Eine Übersetzung ins Kurdische, Serbokroatische und Arabische konnte wegen des dazu erforderlichen personellen, technischen, zeitlichen und finanziellen Aufwands nicht angefertigt werden. Die Zweisprachigkeit des Fragebogens hatte eine klare, den Rücklauf steigernde Wirkung, was daraus ersichtlich wird, daß rund zwei Drittel der türkischen Vereine auf Türkisch antworteten. Um die Motivation zu erhöhen, wurde jedem Fragebogen ein frankierter Rückumschlag beigelegt. Nach Beginn der ersten Verschickung kamen insgesamt 132 Sendungen als unzustellbar zurück. Da davon auszugehen war, daß es sich in diesen Fällen nicht allein um Vereine handelte, deren Aktivitäten zum Stillstand gekommen waren oder die sich in der Zwischenzeit aufgelöst hatten, wurde durch telefonische Kontaktaufnahme zu Einrichtungen vor Ort (Ausländerbeirat, Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände oder Selbstorganisationen) versucht, die aktuellen Adressen dieser Vereine zu ermitteln. In den Fällen, wo dies gelang, wurde unverzüglich der Fragebogen an die neue Adresse geschickt. Im gesamten Erhebungszeitraum wurden auch Vereine angeschrieben, die neu ermittelt wurden. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um solche, auf die Selbstorganisationen in dem ausgefüllten Fragebogen hinwiesen oder über deren Gründung man Informationen erhielt. 2. Forschungsrahmen Eine weitere Maßnahme, die Beteilung an der Erhebung zu erhöhen, war es, die Dachverbände einzubeziehen. Zeitgleich zu den anderen Selbstorganisationen wurde den Vorsitzenden der Dachverbände zusammen mit dem Fragebogen ein gesondertes Schreiben zugeschickt, in dem darum gebeten wurde, die Mitgliedsvereine zur Teilnahme an der Erhebung zu motivieren. Während einige Zentralen der türkischen Dachverbände weder selber den Fragebogen ausfüllten, noch die Mitgliedsvereine zur Teilnahme motivierten,21 unterstützten andere Dachverbände die Erhebung. Im Falle der Dachverbände, die die Untersuchung nicht unterstützten, gab es dennoch einzelne Mitgliedsvereine, die sich an der Erhebung beteiligten. In anderen Fällen meldeten sich Mitgliedsvereine fernmündlich oder schriftlich, um mitzuteilen, daß sie nicht die Kompetenz hätten, den Fragebogen auszufüllen, und verwiesen uns an die Zentrale.22 Die Dachverbände, die selber an der Erhebung teilnahmen, unterstützten sie in der Weise, daß sie die Vertreter einzelner Mitgliedsvereine über die Untersuchung informierten und diese ebenfalls dazu anhielten, den Fragebogen auszufüllen. Die Zentrale der „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Diyanet İşleri Türk İslâm Birliği DİTİB) schickte, als sich nach der ersten Verschickung die Teilnahmequote als nicht zufriedenstellend herausstellte, parallel zur zweiten Verschickung der Fragebögen ein eigenes Schreiben an die Mitgliedsvereine, in dem sie darauf hinwies, daß sie die Untersuchung unterstütze und die Mitgliedsvereine ebenfalls um Unterstützung bat. Dieses zusätzliche Schreiben erhöhte deutlich die Beteiligung der Moscheevereine, die der DİTİB angeschlossen sind. Schon während der Erhebung wurde mit Hilfe des Datenbankprogramms dBase sukzessive digitalisiert. Nach Abschluß der Feldphase wurden die Antworten in das Statistikprogramm SPSS übernommen, bereinigt, recodiert und ausgewertet. 2.4.5 Tiefeninterviews Neben der Erhebung, die quantifizierbare Daten erbringen sollte, wurden in einem folgenden Untersuchungsschritt mit einer Auswahl von 10 Vertretern von Selbstorganisationen Tiefeninterviews geführt, bei denen stärker die qualitativen Aspekte der Aktivitäten und auch der Schwierigkeiten der Selbstorganisationen im Vordergrund standen. So wurden auf Grundlage leitfadengestützter Interviews Gespräche geführt, bei denen zusätzliche Informationen über das Selbstverständnis, die Orientierung, Schwierigkeiten und Möglichkeiten sowie Erwartungen der Selbstorganisationen an das Land gewonnen wurden. Bei der Auswahl der Gesprächspartner der verschiedenen Selbstorganisationen wurde darauf geachtet, verschiedene Selbstorganisationstypen zu berücksichtigen. Die Auswertung der auf diese Weise gewonnenen Ergebnisse sollte in den qualitativen Teil, also der Beurteilung der Leistungen und auch der Schwierigkeiten der Migrantenorganisationen, miteinfließen. Im August und September wurde allen Selbstorganisationen, die bis zu dem Zeitpunkt nicht reagiert hatten, im Rahmen einer zweiten Verschickung erneut der Fragebogen mit einem Erinnerungsschreiben zugeschickt. Zu Vereinen, die auch auf das zweite Schreiben nicht reagierten, wurde nach zwei weiteren Wochen telefonisch Kontakt aufgenommen. Die telefonische Kontaktaufnahme wurde aus unterschiedlichen Gründen vorgenommen. Zum einen sollte hierdurch in Erfahrung gebracht werden, ob die Vereine tatsächlich die Sendung erhalten hatten. Bei der zweiten Verschickung wurden etwa Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung durch die Post festgestellt. So kamen Sendungen als unzustellbar zurück, die bei der ersten Verschickung nicht Retour kamen. Der Hauptgrund für die telefonische Erinnerung war jedoch, die Vereine durch eine persönlichere Form der Kontaktaufnahme zu einer Teilnahme zu bewegen. Schon zuvor war aufgrund telefonischer Rückfragen deutlich geworden, daß bei einigen Einrichtungen Vorbehalte bestanden, die durch ein Gespräch in vielen Fällen zu beseitigen waren. Durch die telefonische Kontaktaufnahme seitens der Forschungseinrichtung sollten weiteren Selbstorganisationen, die möglicherweise Bedenken hatten, diese ausgeräumt und eine Teilnahme herbeigeführt werden. Die telefonische Erinnerung erwies sich als nützlich, denn in vielen Fällen beteiligten sich Vereine erst nach dem Gespräch. 21 Die Dachverbände, die sich nicht an der Erhebung beteiligten, sind die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüş“ (IGMG), die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa“ (Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu, kurz: Türk Federasyon) sowie die „Türkisch-Islamische Union in Europa“ (Avrupa Türk İslam Birliği - ATİB). 22 Dies war bei Mitgliedsvereinen der „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa“ (Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu - Türk Federasyon) der Fall. 81 3. Bevölkerungszahlen der untersuchten Migrantengruppen Bevor auf die Ergebnisse der Untersuchung eingegangen wird, soll zunächst ein Blick auf die Ausgangslage hinsichtlich der Bevölkerungsgruppen, die in die Untersuchung einbezogen wurden, eingegangen werden. Demographische Grunddaten und Besonderheiten bei den einzelnen Migrantengruppen dienen als Anhaltspunkte für den Organisationsgrad und die Organisationsdichte bei den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Desweiteren geben demographische Grunddaten Anhaltspunkte für die Orientierung der Selbstorganisationen, geben Aufschluß über neue Tätigkeitsfelder sowie Entwicklungen bei den Neugründungen von Vereinen selber. Die vorliegende Teiluntersuchung war auf die Migranten aus der Türkei, BosnienHerzegowina sowie die Staaten des Maghreb (Marokko, Tunesien und Algerien) beschränkt. Für die derartige Festlegung waren unterschiedliche Kriterien maßgeblich. Eines dieser Kriterien war, daß es sich um Migranten aus den klassischen Anwerbestaaten handelt, für die jedoch als Bürger aus Nicht-EU-Staaten andere rechtliche Rahmenbedingungen als für Migranten aus EU-Mitgliedsstaaten bestehen. Ein weiteres Moment für die Auswahl ist die Zugehörigkeit zu einer anderen Religion, die in der Bundesrepublik erst durch die Zuwanderung dieser Gruppen eine größere quantitative Bedeutung erlangte, die auch eine eigene Entwicklung bei der Bildung von Selbstorganisationen nach sich zog. 3.1 Türken Die größte Zuwanderergruppe in der Bundesrepublik bilden die Migranten aus der Türkei. Die Gesamtzahl türkischer Staatsbürger in der Bundesrepublik betrug am Stichtag 31.12.1997 2.107.426. Bei einer Gesamtzahl von 7.365.833 nichtdeutschen Staatsangehörigen liegt ihr Anteil an der nichtdeutschen Wohnbevölkerung insgesamt bei 28,6%. Ihr prozentualer Anteil unter den Migranten der klassischen Anwerbestaaten (neben der Türkei sind dies das ehemalige Jugoslawien, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Tunesien und Marokko), deren Zahl bei insgesamt 4.721.350 liegt, erhöht sich auf 44,6%.23 Mit 714.998 Personen insgesamt lebt über ein Drittel aller türkischen Staatsbürger (33,9%) im Bundesland NordrheinWestfalen.24 Der Anteil der türkischen Staatsbürger an allen nichtdeutschen Migranten in Nordrhein-Westfalen liegt bei einer Gesamtzahl von 2.011.363 bei 35,5%. Ihr Anteil unter den Migranten aus den Anwerbestaaten (1.413.672 absolut) liegt mit 50.6% über dem Bundesdurchschnitt. Die Altersgruppe 0-18 (bis zum unvollendeten 18. Lebensjahr) nimmt mit 702.192 Personen einen Anteil von 33,3%, also rund einem Drittel der Gesamtgruppe ein. Bezieht man bei der Berechnung der Verteilung nach Altersgruppen die jungen Erwachsenen bis 25 Jahren mit ein, erhöht sich die Zahl auf 1.022.653 und der Anteil auf 48,5%, also auf nahezu die Hälfte aller türkischen Staatsbürger. Mit Ausnahme der Jahre 1984-85, in denen aufgrund der Rückkehrförderungsmaßnahme der Bundesregierung ein leichter Rückgang zu verzeichnen war, ist unter der türkischen Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik ein kontinuierlicher Zuwachs zu verzeichnen. 3.2 Kurden Zu den Kurden sowie ihrer Verteilung in der Bundesrepublik lassen sich keinerlei exakte Angaben machen, da diese Bevölkerungsgruppe nicht nach der ethnischen Zugehörigkeit sondern nach der Staatsangehörigkeit erfaßt wird. Der größte Teil der in der Bundesrepublik lebenden Kurden stammt aus der Türkei, von denen die meisten im Rahmen des Anwerbeabkommens als Arbeitnehmer in die Bundesrepublik gekommen sind. Ein kleiner Teil von ihnen ist als Flüchtling in die Bundesrepublik gekommen. Die Schätzungen, die zu ihrer Gesamtzahl in der Bundesrepublik gemacht werden, gehen von ca. 500.000 aus, was nahezu einem Viertel aller Migranten aus der Türkei entspräche. Nahezu die Hälfte der Kurden aus der Türkei lebt Schätzungen zufolge im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Während der Anteil der Arbeitsmigranten unter ihnen auf 85% geschätzt wird, soll der Anteil der Flüchtlinge bei 15% liegen.25 Neben Kurden aus der Türkei gibt es in kleineren Zahlen auch Kurden aus dem Irak und Syrien. Auch bei ihnen können keine exakten Angaben zu ihren Zahlen gemacht werden. Ihr Anteil unter den Kurden in der Bundesrepublik wird auf 5% geschätzt.26 Aufgrund fehlender statistischer Daten lassen sich auch keine Angaben zu sozio-demographischen Besonderheiten der Kurden machen. Schätzungen und Beobachtungen zufolge hat sich die demographische Entwicklung unter der kurdischen Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik dahingehend von der türkischen unterschieden, als daß der prozentuale Anteil unter den türkischen Staatsbürgern in der Bundesrepublik durch die größere Familiendurchschnittsgröße sowie die Zuwanderung von Flüchtlingen in den achtziger Jahren gegenüber den Erstgenannten anteilig stärker gestiegen sei. Bei der geschlechtsspezifischen Verteilung der türkischen Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik überwiegen mit 1.147.178 männliche Personen (54,4%) gegenüber Personen weiblichen Geschlechts (960.248/45,6%). Eine auffallende Besonderheit der türkischen Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik ist die Altersstruktur, die sich durch einen hohen Anteil junger Menschen auszeichnet. 23 Offizielle Daten des Statistischen Bundesamtes. Vgl. Zentrum für Türkeistudien: Ausländer in Europa. Ausländer in Deutschland. Türken in Deutschland. Daten der amtlichen Statistik, Essen, Juli 1998, S. 18-19 (unveröffentlicht). 24 Ebd., S. 26. 25 Saydam, Abubekir: Eine Kurzstudie über die Kurden in Nordrhein-Westfalen, Köln, Oktober 1997 (unveröffentlichtes Spezialgutachten, das im Rahmen des Projektes erstellt wurde), S. 29-30. (Abschnitt 3) 26 Saydam, Abubekir, a.a.O., S. 30. 82 3. Bevölkerungszahlen der untersuchten Migrantengruppen 3.3 Bosnier 3.4 Migranten aus den Maghreb-Staaten Eine große Migrantengruppe bilden Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien, das zu den Anwerbestaaten gehört. Die Zahl der Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien insgesamt, die die achtziger Jahre hindurch relativ konstant geblieben war und bei ca. 600.000 lag, ist nach Beginn des Bürgerkrieges durch die Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen ab 1991 kontinuierlich angewachsen und lag 1996 (31.12.) bei 1.353.300. Aufgrund der Rückführung der Kriegsflüchtlinge ist die Zahl der Migranten aus dem früheren Jugoslawien insgesamt rückläufig und lag 1997 (31.12.) bei 1.269.606. Offizielle Daten zur Zahl der Bosnier aus der Zeit vor dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien liegen nicht vor. Erst nach Beginn des Bürgerkrieges wurde damit begonnen, sie statistisch gesondert zu erfassen. Lag die Zahl der statistisch erfaßten Bosnier 1992 noch bei lediglich 19.900, erhöhte sie sich bis 1996 (31.12.) auf 340.500, ist aber im darauffolgenden Jahr (31.12.97) auf 281.380 gesunken.27 Diese Zahl entspricht einem Anteil von 3,8% aller nichtdeutschen Staatsbürger in der Bundesrepublik und einem von 5,9% aller Migranten aus den Anwerbestaaten. Bedacht werden muß, ohne daß hierzu nähere Angaben möglich sind, daß sich hierunter neben Arbeitsmigranten auch Kriegsflüchtlige befinden. Da ein großer Teil der Bosnier als Kriegsflüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen ist, dürfte aufgrund der Rückführpläne nach Beendigung des Bürgerkrieges die Zahl in nächster Zeit weiter zurückgehen. Die Zahl der bosnischherzegowinischen Staatsbürger in Nordrhein-Westfalen lag 1997 (31.12.) bei 64.838, das entspricht einem knappen Viertel (23%) aller Bosnien-Herzegowiner in der Bunderepublik.28 Hinsichtlich der Sozialstruktur der bosnisch-herzegowinischen Migranten lassen sich keine genaueren Angaben machen. In allgemeineren Darstellungen wird darauf hingewiesen, daß bei der Zuwanderung aus dem ehemaligen Jugoslawien ein anderes Immigrationsmuster dominierte. So lebt nur rund ein Viertel von ihnen zusammen mit allen Familienangehörigen in der Bundesrepublik.29 Migranten aus den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien bilden hinsichtlich ihrer Zahlenstärke im Verhältnis zu Migranten aus den zuvor genannten Anwerbestaaten kleinere Gruppen. Während Marokkaner und Tunesier im Rahmen von Anwerbeabkommen in die Bundesrepublik gekommen sind, handelt es sich im Falle der Algerier, deren Zahl nach Beginn des Bürgerkrieges in Algerien stark angewachsen ist, überwiegend um Flüchtlinge. Unter den Migranten aus den Maghreb-Staaten bilden Marokkaner die größte Gruppe. Ihre Gesamtzahl in der Bundesrepublik belief sich 1997 (Stichtag 31.12.) auf 83.904. Ihre Zahl, die in den letzten beiden Jahrzehnten kontinuierlich angewachsen ist, ist seit 1993 relativ konstant geblieben und verzeichnete 1997 eine geringfügige Zunahme. Der Anteil der Marokkaner an allen Migrantengruppen beläuft sich auf lediglich 1,1%. Der Anteil unter den Migranten der verschiedenen Anwerbestaaten wiederum liegt bei 1,8%. In NordrheinWestfalen lag im selben Jahr die Zahl der Marokkaner bei 45.593, womit mehr als die Hälfte (54,3%) aller in der Bundesrepublik lebenden marokkanischen Staatsbürger auf dieses Bundesland entfallen. Ihr Anteil unter allen Migrantengruppen liegt hier bei rund 2,7%, derjenige unter den Migranten aus den Anwerbestaaten bei 3,2%. Die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Tunesier betrug 1997 (31.12.) 25.700, womit sie eine relativ kleine Migrantengruppe darstellen. Ihr Anteil an allen Migrantengruppen liegt bei 0,3%, derjenige unter den Migranten aus den Anwerbestaaten bei 0,5%. Die Zahl ist seit 15 Jahren relativ konstant geblieben, es ist also kein kontinuierlicher Zuwachs zu verzeichnen wie bei den obengenannten Migrantengruppen. Mit 8.888 absolut leben etwas mehr als ein Drittel (34,6%) aller Tunesier in Nordrhein-Westfalen. Unter allen nichtdeutschen Staatsbürgern entspricht das einem Anteil von 0,4%. Bezogen auf die Migranten aller Anwerbestaaten liegt der Anteil der Tunesier in Nordrhein-Westfalen bei 0,6%. Die Zahl der Algerier, 1996 (31.12.) 17.200, ist ab 1992 stärker angewachsen. 1993 hatte sie mit 23.100 ihren Höchststand erreicht, ist seitdem jedoch kontinuierlich zurückgegangen.30 27 Zentrum für Türkeistudien: Ausländer in Europa. Ausländer in Deutschland. Türken in Deutschland. Daten der amtlichen Statistik, zusammengestellt von Klaus Schneiderheinze, Essen, Dezember 1996, S. 20-21 (unveröffentlicht). 28 Quelle: Statistisches Bundesamt Wiesbaden. 29 Vgl. Belosevic, Danijela/Stanisavljevic, André: Die ehemaligen «jugoslawischen» Minderheiten, in: Schmalz-Jacobsen, Cornelia/Hansen, Georg (Hg.): Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Lexikon, München 1995, Seite 269-285; hier: S. 280. 30 Ebenda, S. 22-23. 83 4. Selbstorganisationen von Migranten in Deutschland 4.1 Funktionen und Funktionswandel bei Selbstorganisationen Bei einer Untersuchung zu Migrantenselbstorganisationen muß einleitend auf die unterschiedlichen Funktionen eingegangen werden, die sie wahrnehmen. Unabhängig von den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung ist bereits aufgrund des intensiven Kontaktes zu Selbstorganisationen im Rahmen vorheriger Untersuchungen ein Funktionswandel bei diesen zu beobachten, auf den hingewiesen werden muß. a) Schutzfunktion: Eine Aufgabe, die Selbstorganisationen insbesondere in den ersten Jahren nach der Zuwanderung übernehmen, teilweise aber auch nach längerer Verbleibdauer beibehalten, ist die des „Schutzes“.31 In einer Phase, in der einzelne Individuen aber auch Familien einer Migrantengruppe Schwierigkeiten haben, sich in der neuen Umgebung auch in ganz praktischen Dingen zurechtzufinden, bietet die Selbstorganisation die Möglichkeit zu Hilfestellungen im Austausch mit anderen und gibt den einzelnen Individuen Geborgenheit. Die Schutzfunktion in diesem Sinne, die mit zunehmender Verbleibdauer obsolet werden sollte, bleibt aufgrund von Diskriminierungserfahrungen bestehen32 und kann, wie im Falle der gewalttätigen Übergriffe gegen Migranten in den vergangenen Jahren, erneut reaktiviert werden. b) Pflege der Herkunftskultur: Ein zentrales Motiv für die Bildung von Selbstorganisationen ist der Wunsch, die eigene Kultur oder auch Religion gemeinsam mit anderen Angehörigen der eigenen Migrantengruppe kollektiv zu pflegen. Dies geschieht bereits durch die Möglichkeit der Begegnung und des Kontaktes untereinander, die Selbstorganisationen bieten. Des weiteren werden in diesem Rahmen Veranstaltungen organisiert und Feste gemeinsam begangen. In diesem Sinne bilden Selbstorganisationen auch den Rahmen für eigene Formen der Freizeitgestaltung. Für die folgenden Generationen, die im Zuwanderungsland geboren sind und aufwachsen, kommt diesen Aktivitäten eine neue Qualität zu. c) Sozialisationsfunktion: Im Rahmen der innergemeinschaftlichen Zusammenschlüsse übernehmen die Vereine für die Nachfolgegenerationen eine Sozialisationsfunktion. Für die Nachfolgegenerationen sind Migrantenselbstorganisationen somit von großer Bedeutung für die Tradierung der Kultur und Werte des Herkunftslandes, insbesondere deshalb, weil in Einrichtungen und Institutionen der Aufnahmegesellschaft diesbezüglich zu geringe Angebote bestehen. d) Identitätsstützende Funktion: Bezogen auf die zweite und dritte Generation der Zuwanderer nehmen Selbstorganisationen darüber hinaus eine identitätsstützende Funktion wahr. Vor dem Hintergrund der Ausgrenzungserfahrungen hier geborener und aufwachsender Jugendlicher und den hiermit verbundenen Schwierigkeiten der Identitätsfindung bieten Selbstorganisationen die Möglichkeit, unter „Seinesgleichen“ Halt zu finden, und können somit eine stabilisierende Funktion bei der Identitätsbildung einnehmen. e) Selbstverwirklichungsfunktion: Unter diesem Begriff lassen sich die Möglichkeiten subsumieren, die Selbstorganisationen Einzelpersonen bieten. Selbstorganisationen bieten einzelnen Angehörigen einer zugewanderten Minderheit durch die Partizipation an den Aktivitäten die Möglichkeit, gestalterische und organisatorische Aufgaben zu übernehmen, durch die eine Form der persönlichen Selbstverwirklichung erreicht werden kann. Die aktive Mitarbeit in einem Verein oder einem ähnlichen Zusammenschluß bietet einzelnen die Möglichkeit, soziale Anerkennung zu erlangen oder sich gegenüber anderen sozial profilieren zu können, indem die Mitgliedschaft aktiv wahrgenommen wird oder eine Funktion, wie die des Vorsitzenden oder die der Vorstandsmitgliedschaft, übernommen wird.33 Die geringeren Chancen, diese Funktion in einer Einrichtung der Aufnahmegesellschaft zu übernehmen, ist als eine weitere Ursache dafür anzusehen, daß sich sehr viele Migranten in eigenen Vereinen engagieren.34 f) Interessenvertretung: Eine zentrale Aufgabe und Funktion, die Selbstorganisationen wahrnehmen und dem gewandelten Selbstverständnis entsprechend stärker übernehmen möchten, ist die der Interessenvertretung. Auf lokaler Ebene bemühen sich einzelne Vereine, ihre Interessen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft bzw. ihren Einrichtungen in organisierter Form wahrzunehmen. Hier seien als Beispiel Elternvereine genannt, die sich für die Verbesserung der schulischen Situation der Kinder auch gegenüber den Schulen bzw. Schulämtern einsetzen. In übergeordneten Zusammenschlüssen (Dachverbänden) bemühen sich Selbstorganisationen um die Durchsetzung spezifischer Interessen (Bsp. muttersprachlicher Unterricht, Religionsunterricht an Schulen) oder versuchen, als Interessenvertretung einer oder verschiedener Migrantengruppen zu wirken. 31 Vgl. von Breitenbach, Barbara: Ausländer-Vereine und Interessenvertretung, in: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 4/1986, S. 182-187; hier: S. 182. 32 Vgl. Büdel, Dragica. a.a.O., S. 176. 33 Vgl. Karakaşoğlu, Yasemin: Brückenfunktion der ethnischen Kolonie. Zur Rolle der zweiten Generation, in: Karpf, Ernst/Kiesel, Doron (Hg.): Politische Kultur und politische Bildung Jugendlicher ausländischer Herkunft, Frankfurt am Main 1996, S. 49-60. 34 Die Rolle, die hier sowohl innerhalb der eigenen Gruppe als auch als Mittler zur Mehrheitsgesellschaft übernommen werden kann, wird auch mit dem Begriff »ethnic leader« umschrieben. Vgl. Unbehaun, Horst: »Ethnic Leaders« in lokalen Organisationen türkischer Migranten. Katalysatoren der Entwicklung einer Kolonie, in: Waldhoff, Hans-Peter/ Tan, Dursun/Kürşat-Ahlers, Elçin (Hg.): Brücken zwischen Zivilisationen. Zur Zivilisierung ethnisch-kultureller Differenzen und Machtungleichheiten. Das deutsch-türkische Beispiel, Frankfurt am Main 1997, S. 197-212. 84 4. Selbstorganisationen von Migranten in Deutschland g) Brückenfunktion: Selbstorganisationen übernehmen im Verhältnis zwischen Zuwanderergruppe und Mehrheitsgesellschaft in verschiedener Weise eine Brückenfunktion. Als kulturelle Inseln einer zugewanderten Minderheit inmitten der Mehrheitsgesellschaft schaffen sie einen Begegnungsraum für beide Seiten, in dem implizit der eigene Hintergrund der zugewanderten Gruppe anerkannt wird und dieser die Grundlage für Interaktionen zwischen Angehörigen beider Gruppen bildet. Da sich in Migrantenorganisationen das Verhältnis von „Gastgeber“ und „Gast“ umkehrt, können sie das Selbstwertgefühl der Mitglieder der Minderheit stärken. Die Brückenfunktion nehmen Selbstorganisationen auch in der umgekehrten Richtung wahr, indem sie von Einrichtungen und sogar einzelnen Vertretern der Mehrheitsgesellschaft als Ansprechpartner gesehen und in Anspruch genommen werden. Selbstorganisationen werden nicht nur angesprochen, wenn Informationen über das betreffende Herkunftsland oder die Kultur benötigt werden, sondern auch in Problemsituationen als Informationsquelle oder Mittler in Anspruch genommen. Ansprechpartner sind sie auch für Interessengruppen der Mehrheitsgesellschaft. Ein Beispiel hierfür sind deutsche Unternehmer, die in der Türkei investieren wollen und sich im Vorfeld an türkische Unternehmervereine in der Bundesrepublik wenden. h) Dienstleistungsfunktion: Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen deutlich, daß Selbstorganisationen für die eigene Klientel verstärkt die Aufgabe einer Dienstleistungseinrichtung wahrnehmen. Neben meist informellen sozialberaterischen Aktivitäten gehören hierzu Angebote zur Freizeitgestaltung, die in vielen Fällen altersoder zielgruppenspezifisch organisiert sind (Bsp. Kinder-, Jugend-, Frauengruppen). Neben Angeboten zur Freizeitgestaltung bemühen sich Selbstorganisationen auch darum, Bildungs- und qualifizierende Angebote (Kursangebote, Hausaufgabenhilfe für Schüler) zu organisieren. Viele Selbstorganisationen haben in den vergangenen Jahren mit Erfolg ihre Tätigkeitsfelder ausgeweitet und sich sogar zu einer Konkurrenz für die etablierten Einrichtungen der Migrantenarbeit entwickelt. Die Aktivitäten und Angebote der Selbstorganisationen ergänzen somit die Einrichtungen zur sozialen Betreuung der Migranten oder füllen Lücken, die von diesen nicht wahrgenommen werden. 4.2 Geschichtlicher Überblick über die Entwicklung von Selbstorganisationen 4.2.1 Entwicklung der Selbstorganisationen insgesamt Die Entstehung von Migrantenselbstorganisationen reicht in die ersten Jahre der Migration zurück. Bereits in den sechziger Jahren entstanden erste Kulturvereine der verschiedenen Migrantengruppen, die überwiegend die Funktion von Treffpunkten erfüllten, in denen das Bedürfnis nach Kontakt zu Landsleuten und Geselligkeit befriedigt wurde. Die typische Bezeichnung für Selbstorganisationen der ersten Jahre der Migrationsgeschichte war der „Arbeiterverein“, von denen einige auch heute noch bestehen.35 Ein größerer quantitativer Zuwachs und auch eine erste Differenzierung ist in den siebziger Jahren zu beobachten. In diesen Jahren entstanden vermehrt Einrichtungen, die den religiösen Bedürfnissen der Zuwanderer Rechnung tragen sollten. Für diese Jahre wird nationalitätenübergreifend eine Politisierung der Migrantenselbstorganisationen konstatiert, die auf veränderte Bedingungen sowohl im Zuwanderungs- als auch den Herkunftsländern zurückzuführen sei.36 In den siebziger Jahren entstanden erstmalig in größerer Zahl Dachverbände, die in ihrer politischen Orientierung jedoch stärker am Herkunftsland ausgerichtet waren. Ein weiterer Wandel setzte in den achtziger Jahren ein. Er ist vor dem Hintergrund des mehr und mehr bewußten Prozesses der Niederlassung der Migrantengruppen im Zuwanderungsland und der Konstitutierung als Gemeinschaften zu sehen.37 In dieser Zeit entstehen verstärkt Selbstorganisationen, die sich explizit als Interessenvertretung einer Zuwanderergruppe auf regionaler aber auch überregionaler Ebene begreifen. In gleicher Weise gibt es Versuche, nationalitätenübergreifend Dachverbände zu organisieren. 4.2.2 Die Entwicklung türkischer Selbstorganisationen Die Entstehung erster türkischer Selbstorganisationen reicht in die sechziger Jahre zurück. In diesen Jahren entstanden erste ArbeiterKulturvereine. In den siebziger Jahren wurden in großer Zahl Moscheevereine und auch erste religiöse Dachorganisationen muslimischer Migranten gebildet. Die siebziger Jahre waren auch die Zeit, in der in großer Zahl politisch orientierte Migrantenorganisationen formiert wurden. Neben Einzelvereinen entstanden zahlreiche Dachverbände, die an bestimmten politischen Strömungen oder auch Parteien im Herkunftsland orientiert waren und im Zuwanderungsland eine ähnliche Konstellation formierten. Unter den türkischen Migranten entstanden verschiedene links- als auch rechtsorientierte Dachorganisationen. Im politischen Spektrum links von der Mitte wurden etwa die sozialdemokratisch ausgerichtete „Föderation progressiver Volksvereine der Türkei in Europa“ (HDF) und die marxistisch ausgerichtete „Föderation der türkischen Arbeitervereine in der BRD“ (FİDEF) gegründet. Parallel zu diesen wurden in denselben Jahren im rechten Spektrum Dachverbände errichtet, die sich an 35 Vgl. Jahn, Gerhard/Şen, Faruk: Ausländische Selbstorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland, in: ZAR 3/1984, S. 135-141; hier: S. 136. 36 Vgl. Puskeppeleit, Jürgen/Thränhardt, Dietrich, a.a.O., S. 147-148. 37 Zu dieser begrifflichen Charakterisierung dieser Phase des Migrationsprozesses vgl. Özcan, Ertekin: Die türkische Minderheit, in: Schmalz-Jacobsen, Cornelia/Hansen, Georg (Hg.), a.a.O., S. 511-528; hier: S. 514. 85 4. Selbstorganisationen von Migranten in Deutschland politischen Strömungen in der Türkei orientierten. Zu diesen gehören die „Föderation Türkisch-demokratischer Idealistenvereine in Europa“ und auch die „Türkische Union in Europa“, aus der die heutige „Islamische Gemeinschaft Milli Görüş“ hervorging.38 Ein Wandel in der Struktur der Vereinsbildungen und der Orientierung ist seit Mitte der achtziger Jahre zu beobachten, ein Prozeß, der bis in die Gegenwart andauert. Mit der Verstetigung der Verbleibabsicht der zugewanderten Migranten beginnt sich in dieser Zeit ein langsamer Wandel im Selbstverständnis der Zuwanderer zu vollziehen, der sich auch im Bereich der Selbstorganisationen niederschlägt. Neben einem kontinuierlichen Zuwachs, der ab Ende der siebziger Jahre verstärkt einsetzt, ist in diesen Jahren eine Ausweitung der Aktivitäten und eine Umorientierung hinsichtlich des Selbstverständnisses zu beobachten. Die Selbstorganisationen bilden seit dieser Zeit mehr und mehr Einrichtungen, in denen Migranten sich als ethnische Community organisieren, die den Erhalt der Herkunftskultur gewährleisten sollen und auch verstärkt Funktionen der Sozialbetreuung und Sozialberatung wahrzunehmen beginnen. Die verstärkte Bildung neuer Selbstorganisationen und die Abkehr von der primär auf das Herkunftsland ausgerichteten Orientierung wird auch vor dem Hintergrund der Zuzugsbeschränkungen im Rahmen der Familienzusammenführung gesehen, die seit 1981 durch einen entsprechenden Regierungsbeschluß nur bis zum unvollendeten 16. Lebensjahr möglich ist. Ein weiterer mobilisierender Faktor zu Beginn der achtziger Jahre wird ferner die Politik der Parteien genannt, die im Wahlkampf die Alternativen Assimilation oder Rückkehr thematisierten.39 Vor diesem Hintergrund begannen sich in diesen Jahren erstmalig Organisationen zu formieren, die sich explizit als Interessenvertretung einer zugewanderten Migrantengruppe betrachten und auf Grundlage dieses gewandelten Selbstverständnisses ihre Zielsetzungen auf das Zuwanderungsland konzentrieren. Organisationen mit diesem Anspruch bemühen sich um die Bündelung der Wahrnehmung dieser Funktion durch Formierung von zuerst regionalen, später überregionalen Dachorganisationen. Exemplarisch seien hier die Türkische Gemeinde in Berlin (Berlin Türk Cemaati) und die Türkische Union in Berlin (Berlin Türk Topluluğu), die Anfang der achtziger Jahre gebildet wurden, sowie das „Bündnis türkischer Einwanderer“ (TGB) in Hamburg genannt, das 1986 nach einem fremdenfeindlichen Übergriff durch Rechtsradikale als Zusammenschluß türkischer Vereine in Hamburg formiert wurde. Diese regionalen Zusammenschlüsse bildeten den Kern für den späteren Versuch eines überregionalen, bundesweiten Zusammenschlusses türkischer Selbstorganisationen, wie er 1995 durch die „Türkische Gemeinde in Deutschland“ (TGD) konkrete Gestalt annahm. Der Wandel des Selbstverständnisses vollzog sich seit dieser Zeit auch langsam bei den Dachverbänden politischer oder religiöser Orientierung, die in den siebziger Jahren gegründet worden waren. Auch bei ihnen rückte mehr und mehr die Situation im Zuwanderungsland in den Vordergrund der Zielsetzungen. Neben der zunehmenden Abnahme der Herkunftslandorientierung ist als verstärktes Phänomen die funktionale Binnendifferenzierung bei den Migrantenorganisationen zu nennen, ein Prozeß, der bis in die Gegenwart andauert. 4.2.3 Die Entwicklung kurdischer Selbstorganisationen Die Geschichte kurdischer Selbstorganisationen in der Bundesrepublik reicht in die fünfziger Jahre zurück. Bereits 1956 wurde von irakischen Studenten die „Vereinigung kurdischer Studenten in Europa“ gegründet.40 Auf das Engagement politisch interessierter Kurden aus der Türkei geht die Bildung zweier Vereine (Hevra und Bahoz) in den sechziger Jahren zurück.41 Vereinsgründungen in größerer Zahl beginnen erst in den siebziger Jahren, die auf die stärkere Zuwanderung von kurdischen Arbeitsmigranten aus der Türkei zurückzuführen sind. Bei den Vereinen, die ab 1973 gegründet wurden, handelte es sich meist um Kultur- und Solidaritäts- oder Arbeitervereine, in denen politisch engagierte Personen aktiv waren. Ab Ende der siebziger und in den achtziger Jahren entstanden die drei Dachverbände KOMKAR, die „Föderation Demokratischer Arbeitervereine Kurdistans“ (KKDK), sowie FEYKA-Kurdistan, die auch heute noch - teilweise in Form von Nachfolgeorganisationen bestehen. Während die letztgenannten in ihren Aktivitäten auf politische Arbeit beschränkt blieben, begann der Dachverband KOMKAR bereits kurz nach der Gründung, sich in seiner Arbeit auch auf die Situation im Zuwanderungsland zu konzentrieren. Hierzu gehörten die Organisierung kultureller Aktivitäten, sozialberaterische Aufgaben und Angebote wie kurdische Sprachkurse.42 In ihrer Struktur haben sich die kurdischen Selbstorganisationen in den achtziger Jahren nur in Ansätzen verändert. So blieb der Hauptakzent der Aktivitäten auf politische Arbeit beschränkt. Lediglich beim Dachverband KOMKAR und den ihm angeschlossenen Mitgliedsvereinen war eine stärkere Gewichtung kultureller und sozialversorgerischer Aktivitäten zu beobachten. 38 Die genannten Beispiele geben nur einen Ausschnitt aus der Landschaft der Selbstorganisationen. Nähere Einzelheiten zu den türkischen Migrantenorganisationen in den sechziger bis achtziger Jahren finden sich in der Untersuchung von Ertekin Özcan: Türkische Immigrantenorganisationen..., a.a.O. 39 Gitmez, Ali/Wilpert, Czarina: A Micro-Society or an Ethnic Community? Social Organization and Ethnicity amongst Turkish Migrants in Berlin, in: Rex, John/Joly, Daniele/ Wilpert, Czarina (Hg.): Immigrant Associations in Europe, Aldershot 1987, S. 86-125; hier: S. 107. 40 Vgl. Meyer-Ingwersen, Johannes: Die kurdische Minderheit, in: Schmalz-Jacobsen, Cornelia/Hansen, Georg (Hg.), a.a.O., S. 310-328; hier: S. 325. 41 Saydam, Abubekir, a.a.O., S. 48. 42 Zum Selbstverständnis und den Aktivitäten der ersten Jahre nach der Gründung vgl. Bucak, Sertaç: KOMKAR - „Wer sind wir?“, in: Evangelischer Pressedienst (epd), Dokumentation, Nr. 27-28/80, Frankfurt/M. 1980: Türken in Deutschland. Religiöse und ethnische Minderheiten, Gruppen, Organisationen, S. 40-43. 86 4. Selbstorganisationen von Migranten in Deutschland 4.2.4 Die Entwicklung bosnischer Selbstorganisationen Zur Organisationsentwicklung der jugoslawischen Migranten vor dem Zusammenbruch des ehemaligen Jugoslawien gibt es kaum Untersuchungen. Bekannt ist lediglich, daß vor Beginn des Krieges viele in Vereinen organisiert waren, in denen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen Jugoslawiens zusammengefaßt waren. Die jugoslawischen Selbstorganisationen waren hauptsächlich im kulturellen und sozialen Bereich tätig. Weder in bezug auf das Heimatland, noch auf das Zuwanderungsland waren sie politisch aktiv.43 Eigenständige bosnische Selbstorganisationen gab es nur sehr wenige, hier meist Vereine, in denen die eigenen religiösen Bedürfnisse der muslimischen Bosnier im Vordergrund standen. Eine verstärkte Organisierung der Bosnier begann erst nach Ausbruch des Krieges in Jugoslawien. Die bosnischen Selbstorganisationen, die daraufhin entstanden, lassen sich grob in folgende Vereinstypen unterteilen: religiös orientierte Selbstorganisationen, Kulturvereine, politische Organisationen sowie Vereine, die zu humanitären Zwecken gegründet wurden und auch von engagierten Deutschen mitgetragen oder unterstützt wurden.44 Daneben hat sich in Frankfurt auch eine bosnische Studentenorganisation gebildet. Zur Organisationsentwicklung unter bosnischen Migrantenselbstorganisationen insgesamt gilt nach wie vor die Einschätzung, daß sie sich in der Aufbauphase befinden.45 In einzelnen Vereinen haben sich Angehörige verschiedener Maghrebstaaten zusammengeschlossen, oder sie sind in Vereinen Mitglied, die von Arabern anderer Herkunftsstaaten gebildet wurden. An Orten, wo die objektiven Voraussetzungen (geringfügige Zahl) für die Bildung eigener Vereine nicht vorhanden sind, nehmen sie Gebetsstätten anderer Migrantengruppen in Anspruch.47 Dennoch besteht ein Dachverband marokkanischer Vereine in der Bundesrepublik, dessen Zentrale sich in Düsseldorf befindet. 4.2.5 Die Entwicklung maghrebinischer Selbstorganisationen Die im Verhältnis zu anderen Migrantengruppen relativ niedrige Zahl und die Zerstreutheit sind ein entscheidender Faktor dafür, daß die Zahl und somit die Organisationsdichte maghrebinischer Selbstorganisationen äußerst gering sind. Noch geringer sind - im Vergleich zu kleineren Migrantengruppen - Untersuchungen zu maghrebinischen Migranten in der Bundesrepublik vorhanden, obwohl sie größtenteils als Arbeitsmigranten aus Anwerbestaaten gekommen sind.46 Erste Zusammenschlüsse maghrebinischer Migranten sind, wie über die Angaben aus dem Rücklauf und Informationen von Multiplikatoren zu rekonstruieren war, bereits in den siebziger Jahren entstanden. Aber seitdem hat sich an der Organisationsstruktur nicht viel verändert. Lediglich in Städten und Gemeinden mit größeren Kolonien sind die quantitativen Voraussetzungen für die Bildung einzelner Kultur-, Moschee- oder Familienvereine gegeben, wo einzelne tunesische oder marokkanische Selbstorganisationen bestehen. Ballungsräume wie Frankfurt, Köln oder Bonn bilden die wenigen Ausnahmen, in denen mehrere Selbstorganisationen entstanden sind. 43 Vgl. Jahn, Gerhard/Şen, Faruk, a.a.O. S. 138. 44 Vgl. hierzu Zentrum für Türkeistudien: Studie über Islamische Organisationen der türkischen, marokkanischen, tunesischen und bosnischen Minderheiten in Hessen, im Auftrag des Büros für Einwanderer und Flüchtlinge im Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit, Wiesbaden 1995, hier den Abschnitt 5.3.2., „Bosnische Organisationen allgemein“, S. 150-156. 45 Zu weiteren Einzelheiten siehe Abschnitt 5.2. dieses Berichtes. 46 In dem von Schmalz-Jacobsen und Hansen herausgegebenen neueren Lexikon zu den ethnischen Minderheiten in der Bundesrepublik etwa finden sich keine Beiträge zu den in der Bundesrepublik lebenden Marokkanern und Tunesiern. Vgl. Schmalz-Jacobsen, Cornelia/Hansen, Georg (Hg.): Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Lexikon, München 1995. Eine der wenigen Untersuchungen, die zu Marokkanern durchgeführt wurden, ist der Bericht Zur soziokulturellen Situation der Marokkanerinnen und Marokkaner in Frankfurt am Main (Frankfurt 1992) von Angelika Weber. 47 In der Erhebung nannten verschiedene türkische Moscheevereine unter anderen Nationalitäten, die ihre Einrichtung nutzen, auch Araber. 87 5. Auswertung 5.1 Allgemeines Insgesamt wurden 1.327 Fragebögen verschickt. Von diesen kamen 156 mit dem Vermerk „Adresse unbekannt“ oder „unbekannt verzogen“ zurück, sodaß 1.171 gültige Adressen verbleiben. Unberücksichtigt bleibt dabei, daß nicht in jedem Fall nicht zustellbare Postsendungen auch an den Absender zurückgehen. Insgesamt 382 Fragebögen wurden ausgefüllt zurückgeschickt. In fünf Fällen antworteten Vereine doppelt, d.h. bei der telefonischen Erinnerung wurde um die erneute Zuschickung des Fragebogens gebeten, woraufhin beide Fragebögen dann von zwei verschiedenen Personen ohne Wissen des anderen ausgefüllt und zurückgeschickt wurden. Damit verbleiben 377 gültige Antworten, was eine Nettorücklaufquote von 32,2 % ergibt. Die Rücklaufquote ist als zufriedenstellend zu bezeichnen, wenn man einerseits die grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Befragung von Migranten in Rechnung stellt. Hier ist vor allem das Sprachproblem zu nennen. Außerdem hatten sich einige islamische Dachverbände selber nicht an der Erhebung beteiligt und die Mitgliedsvereine auch nicht zur Teilnahme motiviert, sodaß nur einzelne antworteten. Dies waren die „Islamische Gemeinde Milli Görüş (IGMG)“, die „Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ (Avrupa Türk İslam Birliği - ATİB) und die „Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Europa (Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu - kurz: Türk Federasyon)“. Im Falle des „Verbandes der islamischen Kulturzentren (VIKZ)“ antwortete der Dachverband stellvertretend für die Mitgliedsgemeinden. Auf die erste Verschickung im Mai 1997 erfolgte eine zweite Verschickungsphase neu ermittelter Adressen im August 1997. Danach konnten weitere 458 Adressen ermittelt werden, die nicht mehr angeschrieben werden konnten. Hierfür ist vor allem die erwähnte zögerliche Kooperation örtlicher Ausländerbeiräte verantwortlich, die zu spät oder gar keine Vereine nannten. Zur Auswertung wurden die Angaben der Befragten zunächst mittels des Datenbankprogramms dBase erfaßt. Dieses Vorgehen wurde gewählt, da so auch umfangreiche Texteingaben - die in diesem Fall aus den offenen Fragen stammen - eingegeben werden können. Außerdem ist die notwendige Übernahme in das Statistikprogramm SPSS unproblematisch. Die trotz der Reduzierung noch vorhandenen offenen Fragen machten allerdings für die statistische Auswertung eine umfangreiche Recodierung erforderlich. Als zusätzliches Problem erwiesen sich die Angaben der Befragten, die oftmals falsch zugeordnet, widersprüchlich oder mißverständlich formuliert waren. Daher war außerdem eine umfangreiche systematische Datenbereinigung notwendig. Dabei wurden mißverständliche und ungenaue Angaben als solche codiert und von der Auswertung ausgeschlossen. 88 Bei der Intepretation der statistischen Auswertung ist grundsätzlich zu berücksichtigen, daß alle Daten auf den Angaben der Befragten basieren. Diese Selbstverständlichkeit erhält zusätzliches Gewicht vor dem Hintergrund der Form einer schriftlichen Befragung. So sind auch bei scheinbar einfachen Fragen - wie z.B. der Mitgliederzahl - verschiedene Formen der Beantwortung möglich und auch vorhanden. Neben Angaben, die auf die letzte Stelle genau sind (z.B. 127), stehen gerundete Angaben (z.B. 150), Circa-Angaben (ca. 150) und ungenauere Angaben wie „zwischen 80 und 120“. Diese Angaben wurden so übernommen, wie sie im Fragebogen standen, im letzten Fall wurde der Mittelwert eingetragen. Ein weiteres Beispiel für Ungenauigkeiten als Resultat unterschiedlicher Interpretationen der Fragen sind die Angaben zur Zahl der aktiven Mitglieder. Berechnet man den Anteil der aktiven Mitglieder an der Gesamtmitgliederzahl, so ist die erste Kategorie (bis 10 %) am häufigsten vertreten. Die folgenden Kategorien sind in abnehmender Häufigkeit immer schwächer besetzt mit Ausnahme der obersten Kategorie „90 bis 100 %“, die immerhin eine Häufigkeit von 9,2 % erreicht. Entscheidend ist hier die Interpretation des Begriffes „aktiv“ durch die Befragten. Eine Betrachtung der einzelnen Vereine mit besonders hohem Anteil aktiver Mitglieder legt die Vermutung nahe, daß der Begriff „aktiv“ von diesen dahingehend interpretiert wurde, daß jedes Mitglied, das nicht als „Karteileiche“ bezeichnet werden könnte, als aktives Mitglied betrachtet wurde. Dies ist z.B. der Fall bei einigen Moscheevereinen, wo offensichtlich jeder Moscheebesucher als aktives Mitglied betrachtet wird (vgl. hierzu die Tabelle 16, Anteil der aktiven Mitglieder an der Gesamtzahl der Mitglieder in Abschnitt 5.2.6, S. 109). Wie nicht anders zu erwarten, ist die Antworthäufigkeit bei den offenen Fragen niedriger als bei den geschlossenen. Im Fragebogen sind zwei verschiedene Typen offener Fragen verwendet worden. Der erste - unproblematische - Typ besteht in Anschlußfragen an eine geschlossene Frage, die nur „ja“ oder „nein“ zuläßt. Zu diesen gehören beispielsweise die Fragen nach dem Bestehen von Kontakten (zu Parteien/Stadtverwaltung etc.) oder der Mitgliedschaft in Dachorganisationen, wo bei „ja“ anschließend gefragt wurde, zu wem Kontakte bestehen bzw. in welchem Dachverband eine Mitgliedschaft besteht. Diese Art offener Fragen wurde in SPSS in zusätzliche Variablen recodiert, sodaß statische Auswertungen auch bei Mehrfachnennungen möglich waren. Der zweite verwendete Typ besteht aus offenen Fragen, in denen umfangreichere Informationen (z.B. nach bestehenden Angeboten der Vereine) oder Meinungen abgefragt werden (z.B. zur Integration). In diesen Fällen ist eine Recodierung in zusätzliche Variablen nicht nur ungleich komplizierter, da die Angaben der Befragten weitaus unterschiedlicher ausfallen können (etwa mehr oder weniger ausführlich), sondern auch methodisch problematischer, da die Recodierung mit einer inhaltlichen Interpretation der Angaben verbunden ist und hierbei ein Teil der Informationen verlorengehen kann. 5. Auswertung Daher wurden diese Angaben für eine statistische Auswertung nur für die Frage nach der Integrationsproblematik recodiert und sind dementsprechend vorsichtig zu interpretieren. Um ein hinreichendes Maß an Verläßlichkeit zu gewährleisten, wurden auch hier ungenaue bzw. nicht sicher nachvollziehbare Angaben von der Auswertung ausgeschlossen. Außerdem wurden die Kategorien so gewählt, daß diese sich einerseits nach Möglichkeit inhaltlich ausschließen und andererseits begrifflich nicht zu eingeschränkt sind, so daß die Angaben in sinnvoll auswertbaren Variablen zusammengefaßt werden konnten. So wurden z.B. alle Angaben, in denen eine Förderung der beruflichen Ausbildung und Qualifikation ausländischer Jugendlicher genannt wurde, ungeachtet der Detailliertheit im einzelnen, in einer Variablen zusammengefaßt. Grundsätzlich ist dabei zu berücksichtigen, daß die Befragten hier zu einem sowohl in der Gesamtgesellschaft wie unter den in Deutschland lebenden Ausländern kontrovers diskutierten und inhaltlich keinesfalls klar definierten Begriff Stellung beziehen sollten. Wenn also ein bestimmter Prozentsatz derjenigen, die überhaupt Angaben zu dieser Frage machten, einen bestimmten Aspekt nannten, kann daraus nicht geschlossen werden, daß dieser eben diesem Prozentanteil der Vereine relevant erscheint, sondern höchstens, daß dieser Aspekt für die Befragten eine relative Bedeutung im Vergleich zu anderen Aspekten besitzt. So läßt sich aus den Häufigkeiten schließen, daß der Förderung der beruflichen Ausbildung ausländischer Jugendlicher offensichtlich eine größere Bedeutung beigemessen wird als etwa mehr Rechte für die Ausländerbeiräte, da ersteres von 20 %, letzteres dagegen nur von 1 % genannt wurde. Aus diesen Ergebnissen nicht schließen läßt sich, daß die Förderung der beruflichen Ausbildung der Jugendlichen für 80 % der Befragten keine Rolle spielt. Die Ergebnisse der offenen Fragen lassen sich also durchaus im Hinblick auf Relationen zwischen den verschiedenen Nennungen interpretieren, nicht aber als Häufigkeiten in Bezug auf die Gesamtzahl der Befragten. Wäre etwa die genannte Förderung der beruflichen Ausbildung innerhalb einer geschlossenen Frage erhoben worden, könnte die entsprechende Häufigkeit ein Vielfaches betragen. Eng verbunden mit dem zuletzt genannten Aspekt der Interpretation der Ergebnisse ist die Frage nach der Repräsentativität der Ergebnisse. Wie oben bereits dargelegt, kann eine Befragung der Selbstorganisationen grundsätzlich keine repräsentative Befragung sein. Dies hätte sich nur dann erreichen lassen, wenn man alle Vereinsregister des Erhebungsgebietes (Nordrhein-Westfalen) systematisch nach ausländischen Vereinen durchsucht hätte. Auch dabei müßten aber zwei Einschränkungen gemacht werden. Zum einen würde ein solches Vorgehen (mit dem Ziel der Repräsentativität) voraussetzen, daß ausländische Vereine in jedem Fall im Vereinsregister auch als solche identifizierbar sind. Zum anderen wäre die Befragung begrenzt auf eingetragene Vereine. Andere Formen von Selbstorganisationen würden systematisch ausgeschlossen bleiben. Im übrigen wäre ein solches Vorgehen auch mit einem erheblichen Aufwand verbunden. 89 Da also die Grundgesamtheit (alle Selbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen) unbekannt ist und deshalb keine repräsentative Stichprobe gezogen werden kann, bleibt hier lediglich eine Abschätzung, inwieweit die ermittelten und befragten Selbstorganisationen die vermutete Grundgesamtheit repräsentieren. Dies ist auf der Basis der erfaßten Adressen und der Befragungsergebnisse möglich. Betrachtet man die Verteilung der türkischen Wohnbevölkerung und die Verteilung der ermittelten und der befragten Selbstorganisationen auf Kreisebene, läßt sich erkennen, daß die Verteilung der Selbstorganisationen in hinreichendem Maße der Verteilung derjenigen der türkischen Bevölkerung entspricht. Dabei muß allerdings die Frage unberücksichtigt bleiben, ob der Organisationsgrad regional gleich ist oder nicht. In jedem Falle ist die regionale Streuung der ermittelten und der befragten Organisationen so groß, daß hier größere Verzerrungen nicht anzunehmen sind. Als weiteres Merkmal bietet sich der Vereinstypus an. Die ermittelten Selbstorganisationen wurden, soweit dies möglich war, kategorisiert. Dies bot sich an, da ein großer Teil der Vereine aufgrund des selbstgesetzten Zwecks leicht und sicher eingeordnet werden kann. Dies gilt z.B. für Moscheevereine, Sportvereine, Elternvereine, Lehrervereine, Jugendvereine sowie Vereine mit einer speziellen Zielsetzung, etwa Behindertenhilfsvereine und Rentnervereine. Rund zwei Drittel der ermittelten Vereine wie auch derjenigen, die geantwortet haben, konnten so einem bestimmten Typus zugeordnet werden. Zu fragen ist nun, welche Faktoren die Ermittlung eines Vereins fördern oder erschweren. Die größte Chance, erfaßt zu werden, haben die Vereine, die Dachorganisationen angeschlossen sind. Dies gilt insbesondere für Moscheevereine, die zum größten Teil ermittelt werden konnten, da die Dachverbände (DİTİB, VIKZ, HDF, GDF, AABF) Listen ihrer Mitgliedsvereine zur Verfügung gestellt haben. Weiter kann davon ausgegangen werden, daß diejenigen Vereine eher erfaßt werden, die größer sind und die über verschiedene Kontakte zu anderen Selbstorganisationen oder zu den Ausländerbeiräten verfügen. Ausschließend wirkte hier die Weigerung einiger Ausländerbeiräte, Listen der ihnen bekannten Vereine zu schicken. Umgekehrt hatten kleine Vereine, Selbsthilfegruppen und Organisationen, die eher auf sich bezogen sind (deren Zweck z.B. allein in der gemeinsamen Freizeitgestaltung besteht) und deshalb nicht über Kontakte zu anderen Organisationen verfügen, eine schlechtere Chance, erfaßt zu werden. Es kann also davon ausgegangen werden, daß Moscheevereine unter den ermittelten Selbstorganisationen überrepräsentiert sind, während vor allem kleinere Vereine, aber auch Vereine in kleineren Gemeinden, in denen kein Ausländerbeirat besteht oder dieser nicht aktiv ist, unterrepräsentiert sind. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen den türkischen (und kurdischen) Selbstorganisationen und denen der übrigen Nationalitäten (Bosnien, Marokko, Tunesien, Algerien). Im Vergleich lassen sich türkische Vereine leichter ermitteln, da diese allein schon aufgrund ihrer großen Zahl wesentlich stärker vernetzt sind und über lokale Koordinationsorganisationen und Dachverbände quasi bereits 5. Auswertung „vorerfaßt“ sind. Demgegenüber ist nicht nur die Zahl bosnischer oder marokkanischer Vereine erheblich geringer, sie haben sich auch kaum in Dachverbänden zusammengeschlossen. Für diese Differenz sorgt nicht zuletzt auch der türkische Staat, der einen Teil der Vereine direkt unterstützt und kontrolliert, nämlich durch die türkische Behörde für religiöse Angelegenheiten (DİTİB). Im übrigen ist wahrscheinlicher, daß in einer Gemeinde mit einer türkischen Bevölkerungsgruppe von 100 Personen diese eher einen Verein gründen als 6 Marokkaner, wobei diese Relation den beiden Bevölkerungsgruppen in Nordrhein-Westfalen entspricht: 44.909 Marokkanern stehen 701.366 Türken gegenüber, was einer Relation von 6,4 : 100 entspricht.48 5.2.1 Organisationsdichte 5.2.1.1 Quantitative Daten zu den erfaßten Selbstorganisationen In der Vorbereitungsphase und im Verlauf der Untersuchung wurden vom Zentrum für Türkeistudien insgesamt 1.785 Einrichtungen ermittelt und in eine Datenbank eingegeben. Die Höhe dieser Zahl erklärt sich darin, daß anhand des Namens bei vielen eine Zuordnung nach der Nationalität nicht möglich war, diese dennoch angeschrieben werden sollten, um eine möglichst vollständige Erfassung der Selbstorganisationen der hier untersuchten Herkunftsländer zu erreichen. So stellte sich bei vielen erst im weiteren Verlauf heraus, daß es sich um Migrantenselbstorganisationen anderer, hier nicht untersuchter Herkunftsländer handelt. In gleicher Weise wurde auch bei Vereinen vorgegangen, die dem Namen oder der Vermutung nach als inter- bzw. multikulturell eingestuft wurden, in ihrer Mitgliederstruktur jedoch möglicherweise von einer der hier untersuchten Nationalitätengruppe dominiert werden. Erfaßt wurden auch Einrichtungen, die sich in der Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände befinden, da in diesen teilweise auch Selbsthilfegruppen oder auch Selbstorganisationen von Migranten aktiv sind. Subtrahiert man die Einrichtungen, bei denen sich eine andere Zuordnung ergibt (andere Nationalität oder deutsche Einrichtungen mit Deutschen als Zielgruppe), reduziert sich der Bestand auf 1.645 Organisationen. Die Gesamtzahl der erfaßten Migrantenselbstorganisationen der Herkunftsländer, die in den Zuständigkeitsbereich dieser Teiluntersuchung gehören (Türkei, Bosnien-Herzegowina sowie die MaghrebStaaten Marokko, Tunesien und Algerien), liegt bei insgesamt 1.443. Den größten Anteil unter diesen bilden mit 1.299 Selbstorganisationen der Migrantengruppen aus der Türkei. Da einige jedoch in den Zuständigkeitsbereich des Teilprojektes des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Münster aufgenommen wurden, reduziert sich die Zahl auf 1.271.49 Hierunter nehmen mit 1.217 türkische Selbstorganisationen den größten Anteil (84,3%) ein. Die Zahl der erfaßten kurdischen Selbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen beträgt 54, die somit nur 3,7% aller ausmachen. Die Gesamtzahl und der Anteil der Selbstorganisationen der hier untersuchten Gruppen aus der Türkei erhöht sich - läßt man 2 Vereine von Kurden anderer Herkunftsstaaten unberücksichtigt - auf 1.269 absolut bzw. 87,9% antei- lig. Unter den türkischen Selbstorganisationen befinden sich auch 11 von westthrakischen Türken aus Griechenland. Die Zahlen und somit prozentualen Anteile der Selbstorganisationen von Migranten aus dem Maghreb und Bosnien-Herzegowina sind erheblich niedriger. Die Zahl der Selbstorganisationen von Zuwanderern aus den Maghreb-Staaten liegt bei insgesamt 63. Von diesen konnten 43 dem Herkunftsland Marokko, 11 Tunesien und 1 Verein Algerien zugeordnet werden. Bei weiteren 8 Vereinen war nur die Zuordnung „Maghreb“ möglich. Der Anteil dieser dem Maghreb als Herkunftsgebiet zugeordneten Selbstorganisationen liegt zusammengerechnet bei 4,3% aller. Erfaßt und auch angeschrieben wurden jedoch weitere 14 arabische Selbstorganisationen, unter deren Mitgliedern auch Migranten aus den Maghreb-Staaten vermutet wurden. Die Zahl der Selbstorganisationen, die aufgrund des Namens oder des ausgefüllten Fragebogens als „bosnisch“ zugeordnet werden konnten, liegt bei 46 insgesamt (3,1% aller). Darüber hinaus wurden auch „jugoslawische“ Selbstorganisationen ermittelt und angeschrieben, die keiner der Republiken im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zuzuordnen waren und deshalb möglicherweise auch bosnische Mitglieder haben. Erfaßt und angeschrieben wurden darüber hinaus 152 nationenübergreifende und 9 nationenübergreifende muslimische Selbstorganisationen, unter deren Mitgliedern Angehörige der untersuchten Nationalitäten vermutet wurden. Hinsichtlich der Zahlen der erfaßten und derjenigen Selbstorganisationen, die angeschrieben wurden, sei - um mögliche Verwirrungen auszuräumen - zum einen darauf hingewiesen, daß nicht alle erfaßten auch angeschrieben werden konnten, denn bei vielen war die Adresse nicht ausfindig zu machen. Andererseits wurden Vereine angeschrieben, bei denen sich herausstellte, daß sie nicht in den Untersuchungsbereich gehörten. (Zu der Ausschöpfung der erfaßten Selbstorganisationen siehe die Tabelle 1). Die Gesamtheit der Adressen kann nicht als repräsentitiv im Sinne statistischer Repräsentativität bezeichnet werden. Die Ursache dafür liegt zum einen in Verzerrungen bei den verwendeten Instrumenten. So existieren nicht in allen Kommunen Ausländerbeiräte, in manchen Städten sind die Ausländerbeiräte nicht aktiv und von den aktiven haben nicht alle zur Erfassung der Selbstorganisationen beigetragen, d.h. einige haben keine Adressen übermittelt. Die Verzerrungen in den Branchenbüchern, also nach welchen Kriterien Moscheen und Vereine aufgenommen worden sind oder nicht, sind unbekannt. Betrachtet man die türkischen Adressen, so läßt sich aber festhalten, daß die Erfassung der Adressen grob der regionalen Verteilung der türkischen Wohnbevölkerung in Nordrhein-Westfalen entspricht. Aus den Städten mit einer großen türkischen Bevölkerungsgruppe (z.B. Köln, Duisburg, Dortmund, Recklinghausen) konnten auch die meisten Vereinsadressen erfaßt werden. Probleme gab es dementsprechend vor allem in kleineren Gemeinden (mit vermutlich wenigen Vereinen), in denen teilweise nur einzelne oder sogar keine Adressen ermittelt werden konnten. Dies gilt für den Kreis 48 Eigenberechnung nach: Statistisches Bundesamt, Auszählung des Ausländerzentralregisters am 31.12.1996. 49 Dies betrifft aramäische und armenische Selbstorganisationen. 90 5. Auswertung Kleve, wo nur ein Verein ermittelt werden konnte, sowie für die Kreise Coesfeld und Euskirchen, wo lediglich 4 bzw. 5 Vereine ermittelt werden konnten. Alle drei genannten Kreise gehören allerdings auch zu denjenigen mit einer kleinen nichtdeutschen bzw. türkischen Bevölkerungsgruppe. Tabelle 1: Ausschöpfungsquote der Selbstorganisationen nach Staatsangehörigkeiten insgesamt nicht Adresse verwendet unbekannt abs. abs. Türkei darunter: türkische kurdische Bosnien-Herzegowina Jugoslawien 1) Marokko Tunesien Algerien 1306 1252 54 46 32 43 11 1 Kroatien Jugoslawien (Serbien/ Montenegro) Makedonien Slowenien Iran Libanon Albanien 1) Armenien Eritrea palästinensische arabische Bulgarien Italien Afghanistan Indien Sri Lanka Maghreb 16 % 73,2 244 70,1 233 3,0 11 2,6 6 1,8 6 2,4 3 0,6 0,1 1 0,9 15 % abs. 53,3 110 50,9 102 2,4 8 1,3 11 1,3 4 0,7 7 4 0,2 3,3 1 % keine Antwort abs. 70,5 611 65,4 589 5,1 22 7,1 23 2,6 20 4,5 26 2,6 4 - % Antwort abs. 78,7 326 75,9 317 2,8 9 3,0 6 2,6 2 3,4 5 0,5 3 - 0,6 - - - % 86,4 84,1 2,4 1,6 0,5 1,3 0,8 - 4 0,2 3 0,7 - - 1 0,1 - - 1 2 9 2 12 4 2 2 12 1 2 2 1 1 8 0,1 0,1 0,5 0,1 0,7 0,2 0,1 0,1 0,7 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,4 1 2 9 12 1 2 1 1 1 2 2 1 1 - 0,2 0,4 2,0 2,6 0,2 0,4 0,2 0,2 0,2 0,4 0,4 0,2 0,2 - 3 1 1,9 0,6 2 3 5 6 0,4 0,4 0,6 0,8 1 3 1 0,3 0,8 0,3 muslimisch 9 nationenübergreifend 152 deutsche Organisationen 2) 67 0,5 8,5 3,8 1 55 61 0,2 12,0 13,3 9 1 5,8 0,6 7 58 5 0,9 7,5 0,6 30 - 8,0 - N = 1785 100,0 458 100,0 156 100,0 776 43,5 377 100,0 Missing: 37 1) Hierunter sind diejenigen ermittelten jugoslawischen Vereine gezählt, die keiner der heutigen Staatsangehörigkeiten auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien zugeordnet werden konnten. 2) Deutsche Organisationen, die sich ausschließlich an Deutsche als Zielgruppe wenden, deutsche Einrichtungen der Migrantenarbeit finden sich wie entsprechende Selbstorganisationen unter „nationenübergreifend“. 91 5.2.1.2 Organisationsdichte in den Regierungsbezirken Die Verteilung der erfaßten Selbstorganisationen der hier untersuchten Herkunftsländer auf die verschiedenen administrativen Einheiten zeigt eine Konzentration im Regierungsbezirk Düsseldorf, wo 435 (30,3%) der 1.435 erfaßten Selbstorganisationen der hier untersuchten Herkunftsländer ansässig sind. Der zweitgrößte Anteil an erfaßten Selbstorganisationen liegt mit 337 (23,5%) im Regierungsbezirk Arnsberg. Die Zahlen und prozentualen Anteile der Selbstorganisationen in den anderen Regierungsbezirken fallen gegenüber Düsseldorf und Arnsberg ab. Mit 274 Selbstorganisationen liegt der Anteil bei 19,1% aller erfaßten. Die niedrigsten Zahlen weisen die Regierungsbezirke Münster mit 222 (15,5%) und Detmold mit 167 (11,6%) Selbstorganisationen auf. Die Organisationsdichte deckt sich im großen und ganzen mit der Verteilung der Migranten auf die verschiedenen Regierungsbezirke, wie die Tabelle 3 (Verteilung der ermittelten und befragten Organisationen auf Kreis- und Regierungsbezirksebene) zeigt. Aufgrund fehlender Zahlen zu Bosniern und Maghrebinern wurden die Zahlen und prozentualen Anteile aller erfaßten Selbstorganisationen auf Regierungsbezirks- und Kreisebene den Zahlen und Anteilen der türkischen Staatsbürger gegenübergestellt. Da die Selbstorganisationen der Migranten aus der Türkei jedoch über 90% aller hier untersuchten Gruppen ausmachen, ist die Gegenüberstellung zulässig, um die annähernde Relation aufzuzeigen. Eine hohe Organisationsdichte ist in städtischen Ballungszentren und im Ballungsraum Ruhrgebiet festzustellen. Einzelne Städte mit hohem Migrantenanteil und dadurch bedingten großen Zahlen an Selbstorganisationen sind die Stadt Duisburg, die mit 117 erfaßten Selbstorganisationen einen Anteil an 8,2%, und die Stadt Köln, die mit 103 erfaßten Selbstorganisationen einen Anteil von 7,2% aller landesweit erfaßten Selbstorganisationen der hier untersuchten Nationalitäten auf sich vereinen. In größerer Konzentration konnten darüber hinaus bei den hier untersuchten Gruppen Selbstorganisationen in den Städten Dortmund (66/4,6%), Gelsenkirchen (50/3,5%) und Essen (49/3,4%) ermittelt werden. Die Konzentration von Selbstorganisationen im Ruhrgebiet (vgl. die Tabelle 2, Verhältnis der ermittelten türkischen Selbstorganisationen zur Bevölkerungszahl im Ruhrgebiet) korreliert mit dem verhältnismäßig höheren Anteil der Migranten im Verhältnis zu den anderen Regionen: Die Zahl der im Ruhrgebiet ermittelten Selbstorganisationen der untersuchten Herkunftsländer liegt bei 759 (von 1435 landesweit), was einem Anteil von 42,9% entspricht. Bezogen auf türkische Selbstorganisationen korreliert deren Anteil auch mit dem der türkischen Staatsbürger im Ruhrgebiet im Verhältnis zur Gesamtzahl aller türkischen Staatsbürger im Bundesland NordrheinWestfalen, der bei 44,8% (546 von 1217) liegt. Im Schnitt fällt im Kommunalverband Ruhrgebiet ein Verein auf 513 Türken. 5. Auswertung Tabelle 2: Verhältnis der ermittelten türkischen Selbstorganisationen zur Bevölkerungszahl im Ruhrgebiet (Kommunalverband Ruhrgebiet) türkische Bevölkerung Stadt Duisburg Stadt Essen Stadt Mülheim an der Ruhr Stadt Oberhausen Kreis Wesel Stadt Bottrop Stadt Gelsenkirchen Kreis Recklinghausen Stadt Bochum Stadt Dortmund Stadt Hagen Stadt Hamm Stadt Herne Ennepe-Ruhr-Kreis Kreis Unna Kommunalverband Ruhrgebiet ermittelte türkische Vereine 1) abs. % abs. 53.487 18.900 5.931 10.747 16.633 5.698 24.699 33.606 14.110 28.038 11.059 11.873 13.705 10.596 20.812 19,1 6,8 2,1 3,8 5,9 2,0 8,8 12,0 5,0 10,0 4,0 4,2 4,9 3,8 7,4 108 41 14 14 37 18 47 54 25 55 18 23 17 24 51 279.894 100,0 Relation Bevölkerung : Vereine % Personen je Verein 19,8 7,5 2,6 2,6 6,8 3,3 8,6 9,9 4,6 10,1 3,3 4,2 3,1 4,4 9,3 495 461 424 768 450 317 526 622 564 510 614 516 806 442 408 546 100,0 513 1) Vereine türkischer Staatsbürger, also türkische und kurdische Vereine. Tabelle 3:Verteilung der ermittelten und befragten Organisationen auf Kreis- und Regierungsbezirksebene türkische Bevölkerung 1) abs. % ermittelte Vereine abs. befragte Vereine % abs. % Regierungsbezirk Düsseldorf Stadt Düsseldorf Stadt Duisburg Stadt Essen Stadt Krefeld Stadt Mönchengladbach Stadt Mülheim an der Ruhr Stadt Oberhausen Stadt Remscheid Stadt Solingen Stadt Wuppertal Kreis Kleve Kreis Mettmann Kreis Neuss Kreis Viersen Kreis Wesel 226.774 17.628 53.487 18.900 13.883 9.880 5.931 10.747 8.825 8.749 16.083 3.831 17.499 16.855 5.843 16.633 32,3 2,5 7,6 2,7 2,0 1,4 0,8 1,5 1,3 1,2 2,3 0,5 2,5 2,4 0,8 2,4 435 35 117 49 23 9 17 19 15 12 37 1 33 17 9 42 30,3 2,4 8,2 3,4 1,6 0,6 1,2 1,3 1,0 0,8 2,6 0,1 2,3 1,2 0,6 2,9 94 10 21 12 3 2 2 6 2 4 5 1 10 6 2 8 27,3 2,9 6,1 3,5 0,9 0,6 0,6 1,7 0,6 1,2 1,5 0,3 2,9 1,7 0,6 2,3 Regierungsbezirk Köln Stadt Aachen Stadt Bonn Stadt Köln Stadt Leverkusen Kreis Aachen Kreis Düren Erftkreis Kreis Euskirchen Kreis Heinsberg Oberbergischer Kreis Rheinisch-Bergischer Kreis Rhein-Sieg-Kreis 172.469 8.935 6.418 79.374 4.831 12.183 7.306 15.414 1.591 6.160 9.039 7.114 14.104 24,6 1,3 0,9 11,3 0,7 1,7 1,0 2,2 0,2 0,9 1,3 1,0 2,0 274 25 32 103 12 15 8 24 5 12 9 6 21 19,1 1,7 2,2 7,2 0,8 1,0 0,6 1,7 0,3 0,8 0,6 0,4 1,5 77 2 10 31 4 4 4 6 1 4 2 9 22,4 0,6 2,9 9,0 1,2 1,2 1,2 1,7 0,3 1,2 0,6 2,6 1) Die Zahlen zu den übrigen befragten Nationalitäten (Bosnien-Herzegowina/Marokko/Tunesien/ Algerien) lagen nicht vor. 92 türkische Bevölkerung 1) ermittelte Vereine abs. befragte Vereine abs. % Regierungsbezirk Münster Stadt Bottrop Stadt Gelsenkirchen Stadt Münster Kreis Borken Kreis Coesfeld Kreis Recklinghausen Kreis Steinfurt Kreis Warendorf 90.179 5.698 24.699 2.236 5.357 1.621 33.606 6.187 10.775 12,9 0,8 3,5 0,3 0,8 0,2 4,8 0,9 1,5 222 19 50 13 21 4 60 22 35 15,5 1,3 3,5 0,9 1,5 0,3 4,2 1,5 2,4 % 63 3 21 2 9 2 12 7 7 18,3 0,9 6,1 0,6 2,6 0,6 3,5 2,0 2,0 Regierungsbezirk Detmold Stadt Bielefeld Kreis Gütersloh Kreis Herford Kreis Höxter Kreis Lippe Kreis Minden-Lübbecke Kreis Paderborn 60.454 18.069 12.470 8.493 2.373 9.076 4.357 5.616 8,6 2,6 1,8 1,2 0,3 1,3 0,6 0,8 167 44 34 27 7 19 8 28 11,6 3,1 2,4 1,9 0,5 1,3 0,6 2,0 42 10 10 7 2 6 7 12,2 2,9 2,9 2,0 0,6 1,7 2,0 Regierungsbezirk Arnsberg Stadt Bochum Stadt Dortmund Stadt Hagen Stadt Hamm Stadt Herne Ennepe-Ruhr-Kreis Hochsauerlandkreis Märkischer Kreis Kreis Olpe Kreis Siegen-Wittgenstein Kreis Soest Kreis Unna 151.490 14.110 28.038 11.059 11.873 13.705 10.596 5.402 21.425 3.404 7.300 3.766 20.812 21,6 2,0 4,0 1,6 1,7 2,0 1,5 0,8 3,1 0,5 1,0 0,5 3,0 337 27 66 20 29 21 26 11 45 9 18 12 53 23,5 1,9 4,6 1,4 2,0 1,5 1,8 0,8 3,1 0,6 1,3 0,8 3,7 68 5 11 4 10 4 6 3 10 2 1 2 10 19,8 1,5 3,2 1,2 2,9 1,2 1,7 0,9 2,9 0,6 0,3 0,6 2,9 NORDRHEIN-WESTFALEN 701.366 1435 100,0 abs. % 344 100,0 5.2.1.3 Verteilung nach Vereinstypen 5.2.1.3.1 Verteilung nach Vereinstypen insgesamt Die erfaßten Selbstorganisationen wurden, soweit dies möglich war, kategorisiert und insgesamt 14 Vereinstypen zugeordnet. Grundlage bei der Festlegung der Kategorien ist etwa das festzustellende Hauptanliegen eines Vereins (z.B. Moscheeverein, der in vielen Fällen auch andere Angebote hat), eine bestimmte Zielorientiertheit (z.B. Elternvereine, die sich der schulischen Belange und Probleme der Kinder annehmen) oder eine spezielle Zielgruppe des Vereins (z.B. Senioren). Selbstorganisationen, die nicht eindeutig einem Typus zugeordnet werden konnten, wurden als „sonstige“ subsumiert. Als ein Typ von Selbstorganisationen wurden Moscheevereine festgelegt. Neben Moscheevereinen als Träger religiöser Aktivitäten und Angebote für Muslime bestehen weitere Einrichtungen mit religiöser Orientierung, die der Kategorie „sonstige religiöse Vereine“ zugeordnet wurden, sowie Dachverbände religiös orientierter Selbstorganisationen. Weitere Formen von Selbstorganisationen, die als Vereinstypus festgelegt wurden, sind Sportvereine, politische Vereine, Jugend- und Elternvereine, Unternehmer- und weitere berufsständische Selbstorganisationen, Seniorenvereine, Lehrervereine, Frauen-, Studentenvereine und Vereine für Behindertenhilfe. 5. Auswertung Die quantitative Auswertung der Grundgesamtheit nach Vereinstypen zeigt nationalitätenübergreifend folgende Verteilung: Signifikant hoch ist der Anteil von Vereinen, deren Aktivitäten und Angebote schwerpunktmäßig religiös orientiert sind. Mit einer Zahl von 460, das sind 32,1% aller ermittelten Selbstorganisationen der untersuchten Nationalitäten, machen Moscheevereine nahezu ein Drittel aller Selbstorganisationen aus. Rechnet man zu diesen die 84 (5,9%) als „sonstige religiöse Vereine“ hinzu, erhöht sich die Gesamtzahl der Selbstorganisationen mit religiöser Orientierung auf 544 und der prozentuale Anteil auf 38% aller ermittelten Einrichtungen. Als am zweithäufigsten vertretener Selbstorganisationstyp wurden mit einer Gesamtzahl von 224 und einem Anteil von 15,6% Sportvereine ermittelt. Die Zahlen und somit prozentualen Anteile ziel- bzw. zielgruppenorientierter Vereinstypen liegen deutlich niedriger. In relativ hoher Zahl und breiter Streuung sind Elternvereine vorhanden (46 absolut, 3,2% anteilig). Bei dieser Zahl ist jedoch zu beachten, daß in ihr auch Vereine enthalten sind, die dem Namen und der Zielsetzung nach Elternvereine sind, den schwerpunktmäßigen Aktivitäten und Angeboten nach jedoch nicht in diese Kategorie einzuordnen, sondern eher in den Bereich der Kultur- bzw. Familienvereine anzusiedeln wären. Gemessen an den Anteilen in den jeweiligen Migrantengruppen ist die Zahl der Vereine, deren Zielgruppe Jugendliche sind, niedriger. Mit insgesamt 24 machen sie einen Anteil von lediglich 1,7% aus. Eine Erklärung hierfür ist, daß für diese Zielgruppe von Vereinen anderer Kategorien Angebote bestehen. Unter den zielgruppenorientierten Selbstorganisationen finden sich 15 Vereine von Selbständigen (Unternehmer), die ausschließlich von türkischen Migranten gebildet wurden. Auch andere berufsständische Selbstorganisationen (beispielsweise Akademikervereine, Vereine von Ingenieuren, Ärzten etc.) sind lediglich bei türkischen Migranten vorhanden. Ihre Zahl liegt bei insgesamt 10, das entspricht 0,7% aller erfaßten Selbstorganisationen. Faßt man die Unternehmer- und Berufsvereine zusammen, ergibt sich eine Gesamtzahl von 25 (1,7% aller erfaßten Vereine). Gemessen am Bevölkerungsanteil ist auch die Zahl von Frauenvereinen niedrig. Im gesamten Bundesland konnten lediglich 14 Frauenvereine (1,4%) ermittelt werden, von denen einige nicht als Selbstorganisation im eigentlichen Sinne einzustufen sind, da die Gründungsinitiative und die Trägerschaft bei einem Wohlfahrtsverband liegt. Eine eindeutige Zuordnung ist auch bei den Studierendenvereinen möglich. Im gesamten Bundesland konnten jedoch lediglich 7 (0,5%) ermittelt werden. Ein Phänomen jüngeren Datums ist die Bildung klientel- bzw. zielgruppenspezifischer Selbstorganisationen, wie Senioren- und Behindertenvereinen. Die Bildung von Seniorenvereinen bzw. Selbsthilfegruppen von Senioren ist eindeutig vor dem Hintergrund zu erklären, daß die Zahl der Rentner unter den Arbeitsmigranten der ersten Generation kontinuierlich zunimmt. Dennoch ist die Zahl von 6 Selbstorganisationen insgesamt äußerst niedrig. Die Gründung von Behindertenvereinen ist ebenfalls ein relativ junges Phänomen und als zielgruppenspezifische Ausdifferenzierung bei der Bildung von Selbstorganisationen zu verstehen. In Nordrhein-Westfalen liegt die Zahl derartiger Vereine bei mittlerweile 3. Auffällig niedrig ist die Zahl von Vereinen, die aufgrund ihrer Aktivitäten als politisch orientierte Selbstorganisationen eingestuft wurden. Mit einer Zahl von insgesamt 9 machen sie einen Anteil von 0,6% aller erfaßten Selbstorganisationen aus. 93 Selbstorganisationen, zu deren Aktivitäten auch politische bzw. migrationspolitische gehören, sind natürlich in höherer Zahl vorhanden. Sie sind jedoch aufgrund der nicht möglichen Zuordnung als ausschließlich politisch orientierte Selbstorganisationen der Kategorie „sonstige“ zugeordnet worden. Insgesamt 510 (35,6%) der 1.433 erfaßten Selbstorganisationen konnten nicht eindeutig einem der oben aufgeführten Vereinstypen zugeordnet werden. Neben Vereinen, deren Adresse nicht ausfindig zu machen war bzw. die sich nicht an der Erhebung beteiligten, handelt es sich hierbei zum einen um Vereine, deren Aktivitäten in mehrere dieser Kategorien fallen. In der Kategorie „sonstige“ sind Selbstorganisationen zusammengefaßt, die generalisierend als „Kulturvereine“ bezeichnet werden. 5.2.1.3.2 Verteilung nach Vereinstypen bei türkischen Selbstorganisationen Den größten Anteil unter den Selbstorganisationen aller Migrantengruppen in der Bundesrepublik nehmen die türkischen ein. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden im Verlauf der Untersuchung insgesamt 1.228 türkische Selbstorganisationen ermittelt. Erklärungen für diese hohe Zahl an Selbstorganisationen sind neben der hohen Zahl türkischer Migranten in Nordrhein-Westfalen die lange Migrationsgeschichte sowie die sich darauf stützende Verbleibabsicht. Selbstorganisationen türkischer Migranten fallen nicht allein quantitativ besonders ins Gewicht, sondern weisen auch gegenüber den anderen hier untersuchten Migrantengruppen strukturelle Besonderheiten auf, die ihre Haupterklärung natürlich in der hohen Zahl, aber auch in anderen Ursachen haben, auf die später noch eingegangen werden soll. Eine auffällige Besonderheit bei türkischen Selbstorganisationen ist die hohe Zahl der religiös orientierten Vereine. Von den insgesamt 1.228 erfaßten Selbstorganisationen konnten 445 als Moscheevereine identifiziert werden. Dies entspricht einem Anteil von 36,2% aller türkischen Vereine. Neben den Moscheevereinen wurden weitere Selbstorganisationen ermittelt, die als religiöse Selbstorganisationen einzuordnen waren. Unter ihnen finden sich alevitische Kulturvereine und Vereine spezifischerer Art, wie etwa ein „islamischer Lesekreis“. Addiert man diese hinzu, erhöht sich die absolute Zahl religiös orientierter Selbstorganisationen bei Türken auf insgesamt 512, was einem Anteil von 41,7% aller ermittelten entspricht (vgl. die Tabelle 4, Typus der ermittelten Selbstorganisationen nach Nationalitäten, absolut und prozentual, S. 64). Der absolute und prozentuale Anteil religiös orientierter Selbstorganisationen dürfte noch höher liegen, da viele der erfaßten Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung nicht beteiligten oder wegen fehlender Adressen nicht beteiligen konnten, aufgrund des Namens nicht eindeutig als religiöse Selbstorganisationen identifiziert und entsprechend zugeordnet werden konnten. 5. Auswertung Der quantitativ hohe Anteil religiös orientierter Selbstorganisationen wird auch an der Zahl der Dachorganisationen deutlich, denen der größte Teil dieser Vereine angeschlossen ist. Insgesamt gibt es acht Dachverbände religiös bzw. unter anderem religiös orientierter Selbstorganisationen türkischer Migranten, deren Bundes- bzw. Europa-Zentralen sich größtenteils in Köln befinden. Der Dachverband mit der größten Zahl von Mitgliedsvereinen ist die „TürkischIslamische Union der Anstalt für Religion“ (Diyanet İşleri Türk İslam Birliği, kurz: DİTİB). Der DİTİB sind Eigenangaben zufolge bundesweit 725 Einzelvereine angeschlossen. Die Zahl der Mitgliedsvereine in Nordrhein-Westfalen liegt mit 239 bei rund einem Drittel aller Mitgliedsvereine. Einem weiteren islamischen Dachverband, dem „Verband der Islamischen Kulturzentren“ (VIKZ) sind bundesweit 299 Gemeinden angeschlossen, von denen sich jedoch 16 erst im Aufbau befinden, sodaß die Zahl der tatsächlich aktiven Gemeinden bei 283 liegt.50 Die Zahl der aktiven Gemeinden des VIKZ in Nordrhein-Westfalen liegt bei 122.51 Der Dachverband „Islamische Gemeinschaft Milli Görüş“ nennt in eigenen Publikationen für das Bundesgebiet eine Zahl von 274 Moscheegemeinden, die ihm angeschlossen sind. Da die IGMG in ihren Publikationen keine Angaben bezüglich der Mitgliedsvereine in Nordrhein-Westfalen macht, sind keine exakten Angaben möglich. Geht man davon aus, daß - wie im Falle der anderen Dachverbände - rund ein Drittel der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen liegt, hätte man einen Schätzwert von rund 90 Gemeinden.52 Ein weiterer türkischer Dachverband, dessen Mitgliedsvereine - wenn auch in untergeordneterer Bedeutung - religiöse Angebote für die Mitglieder vorweisen, ist die „Föderation der TürkischDemokratischen Idealistenvereine in Europa (Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu - ADÜTDF). Eigenen Angaben zufolge sind dem nationalistisch orientierten Dachverband bundesweit ca. 200, in Nordrhein-Westfalen 70 Kultur- bzw. Idealistenvereine angeschlossen.53 Unter den Mitgliedsvereinen befinden sich auch Moscheevereine, ohne daß deren exakte Zahl ermittelt werden konnte.54 Ein weiterer Dachverband, der aus einer Abspaltung von der ADÜTDF hervorgegangen ist, ist die „Türkisch-Islamische Union in Europa“ (Avrupa Türk İslam Birliği, kurz: ATİB), in der eigenen Angaben zufolge im Juni 1994 123 Vereine organisiert waren. Wie groß die aktuelle Zahl der Mitgliedsvereine, so auch der in Nordrhein-Westfalen ansässigen ist, bleibt unklar.55 Entsprechend ihrer Ausrichtung, die eine Synthese aus türkischem Nationalismus und islamischer Orientierung darstellt, unterhält die ATİB auch Gebetsstätten, ohne daß hierzu nähere Angaben gemacht werden können. Eine kleinere islamischer Dachorganisation ist der „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden“ (İslam Cemaatleri ve Cemiyetleri Birliği, kurz: İCCB), eine radikal-islamistische Organisation, die in der Türkei die Errichtung einer „Islamischen Republik Anatolien“ anstrebt. Zur Zahl der ihr angeschlossenen Moscheevereine können keine aktuellen Daten genannt werden. Für 1994 wurde die Zahl der Mitgliedsvereine bundesweit mit 74, hierunter ca. 20 in NRW, beziffert.56 Aufgrund der Streitigkeiten um den Vorsitz des Verbandes, die nach dem Tode des Vorsitzenden Cemalettin Kaplan im Mai 1995 einsetzten, ist die Zahl der Mitglieder zurückgegangen.57 Einen weiteren islamischen Verband mit eigenen Organisationsprinzipien ist die „Islamische Gemeinschaft Jama`at-un Nur“, die ihren Sitz in Köln hat. Die „Gemeinschaft“, die eine mystische Bewegung darstellt, die der Lehre des islamischen Gelehrten und Namensstifters Said-i Nursi (1877-1960) folgt, unterscheidet sich von den anderen Dachverbänden dahingehend, daß sie keine Gebetsstätten unterhält, sondern Lehranstalten („Medrese“), deren Zahl sich bundesweit auf 40 beläuft. Zur Zahl der Lehreinrichtungen, die in Nordrhein-Westfalen ansässig sind, können jedoch keine Angaben gemacht werden.58 Eine neuere Gruppierung unter den religiös orientierten türkischen Selbstorganisationen bilden die „Bildungszentren“, die der Bewegung unter der geistigen Führung Fethullah Gülens folgen. Die genaue Zahl der „Bildungszentren“, die seit 1993 gegründet wurden, ist nicht feststellbar.59 Ein weiterer Dachverband religiös bzw. religiös-kulturell orientierter Selbstorganisationen ist die „Föderation der Aleviten Gemeinden in Europa“ (Avrupa Alevi Birlikleri Federasyonu - AABF) mit Sitz in Köln. Die Zahl der Mitgliedsvereine liegt europaweit bei insgesamt 117. Der größte Teil dieser Vereine, 95, befindet sich in der Bundesrepublik, hiervon 23 im Bundesland Nordrhein-Westfalen.60 Eine weitere alevitische Selbstorganisation, die im vergangenen Jahr eine Generalvertretung in Deutschland (in Essen) eingerichtet hat, ist die „Cem Stiftung“ bzw. das „Republikanische Stiftungszentrum für Bildung und Kultur“ (Cumhuriyetçi Eğitim ve Kültür Merkezi Vakfı). Die Stiftung ist 50 Akualisierte Liste der Zentrale des VIKZ vom 12.06.98. Außerhalb der Bundesrepublik hat der VIKZ 34 Gemeinden in Österreich, 28 in den Niederlanden, 15 in Frankreich, 11 in Schweden, je 7 in der Schweiz und in Belgien, und je 2 in Großbritannien, Italien, Dänemark und Norwegen, so daß die Zahl der Gemeinden in Europa bei insgesamt 382 liegt. 51 In der Adressenliste, die uns der Verband zur Verfügung stellte, sind für Nordrhein-Westfalen insgesamt 130 Adressen aufgeführt. Da sich einige der Gemeinden jedoch erst im Aufbau befinden, liegt die Zahl der aktiven Gemeinden bei 122. 52 In eigenen Publikationen nennt die IGMG als Gesamtzahl der Mitgliedsorganisationen in Europa 1.022. Neben 463 Moscheegemeinden gehören Frauenorganisationen, Arbeiter-, Sport- und Eltern- sowie Studenten- und Jugendorganisationen zu den Mitgliedsvereinen. Vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Türkische Muslime in Nordrhein-Westfalen, 3. völlig überarbeitete Auflage, erstellt vom Zentrum für Türkeistudien (Essen), Düsseldorf 1997, S. 125-126. Vgl. auch die Web-Seite des Verbandes unter der Internet-Adresse http://members.aol.com/chrislages/milli96.html 53 Vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), a.a.O., S. 152. 54 Moscheevereine, die dem Dachverband ADÜTDF angeschlossen sind, finden sich in Duisburg, Löhne und Wuppertal. 55 Vor Beginn der Erhebung wurde in Absprache mit dem Vorstand der ATİB-Zentrale mündlich vereinbart, dieser die Fragebögen zwecks Weiterleitung an die einzelnen Vereine zuzusenden. Bei der ersten Verschickung Anfang Juli 1997 wurden der ATİB-Zentrale wunschgemäß 15 Exemplare zugeschickt. Bei der telefonischen Erinnerung Anfang September wiederum bat die Zentrale um Zusendung von 31 Fragebögen, von denen jedoch keiner ausgefüllt zurückgeschickt wurde. 56 Angabe im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW über das Jahr 1994. Vgl. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), a.a.O., S. 147. 57 So werden vom Bundesverfassungsschutz für 1996 nur noch ca. 1.500 Mitglieder insgesamt geschätzt. Zur Zahl der angeschlossenen Vereine werden jedoch keine Angaben gemacht. Vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz: Verfassungsschutzbericht 1996, Köln 1997, S. 199. 58 Zur „Islamische Gemeinschaft Jama`at-un Nur“ siehe Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.), a.a.O., S. 145-150. 59 Neben zwei Vereinen in Düsseldorf, die unter derselben Adresse gemeldet sind, existieren unseren Erkenntnissen zufolge Vereine in Gelsenkirchen, Hamm und Wuppertal. 60 Außerhalb der Bundesrepublik sind Vereine in Frankreich, Österreich, der Schweiz und Großbritannien Mitglied in der Föderation. Die genannten Zahlen stützen sich auf eine telefonische Auskunft des AABF-Vorstandsmitgliedes Ata Akdogan im Januar 1998. 94 5. Auswertung bestrebt, ebenfalls die Funktion eines Dachverbandes zu übernehmen. Da sie erst im Aufbau befindlich ist, sind keine Angaben zu Mitgliedsvereinen zu machen.61 Einen großen Anteil an den türkischen Selbstorganisationen nehmen Sportvereine ein. Unter den 1.228 erfaßten Selbstorganisationen befinden sich insgesamt 214 Sportvereine, das entspricht einem Anteil von 17,4%. Somit ist fast jeder sechste Verein türkischer Migranten in diesem Bereich aktiv. Berücksichtigt werden muß zudem, daß es sich bei dieser Zahl nur um die als Verein organisierten Selbstorganisationen handelt. Darüber hinaus gibt es eigenständige informelle Sportgruppen bzw. solche, die im Rahmen bestehender anderer Selbstorganisationen aktiv sind. So haben viele Selbstorganisationen anderer Art sportliche Angebote für verschiedene Altersgruppen. Als Beispiel seien hier Moscheevereine genannt, die im Rahmen ihrer Angebote für Kinder und Jugendliche sportliche Aktivitäten ermöglichen. Neben informellen Angeboten dieser Art gibt es auch eigenständige Sportvereine, die einem Moscheeverein angegliedert sind und von diesem die Möglichkeit der Raumnutzung eingeräumt bekommen. Interessanterweise gibt es umgekehrt Sportvereine, die über die sportlichen Aktivitäten hinaus auch andere Funktionen wahrnehmen, u.a. informelle Beratungstätigkeiten. Im Rahmen der Aktivitäten einzelner Sportvereine werden sogar Vorträge, etwa zu Fragen der Einbürgerung, organisiert. Auch für Vereinsbildungen, die Ableger von Parteien im Herkunftsland darstellen, gibt es verschiedene Beispiele. Die als Abspaltung von der „Partei des Rechten Weges“ entstandene „Partei der Demokratischen Türkei“ (Demokrat Türkiye Partisi) gründete Anfang 1998 in Berlin den „Verein der Demokratischen Türkei in Berlin“ (Berlin Demokrat Türkiye Derneği).62 Der Verein ist als EuropaZentrale angelegt, d.h. in Zukunft sollen sowohl in der Bundesrepublik als auch anderen europäischen Ländern Zweigstellen gegründet werden. Auch aus Kreisen der konservativen „Mutterlandspartei“ (Anavatan Partisi) hieß es 1997, man werde beginnen, im Ausland „Mutterlandsvereine“ aufzubauen. Ähnliche Initiativen zum Aufbau einer Auslandsvertretung wurden jüngst von der linksorientierten „Freiheits- und Solidaritäts-Partei“ (Özgürlük ve Dayanşma Partisi) und der „Friedenspartei“ (Barış Partisi) ergriffen, die sich ebenfalls in der Bundesrepublik organisieren wollen. Den Hintergrund derartiger Versuche zum Aufbau einer Auslandsvertretung bilden verschiedene Motive. Einerseits ist damit die Erwartung einer materiellen und politischen Unterstützung der Partei im Herkunftsland verbunden. Andererseits werden sie als potentielle Wähler angesehen, wie die Diskussionen um das Wahlrecht für Türken im Ausland zeigen. Konkrete Angaben zu den Aktivitäten dieser Organisationen in Nordrhein-Westfalen sind nicht möglich, da sie hier entweder noch nicht vertreten sind oder formell noch nicht in Erscheinung getreten sind. Ein weiterer Typus von türkischen Selbstorganisationen sind solche, die in Anlehnung bzw. Anbindung an hiesige politische Parteien gebildet werden. Die Orientierung an einer politischen Partei besteht sowohl gegenüber deutschen als auch Parteien im Herkunftsland. Ein Beispiel hierfür ist der „Freiheitlich Türkisch-Deutsche Freundschaftsverein e.V.“ bzw. kurz „Hür-Türk“ (Hürriyetçi Türk-Alman Dostluk Cemiyeti) mit Sitz in Bonn, der politisch der CDU nahesteht. Hür-Türk wurde 1979 gegründet, verfügt sowohl in der Bundesrepublik als auch in der Türkei über „Ortsverbände“. Stärker als in der Türkei ist Hür-Türk in der Bundesrepublik organisiert, wo die Zahl der Ortsverbände bundesweit auf 55 angewachsen ist. Neben dem Versuch, das konservative Wählerpotential unter türkischen Migranten zu organisieren, ist Hür-Türk auch darum bemüht, migrantenspezifische Arbeiten zu leisten. Ebenfalls CDU-nahe ist das „DeutschTürkische Forum“ (DTF), das im Dezember 1997 von deutschen und türkischen CDU-Mitgliedern ins Leben gerufen wurde und zum Ziel hat, türkische Migranten für die CDU zu gewinnen.63 Ein weiteres Beispiel für die Anlehnung an eine deutsche Partei ist die „Liberale Türkisch-Deutsche Union“ (LTD), die politisch der FDP nahesteht und türkisches Wählerpotential unter den hier lebenden Migranten zu organisieren versucht. Bei sozialdemokratisch orientierten Gruppierungen ist kein „Ableger“ entstanden, da diese politische Richtung bereits in den siebziger Jahren einen eigenständigen Dachverband, die „Föderation der Volksvereine türkischer Sozialdemokraten“ (Sosyaldemokrat Halk Dernekleri Federasyonu - HDF), gebildet hatte. In den Reihen der Mitglieder gibt es - ohne das hierzu Zahlenangaben gemacht werden können - zahlreiche Mitglieder in der SPD. Dasselbe gilt auch für die anderen genannten Parteien. Ein weiterer Dachverband, der ebenfalls kein Ableger ist, sich aber als migraionspolitische Interessenvertretung der Migranten aus der Türkei versteht und gleichzeitig soziale und kulturelle Aktivitäten durchführt, ist die „Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei“ (Türkiyeli Göçmen Dernekleri Federasyonu - GDF). Im Spektrum der türkischen Migrantenorganisationen finden sich Vereine und Dachverbände berufsständischer Natur. Neben Vereinen von Unternehmern und Selbständigen fallen in diese Kategorie Akademikervereine, Vereine einzelner Berufsgruppen wie Ärzte, Archtitekten und Ingenieure, um einige Beispiele zu nennen. Im weiteren Sinne können den berufsständischen Selbstorganisationen auch Vereine von Studierenden hinzugerechnet werden. Vereine von Unternehmern und Selbständigen stellen ein jüngeres Phänomen dar, das erst Ende der achtziger Jahre stärker in Erscheinung getreten ist. Das Phänomen der Gründung der Interessenvertretung einer Berufsgruppe ist natürlich vor dem Hintergrund zu sehen, daß ab den achtziger Jahren türkische Migranten verstärkt begannen, eigene Existenzen aufzubauen. Im Zuge dieses Prozesses entstanden einzelne Vereine, um die Interessen als Berufsgruppe und den Informationsaustausch zu organisieren. Neben einzelnen Unternehmervereinen auf lokaler Ebene, meist größeren Städten, existieren Unternehmerverbände als überregionaler Zusammenschluß dieser Berufsgruppe. In Rahmen der Untersuchung wur- 61 Bekannt ist lediglich, daß einzelne Vereine Kontakte zur Stiftung haben und an eine Mitgliedschaft denken, wie ein alevitischer Verein in Köln und einer in Marl. 62 An der offiziellen Gründung nahmen neben dem Vorsitzenden der Partei der Demokratischen Türkei weitere führende Persönlichkeiten teil. Siehe hierzu die Nachrichten in der Milliyet und Hürriyet vom 31.1.1998. 63 Vgl. Hür Türk Journal Nr. 2, Februar 1998, S. 20. 95 5. Auswertung den in Nordrhein-Westfalen insgesamt 15 türkische Unternehmerbzw. Vereine von Selbständigen ermittelt. In dieser Zahl sind auch die Dachverbände enthalten. In der Bundesrepublik sind insgesamt 3 Dachorganisationen türkischer Unternehmervereine vorhanden, die ihre Bundes- bzw. Europazentralen in Nordrhein-Westfalen haben. Neben dem „Bundesverband Türkisch-Deutscher Unternehmervereine in Deutschland“ (Türk-Alman İşadamları Dernekleri Almanya Federasyonu - TİDAF) in Köln mit bundesweit 17 Mitgliedsvereinen, existiert der „Verband Türkischer Unternehmer und Industrieller in Europa“ (Avrupa Türk Sanayici ve İşadamları Derneği - ATİAD). Ein neuerer Unternehmerverband ist der „Verein unabhängiger Industrieller und Unternehmer“ (Müstakil Sanayici ve İşadamları Derneği - MÜSİAD), der als Ableger des Verbandes in der Türkei gegründet wurde. Im MÜSİAD, dessen Zentrale sich in Köln befindet, sind islamisch orientierte Unternehmer und Selbständige organisiert. Als Neugründung befindet sich der Verband erst im Aufbau, hat aber bereits in verschiedenen Städten (z.B. Hamburg) Zweigstellen eingerichtet. Das Hauptanliegen dieser Dachverbände, aber auch der einzelnen Unternehmervereine, ist auf die Interessen der Unternehmer konzentriert. Zu den Aufgaben, die Unternehmervereine für ihre Mitglieder wahrnehmen, gehört der Informationsfluß über rechtliche und steuerliche Belange. Neben der Interessenvertretung sind türkische Unternehmervereine jedoch auch in anderen Bereichen aktiv. Genannt werden können migrationsspezifische Themen und kulturelle Veranstaltungen. Türkische Unternehmerverbände haben darüber Interesse an Projekten gezeigt, die auf die Einrichtung von Ausbildungsplätzen abzielen. So ist ein Teil von ihnen an Ausbildungsverbünden beteiligt, die dieses Ziel verfolgen. Zum Bereich berufsgruppenorientierter Vereinsbildungen gehören auch die Organisationen von Freiberuflern wie Ärzten, Ingenieuren, und Akademikervereine, von denen die letztgenannten 1996 einen Dachverband, den „Bund türkischer Akademikervereine in Deutschland“ (ATAK e.V. - Almanya Türk Akademik Kuruluşları Birliği), formiert haben, dem bundesweit 18 Mitgliedsvereine angehören. Das Hauptanliegen des Dachverbandes ist der Technologie- und Know How-Transfer. Hierzu organisiert er unter Beteiligung von deutschen und türkischen Wissenschaftlern Konferenzen. Mitgliedsvereine oder auch unabhängige Akademikervereine führen darüber hinaus andere Aktivitäten durch. Neben Vorträgen und kulturellen Aktivitäten organisieren sie, wie im Falle der „Türkischen Akademiker zu Bochum“ (TABO), auch Ausstellungen und Konzerte, in denen die Kunst der Türkei einem deutschen Publikum vorgestellt werden soll. Eine weitere konkrete Initiative des Vereins ist ein Studentenaustauschprogramm zwischen der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Istanbul, der somit ein Beispiel für die Hochschulkooperation zwischen beiden Ländern darstellt. Auch Studentenvereine haben sich jüngst zu einem Dachverband zusammengeschlossen. Der „Bundesverband türkischer Studierendenvereine“ (BTS) mit Sitz in Berlin hat auch einzelne Mitgliedsvereine in Berlin. Der Verband befindet sich bislang in der Aufbauphase und bemüht sich um eine bundes- weite Interessenvertretung und die Aufklärung der türkischen Studierenden über Studienmöglichkeiten. Neben den oben genannten berufsständischen Organisationen existieren zahlreiche weitere ziel- und zielgruppenorientierte Selbstorganisationen der Migranten aus der Türkei, die für eine funktionale Ausdifferenzierung bei der Wahrnehmung eigener Belange stehen. In größerer Zahl sind dies Elternvereine, deren Hauptanliegen die Verbesserung der schulischen Situation der Kinder darstellt. Ein Teil der türkischen Elternvereine hat sich jüngst in einer bundesweiten Dachorganisation, der „Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland“ (FÖTED), angeschlossen, hierunter auch Elternvereine in Nordrhein-Westfalen. Weitere funktionale Differenzierungen bei türkischen Selbstorganisationen sind Jugend-, Frauen-, Seniorenund Behindertenhilfsvereine. An dieser Stelle müssen auch Vereine genannt werden, die für eine spezifischere Zielsetzung gegründet wurden. Hier können Theatervereine und solche genannt werden, die als Träger für Medienprojekte gegründet wurden. Weitere Formen der Ausdifferenzierung bei Selbstorganisationen von Migranten aus der Türkei ist die Bildung von Vereinen ethnischer bzw. religiöser Minderheiten und die Bildung landsmannschaftlich ausgerichteter Vereine. Die Bevölkerungszusammensetzung in der Türkei zeichnet sich durch eine Vielfalt ethnisch definierbarer und religiöser bzw. konfessioneller Subgruppen aus.64 Neben kurdischen Selbstorganisationen, auf die weiter unten eingegangen wird, gibt es vereinzelt Selbstorganisationen anderer ethnischer Gruppen aus der Türkei. So finden sich in Nordrhein-Westfalen drei Vereine von Nachfahren nordkaukasischer Flüchtlinge, die im Rahmen des Vereins eigene kulturelle Eigenarten zu pflegen bemüht sind.65 Weitere Beispiele für Selbstorganisationen, in denen sich ethnische bzw. religiös-konfessionelle Gruppen aus der Türkei organisieren, sind (allesamt in Köln) einzelne Vereine von Aserbaidschanern, Kasachen, Lasen, und - als landsmannschaftlich formierte Selbstorganisation ein Verein, dessen Mitgliedschaft sich überwiegend aus alevitischen Arabern zusammensetzt. Landsmannschaftliche Selbstorganisationen, deren Zahl sich in den letzten Jahren vergrößert hat, versuchen die Migranten einer bestimmten Region (Provinz) der Türkei zusammenzubringen und die Bindung an diese aufrechtzuerhalten. Als Organisationstypus sind sie auch in der Türkei stark verbreitet, wo sich im Zuge der Binnenmigration in den Städten der Zuwanderung die Personen des gleichen Herkunftsgebietes organisieren. Im Gegensatz zu den entsprechenden Vereinen in der Türkei, die für Neu-Zugewanderte Hilfestellungen bieten, beschränken sich die Aktivitäten der landsmannschaftlichen Vereine in der Bundesrepublik auf kulturelle Veranstaltungen, bei denen oft ein Teil der Eintrittsgelder Hilfeleistungen sozialer oder humanitärer Art der Herkunftsregion zugute kommen. Andere Aktivitäten landsmannschaftlicher Vereine in der Bundesrepublik beziehen sich auf eine Ausweitung der deutsch-türkischen Kontakte mit der Türkei. 64 In der Türkei leben Angehörige bzw. Nachfahren von über zwanzig verschiedenen ethnischen Gruppen. Differenziert man diese in religiöse bzw. konfessionelle Subgruppen, erhöht sich die Zahl auf über vierzig. Vgl. Zentrum für Türkeistudien (Hg.): Das ethnische Mosaik der Türkei und seine Widerspiegelung in Deutschland, Münster 1998. 65 Sie sind unter der Bezeichnung „Tscherkessen“ bekannt, obwohl dieser Name die Bezeichnung nur einer von verschiedenen ethnischen Gruppen darstellt, sich aber als Sammelbegriff durchgesetzt hat. 96 5. Auswertung 5.2.1.3.3 Kurdische Selbstorganisationen Trotz des unter den Migranten aus der Türkei geschätzten hohen Anteils von ca. 500.000 Kurden ist die Zahl der kurdischen Selbstorganisationen im Verhältnis relativ gering. Im Rahmen der Bestandsaufnahme konnten in Nordrhein-Westfalen lediglich 54 kurdische Selbstorganisationen ermittelt werden. Die tatsächliche Zahl wird aufgrund nicht zu ermittelnder Selbstorganisationen, die an einer Wahrnehmung durch die hiesige Öffentlichkeit nicht interessiert sind, insgesamt höher liegen. Berücksichtigt man jedoch die Zahl der Vereine, denen der Fragebogen aufgrund Auflösung bzw. unbekannten Verzugs postalisch nicht zugestellt werden konnten, dürfte sich die Gesamtzahl auf die oben genannte von ca. 50 einpendeln. Eine Erklärung für die geringe Zahl eigener Selbstorganisationen von Kurden dürfte sein, daß bei einem großen Teil der Kurden kein ausgeprägtes ethnisches Bewußtsein im Sinne einer Ethnisierung vorhanden ist. In anderen Fällen dürfte die ethnische von der religiösen bzw. religiöskonfessionellen Identität überlagert sein.66 So ist, ohne daß dies quantifiziert werden kann, bekannt, daß sunnitische Kurden aus der Türkei in großer Zahl Mitglied in Moscheevereinen, und alevitische Kurden in alevitischen Vereinen aktiv sind. Ein weiteres Anzeichen hierfür ist, daß kaum kurdische Moscheevereine bzw. kurdisch-alevitische Kulturvereine entstanden sind. Den größten Teil der kurdischen Selbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen bilden diejenigen der kurdischen Migranten aus der Türkei. Neben diesen konnte nur ein Verein von Kurden aus dem Irak und einer von Kurden aus Syrien ermittelt werden. Die kurdischen Selbstorganisationen sind größtenteils in Dachorganisationen zusammengefaßt, von denen es in der Bundesrepublik insgesamt drei gibt, deren Bundeszentralen sämtlich in Nordrhein-Westfalen ansässig sind. Neben den Dachverbänden und den ihnen angeschlossenen Vereinen existieren in kleiner Zahl eigenständige Selbstorganisationen, so auch in Form von Initiativgruppen. Daneben sind in den letzten Jahren auch berufsständische Selbstorganisationen kurdischer Migranten entstanden, und es existieren deutsch-kurdische Zusammenschlüsse und Initiativen, die hinsichtlich ihrer Zielsetzungen auf Veränderungen in den verschiedenen Herkunftsländern der Kurden ausgerichtet sind und in diesem Sinne politisch aktiv sind. Die Verteilung der kurdischen Selbstorganisationen nach Vereinstypen weist sowohl einige Schwierigkeiten als auch einige Besonderheiten auf. Insgesamt gibt es drei kurdische Dachorganisationen in der Bundesrepublik, deren Bundeszentralen ihren Sitz in Nordrhein Westfalen haben. Die drei kurdischen Dachorganisationen sind KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan e.V.) mit Sitz in Köln, Civata Kurd li Almanya (Kurdische Gemeinde in Deutschland e.V.), ebenfalls mit Sitz in Köln, sowie YEK-KOM (Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V.) mit Sitz in Bochum. Alle drei Dachver- bände sind von ihrem Anspruch politische Organisationen, die in ihren jeweiligen Orientierungen jedoch Unterschiede aufweisen, so daß man sie teilweise den migrationspolitisch aktiven Organisationen zuordnen kann. Am deutlichsten ist dies bei KOMKAR, dem Verband der Vereine aus Kurdistan. Der Verband ist die älteste und von ihrer Organisationsstruktur am weitesten entwickelte Dachorganisation kurdischer Migranten. Er wurde bereits 1979 gegründet. Dem Verband sind Angaben des Vorstandes zufolge bundesweit etwa 40 Vereine bzw. Komitees angeschlossen. Die größte Organisationsdichte hat der Verband im Bundesland Nordrhein-Westfalen, wo die Zahl der angeschlossenen Vereine 17 beträgt, von denen 11 über eigene Vereinsräume verfügen. Neben politischer Aufklärung über die Situation der Kurden in den Heimatstaaten ist der Schwerpunkt der Aktivitäten auf die rechtliche, soziale und politische Situation in der Bundesrepublik gerichtet. Zu den migrationspolitischen Hauptzielen von KOMKAR zählt die Anerkennung der Kurden als eigenständige ethnische Gruppe, zu denen im konkreten die Erteilung muttersprachlichen Unterrichts, Sozialberatung und Betreuung kurdischer Migranten, die Anerkennung kurdischer Namen auf Standesämtern und die Durchführung kurdischsprachiger Radioprogramme gehören. Als Dachorganisation kurdischer Migranten ist KOMKAR gleichzeitig Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände (BAGIV)67, des Antidiskriminierungsrates in NRW (ADR) sowie des Migrantenforums der EU in Brüssel. Die migrantenspezifische Ausrichtung wird auch daran deutlich, daß der größte Teil der Mitgliedsvereine von KOMKAR Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) ist. Ein weiterer Dachverband kurdischer Organisationen ist YEKKOM, die „Föderation kurdischer Vereine in Deutschland“ mit Sitz in Bochum. Sie wurde am 27. März 1994 von 12 kurdischen Vereinen als Nachfolgeorganisation von FEYKA-Kurdistan gegründet, die infolge des PKK-Verbots vom November 1993 geschlossen wurde. Eigenen Angaben zufolge arbeitet YEK-KOM bundesweit mit über 40 kurdischen Organisationen zusammen und gehört zu den Gründungsmitgliedern der „Konföderation kurdischer Vereine KON-KURD in Europa.“68 Andere schätzen die Zahl der Vereine, die YEK-KOM angegliedert sind, bundesweit auf 100. Allein in Nordrhein-Westfalen wird die Zahl der Mitgliedsvereine bzw. die derjenigen, die dem Umfeld zuzurechnen seien, auf 30-40 geschätzt.69 Die Zielsetzungen, zu denen die Bemühung zur Aufhebung des PKK- und ERNK-Verbots in Deutschland gehört, sowie das in Publikationen verwendete Vokabular und die Verwendung der Symbole der PKK, verweisen auf die politische Ausrichtung von YEK-KOM.70 In Publikationen setzt sich der Dachverband eigenen Aussagen nach für die „rechtlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse“ der Kurden 66 Hierauf verweist auch Meyer-Ingwersen, a.a.O., S. 323. 67 Die BAGIV wurde 1985 gegründet und hat ihren Sitz in Bonn. Sie versteht sich als übernationale Interessenvertretung der Migranten, und setzt sich für deren politische und soziale Gleichstellung ein. Ein weiteres Ziel ist die Einführung von muttersprachlichem Unterricht für ethnische Minoritäten der Herkunftsstaaten. 68 Vgl. die Eigendarstellung der YEK-KOM im Vorwort von Kızılhan, İlhan: Der Sturz nach oben. Kurden in Deutschland. Eine psychologische Studie, Frankfurt/M. 1995, herausgegeben von medico international und YEK-KOM, S. 9-10. 69 Exakte Angaben zu YEK-KOM und ihren Mitgliedsvereinen können nicht gemacht werden, da sich die Föderation trotz verbal bekundeter Bereitschaft nicht an der Erhebung beteiligte. 70 Als Grund dafür, daß YEK-KOM die Zahl seiner Mitgliedsvereine niedriger angibt, wurde von Multiplikatoren angeführt, daß man diese im Falle einer weiteren Verbots-Welle vor einer Schließung schützen wolle. 97 5. Auswertung ein.71 In der Praxis sind dessen Aktivitäten jedoch stärker heimatorientiert. Um flächendeckend Kurden unterschiedlicher Religionsbzw. Konfessionszugehörigkeit mobilisieren zu können, wurden Organisationen gegründet, die der YEK-KOM nahestehen oder demselben Spektrum zuzurechnen sind; hierzu gehören die „Union der Patriotischen Jugendlichen Kurdistans“ (YWXK), die „Union der Patriotischen Frauen Kurdistans“ (YWJK), die „Union der Gläubigen Kurdistans“ (Sunniten), die „Union der Aleviten Kurdistans“ sowie die „Union der Yeziden Kurdistans“. Durch diese Vielzahl von Organisationen und Verbänden, die teilweise ineinander übergehen und deren Mitglieder teilweise gleichzeitig Mitglied in einer weiteren der aufgezählten Organisationen sind, soll ein breites Spektrum der kurdischen Migranten erfaßt werden.72 YEK-KOM ist als Verband Mitglied in der „Konföderation der kurdischen Vereine und Verbände in Europa“ (KON-KURD), einem länderübergreifenden Zusammenschluß kurdischer Verbände mit Sitz in Brüssel, dem Dachorganisationen in neun verschiedenen europäischen Staaten angeschlossen sind.73 Ein weiterer Dachverband kurdischer Selbstorganisationen ist Civata Kurd li Almanya, die „Kurdische Gemeinde in Deutschland e.V.“, die Anfang 1992 gegründet wurde und ihre Bundeszentrale in Köln hat. Sie wurde als Nachfolgeorganisation der „Föderation Demokratischer Arbeitervereine Kurdistans“ (KKDK) gegründet. Eigenen Angaben zufolge beläuft sich die Zahl der angeschlossenen Vereine auf 18, in denen insgesamt 1.700 Mitglieder erfaßt sind.74 Neben Vereinen und Interessenkomitees können auch natürliche Personen Mitglied werden. Mitgliedsvereine existieren u.a. in Dortmund, Bochum und Hagen. Als Dachverband ist die Gemeinde Mitglied in der nationalitätenübergreifenden Dachorganisation „Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände“ (BAGIV) sowie dem länderübergreifenden Europäischen Immigrantenforum, bei dem sie Vorstandsmitglied ist.75 Politisch steht sie der 1996 gegründeten „Einheitspartei der Sozialisten Kurdistans“ (PYSK) nahe. Neben einer begrenzten Migrationsarbeit leistet sie heimatorientierte politische Arbeit.76 Zu den heimatorientierten Aktivitäten gehören Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen.77 Eine eindeutige Zuordnung der einzelnen kurdischen Vereine ist schwer möglich. Die meisten (75,5%/40 absolut) wurden aufgrund ihrer vielfältigen Aktivitäten unter der Kategorie „sonstige“ subsumiert. Bei diesen handelt es sich meist um die Mitgliedsvereine der Dachorganisationen. Eine Binnendifferenzierung nach Zielgruppen ist bei kurdischen Selbstorganisationen nur in Ansätzen zu beobachten. Kurdische Moscheevereine konnten nicht erfaßt werden, obwohl es laut Schätzung kurdischer Experten etwa 30 Vereine dieser Art geben soll. Zu ihrer bundesweiten Zahl können überhaupt keine Angaben gemacht werden.78 Unter diesen religiösen Vereinsbildungen sind in letzter Zeit auch solche, die der PKK nahestehen. Um religiös orientierte Kurden verschiedener konfessioneller Zugehörigkeiten „flächendeckend“ mobilisieren zu können, seien an verschiedenen Orten Selbstorganisationen gegründet worden. Allein in Nordrhein-Westfalen soll es Schätzungen nach etwa zehn Vereine dieser Orientierung geben.79 Bei der Erfassung der bestehenden kurdischen Selbstorganisationen konnten lediglich drei ermittelt werden, die dem Typus „sonstige religiöse Vereine“ zuzuordnen waren. Kategorisiert werden konnten einige Selbstorganisationen als „Frauenverein“ (insgesamt fünf), „Jugendverein“ (insgesamt zwei) sowie „Sportverein“ (insgesamt zwei). Unter den kurdischen Organisationen finden sich auch einige, die den ethnischen Bezug haben, jedoch nicht ausschließlich als Selbstorganisationen aufzufassen sind, da sie deutsche Mitglieder haben, die aus politischem Interesse an der Situation der Kurden in ihren Herkunftsländern mitwirken. Eine Einrichtung dieser Art ist das Kurdisches Informations- und Dokumentationszentrum (Navend), das 1992 in Bonn gegründet wurde und derzeit eigenen Angaben zufolge etwa 80 Fördermitglieder und 120 aktive Mitglieder hat. Neben Kurden verschiedener Herkunftsländer gehören auch Deutsche zu den Mitgliedern des Zentrums.80 Zu den formulierten Zielen von Navend gehört die Aufklärung der deutschen Öffentlichkeit über die Kurden, die Anregung der „Diskussion über politische Lösungsansätze der kurdischen Frage und Kooperationsmöglichkeiten“ anzuregen.81 An der Zusammensetzung der Mitglieder, zu denen viele politisch interessierte Deutsche gehören, ist erkennbar, daß Navend keine rein ethnische Selbstorganisation ist. Auch die Zielsetzungen und Aktivitäten machen deutlich, daß migrantenspezifische Zielsetzungen eher im Hintergund stehen. Die politischen Zielsetzungen werden auch an den aufgelisteten Aktivitäten deutlich, zu denen „Kontaktpflege und Informationsgespräche mit Regierungen, Parteien, Politikern und Parlamentariern“ und „Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden“ etc. gehören.82 Navend gibt seit der Gründung im Jahr 1992 die Zeitschrift Kurdistan heute heraus, die seitdem in unregelmäßigen Abständen kontinuierlich erscheint. Die Zeitschrift enthält Nachrichten, Interviews und Beiträge zur Kurdenfrage in den verschiedenen Ländern und zur Geschichte und Kultur der Kurden. 71 Vgl. die Eigendarstellung der YEK-KOM im Vorwort von Kızılhan, İlhan, a.a.O., S. 9. 72 Saydam, Abubekir, a.a.O., S. 56. 73 Neben YEK-KOM in der Bundesrepublik gibt es Mitgliedsverbände in Österreich, Frankreich, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Großbritannien. 74 Mündliche Informationen des Vorsitzenden der „Kurdischen Gemeinde in Deutschland e.V.“ vom März 1997. 75 Vgl. hierzu auch die Selbstdarstellung der Kurdischen Gemeinde in Deutschland. 76 Informationen von A. Saydam. 77 So wurde zur Unterstützung der hungerstreikenden Gefangenen in der Türkei im Juni 1996 ein Solidaritäts-Hungerstreik einiger Mitgliedsvereine organisiert. Vgl. hierzu die Presseerklärungen der Bundesgeschäftsstelle der Kurdischen Gemeinde. 78 Hierzu wäre eine umfangreiche Bestandsaufnahme erforderlich. 79 Informationen von befragten Multiplikatoren. 80 Mündliche Informationen des Vorsitzenden Metin İncesu in einem mit ihm geführten Gespräch. 81 Zitiert aus dem Faltblatt Wer wir sind und was wir wollen von Navend. 82 Vgl. das Faltblatt Wer wir sind und was wir wollen von Navend. 98 5. Auswertung Zu den Initiativen, die in Zusammenarbeit mit Vertretern der deutschen Öffentlichkeit Lobby-Arbeit betreiben, gehört der Internationale Verein für Menschenrechte in Kurdistan IMK e.V. mit Sitz in Bonn. Der Verein, in dem auch deutsche Politiker zu den Vorstandsmitgliedern gehören, veröffentlicht seit 1993 die Kurdistan News, in der in deutscher Sprache Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei enthalten sind. Ähnlich zuzuordnen ist der „Dialog-Kreis Krieg in der Türkei: Die Zeit ist reif für eine politische Lösung in Zusammenarbeit mit Wir e.V.“ mit Sitz in Köln, der seit 1996 in unregelmäßigen Abständen das Bulletin Nützliche Nachrichten herausgibt, das Nachrichten über die Situation der Kurden in der Türkei und in der Bundesrepublik und Aktivitäten in diesem Bereich enthält. 5.2.1.3.4 Bosnische Selbstorganisationen Trotz der relativ hohen Zahl von Bosniern in der Bundesrepublik ist die Zahl der Selbstorganisationen im Verhältnis niedrig. Der entscheidende Grund für den geringen Organisationsgrad von bosnischen Migranten ist, daß die Bildung eigener Vereine erst nach dem Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien verstärkt einsetzte. Davor waren Bosnier überwiegend in gesamt-jugoslawischen Vereinen organisiert. Dies läßt sich auch hinsichtlich religiös orientierter islamischer Einrichtungen sagen, die damals wie heute BalkanMuslime unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit ansprachen. Zu nennen wären hier muslimische Albaner und Makedonier. Auch im Bereich kulturell orientierter Selbstorganisationen waren bosnische Migranten in gesamtjugoslawischen aktiv. Der Aufbau eigener bosnischer Organisationen unterschiedlicher Ausrichtungen begann erst nach Ausbruch des Krieges und befindet sich erst in der Aufbauphase. Die Aufbauphase ist retrospektiv betrachtet durch Diskontinuitäten und Fluktuation gekennzeichnet. Im Rahmen der Untersuchung konnten im Bundesland Nordrhein-Westfalen bei der Adressensammlung lediglich 46 Selbstorganisationen erfaßt werden, bei denen die nationale Zuordnung aufgrund des Namens oder anderer Informationen möglich war. Die Verteilung der bosnischen Selbstorganisationen nach Vereinstypen zeigt einige Häufungen. Rund ein Viertel der bosnischen Selbstorganisationen sind Moschee- bzw. sonstige religiös orientierte Vereine (23,9%/absolut 11), von denen vier (8,7%) eindeutig als Moscheevereine einzuordnen waren. Bei diesem Vereinstyp besteht auch ein Dachverband, die „Vereinigung Islamischer Gemeinden der Bosniaken in Deutschland e.V.“, der seinerseits Mitglied im Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), einer nationenübergreifenden Dachorganisation, ist. Ein weiterer Typ bosnischer Selbstorganisationen sind politisch orientierte Vereine. Hier muß an erster Stelle die „Gemeinschaft demokratischer Aktion“ (Stranska Demokratia Aktia - SDA) genannt werden, die der gleichnamigen Partei in Bosnien-Herzegowina nahesteht. Sie hat ihre Europa-Zentrale in Stuttgart und in den verschiedenen Bundesländern regionale Zentralen. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien entstanden zahlreiche Vereine, deren Ziel die Organisierung humanitärer Hilfsleistungen war. Die Größte unter diesen Wohlfahrtsorganisationen ist „Merhamet“, deren Deutschlandzentrale sich in Bonn befindet und die bundesweit 15 örtliche Vereine - hierunter 6 in Nordrhein-Westfalen - einrichtete, die jedoch eher unabhängig voneinander arbeiteten.83 Infolge des Kriegsendes haben die Aktivitäten dieser Hilfsvereine stark abgenommen oder sind zum Stillstand gekommen. Unter den bosnischen Selbstorganisationen finden sich als weitere Gattung Kulturorganisationen, deren Aktivitäten auf den Erhalt der eigenen Identität, aber auch auf die Vermittlung von Informationen über das hiesige Leben abzielen und somit eine Integrationsorientierung aufweisen. Unter diesen finden sich überregionale Kulturorganisationen wie Matica Bosnjaka mit Sitz in Coesfeld und der Verein Preporod in Wuppertal.84 5.2.1.3.5 Maghrebinische Selbstorganisationen Aufgrund der relativ kleinen Zahl und der Streuung der Migranten aus den Maghreb-Staaten sind auch von ihnen gebildete Selbstorganisationen lediglich in kleinerer Zahl vorhanden. Im Rahmen unserer Untersuchung konnten in Nordrhein-Westfalen lediglich 67 maghrebinische Selbstorganisationen ermittelt werden. Die Zahl der aufgrund des Namens als „marokkanisch“ identifizierbaren Selbstorganisationen bildet mit 44 den größten Teil der maghrebinischen Vereine. Eine Häufung bei den Vereinstypen ist lediglich bei Moscheevereinen festzustellen, deren Anteil bei 23,3% (absolut 10) liegt. Mit weiteren vier (9,3%) sonstigen religiösen Selbstorganisationen erhöht sich der Anteil der Selbstorganisationen, deren Hauptaktivität religiöse Belange sind, auf 32,6% aller marokkanischen Vereine. Zielgruppenorientierte Vereinsbildungen bei Marokkanern finden sich vereinzelt als Sportvereine oder Elternvereine. Die Zahl der Selbstorganisationen, die dem Vereinsnamen nach als tunesisch ausgewiesen waren, liegt bei lediglich 11, von denen keine einem bestimmten Typus zugeordnet werden konnte. Bei den weiteren Selbstorganisationen handelt es sich teilweise explizit um „maghrebinische“ bzw. „arabische“ Selbstorganisationen, in denen neben Maghrebinern auch Araber anderer Staaten vertreten sind. Die Zahl der tatsächlich aktiven bzw. bestehenden liegt jedoch, wie in der Erhebungsphase festgestellt werden konnte, erheblich niedriger. So konnten viele Selbstorganisationen als „unbekannt verzogen“ oder möglicherweise aufgelöst auf dem Postweg nicht erreicht werden. Unter den maghrebinischen Selbstorganisationen finden sich hauptsächlich Moschee-, Kultur- und Familienvereine. Zu ihren Aktivitäten gehören neben der Möglichkeit der Begegnung und des Kontaktes untereinander die Organisierung von muttersprachlichem Unterricht, religiöser Unterweisung und die informelle Wahrnehmung sozialberaterischer Betreuungsaufgaben. In einzelnen Fällen werden auch Vorträge über das Herkunftsland und seine Kultur durchgeführt.85 83 Vgl. Zentrum für Türkeistudien: Studie über Islamische Organisationen der türkischen, marokkanischen, tunesischen und bosnischen Minderheiten in Hessen..., S. 152-153. 84 Ebenda, S. 152-154. 85 Aus dem Interview mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der marokkanischen „Islamischen Gemeinde“ in Herne, Herr Ramdani. 99 5. Auswertung Tabelle 4: Typus der ermittelten Selbstorganisationen nach Nationalitäten, absolut und prozentual Insgesamt Moschee- religiöse vereine Dachverbände sonstige religiöse Vereine Sportvereine Jugendvereine Elternvereine Unternehmervereine Altenvereine Lehrervereine Frauen- Studenten- Berufsvereine vereine vereine Behindertenhilfsvereine Türkei 1281 89,4 445 96,7 6 85,7 70 83,3 216 96,4 22 91,7 45 97,8 15 100,0 4 66,7 8 100,0 19 95,0 6 85,7 10 100,0 3 100,0 türkisch 1228 85,7 445 96,7 6 85,7 67 79,8 214 95,5 19 79,2 45 97,8 - 4 66,7 8 100,0 14 70,0 6 85,7 10 100,0 3 100,0 kurdisch 53 3,7 - - 3 3,6 2 0,9 3 12,5 - - - - 5 25,0 - - - Bosnien-Herzegowina 46 3,2 4 0,9 1 14,3 7 8,3 - - - - - - - - - - Jugoslawien 1) 29 2,0 - - - 4 1,8 - - - 1 16,7 - - - - - Marokko 43 3,0 10 2,2 - 4 4,8 4 1,8 - 1 2,2 - - - - - - - Tunesien 11 0,8 - - - - - - - - - - - - - muslimisch 2 0,1 1 0,2 - - - 1 4,2 - - - - - - - - maghrebinisch 6 0,4 - - 2 2,4 - - - - - - - - - - nationenübergreifend 15 1,0 - - 1 1,2 - 1 4,2 - - 1 16,7 - 1 5,0 1 14,3 - - 1433 100,0 460 100,0 7 100,0 84 100,0 224 100,0 24 100,0 46 100,0 15 100,0 6 100,0 8 100,0 20 100,0 7 100,0 10 100,0 3 100,0 Insgesamt 1) Jugoslawische Selbstorganisationen, die keiner Nationalität der Nachfolgestaaten zugeordnet werden konnten 5.2.2 Rücklauf 5.2.2.1 Rücklauf insgesamt Von den insgesamt erfaßten 1.785 Organisationen wurde 1.327 ein Fragebogen zugeschickt. Dies waren alle mit Adressen ermittelten Selbstorganisationen, darüber hinaus jedoch auch interbzw. multikulturellen Einrichtungen sowie deutschen Einrichtungen mit migrantenspezifischen Aktivitäten bzw. Angeboten, und auch Selbstorganisationen, bei denen aufgrund des Namens die Zuordnung zu einem Herkunftsland nicht möglich war, jedoch die Möglichkeit bestand, daß es sich um eine Selbstorganisation der hier untersuchten Gruppen handeln könnte. Weitere Adressen wurden zu einem Teil herausgefiltert, da es sich bereits vor der Erhebung herausstellte, daß es sich um Migrantenselbstorganisationen anderer, hier nicht untersuchter Herkunftsländer oder um deutsche Einrichtungen handelt, deren Zielgruppen andere sind (Deutsche oder andere Nationalitäten). Darüber hinaus konnten insgesamt 265 Selbstorganisationen nicht angeschrieben werden, da ihre Adressen nicht zu ermitteln waren oder zu spät ermittelt wurden. Hier muß erwähnt werden, daß die Ermittlung weiterer Selbstorganisationen auch über den Erhebungszeitraum hinaus fortgesetzt wurde. Mit einem Gesamtrücklauf von 377 Fragebögen bei 1.327 verschickten insgesamt ergibt sich eine Quote von 28,4%. Subtrahiert man die 156 als unzustellbar zurückgekehrten Fragebögen, reduziert sich die Zahl der gültigen Adressen auf 1.171. Unberücksichtigt bleibt dabei, daß nicht in jedem Fall nicht zustellbare Postsendungen auch an den Absender zurückgehen. Insgesamt 382 Fragebögen wurden ausgefüllt zurückgeschickt. In fünf Fällen antworteten Vereine doppelt, d.h. bei 86 Dies war der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). 100 der telefonischen Erinnerung wurde um die erneute Zuschickung des Fragebogens gebeten, woraufhin beide Fragebögen dann von zwei verschiedenen Personen ohne Wissen des anderen ausgefüllt und zurückgeschickt wurden. Damit verbleiben 377 gültige Antworten, was eine Nettorücklaufquote von 32,2 % ergibt. Berücksichtigt man, daß ein türkischer Dachverband stellvertretend für seine 125 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen antwortete, wäre bei Berücksichtigung dieser die Rücklaufquote insgesamt höher gewesen.86 Die Rücklaufquote ist als zufriedenstellend zu bezeichnen, wenn man einerseits die grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Befragung von Migranten in Rechnung stellt. Hier ist vor allem das Sprachproblem zu nennen. Außerdem hatten sich einige islamische Dachverbände selber nicht an der Erhebung beteiligt und die Mitgliedsvereine auch nicht zur Teilnahme motiviert, so daß nur einzelne dieser antworteten. Dies waren die „Islamische Gemeinde Milli Görüş (IGMG)“, die „Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ (Avrupa Türk İslam Birliği - ATİB) und die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa“ (Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu - kurz: Türk Federasyon). Im Falle des „Verbandes der islamischen Kulturzentren (VIKZ)“ wiederum antwortete, wie bereits erwähnt, der Dachverband stellvertretend für die Mitgliedsgemeinden. 5. Auswertung Tabelle 5: Verteilung der ermittelten Adressen abs. % 458 156 776 377 5 1 12 25,7 8,7 43,5 21,1 0,3 0,1 0,7 1785 100,0 nicht verwendet Adresse unbekannt keine Antwort Antwort Doppelantwort verzogen aufgelöst N= Tabelle 8: Selbstorganisationen nach Staatsangehörigkeiten Türkei, darunter türkische Selbstorganisationen kurdische Selbstorganisationen Bosnien-Herzegowina Jugoslawien Marokko Tunesien nationenübergreifend N= abs. % 323 314 9 6 2 5 3 5 93,9 91,3 2,6 1,7 0,6 1,5 0,9 1,5 344 100,0 Tabelle 6: Ausschöpfungsquote nach Art der Organisationen Selbstorganisationen nicht verwendet Adresse unbekannt keine Antwort Antwort Doppelantwort verzogen aufgelöst N= deutsche interkulturell/ abs. % abs. % abs. % abs. % 319 145 721 347 5 1 12 20,6 9,4 46,5 22,4 0,3 0,1 0,8 108 2 20 11 - 76,6 1,4 14,2 7,8 - 7 5 26 9 - 14,9 10,6 55,3 19,1 - 24 4 9 10 - 51,1 8,5 19,1 21,3 - 1550 100,0 141 100,0 47 100,0 47 100,0 Missing: 0 Die Rücklaufquote nach Art der Organisationen ausdifferenziert zeigt, daß es sich mit 92% (absolut 347 von 377) um Selbstorganisationen handelt. Neben diesen beteiligten sich 11 (2,9%) deutsche Einrichtungen, 9 (2,4%) interkulturelle und 10 (2,65%) Organisationen, die nicht zugeordnet werden konnten. Tabelle 7: Ausschöpfungsquote der erhaltenen Fragebögen abs. % Selbstorganisationen deutsche Organisationen inter-/multikulturell nicht zuzuordnen Doppelantwort 347 11 9 10 5 90,8 2,9 2,4 2,6 1,3 N= 382 100,0 Unter den 347 Antworten der Selbstorganisationen befanden sich drei, die nicht in die Auswertung miteinbezogen werden konnten, so daß sich die Zahl auf 344 reduziert. Bei den übrigen handelt es sich um Organisationen anderer Nationalität bzw. um herkunftsheterogene Selbstorganisationen, die von der Projektgruppe in Münster ausgewertet wurden. Die Verteilung des Rücklaufs auf die hier untersuchten Gruppen zeigt, daß 93,9% der Antworten (323) von Selbstorganisationen der Migrantengruppen aus der Türkei stammen. Unter diesen haben als „türkisch“ einzustufende Selbstorganisationen mit 91,3% (314) den größten Anteil. Der Anteil kurdischer Selbstorganisationen an dem in die Untersuchung einfließenden Rücklauf liegt bei lediglich 2,6%. Der Anteil maghrebinischer Selbstorganisationen am Gesamtrücklauf liegt zusammen bei 2,4%, derjenige bosnisch-herzegowinischer bei 1,7%. Nationenübergreifende Selbstorganisationen, in denen überwiegend Migranten der hier untersuchten Herkunftsländer organisiert sind und dadurch in die Auswertung miteinbezogen wurden, machen einen Anteil von 1,5% aus (vgl. Tabelle 8, Selbstorganisationen nach Staatsangehörigkeiten, S. 103). 101 5.2.2.2 Rücklauf nach Vereinstypen Wertet man den Rücklauf nach Vereinstypen aus, erkennt man ein deutliches Übergewicht der Moscheevereine, die 39,8% (absolut 137) der Antworten ausmachen. Rechnet man die 5,7% (18) „sonstigen religiösen Vereine“ hinzu, ergibt sich für religiös orientierte Einrichtungen eine Beteiligungsquote von 45,5% (absolut 155). Dieser Anteil liegt einige Prozentpunkte über deren Anteil bei den erfaßten religiös orientierten Selbstorganisationen (38%), wodurch sie um etwa 7% überrepräsentiert sind. Einschränkend muß hier erwähnt werden, daß der Anteil der religiös orientierten Selbstorganisationen insgesamt höher liegen wird, aber aufgrund fehlender Informationen bei den Vereinen, die sich nicht beteiligten, kein genauerer Wert zu ermitteln war. Deutlich unterrepräsentiert im Rücklauf sind Sportvereine, die einen Anteil von 8,1% (absolut 28) einnehmen, denn ihr Anteil bei den erfaßten Selbstorganisationen liegt bei 15,6%. Eine Erklärung hierfür dürfte eine höhere Fluktuation bei diesem Vereinstyp sein. In der Phase der Erfassung und Erhebung wurde bei vielen festgestellt, daß sie nicht mehr existieren. Eine weitere Erklärung für den geringeren Beteiligungsgrad könnte ein geringeres Interesse an der Erhebung aufgrund des eingeschränkten Betätigungsfeldes der Sportvereine sein. Verallgemeinern läßt sich dies jedoch nicht, denn unter den Sportvereinen gibt es auch einzelne, die neben der Organisierung sportlicher auch andere Aktivitäten organisieren. Leicht überrepräsentiert sind bei dem in die Auswertung eingeflossenen Rücklauf Elternvereine, deren Anteil bei 4,1% (absolut 14) liegt (ihr Anteil bei den erfaßten Selbstorganisationen liegt bei 3,2%). Mit kleineren Zahlen und Anteilen sind beim Rücklauf des weiteren Unternehmervereine (1,1%/absolut 6), Lehrer- und Frauenvereine (je 1,5%/absolut 5), Seniorenvereine (1,2%/absolut 4), Berufs- und Jugendvereine (je 0,9%/absolut 3) sowie Behindertenhilfsvereine (0,6%/absolut 2). Ein Drittel aller Selbstorganisationen (33,7%/absolut 116), waren nicht einem dieser Vereinstypen zuzuordnen. Um dies vornehmen zu können, müßten weitere Kategorien der Vereinstypen festgelegt werden. (Vgl. hierzu die folgende Tabelle 9, Rücklauf nach Vereinstyp). 5. Auswertung Tabelle 9: Rücklauf nach Vereinstyp Moscheevereine sonstige religiöse Vereine religiöse Dachverbände Sportvereine Jugendvereine Elternvereine Unternehmervereine/-verbände Altenvereine Lehrervereine Frauenvereine Berufsvereine Behindertenhilfsvereine sonstige Vereine N= abs. % 137 18 3 28 3 14 6 4 5 5 3 2 116 39,8 5,7 0,9 8,1 0,9 4,1 1,1 1,2 1,5 1,5 0,9 0,6 33,7 344 100,0 5.2.2.3 Rücklauf nach Herkunftsländern Die Ausschöpfung des Rücklaufs, bezogen auf die verschiedenen Herkunftsländer, zeigen zum Teil große Unterschiede. Die höchste Rücklaufquote war bei türkischen Selbstorganisationen zu verzeichnen. Bei insgesamt 1.019 angeschriebenen Selbstorganisationen ergibt sich bei 314 Antworten eine Rücklaufquote von 31,1%. Berücksichtigt man, daß eine der Dachorganisationen, der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), zentral für seine 125 in Nordrhein-Westfalen ansässigen Gemeinden antwortete, erhöht sich der Rücklauf thoretisch auf 43,3%. In die Auswertung miteinbezogen werden konnten jedoch nur 314 Antworten, da drei Antworten nicht verwertbar waren. Die Rücklaufquote bei kurdischen Selbstorganisationen liegt mit 9 Antworten bei 43 verschickten Fragebögen bei 20,9%. Eine Erklärung für die geringere Beteiligung ist der höhere Anteil der Selbstorganisationen, denen der Fragebogen aufgrund einer geänderten Adresse nicht zugestellt werden konnte (vgl. hierzu und zu den folgenden Angaben die Tabelle 8, Selbstorganisationen nach Staatsangehörigkeiten, S. 103). Deutlich niedriger ist die Beteiligung bei den Selbstorganisationen der anderen Herkunftsländer. Die Rücklaufquote bei maghrebinischen Selbstorganisationen insgesamt liegt bei 15,2% (9 von insgesamt 59). Differenziert man den Rücklauf nach den Organisationen aus, die einem Herkunftsstaat zugeordnet werden konnten, ergeben sich andere Werte. Bei marokkanischen Vereinen liegt er mit 12,5% (5 von insgesamt 40), bei tunesischen wiederum mit 27,2% (3 von insgesamt 11) sehr viel höher. Bei nationenübergreifenden Selbstorganisationen wiederum liegt die Rücklaufquote mit 30,9% (30 Antworten bei 97 angeschriebenen Selbstorganisationen) sehr viel höher. Von diesen konnten aufgrund ihrer Zusammensetzung nur fünf in die Auswertung miteinbezogen werden. Die niedrigste Rücklaufquote war bei bosnischen Selbstorganisationen zu verzeichnen. Von insgesamt 40 angeschriebenen bosnischen Vereinen und vergleichbaren Einrichtungen antworteten lediglich 6, was einer Rücklaufquote von genau 15% entspricht. Der hohe Anteil nicht zustellbarer Fragebögen (27,5%) ist eine entscheidende Erklärung für die geringe Beteiligung, die zudem auf eine hohe Fluktuation bei bosnischen Selbstorganisationen hinweist. 102 5.2.2.4 Rücklauf nach Regierungsbezirken Die Rücklaufquoten aus den einzelnen Regierungsbezirken decken sich annäherungsweise mit deren Anteilen an der Gesamtzahl der erfaßten Selbstorganisationen. Der Gesamtrücklauf von 344 Fragebögen verteilt sich relativ proportional zu den Anteilen der ermittelten Selbstorganisationen in den Regierungsbezirken und entspricht auch der demographischen Verteilung der Migranten. Hier muß einschränkend erwähnt werden, daß lediglich demographische Daten zur Verteilung der größten Gruppe, der türkischen Staatsbürger, vorlagen. Möglich ist der Vergleich dennoch in beiden Fällen, da sowohl der Anteil der erfaßten als auch der Anteil beim Rücklauf (93,9%) bei über 90% liegen. Sowohl die größte Populations- als auch die Organisationsdichte ist im Regierungsbezirk Düsseldorf festzustellen. Der Anteil des Rücklaufs liegt mit 27,3% etwas unter dem Anteil der ermittelten Vereine, der sich auf 30,3% beläuft. Der zweithöchsten Organisationsdichte der erfaßten Selbstorganisationen von 23,5% im Regierungsbezirk Arnsberg steht eine darunter liegende Rücklaufquote von 19,8% gegenüber. Leicht überrepräsentiert im Rücklauf ist der Regierungsbezirk Köln, wo 22,4% dem Anteil der erfaßten Selbstorganisationen von 19,1% gegenüberstehen. Die Regierungsbezirke mit der geringsten Organisationsdichte, Münster (15,5%) und Detmold (11,6%), sind in der Rücklaufquote mit 18,3% im erstgenannten, und 12,2% im letztgenannten Fall leicht überrepräsentiert (vgl. die Tabelle 3). 5.2.3 Organisationsentwicklung Die Ergebnisse der Untersuchung hinsichtlich der Frage nach dem Gründungsjahr gibt Aufschlüsse über die durchschnittliche zeitliche Existenz, die quantitative Entwicklungslinie bei der Bildung von Selbstorganisationen sowie die Spezifika dieser Entwicklung (vgl. die folgende Tabelle 10, Alter der Selbstorganisationen). Unter den Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, gaben viele Gründungsjahre an, die in die ersten Jahre der Migrationsgeschichte zurückreichen. Während zwei Vereine (0,6%) Gründungsdaten angaben, die auf 25-29 Jahre zurückgehen, waren auch drei Vereine vertreten, die seit 30 und mehr Jahren existieren. Handelt es sich zusammengerechnet auch nur um 1,5% aller Selbstorganisationen, die seit mindestens 25 Jahren bestehen, wird die Kontinuität der Vereinsaktivitäten an diesen Beispielen besonders deutlich. Noch deutlicher wird dies, wenn man die darunter liegenden „Altersgruppen“ hinzuzieht. Bei Einbeziehung der Selbstorganisationen, die zwischen 20-24 Jahre bestehen, hat man einen Anteil von 9,8% an Vereinen, die bereits vor 20 und mehr Jahren in die Organisationslandschaft eingetreten sind. Der Anteil der Selbstorganisationen wiederum, die seit mindestens 10 Jahren bestehen, macht mit 51,7% mehr als die Hälfte aller an der Erhebung beteiligten aus. Dies entspricht in etwa auch dem ermittelten Durchschnittsalter aller an der Erhebung beteiligten Selbstorganisationen, das bei 10,3 Jahren liegt. 5. Auswertung sche Lesekreise“ oder eine Schwimmgruppe für Musliminnen insbesondere alevitische Kulturvereine, die sich erst vor zehn Jahren zu formieren begannen und deren Zahl seitdem kontinuierlich angewachsen ist. In den Ergebnissen der Erhebung wird dieser Trend ebenfalls deutlich. Die ersten Vereine dieses Typus, die sich an der Erhebung beteiligten, sind nicht älter als 10 Jahre. In den folgenden Jahren sind Zahlen und Anteil kontinuierlich gewachsen. 64,7% (absolut 11) aller Selbstorganisationen dieses Typs sind nicht älter als 4 Jahre. Auch ihr Anteil an allen Neugründungen ist zuletzt auf 13,8% angestiegen. Tabelle 10: Alter der Selbstorganisationen abs. % bis 4 Jahre 5 bis 9 Jahre 10 bis 14 Jahre 15 bis 19 Jahre 20 bis 24 Jahre 25 bis 29 Jahre 30 Jahre und länger 80 84 78 64 28 2 3 23,6 24,8 23,0 18,9 8,3 0,6 0,9 Durchschnittsalter 10,3 Jahre N= 339 100,0 Missing: 5 Die Häufungen in den verschiedenen „Altersgruppen“ geben auch Aufschluß über die Entwicklungslinie bei der Bildung von Selbstorganisationen. Generalisierend läßt sich anhand der Werte feststellen, daß sich der Prozeß der Bildung von Selbstorganisationen bis in die Gegenwart kontinuierlich fortsetzt. Deutlich wird dies bei der jüngsten Altersgruppe. Nahezu ein Viertel aller Selbstorganisationen (23,6%), die sich an der Erhebung beteiligten, sind in den letzten 4 Jahren entstanden. Die Verteilung auf die folgenden Gruppen, die in je fünf Jahre unterteilt sind, zeigen proportional gleich große Anteile: 24,8% (84) der Selbstorganisationen existieren zwischen 5-9 Jahre und 23% (84) zwischen 10-14 Jahre. Die Anteile deuten auf eine kontinuierliche Wachstumsrate in den letzten 15 Jahren. Eine Auswertung der Altersstruktur der Selbstorganisationen nach Vereinstypen weist einige Signifikanzen auf, die in Übereinstimmung mit bestimmten Beobachtungen stehen, für die bislang empirische Belege fehlten. Die wachsende Zahl zielgruppenorientierter Vereinsbildungen als neuere Tendenz wird auch anhand des Rücklaufs deutlich. Eine Ausnahme hierbei bilden Moscheevereine, deren Entstehungsphase in die Anfangszeit der siebziger Jahre zurückreicht, wo in steigender Zahl die Einrichtungen von Gebetsstätten zu verzeichnen ist. Das höchste Entwicklungspotential - auch im Verhältnis zu den Vereinsbildungen insgesamt - entfaltete sich im Zeitraum zwischen 1978-1987. 69,4% der Moscheevereine, die sich an der Erhebung beteiligten, wurden in diesen Jahren gegründet. In dem genannten Zeitraum liegt der Anteil von Moscheevereinen an der Gesamtzahl der Vereinsgründungen bei 70,3% (1978-1982) und bei 61,5% (1983-1987). Gemessen an den Ergebnissen des Rücklaufs ist für die folgenden Jahre ein kontinuierlicher Rückgang bei der Neugründung von Moscheevereinen zu beobachten. So liegt der Anteil der Moscheevereine, die zwischen 1988-1992 gegründet wurden, bei 11,2% (15 absolut), derjenigen, die zwischen 1993-1996 gegründet wurden, bei 6,7% (9 absolut). Auch im Verhältnis zum Anteil an den Neugründungen insgesamt ist die Tendenz rückläufig. So lag ihr Anteil im Zeitraum 1988-1992 bei 17,9%, zwischen 1993-1996 nur noch bei 11,3% aller Neugründungen. Die rückläufige Tendenz bei der Gründung neuer Vereine dürfte damit zu erklären sein, daß der Bedarf an Moscheeeinrichtungen weitgehend gedeckt ist und sich dem Sättigungsgrad genähert hat. Ein gegenläufiger Trend ist bei den „sonstigen“ religiös orientierten Selbstorganisationen zu verzeichnen. In diese Kategorie fallen neben spezifischeren Vereinen und Selbsthilfegruppen wie „islami- 103 Darin zeigt sich schon der Trend der letzten Jahre, die Bildung klientel- und zielgruppenorientierter Selbstorganisationen, der auch anhand der verstärkten Gründung anderer Vereinstypen aufgezeigt werden kann. In einigen Bereichen gab es zwar bereits in den siebziger und achtziger Jahren das Phänomen spezifischerer Vereinsbildungen, wie im Falle der Elternvereine. Ein größerer Zuwachs bei diesen ist jedoch auch erst im Zeitraum 1988-92 festzustellen, in dem mit 50% die Hälfte der heute existierenden Elternvereine gegründet wurde. Die verstärkte Gründung von Elternvereinen ist vor dem migrationsgeschichtlichen Hintergrund zu sehen. Das bis Anfang der achtziger Jahre zu beobachtende Phänomen der „Pendelkinder“ ist mittlerweile verschwunden. Die mit der geplanten Rückkehr verbundene Entscheidung, die Kinder bereits vorher in das Herkunftsland zurückzuschicken, damit es dort seine schulische Ausbildung macht, ist heutzutage so gut wie gar nicht mehr anzutreffen. Nach Abschluß des Rückkehrprozesses, der während der Rückkehrfördermaßnahmen der Bundesregierung (1983-85) ihren Höhepunkt erreicht hatte, hat sich für die hier lebenden Migranten der Prozeß der Niederlassung konsolidiert, und entsprechend haben sich die Bemühungen bei der Lösung schulischer Probleme auf die Bundesrepublik verlagert. Der Prozeß der funktionalen Differenzierung bei der Gründung neuer Vereine wird auch bei berufsständischen Selbstorganisationen deutlich. Die Selbständigenvereine und Unternehmerverbände stellen ein neueres Phänomen dar, das erst Ende der achtziger Jahre in Erscheinung tritt. Auch bei der Auswertung des Rücklaufs wurde dies deutlich. Die 6 Unternehmervereine und -verbände (allesamt türkische), die sich an der Erhebung beteiligten, wurden erst nach 1990 gegründet. Abb. 1: 5. Auswertung Die oben dargelegten Ergebnisse und Entwicklungen sind gleichsam Indikatoren für den sozialen Wandel und einen Prozeß der Ausdifferenzierung innerhalb der Migrantengruppen, die sich in spezifischen Vereinsbildungen niederschlägt. Die Bildung von Unternehmerverbänden und -vereinen verweist auf die vertikale Ausdifferenzierung der Migrantengesellschaft (hier insbesondere der türkischen). Die Entstehung klientel- bzw. zielgruppenorientierter Selbstorganisationen verweist vor allem auf die horizontale Ausdifferenzierung der Migrantengruppen, die sich in Form von Vereinsbildungen um eine gemeinsame Interessenlage herum organisieren bzw. ein spezifisches Interesse mit der Vereinsbildung verfolgen. Als Beispiele hierfür seien die Behindertenhilfsvereine, Berufsvereine, Altenvereine und Elternvereine genannt. Abb. 2: 5.2.4 Rechtlicher Status Die Bildung von Selbstorganisationen kann in informeller wie auch in formeller Form erfolgen. Neben informellen Zusammenschlüssen, wie Selbsthilfe- oder Initiativgruppen, besteht auch für Migranten rechtlich die Möglichkeit, in formalisierten und rechtlich abgesicherten Formen tätig zu sein.86 Selbsthilfegruppen ohne rechtlichen Status finden sich in einigen Fällen bei Einrichtungen der Wohlfahrt, die die Aktivitäten durch Räumlichkeiten oder finanzielle Förderung unterstützen. In manchen Fällen wird der Status als eingetragener Verein angestrebt, um - wenn auch meist in kleinerem Rahmen - gewinnwirtschaftliche Ziele zu verfolgen. So gibt es einige als „Verein“ tätige Einrichtungen, die eher in die Kategorie „Teestube“ einzuordnen sind. Auch wenn es nicht möglich ist, quantitative Angaben zu dieser Form der Nutzung des Rechtsstatus zu machen, zeigen die Befragungsergebnisse, daß es sich eher um einen geringen Anteil unter den Selbstorganisationen handelt. Mit dem Status als „eingetragener Verein“, der gegebenenfalls auch den Status der Gemeinnützigkeit erwirbt, sind nicht allein steuerliche Vergünstigungen verknüpft. In manchen Fällen - beispielsweise Moscheevereinen - ist die Rechtsfähigkeit Voraussetzung für die Verwirklichung eigener Zielsetzungen, etwa den Bau und den Betrieb einer Einrichtung (in diesem Falle einer Moschee). Der Status als rechtsfähiger Verein ist für Moscheevereine besitzrechtlich von Bedeutung, da nur durch den körperschaftlichen Besitz vor persönlichem Mißbrauch geschützt werden kann. Der Erwerb eines gesicherten rechtlichen Status kann unabhängig von den damit verknüpften Möglichkeiten auch als ein Anzeichen dafür angesehen werden, daß mit dem formalisierten Zusammenschluß ein ernsthaftes und dauerhaftes Ziel verfolgt wird. So gut wie kaum vertreten sind Selbstorganisationen, die den rechtlichen Status einer Stiftung haben. Bekannt ist, daß verschiedene Dachverbände islamischer Selbstorganisationen darum bemüht sind, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes zu erlangen, der bislang jedoch keinem zugestanden wurde. Mit der Zuerkennung dieses Status sind bestimmte Rechte verbunden, wie sie die etablierten Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik bereits in Anspruch nehmen können. Hierzu gehören u.a. die Mitwirkung an der Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts, die Berücksichtigung des Islam in den Medien, der rechtliche Anspruch auf die Freistellung vom Schulunterricht oder von der Arbeit an religiösen Feiertagen und der Betrieb eigener Friedhöfe.87 Im Rahmen der Erhebung wurden die Selbstorganisationen auch nach ihrer Rechtsform befragt. Die Auswertung zeigt, daß der größte Teil der Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, ihre Aktivitäten in formalisierter Form betreiben. Von insgesamt 342 Selbstorganisationen gaben insgesamt 97,1 (332 absolut) an, ein eingetragener Verein zu sein. Der größte Anteil dieser, insgesamt 83,6% (286 absolut), hat darüber hinaus auch den Status der Gemeinnützigkeit erlangt. Nur ein kleiner Teil, 2,9% (10 absolut), der an der Erhebung beteiligten Selbstorganisationen gab an, kein formalisierter und als solcher anerkannter Zusammenschluß zu sein. Zwei Selbstorganisationen wurden auf Grundlage anderer Angaben als Selbsthilfegruppen eingestuft. Die Dauerhaftigkeit bzw. der Anspruch, die Aktivitäten in einem formalisierten Rahmen zu gestalten, wird neben den Ergebnissen zum Alter der Selbstorganisationen auch an denen zur Rechtsform deutlich. Der Bitte um Beifügung der Satzung kam ebenfalls der größte Teil der Vereine nach (79,1%/272 absolut) nach. Erkennbar ist hieran die Bereitschaft, Außenstehenden Einblick in interne Angelegenheiten zu geben, d.h. es wird deutlich, daß bei vielen eine Offenheit gegenüber Interesse von außen vorhanden ist. 86 Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen vgl. Marx, Reinhard: Rechtliche Grundlagen der Selbstorganisationen von Ausländern, in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit Nr. 3-4/1987, S. 40-41. 87 Zur rechtlichen Stellung der islamischen Organisationen und der Frage des Körperschaftsstatus siehe Stempel, Martin: Islamische Organisationen im deutschen Recht, in: Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 3/1988, S. 108-115. 104 5. Auswertung Die Auswertung des Rücklaufes hinsichtlich der Organisierung bzw. Mitgliedschaft in Dachverbänden zeigt, daß mehr als die Hälfte aller, die sich an der Erhebung beteiligten, Mitglied eines Dachverbandes sind. Von insgesamt 344 Selbstorganisationen gaben 66% (227 absolut) an, einem Verband angeschlossen zu sein. Mitglied in keiner Dachorganisation sind nur 34% (117 absolut). Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung der Dachverbände bei der Organisierung einer überregionalen Vernetzung. Tabelle 11: Rechtsform eingetragener Verein davon gemeinnützig kein eingetragener Verein Selbsthilfegruppe N= abs. % 332 286 8 2 97,1 83,6 2,3 0,6 342 100,0 Missing: 2 Tabelle 12: Satzung beigelegt ja nein N= abs. % 272 72 79,1 20,9 344 100,0 Missing: 0 5.2.5 Mitgliedschaft in Dachverbänden Unter den Selbstorganisationen der verschiedenen Migrantengruppen in der Bundesrepublik gibt es eine Vielzahl von Dachorganisationen, von denen viele bereits in den siebziger Jahren gegründet worden waren. In den vergangenen Jahren haben sich zu diesen weitere Verbände bzw. Dachorganisationen gesellt, die sich von den zuvor gegründeten unterscheiden. Seit Mitte der achtziger Jahre sind zu den religiös orientierten islamischen und den damals politisch orientierten Dachverbänden solche hinzugekommen, die speziellere Anliegen verfolgen und andere Gründungsmodelle haben. Parallel zur Verstetigung der Verbleibabsicht begannen einzelne Vereine, sich in regionalen und überregionalen Zusammenschlüssen zusammenzufinden, deren erklärtes Ziel die Interessenvertretung der Migrantengruppe auf regionaler Ebene war. Ein frühes Beispiel für einen regionalen Zusammenschluß ist das „Bündnis türkischer Einwanderer“, das 1986 als Zusammenschluß unterschiedlicher Einzelvereine gebildet wurde. Ähnliche Beispiele gibt es mittlerweile in fast allen Bundesländern. Ein weiterer Verbund dieser Art ist die „Türkische Gemeinde Essen-Ruhr“, die sich als Rahmen für die Koordination von Aktivitäten begreift, die einer Verbesserung des Status und der Verwirklichung von diesbezüglichen Zielsetzungen der türkischen Migrantengruppe in der Region dienen.88 Dem Anspruch der überregionalen, sogar bundesweiten Interessenvertretung einer Migrantengruppe - in diesem Falle der Türken - hat sich die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) verschrieben, die 1995 formiert wurde. In ihr sind sowohl Einzelvereine als auch regionale Zusammenschlüsse Mitglied. Neben der Mitgliedschaft in Dachverbänden der Migranten gibt es auch Selbstorganisationen, die in deutschen Organisationen Mitglied sind. Im Falle von Sportvereinen sind dies die Sportverbände. Eine andere Form ist die Mitgliedschaft oder die Kooperation mit Verbänden der Wohlfahrt. Im Falle der hier untersuchten Migrantengruppen sind dies fast ausschließlich der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) und die Arbeiterwohlfahrt (AWO). Im Falle des DPWV sind es überwiegend einzelne Mitgliedsvereine bestimmter Dachorganisationen, wie der Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF) und des kurdischen Dachverbandes KOMKAR. Im Falle der AWO handelt es sich um einzelne, auf sich gestellte Initiativen bzw. Selbsthilfegruppen, die mit dem Verband kooperieren bzw. Mitglied sind. Wie diese Beispiele zeigen, existiert eine weitergehende Vernetzung durch die Mitgliedschaft in verschiedenen Dachorganisationen. Neben dem genannten Fall von Einzelvereinen eines Dachverbandes, die über diesen hinaus in anderen Dachorganisationen Mitglied sind, gibt es weitere Formen der Mitgliedschaft. Zu nennen wäre die Mitgliedschaft von einzelnen Vereinen in verschiedenen Dachorganisationen jeweiliger Migrantengruppen, die Mitgliedschaft von Dachorganisationen in übergeordneten Spitzenverbänden einzelner Migrantengruppen, die Mitgliedschaft in nationalitätenübergreifenden Zusammenschlüssen (Bsp. Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände - BAGIV), nationenübergreifende wie im Falle des Europäisches Migrantenforum, dem jedoch nur einige Vereine bzw. Dachverbände angeschlossen sind). Gemessen am Gesamtrücklauf bleibt die gleichzeitige Mitgliedschaft in verschiedenen Dachorganisationen jedoch die Ausnahme. Lediglich ein kleiner Anteil unter ihnen gab die Mitgliedschaft in mehr als einer Dachorganisation an. Das Ergebnis zeigt, daß die Doppelmitgliedschaft eher der Ausnahmefall ist. Im Schnitt waren die einzelnen Vereine (sowohl insgesamt als auch die Gruppe der befragten) Mitglied in 1,03 Dachverbänden. Neben diesen Versuchen sind in den letzten Jahren jedoch auch Dachorganisationen entstanden, die eine spezifischere Form des Zusammenschlusses darstellen. Es handelt sich beispielsweise um Zusammenschlüsse von zielorientierten Einzelvereinen, wie Elternvereinen, oder zielgruppenorientierte Dachorganisationen, wie etwa Unternehmer- oder Akademikerverbänden. 88 So wird vom Vorstand der Gemeinde der Anspruch formuliert. Aus einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Gemeinde, Ahmet Cumhur Aytulun, im September 1997. 105 5. Auswertung Tabelle 13: Mitgliedschaft in den einzelnen Dachorganisationen Mehrfachnennungen möglich insgesamt abs. % Antworten abs. % keiner Dachorganisation angeschlossen 1) Mitglied einer Dachorganisation und zwar von: DITIB Türkische Gemeinde Deutschlands Verband der Elternvereine Münster/Detmold IGMG Islamische Gemeinde Milli Görüş deutsche Sportverbände AABF Föderation der alevitischen Kulturvereine KOMKAR Verein der Arbeitnehmer aus Kurdistan GDF Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei HDF Föderation der Volksvereine türkischer Arbeiterwohlfahrt Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband VIKZ Verband der islamischen Kulturzentren ABTT Föderation der Vereine westthrakischer Türken ATAK Bund türkischer Akademikervereine ATIB ADÜTDF Hür-Türk andere Dachorganisationen 849 586 59,2 40,8 117 227 34,0 66,0 246 2 6 43 11 25 14 9 12 4 10 125 9 8 3 12 26 38 17,1 0,1 0,4 3,0 0,8 1,7 1,0 0,6 0,8 0,3 0,7 8,7 0,6 0,6 0,2 0,8 1,8 2,6 134 2 6 3 11 14 6 4 4 4 7 6 2 1 1 31 38,9 0,6 1,7 0,9 3,2 4,1 1,7 1,2 1,2 1,2 2,0 1,7 0,6 0,3 0,3 9,0 N= 1435 344 Missing: 0 1) Für die insgesamt ermittelten 1.435 Selbstorganisationen können die Zahlen der Mitgliedsvereine der türkischen Dachverbände als weitgehend sicher gelten, da sie auf Angaben der Dachverbände selbst beruhen. Die Zahl der Vereine/Organisationen, die keinem Dachverband angeschlossen sind, ist aber niedriger, da über die Mitgliedschaft in anderen Dachverbänden (z.B. Sportverbänden oder lokalen Zusammenschlüssen) nur für die Vereine Informationen vorlagen, die an der Befragung teilgenommen haben. Bei den in der Bundesrepublik bestehenden Dachverbänden der Migranten dominieren zwei grundsätzliche Organisationsmodelle: Der eine Organisationstypus ist der Zusammenschluß bereits bestehender eigenständiger, in der Regel eingetragener und gemeinnütziger Vereine. Die Zugehörigkeit zu dem jeweiligen Dachverband erfolgt auf eigenständige Initiative, und die Mitgliedsvereine des Dachverbandes sind an den Entscheidungsprozessen innerhalb des Zusammenschlusses beteiligt. Als neuere Beispiele hierfür können exemplarisch der „Bund Türkischer Akademikervereine in Deutschland (ATAK)“ und der „Bundesverband Türkischer Studierendenvereine (BTS)“ genannt werden. In diesen Dachverbänden werden die Vorstände bei zumeist jährlich stattfindenden ordentlichen Kongressen durch Vertreter der Mitgliedsvereine gewählt. Das zweite Grundmodell einer überregionalen Organisationsform sind Vereine, die als Ausgangspunkt für eine bundesweite Organisierung gebildet werden. Die Verbandsarbeit erfolgt auch in den Fällen in der Regel in der Form, daß der Vorstand auf jährlichen Kongressen gewählt wird. Exemplarische Beispiele hierfür sind die älteren Dachorganisationen, wie der „Freiheitlich Türkisch-Deutscher Freundschaftsverein (Hür-Türk)“, der „Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ)“. Einige dieser Verbände, die eine Zentrale als Ausgangspunkt für eine bundesweite Organisation gründeten, zeichnen sich in einigen Fällen durch eine zentralistischere Struktur aus. 106 Hinsichtlich der Vernetzung von Selbstorganisationen muß auf ein weiteres Phänomen hingewiesen werden, das zwar an sich keine neue Erscheinung darstellt, aber in den vergangenen Jahren eine weitere Ausweitung erfahren hat. Gemeint ist hiermit die Mitgliedschaft von Dachorganisationen in anderen Formen von Zusammenschlüssen. Die Bemühungen zu einer weiteren Bündelung der organisierten Interessenwahrnehmung auf regionaler und überregionaler Ebene hat in den letzten Jahren zur Gründung weiterer Spitzenorganisationen geführt. In diesen sind teilweise nur Dachorganisationen Mitglied, in anderen Fällen sowohl Dach- als auch Einzelorganisationen. Diese Versuche einer weiteren Vernetzung gibt es sowohl im Bereich herkunftshomogener als auch herkunftsheterogener Dachorganisationen. Beispiele für herkunftshomogene Spitzenverbände sind die „Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD)“, in der sowohl regionale (Region oder Bundesland) als auch bundesweite Dachorganisationen wie der BTS, ATAK und FÖTED Mitglied sind. Herkunftsheterogene Spitzenverbände sind u.a. der „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland“ und der „Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD)“. 5.2.6 Mitglieder Ein weiterer Punkt, zu dem im Rahmen der Erhebung Daten ermittelt werden sollten, betrifft die Mitgliederzahlen der Selbstorganisationen. Gefragt wurde nicht nur nach der Zahl der einfachen Mitglieder, sondern auch nach der Zahl der aktiven Mitglieder, denjenigen also, die die Vereinsarbeit tragen. Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist darauf zu achten, daß es sich um Tendenz- bzw. Annäherungswerte handelt. Dies gilt bereits für die Angaben der einzelnen Selbstorganisationen, von denen viele gerundete bzw. geschätzte Zahlen nannten. In manchen Fällen wird bei Angaben zu den Mitgliederzahlen nicht darauf geachtet, zwischen Mitgliedern und Publikum (Besucher) zu unterscheiden. So gesehen sind die folgenden Ergebnisse immer vor dem Hintergrund dieser Verzerrungsfaktoren zu sehen. Die Auswertungsergebnisse der Angaben zur Zahl der Mitglieder zeigen bei einer Kategorisierung der Mitgliederzahlen bestimmte Signifikanzen. Mehr als die Hälfte aller Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, nannten Mitgliederzahlen, die über 100 liegen. Bei 342 gültigen Fällen waren dies insgesamt 190 Selbstorganisationen, was einem Anteil von 55,3% aller entspricht, die eine Angabe hierzu machten. Die größte Häufung ist bei Selbstorganisationen festzustellen, die Mitgliederzahlen zwischen 101-250 Personen angaben. Der prozentuale Anteil der Selbstorganisationen, deren Angabe in diese Kategorie fällt, liegt bei 41,9. Auffällig groß ist jedoch auch die Zahl der Selbstorganisationen, die Mitgliederzahlen zwischen 251 bis 500 Personen angaben. Die absolute Zahl von 34 entspricht einem Anteil von 9,9% (vgl. hierzu die folgende Tabelle 14, Mitgliederzahl kategorisiert). Die Mitgliederzahlen allein lassen natürlich keine Aussagen über die Qualität der Vereinsarbeit zu, da auch ein gut organisierter kleiner Verein durchaus erfolgreiche Arbeiten leisten kann. Die Häufungen bei den Mitgliederzahlen geben jedoch einen Hinweis auf die Klientelgröße vieler Selbstorganisationen. Die durchschnittliche Mitgliederzahl liegt bei den befragten Selbstorganisationen (324 absolut; ohne Dachverbände) bei 139. Die am häufigsten genannte Mitgliederzahl war 150. 5. Auswertung Die durchschnittlichen Mitgliederzahlen, bezogen auf die verschiedenen Vereinstypen, zeigt, daß die Moscheevereine (136 befragte) mit durchschnittlich 177,7 Mitgliedern über dem arithmetischen Mittelwert liegen. Die höchste Mitgliederzahl, die von einem einzelnen Moscheeverein genannt wurde, ist 600. Ein weiterer verbreiteter Organisationstyp, die Sportvereine, liegen mit 113,6 Mitgliedern (26 absolut) unter dem Mittelwert. Bei allen weiteren Organisationstypen (insgesamt 104 befragte) liegt die durchschnittliche Mitgliederzahl mit 102,1 niedriger. Die Beobachtung, daß insbesondere Moscheevereine eine große Anziehungskraft auf (türkische) Migranten ausübt, wird durch die Erhebungsergebnisse empirisch untermauert. Die Mitgliederzahlen in Relation zur Gemeindegröße zeigt keine auffälligen Unterschiede. In allen Kategorien liegt sie im Schnitt in der Nähe des Mittelwertes aller Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten. Tabelle 14: Mitgliederzahl kategorisiert bis 25 Mitglieder 26 bis 50 Mitglieder 51 bis 75 Mitglieder 76 bis 100 Mitglieder 101 bis 250 Mitglieder 251 bis 500 Mitglieder 501 bis 1000 Mitglieder mehr als 1000 Mitglieder N= abs. % 24 39 34 45 144 34 4 8 7,2 11,3 9,9 13,1 41,9 9,9 1,2 2,3 342 100,0 Die Berechnungen des Anteils der aktiven Mitglieder an den von den Selbstorganisationen angegebenen Gesamtmitgliederzahlen wiederum zeigt eine Häufung bei der Kategorie bis zu 10% (117 absolut/40% anteilig) der Mitgliedschaft eines Vereins. Zusammengerechnet mit den Vereinen, die als Zahl aktiver Mitglieder einen Wert nannten, der zwischen 10-20% der angegebenen Mitgliederzahl liegt (57 absolut/19,5% anteilig), liegt der prozentuale Anteil der aktiven Mitglieder an der Gesamtzahl bei 59,5% der Selbstorganisationen in den Gruppen bis zu 20%. Der errechnete Mittelwert des Anteils der aktiven Mitglieder von 34,0% ist als verzerrter Wert aufzufassen, der sich dadurch ergibt, daß 9,2% (27) der Selbstorganisationen als Zahl der aktiven Mitglieder die Gesamtmitgliederzahl bzw. einen annähernden Wert angaben. Tabelle 16: Anteil der aktiven Mitglieder an der Gesamtzahl der Mitglieder bis 10 % 10 bis 20 % 20 bis 30 % 30 bis 40 % 40 bis 50 % 50 bis 60 % 60 bis 70 % 70 bis 80 % 80 bis 90 % 90 bis 100 % Mittelwert Missing: 2 abs. % 117 57 35 19 17 9 10 2 27 40,0 19,5 11,9 6,5 5,8 3,1 3,4 0,7 9,2 34,0 % N= 100,0 Missing: 51 Die Auswertung der Antworten auf die Frage zur Zahl der aktiven Mitglieder in den Selbstorganisationen ergab, daß sich die Vereinsaktivitäten auf einen kleineren Teil der Mitgliedschaft stützen. 189 (von 318) Selbstorganisationen, das sind 54,9% aller Antworten, gaben eine Zahl bis zu 25 aktiven Mitgliedern an. 57 der Selbstorganisationen nannten eine Zahl aktiver Mitglieder, die zwischen 26 bis 50 liegt. Der prozentuale Anteil liegt hier bei 16,6%. Auffällig hoch ist die Zahl der Vereine, die eine aktive Mitgliedschaft nennen, deren Zahl zwischen 101-250 Personen liegt (25 absolut/7,3% anteilig). Hier liegt die Vermutung nahe, daß bei der Angabe nicht exakt zwischen Mitgliedern unterschieden wurde, die an den Vereinsaktivitäten regelmäßig aber passiv teilnehmen, und denjenigen, die diese Aktivitäten organisieren bzw. die Vereinsaktivitäten tragen. Tabelle 15: Zahl der aktiven Mitglieder bis 25 Mitglieder 26 bis 50 Mitglieder 51 bis 75 Mitglieder 76 bis 100 Mitglieder 101 bis 250 Mitglieder 251 bis 500 Mitglieder 501 bis 1000 Mitglieder mehr als 1000 Mitglieder N= abs. % 189 57 19 19 25 7 2 54,9 16,6 5,5 5,5 7,3 2,0 0,6 318 100,0 Missing: 26 107 5.2.7 Finanzierung, Räumlichkeiten, Mitarbeiter 5.2.7.1 Finanzierung Eine kontinuierliche und effektive Selbsthilfearbeit stützt sich auf die finanziellen Möglichkeiten der Selbstorganisationen. Deshalb bildet die Frage der Finanzierung der Aktivitäten einen wichtigen Aspekt der Bestandsaufnahme. Ermittelt werden sollten keine Beträge, sondern die Finanzierungsquellen der Selbstorganisationen, bei denen eigene Quellen wie Mitgliedsbeiträge, Spenden und gegebenenfalls Einnahmen sowie eine finanzielle Förderung der Aktivitäten durch offizielle Einrichtungen in Betracht kommen. Die Auswertung der Frage nach der Finanzierung der Vereinsaktivitäten zeigt, bezogen auf alle hier untersuchten Nationalitäten, deutlich, daß sich der überwältigende Teil der Selbstorganisationen finanziell auf Mitgliedsbeiträge und Spenden stützt. Von den befragten Selbstorganisationen gaben (bei 332 gültigen Antworten) 97,3% (absolut 329) an, sich durch Mitgliedsbeiträge zu finanzieren. Eine Finanzierung über Spenden nannten insgesamt 294 Selbstorganisationen, dies entspricht 88,6% der befragten Selbstorganisationen. Alle weiteren Finanzierungsquellen liegen den genannten gegenüber deutlich niedriger. Lediglich ein kleiner Teil, 10,5% (35 absolut) der befragten Selbstorganisationen, gaben Träger als finanzielle Förderer bestimmter Eigenaktivitäten an. Eine Finanzierung im Rahmen von Projekten ist bei 11,1% (37) der Selbstorganisationen angegeben worden. 60 Selbstorganisationen, anteilig betrachtet 18,1%, gaben als Finanzierungsgrundlage „sonstige“ Quellen an. Deutlich wird hieran der geringe Anteil an Fremdförderung. 5. Auswertung Die am häufigsten genannte „sonstige“ Finanzierungsquelle sind Einnahmen durch oder bei Veranstaltungen. Einnahmen dieser Art nannten insgesamt 25, anteilig ausgedrückt 7,3% aller Selbstorganisationen. 4% der Vereine (12 absolut) nannten Mieteinnahmen als Einkunftsquelle. Weitere Finanzierungsquellen, die von den Vereinen genannt wurden, sind Einnahmen durch Verkauf (2,4% anteilig/8 absolut), Einnahmen durch ein eigenes Vereinslokal (2,1% anteilig/ 7 absolut), Werbeeinnahmen (1,2% anteilig/4 absolut) sowie Zuwendungen durch Sponsoren (0,6% anteilig/2 absolut). 1,2% (4) der Selbstorganisationen kreuzten „sonstige Einnahmequellen“ an, ohne diese genauer zu benennen. Tabelle 17: Finanzierung der Selbstorganisationen Mehrfachnennungen möglich abs. % Mitgliedsbeiträge Spenden Träger Projekte sonstiges darunter: eigenes Vereinslokal Mieteinnahmen Veranstaltungen Werbung Sponsoren Verkauf anderes keine Angabe 323 294 35 37 60 7 12 25 4 2 8 9 4 97,3 88,6 10,5 11,1 18,1 2,1 4,0 7,3 1,2 0,6 2,4 3,0 1,2 N= Tabelle 18: Zuschüsse Mehrfachnennungen möglich abs. % nein ja und zwar von: Stadt darunter: Jugendamt Kulturamt Sozialamt Land Nordrhein-Westfalen darunter: MAGS Arbeitsamt Ausländerbeirat Sportbund Kirchen andere Herkunft 261 80 57 4 3 6 8 2 5 4 12 1 7 76,3 23,4 16,7 1,2 0,9 1,8 2,3 0,6 1,5 1,2 3,5 0,3 2,0 N= 342 Missing: 2 332 Missing: 12 Für die Durchführung bestimmter Aktivitäten, bei denen es sich in der Regel mehr um einmalige denn um kontinuierliche Angebote handelt, kommen als finanzielle Unterstützung Zuschüsse öffentlicher Einrichtungen und bestimmter Trägerinstitutionen in Betracht. Zuschüsse als zusätzliche Finanzierungsquelle für bestimmte Aktivitäten nannten 23,4% (absolut: 80) der befragten Selbstorganisationen, d.h. mehr als drei Viertel, 76,3% (261), haben sich nicht um Zuschüsse bemüht bzw. keine gewährt bekommen. Der übergroße Teil der Selbstorganisationen, die Zuschüsse in Anspruch nehmen, nennt als Quelle die Stadt (75% anteilig/57 absolut). Unter den städtischen Einrichtungen wurden als Zuschußquellen Sozialämter (1,8%/absolut 6), Jugendämter (1,2%/absolut 4) und Kulturämter (0,9%/absolut 3) genannt. Der Anteil der Selbstorganisationen, die städtische Zuschüsse in Anspruch nehmen konnten, liegt somit bei 16,7% aller Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten. Eine Einrichtung, die Zuschüsse für zweckbestimmte Aktivitäten gewährt und auch von mehreren Selbstorganisationen genannt wurde, ist der Sportbund. 3,5% der Selbstorganisationen, in diesem Fall Sportvereine, nannten den Sportbund als Quelle für Zuschüsse. Weitere Zuschußquellen, die in der Erhebung genannt wurden, sind Einrichtungen des Landes (2,3%/8 Fälle) - hierunter in zwei Fällen (0,6%) auch das MAGS, Arbeitsämter (1,5%/5 absolut), Ausländerbeiräte (1,2%/4 absolut) und Kirchen (0,3%/1 Fall). Darüber hinaus wurden in 7 Fällen (2%) Zuschüsse angegeben, ohne daß die Quelle genannt wird. 108 Als Erklärung für die geringe Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel dürften neben der Begrenztheit dieser Mittel andere Gründe eine größere Rolle spielen. Ein wichtiger Grund hierbei dürften die geringen Kontakte zu Einrichtungen sein, die Projekte finanziell fördern. Ein weiterer Grund dafür, daß öffentliche Fördermittel nur sehr gering in Anspruch genommen werden, ist die geringe Kenntnis bzw. die mangelnde Erfahrung hinsichtlich der bürokratischen Abläufe, der Förderbedingungen und -kriterien. Erkennbar sind derartige Defizite aufgrund der Beobachtungen bei verschiedenen Vereinen, bei denen das erforderliche Interesse und Engagement vorhanden ist, jedoch häufig Informationen darüber fehlen, welche Quellen für eine spezielle Förderung in Frage kommen. Hat man die Fördereinrichtungen aufgetan, bilden die für eine Förderung erforderlichen bürokratischen Abläufe eine nächste Hemmschwelle. Die finanzielle Förderung dauerhafter Projekte etwa macht die Entwicklung von tragfähigen Konzepten erforderlich, für deren Erstellung oftmals die hierzu erforderliche Erfahrung fehlt. Für die geringe Inanspruchnahme öffentlicher Fördermaßnahmen müssen auch Mängel in den Vereinsführungen genannt werden, die häufig nicht in der Lage sind, die entsprechenden Anträge auszufüllen. 5.2.7.2 Räumlichkeiten Die Ausstattung der Selbstorganisationen mit Räumlichkeiten, die für die Vereinsaktivitäten genutzt werden können, bildet eine weitere wichtige Grundlage für eine kontinuierliche Vereinsarbeit. Fehlen eigene Räumlichkeiten, beginnen die Probleme bereits bei der Organisierung der Sitzungen des Vorstandes, der sich in solchen Fällen in der Privatwohnung eines Mitglieds treffen muß. Auch für die Planung und Koordinierung von Aktivitäten und nicht zuletzt für die Durchführung dauerhafter Angebote sind eigene Räumlichkeiten unerläßlich. Von den insgesamt 342 Selbstorganisationen, die bei der Erhebung die Frage nach eigenen Räumlichkeiten beantworteten, gaben insgesamt 253 (74%) an, über eigene Räume zu verfügen. Insgesamt 94 der Selbstorganisationen (27,6%) gaben an, die Räume anderer mitbenutzen zu können. Die Differenz zeigt, daß ein sehr kleiner Teil der Selbstorganisationen (1,6%) neben eigenen Räumen auch die anderer nutzen kann. Rund ein Viertel der Selbstorganisationen (26%) wiederum verfügt über keine eigenen Räumlichkeiten. Bedacht werden muß bei den Ergebnissen, daß sie nichts über die Größe und Qualität der Räumlichkeiten aussagen, da entsprechende 5. Auswertung Daten nicht abgefragt wurden. (Zu den Angaben über die Räumlichkeiten vgl. die Tabellen 19, Eigene Räumlichkeiten und 20, Mitbenutzung fremder Räume) Tabelle 19: Eigene Räumlichkeiten ja nein N= abs. % 253 89 74,0 26,0 342 100,0 Missing: 2 Tabelle 20: Mitbenutzung fremder Räume ja nein N= abs. % 94 247 27,6 72,4 341 100,0 Missing: 3 5.2.7.3 Mitarbeiter Eine kontinuierliche Arbeit für die Mitglieder und die Klientel einer Selbstorganisation hängt entscheidend von den personellen Ressourcen ab. So ist es ein Ziel der Bestandsaufnahme festzustellen, in welchem Maße sich Selbstorganisationen bei ihrer Arbeit auf das persönliche bzw. ehrenamtliche Engagement stützen müssen oder aber über festangestellte Mitarbeiter verfügen, die eine Kontinuität der Vereinsarbeit gewährleisten. Die eingeschränkten Möglichkeiten werden an den diesbezüglichen Ergebnissen des Rücklaufs deutlich. Bei 339 gültigen Antworten auf die Frage nach festangestellten Mitarbeitern gaben lediglich 104 (30,7%) an, festangestellte Mitarbeiter zu haben. Über zwei Drittel (69,3%/absolut: 235) gaben an, über keine festangestellten Mitarbeiter zu verfügen. Hinsichtlich der hier genannten Werte muß auf bestimmte Besonderheiten aufmerksam gemacht werden, die die Zahl und Anteile der festangestellten Mitarbeiter weiter schrumpfen lassen. Unter den genannten 104 Selbstorganisationen, die festangestellte Mitarbeiter angaben, handelt es sich bei über der Hälfte um Moscheevereine. Ihr festangestelltes Personal ist fast ausschließlich mit religiösen Aufgaben befaßt. Dies ist insbesondere bei Moscheevereinen der Fall, die dem Dachverband DİTİB angeschlossen sind, zu deren festangestelltem Personal die von der Türkei besoldeten Religionsbeauftragten (Imame) gehören. Extrahiert man die insgesamt 66 Moscheevereine, die festangestellte Mitarbeiter nannten, reduziert sich die Zahl auf 38 von 339 gültigen Antworten, der Anteil der Selbstorganisationen mit festangestellten Mitarbeitern wiederum auf 11,6%. Läßt man zudem die festangestellten Mitarbeiter der religiösen Dachverbände (3) und die der Unternehmerverbände und -vereine (4) unberücksichtigt, die natürlicherweise über andere finanzielle Möglichkeiten verfügen, so reduziert sich der absolute Wert auf 31, der Anteil wiederum auf 0,9% aller Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten. Daran ist zu erkennen, daß lediglich ein sehr kleiner Teil der Selbstorganisationen über festangestellte Mitarbeiter verfügt. Der entscheidende Grund für das Fehlen von festangestellten Mitarbeitern sind die geringen finanziellen Ressourcen der Selbstorganisationen. Wie weiter oben (Abschnitt 5.2.6.1.) zu sehen ist, stützt 109 sich der übergroße Teil der Selbstorganisationen in seinen Aktivitäten auf Mitgliedsbeiträge und Spenden, die zu gering sind, als daß von ihnen festangestelltes Personal finanziert werden kann. Die geringe Inanspruchnahme von Fördermitteln zur Finanzierung festangestellten Personals dürfte unter anderem auf mangelnde Kenntnisse der Vereine über diesbezügliche Möglichkeiten zurückzuführen sein. 5.2.8 Kontakte und Zusammenarbeit Wichtige Indikatoren der Bedeutung einer Selbstorganisation für die Community sind neben ihrer Existenz auch ihre Kontakte untereinander sowie zu anderen Einrichtungen, seien dies freie oder auch offizielle Ämter. In der Erhebung wurde deshalb gezielt nach den Kontakten und der Kooperation der Selbstorganisationen untereinander sowie zu Einrichtungen der Mehrheitsgesellschaft gefragt. Kontakte und Kooperationen sind nicht nur ein Indikator für den mehr oder minder vorhandenen Grad der Vernetzung zwischen Selbstorganisationen untereinander und mit Einrichtungen der Aufnahmegesellschaft, sondern auch gleichzeitig für eine Orientierung der Vereine am Zuwanderungsland und das Bestreben, dort eigene Belange wahrzunehmen oder auch Interessen durchzusetzen. 5.2.8.1 Zusammenarbeit mit anderen Selbstorganisationen Die Frage nach der Zusammenarbeit mit anderen Selbstorganisationen beantworteten 186 (von 342 insgesamt) mit „ja“. Anteilig gesehen sind dies mit 54,4% mehr als die Hälfte. Keine Kooperation mit anderen Selbstorganisationen wurde von 45,6% der Selbstorganisationen angegeben, die sich an der Erhebung beteiligten. Als Erklärung dafür, daß ein großer Teil der Selbstorganisationen keine Kooperation mit anderen Selbstorganisationen unterhält, kann genannt werden, daß viele in ihren Aktivitäten natürlicherweise selbstbezogen tätig sind. An anderen Orten besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Selbstorganisationen, die dieselbe Zielgruppe haben (Bsp. Moscheevereine der unterschiedlichen Dachverbände). Hinsichtlich der Kooperationsebene weisen die Ergebnisse der Erhebung einige Signifikanzen auf. So liegt sie auf der Gemeinde(19,9%) und der Kreisebene (26%) am höchsten. Tabelle 21: Kooperationsebene der Selbstorganisationen untereinander Mehrfachnennungen möglich abs. % nein ja und zwar auf der folgenden Ebene: Bund Land Kreis Gemeinde keine Angabe 156 186 45,6 54,4 40 47 89 68 22 11,7 13,7 26,0 19,9 6,4 N= 342 Missing: 2 5. Auswertung 5.2.8.2 Kontakte zur Heimat Im Rahmen der Erhebung wurden die Selbstorganisationen nach Kontakten zu politischen Parteien und anderen Organisationen im Herkunftsland befragt. In beiden Fällen gab der größte Teil der befragten Selbstorganisationen an, keine Kontakte dieser Art zu haben. Keine Kontakte zu politischen Parteien im Herkunftsland gaben 92,2% (309 von insgesamt 335) der Selbstorganisationen an. Lediglich 26 Selbstorganisationen, ein Anteil von 7,8%, nannten Kontakte zu Parteien, die zum Teil auch benannt wurden. In den meisten Fällen handelt es sich um Parteien in der Türkei. Auch wenn ein Großteil des türkischen Parteienspektrums von den Nennungen erfaßt ist, werden lediglich Parteien im Zentrum des politischen Systems nennenswert oft genannt. Unter den genannten Parteien finden sich auch (je einmal) eine Partei in BosnienHerzegowina und eine der Türken in Westthrakien in Griechenland. Bei der Auswertung dieser Frage fällt auf, daß relativ viele Vereine (3,6%/12 absolut) keine Angabe machten. 5.2.8.3 Kontakte und Zusammenarbeit in Deutschland Als ein wichtiger Indikator für eine effektive Vereinsarbeit wurden im Rahmen der Untersuchung nach den Kontakten und der Zusammenarbeit gefragt, die die Selbstorganisationen zu Organisationen und Institutionen im Zuwanderungsland unterhalten. Gefragt wurde nach Kontakten und Zusammenarbeit mit politischen Parteien und anderen Institutionen, sowie nach Kontakten zu offiziellen Einrichtungen der Städte bzw. Gemeinden und zu Einrichtungen des Landes. Kontakte und Kooperationen geben auch Aufschluß darüber, wie sehr sich die Vereine im Zuwanderungsland verorten, indem sie eigene Belange auch gegenüber der Mehrheitsgesellschaft vertreten und eigene Interessen dieser gegenüber durchzusetzen versuchen. So wurden die Selbstorganisationen nach Kontakten und Zusammenarbeit mit Parteien, zu anderen Organisationen und Einrichtungen, sowie zu offiziellen Einrichtungen sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene gefragt. Kontakte zu anderen Organisationen wiederum wurden von mehr Selbstorganisationen genannt. Während 69,5 (233 absolut) angaben, keine Kontakte zu anderen Organisationen im Herkunftsland zu unterhalten, liegt der Anteil derjenigen, die angaben, Kontakte zu unterhalten, bei 30,4% (102 absolut). Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, daß die von den Vereinen genannten Kontakte zu Parteien oder Organisationen im Herkunftsland wenig über die Intensität und die Qualität dieser aussagen. 5.2.8.3.1 Kontakte und Zusammenarbeit mit deutschen Parteien Sowohl die Kontakte als auch die Zusammenarbeit der Selbstorganisationen mit den hiesigen politischen Parteien ist eher niedrig. Kontakte zu Parteien nannten insgesamt 33,2% (absolut: 112 von 337 gültigen Angaben) der Selbstorganisationen. Mit 66,8% (225) beantworteten etwas über zwei Drittel der Vereine die Frage negativ. Unter den Parteien, zu denen Kontakte genannt wurden, dominieren alle etablierten Parteien. Die am häufigsten genannte Partei ist mit 100 die SPD. Errechnet man den Anteil an allen Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, sind dies 29,7% der Vereine, die Kontakt zur SPD haben. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil der Selbstorganisationen, die Kontakte zu Bündnis 90/Die Grünen nennen. Von den gültigen 337 Antworten nannten 77, das sind 22,8%, Kontakte zu dieser Partei. Gemessen an der Stärke der Partei im Landtag (37,7) ist der Anteil der Selbstorganisationen, die Kontakte zur CDU nennen, niedriger. Lediglich 65 (19,3%) gaben Kontakte zur CDU an. Kontakte zur FDP gaben 11,6% (39 absolut) an, Kontakte zur PDS/ DKP wurde von 8,3% (28 absolut) der befragten Vereine genannt. Die Ergebnisse lassen sich natürlich nicht hochrechnen, dennoch geben sie einen Hinweis darauf, daß Kontakte zu Parteien, die migrationspolitische Konzepte entwickeln, höher liegen. Beachtet werden muß auch, daß Kontakte zu Parteien - wenn sie denn gepflegt werden - nicht auf eine beschränkt bleiben. Im Durchschnitt haben die Selbstorganisationen Kontakte zu 2,9 Parteien. Tabelle 22: Kontakte zu Parteien im Herkunftsland Mehrfachnennungen möglich abs. % nein 309 ja 26 und zwar zu: CHP Cumhuriyet Halk Partisi (Republikanische Volkspartei) 8 DSP Demokratik Sol Parti (Linksdemokratische Partei) 4 SHP Sosyaldemokrat Halkçı Parti (Sozialdemokratische Volkspartei) 1 DYP Doğru Yol Partisi (Partei des rechten Weges) 5 ANAP Anavatan Partisi (Mutterlandspartei) 6 HADEP Halkın Demokrasi Partisi (Demokratische Volkspartei) 2 Refah Partisi (Wohlfahrtspartei) 2 ÖDP Özgürlük ve Dayanişma Partisi (Freiheits- und Solidaritätspartei) 1 Westthrakische Partei 1 SDA Mostar (Bosnien-Herzegowina) 1 keine Angabe 12 92,2 7,8 N= 2,4 1,2 0,3 1,5 1,8 0,6 0,6 0,3 0,3 0,3 3,6 335 Missing: 9 Die Angaben zu den Parteien waren als Antwortmöglichkeit nicht vorgegeben, sondern sind von den befragten Selbstorganisationen selber genannt worden. Tabelle 23: Kontakte zu anderen Organisationen im Herkunftsland nein ja N= abs. % 233 102 69,6 30,4 335 100,0 Missing: 9 110 5. Auswertung Tabelle 24: Kontakte zu deutschen Parteien Mehrfachnennungen möglich abs. % nein ja und zwar zu: SPD Bündnis’90/Die Grünen CDU FDP PDS/DKP DPD keine Angabe 225 112 100 77 65 39 28 1 4 66,8 33,2 29,7 22,8 19,3 11,6 8,3 0,3 1,2 N= 337 Missing: 7 Im Schnitt unterhielten die befragten Vereine Kontakte zu 2,9 deutschen Parteien. Die in der Tabelle aufgeführten Parteien waren von den befragten Selbstorganisationen selber genannt worden und nicht vorgegeben. Sind schon die Kontakte zu den Parteien als eher niedrig einzustufen, ist die Zusammenarbeit mit ihnen noch geringer. Eine Zusammenarbeit mit den Parteien wurde lediglich von 20,6% (70 absolut) der Selbstorganisationen angegeben. Nahezu vier Fünftel der Selbstorganisationen gaben an, keine Zusammenarbeit mit den Parteien zu unterhalten. Auch beim Gesamtaufkommen der Zusammenarbeit läßt sich bei den Parteien eine ähnliche Hierarchie erkennen. Während eine Zusammenarbeit mit der SPD im Falle von 15,9% der Vereine genannt wurde, ist der Anteil derjenigen, die eine Zusammenarbeit mit Bündnis 90/Die Grünen angab (11,5%) im Verhältnis deutlich niedriger als die zu dieser Partei genannten Kontakte. Bei der CDU ist dieses Gefälle noch deutlicher zu erkennen. Der Anteil derjenigen Selbstorganisationen, die eine Zusammenarbeit nennen, liegt bei nahezu der Hälfte (8,8%) derjenigen, die Kontakt zur Partei angaben. Eine Änderung in der Reihenfolge ist bei der Zusammenarbeit mit der FDP und der PDS/DKP festzustellen. Mit einem Anteil von 5,9% liegt der Anteil der Selbstorganisationen, die mit der letztgenannten zusammenarbeiten, gegenüber 5,6% noch über der FDP. Auch in Form der Kooperation ist hinsichtlich der Kontaktpflege ähnliches festzustellen wie bei den ausschließlichen Kontakten, die genannt wurden. Auch diese Kooperation beschränkt sich in der Regel nicht auf eine Partei, sondern umfaßt durchschnittlich 2,7 Parteien. Die Erklärung ist in beiden Fällen der politische Status der Migranten, die zur Verbesserung desselben auf lokaler Ebene Kontakte zu verschiedenen Parteien aufbauen müssen. Tabelle 25: Zusammenarbeit mit deutschen Parteien Mehrfachnennungen möglich abs. % nein ja und zwar mit: SPD Bündnis’90/Die Grünen CDU PDS/DKP FPD DPD keine Angabe 270 70 54 39 30 20 19 11 79,4 20,6 15,9 11,5 8,8 5,9 5,6 3,2 N= 340 Missing: 4 111 5.2.8.3.2 Kontakte zu anderen deutschen Organisationen Die Kontakte der Selbstorganisationen zu anderen deutschen Organisationen jenseits der politischen Parteien sind insgesamt gesehen höher. In diese Kategorie fallen Einrichtungen, Verbände und Organisationen, wie die Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, die Volkshochschulen und Universitäten, Sportbünde und migrantenspezifische Einrichtungen, wie die Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA). Von den Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, nannten insgesamt 38,5% (130 absolut) Kontakte dieser Art (bei den politischen Parteien liegt der Anteil bei 33,2%). Der größere Anteil von Kontakten zu Einrichtungen dieser Art erklärt sich durch die konkreteren Funktionen und Aufgaben, die sie für Selbstorganisationen einnehmen. Die Träger der freien Wohlfahrtspflege sind Einrichtungen, die migrantenspezifische Dienstleistungen wie Sozialberatung anbieten, darüber hinaus auch spezifischere Angebote für Migranten haben oder solche in Kooperation mit Selbstorganisationen materiell unterstützen. So wurden Kontakte zu Wohlfahrtsverbänden bei der Befragung am häufigsten genannt. Von den befragten Selbstorganisationen nannten insgesamt 10,9% (37 absolut) Kontakte - hierunter ist auch Kooperation zu verstehen - zu den verschiedenen Wohlfahrtsverbänden. Unter den Wohlfahrtsverbänden wurden am häufigsten Kontakte zur Arbeiterwohlfahrt (4,7%) genannt, was seine Erklärung darin hat, daß sie bei der nationalitätenspezifischen Aufteilung der sozialbetreuerischen Aufgaben für die größte der hier untersuchten Nationalität, die Türken, und andere überwiegend muslimische Gruppen zuständig ist. Im Umkehrschluß ist dies auch die Erklärung dafür, daß Caritas und Diakonisches Werk nur von wenigen Selbstorganisationen der hier untersuchten Gruppen genannt wurden (jeweils 1,5%). Kontakte zum Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) wurde von 3,3% (absolut 11) der Selbstorganisationen genannt. Der DPWV ist aufgrund seines eigenen Organisationsmodells der Mitgliedschaft einzelner Organisationen auch für Migrantenorganisationen offen. Die hier genannten „Kontakte“ sind daher als Mitgliedschaft im DPWV zu verstehen. Zu den Mitgliedern des DPWV gehören insbesondere Mitgliedsvereine zweier Dachverbände, der Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei (GDF), und der kurdische Dachverband KOMKAR, die mit dem Wohlfahrtsverband zusammenarbeiten. Eine Erklärung dafür, daß die Kontakte der Selbstorganisationen trotz der migrantenspezifischen Aufgaben und Angebote mit 10,9% dennoch relativ niedrig ist, liegt in der Angebotsstruktur der Selbstorganisationen selber begründet. Viele Selbstorganisationen bieten ihrer Klientel Dienstleistungen (z.B. informelle Sozialberatung) und Angebote (etwa Kurse), die früher stärker von den Wohlfahrtsverbänden wahrgenommen wurden (vgl. hierzu Abschnitt 5.2.9. Arbeitsschwerpunkte). 5. Auswertung Tabelle 26: Kontakte zu anderen deutschen Organisationen Mehrfachnennungen möglich abs. % nein ja und zwar zu: Kirchen Arbeiterwohlfahrt Gewerkschaften Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Volkshochschule Regionale Arbeitsstelle zur Förderung ausländischer Kinder und Jugendlicher (RAA) Diakonisches Werk Caritas kommunaler Sportbund Universität Unternehmerverbände andere ungenaue Angaben keine Angabe 208 130 61,5 38,5 33 16 11 11 10 9,8 4,7 3,3 3,3 3,0 N= Missing: 6 7 2,1 5 5 4 4 4 41 21 7 1,5 1,5 1,2 1,2 1,2 12,1 6,2 2,1 338 Im Schnitt unterhielten die Vereine, die mit „ja“ geantwortet haben, Kontakte zu 1,5 anderen deutschen Organisationen. 5.2.8.3.3 Kontakte zur Kommunalverwaltung Kontakte zur Kommunalverwaltung können als ein Indikator für eine effektive Arbeit auf lokaler Ebene angesehen werden. Die Kontakte und die Einbindung in die kommunalen Strukturen ist gleichermaßen ein Indikator für die Öffnung der Selbstorganisationen, mit anderen Worten ein Indikator für ein integrationsorientiertes Selbstverständnis der Vereine. Umgekehrt kann der mehr oder minder intensive Kontakt zu kommunalen Einrichtungen auch ein Gradmesser für die Akzeptanz zugewanderter Minderheiten durch die örtlichen Einrichtungen sein. Gleichermaßen geben Kontakte zur Kommunalverwaltung Auskunft über die Tätigkeitsfelder und Dienstleistungen der Selbstorganisationen. Die Ergebnisse der Erhebung zeigen, daß die kommunale Einbindung der Selbstorganisationen quantitativ betrachtet ein relativ hohes Niveau aufweist. So gaben über zwei Drittel (70,6% / absolut 242) der Selbstorganisationen an, Kontakte zur Kommunalverwaltung zu unterhalten. Lediglich 29,4% (101 absolut) gaben an, keine Kontakte dieser Art zu haben (siehe folgende Tabelle 27, Kontakte zur Kommunalverwaltung). Der hohe Grad der Kontakte zur Kommunalverwaltung insgesamt zeigt, daß die Selbstorganisationen auf lokaler Ebene die Belange ihrer Klientel wahrnehmen, und in diesem Sinne teilweise auch die Funktion der Interessenvertretung der eigenen Gruppe wahrnehmen. Der Mittelwert der Kontakte zu kommunalen Behörden und Einrichtungen - im Schnitt unterhielten die Selbstorganisationen, die Kontakte zur Kommunalverwaltung angaben, zu 1,9 Behörden Kontakte - zeigt zum einen den hohen Grad, zum anderen deutet er auf die Verschiedenartigkeit der Aufgaben, die einzelne Vereine wahrnehmen. 112 Deutlich wird die Wahrnehmung der Belange der eigenen Klientel an den Kontakten, die von den Selbstorganisationen genannt werden. Die Hälfte aller an der Erhebung beteiligten Vereine (50,1%/172 absolut) nennt Kontakte zur Stadtverwaltung. Anhand der Benennung der spezifischen Ämter, zu denen Kontakte bestehen, wird nicht allein die Interessenwahrnehmung durch die Vereine deutlich, sondern auch die Zielgruppen und die Problemfelder hierbei. Der am häufigsten genannte Kontakt ist mit 11,3% derjenige zum Sozialamt. Kontakte wie dieser sowie solche zur Ausländerbehörde (4,1%/absolut 14) und auch die zum Arbeitsamt (2,3%/absolut 8) vor Ort zeigen, daß Vertreter der Vereine Mitgliedern oder auch Publikum Hilfestellungen beim Kontakt zu den Behörden leisten oder auch bei Behördengängen mitwirken. Eine zielgruppenorientierte Interessenwahrnehmung wird an bestimmten Ämtern deutlich, die häufiger genannt wurden. Kontakte zum Jugendamt (8,2%/28 absolut) und zum Schulamt (4,4%/absolut 12) zeigen, daß bei vielen Selbstorganisationen schulische Belange der Kinder und Jugendlichen und deren Probleme zu den vorrangigen Arbeitsfeldern zählen. Kontakte zum Kulturamt (7,2%/25 absolut) zeigen, daß ein - wenn auch kleiner - Teil der Selbstorganisationen um finanzielle Unterstützung kultureller Aktivitäten bemüht ist. Eher niedrig ist der Kontakt zu den Ausländerbeiräten, dem Gremium, das als institutionalisierte Form der Interessenwahrnehmung für Migranten eingeführt wurde und landesweit in 139 Gemeinden besteht. Von allen Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, gaben lediglich 15,4% (51 absolut) an, Kontakte zum Ausländerbeirat zu pflegen. Hierbei muß jedoch berücksichtigt werden, daß unter den 85,1% derjenigen Selbstorganisationen, die keine Kontakte haben, auch diejenigen erfaßt sind, die keinen Beirat vor Ort haben. Setzt man die Zahl der Selbstorganisationen in Relation zu den Orten, in denen Beiräte vorhanden sind, erhöht sich der Anteil auf 17,8%, ist also dennoch relativ niedrig, insbesondere wenn bedacht wird, daß es vornehmlich ein Gremium für die Bürger aus Nicht-EU-Staaten ist, deren Selbstorganisationen hier untersucht werden. Diese Beobachtung wirft natürlich die Frage nach den möglichen Gründen hierfür auf. Einige Selbstorganisationen, wie etwa Unternehmervereine, haben naturgemäß keine oder geringe Kontakte zum Ausländerbeirat. In einigen anderen Fällen ist es auf das Fehlen eines intakten Ausländerbeirates zurückzuführen, zu dem man Kontakt unterhalten könnte. Eine weitere Erklärung könnte möglicherweise die geringe Akzeptanz dieses Gremiums sein, die auf fehlende Entscheidungskompetenzen zurückgeführt werden könnte. 5. Auswertung Tabelle 27: Kontakte zur Kommunalverwaltung Mehrfachnennungen möglich abs. % nein ja und zwar zu: Stadtverwaltung darunter: Jugendamt Sozialamt39 Kulturamt Ausländerbehörde Schulamt 12 Sportamt Gesundheitsamt Arbeitsamt Ausländerbeirat Stadtrat Polizei andere kommunale Kontakte ungenaue Angaben keine Angabe 101 242 29,4 70,6 172 28 11,3 25 14 4,4 7 3 8 51 28 2 23 6 11 50,1 8,2 N= 7,2 4,1 2,0 0,9 2,3 14,9 8,2 0,6 6,7 1,7 3,2 343 Missing: 1 Im Schnitt unterhielten die Vereine, die mit „ja“ geantwortet haben, Kontakte zu 1,9 kommunalen Behörden oder Einrichtungen. 5.2.8.3.4 Kontakte zu Einrichtungen des Landes Deutlich geringer als die Kontakte zur Kommunalverwaltung sind diejenigen zu Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen. Von den insgesamt 339 Selbstorganisationen, die auf die Frage hierzu eine gültige Antwort gaben, gaben lediglich 13,9% (47 absolut) an, über Kontakte zu den Einrichtungen des Landes zu verfügen. Das bedeutet, daß der übergroße Teil von 86,1% (292 absolut) über keinerlei Kontakte zu offiziellen Einrichtungen auf Landesebene verfügt bzw. diese nicht aufbauen konnte. Die Verteilung weist, wenn man den Durchschnittswert der Selbstorganisationen heranzieht, die Kontakte angaben (1,3 Behörden pro Selbstorganisation), auf eine Diskrepanz hin: Während der übergroße Anteil der Selbstorganisationen über keinerlei Kontakte zu Landeseinrichtungen verfügt, ist die Intensität bei denjenigen, die über Kontakte verfügen, relativ entwickelt. Bei den Kontakten, die auf Landesebene am häufigsten genannt werden, sind die Ministerien hervorzuheben. Kontakte zu diesen nannten insgesamt 18 (5,3%) der befragten Selbstorganisationen. Am häufigsten (3,2%/insgesamt 11 Fälle) unter diesen wird das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales genannt. Weitere Ministerien, zu denen Kontakte angegeben wurden, sind das Kultusministerium, das Innen- und das Wirtschaftsministerium. Weitere Kontakte auf Landesebene, die angegeben wurden, entfallen auf die Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte (1,2%/4 Fälle), die Landeszentrale für politische Bildung (ebenfalls 1,2%), den Landesfußballbund (0,9%/3 Fälle) und den Landessportbund (0,6%/ zwei Fälle). Die beiden Letztgenannten bilden nur zusammengerechnet (1,5%) eine nennenswerte Größe. Bei Kontakten zu weiteren Landeseinrichtungen handelt es sich um Einzelfälle, zu denen Prozentangaben wenig sinnvoll erscheinen. Genannt wurden unter diesen die Landesanstalt für Rundfunk, das Landesarbeitsamt, das Landesversorgungs- und das Landesjugendamt. 4,4% der Selbst- 113 organisationen, die Kontakte angaben, haben diese nicht spezifiziert, so daß eine Zuordnung nicht möglich ist. Die wenigen Kontakte zum MAGS sind ein Hinweis darauf, daß nur sehr wenige Selbstorganisationen über die Reichweite und den Nutzen dieser Kontakte Kenntnis haben. Die geringen Kontakte zu den Medien, in diesem Falle der Rundfunkanstalten, sind ein Anzeichen dafür, daß vermutlich nur wenige Selbstorganisation deren Nutzen für eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit kennen und zu nutzen wissen. Tabelle 28: Kontakte zu Einrichtungen des Landes Mehrfachnennungen möglich abs. % nein ja und zwar zu: Landtag Ministerien darunter: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Wirtschaftsministerium Innenministerium Kultusministerium Landesanstalt für Rundfunk Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen Landesarbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Landeszentrale für politische Bildung Landesversorgungsamt Landesjugendamt ungenaue Angaben keine Angabe 292 47 86,1 13,9 3 18 11 1 1 2 2 1 4 4 2 1 5 10 0,9 5,3 3,2 0,3 0,3 0,6 0,6 0,3 1,2 1,2 0,6 0,3 1,5 2,9 N= 339 Missing: 5 Im Schnitt unterhielten die Vereine, die mit „ja“ geantwortet haben, Kontakte zu 1,8 Behörden oder anderen Einrichtungen des Landes. 5.2.9 Arbeitsschwerpunkte 5.2.9.1 Zielgruppen Ein zentrales Anliegen der Untersuchung war die Ermittlung der Tätigkeitsfelder und Angebote der Selbstorganisationen, die zeigen sollten, welche Aufgaben und Funktionen sie für Mitglieder und Klientel wahrnehmen. Gefragt wurde in der Erhebung nach den Zielgruppen und der Art der Angebote. Die quantitative Auswertung des Rücklaufs zeigt eine Dominanz bestimmter Zielgruppen, für die ein Großteil der Selbstorganisationen Angebote nennen. Sehr auffällig ist die Jugendorientierung der Selbstorganisationen. Bei 304 gültigen Antworten gaben insgesamt 246 Selbstorganisationen Jugendliche als Zielgruppe ihrer Aktivitäten an, was einem prozentualen Anteil von 80,9% der gültigen Antworten entspricht. Neben Jugendlichen, die als Zielgruppe der Aktivitäten der meisten Selbstorganisationen berücksichtigt werden, nannten 74% (absolut: 225) der Selbstorganisationen Frauen und 72% (absolut: 219) Kinder als Zielgruppe der Aktivitäten bzw. der Angebote. Auffällig hoch liegt die Zahl der Selbstorganisationen, die Angebote für Ratsuchende nennen. Von den 304 Selbstorganisationen, die Angaben zu den Zielgruppen machten, nannten 181 (59,5%) Angebote für Ratsuchende. Während über die Hälfte (53,6%) der Selbstorganisationen spezielle Angebote für Senioren unter den Aktivitäten nennen, liegt 5. Auswertung die Zahl der Vereine insgesamt niedriger, die spezifische Angebote für Arbeitnehmer (41,8%) und Arbeitslose (30,9%) haben. Auffällig ist, daß die meisten Vereine in ihren Angeboten nicht auf eine bzw. zwei Zielgruppen beschränkt bleiben. Die Befragten nannten im Schnitt 4,2 verschiedene Zielgruppen ihrer Angebote. Die Bedeutung der Kinder und Jugendlichen als Zielgruppe der Vereinsaktivitäten wurde auch in verschiedenen Gesprächen mit Vereinsvertretern herausgestellt, wenn auch die Ausrichtungen unterschiedlich sind. Von einem islamischen Dachverband, dem Verband der Islamischen Kulturzentren, wurde die religiöse und soziale Betreuung der Jugendlichen als vorrangiges Ziel genannt.90 Eine besondere Aufmerksamkeit für die Jugend wurde im Gespräch mit dem DİTİB-Vorstand vor dem Hintergrund der beruflichen Eingliederung und der Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz begründet, die die Gefahr in sich bergen, daß die Jugendlichen ins soziale Abseits geraten.91 Dieselben Probleme und eine entsprechende Zielrichtung sind auch bei Migrantenselbstorganisationen anderer Herkunftsländer gegeben. Als Beispiel seien hier marokkanische Jugendliche genannt, die aufgrund fehlender oder schlechter Schulabschlüsse keinen Ausbildungsplatz finden. Von Vereinsvertretern wurden sie als Schwerpunktzielgruppe genannt, zu der man besonders schwer Zugang finde.92 Tabelle 29: Angebote für besondere Zielgruppen Mehrfachnennungen möglich abs. % Angebote für Kinder Angebote für Jugendliche Angebote für Frauen Angebote für Ältere Angebote für Arbeitnehmer Angebote für Arbeitslose Angebote für Ratsuchende andere darunter: Angebote für Flüchtlinge und Asylbewerber Angebote für Unternehmer und Selbständige andere Zielgruppen 219 246 225 163 127 94 181 35 72,0 80,9 74,0 53,6 41,8 30,9 59,5 11,5 4 1,3 3 1,0 28 9,2 N= 304 Missing: 40 5.2.9.2 Angebotsstruktur Bei der Angebotsstruktur fällt auf, daß sie bei einem großen Teil der Selbstorganisationen breit gefächert ist. Das heißt, die wenigsten beschränken sich, auch wenn sie dem Namen und den Zielsetzungen nach ein eingegrenztes Tätigkeitsfeld zu haben scheinen, tatsächlich auf eine sehr eingegrenzte Klientel. Der größte Teil der Selbstorganisationen hat parallel Angebote unterschiedlicher Art, die sich an verschiedene Zielgruppen richten. Am häufigsten wurden von den Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, kulturelle Angebote genannt. Angebote dieser Art nannten 73,4% (243) der insgesamt 331 Selbstorganisationen, deren Antworten in die Auswertung einflossen. Weitere oft genannte Angebote betreffen die Freizeitgestaltung. Sie werden von 61,6% (204) der Selbstorganisationen genannt. Genauso hoch ist der Anteil der Selbstorganisationen, die Beratungsangebote haben. Angebote dieser Art wurden von 61,6% (204) der Selbstorganisationen angegeben. Bedacht werden muß hierbei, daß die Beratungstätigkeiten der befragten Gruppen überwiegend informell und ehrenamtlich durchgeführt werden. Betreuungs- und Hilfsangebote nehmen ebenfalls einen wichtigen Platz ein. Während 54,7% (181) der befragten Selbstorganisationen Betreuungsangebote angaben, liegt der Anteil derjenigen, die Hilfen als Angebot ihres Vereins nennen, bei 43,8% (145). Über die Hälfte der Selbstorganisationen, 61,3% (absolut 203), bieten ihren Mitgliedern sportliche Aktivitäten als Angebot an. Hier muß darauf hingewiesen werden, daß es sich hierbei nicht nur um Sportvereine handelt, die lediglich 8,1% der Selbstorganisationen ausmachen (siehe oben Selbstorganisationen nach Vereinstyp). Auch zahlreiche religiös oder kulturell orientierte Vereine organisieren für Mitglieder, hier insbesondere für Kinder und Jugendliche, sportliche Aktivitäten. Angebote zur Bildung wurden von 44,4% der Selbstorganisationen genannt. Fehlende Finanzierungsmöglichkeiten sind eines der größten Probleme bei Kursangeboten. Als ein konkretes Beispiel seien hier Angebote wie Hausaufgabenhilfe oder beruflich qualifizierende Kurse genannt. Bei Angeboten dieser Art, die zuvor von öffentlicher Hand finanziert wurden, kam es in letzter Zeit häufig zu Streichungen, so daß der jeweilige Kurs eingestellt werden mußte, oder aber ohne finanzielle Unterstützung ehrenamtlich fortgesetzt wird.93 Die Zahl der Selbstorganisationen mit religiösen Angeboten deckt sich mit deren prozentualem Anteil bei der Zahl der Selbstorganisationen insgesamt. Religiöse Angebote wurden von 52,0% (172) der Selbstorganisationen genannt, die sich an der Erhebung beteiligten. Das bedeutet, daß diese Art von Dienstleistungen ausschließlich von religiösen Selbstorganisationen angeboten werden. Weitere Formen von Angeboten im Bereich der Freizeitgestaltung sind neben sportlichen Aktivitäten Kulturveranstaltungen und Feste für Familien. Aufklärerische Funktion haben Vorträge oder auch Seminare, in denen die Mitglieder des Vereins und Außenstehende beispielsweise über ausländerrechtliche und Fragen der Einbürgerung aufgeklärt bzw. zur Einbürgerung animiert werden. Die Auswertungsergebnisse zur Angebotsstruktur zeigen, rein quantitativ betrachtet, daß der größte Teil der Vereine eine breite Palette an Aktivitäten für die Mitglieder abzudecken versucht. Der Mittelwert zeigt dies recht deutlich: Im Schnitt gaben die befragten Vereine 4,9 verschiedene Arten von Angeboten an. 90 Gespräch mit dem Generalsekretär des Verbandes, İbrahim Çavdar. 91 Aus dem Gespräch mit dem DİTİB-Vorstandsmitglied Mehmet Yıldırım. 92 Interview mit dem stellvertretenden Vorsitzenden eines marokkanischen Moscheevereins. 93 Als Beispiel sei hier die Hausaufgabenhilfe eines Moscheevereins in Herne genannt, die zuvor von der Kommune finanziell unterstützt wurde. Die Streichung der Mittel wurde mit den Finanznöten der Kommune begründet und wird, da die Maßnahme aus Sicht des Vereins dringend erforderlich ist, seitdem ehrenamtlich fortgeführt. Aus dem Gespräch mit Arif Ünal vom Vorstand des Moscheevereins in Herne. 114 5. Auswertung Tabelle 30: Art der Angebote Mehrfachnennungen möglich abs. % Beratung Betreuung Hilfe Gesundheit Sport Freizeitgestaltung Religion Bildung Kultur sonstige 204 181 145 69 203 204 172 147 243 62 61,6 54,7 43,8 20,8 61,3 61,6 52,0 44,4 73,4 18,7 N= 331 Missing: 13 5.2.9.3 Orientierung der Angebote In der Erhebung wurden die Selbstorganisationen danach gefragt, ob sich ihre Angebote auf das Herkunftsland oder das Zuwanderungsland oder möglicherweise beide konzentrieren. Die Auswertung der Frage nach der Selbsteinschätzung hinsichtlich der Orientierung ergab, daß die wenigsten Vereine ihre Angebote als eher heimatbezogen betrachten. Lediglich 0,9% (absolut: 3) der Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, betrachten ihre Angebote als eher heimatbezogen. Der größte Teil, mit 60,9% (absolut: 196) mehr als die Hälfte der befragten Selbstorganisationen, betrachten ihre Angebote als beidseitig orientiert, d.h. sowohl auf das Leben in der Bundesrepublik als auch auf die Heimat. 38,2% (absolut: 123) der Selbstorganisationen wiederum sehen ihre Angebote als auf das Migrationsland Bundesrepublik konzentriert. Zwar fehlen Vergleichsdaten aus der Vergangenheit, die eine Tendenz empirisch belegen könnten, dennoch zeigt der Anteil der Selbstorganisationen, die ihre Angebote als auf das Leben in der Bundesrepublik orientiert betrachten, die Gewichtung des Selbstverständnisses, sich in den Vereinsaktivitäten auf das Leben im Zuwanderungsland zu konzentrieren (vgl. Tabelle 31, Orientierung der Angebote). Tabelle 31: Orientierung der Angebote Bundesrepublik Heimat beides N= abs. % 123 3 196 38,2 0,9 60,9 322 100,0 Missing: 22 Aus der Selbsteinschätzung der beidseitigen Orientierung der Angebote kann nicht der Schluß einer doppelten Lebensplanung gezogen werden, die auf eine mögliche „Rückkehr“ abzielt. Sie ist möglicherweise als Offenhaltung einer „Rückkehroption“ zu verstehen. Noch eher ist hinter der beidseitigen Orientierung das Verständnis zu sehen, daß zur Bewahrung der eigenen Identität (ethnisch, kulturell oder religiös) der Kontakt zum Herkunftsland bzw. Einrichtungen im Herkunftsland einen wichtigen Faktor darstellt, der zur Vermittlung der Kultur des Herkunftslandes einen funktionalen Wert hat. 115 Die verstärkte Orientierung am Leben im Zuwanderungsland wird an den Aktivitäten und Angeboten deutlich, die die Selbstorganisationen im Konkreten nennen. Neben den Ergebnissen zur Angebotsstruktur (siehe oben) wurden von verschiedenen Selbstorganisationen als konkrete Beispiele für diese Orientierung Informationsveranstaltungen oder Vorträge zum Ausländerrecht oder zur Einbürgerung genannt. Die Orientierung am Zuwanderungsland wird auch an den Ergebnissen der Frage nach den Erwartungen der Selbstorganisationen gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen deutlich (vgl. den Abschnitt 5.2.11). Die Verbleiborientierung wird an den auf diese Frage hin genannten Erwartungen deutlich, die diese Neigung empirisch untermauern. Genannt seien hier die Stichworte erleichterte bzw. automatische Einbürgerung für hier Geborene, doppelte Staatsbürgerschaft, die Zuerkennung politischer Partizipationsrechte (kommunales und allgemeines Wahlrecht). 5.2.10 Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit Ein zentrales Problem eines Großteils der Migrantenselbstorganisationen ist die geringe Wahrnehmung durch die Mehrheitsgesellschaft und ihre Institutionen. Eine wirkungsvolle Methode zur stäkeren Wahrnehmung sind zum einen die Kontakte zu Organisationen und Einrichtungen im Zuwanderungsland. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist eine nach Möglichkeit wirksame Öffentlichkeitsarbeit, die in verschiedener Weise erfolgen kann. Hierzu gehört auch die Öffnung der Einrichtung für außenstehende Interessierte und kann durch Einladung von Akteuren der Mehrheitsgesellschaft ausgeweitet werden, wie dies in vielen Fällen bereits geschieht. Die Öffentlichkeitsarbeit kann auch durch Kontakt zu den Medien effizienter gestaltet werden. Ein wichtiges Element hierbei können eigene Publikationen sein. Eigenwerbung in Form von Broschüren, Faltblättern, Plakaten etc. dient nicht nur der Rekrutierung weiterer Mitglieder und Teilnehmer an Aktivitäten eines Vereins, sondern ist auch eine wirksame Methode, den Bekanntheitsgrad einer Selbstorganisation gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und ihren Institutionen zu erhöhen. So wurde in der Erhebung nach eigenen Publikationen gefragt, wie etwa Broschüren, Faltblättern oder auch periodische Veröffentlichungen wie Zeitschriften. Von den befragten Selbstorganisationen gaben lediglich 18,3% (63 absolut) an, eigene Publikationen zu haben, d.h. der übergroße Teil von 81,4% (bei insgesamt 243 gültigen Antworten) verfügt über keinerlei Publikationen. Bei denjenigen, die Publikationen nannten, muß zudem berücksichtigt werden, daß in dem Wert auch die Dachorganisationen enthalten sind. Des weiteren sind unter ihnen auch Selbstorganisationen, die in der Herkunftssprache veröffentlichen, wodurch eine Öffentlichkeitswirksamkeit gegenüber der Mehrheitsgesellschaft nicht gegeben ist. Das Defizit in diesem Bereich hat verschiedene Ursachen. Ein zentrales Problem sind die personellen und finanziellen Ressourcen. Da der größte Teil der Selbstorganisationen über keine festangestellten Mitarbeiter verfügt, stützen sich die Arbeiten entsprechend auf den ehrenamtlichen Einsatz der Mitglieder, der aufgrund der Erwerbstätigkeit zeitlich eingeschränkt ist. Einige größere Vereine mit engagierten Mitgliedern haben die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit erkannt und möchten diese stärker betreiben, nur fehlt es an den erforderlichen Ressourcen, zu denen u.a. auch Mitglieder gehören, die die sprachlichen Voraussetzungen erfüllen und über entsprechen- 5. Auswertung des Know How über die Öffentlichkeitsarbeit verfügen. Dies wurde auch in einem Interview mit einem Vereinsvertreter geäußert, der einen konkreten Vorschlag machte, wie die Öffentlichkeitsarbeit der Migrantenvereine vor Ort ermöglicht werden könnte. Durch die Einrichtung einer fest finanzierten Stelle könne die Öffentlichkeitsarbeit aller Migrantenvereine vor Ort ermöglicht werden, die die deutsche Presse mit Nachrichten über Migranten bzw. deren Aktivitäten versorgen könnte.94 Mangelnde personelle Ressourcen beziehen sich in diesem Zusammenhang auch auf die sprachliche Kompetenz im Deutschen. Als ein Indikator hierfür kann ein weiteres Ergebnis der Erhebung angesehen werden. Bei der Auswertung der Sprache, in der die Fragebögen ausgefüllt wurden, zeigte sich, daß 67,2% (211 von insgesamt 311) der befragten Selbstorganisationen von Migranten aus der Türkei ihn in Türkisch ausfüllten (vgl. folgende Abbildung). der Auswertung herausstellte. Zur Verdeutlichung sei hier erwähnt, daß von vielen Maßnahmen zur Integration genannt wurden, die nicht vom Land sondern nur auf der Bundesebene vollzogen werden können, wie etwa die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft. Trotz dieser einschränkenden Faktoren war der Anteil der Selbstorganisationen, die die Frage zu den Erwartungen an das Land Nordrhein-Westfalen beantworteten, relativ hoch. Von insgesamt 344 Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, beantworteten 225, also 65,4%, die Frage in auswertbarer Form. Bei einem kleinen Anteil von 3,8% waren die Angaben zu diffus, als daß sie einer festgelegten Variablen zugeordnet werden konnten. Der Anteil der befragten Selbstorganisationen, die die Frage unbeantwortet ließen, liegt bei 30,8% (106 absolut). In einem Falle wurde die Frage nicht beantwortet, sondern mit der frustrierten Gegenfrage kommentiert, warum denn „schon wieder diese Frage gestellt“ würde. Abb. 3: Insgesamt zeigen die in den Fragebögen artikulierten Erwartungen eine große Bandbreite. Neben politischen und rechtlichen Schritten wurden gesellschafts- und wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation der hier lebenden Migranten genannt. Eine weitere Gruppe von Antworten betrifft die Möglichkeiten zum Erhalt bzw. zur Bewahrung der eigenen Kultur bzw. auch religiösen Identität. In diesem Kontext ist auch die Förderung der Selbstorganisationen zu sehen, die als eine Maßnahme genannt wurde. Bewußtsein für die Reziprozität des Integrationsprozesses kommt in Forderungen zum Ausdruck, die die eigene Gruppe betreffen. 5.2.11 Erwartungen an das Land NordrheinWestfalen 5.2.11.1 Auswertung der genannten Erwartungen insgesamt Im Rahmen der Erhebung wurden die Selbstorganisationen nach ihren Erwartungen gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen gefragt. Dies erfolgte in Form einer offenen Frage, die allgemeiner formuliert war, um somit die Möglichkeit zu geben, neben Erwartungen gegenüber der Politik hinsichtlich der Integration auch solche nennen zu können, die andere gesellschaftliche Bereiche oder Institutionen betreffen. Die Möglichkeit, die eine offene Frage bietet, birgt auf der anderen Seite jedoch auch verschiedene Nachteile. Einerseits ist der mit der Beantwortung einer offenen Frage verbundene höhere Zeitaufwand ein Faktor, der dazu führen kann, daß die Frage übergangen wird, wie es bei einigen Selbstorganisationen der Fall gewesen sein dürfte. Ein weiteres Problem ist die Quantifizierbarkeit der Antworten, die häufig unpräzise bzw. auch diffus sind, wie sich bei Hinsichtlich der Zahl der genannten Erwartungen pro Selbstorganisation ist eine kontinuierliche Linie nach unten zu beobachten. Das heißt, der größte Teil derjenigen, die die Frage beantworteten, benannten wenige Erwartungen hinsichtlich der Integration. Nahezu ein Viertel (22,1%/76 von 225) beschränkten sich auf eine Nennung. Der Anteil derjenigen, die bis zu drei Erwartungen nannten, liegt bei nahezu der Hälfte (47,9%/165 absolut) aller Selbstorganisationen. Die Extremwerte bei der Zahl der von einer Organisation genannten Erwartungen liegt bei 8, in einem Fall bei 9 insgesamt. Während sich ein Teil auf wenige (ein bis zwei) Empfehlungen zur Integrationspolitik beschränkte, gab es auch Selbstorganisationen, die einen umfangreichen Empfehlungskatalog auflisteten und auch ausführlich darlegten. Die absolute Zahl auswertbarer Empfehlungen liegt bei insgesamt 595, die 37 Variablen zugeordnet werden konnten. 94 Aus dem Tiefeninterview mit Arif Ünal, Vorstandsmitglied eines DİTİB-Moscheevereins in Herne. Er betonte, daß eine diesbezügliche Initiative unternommen wurde, aber mit Hinweis auf finanzielle Nöte nicht bewilligt wurde. In diesem Zusammenhang wurde auf die geringen Einflußmöglichkeiten einer Bevölkerungsgruppe auf die kommunale Politik hingewiesen, der politische Partizipationsrechte fehlen. Als potentielle Wähler würde man bei eigenen Anliegen stärker berücksichtigt werden. 116 5. Auswertung zeigt das geringe Interesse an den Beiräten. Diese Zahlen zeigen vielmehr, daß die Erwartungen in Richtung Gleichstellung im Bereich der politischen Partizipation gehen. In einer allgemeiner formulierten Weise nannten sogar 20,4% (46 absolut) der befragten Selbstorganisation die Verwirklichung gleicher Rechte für alle als Erwartung hinsichtlich einer effektiven Integrationspolitik. Die Zahlen verweisen darauf, daß sich bei vielen Selbstorganisationen als Vertreter einer zugewanderten Bevölkerungsgruppe das Bewußtsein und die Erwartung entwickelt, daß die politische Gleichstellung der Migranten die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist. Abb. 4: Bei der Auswertung der Maßnahmen, die von den Selbstorganisationen hinsichtlich der erforderlichen Integrationsbemühungen genannt werden, sind bestimmte Häufungen erkennbar. Die Empfehlung, die von den meisten Selbstorganisationen gemacht wurde, bewegt sich im Allgemeinen und zielt nicht auf konkrete Maßnahmen des Landes. Insgesamt nannten 33,3% der Selbstorganisationen, die die Frage beantworteten, die Verbesserung des Dialogs bzw. des Kontaktes zwischen der deutschen und den (in diesem Falle überwiegend) türkischen Gemeinschaften bzw. die Verbesserung des deutsch-türkischen Dialogs als Bedingung für eine erfolgreiche Integration. Eine weitere Gruppe von Erwartungen, die ebenfalls nicht auf Landesebene eingelöst werden können, jedoch die Bedeutung für die Migranten bzw. ihre Selbstorganisationen dokumentieren, betreffen den rechtlichen Status der hier lebenden Migranten. Die am häufigsten genannte Erwartung in diesem Bereich ist mit 18,2% (41 absolut) die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft. Die häufige Nennung dieser Forderung ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß es sich bei dem größten Teil der hier befragten Selbstorganisationen um türkische handelt. Als Bürger eines Drittstaates ist bei türkischen Staatsbürgern gegenüber Migranten aus EU-Mitgliedsstaaten eine rechtliche und auch politische Benachteiligung gegeben. Während Migranten aus EU-Mitgliedsstaaten politische Partizipationsmöglichkeiten unabhängig von der deutschen Staatsbürgerschaft besitzen (kommunales Wahlrecht), sind sie gegenüber Drittstaatlern auch bei der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt bevorzugt. Deutlich wird die Bedeutung der doppelten Staatsbürgerschaft daran, daß sie ausschließlich von türkischen Selbstorganisationen genannt wurde. Ebenfalls in den Bereich der Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen gehört die von den Selbstorganisationen genannte erleichterte Einbürgerung (4,4%/10 absolut) und die automatische Einbürgerung der hier geborenen Kinder der Zuwanderergruppen (2,7%/6 absolut). Von einigen Selbstorganisationen wurde in der Erhebung auch die Beseitigung des Kindervisums zur Verbesserung der rechtlichen Situation genannt (1,3%/3 absolut). In allgemeinerer Weise wurde von einigen Selbstorganisationen hierbei auch als Erwartung genannt, Deutschland müsse sich als Einwanderungsland begreifen (1,8%/4 absolut), worin implizit auch die Erwartung nach rechtlichen Reformen artikuliert wird. Trotz der Einschränkung, Maßnahmen des Landes zur Integrationsförderung zu nennen, wurden von vielen Selbstorganisationen Erwartungen artikuliert, die einer Lösung auf Bundesebene bedürfen. Die Artikulation dieser Erwartungen verweist auf das Bewußtsein, daß eine wirksame Integrationspolitik verschiedene Schritte erfordert, die die Rahmenbedingungen der Integrationspolitik insgesamt betreffen. Auffallend oft wurden Maßnahmen genannt, die auf die politischen Partizipationsmöglichkeiten hier lebender Migranten und die Verbesserung des rechtlichen Status abzielen. Während 16,4% (37 absolut) der Befragten die Zuerkennung des kommunalen Wahlrechts nannten, wurde von 15,1% (34 absolut) die Gewährung des allgemeinen Wahlrechts als Voraussetzung für eine wirksame Integrationspolitik genannt. Interessant ist dem gegenüber die niedrige Zahl derjenigen, die mehr Rechte für die Ausländerbeiräte benannten. Der geringe Anteil von 0,9% (lediglich zwei Selbstorganisationen) Ein weiterer Komplex von Erwartungen gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen, die von den Selbstorganisationen in der Erhebung genannt wurden, betreffen Maßnahmen zur gesellschaftlichen und zur Integration in das Erwerbsleben. In der allgemeinsten und gleichzeitig häufigsten Form erscheint die gesellschaftliche Integration in Gestalt des Wunsches nach einer Förderung des Dialogs zwischen Mehrheitsgesellschaft und Zuwanderergruppe, die von jeder dritten Selbstorganisation (33,3%) genannt wurde. Hierin wird deutlich, daß ein großer Teil der Selbstorganisationen keine Form der Segregation einer Minderheit anzusehen ist, sondern vielmehr selber das Bewußtsein haben, daß sie als Ansprechpartner bzw. Brücke zur Mehrheitsgesellschaft gesehen werden wollen. Das Bewußtsein für die Gegenseitigkeit des Integrationsprozesses kommt auch in der Erwartung zum Ausdruck, über die jeweils andere Seite stärker informiert und aufgeklärt zu werden. So nannten 8% (18 absolut) Die Verteilung der Ausschöpfung nach den Herkunftsländern deckt sich in etwa sowohl mit den Anteilen an allen erfaßten Selbstorganisationen als auch der Ausschöpfungsquote bei der Erhebung (vgl. hierzu den Abschnitt „Rücklauf“). Von 225 Antworten insgesamt nehmen türkische Selbstorganisationen mit 205 (91,1%) den größten Anteil ein. Die anderen Antworten verteilen sich mit 2,2% (5 absolut) auf kurdische, je 1,3% (3 absolut) auf bosnisch-herzegowinische und marokkanische, je 0,9% auf tunesische und jugoslawische (2 absolut) und 2,2% (5 absolut) auf nationenübergreifende Selbstorganisationen. 117 5. Auswertung der Selbstorganisationen (fast ausschließlich türkische) eine stärkere Aufklärung der Deutschen über das Herkunftsland und den Hintergrund der Zuwanderergruppe. Umgekehrt wurde von 4,9% (11 absolut) der überwiegend türkischen Selbstorganisationen eine stärkere Aufklärung durch Informationen über Deutschland genannt. Als konkretere Maßnahmen zur Förderung der gesellschaftlichen Integration wurden von mehreren Selbstorganisationen die Sprachförderung (8%/18 absolut), und noch öfter Maßnahmen zur Förderung im schulischen Bereich (9,3%/21 absolut) genannt. Neben diesen Maßnahmen, die eine Förderung der Migranten selber betreffen, wurden auch solche genannt, die auf die Mehrheitsgesellschaft abzielen. Genannt wurden hierunter die Verbesserung der Behandlung bei Ämtern (2,2%/5 absolut), Maßnahmen zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus (4,9%/11 absolut), Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung (3,1%/7 absolut) und die bereits erwähnten Informationen über das Herkunftsland und den Hintergrund der zugewanderten Gruppe, der ebenfalls diese Funktion zugedacht wird. Von einer Selbstorganisation wurde für die gesellschaftliche Gleichstellung der Migranten eine Quotenregelung gefordert, mittels der durch die Präsenz in öffentlichen Einrichtungen langfristig eine Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz bzw. das Bewußtsein für die Normalität des Zusammenlebens auf seiten der Mehrheitsgesellschaft erreicht werden könne. Gemessen an der Zahl der Selbstorganisationen, die entsprechende Erwartungen nannten, kommt der beruflichen Förderung, hier insbesondere der der Jugendlichen, eine große Bedeutung zu. So nannten 19,6% (44 absolut) derjenigen, die die Frage nach den Erwartungen gegenüber dem Land beantworteten, Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung. Die für einen Teil jugendlicher aber auch erwachsener Migranten schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt dürfte der entscheidende Grund dafür sein, daß 4,9% (11 absolut) der Selbstorganisationen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter Migranten nannten. Ein weiterer Bereich der Erwartungen gegenüber dem Land, die in verschiedener Weise geäußert wurden, betreffen Maßnahmen, die auf den Erhalt der kulturellen und religiösen Identität der Zuwanderergruppen abzielen. Erwartungen dieser Art wurden etwa in den allgemeineren Antworten artikuliert, es müßten Maßnahmen zur Erhaltung der eigenen Kultur (9,8%/22 absolut) vollzogen werden bzw. umgekehrt, es dürfe keine Assimilation angestrebt werden (4,9%/11 absolut). Neben diesen generell formulierten Erwartungen nannten einige Selbstorganisationen auch konkretere Maßnahmen wie die Durchführung muttersprachlichen Unterrichts (3,6%/8 absolut) oder auch die Zuerkennung religiöser Freiheiten (z.B. Gebetsruf), die von 3,1% (7 absolut) der Selbstorganisationen genannt wurden. 5.2.11.2 Auswertung nach Vereinstypen Die Auswertung der Frage nach den Erwartungen gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen zeigt bei der Ausdifferenzierung nach Vereinstypen teilweise interessante Ergebnisse. Bei den Moscheevereinen, die mit 37,3% (84 absolut) den größten Anteil unter den Selbstorganisationen ausmachen, die auf die Frage antworteten, findet sich auch nahezu die Hälfte (46,7%/35 absolut) derjenigen, die die Förderung des deutsch-türkischen Dialogs als Erwartung formu- 118 liert haben. Ebenfalls hoch ist der Anteil derjenigen unter ihnen, die die politische Partizipation auf den verschiedenen Ebenen nennen. So entfallen 40,5% (15 absolut) derjenigen Selbstorganisationen, die das kommunale Wahlrecht zugestanden bekommen möchten, auf Moscheevereine. Von denjenigen, die die Zuerkennung des allgemeinen Wahlrechts als Erwartung nennen, waren es mit einem Anteil von 38,2% (13 absolut) Moscheevereine. Gekoppelt ist die Forderung nach politischer Partizipation in etwa gleicher Höhe mit der Erwartung nach der rechtlichen Gleichstellung durch Erleichterungen bei der Einbürgerung (30%/3 von 10 insgesamt) und die Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft 41,5% (17 von 41 insgesamt). Die Auswertung der Frage nach den Erwartungen gegenüber dem Land zeigt bei verschiedenen Antworten, die genannt wurden, daß sich die Selbstorganisationen als Interessenvertretung der Migrantengruppe insgesamt oder als Interessenvertretung einer bestimmten Zielgruppe innerhalb dieser verstehen. Der Aspekt der Interessenvertretung einer Migrantengruppe insgesamt wird bereits an einigen Ergebnissen deutlich, die oben genannt wurden. Da die Wirkungs- und Einflußmöglichkeiten der Selbstorganisationen auf überregionaler Ebene aufgrund der objektiven Schranken und der eingeschränkten Kapazitäten eher beschränkt sind, konzentrieren sich die Bemühungen zur Durchsetzung eigener Anliegen natürlicherweise auf die kommunale Ebene. Die zielgruppenorientierte Interessenvertretung, die die Selbstorganisationen auf dieser Ebene wahrnehmen und in Form von Erwartungen dem Land gegenüber artikulieren, wird bei der Auswertung der Antworten nach Vereinstypen deutlich. Bei den konkreteren Erwartungen an das Land fallen zwei Zielgruppen auf, denen die Selbstorganisationen ein besonderes Augenmerk widmen: Kinder und Jugendliche. Bezogen auf diese Zielgruppen läßt sich auch aufgrund der Ergebnisse anderer Fragen eine besondere Gewichtung feststellen. So gesehen war es bei der Auswertung der Frage zu den Erwartungen an das Land interessant zu ermitteln, inwieweit sich diese konkreten Erwartungen mit eigenen Bemühungen in Form von Kontakten zu betreffenden Einrichtungen oder auch in Form eigener Angebote für diese Zielgruppen decken. Daß es sich bei den meisten Selbstorganisationen, die diesbezügliche Erwartungen an das Land nennen, nicht um ein formales Lippenbekenntnis bzw. ein unabhängig von eigenen Bemühungen zu sehendes Bewußtsein für bestimmte Problemfelder in der Migrantengruppe handelt, wird deutlich, wenn man die Ergebnisse mit den eigenen Aktivitäten und Angeboten vergleicht. So gaben 76,2% (16 absolut) der Selbstorganisationen, die vom Land eine stärkere Förderung in den Schulen erwarten, eigene Angebote für Kinder, und 81% (17 von 21 insgesamt) Angebote für Jugendliche an. Ebenso signifikant ist der Anteil derjenigen, die vom Land Maßnahmen zur beruflichen Qualifikation der Jugendlichen erwarten. So gaben 70,5% (31 von 44) der Selbstorganisationen, die diesbezügliche Erwartungen an das Land artikuliert haben, spezielle Angebote für Kinder, und 84,1% (37 von 44) spezielle Angebote für Jugendliche an. 5. Auswertung Auffällig niedrig hingegen sind die Kontakte dieser Selbstorganisationen zu Ämtern und deutschen Einrichtungen. Die Selbstorganisationen, die eine besondere Förderung der schulischen Ausbildung bei Kindern und der beruflichen Ausbildung bei Jugendlichen als konkrete Erwartung an das Land nannten, haben zwar insgesamt einen signifikant hohen Kontakt zu Ämtern der Kommunalverwaltung. Auch im Falle derjenigen, die eine Förderung der beruflichen Ausbildung durch das Land erwarten, liegt der Anteil derjenigen, die Kontakte zur Kommunalverwaltung angeben, mit 75% (33 von 44 insgesamt) relativ hoch. Noch höher ist der Anteil derjenigen, die die Förderung der Schüler durch das Land erwarten, und gleichzeitig Kontakte zur Kommunalverwaltung angaben. Er liegt bei insgesamt 85,7% (18 von 21 insgesamt). In beiden Fällen sind jedoch keine auffällig hohen Kontakte zu anderen deutschen Einrichtungen und zu Einrichtungen des Landes festzustellen. Überraschend niedrig ist trotz des gut entwickelten Kontaktes zu Ämtern und Einrichtungen insgesamt der Kontakt zu den hierbei relevanten Ämtern. Von den Selbstorganisationen, die die Förderung der beruflichen Qualifikation vom Land erwarten, haben nur 26,9% Kontakte zum Jugendamt, 25% zum Arbeitsamt und lediglich 18,2% zum Schulamt. Ebenso gering sind die Kontakte zu den RAA’s, deren Zielgruppe zugewanderter Kinder und Jugendliche sind. Ähnlich gering sind die Kontakte bei den Selbstorganisationen, die vom Land Maßnahmen zur Förderung der Schüler erwarten. Von diesen gaben lediglich 15,4% Kontakte zum Jugendamt, und 9,1% zum Schulamt an. Auch die Kontakte zu den RAA’s sind mit 20% derjenigen, die die Förderung der Schüler erwarten, niedrig. Für die geringen Kontakte können hier verschiedene Erklärungsansätze herangezogen werden, die sich auf Beobachtungen stützen, jedoch nicht quantifizierbar sind. Eine mögliche Erklärung ist auch hier die Unkenntnis der bürokratischen Strukturen. Ein weiteres Moment dürften in vielen Fällen Berührungsängste auf seiten der Selbstorganisationen sein, denen vielmals auch auf seiten der Ämter ein mangelndes Bewußtsein für Kooperation mit Migrantenselbstorganisationen gegenübersteht, das teilweise darin zu erklären ist, daß sie diese nicht als kompetente Ansprechpartner ansehen. Im Falle der RAA’s ist der geringe Kontakt nicht allein auf die Selbstorganisationen beschränkt. Beobachtungen zeigen, daß beispielsweise auch vielen Schulen etwa diese Einrichtung unbekannt ist. Hinsichtlich der Erwartungen an das Land sollen hier auch die in den Tiefeninterviews geäußerten Erwartungen und Kritikpunkte berücksichtigt werden. Eine allgemeinere Erwartung, die in der Erhebung genannt wurde, die Zuerkennung politischer Rechte, wurde auch in den Interviews indirekt geäußert. Von den Vertretern der Dachverbände und auch Einzelvereinen wurde das Fehlen politischer Rechte als ein zentrales Manko für die Durchsetzbarkeit eigener Interessen genannt. Aufgrund des fehlenden Wahlrechts habe man das Problem, eigene Anliegen politisch nicht durchsetzen zu können. Bei Kürzungen oder Streichungen finanzieller Zuwendungen seien aus dem Grunde vorrangig Migranten betroffen, da sie kein Wählerpotential darstellen, das von den Parteien berücksichtigt würde. 95 Dies sind in Nordrhein-Westfalen Essen, Köln, Duisburg, Düsseldorf und Dortmund. 119 5.2.12 Weitere Ergebnisse Ein Aspekt, dem bei der Untersuchung nachgegangen wurde, ist die Frage nach Unterschieden oder möglicherweise auch Gegensätzen zwischen Selbstorganisationen im kleinräumigen Bereich auf der einen, und Großstädten auf der anderen Seite. Ermittelt werden sollte hierbei, ob und in welcher Weise die Größe des Ortes Auswirkungen auf die Struktur der Migrantenselbstorganisationen hat. Angenommen wurden mögliche Unterschiede in der Größe der Mitgliedschaft, der Angebotsstruktur, der Orientierung und dem Ausmaß der Kooperation und Kontakte. Bei den Berechnungen hierzu konnten teilweise die erfaßten Selbstorganisationen zugrunde gelegt werden, in anderen Fällen wurden die Angaben der Selbstorganisationen im Rahmen der Erhebung herangezogen, und durch Festlegung weiterer Variablen ausgewertet. Vorweggenommen sei vor der Präsentierung der einzelnen Ergebnisse, daß auf Grundlage der vorhandenen Datenbasis in keinem Bereich signifikante Unterschiede zwischen Selbstorganisationen in kleineren Städten und solchen in Großstädten festgestellt werden konnten. In erster Linie werden hier die Ergebnisse der unteren Gemeindegrößeklassen den Großstädten gegenübergestellt. Obwohl in Gemeinden mit 5.000-10.000 Einwohnern einige Selbstorganisationen erfaßt waren, mußten aufgrund der Nichtbeteiligung dieser die Gemeinden mit einer Bevölkerung zwischen 10.000-20.000 Einwohner oder auch die nächstgrößere Gruppe von 20.000-50.000 Einwohnern als untere Vergleichsgruppe herangezogen werden, der die Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern gegenübergestellt wurden.95 Die Gegenüberstellung ist auf Grundlage der Beteiligungsquote zulässig. Der Anteil der Selbstorganisationen in Gemeinden mit einer Bevölkerungsgröße zwischen 10.000-20.000 deckt sich bei einer Rücklaufquote von 2,9% mit der des Anteils der erfaßten von 3%. Auch wenn der Anteil des Rücklaufs aus Großstädten mit 24,7% unter dem der erfaßten Selbstorganisationen von 28,2% liegt, ist ein Vergleich zulässig, da der absolute höhere Anteil des Rücklaufs aus Großstädten noch eher tendenziell gültige Aussagen zuläßt. Aus diesem Grunde wurde bei einigen Gegenüberstellungen auch die nächstgrößere Einheit (20.000-50.000 Einwohner) gewählt, da der absolute Rücklauf aus den kleineren Gemeinden keine Aussage zuläßt. Der Anteil des Rücklaufs deckt sich auch bei den dazwischenliegenden Gruppen annähernd mit deren Anteilen an den erfaßten Selbstorganisationen. Ein wesentlicher Vergleich bezieht sich auf die Angebotsstruktur der Selbstorganisationen. Die Annahme, daß aufgrund der geringeren Organisationsdichte in kleineren Gemeinden und der damit teilweise verbundenen „Monopolstellung“ einzelner Vereine die Angebotsstruktur der Selbstorganisationen eine größere Bandbreite haben könnte, wurde durch die Auswertungsergebnisse nicht bestätigt. Der Durchschnittswert der pro Verein genannten Angebote liegt mit 3,7 bei Selbstorganisationen in Städten zwischen 20.000-50.000 (66 gültige Fälle) gegenüber exakt 4 bei solchen in Großstädten (85 gültige Fälle) sogar niedriger. Die Mittelwerte lassen jedoch keine Aussagen zu möglicherweise vorhandenen qualitativen Unterschieden, 5. Auswertung wie etwa der Kontinuität der Angebote, zu. Mögliche Erklärungen hierfür könnten die Organisationsstärke einzelner Vereine (gemessen an der Mitgliederzahl und den finanziellen Möglichkeiten), die Vernetzung, Kooperationen und intensivere Kontakte zu Fördereinrichtungen in größeren Städten sein. Auch hinsichtlich der Orientierung der Angebote lassen sich zwischen Selbstorganisationen in kleineren und solchen in Großstädten keine markanten Unterschiede feststellen. Der Anteil der Selbstorganisationen, die eine beidseitige Orientierung der Angebote nennen, ist bei allen Gemeindegrößen und Städten mit annähernd je 20% gleich groß. Die Ergebnisse zu den Selbstorganisationen, die eine Orientierung ihrer Angebote an der Bundesrepublik nannten, zeigt bei der Verteilung auf die Städtegrößen ein eher diffuses Bild, das vermutlich auf die fehlende Repräsentativität in den einzelnen Gruppen zurückzuführen ist. Es heben sich anteilig lediglich die Selbstorganisationen in Großstädten ab, von denen 33,3% (gegenüber Anteilen von 9,8-19,5% in den anderen Gruppen) angaben, in ihren Angeboten eher auf das Zuwanderungsland fixiert zu sein. Die Relationierung mit den Kontakten zu Organisationen in der Heimat, die möglicherweise auf eine Herkunftslandorientierung verweisen könnten, konterkarieren diese Ergebnisse jedoch, denn der höchste Anteil an Kontakten zu Organisationen im Herkunftsland (31,4%) fällt in die Gruppe der Selbstorganisationen in Großstädten. Berücksichtigt man, daß die diesbezüglichen Kontakte mit steigender Städtegröße kontinuierlich wachsen (von 12,7% bei Selbstorganisationen in Städten mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.000-50.000 bis 31,4% in Städten mit über 500.000 Einwohnern), wird deutlich, daß die Kontakte zu Einrichtungen im Herkunftsland weniger als Indikator für eine Herkunftslandorientierung in Betracht kommen, sondern allenfalls mit anderen Faktoren erklärt werden können. Um möglicherweise vorhandene Disparitäten zwischen Selbstorganisationen in kleinräumigen Ansiedlungen und Ballungsräumen auf der Gegenseite feststellen zu können, müßten weitere Daten ermittelt und herangezogen werden. 120 Eine weitere Beobachtung, die während der Auswertung gemacht wurde, ist die bei vielen Vereinsführungen erkennbare geringe Kenntnis über die kommunalen Strukturen. Deutlich wurde dies beispielsweise daran, daß bei den Kontakten zu den Ämtern oftmals auch die Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen bzw. Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) bzw. bei den kommunalen Ämtern, zu denen man Kontakt habe, auch das Arbeitsamt genannt wurde. In anderen Fällen waren Namen der Ämter, zu denen Kontakte angegeben wurden, unvollständig genannt. Ein Beispiel hierfür ist das Schulverwaltungsamt, das von einigen in der gängigen Kurzform als „Schulamt“ genannt wurde. 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Gesamtzahl der erfaßten Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten Im Rahmen der Bestandsaufnahme der Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten türkischer, kurdischer, bosnischer und maghrebinischer Herkunft wurden insgesamt 1.435 Zusammenschlüsse ermittelt, die diesen Gruppen zugeordnet werden konnten. Hierunter befinden sich auch einige nationalitätenübergreifende Selbstorganisationen, in denen Angehörige der genannten Migrantengruppen vertreten sind, so daß die Zahl der herkunftshomogenen Zusammenschlüsse bei insgesamt 1.414 liegt. Unter diesen nehmen Selbstorganisationen türkischer Migrantinnen und Migranten mit 88,5 % (1.252 absolut) den größten Anteil ein. Die Zahl der ermittelten kurdischen Selbstorganisationen lag bei 54, was einen Anteil von 3,8 % entspricht. Lediglich bei zweien dieser handelt es sich um Selbstorganisationen von Kurden anderer Herkunftsstaaten. Bei allen anderen sind dies Zusammenschlüsse von Kurden aus der Türkei, so daß insgesamt 1.304 Selbstorganisationen auf dieses Herkunftsland insgesamt entfallen, was einem Anteil von 92,4 % entspricht. Die Zahl der ermittelten maghrebinischen Selbstorganisationen betrug absolut 62, das entspricht einem Anteil von 4,4 % aller erfaßten. Unter den maghrebinischen Selbstorganisationen bilden marokkanische mit 43 (3 %) gegenüber 11 (0,8 %) die größere Gruppe. Die übrigen verteilen sich auf einzelne Selbstorganisationen, in denen Migranten verschiedener Maghrebstaaten organisiert sind. Die Zahl der ermittelten Selbstorganisationen, die eindeutig als bosnische eingeordnet werden konnten, beläuft sich auf 46 absolut, anteilig 3,2 %. Die Zahl der ermittelten Dachverbände der untersuchten Migrantengruppen, die bundesweit tätig sind, liegt bei insgesamt 30, von denen 21 auf türkische, 3 auf kurdische, ebenfalls 3 auf bosnische und lediglich einer auf maghrebinische Migranten entfällt, bei dem es sich um eine Dachorganisation marokkanischer Vereine handelt. Darüber hinaus sind unter den Dachorganisationen zwei nationalitätenübergreifende islamische Spitzenverbände vorhanden. Organisationsdichte Setzt man die Zahlen der erfaßten Selbstorganisationen in Relation zu den Zahlen dieser Migrantengruppen, kommt man hinsichtlich der Organisationsdichte zu folgenden Ergebnissen: Die größte Organisationsdichte unter den untersuchten Migrantengruppen ist bei den Migrantinnen und Migranten aus der Türkei festzustellen. Bei einer Bevölkerungszahl von 714.998 (Stichtag: 31.12.1997) entfällt auf 547 Personen eine Selbtorganisation. Erheblich niedriger ist die Organisationsdichte bei den anderen untersuchten Migrantengruppen. Während auf 1.200 bosnische Migranten eine Selbstorganisation entfällt (bei 64.838 bosnischen Staatsbürgern in Nordrhein-Westfalen), liegt die Organisationsdichte bei den maghrebinischen Zuwanderern etwas höher. So entfällt auf 1.060 marokkanische (bei 45.593 Personen insgesamt) und 808 Tunesier je eine Selbstorganisation. Unter Einbeziehung der Selbstorganisationen, in denen Maghrebiner unterschiedlicher Herkunftsländer gemeinsam organisiert sind, entfällt eine Selbstorganisation auf 879 maghrebinische Migranten. Hinsichtlich der Verteilung der Selbstorganisationen - hier bezogen auf alle untersuchten Gruppen - lassen sich bestimmte 121 Konzentrationen in den verschiedenen Regierungsbezirken feststellen, die mit der quantitativen Stärke dieser Gruppen korrelieren. So sind 30,3 % (435 absolut) der erfaßten Selbstorganisationen im Regierungsbezirk Düsseldorf und 23,5 % (337 absolut) im Regierungsbezirk Arnsberg ansässig. Am niedrigsten ist die Organisationsdichte im Regierungsbezirk Detmold, wo lediglich 167 (11,6%) aller ermittelten Selbstorganisationen in Nordrhein-Westfalen ansässig sind. Eine weitere signifikante Konzentration konnte für das Ruhrgebiet festgestellt werden, wo 617 (42,9 %) aller Selbstorganisationen ansässig sind. Genannt seien auch Konzentrationen in einigen Großstädten wie etwa Duisburg, wo allein 8,1 % (117 absolut), oder Köln, wo 7,1 % (103 absolut) aller ermittelten Selbstorganisationen vertreten sind. Rücklauf Die Nettorücklaufquote bei der Erhebung lag bei 32,2 %. Von allen ermittelten Organisationen wurden insgesamt 1.327 angeschrieben, da bei einigen die Adresse nicht zu ermitteln war. Da 156 Selbstorganisationen der Fragebogen nicht zugestellt werden konnte, reduzierte sich die Zahl der gültigen Adressen auf 1.171, von denen sich 377 an der Erhebung beteiligten. Von diesen konnten insgesamt 347 den untersuchten Migrantengruppen zugeordnet werden. Die Verteilung des Rücklaufs, bezogen auf diese, ergab, daß es sich bei 93,3 % (323) um Selbstorganisationen von Migranten aus der Türkei (türkische und kurdische) handelt. Der Anteil kurdischer Selbstorganisationen am Gesamtrücklauf liegt bei lediglich 2,6 %. Während der Anteil maghrebinischer Selbstorganisationen am Gesamtrücklauf bei 2,4 % liegt, handelt es sich bei lediglich 1,7 % um bosnische Selbstorganisationen. Nationalitätenübergreifende Zusammenschlüsse machen 1,5 % der Rücklaufquote aus. Gründungsjahr Ein wichtiger Indikator für die Kontinuität der Aktivitäten ist die Existenzdauer der Selbstorganisationen. Auch am Rücklauf wurde deutlich, daß viele Selbstorganisationen bereits in den ersten Jahren nach Beginn der Arbeitsmigration gegründet wurden und seitdem bestehen. Über die Hälfte (51,7 %) aller Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, sind seit mindestens zehn Jahren aktiv. Auch das ermittelte Durchschnittsalter aller an der Erhebung beteiligten ergab mit 10,3 Jahren einen ähnlichen Wert. Dieser Durchschnittswert verweist einerseits darauf, daß sich unter diesen in großer Zahl Selbstorganisationen befinden, die noch länger aktiv sind, und andererseits darauf, daß der Prozeß der Bildung weiterer Selbstorganisationen andauert. Unter den Selbstorganisationen, die sich an der Befragung beteiligten, blicken 9,8 % auf eine Existenz zurück, die zwischen 20 - 24 Jahren liegt. Vertreten waren sogar zwei Vereine, deren Gründungszeit 25 - 29 Jahre zurückliegt, und drei Vereine, die seit mehr als 30 Jahren existieren. Die Kontinuität des Prozesses der Bildung von Selbstorganisationen bis in die Gegenwart wird daran erkennbar, daß nahezu ein Viertel (23,6 %) aller innerhalb der letzten vier Jahre gegründet wurden. Auffällig groß ist unter den Neugründungen der Anteil Selbstorganisationen, die eine eingegrenztere Zielgruppe ansprechen oder eine spezifische Zielsetzung verfolgen. 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Rechtsform Die Auswertung des Rücklaufs hat gezeigt, daß der übergroße Teil der Selbstorganisationen eine feste Rechtsform vorweist. Der Anteil derjenigen, die als Verein eingetragen sind, liegt bei 97,1 %. Von diesen sind insgesamt 83,6 % als gemeinnützige Vereine anerkannt. Der hohe Anteil von Selbstorganisationen mit einem Rechtsstatus, insbesondere im Falle der vorhandenen Gemeinnützigkeit, zeigt den Grad der Institutionalisierung der Selbsthilfe bei Migrantinnen und Migranten und verweist somit auf die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit bei der Wahrnehmung eigener Belange. Dachorganisationen und Mitgliedschaft in Dachorganisationen Bereits in den siebziger Jahren sind die ersten überregionalen Zusammenschlüsse von Selbstorganisationen gegründet worden. Die Zahl der bundesweit aktiven Dachverbände der hier untersuchten Migrantengruppen liegt bei insgesamt 30, bei denen es sich bei über zwei Dritteln (21) um türkische handelt. Parallel zu den Neugründungen bei einzelnen Vereinen läßt sich auch bei den neu entstandenen Dachorganisationen die Tendenz spezifischerer Zielgruppen bzw. Zielsetzungen beobachten. Zur Verdeutlichung können hier als Beispiele Dachverbände von Selbständigen, Studierenden, Akademikern oder Elternvereinen genannt werden, die sich explizit als Interessenvertretung einer Migrantengruppe begreifen. Vertreten sind auch Dachorganisationen auf regionaler Ebene, wie beispielsweise ein Verband türkischer Elternvereine im Raum Münster/Detmold oder die Türkische Gemeinde Essen/Ruhr. Eine weitere Form der Vernetzung besteht in Form der Mitgliedschaft in deutschen Verbänden, wie etwa den verschiedenen Wohlfahrtsverbänden oder im Bereich spezifischerer Verbandsformen, wie den Sportverbänden. Um den Grad der Organisierung in übergeordneten Zusammenschlüssen zu ermitteln, wurden die Selbstorganisationen danach befragt, ob sie Mitglied in einzelnen Dachorganisationen sind. Die Ergebnisse auf Grundlage der Erhebung zeigen, daß bei den untersuchten Migrantengruppen 66% (227 absolut) verbindlich organisiert sind. Der Anteil der Selbstorganisationen, die die Mitgliedschaft in einem Wohlfahrtsverband angaben, ist mit 3,2 % aller an der Erhebung beteiligten Selbstorganisationen als niedrig anzusehen. Vertreten sind bei den untersuchten Migrantengruppen lediglich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit 1,2 % und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) mit 2 %. Die anderen Wohlfahrtsverbände sind aufgrund der nationalitätenspezifischen Zuordnung der Migrantengruppen bei der sozialdienstlichen Betreuung nicht vertreten. Genauso hoch (3,2%) war der Anteil der Selbstorganisationen, die die Mitgliedschaft in deutschen Sportverbänden angaben. Der überwiegende Teil der Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, sind in herkunftshomogenen Dachverbänden organisiert. Hierbei überwiegt die Mitgliedschaft in einem Dachverband. Nur wenige gaben die Mitgliedschaft in mehr als einem Dachverband an, so daß sich als Durchschnittswert die Mitgliedschaft in 1,03 Dachverbänden ergab. 122 Mitgliederstruktur Im Rahmen der Erhebung wurden die Selbstorganisationen auch nach der Zahl der eingeschriebenen und der aktiven Mitglieder befragt. Die Auswertung ergab, daß mehr als die Hälfte (55,3 %) aller Selbstorganisationen Mitgliederzahlen über 100 nannten. Die größte Häufung ist bei Organisationen festzustellen, die Mitgliederzahlen zwischen 101 - 250 angaben (41,9 %). Auffällig groß ist auch die Zahl der Zusammenschlüsse, die Mitgliederzahlen zwischen 251 und 500 nannten (9,9 %). Berücksichtigt werden muß hier als ein Verzerrungsfaktor, daß nicht immer zwischen Publikum und eingeschriebenen Mitgliedern unterschieden wurde, wie an Angaben deutlich wird, die zwischen zwei Zahlen schwanken (z.B. „200-250“). Die durchschnittliche Mitgliederzahl liegt bei allen Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, bei 139, die am häufigsten genannte Mitgliederzahl war 150. Auch unter Berücksichtigung des genannten Verzerrungsfaktors wird die Klientelgröße und somit ihre Bedeutung für die Migranten deutlich. Finanzierung Die Finanzierung der Aktivitäten der Selbstorganisationen stützt sich überwiegend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden. Während 97,3% Mitgliedsbeiträge als Finanzierungsgrundlage nannten, kommen bei 88,6 % als weitere Quelle Spenden hinzu. Unter weiteren Finanzierungsquellen wurden am häufigsten Zuschüsse (23,4 %) genannt, also einmalige Zuwendungen für bestimmte Aktivitäten. Eine Förderung über eine einmalige Zuwendung hinaus wurde nur von wenigen Selbstorganisationen genannt. Die fremdfinanzierte Förderung einer Maßnahme wurde von 10,5%, eine projektgebundene Förderung von 11,1% der Selbstorganisationen genannt. Eine Fremdförderung erfolgte in den meisten Fällen (16,7%) durch städtische bzw. kommunale Ämter, wie etwa den Jugend-, Kultur- und Sozialämtern. Finanzielle Zuwendungen durch Einrichtungen des Landes wurden lediglich von 2,3 % aller Selbstorganisationen genannt. Die geringe Inanspruchnahme von Fördermitteln ist zurückzuführen auf geringe Kontakte zu Fördereinrichtungen und die fehlende Kenntnis über vorhandene Förderungsmöglichkeiten. Weitere Einnahmequellen, wie etwa Mieteinnahmen, Veranstaltungserlöse oder Verkauf, wurden von 18,1 % der Selbstorganisationen genannt, die sich auf die verschiedenen Quellen verteilen. Räumlichkeiten 74 % der Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, gaben an, über eigene Räumlichkeiten zu verfügen. Bei 26% dieser stehen Räumlichkeiten zur Mitbenutzung zur Verfügung, d.h. sie verfügen über keine eigenen Räumlichkeiten. Lediglich bei 1,6% der Selbstorganisationen, die die Möglichkeit der Mitbenutzung anderer Räumlichkeiten benannten, handelt es sich um solche, die neben eigenen auch weitere Räumlichkeiten zur Verfügung haben. Bei insgesamt 26 % der 27,6 % Selbstorganisationen, die keine eigenen Räumlichkeiten für Vereinsaktivitäten haben, besteht auch nicht die Möglichkeit einer Mitbenutzung anderer Räumlichkeiten. 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Festangestellte Mitarbeiter Unter den Selbstorganisationen, die sich an der Erhebung beteiligten, gaben 30,7 % an, festangestellte Mitarbeiter zu haben. Dieser Wert wird durch den Umstand verzerrt, daß es sich bei einem Teil um staatlich besoldete Vorbeter aus der Türkei in Moscheevereinen handelt. Läßt man diese unberücksichtigt, so reduziert sich der Anteil der Vereine, die über festangestelltes Personal verfügen, auf 11,6 %. Berücksichtigt man, daß hierunter auch Dachverbände vertreten sind, die über andere finanzielle Möglichkeiten verfügen, sinkt der Anteil einzelner Selbstorganisationen auf lokaler Ebene, die eigene Mitarbeiter beschäftigen, auf 9,1 %. Kontakte und Zusammenarbeit 30,4 % der Selbstorganisationen, die sich an der Untersuchung beteiligten, gaben an, Kontakte zum Herkunftsland zu unterhalten. Über zwei Drittel unterhalten somit keine Kontakte zu Einrichtungen im Herkunftsstaat. Kontakte zu dortigen politischen Parteien wurden von 7,8 % der Selbstorganisationen angegeben. Deutlich höher sind die Kontakte zu Einrichtungen und Organisationen im Zuwanderungsland. Kontakte zu hiesigen politischen Parteien wurden von 33,2 % aller Selbstorganisationen angegeben. Kontakte zur SPD wurden von 29,7 % dieser genannt. Am zweithäufigsten wurde mit 22,8 % Bündnis 90/Die Grünen als Partei benannt, zu denen Kontakte unterhalten werden. Während es im Falle der CDU 19,3 % sind, liegt der Anteil bei der FDP bei 11,6 %. Niedriger ist mit insgesamt 20,6 % der Anteil unter ihnen, die mit den Parteien zusammenarbeiten. Noch höher liegen die Kontakte zu anderen deutschen Organisationen sowie den Kommunalverwaltungen. Kontakte zu Organisationen außerhalb der politischen Parteien wurden von insgesamt 38,5 % der Selbstorganisationen genannt. In nennenswerter Größe sind dies mit 9,8 % die Kirchen, mit 8 % die Wohlfahrtsverbände (AWO und DPWV), daneben Gewerkschaften (3,3 %) und die Volkshochschulen (3 %). Die Kontakte zu städtischen bzw. Ämtern der Kommunen zeigen, daß dort die Kontakte am intensivsten sind. Kontakte zur Kommunalverwaltung wurden von insgesamt 70,6 % der Selbstorganisationen angegeben. Bei denen, die Kontakte zu kommunalen Ämtern pflegen, sind dies im Schnitt fast zwei (1,9). Die Ämter, die am häufigsten benannt wurden, sind neben der jeweiligen Stadtverwaltung (50,1 %) das Sozialamt (11,3 %), das Jugendamt (8,2 %) und das Kulturamt (7,2 %). Kontakte zu den Ausländerbeiräten wurden auffälligerweise von wenigen Selbstorganisationen gepflegt (14,9%). Dieser Anteil erhöht sich nur geringfügig auf 17,8% in den Kommunen, in denen dieses Gremium vorhanden ist. Deutlich geringer sind die Kontakte zu Einrichtungen des Landes, die von lediglich 13,9 % angegeben wurden. Hinsichtlich der Kontakte zu Einrichtungen des Landes sticht eine Diskrepanz ins Auge: Während der übergroße Teil (86,1 %) der Selbstorganisationen über keinerlei Kontakte verfügt, ist die Intensität bei denen mit vorhandenen Kontakten relativ entwickelt (1,3 Einrichtungen pro Selbstorganisation). Bei diesen geringen Kontakten zu Landeseinrichtungen wurden Ministerien (von 5,3 %) am häufigsten genannt, hierunter am meisten das ehemalige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (von 3,2 %). 123 Arbeitsschwerpunkte und Zielgruppen Selbstorganisationen sind in ihren Aktivitäten auf bestimmte Zielgruppen besonders fixiert. Die höchsten Werte finden sich bei Jugendlichen (80,9 %), Frauen (74 %) und Kindern (72 %). Jedoch sind auch andere Zielgruppen in hohen Werten vertreten. So wurden von 59,5 % der Selbstorganisationen Angebote für Ratsuchende und von 53,6 % für Senioren angegeben. Diese hohen Werte zeigen, daß ein großer Teil der Selbstorganisationen Angebote oder Aktivitäten für verschiedene Zielgruppen unterhält. Als Durchschnittswert wurden 4,2 Zielgruppen pro Selbstorganisation ermittelt. Die Multifunktionalität der Selbstorganisationen wird bei den Angeboten noch deutlicher. Im Schnitt nannten die Selbstorganisationen 4,9, also rund 5 verschiedene Angebote. Am häufigsten genannt wurden kulturelle Angebote (73,4 %), Beratungs- und Freizeitangebote (je 61,6 %) und sportliche Aktivitäten (61,3 %). Jedoch auch Angebote anderer Art, wie Betreuung (54,7 %), Bildungsangebote (44,4 %) und Hilfsangebote, wurden von vielen Selbstorganisationen in größeren Zahlen genannt. Angesichts der geringen finanziellen und personellen Möglichkeiten werden diese Angebote überwiegend ehrenamtlich durchgeführt. Orientierung der Angebote Der eigenen Einschätzung nach betrachtet der größte Teil der Selbstorganisationen die Orientierung der eigenen Aktivitäten und Angebote als beidseitig orientiert (60,9%). Der Anteil unter ihnen, der eine schwerpunktmäßige Orientierung am Zuwanderungsland sieht, liegt bei 38,2 % aller befragten Selbstorganisationen. Nur ein sehr kleiner Anteil (0,9 %) beurteilt die eigenen Aktivitäten und Angebote als eher heimatbezogen (0,9 %). Unter beidseitiger Orientierung, die in dieser Stärke angeführt wurde, ist dies nur begrenzt als eine Rückkehroption zu verstehen. Vielmehr ist hiermit das Verständnis zu sehen, die eigene Identität (ethnisch, kulturell, religiös) bewahren zu wollen. Die Aktivitäten und Angebote, wie etwa Beratungstätigkeiten oder qualifizierende Maßnahmen im Rahmen von Kursen, verweisen auf eine Orientierung am Zuwanderungsland. Die Orientierung am Zuwanderungsland Deutschland wird nicht zuletzt an der Erwartungshaltung gegenüber dem Bundesland deutlich, wie weiter unten zu sehen ist. Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit der Selbstorganisationen der untersuchten Migrantengruppen ist als eher gering einzustufen. Ein Indikator hierfür ist die geringe Zahl eigener Publikationen bzw. Selbstdarstellungen, wie etwa Faltblätter, mit denen eine Organisation sich gegenüber der Öffentlichkeit darstellt und Publikum wirbt. Eigene Publikationen, ganz gleich welcher Art, wurden lediglich von 18,3 % der Selbstorganisationen genannt. Eine Hauptursache hierfür sind die beschränkten personellen und finanziellen Möglichkeiten der Selbstorganisationen. Die Einsicht in die Wichtigkeit der Öffentlichkeitsarbeit für eine Erhöhung der Akzeptanz und Bekanntmachung der Vereine und ihrer Aktivitäten ist von vielen Vereinen bekundet worden. 6. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Erwartungen an das Land Die Erwartungen, die Selbstorganisationen an das Land artikulieren, weisen eine große Bandbreite auf. Im Rahmen der Erhebung artikulierten 65,4 % der Selbstorganisationen verschiedene Erwartungen, die die Integration bzw. die Gleichstellung der Zuwanderer betreffen. Als generelle Erwartung wurde von vielen Organisationen die Verbesserung des Dialoges zwischen Aufnahmegesellschaft und Zuwanderern genannt. Ebenfalls häufig wurden verstärkte Bemühungen zur gesellschaftlichen Integration (z.B. durch Sprachförderung) und zur Förderung im schulischen Bereich bzw. in der beruflichen Ausbildung genannt. Weitere Erwartungen an das Bundesland beziehen sich auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter Migrantinnen und Migranten. Ein anderer Bereich betrifft Maßnahmen zur Erhaltung der eigenen Kultur durch die Erteilung muttersprachlichen Unterrichts oder auch die Zuerkennung religiöser Freiheiten. Die Selbstorganisationen sehen sich als Ansprech- und Dialogpartner für Maßnahmen, die der weitergehenden Integration dienen. 124 7. Literatur Aach, Jürgen/De Florian, Giovanni: Die katholische Gemeinde Frankfurt am Main, in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit Nr. 3-4 (1987), S. 52-53. Bade, Klaus J. (Hg.): Das Manifest der 60. Deutschland und die Einwanderung, München 1994. Behrendt, Günther Max/Sarış, Serdar (Hg.): Zur Geschichte der Arbeitsmigration. 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Gefördert wurden Projekte und Maßnahmen von 19 Migrantenselbstorganisationen in den Bereichen „soziale Selbsthilfe, Kulturarbeit und Förderung der politischen Interessenvertretung“, zunächst für die Jahre 1997/19981. „Förderungsfähig sind • Maßnahmen (z.B. Veranstaltungen zur Qualifizierung ehrenamtlicher Mitarbeiter, Information und Motivation von Migrantinnen und Migranten zur Verbesserung der politischen Partizipation und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sozialpolitische Informationen, Maßnahmen zur Vernetzung von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten unterschiedlicher Herkunft, Maßnahmen zur Kooperation mit örtlichen Regeleinrichtungen) und • Einrichtungen (z.B. Zentren und Freizeiträume, in denen soziale und kulturelle Aktivitäten stattfinden), die auf einen Stadtteil, eine Kommune, überregional oder landesweit ausgerichtet sind.“2 erlaubt das neue, zusätzliche Fördermodell den Migrantenselbstorganisationen exklusiv und direkt eine Antragstellung. Der neue Förderschwerpunkt wurde seitens des federführenden damaligen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) durch zwei Aktivitäten begleitet: • durch die vorliegende Bestandsaufnahme von Zahl und Struktur der Selbstorganisationen unter besonderer Berücksichtigung ihres Integrationspotentials, getrennt nach Migrantinnen und Migranten türkischer, kurdischer, bosnischer und maghrebinischer Herkunft (ausgeführt vom Zentrum für Türkeistudien, Essen) und solchen anderer Nationalitäten (ausgeführt vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster) sowie • eine Evaluation der 19 geförderten Projekte durch das Landeszentrum für Zuwanderung (LzZ), Solingen. Der vorliegende Beitrag faßt vorläufige Ergebnisse der Evaluation zusammen. Das Gesamtfördervolumen betrug in 1997/98 DM 1.067.529.-, auf die einzelnen Organisationen entfielen zwischen DM 30.000 und DM 90.000 in einer zweijährigen Laufzeit. Damit ist NRW der erste Flächenstaat, der die Bedeutung von Migrantenselbstorganisationen durch Einrichtung einer entsprechenden Förderung anerkennt. Der damalige Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Dr. Axel Horstmann, ließ dazu in einer Presseerklärung vom 19. Mai 1998 verlautbaren: „Die Organisationen und Zusammenschlüsse der Migranten haben nach Meinung von Sozialminister Dr. Axel Horstmann einen bedeutsamen Beitrag zur Integration der ausländischen Bürger geleistet. Diese Selbstorganisationen seien nicht nur ein Sprachrohr für ihre Mitglieder, sondern auch ein Bindeglied zu sozialen Einrichtungen, Institutionen und Behörden sowie eine Brücke zur einheimischen Bevölkerung. (...). Die Organisationen beziehen jetzt ihre Aktivitäten überwiegend auf das Leben und die Problemlagen in Deutschland‘, sagte Horstmann.“ Vor 1997 haben bereits einzelne Migrantenselbstorganisationen, darunter auch einige der jetzt in der Förderung befindlichen, Projektmittel aus anderen Haushaltstiteln erhalten, z.B. für „Maßnahmen zur Stützung der Integration”. Diese Fördergelder werden allerdings den Wohlfahrtsverbänden zugewiesen und durch sie weiterverteilt, dabei unter anderem auch an Migrantenselbstorganisationen. Im Gegensatz dazu 1 Inzwischen ist ein neues Antragsverfahren für die Jahre 1999-2000 eröffnet. RdErl.d.Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport v. 26.1.1999, Az.: 333 - 5392 2 Vorläufige Bewirtschaftungsgrundsätze über die Gewährung von Zuwendungen für Projekte von Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten. RdErl.d.Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 27.3.1997 - II C 6 - 5392 -. 129 Ziele und Methoden der Evaluation In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion lassen sich zwei Haltungen zur Selbstorganisation von Migrantinnen und Migranten ausmachen. Auf der einen Seite wird der Beitrag zur Selbsthilfe und zur eigenständigen Interessenwahrnehmung hervorgehoben. Migrantenselbstorganisationen stellen demnach einen wichtigen Teil des sozialen, kulturellen und politischen Netzwerks von Migrantinnen und Migranten dar und nehmen eine Brückenfunktion insbes. zu Institutionen der Mehrheitsgesellschaft wahr.3 Auf der anderen Seite wird beklagt, daß Migrantenselbstorganisationen in Gefahr stehen, zur Selbstethnisierung, zum Rückzug in die eigene Community beizutragen und deshalb einer Integration in die Aufnahmegesellschaft entgegenstehen. Vor dem Hintergrund dieser Debatte formulierte das auftraggebende Ministerium folgende Eckpunkte, über die die Evaluation Aussagen erzielen soll. Ziele Ziel der Evaluation der geförderten Projekte von 19 Migrantenselbstorganisationen ist die Überprüfung ihrer Integrationsleistungen, im einzelnen: A. Effektivität der Maßnahmen und Projekte B. Bedeutung der Migrantenselbstorganisationen für Migrantinnen und Migranten und Mehrheitsgesellschaft C. Formen der Kooperation der Migrantenselbstorganisationen mit Institutionen und Organen der Mehrheitsgesellschaft D. Qualifizierungs- und Beratungsbedarf der Migrantenselbstorganisationen. Methoden Als methodische Instrumente der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation wurden bzw. werden eingesetzt (in Klammern: Korrelation zu den Zielen): Dokumentenanalyse, v.a. Anträge der Migrantenselbstorganisationen (A,B) Leitfadeninterviews mit Projektverantwortlichen (A,B,C,D) standardisierte Erfolgskontrolle (A) halbstandardisierte Fragebögen für Selbstauskünfte der Organisationen (A,B,C,D) Zur Reichweite der Evaluation sind an dieser Stelle einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen. Die im folgenden präsentierten Zwischenergebnisse beruhen im Wesentlichen auf Selbstaussagen von Vertretern der geförderten Organisationen sowie auf Informationen, die während der Workshops und bei Besuchen der Migrantenselbstorganisationen – im strukturierten Gespräch und z.T. durch Anschauung von Projektaktivitäten – gewonnen wurden. Ergänzt wird diese Perspektive durch Interviews mit ausgewählten Kooperationspartnern, die Institutionen der Mehrheitsgesellschaft repräsentieren und eine Fremdeinschätzung des Wirkens exemplarischer Migrantenselbstorganisationen wiedergeben. Im Sinne einer wissenschaftlich validen Untersuchung ist es notwendig, verschiedene Kooperationspartner aller geförderten Organisationen zu befragen und mit Methoden der teilnehmenden Beobachtung bei einzelnen Angeboten und der Befragung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern weiteren Einblick in die Zielgerichtetheit und Effektivität der Arbeit zu gewinnen. Die Qualität der Aussagen und der hohe Grad an Selbstreflexion der Verantwortlichen der Migrantenselbstorganisationen ist im wesentlichen dafür verantwortlich, daß sich ein insgesamt zuverlässiges Bild von den Organisationen zeichnen läßt. Fragebogen Der vorliegende (Zwischen-)Bericht zur Evaluation des LzZ beruht zunächst auf Selbstauskünften der 19 Migrantenselbstorganisationen, die durch einen Fragebogen erhoben wurden. Darin wurden in halbstandardisierter Form • Daten zur Struktur der Organisation • die allgemeinen Aktivitäten und die Projektaktivitäten nebst Zielgruppen • die Selbsteinschätzung hinsichtlich der spezifischen Leistungen als Migrantenselbstorganisation • Kooperationsbeziehungen und ihre Bewertung • Probleme der Organisation allgemein und der Projektdurchführung im besonderen sowie • der Weiterbildungs- und Unterstützungsbedarf abgefragt. drei WochenendWorkshops: Transparenz der Evaluation, zugleich Qualifizierung (B,C) exemplarische Befragung ausgewählter Kooperationspartner (B,C,D) 3 Z.B. Krummacher, Michael/Waltz, Viktoria: Einwanderer in der Kommune - Analysen, Aufgaben und Modelle für eine multikulturelle Stadtpolitik. Essen 1996. Die in diesem Band veröffentlichten Studien referieren die diesbezügliche Diskussion, so daß an dieser Stelle auf eine zusammenfassende Darstellung verzichtet werden kann. 130 Ziele und Methoden der Evaluation Leitfadeninterviews Die ergänzenden Leitfadeninterviews mit Projektverantwortlichen konnten bislang mit siebzehn der neunzehn Migrantenselbstorganisationen, deren Projekte gefördert wurden, geführt werden. In diesen Interviews wurden die erhobenen Daten präzisiert und mit Hintergrundinformationen angereichert. Obwohl der Evaluationsauftrag ursprünglich die Projektaktivitäten fokussierte, war es aufgrund des allgemein geringen Kenntnisstandes bezüglich der Migrantenselbstorganisationen und auf ausdrücklichen Wunsch der geförderten Organisationen erforderlich, die generelle Struktur der Arbeit der einzelnen Organisationen mitzubeleuchten. Die Interview-Fragen sind darauf gerichtet, die Projektintentionen vor dem Hintergrund der allgemeinen Arbeit und Ziele der Organisation • zu verstehen, • die Bedarfsgerechtheit zu beurteilen, • die besonderen Möglichkeiten der Migrantenselbstorganisationen zur Ermittlung von Bedürfnissen von Migrantinnen und Migranten und zur Umsetzung entsprechender Aktivitäten zu eruieren, • ihre Defizite und den Unterstützungsbedarf zu ermitteln und • den Realisierungserfolg der geplanten/durchgeführten Aktivitäten zu beurteilen. Workshops Die Evaluation schloß die Durchführung von drei Workshops mit Vertretern der geförderten Migrantenselbstorganisationen ein. Sie dienten im wesentlichen dem Erfahrungsaustausch und der gegenseitigen Beratung, Qualifizierung und Vernetzung sowie der Herstellung von Transparenz im Evaluationsprozeß. Inhalte des ersten Workshops waren neben der Einzelvorstellung der Organisationen und ihrer Projekte die Diskussion von Problemen bei der allgemeinen und Projektarbeit. Bereits dort stellte sich heraus, daß der Kontakt und Austausch mit anderen Organisationen neue Optionen eröffnete. Gerade weil die geförderten Organisationen sehr unterschiedlich sind (siehe unten), profitierten insbesondere die „kleineren“ Organisationen vom Erfahrungsvorsprung der etablierteren Vereine in Hinblick auf Kontakte, Informationen und Strategien der Organisationsentwicklung. Außerdem stellten die Workshops ein Forum dar, in dem sich Aktive aus Migrantenselbstorganisationen unterschiedlicher ethnisch-kultureller und multi-ethnischer Herkunft kennenlernen und beraten konnten, und in dem Fragen des eigenen Selbstverständnisses, der Verortung in der Gesellschaft und damit Möglichkeiten zur Reflexion von Zielen und Arbeitsweisen und der unterstützenden Selbsthilfe offiziell und informell Platz fanden. Thema des zweiten Workshops war deshalb auch die Diskussion des Selbstverständnisses von Migrantenselbstorganisationen. Dazu wurden ein Vertreter der geförderten Migrantenselbstorganisationen und zwei Hochschulprofessoren für kontroverse Referate gewonnen. Auf eine detaillierte Darstellung soll an dieser Stelle verzichtet werden. 131 Bemerkt werden soll allerdings, daß gerade die Position, die auf die Gefahren der Selbstethnisierung am Beispiel der US-amerikanischen Entwicklung hinwies, sehr differenziert diskutiert und überwiegend zustimmend aufgenommen wurde. Der dritte Workshop leistete durch gegenseitige Beratung und Vorstellungen zweier Migrantenselbstorganisationen einen Beitrag zur Organisationsentwicklung, in dem Chancen auf Erweiterung der Handlungsfelder der Vereine, aber auch Umgang mit Krisensituationen etc. thematisiert wurden. Befragung von Kooperationspartnern und standardisierte Erfolgskontrolle Derzeit noch nicht abgeschlossen sind die exemplarischen Befragungen von Kooperationspartnern ausgewählter Migrantenselbstorganisationen, die eine weitere Perspektive zur Beurteilung der Organisationen eröffnen sollen und eine standardisierte Erfolgskontrolle, die über die Projektergebnisse in quantitativer Hinsicht Auskunft geben wird. Dennoch werden einige Tendenzen bezüglich der Befragungen der Interviewpartner weiter unten dargestellt. Evaluationsergebnisse im Überblick Bevor im folgenden einige zentrale Erkenntnisse der Evaluation dargestellt werden, muß noch einmal darauf hingewiesen werden, daß dieser Bericht zu einem Zeitpunkt verfaßt wird, da die Evaluation noch nicht abgeschlossen ist. Somit kommt den Aussagen eine gewisse Vorläufigkeit zu. Die in der Förderung stehenden Migrantenselbstorganisationen sind äußerst heterogen. Dies ist auf den dezidierten Willen des fördernden Ministeriums zurückzuführen, das der eigens eingerichteten Auswahlkommission empfahl, auf plurale Zusammensetzung der geförderten Projekte hinsichtlich der Nationalitäten, der verschiedenen möglichen Projektschwerpunkte und auf besondere Berücksichtigung von Projekten mit weiblicher Zielgruppe zu achten. Die 19 geförderten Migrantenselbstorganisationen haben • ein unterschiedliches Selbstverständnis – z.B. ob sie vornehmlich Dienstleistungen für ihre Mitglieder, die eigene ethnische Gruppe oder ein multikulturelles Klientel erbringen, • differierende Ziele und • unterschiedliche Möglichkeiten für den Erhalt bzw. die Weiterentwicklung ihrer Organisationen – begründet durch die jeweilige personelle Stärke, ein mehr oder weniger einflußreiches Unterstützernetzwerk, verschieden ausgeprägtes Know-How z.B. bezüglich der Mittelakquise oder der Realisierung von den Rahmen der unmittelbaren Selbsthilfe überschreitenden Projekten etc.. Diese Differenzen spiegeln – neben den geschilderten Auswahlkriterien – die Vielfalt der Funktionen und Organisationstypen von Migrantenselbstorganisationen insgesamt wider, wobei eine Tendenz zur Förderung von eher gut entwickelten Organisationen zu vermerken ist. Arbeitsschwerpunkte und Reichweite der Projekte Die Projekte der Migrantenselbstorganisationen sollten, wie bereits erwähnt, in den Feldern „Soziale Selbsthilfe“, „Kulturarbeit“ und „Politische Interessenvertretung“ angesiedelt sein, wobei auch zwei oder drei Projektdimensionen gleichzeitig angelegt werden konnten. Aufgrund der Mehrfachnennungen ergibt sich folgendes Bild: Mit 14 Nennungen steht die Soziale Selbsthilfe an erster Stelle. Dies ist – jenseits der konkreten Projektaktivität – auch darauf zurückzuführen, daß der Ansatz der Selbsthilfe das Arbeitsprinzip der geförderten Organisationen darstellt. An zweiter Stelle stehen elf Projekte, die die politische Partizipation fördern wollen. Demgegenüber tritt der Aspekt Kulturarbeit mit sieben Nennungen etwas zurück. Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Die zugewiesenen Mittel wurden von allen neunzehn Organisationen für Maßnahmen verwendet; außerdem wurden in acht Fällen auch sächliche Anschaffungen davon bestritten. Sieben der Migrantenselbstorganisationen agierten im Projektzusammenhang (und, darüber hinaus, auch grundsätzlich) landesweit, zwölf der Organisationen entfalteten Aktivitäten mit kommunaler Reichweite. Organisationsstruktur Die Heterogenität der 19 Migrantenselbstorganisationen und ihrer Projekte – und die geringe Stichprobe – wirft für die zusammenfassende Darstellung Probleme in Hinblick auf die Verallgemeinerbarkeit bzw. eine Typologie auf. Wenn im folgenden trotz der Verschiedenheit annäherungsweise drei Organisationstypen4 charakterisiert werden, so fließen heterogene Kriterien wie Infrastruktur, personelle Ressourcen, Aktionsradius und Erfahrungen mit Projektgestaltungen, (erreichte) Zielgruppen und ethnische Zusammensetzung der Organisationen in die Kategorisierung ein, die nicht in jedem Einzelfall so zutreffen müssen. Unter den geförderten Organisationen sind ungefähr je zu einem Drittel: • • • Migrantenselbstorganisationen mit geringer Infrastruktur oder geringem Aktionsradius, was Projekte anbelangt, und rein ehrenamtlicher Arbeit, die sich auf ein kleines Spektrum von Angeboten vorwiegend für die jeweilige Migrantengruppe beschränken. Diese Organisationen sind meist in den Vorständen und unter den Mitgliedern homoethnisch orientiert, auch wenn sie im Selbstverständnis offen für andere Zielgruppen sind, mono- oder multiethnisch (inklusive deutsche Mitglieder oder Teilnehmer und Teilnehmerinnen) strukturierte Migrantenselbstorganisationen mit langjähriger Kontinuität der Arbeit und periodisch auch hauptamtlichen Mitarbeitern. Sie verfügen über eine professionelle5, wenn auch relativ labile Infrastruktur, variationsreiche Angebote und erreichen z.T. Migrantengruppen verschiedener Nationalität, weitgehend stabile Organisationen, die meist multikulturell – unter Beteiligung auch von Deutschen – zusammengesetzt sind, über langjährige Erfahrungen und hauptamtliche Mitarbeiterstruktur verfügen und umfangreiche Dienstleistungen – von Beratung über kulturelle Angebote bis hin zu beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen – für breite Nutzerschichten (u.a. auch für andere, kleinere Migrantenselbstorganisationen) sowie ein großes Kooperations-Netzwerk entwickelt haben. 4 Vergleicht man die geförderten Organisationen mit den Unterscheidungskriterien, die Rudolf Boll in den Blättern der Wohlfarhtspflege 3/96 aufgestellt hat, so fallen sie in die Kategorien „Selbsthilfeverein“, „Selbstorganisationen“ und multikulturelle Organisationen, die sich alle durch ein recht weit entwickeltes Organisationswesen und Aktivitätenspektrum auszeichnen. 5 Die Kategorie „Professionalität“ ist im folgenden häufige Bezugsgröße. Sie wird einerseits im Sinne einer Hauptamtlichkeit verstanden und dann auch so präzisiert. Zum anderen bezeichnet sie im weiteren Sinne eine Struktur, die durch Kontinuität, Expertentum und organisatorische Verläßlichkeit gekennzeichnet ist und nicht unbedingt an die Anwesenheit eines hauptamtlich Tätigen gebunden sein muß. Hauptamtliche Mitarbeiter müssen nicht unbedingt professionelles Handeln der Organisationen garantieren, insbesondere wenn es sich um befristet Beschäftigte, z.B. über AB-Maßnahmen, handelt, denn hier entstehen eigene Probleme im Hinblick auf Einarbeitungszeiten und mangelnde Kontinuität. Allerdings ist es in der Regel nicht von der Hand zu weisen, daß hauptamtliche Mitarbeiter den Aktionsradius der Organisationen vergrößern und reibungsloseren Ablauf gerade von Projektaktivitäten ermöglichen und ehrenamtliche Mitarbeiter entlasten. 132 Evaluationsergebnisse im Überblick In der expliziten Nennung ihrer Zielgruppen geben fünfzehn Organisationen an, ein multikulturelles Publikum (also verschiedene Minderheiten und Deutsche) ansprechen zu wollen, dreimal richten sich die Aktivitäten an die Organisationsmitglieder und Menschen derselben Nationalität bzw. Sprachgruppe, eine Organisation begrenzt die Projektaktivitäten auf ihre Mitglieder. Mitarbeiter Die geförderten Migrantenselbstorganisationen unterscheiden sich erheblich hinsichtlich des Grades der Professionalisierung i.S. der Beschäftigung hauptamtlicher Mitarbeiter. Ungefähr ein Drittel arbeitet auf ehrenamtlicher Basis; die Projektförderung erlaubt es einigen von ihnen, Honorarkräfte zu beschäftigen. Die anderen verfügen über unterschiedlich viele hauptamtliche Mitarbeiter, von denen die meisten allerdings befristet beschäftigt sind, z.B. auf ABModer ASS-Basis. Unbefristet tätige Hauptamtliche hat nur ca. 1/4 der Organisationen; sie weisen z.B. ein angegliedertes Bildungswerk auf oder gehören zu den Einrichtungen der freien Jugendpflege. Grundsätzlich gilt: Verfügen die Migrantenselbstorganisationen über fest beschäftigte Hauptamtliche, so arbeiten dort außerdem befristet beschäftigte Kräfte und solche auf Honorarbasis. Vier Einrichtungen konnten aufgrund der Landesförderung zum ersten Mal bezahltes Personal – von Honorarkräften bis zu Teilzeitbeschäftigten, selbstverständlich befristet – beschäftigen. Die Personalsituation im Überblick: Stabilität und Finanzierungssituation der Organisationen Hinweise für die Potenz der Organisationen gibt auch die Selbsteinschätzung hinsichtlich der Stabilität: Vier Migrantenselbstorganisationen sehen sich als gesichert an, dreizehn bezeichnen sich als relativ stabil (wobei eine recht große Organisation zugleich Teilbereiche ihrer Arbeit als gefährdet ansieht) und lediglich zwei Organisationen schätzen ihren Bestand als gefährdet ein. Diese Auskunft korrespondiert in etwa mit der allgemeinen Finanzierungssituation der Organisationen. Fast jede Organisation unterliegt einem eigenen Finanzierungsmodell; unter Berücksichtigung von Mehrfachnennungen hinsichtlich der Förderer zeigt sich folgendes Schema (nicht einbezogen ist die Förderung, auf die die Evaluation sich bezieht): Förderer Kommune Land Bund EU Sonstige ständige Zuwendungen gelegentliche Zuwendungen 10 5 5 1 4 5 6 1 7 10 133 Aufgeschlüsselt nach Einzelorganisationen zeigt sich, daß immerhin zehn Organisationen eine ständige Förderung von einem oder mehreren der aufgeführten öffentlichen Mittelgeber erhalten. Lediglich eine Migrantenselbstorganisation verfügt über keine sonstige Förderung, sieben Organisationen erhalten – egal von welchem Förderer – lediglich gelegentlich finanzielle Mittel und eine Organisation kann allein auf regelmäßige Mitgliedsbeiträge zurückgreifen. Insbesondere für diese Organisationen konnten durch die neue Förderlinie des Landes die Voraussetzungen für jahrelange, mit geringen Mitteln durchgeführte Arbeit verbessert und Projekte realisiert werden, die den Aktionsradius der Organisationen vergrößerten. Interessant dürfte außerdem sein, daß achtzehn der geförderten Organisationen ihre Arbeit ausweiten möchten, lediglich eine, in den letzten Jahren stark gewachsene Organisation sieht nun erst einmal eine Konsolidierungsphase auf hohem Niveau anstehen. Spezifische Leistungen Zunächst mit einer offenen Frage wurde erhoben, wie die Organisationen ihren spezifischen Beitrag definieren. Entsprechend weit differierten die Formulierungen, die sich allerdings in vielen Bereichen zusammenfassen ließen. Um ein repräsentatives Abbild zu erhalten, wurden die aus den freien Nennungen gewonnenen Kategorien in einer zweiten Abfrage standardisiert erhoben. Danach sehen die Organisationen ihre spezifischen Leistungen (in Klammern die Häufigkeit der Nennungen) darin, daß sie: ❑ über einen besonderer Zugang zu Migranten verfügen (18) ❑ besonderes Wissen um Probleme von Migrantinnen und Migranten haben (17) ❑ langjährige Erfahrungen in der Migrationsarbeit aufweisen (16) ❑ fachliche Kompetenz in der Migrationsarbeit haben (15) ❑ einen eigenen Migrationshintergrund geltend machen können (15) ❑ entsprechende (Fremd-)Sprachkompetenz mitbringen (15) ❑ Angebote realisieren, die den Bedürfnissen von Migrantinnen und Migranten entgegenkommen (15) ❑ mit ihrer Arbeit den Institutionen der Regelversorgung (Schule, Arbeitsamt, Sozialamt etc.) die Arbeit erleichtern (15) ❑ eine eigenständige Interessenvertretung von Migrantinnen und Migranten darstellen (14) ❑ eine Vertrauensbasis bei Migranten haben (14) ❑ einen multikulturellen Charakter aufweisen (13) ❑ besonderen Zugang zu Migrantenorganisationen haben (12) ❑ Angebote realisieren, die Lücken in der Regelversorgung (Schule, Arbeitsamt, Sozialamt etc.) schließen (10) ❑ ineinandergreifende Angebote unter einem Dach bieten (10) ❑ Kenntnis verschiedener Kulturkreise haben (9) ❑ über eine einzigartige Einrichtung verfügen (8). Evaluationsergebnisse im Überblick Verallgemeinernd und unter Berücksichtigung der in den Interviews gewonnenen Informationen läßt sich sagen: Die spezifischen Leistungen liegen bei allen Organisationen • im besonderen Zugang zu Migranten und anderen Migrantenselbstorganisationen (dazu gehört neben der Sprachkompetenz ein Vertrauen, das die Organisationen bei ihrer jeweiligen Community durch langjährige und solide Arbeit erworben haben), • in einer Angebotsstruktur, die die spezifischen Bedürfnisse der Migrantengruppen aufgreift und Lücken in der sozialen und kulturellen Regelversorgung (z.B. muttersprachlicher Unterricht; an die soziokulturellen Voraussetzungen des Klientels angepaßte Bildungsangebote etc.) schließt, • in der Verwertung des eigenen „ethnischen Kapitals“ (informelle Netzwerke, Orientierungshilfen in der Unübersichtlichkeit der modernen Gesellschaft, geschützte Interaktionsräume etc.), • in ihrer Funktion als Clearing- und Vermittlungsstelle (z.B. ermöglichen Beratungen von Zugewanderten durch die Migrantenselbstorganisationen effektivere Inanspruchnahme der Regelversorgung) oder als eigenständige, spezialisierte Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten und • in der eigenständigen Interessenvertretung von Migrantinnen und Migranten, die ein Feld für Eigenorganisation und Basis für gesellschaftliche Partizipation (Aktivierung und Qualifizierung) darstellen. Kooperationspartner Die Kooperationsbeziehungen wurden wiederum in einem zweistufigen Verfahren erhoben, zunächst mit einer offenen Fragestellung – hier incl. einer Beurteilung der Qualität der Kooperationsbeziehungen –, dann mit daraus gewonnenen Kategorien in einer standardisierten Abfrage. Es zeigt sich, daß die Kooperationen ausgesprochen vielfältig – sowohl zu Institutionen der Mehrheitsgesellschaft als auch zu Migrantenselbstorganisationen und Institutionen der Herkunftsgesellschaft – und überwiegend positiv sind. Sie spiegeln z.T. das Spektrum der Arbeit der Migrantenselbstorganisationen wider, indem z.B. Schwerpunkte in der Zusammenarbeit mit Institutionen der Jugendarbeit, mit Schulen, politischen Parteien, Ämtern etc. erkennbar sind. Hier das Ranking der besonders häufigen Kooperationspartner: ❑ andere Migrantenselbstorganisationen (17) ❑ kommunale Ämter (16) ❑ Institutionen wie Schulen, Jugendzentren, der Altenarbeit etc. (16) ❑ Wohlfahrtsverbände (15) ❑ kirchliche Einrichtungen (13) ❑ politische Parteien (12) ❑ Ausländerbeirat (11) ❑ Institutionen der Herkunftsgesellschaft (Konsulate etc.) (6) Die Migrantenselbstorganisationen erweisen sich insgesamt als offen gegenüber verschiedenen Institutionen und damit als gut in die Mehrheitsgesellschaft integriert. Dies wird auch durch die Kooperationspartner selbst bestätigt – so jedenfalls der bisherige Kenntnisstand, der sich über erste Interviews mit Vertretern ausgewählter Institutionen der Mehrheitsgesellschaft vermittelt6. Da dieser Teil der Evaluation noch in den Anfängen steht, sollen hier nur schlaglichtartig einige Aussagen zusammengestellt werden, die sich auf die Kooperationen mit einer rein ehrenamtlich arbeitenden und einer mit eineinhalb hauptamtlichen Stellen ausgestatteten Migrantenselbstorganisation beziehen. Beiden Organisationen wird bestätigt, daß sie kompetente und verläßliche Kooperationspartner sind, qualitativ hochwertig und zielorientiert arbeiten. Die kulturelle Eigenständigkeit der Organisationen wird als Basis für Integration beschrieben. Die Migrantenselbstorganisationen nehmen wichtige Multiplikatorfunktionen wahr, indem sie Anliegen der jeweiligen Institution der Mehrheitsgesellschaft an die Zielgruppe Migrantinnen und Migranten herantragen – häufig sind sie der einzige Garant für die erfolgreiche Realisierung von zielgruppenspezifischen Maßnahmen, z.B. in der Altenarbeit. Sie entlasten die Kommune durch die Erbringung spezieller Leistungen, z.B. im Bereich muttersprachlichen Unterrichts oder berufsorientierender Maßnahmen. Hervorgehoben wird die Bedeutung beider Organisationen für die Weiterentwicklung demokratischer Kultur und Gremien, sei es durch Mobilisierung für Ausländerbeiratswahlen, sei es durch die alltägliche Arbeit, die vom Selbstverständnis der gleichberechtigten Partizipation aller Mitglieder geprägt ist und zu Vermittlung und Interessenausgleich zwischen verschiedenen ethnischen Minderheiten beiträgt. Die bislang befragten Kooperationspartner sehen die integrative Funktion der beiden Migrantenselbstorganisationen aber nicht einseitig in dem Sinne, daß sie die Vermittlung von Anliegen der Mehrheitsgesellschaft zur Gruppe der Migrantinnen und Migranten unterstützen. Vielmehr betonen sie den wechselseitigen Charakter: daß von den Migrantenselbstorganisationen Impulse in Richtung Mehrheitsgesellschaft ausgehen, sei es, daß bestimmter Bedarf thematisiert werden, sei es, daß sie zu interkulturellem Lernen durch Begegnungen und andere Angebote beitragen. Die Organisationen stellen einen wichtigen Faktor im kommunalen Netzwerk dar, eine „Brücke zwischen Mehrheit und Minderheit“ – wenn, auch das wurde thematisiert, die kooperierenden Institutionen der Mehrheitsgesellschaft sich selbst als bürgernah, dienstleistungsorientiert und somit offen für Selbstorganisationen erweisen. Als Probleme der Organisationen kennzeichnen die Interviewpartner, daß Qualität und Kontinuität der Arbeit an einzelne haupt- oder ehrenamtliche Personen gebunden ist. Bezüglich der hauptamtlichen Mitarbeiter hängt – neben der Qualifikation – die Sicherung der Arbeit von verläßlicher Finanzierung ab; bei ehrenamtlich arbeitenden Organisationen stellt sich künftig die Herausforderung eines gelingenden Generationenwechsels. Auch aus diesem Grund unterstreichen die befragten Kooperationspartner die Notwendigkeit, spezielle Qualifizierungsangebote für Aktive in Migrantenselbstorganisationen zu entwickeln. 6 In den exemplarischen Interviews mit Vertretern von Institutionen der Mehrheitsgesellschaft werden Kooperationspartner der drei unterschiedlichen, oben charakterisierten Typen von Migrantenselbstorganisationen befragt. 134 Evaluationsergebnisse im Überblick Qualifizierungs- und Beratungsbedarf Als Zwischenergebnis der Evaluation zeichnet sich ab, daß der überwiegende Teil der geförderten Migrantenselbstorganisationen Professionalisierungs- und Weiterbildungsbedarf erkennt und differenziert formuliert. Viele der Orgnisationen nehmen bereits Weiterbildungsmöglichkeiten wahr oder organisieren sie im Rahmen ihrer Arbeit. Allerdings stehen bei einigen mangelnde finanzielle Mittel der Realisierung von Weiterbildungswünschen entgegen. In der Fragebogenerhebung wurden dazu 14 Kategorien sowie eine offene Antwortmöglichkeit vorgegeben. Die Auswertung ergibt folgende Gewichtung: ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ Mittelbeschaffung/Finanzierungsquellen (14) Antragstellung (11) Öffentlichkeitsarbeit (10) Budgetkalkulation und –überwachung (8) Vereinsrecht (7) (politische) Lobbyarbeit (6) Erfahrungsaustausch/Vernetzung (5) Teilnehmerwerbung (5) Beratungsfähigkeiten (5) Abrechnung (4) Erstellen von Berichten (4) Umgang mit Konflikten in der Organisation (3) Umgang mit Konflikten mit Dritten (3) pädagogische Fähigkeiten (3) Das Ranking zeigt, daß die Qualifizierungswünsche sich stark auf formale Kompetenzen beziehen, die den existentiellen Erhalt und Ausbau der Organisation zu sichern versprechen. Dies korrespondiert offensichtlich mit dem Professionalisierungswillen der Organisationen (zur Erinnerung: 18 Organisationen gaben an, ihre Aktivitäten ausweiten zu wollen). Es verweist zugleich auf die Probleme, die die Organisationen thematisieren. An erster Stelle stehen die mangelnden finanziellen Ressourcen, so daß, wie bereits erwähnt, ungefähr ein Drittel der Organisationen rein ehrenamtlich arbeiten muß. Dies wird zunehmend als Belastung für die wenigen Aktiven und Behinderung für die Organisationsentwicklung erfahren. Die Reduktion auf ehrenamtliche Tätigkeit gefährdet die Migrantenselbstorganisationen latent in ihrem Bestand und führt potentiell zu Instabilität und mangelnder Kontinuität. Aber auch die Organisationen mit hauptamtlichen Mitarbeitern sind selten in der Lage, die notwendige Kontinuität zu garantieren, weil die Stellen von Projektoder ABM-Förderung abhängen. Eine Tradierung von Know-How und Professionalisierung der Arbeit wird dadurch erschwert. Angesichts dieser Problemlage treten stärker inhaltlich orientierte Weiterbildungsbedürfnisse tendenziell zurück, sind aber doch noch ausgeprägt. Dies läßt sich zweifach interpretieren: Entweder haben die in der Förderung stehenden Organisationen so starke Kompetenzen in der inhaltlichen Gestaltung ihrer Arbeit, daß sie nur wenig Defizite und Qualifizierungsbedarf in diesem Bereich verspüren. Oder es dominieren die Probleme mit der unmittelbaren Existenzsicherung, so daß die Qualitätsoptimierung der eigenen Arbeit nicht als vordringliches Problem definiert wird. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, daß ein Qualifizierungsbedarf in pädagogischer, beraterischer etc. Kompetenz ebenfalls besteht. 135 Fazit Die referierten Zwischenergebnisse der Evaluation haben notwendigerweise summarischen Charakter. Aufgrund der starken Heterogenität der geförderten Migrantenselbstorganisationen und der gewählten Projektansätze gilt es, differenzierte, dem Entwicklungsstand und Leistungsvermögen der einzelnen Organisation angemessene Beurteilungskriterien zu gewinnen. Dies wird Gegenstand des Abschlußberichts zur Evaluation sein. Nach bisherigem Kenntnisstand läßt sich ein überwiegend positives Bild zeichnen. Bestätigt wird die wichtige Funktion der geförderten Migrantenselbstorganisationen für Migrantinnen und Migranten und Mehrheitsgesellschaft. Auch die Projekte, die abschließend kurz skizziert werden, sind weitgehend ziel- und bedürfnisgerecht. Die geförderten Organisationen arbeiten professionell oder sind auf dem Wege zu höherer Professionalität, wozu auch die Landesförderung beigetragen hat. Mit finanzieller Unterstützung konnten neue Arbeitsansätze realisiert und das Aktionsspektrum erweitert werden. Die Migrantenselbstorganisationen – das zeigen auch die bisherigen Urteile von Kooperationspartnern – sind wichtige Partner für die Gestaltung einer Zuwanderungsgesellschaft, die auf Aktivierung und Partizipation von Migrantinnen und Migranten setzt. Diese Potentiale zu stärken, stellt eine Herausforderung für das demokratische Gemeinwesen dar. Die geförderten Migrantenselbstorganisationen und ihre Projekte im Überblick ADENTRO NRW e.V., Netzwerk spanischsprechender Senior/innen, Geschäftsstelle Münster: Durchführung von vier jeweils dreitägigen Bildungsseminaren für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Intention ist die Motivation für und Qualifizierung der ehrenamtlichen Arbeit. Außerdem finanzielle Unterstützung von Aktivitäten der Ortsgruppen. Arbeitskreis für Afghanistan e.V., Bonn: Produktion der Zeitschrift Nau Bahar (in den Sprachen Dari und Pashto) und Aufbau einer Frauengruppe. BAGIV, Bundesarbeitsgemeinschaft der ImmigrantInnenverbände e.V.,Geschäftsstelle Bonn: Vier Tagungen zum Thema „Partizipationschancen und Selbstorganisation“ und Herstellung einer Broschürenreihe. Circolo Culturale Italiano, Wuppertal: Pädagogische Betreuung eines Multimedialen Lernzentrums für Kinder, Anschaffung von Lernmitteln (CD-Rom, Lernsoftware) und Aufbau einer Frauengruppe, die zugleich eine italienischsprachige Frauenzeitung herstellt. Club Tunesien Bonn e.V.: Förderung der Gesamtaktivitäten (Freizeitangebote, kulturelle Veranstaltungen, Informationsveranstaltungen, Sprachkurse für Kinder, Frauen- und Mädchengruppe u.a.) des Clubs incl. Betriebskosten. GDF, Förderation der ImmigrantInnenvereine aus der Türkei e.V., Geschäftsstelle Düsseldorf: Wochenendseminare und Arbeitstagungen für Vorstands- und Vereinsmitglieder, haupt- und nebenberufliche Mitarbeiter/innen von der GDF angeschlossenen Selbstorganisationen und interessierte Nicht-Mitglieder. Zielsetzung ist die Förderung der politischen Partizipation, Stärkung der Selbstorganisationen, Förderung der ehrenamtlichen Tätigkeit in Vereinen, Stärkung des politischen Bewußtseins der Mitglieder von Selbstorganisationen und Verbreitung sozialpolitischer Informationen. Griechische Gemeinde Bonn e.V.: Bildungs- und Orientierungsangebote (regelmäßige Berufsberatung und Bewerbungstraining, zwei Tagesveranstaltungen zu arbeitsmarktspezifischen Themen für Multiplikatoren, Computer-Kurse für Jugendliche und Frauen) sowie Anschaffung von Computer und Faxgerät. Griechische Gemeinde Castrop-Rauxel e.V.: Anschaffung von Einrichtungs- und Ausstattungsgegenständen für einen Seminarraum, Veranstaltungen zur rechtlichen, sozialen und politischen Gleichstellung von Migrantinnen und Migranten (sozialrechtliche Themen, muttersprachliche Mieter-, Schuldner- und Gesundheitsberatung, rechtliche Situation innerhalb der EU, in Griechenland und der Bundesrepublik Deutschland, Förderung politischer Handlungsansätze). Halkevi (Volkshaus) Köln e.V.: Bildungsveranstaltungen (politische Willensbildung auf kommunaler, Landes-, Bundesebene, Möglichkeiten der politischen Partizipation von Migrantinnen und Migranten) sowie Ausstattungsgegenstände und Betriebskosten. 136 Internationales Begegnungszentrum Friedenshaus e.V. (IBZ), Bielefeld: Realisierung des Kulturprojekts „Culturisimo“ (ca. 20 Kulturveranstaltungen mit kunstschaffenden Migrantinnen und Migranten) sowie bühnentechnische Ausstattung. IFAK e.V., Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendarbeit, Bochum: Aufbau und Einrichtung eines Treffpunkt- und Veranstaltungscafes, Durchführung von Kursen, Gesprächskreisen, Wochenendseminaren für diverse Zielgruppen (um die Motivation zur Teilnahme und weiterführendes Engagement in verschiedenen Sachbereichen, in politischen kommunalen Fragen sowie die Stärkung von Interessenvertretung zu erreichen), Durchführung von Freizeitaktivitäten, Kultur- u. Informationsveranstaltungen, Vernetzung von Migrantenvereinen und Organisationen in der Migrantenarbeit und in den Regeldiensten, Beratung von Migrantenvereinen bei der Organisation und Beantragung eigener Maßnahmen/Aktivitäten (Informationsweitergabe, Beratung). IKM, Internationaler Kulturkreis Moers e.V.: (Einzel-) Beratung von Selbstorganisationen, ausländischen BürgerInnen verschiedener Nationalitäten und ehrenamtlichen Funktionären im Hinblick auf Projektentwicklung. Unterstützung von einzelnen Gruppen bei der Herstellung von Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit und bei der Vereinsbuchhaltung (dafür steht ein „mobiler Computer“ mit entsprechender Software zur Verfügung). Durchführung von Stadtteilkonferenzen zur besseren Vernetzung von Jugendhilfe- und anderen sozialen und politischen Aktivitäten der im Stadtteil tätigen Institutionen und Organisationen. Kaktus e.V., Radio Kaktus, Münster: Anschaffung von Recordern und einer Bandmaschine für die Radioarbeit, Betreuung einer Jugend-Radiogruppe. Die Radiogruppe soll MigrantenJugendlichen (aber auch deutschen Jugendlichen steht das Angebot offen) ein Sprachrohr für Meinungen, Probleme und Interessen bereitstellen: Die produzierten Beiträge werden über den Bürgerfunk ausgestrahlt. KOMKAR e.V., Verband der Vereine aus Kurdistan, Geschäftsstelle Bonn: Schulung hauptsächlich kurdischer Jugendlicher zu Multiplikatoren, Durchführung von Seminaren und Camps mit deutschen Kooperationspartnern (zu Fragen der Demokratie, Integration in die bzw. Partizipation an der bundesdeutschen Gesellschaft, Selbstorganisierung, Kooperation und Zusammenarbeit mit deutschen Jugendorganisationen und Gruppen, Vereinswesen, Mitgliedschaft in den deutschen Parteien, Jugendvereinen und -verbänden). Die geförderten Migrantenselbstorganisationen und ihre Projekte im Überblick Multikulturelles Forum Lünen e.V. (MKF): Personalkosten zur Vorbereitung von Veranstaltungen zur Intensivierung der politischen Mitbestimmung von Migrantinnen und Migranten. (Die Mittel zur Durchführung der Veranstaltungen bringt MKF selbst auf.) Inhalte der Bildungsmaßnahmen: Unterstützung der sachkundigen Migranten und Mitglieder des Ausländerbeirats durch Fort- u. Weiterbildungsmaßnahmen, Durchführung breit angelegter kommunaler Kampagnen zur Förderung der Beteiligung der Migranten bei der Mitentscheidung von kommunalpolitischen Fragen mit der Zielgruppe der Migranten, Durchführung von Stadtteil- u. Rathausgesprächen für und mit Migranten und Kommunalpolitikern, Vernetzung der Migrantenselbstorganisationen in politischen Fragen, Durchführung von Maßnahmen für Multiplikatoren, insbesondere über die Wichtigkeit der Einbürgerung der Nicht-EG-Migranten mit der Zielgruppe ausländische Schüler. MONA, Internationale Frauenkontakt- und Beratungsstelle e.V., Bochum: Bedarfsanalyse und Entwicklung eines interkulturellen Angebots für Mädchen in Kooperation mit Schulen, dem Bochumer Frauenbeirat und Trägern der freien Migrationsarbeit. Durchführung eines Videoprojekts für Mädchen aus unterschiedlichen sozialen und ethnischen Bezügen, Herstellung eines Videofilms. NAVEND, Kurdisches Informations- und Dokumentationszentrum e. V., Bonn: Aufbau einer Informations- und Beratungsbörse im Bereich kurdische Migrantinnen und Migranten (Internetangebot, deutsch- und kurdischsprachige Publikationen, Gesprächskreise, Veranstaltungsreihe, Bibliotheksaufbau), Vermittlung von Informationen über kurdische Migrantinnen und Migranten an deutsche Institutionen, Vernetzung und Informationsaustausch zwischen kurdischen Selbstorganisationen, Kurdisch-deutsche und Türkischkurdische Symposien zum Abbau gegenseitiger Vorbehalte unterschiedlicher Migrantengruppen unter Einbezug von Intellektuellen unterschiedlicher Herkunft. ROM e.V., Verein für die Verständigung von Roma und Sinti und Nicht-Roma, Köln: Auf- und Ausbau des Archivs zur Geschichte und Gegenwart der Roma und Sinti in Deutschland und Europa. Türkisches Kulturzentrum in Duisburg u. Umgebung e.V.: Durchführung des Bildungsprojektes “Öffentlichkeitsarbeit in NonProfit-Organisationen, Kennenlernen und Umgehen-können mit medialen Strukturen”, mit Schwerpunkt Zeitung und Radio sowie Anschaffung von Computern, Aufnahmegerät, Fotoapparat, Videokamera. Ziel ist es, v.a. türkischen Jugendlichen einen kompetenten Umgang mit Presse, Hörfunk und Fernsehen und journalistisches Grundwissen zu vermitteln, um ihre öffentlichen Artikulationsmöglichkeiten zu verbessern. 137 138 Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW Wissenschaftliche Bestandsaufnahme Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW Wissenschaftliche Bestandsaufnahme NRW–––notiert. Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen