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TÜV SÜD
JOURNAL
UNKT
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# 04
AUTONOMES FAHREN
2014
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Editorial
LIEBE LESERINNEN
UND LESER,
übernehmen unsere Autos bald die Kontrolle? Spätestens 2030, so der
Verband der Automobilindustrie VDA, werden die ersten vollständig autonom fahrenden Fahrzeuge auf die Straßen kommen. Nahezu alle großen
Hersteller arbeiten zurzeit intensiv daran, dass Autos selbststeuernd durch
den Straßenverkehr fahren. Auf den großen Automobilmessen des Jahres
2014 – von der Detroit Motor Show bis zur IAA Nutzfahrzeuge in Hannover
– war autonomes Fahren eines der beherrschenden Zukunftsthemen.
Experten sind sich einig: Unsere Mobilität wird sich in den kommenden
Jahren rasant wandeln. Autonomes Fahren ist dabei einer von vielen
Bausteinen. Neue Antriebsformen wie die Elektromobilität, aber auch bis
vor Kurzem unbekannte Formen der Nutzung, getrieben durch die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft,
sind Treiber des Veränderungsprozesses:
Dank einfacher Apps können beispielsweise Carsharing-Modelle oder Beförderungsdienste wie Uber innerhalb kurzer
Die TÜV SÜD Journal App gewährt zusätzliche Blicke auf
die Mobilität von morgen.
Zeit Hunderttausende Nutzer gewinnen.
AUTONOMES FAHREN
Der QR-Code führt Sie direkt zur
aktuellen TÜV SÜD Journal App.
Bei allem Wandel in der Fortbewegung
der Zukunft bleibt eines gleich: das Bedürfnis nach Sicherheit. TÜV SÜD
begleitet die mobilen Veränderungen daher intensiv und wenn nötig auch
kritisch – ein Beispiel dafür lesen Sie in unserer aktuellen Titelgeschichte
ab Seite 6. Denn wir wollen auch in den kommenden Jahrzehnten der
Garant für sichere Mobilität sein. Dieses Versprechen kann ich Ihnen schon
heute geben!
Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Axel Stepken
Vorsitzender des Vorstands der TÜV SÜD AG
2 TÜV SÜD Journal
Inhalt
#06
TITELSTORY
Mensch oder Maschine: Wer hält bei der
Mobilität der Zukunft das Steuer in der
Hand? Und welche Rolle spielen intelligente
Straßen beim autonomen Fahren?
Auf den
Auf die
Auf dem
Nachgefragt! Unsere »Mehrwert«-Seiten
machen komplexe Zusammenhänge leicht
verständlich.
Was treibt Menschen weltweit um? Wir
nehmen technische und gesellschaftliche
Entwicklungen unter die Lupe.
Die Welt von morgen im Blick:
Diese Innovationen könnten schon bald
unser Leben prägen.
#16 Winterspaß im Oldtimer
Historische Autos müssen in der kalten Jahres­
zeit nicht in der Garage bleiben. Mit der richtigen
Vorbereitung und Pflege steht einer Spritztour
selbst bei Schnee und Eis nichts im Weg.
#20 Das will ich haben!
Juwelen oder Sportwagen sind für viele
Menschen Objekte der Begierde. Was verleiht
Produkten, Dienstleistungen oder Unternehmen
die Aura des Wertvollen?
#26 Schlüssel zum Fortschritt
Das Internet der Dinge stellt die Industrie vor
neue Herausforderungen. Um sie partnerschaftlich zu meistern, vernetzt TÜV SÜD junge
innovative Unternehmen mit etablierten Firmen.
#18 Hoch hinaus
Hochhäuser wären ohne Aufzüge gar nicht
denkbar. Seit mehr als 150 Jahren ersparen
sie uns das Treppensteigen. Wie funktionieren
Fahrstühle? Und was macht sie so sicher?
#24 Streu gut!
Schneefall, Minusgrade, gefrierende Nässe:
Im Kampf gegen Glatteis setzen die meisten
Straßendienste auf Streusalz. Gibt es Alternativen? Und was taugen sie?
#30 Zukunft Klassenzimmer
Lehrer ist für viele ein Traumberuf. Doch
nur wenige Abiturienten entscheiden sich für
Mathematik, Physik oder Chemie. Die
TÜV SÜD Stiftung möchte dies ändern.
#4 TÜV SÜD im Bild
#14 5 Minuten mit TÜV SÜD
#17 Vor Ort
#23 Termine/Impressum
#32 5 Minuten mit TÜV SÜD
#34 Zu guter Letzt
PUNKT
PROBE
WEG
TÜV SÜD Journal 3
TÜV SÜD im Bild
4 TÜV SÜD Journal
TÜV
TÜV SÜD
SÜD im
im Bild
Bild
Gleißende
HELLIGKEIT
Jahrhundertelang waren die Wintermonate eine tiefdunkle Zeit. An
den langen Abenden und in den Nächten zwischen November und Februar erhellten oft nur Kienspan
und Herdfeuer die Stuben der Menschen. Heute hingegen macht künstliche Beleuchtung auch die
schwärzeste Nacht zum Tag – dank Glühbirnen, Kompaktleuchtstofflampen, Halogenlampen und modernen LED-Technologien. Im TÜV SÜD-Prüflabor für Leuchtmittel in Garching bei München bereitet
Florian Brunner Energiesparlampen für einen Dauertest vor. Hersteller von Leuchtmitteln, Importeure
oder Händler wollen von den Experten wissen, wie langlebig ihre Produkte unter Alltagsbedingungen
sind. In genormten Intervallen werden bis zu 3.200 Leuchtmittel gleichzeitig an- und ausgeschaltet
– computergesteuert und zehntausende Male. Die Tests geben auch Auskunft darüber, wie sich
Energieverbrauch und Lichtausbeute über den Lebenszyklus hinweg verhalten. Denn schließlich sollen
die Lampen auch nach vielen Stunden Einsatz noch gleißende Helligkeit verbreiten.
Mehr Infos: www.tuev-sued.de/leuchtmittel
TÜV SÜD Journal 5
Titelstory
DATEN-V
A E MEHR ZUM THEMA
IN UNSERER MAGAZIN-APP
So clever stellt sich das dänische Architekturbüro Bjarke Ingels Group die
Straße der Zukunft vor: Sie erkennt
Fußgänger und macht sie durch
Leuchtelemente für andere Verkehrsteilnehmer gut sichtbar.
6 TÜV SÜD Journal
Titelstory
ERKEHR
Mehr Sicherheit, mehr Komfort, weniger Stau: Die Erwartungen an selbstfahrende Autos sind hoch.
Doch bevor sich die Passagiere entspannt einer neuen Mobilität hingeben, muss die Infrastruktur aufgerüstet
werden. Der »schlauen Straße« kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Text: Timour Chafik
TÜV SÜD Journal 7
Titelstory
W
as ist eine Straße? Eine
Verbindung zwischen zwei
Orten. Ein Weg, auf dem
sich zügig fahren oder gehen lässt, wenn kein Stau die Mobilität behindert. Ein mal schmaleres, mal breiteres
graues Asphaltband, das aus einer Mischung
aus zerkleinertem Gestein und Erdpech hergestellt wird.
Manche Menschen sehen in einer Straße mehr als nur das Trägermaterial für
Autos, Fahrräder und Menschen. Der niederländische Künstler und Architekt Daan
Roose­gaarde beispielsweise. Er möchte mit
beleuchteten Mittelstreifen Straßen in einem besseren Licht erstrahlen lassen. Oder
das US-amerikanische Ehepaar, das in seiner Garage in Sandpoint, Idaho, am Prototyp eines Strom erzeugenden Photovoltaik­Asphalts bastelt. Das Start-up, das für seine
im Belag verbauten Sensoren wirbt, die den
Autofahrer mit der entsprechenden App zum
nächsten freien Parkplatz lotsen. Der findige
Forscher, der einen sich selbst reparierenden
Straßenbelag entwickelt haben will.
Rund um den Globus wird in großen
wie in kleinen Projekten daran geforscht,
die Straße schlau zu machen. Sie als Datenträger zu nutzen, als Sender und Empfänger
von Informationen für eine neue, vernetzte
Mobilität, die mehr Komfort und mehr Sicherheit verspricht – und ein bisschen weniger Mensch, zumindest, wenn es um die
Frage geht, wer auf der Straße von morgen
das Steuer in der Hand haben und die Richtung vorgeben soll.
Kontrolle gegen Sicherheit
In Planspielen gibt der Autofahrer bereits
einen Gutteil seiner Herrschaft über Lenkrad und Gaspedal an den Asphalt ab. An
vielen Orten wird an dem Tauschgeschäft
»Individuelle Kontrolle gegen allgemeine
Sicherheit« geforscht. Ein Beispiel: das Projekt simTD, kurz für »Sichere Intelligente
Mobilität Testfeld Deutschland«. Es fand
von Sommer 2012 bis zum Sommer 2013
statt und ist der bislang größte Feldversuch
zur Vernetzung von Auto und Infrastruktur,
zur sogenannten Car-to-X-Kommunikation.
Rund 120 Fahrzeuge wurden mit Kameras,
Sensoren und Radargeräten ausgestattet,
um permanent Daten zu sammeln. Über
8 TÜV SÜD Journal
Digitale Technologien machen’s möglich:
Sensoren und Datenübertragungsmöglichkeiten könnten unsere Straßen von morgen
mit neuen Funktionen ausstatten.
Titelstory
»Die Infrastruktur
wird Teil eines intelligenten Automatismus.« – Designer
Keiichi Matsuda
WLAN, also drahtloses Internet, und die
Mobilfunktechnologien UMTS und GPRS
wurden sie zu Empfängern am Straßenrand
übertragen und von dort zur Weiterverarbeitung an Verkehrsleitzentralen. Ergab die
Datenanalyse mögliche Gefahren, wurden
über denselben Weg zurück Warnsignale an
die Fahrzeuge geschickt. Auf der Autobahn
konnten sie zum Beispiel auf ein Stauende
oder ein liegen gebliebenes Auto aufmerksam machen, lange bevor es sichtbar war.
Zudem werden Lichtsignalanlagen auf den
Straßen entsprechend gesteuert, um auch
Fahrer von Autos ohne eingebautes Kommunikationssystem zu warnen. In mehr als
41.000 Versuchsstunden und 1,65 Millionen
Fahrkilometern habe sich gezeigt, dass all
die Funktionen einen enormen Mehrwert
mit sich bringen, so der Projektkoordinator
Dr. Christian Weiß.
Wie ein solcher Mehrwert entstehen
kann, erläutert der in London lebende Designer Keiichi Matsuda am Beispiel einer
Parkuhr: »Sie ist an sich nicht mehr als ein
dummes, unwissendes Objekt. Erst wenn
man per Smartphone seine Parkgebühren
bezahlen kann, oder noch besser: das smarte Auto das für uns übernimmt, wird sie Teil
eines intelligenten Automatismus.« Die In­
frastruktur spiele immer eine entscheidende
Rolle, so Matsuda weiter. »Allerdings müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass sie
mit den Entwicklungen im Softwarebereich
bei Weitem nicht mithalten kann.«
Henne, Ei und Innovationszyklen
In der Frage der vernetzten Mobilität prallen zwei Welten mit unterschiedlicher
Geschwindigkeit aufeinander. In den vergangenen 40 Jahren verdoppelte sich die
Rechenleistung von Prozessoren etwa alle
18 Monate. Die Entwicklungszeit für ein
neues Automobil dagegen liegt bei drei bis
vier Jahren.
Anders ausgedrückt: Sobald ein smartes Auto über eine schlaue Straße rollt,
sind Fahrzeug wie Infrastruktur technisch
bereits überholt. Diese Differenz zwischen
dem aktuell Möglichen und dem aktuell
Verfügbaren gibt es aber schon immer. Das
ist bei herkömmlichen Autos so und auch
bei Smartphones. Facelifts von Modellreihen und Software-Updates in immer kürzeTÜV SÜD Journal 9
Titelstory
Drei Bücher, ein Thema:
Lesenswertes über
die Mobilität von morgen
»Die Technologien
für autonomes Fahren und intelligente Straßen haben
wir schon heute, sie müssen nur noch integriert werden.« –
Herbert Zimmermann, ZVEI
The Car in 2035: Mobility
Planning for the Near Future
Designer, Ingenieure und Analysten blicken in
dem von Kati Rubinyi herausgegebenen Buch in
die Zukunft des Straßenverkehrs. Actar Verlag,
288 Seiten
The Second Machine Age
Die Autoren Erik Brynjolfsson und Andrew
McAfee betten das Phänomen des autonomen
Fahrens ein in das Zeitalter der digitalen
Revolution. Norton & Company, 306 Seiten
Self-Driving Cars: The Next
Revolution Die Studie von KPMG
beleuchtet die Marktchancen selbstfahrender
Autos für Industrie und Handel. Kostenlos
zum Download auf der Internetseite des
Beratungsunternehmens, 36 Seiten
10 TÜV SÜD Journal
ren Abständen täuschen darüber hinweg. Den
Fortschritt haben unterschiedliche Innovationszyklen allerdings noch nie verhindert.
Eher kann das Henne-Ei-Problem die Entwicklungen rund um die intelligente Straße
behindern: Der eine belauert den anderen und
wartet darauf, dass er den ersten Schritt macht.
So wünschen sich Automobilhersteller vom
Staat den Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur für die Car-to-X-Kommunikation.
Mit der Serienproduktion von intelligenten
Fahrzeugen würden sie viel lieber beginnen,
wenn sie bereits flächendeckend Sender und
Empfänger am Straßenrand vorfänden, wenn
es schon fernsteuerbare Signalanlagen gäbe
und Verkehrsleitzentralen mit Rechenzentren,
die den von den Fahrzeugen gesammelten Datenwust bewältigen können. Und von Staatsseite wiederum ist häufig zu hören, es gebe noch
zu wenig intelligente Autos. Da lohne es sich
nicht, in eine neue Infrastruktur zu investieren.
Wer bezahlt für mehr Sicherheit?
Wer also macht die Infrastrukturen intelligent
und damit die Straße schlau? Wer soll das bezahlen? Natürlich wären selbstleuchtende Mittelstreifen, Photovoltaikasphalt, Sensoren in
den Straßen oder intelligente Ampeln in letzter
Konsequenz ein Plus an Komfort und Sicherheit. Und auch der Industrie wird niemand absprechen wollen, dass sie die Vorteile und das
Marktpotenzial intelligenter Infrastrukturen
erkannt hat. »Nun müssen wir die Kommunen
überzeugen, ihre Ampeln auf schlau umzurüsten«, sagt Herbert Zimmermann vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. ZVEI. Doch die notorisch klammen
Städte und Gemeinden würden sich schwertun,
solche Aufwände allein zu stemmen. Und fordern ihrerseits von den Herstellern funktionierende und erschwingliche Produkte.
Auf der einen Seite, so Zimmermann, gebe
es ein Hochgeschwindigkeitsrennen um die
Poleposition beim automatischen Automobil. Auf der anderen Seite ein Schneckenrennen, wenn es darum geht, dass das Auto mit
der Infrastruktur kommunizieren soll. Das
macht Feldversuche wie simTD vielleicht zu
eindrucksvollen Testballons, die allerdings
noch Zeit brauchen, bis sie tatsächlich in
der Alltagsmobilität gelandet sind. »In
der breiten Anwendung wird es Car-to-XKommunikation frühestens 2030 geben«,
glaubt Christian Rauch vom Frankfurter
Zukunftsinstitut (siehe auch »Standpunkte«
auf Seite 12).
o
Darf’s eine Lage mehr sein?
Bis dahin zückt der Mensch sein Smart­phone
und nutzt so intuitiv und selbstverständlich
Apps wie »Google Maps«, um schnellstmöglich von A nach B zu kommen – ganz unabhängig von im Asphalt verbauten Sensoren
oder intelligenten Ampeln. »In der Tat: Das
Gros an Technik und an Algorithmen findet
heute schon auf einer übergeordneten Ebene, nämlich in der Cloud, statt«, so Christian Rauch. Trotzdem: Am Ende der Reise
wartet eine intuitive Mobilität, in der die
Verkehrsträger, die heute noch vielfach in
Konkurrenz zueinander stehen, stärker ineinandergreifen. Eine Mobilität 4.0, die so
vernetzt ist, dass sie sich quasi selbst steuert
und, so Rauch, zu einer »Managed Mobility«
wird. Die intelligente Straße wird darin eine
so große oder so kleine Rolle spielen wie jeder andere Verkehrsträger auch.
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/automotive
Titelstory
Vision Zero: keine
Unfälle und keine
Verkehrstoten mehr
Ein Spurhalte- und ein Spurwechselassistent, eine Abstands- und Geschwindigkeitsregelung – die Fahrerassistenzsysteme in Autos werden immer
zahlreicher und immer intelligenter.
Wenn das vollautomatisierte Fahren
kommt, gehört dann der lenkende
Mensch ebenso der Vergangenheit an
wie die jährliche Unfallstatistik? Nein,
sagt Prof. Dr. Frank Köster, der am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) die Abteilung Automotive leitet
und an intelligenten Transportsystemen
forscht. »Automatisiertes Fahren heißt
nicht, dass nie mehr ein Unfall passiert,
auch in Zukunft werden Objekte unerwartet vor dem Auto auftauchen und
eine Kollision unvermeidbar machen.«
Viel wichtiger sei es, den Sicherheitsgewinn der Systeme zu verdeutlichen
und damit ihre gesellschaftliche Akzeptanz nach und nach zu erhöhen: »Denn
wie in der Luftfahrt darf eine neue
Technologie natürlich keinen Qualitätsverlust mit sich bringen.«
Und ähnlich wie in der Luftfahrt
wird auch das unfallfreiere Fahren – die
Europäische Kommission peilt für ihre
»Vision Zero« das Jahr 2050 an – nicht
von heute auf morgen Realität. »Vielmehr
findet ein fließender Übergang vom teilautomatisierten zum vollautomatisierten
Fahren statt«, erläutert Dr. Lothar Wech,
zuständig für Mobility Services & New
Technologies bei der TÜV SÜD Auto
Service GmbH: »Der Endverbraucher wird
gar nicht bemerken, dass die Systeme
über immer längere Zeit und in immer
mehr Anwendungsbereichen automatisch
funktionieren.« TÜV SÜD begleitet diesen
Prozess und unterstützt dabei Hersteller
wie System­entwickler. »Wir arbeiten sowohl an der Erstellung von Sicherheitskonzepten als auch an deren Umsetzung
und geben Versuchsträger frei für die Erprobung im öffentlichen Straßenverkehr«,
ergänzt Udo Steininger, verantwortlich für
Fahrerassistenz und automatisiertes Fahren bei TÜV SÜD Auto Service.
Von den Straßen der Zukunft verspricht sich die Bjarke Ingels Group
Tag und Nacht mehr Sicherheit und
weniger Staus durch eine intelligente
Verkehrsführung.
TÜV SÜD Journal 11
Standpunkte
I
ns Auto setzen, auf der
smarten Straße von
München nach Berlin
fahren und dabei arbeiten
– natürlich wäre das komfortabel und zeitsparend.
Was man dabei in der Vergangenheit gerne
vergessen hat: Der Mensch gibt ungern die
Kontrolle ab. Doch mittlerweile hat sich die
Erkenntnis durchgesetzt, dass eine intelligente und eigenständig handelnde Technik
im Fahrzeug mehr Sicherheit verspricht. Das
fängt ja bereits bei ABS und ESP an – inzwischen Alltagsanwendungen, bei denen in
Gefahrensituationen die Maschine eingreift
und besser als der Mensch reagieren kann.
Auch die intelligente Straße ist kein
Selbstzweck, sie kann nur Sinn machen,
wenn sie mit dem Auto – ob teilweise oder
komplett automatisiert – gekoppelt ist. Mehr
noch: Erst die Vernetzung der gesamten Infrastruktur mit allen Verkehrsteilnehmern
macht dann nicht nur die Autos, sondern
auch die Straßen smart.
Dazu muss viel nachgerüstet werden, in
Ampeln, Leitplanken, im Asphalt. Das ist
teuer und erfordert ein Umdenken: Die Automobilindustrie wird dazu viel stärker mit der
öffentlichen Hand, mit Netzbetreibern, mit
Energieunternehmen kooperieren müssen. Allein das selbstfahrende Fahrzeug zur Marktreife zu entwickeln und dann auf die klassische,
›analoge‹ Straße zu bringen ist sinnlos. Erst in
der Kooperation wird eine Grundlage für eine
erfolgreiche ›Managed Mobility‹ gelegt. In der
bekommt dann auch die Freude am Fahren
eine ganz andere Bedeutung: Es geht nicht
mehr um Maximalgeschwindigkeiten, sondern darum, wie wir mit wem und wie lange
auf der intelligenten Straße fahren.«
»Das selbstfahrende
Auto auf die analoge Straße
zu bringen ist sinnlos.«
STANDChristian Rauch,
Mitglied der Geschäftsleitung des Frankfurter Think Tanks Zukunftsinstitut
FAHR PLAN
Die Roadmap zur autonomen Mobilität
12 TÜV SÜD Journal
Standpunkte
S
»Manchmal muss ein
Einzelfahrzeug Vorrang
vor der Flotte haben.«
PUNKTE
Paolo Santi,
Projektleiter »Ambient Mobility« am Massachusetts Institute of Technology (MIT)
marte Straßen, smarte Autos, smarte Mobilität: Damit werden
sich vor allem in der Stadt die
Mobilitätsmuster von Grund
auf ändern müssen. Denn
private Autos, Taxis, Busse, U-Bahnen formen bislang nicht mehr als ein suboptimales Set an klar voneinander getrennten und
halbherzig miteinander gekoppelten Transportoptionen. Will eine neue Mobilität, eine
›Ambient Mobility‹, Individual- und Massenverkehre effizient organisieren, müssen
dafür Technologien wie autonomes Fahren,
neue Antriebskonzepte, Sharing-Lösungen
oder Augmented Reality mit bestehenden
und künftigen Stadtsystemen interagieren
können.
Das fängt schon bei klassischen Ampelkreuzungen an, die ein extrem ineffizientes
Konstrukt sind, weil sie nur nach einem
sehr groben Muster arbeiten können: Den
Zugang zur Kreuzung bekommt immer nur
die ganze Fahrspur, und das immer nur in
eine Richtung, egal wie viele oder wie wenig
Fahrzeuge sich darauf bewegen. Punkt.
Das ist gelernt, wir denken aber dennoch
in Lösungen, die dem einzelnen Fahrzeug
statt einer ganzen Flotte Vorrang geben,
aktuell in unserem Projekt ›City Drive‹.
Letztlich ein zentrales Verkehrsmanagementsystem für Kreuzungen, das auf die
Bewegungsmuster selbstfahrender Autos in
Echtzeit zurückgreift und so dem einzelnen
Fahrzeug individuelle ›Ampelslots‹ zuweisen
kann. Das sehr grobe Muster wird so extrem
verfeinert – für den Fahrer oder die Passagiere eines selbstfahrenden Autos heißt das:
ein reibungsloses Reisen mit deutlich verringerter Reisezeit.«
Noch ist es ein gutes Stück Weg bis zum autonomen Fahren samt mitdenkender Infrastruktur.
Denn für eine vernetzte, reibungslose Mobilität braucht es ein vernetztes Miteinander aller Akteure –
von der Privatwirtschaft bis zur Politik.
TÜV SÜD Journal 13
5 Minuten
Risiken und Kosten von
Immobilien-Portfolios minimieren
Enge Vernetzung im Bereich
IT-Sicherheit
MAN-Trucks aus 21 Ländern
unter der Lupe
Wer größere Immobilien-Portfolios hält, muss Daten zu
technischen Anlagen wie Aufzügen, Klimaanlagen oder zum
Brandschutz in einer besonders zuverlässigen Struktur organisieren. TÜV SÜD präsentiert dafür mit dem Objektbrief
TGA eine webbasierte Erfassungssystematik, mit der unter
anderem Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit der Anlagen
im Betrieb verbessert werden.
TÜV SÜD ist seit diesem Herbst Mitglied im Bundesverband IT-Sicherheit e.V. (TeleTrusT) und stärkt seine Vernetzung rund um digitale Services. TÜV SÜD bietet unter
anderem Dienstleistungen zur funktionalen Sicherheit,
Zuverlässigkeit und Interoperabilität von technischen
Systemen sowie IT-Sicherheit, Zustandsüberwachung und
Echtzeit-Analysen für Industrieanlagen an.
TÜV SÜD begleitet ab 2015 den gesamten Rücklauf von MANFahrzeugen aus Buy-back-Verträgen, Leasing-Rückgaben und
in Zahlung gegebenen Lkw und Bussen. Ein entsprechender Servicevertrag umfasst die Rückgabeabwicklung aller
Fahrzeuge in 21 Ländern. Der Ablauf ist dabei international
standardisiert. Dies gewährleistet eine hohe Transparenz und
Effizienz.
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Zertifizierte Informationssicherheit
Informationssicherheit – beispielsweise
von Kundendaten oder eigenem Know-how
– nimmt in vielen Unternehmen einen hohen
Stellenwert ein. Entsprechende Managementsysteme unterstützen die Verantwortlichen dabei, ihre Prozesse sicher zu gestalten
– wie bei der Krones AG. Der Hersteller für
Abfüll- und Verpackungsanlagen wurde von
TÜV SÜD nach ISO 27001, der weltweit anerkannten Norm für das Information Security
Management, zertifiziert. Krones hat damit
nachgewiesen, dass sie über ein umfassendes
Sicherheitskonzept verfügt, das von der Sensibilisierung der Mitarbeiter und Lieferanten
über den Zugangsschutz des Betriebsgeländes bis hin zu komplexen IT-Security-Architekturen zum Zwecke des Datenschutzes reicht.
TÜV SÜD bietet zahlreiche Dienstleistungen
zum Thema an: So testet die TÜV SÜD Sec-IT
GmbH im Kundenauftrag die IT-Sicherheit von
Unternehmen auf mögliche Schwachstellen.
[email protected]
14 TÜV SÜD Journal
5
Zertifikat für Stromspeichersysteme
Wie kann Strom aus Sonne oder Wind gespeichert werden, damit
auch in der Nacht und bei Flaute genug Energie zur Verfügung steht (siehe
TÜV SÜD Journal 3/2014)? Eine Lösung sind stationäre Batteriespeicher. Für
diese Systeme hat TÜV SÜD nun ein neues Zertifikat entwickelt. Das RESS-Zertifikat ermöglicht den
Nachweis der Sicherheit und Leistungsfähigkeit
steht als
solcher Systeme und sorgt für mehr Transparenz
Abkürzung für Renewable in einem schnell wachsenden Markt. Die Zertifizierung erfolgt auf Basis eines umfassenden PrüfproEnergy Storage Systems
gramms, das alle relevanten internationalen Standards berücksichtigt. Unter anderem werden die
mechanischen, elektrischen und softwaretechnischen Speicherdesigns geprüft, Sicherheits- und Umwelttests vorgenommen und die Netzkonformität
bestätigt. Auch die Vollständigkeit und Plausibilität der Produktdokumentation sowie die Kontrolle der Serienproduktion beim Hersteller vor Ort stehen
auf dem Prüfplan. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem verlässlichen
Zusammenspiel der Komponenten im gesamten Speichersystem.
RESS
[email protected]
5 Minuten
Lkw und Busse in Deutschland sehr sicher
Überland- und Linienbusse gehören zu den sichersten Verkehrsmitteln. Das ist
das Ergebnis des 5. Bus-Reports des Verbands der TÜV e.V. (VdTÜV). Demnach
erhalten mehr als 80 Prozent der Busse sofort
die Plakette, knapp zwei Drittel davon ganz ohne
Mängel. Nur 0,1 Prozent der Busse sind verkehrsunsicher. Noch besser sieht es bei den Lkw bis 18
der TÜV-Reporte: die FahrTonnen aus, wie der TÜV-Lkw-Report berichtet:
zeug-Checks aller TÜVVier von fünf Trucks schaffen die HauptunterUnternehmen in Deutschland suchung gleich beim ersten Anlauf – ganz ohne
Mängel! Klarer Sieger zudem: die Sicherheit.
Denn seit 2012 gelten höhere Hürden bei sicherheitsrelevanten Mängeln, während
viele ehemals geringe Mängel weggefallen sind.
Unterstützung für
Offshore-Windparks
DATENBASIS
[email protected]
Minuten
mit TÜV SÜD
Wechsel bei TÜV SÜD-Divisionen
Windenergie wächst: Vor allem im OffshoreBereich, also vor der Küste im Meer, entstehen
derzeit weltweit große Windparks zur Stromerzeugung. TÜV SÜD ist an zahlreichen Projekten
in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent beteiligt: So wurde beim niederländischen
Gemini-Offshore-Windpark jetzt die Bewertung
des Designs der Anlage und die Zertifizierung
von zwei Umspannungsstationen erfolgreich
abgeschlossen. Der Gemini-Windpark liegt in
der Nordsee etwa 85 Kilometer von der Küste
entfernt. Auch beim derzeit größten niederländischen Offshore-Park, dem WestermeerwindProjekt, ist TÜV SÜD mit dabei. Das Tochterunternehmen PMSS berät die Betreiber hier
bereits während der Projektierungsphase. In
den USA ist PMSS im Auftrag der US-Regierung
zudem Teil eines strategischen Projekts, in dem
die künftige Dimensionierung der Kabel von den
Offshore-Anlagen an Land festgelegt wird.
[email protected]
[email protected]
[email protected]
RCI Consultants aus Texas verstärkt TÜV SÜD Gruppe
Die beiden größten Divisionen des TÜV SÜDKonzerns stehen seit Mitte September unter
neuer Leitung: Der bisherige Geschäftsführer
der TÜV SÜD Auto Plus GmbH, Patrick Fruth
(links), übernimmt die Verantwortung für die
Division Auto Service und damit das weltweite Mobilitätsgeschäft von TÜV SÜD. Er folgt
auf Bernhard Kerscher (rechts), der an die
Spitze der Division Industry Service wechselt.
Hier hat TÜV SÜD seine Dienstleistungen für
Hersteller im Industriebereich sowie rund um
Raffinerien und Kraftwerke gebündelt.
[email protected]
Das Unternehmen RCI Consultants aus Houston, Texas, ist seit diesem Sommer
Teil der TÜV SÜD Gruppe. Der Beratungsspezialist für die Öl- und Gasindustrie ermöglicht es dem Konzern, künftig Dienstleistungen im sogenannten Upstream- und
Midstream-Markt anzubieten – also rund um die Förderung, Aufbereitung und den
Ferntransport von Erdöl und Erdgas. Unter anderem ist RCI Consultants mit Dienstleistungen zu Ölplattformen und Unterwasserpipelines (auch in großen Meerestiefen)
tätig. Mit seinen Beratungsleistungen zur Entwicklung, Kon­struktion und Installation
von Förderanlagen sowie Leitungen ergänzt das neue Tochterunternehmen mit seinen
130 Mitarbeitern die Services der TÜV SÜD Gruppe im Rohstoffbereich: Bisher war
das Unternehmen vor allem im Downstream-Bereich rund um das Raffinieren von
Rohöl tätig. In den USA bietet die TÜV SÜD-Tochter TÜV SÜD Chemical, Oil and Gas
Services schwerpunktmäßig zerstörungsfreie Prüfungen von Anlagen und einzelnen
Komponenten sowie Risikoanalysen an.
[email protected]
[email protected]
TÜV SÜD Journal 15
Auf den Punkt
AUF DEN
PU N K T
TRIFFT
#16 ALTE
IEBE
KALTE L
ICHER
#18 SO S
FZÜGE
SIND AU
1
Ratgeber:
Winterspaß im Oldtimer
Historische Autos müssen in der kalten Jahreszeit nicht in der Garage bleiben. Mit
der richtigen Vorbereitung und Pflege steht einer Spritztour selbst bei Schnee und Eis
nichts im Weg.
Zur Flasche greifen
Eiskratzer, Handbesen, Frostschutz für Kühler und
Scheibenwaschanlage sowie wintertaugliche
Bereifung gehören bei alten wie neuen Autos zum
Standard im Winter. Bei Oldies zusätzlich an Türschlossenteiser denken! Das Flüssigkeitsfläschchen gerät in Zeiten von Zentralverriegelung und
Fernbedienungen gerne in Vergessenheit.
2
Eine Abreibung verpassen
Damit die alten Gummidichtungen an den
Türen nicht festfrieren, ist es ratsam, sie bei
trockenem Wetter mit Talkum oder einem
speziellen Pflegemittel großzügig einzureiben.
3 Schmierige
Selbst Ro
Angelegenheit
Triumph TR
6
Während moderne Motoren mit sogenanntem Mehrbereichsöl fahren, das bei
jeder Temperatur die gleiche Viskosität
hat, brauchen Old­timer-Motoren je ein
spezielles Sommer- und Winteröl. Beim
Wechsel auf die genaue Bezeichnung
in der Betriebsanleitung achten. Und
Vorsicht vor synthetischen Ölen. Sie
können Dichtungen schädigen.
4
SAUBERE SACHE
Bei Autos gilt die Faustregel: Je älter der Wagen, desto
anfälliger ist er für Rost. Streusalz und selbst dessen Reste
auf der trockenen Straße können der Karosserie zusetzen.
Daher ist eine gründliche und regelmäßige Wagenwäsche
inklusive Unterbodenreinigung ratsam. Am besten in die
Waschanlage fahren. Deren Trockenfunktion vermindert
die Gefahr, dass sicherheitsrelevante Teile wie die Handbremse festfrieren.
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/oldtimer
16 TÜV SÜD Journal
5
adster wie
sind winte
dieser
rtauglich.
Ständig unter Strom
In vielen Oldtimern sind noch Lichtmaschinen mit Gleichstromtechnik verbaut. Diese
laden die Batterie nicht so intensiv wie
moderne Generatoren. Deshalb alle ein bis
zwei Monate ein Ladegerät anklemmen, am
besten eines mit Erhaltungsladefunktion.
Vor Ort
Rolf Göbel, 53, in der sogenannten
Konditionierhalle des TÜV SÜDAbgaslabors in Heimsheim. Hier gibt
es Platz, Werkzeug und Hebebühnen,
um 30 Fahrzeuge für Emissions- und
Verbrauchsprüfungen vorzubereiten.
Menschen:
Das Maß
des Spritsparens
R
olf Göbel kümmert sich um
eine bessere Luft. Kohlen­
dioxid, Stickoxide, Feinstaub
– das Augenmerk des studier­
ten Maschinenbautechnikers liegt darauf,
diese gesundheitsgefährdenden und kli­
maschädlichen Substanzen zu reduzieren.
Im TÜV SÜD-Abgaslabor in Heimsheim
bei Stuttgart wird ihr Anteil an den Emis­
sionen von Fahrzeugen aufs Mikrogramm
genau gemessen. »Automobil- und Moto­
renhersteller nutzen die Untersuchungen
ebenso wie Zulieferer und Nachrüster, um
ihre Produkte auf Umweltfreundlichkeit
hin zu optimieren beziehungsweise um
vor einer unabhängigen Prüf­instanz den
Nachweis zu erbringen, dass sie bestimmte
Normen erfüllen«, erklärt Göbel. Sogar für
Zertifizierungen nach japanischen und USamerikanischen Vorschriften ist das Labor
zugelassen.
Rund 4.500 Abgas- und Kraftstoff­
verbrauchsmessungen koordiniert Gö­
bel jährlich dort. Bei Bedarf werden sie
auch im Schichtbetrieb rund um die Uhr
durchgeführt. Auf einer Fläche von 1.800
Quadratmetern stehen die modernsten
Möglichkeiten dafür zur Verfügung: So
können computergesteuerte Rollenprüf­
stände Fahrsituationen wirklichkeitsgetreu
simulieren, von der Kurven- bis zur Bergund Talfahrt. Eine hermetisch abgeriegel­
te sogenannte Shed-Kammer erlaubt es,
Verdunstungsemissionen etwa von Bremsoder Gummiteilen zu messen, die bei warm­gefahrenen Fahrzeugen entstehen. Und in
einer Klimakammer mit Rollenprüfstand
lässt sich testen, wie viel Benzin, Diesel
oder Autogas ein Fahrzeug je nach Außen­
temperatur verbraucht. Bis auf minus 18
Grad Celsius wird sie heruntergekühlt.
»In dieser Klimakammer führen wir
übrigens auch Reichweitenermittlungen
für Elektrofahrzeuge durch«, sagt Göbel.
»Auch das ist eine Dienstleistung, auf die
wir hier in Heimsheim spezialisiert sind.
Damit ergänzen wir perfekt das Abgas­
labornetzwerk von TÜV SÜD mit weiteren
Anlagen im hessischen Pfungstadt und im
tschechischen Roztoky bei Prag.«
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/automotive/abgas
TÜV SÜD Journal 17
Auf den Punkt
HO
HINA
Aufzüge ersparen uns nicht nur seit mehr als 150
Großstädten verändert. Hochhäuser wären undenkbar
Stock. Doch wie funktioniert ein Fahrstuhl
18 TÜV SÜD Journal
Auf den Punkt
CH
AUS
Jahren das Treppensteigen, sie haben auch das Bild von
ohne sie. Schnell und sicher bringen sie uns bis in den letzten
eigentlich? Und was macht ihn so sicher?
TÜV SÜD Journal 19
Auf
Nieder
und
#1
Auf Knopfdruck
Ein Elektromotor setzt die
Treibscheibe in Bewegung, über
die mehrere Tragseile laufen, an
denen die Kabine hängt. Sensoren
sorgen dafür, dass sie exakt und
sanft im gewünschten Stock
hält.
#2
Gute Führung
Damit die Kabine nicht wackelt, geben ihr Führungsschienen
Halt – ebenso dem Gegengewicht, das
am anderen Ende der Tragseile befestigt
ist. Es ist meist etwa halb so schwer wie
die Kabine, erleichtert so den Antrieb
und bewegt sich entgegen der
Fahrtrichtung.
#3
Sparpotenzial
Mit 18 TWh verbrauchen die
rund 4,8 Millionen Aufzüge, die
in Europa im Einsatz sind, jährlich in
etwa so viel Strom wie der deutsche
Schienenverkehr. Beim Einsatz neuer
Technologien könnte mehr als die
Hälfte der Energie eingespart
werden, so das FraunhoferInstitut ISI.
#4
Parallel unterwegs
Aufzüge, bei denen zwei
übereinanderliegende Kabinen in
einem Schacht fahren, erhöhen die
Kapazität. Fahren die beiden Aufzugskabinen unabhängig voneinander im
Schacht, setzt dies ein sicherheitstechnisch sehr anspruchsvolles
Konzept voraus.
B
equemlichkeit ist ein königliches Gefühl, das sich
tatsächlich lange nur der Adel und das reiche
Bürgertum leisten konnte – Frankreichs König
Ludwig XV. zum Beispiel. Er empfand es schlichtweg als unwürdig, sich zu Fuß zwischen seinen Gemächern
im Erdgeschoss und im ersten Stock seines Schlosses hin und
her zu bewegen. Also beauftragte er Konstrukteure, ihm einen
»fliegenden Sessel« zu bauen. Heraus kam ein Thron am Seil,
umgelenkt über eine Rolle und gezogen von mehreren Dienern. Der Aufzug fürs Volk ließ noch eine Weile auf sich warten. Die Urform davon präsentierte Elisha Graves Otis 1853
in New York. Er war Erfinder der Fangvorrichtung und zudem
Showtalent: Auf einer Aufzugsplattform stehend, ließ er von
seinem Assistenten das einzige Tragseil kappen. Und siehe da
– die Fangvorrichtung verhinderte den Absturz der Plattform.
Heute ist der Aufzug das sicherste Transportmittel überhaupt. Zu verdanken ist dies regelmäßigen Wartungen und
strengen, jährlich wiederkehrenden Prüfungen durch zugelassene Überwachungsstellen wie TÜV SÜD. Der jedes Jahr vom
Verband der TÜV e.V. herausgegebene AnlagensicherheitsReport weist knapp eine halbe Million Prüfungen pro Jahr
durch die deutschen zugelassenen Überwachungsstellen
(zum Beispiel TÜV SÜD) aus. Obwohl bei mehr als der Hälfte
der geprüften Aufzüge Mängel festgestellt wurden, passieren
kaum Unfälle an diesen Anlagen. Ein Indiz dafür, dass diese
unabhängigen Prüfungen erfolgreich sind und schlimmeres
verhindern.
#5
Gipfelstürmer
Der schnellste Aufzug der
Welt entsteht gerade im südchinesischen Guangzhou. Seine Höchstgeschwindigkeit beträgt 72 km/h. Um
vom Erdgeschoss in den obersten
Stock des 530 Meter hohen Chow
Tai Fook Centres zu fahren, soll
er nur eine halbe Minu­te
brauchen.
Mehr Infos zum Thema:
www.tuev-sued.de/aufzuege_und_fahrtreppen
#6
Nummer sicher
Selbst wenn alle Tragseile
gleichzeitig reißen, verhindert eine
mechanisch wirkende Fangvorrichtungen den Absturz des Fahrkorbes.
Metallrollen oder Fangzangen werden
in die Führungsschienen gepresst
und fangen die Aufzugskabine
binnen Bruchteilen von
Sekunden ab.
#7
Doppelter Boden
Selbst wenn die mechanische
Bremse einmal versagen sollte,
sorgen Puffer dafür, dass der Fahrkorb
nicht ungebremst in der Schachtgrube
aufschlägt. Im Notfall können die Passagiere über ein Notrufsystem Kontakt mit
einer Notrufzentrale aufnehmen.
#8
Torschlusspanik
Keine Angst: Insbesondere
bei neueren Aufzügen verhindern
Sensoren und Lichtschranken, dass
die Fahrkorb- und Schachttüren
Personen einklemmen oder verletzen
und sich der Aufzug nicht unbeabsichtigt in Bewegung
setzt.
Auf die Probe
AUF DIE
PR O B E
SIND
#20 WAS
ERT?
DINGE W
HILFT
#24 WAS
TEIS?
BEI GLAT
DAS WILL ICH
HABEN!
20 TÜV SÜD Journal
Auf die Probe
Juwelen, ein Sportwagen oder handgefertigte Schuhe sind für
viele Menschen Objekte der Begierde. Im Interview erklärt Kreativund Innovationsberater Mario Pricken, was Produkten und Dienstleistungen die Aura des Wertvollen verleiht.
»Die Aura des Wertvollen« heißt
Ihr aktuelles Buch. Beruht denn
der Wert von Besitztümern wirklich mehr auf einer geheimnisvollen
Ausstrahlung als auf harten Fakten?
Dinge und auch Dienstleistungen haben
ausschließlich den Wert, den wir ihnen geben. Anders ausgedrückt: Ob etwas wertvoll ist, liegt im Auge des Betrachters. Der
Marktwert eines Produktes hängt von der
Bereitschaft der Menschen ab, den geforderten Preis zu zahlen. Bei einem Ladenhüter spielt es kaum noch eine Rolle, wie viele
Jahre in die Entwicklung investiert wurden.
Der subjektiv wahrgenommene Wert steht
in keinem Zusammenhang mehr zu den investierten Ressourcen.
Und welche Rolle spielen ganz objektive Eigenschaften wie Nützlichkeit und Funktionalität?
Obwohl sie grundsätzlich sicher wichtig
sind, sind sie häufig losgelöst von persönlichen Werteinschätzungen. Denken Sie zum
Beispiel an Diamanten: Wollen Sie als Privatmann oder -frau nicht gerade gehärteten
Stahl durchtrennen, ist ihr Nutzwert gering, ihr Marktwert dagegen enorm hoch.
Der hohe Wert solcher Objekte ergibt sich
interessanterweise überwiegend dadurch,
dass sie keinen funktionalen Nutzen bieten, aber einen gewissen Nutzen stiften.
Sie verschaffen ihrer Besitzerin oder ihrem
Besitzer Status, sorgen für Prestige, erfüllen
ästhetische Ansprüche oder sogar Träume.
All das ermöglichen jene bedeutungsvollen
Codes, die das Objekt in sich trägt und in
Form einer schwer greifbaren Aura auf uns
abstrahlt.
Was sind das für Codes, die Dinge
wertvoll machen?
Ich habe mehr als 300 Objekte untersucht
und bin dabei auf insgesamt 80 unterschiedliche Parameter gestoßen, die es
schaffen, Objekte zum Strahlen zu bringen.
Das sind im Wesentlichen Faktoren, die mit
der Entstehung zu tun haben, mit der Verfügbarkeit oder mit Zeit. Und alle wertvollen Produkte haben eine Gemeinsamkeit:
Sie besitzen eine einzigartige, faszinierende
Biografie.
Geben Sie uns bitte ein Beispiel für
eine solche Biografie.
Das sind meist Geschichten, die uns in
den Bann ziehen und die wir gerne weiter­
erzählen. Zum Beispiel macht nicht allein
das Alter einen Oldtimer zu einem heiß
begehrten Sammlerstück, sondern seine
MEHR ZUM THEMA
IN UNSERER MAGAZIN-APP
Nicht nur Edelsteine, auch Unternehmen und Dienstleistungen
können wertvoll sein, sagt Mario
Pricken. Wertsteigernde Faktoren
sind zum Beispiel Expertise oder
Qualitätsversprechen. Bei Unternehmen wie TÜV SÜD kommt eine
spannende Unternehmensgeschichte dazu, durch die solche Werte erst
glaubwürdig werden (siehe Seite 32).
TÜV SÜD Journal 21
Auf die Probe
»Produkte und Dienstleistungen sind
WERTVOLL,
Gitarren gibt es in jedem Musikgeschäft, allerdings keine,
auf der schon Eric Clapton
gespielt hat. Insbesondere die
Biografie eines Gegenstandes
macht ihn einzigartig und
wertvoll.
wenn sie einzigartig sind.« – Mario Pricken
Lebensgeschichte: War er vielleicht ein Sondermodell, hat er an einem legendären Rennen teilgenommen oder kam erstmals eine
bahnbrechende Technologie zum Einsatz?
Die Summe solcher Parameter verknüpft
sich zu einer Biografie, die das Produkt mit
der Ausstrahlung des Besonderen auflädt.
Wie kann eine solche Biografie bei
einer Dienstleistung aussehen?
Im Zusammenhang mit Dienstleistungen
sind Reputation, Rekorde und Auszeichnungen wichtige Größen. Nehmen wir mal
an, renommierte und unabhängige Forschungsinstitutionen arbeiten mit einem
Dienstleistungsunternehmen zusammen.
Dann passiert Folgendes: Der gute Ruf der
Wissenschaftler strahlt ab auf die Werthaftigkeit der Dienstleistung. Auch das anbietende Unternehmen steigt in den Augen
der Kunden im Wert, weil es durch diese
Zusammenarbeit eine weitererzählbare
Geschichte bekommt und einzigartig wird.
Einzigartigkeit ist also das große
Thema. Aber oft hält sie nicht lange. Gerade erfolgreiche, wertvolle
Produkte werden oft kopiert.
Stimmt, Produktpiraterie kostet Unternehmen weltweit rund 60 Milliarden Dollar
pro Jahr. Es gibt nur zwei Strategien, ihr zu
entfliehen. Die eine ist es, die Innovationszyklen und damit die Zeit der Kopierbarkeit zu verkürzen. Bei der anderen heißt es,
sich vom Massenmarkt zu verabschieden.
Nur so kann John Rishton, der CEO von
Rolls-Royce, sagen: »Unsere Konkurrenz
sind nicht andere Automarken, wir konkurrieren lediglich mit Privatjets, Yachten
oder teurem Schmuck.«
Mario Pricken
Gemeinsam
mit der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelte der
1967 geborene
Ös t er r eicher
neue Innovationsprozesse für Forscher und Ingenieure. Er unterrichtet an der Universität
für angewandte Kunst in Wien und berät internationale Unternehmen. 2001
schrieb er den Bestseller »Kribbeln im
Kopf«, eine Anleitung zum Kreativsein,
die in sieben Sprachen erscheint.
2014 kam sein aktuelles Buch auf den
Markt: »Die Aura des Wertvollen«.
Mehr darüber, was TÜV SÜD wertvoll macht, unter:
www.tuev-sued.de/warum-tuev-sued
Nicht nur Alter, Seltenheit und Erhaltungszustand entscheiden über den Wert
eines Oldtimers. Auch Rennerfolge sind
ein Kriterium.
22 TÜV SÜD Journal
Akademie | Termine
Bildungs-Tipps
TÜV SÜD Akademie
01/02/03
KALENDER
Auf folgenden Messen, Kongressen und Veranstaltungen können
Sie TÜV SÜD live erleben. Unsere Expertenteams freuen sich
auf Ihren Besuch.
Mehr Infos zu den Terminen:
www.tuev-sued.de/konzernevents
JANUAR
Besser lernen
in 7 Schritten
In vielen Unternehmen wird die Weiterbildung häufig noch spontan bei Bedarf ausgesucht
und vom Mitarbeiter selbst gebucht. Mit langfristiger Planung, strategischer Ausrichtung
und kontinuierlicher Begleitung der Mitarbeiter können die Unternehmen ihre wichtigen
Investitionen in das Know-how der Mitarbeiter aber noch besser anlegen.
Folgende sieben Schritte garantieren eine erfolgreiche Grundausrichtung der betrieblichen Bildung:
1.
Strategie festlegen: Wie soll sich Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren entwickeln? Welche Kompetenzen werden dafür bei den Mitarbeitern benötigt? Setzen Sie
übergreifende Bildungsziele als Leitlinien fest.
TÜV SÜD Neujahrsempfang, München, 22.01.2015
Weitere Empfänge mit Expertenvorträgen in Leipzig und Mannheim
AHR Expo, Chicago, 26.–29.01.2015
2.000 Aussteller präsentieren Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik.
2.
Bedarf abfragen: Bringen Sie in den Mitarbeitergesprächen Unternehmens­
perspektiven und Mitarbeiterwünsche zur Weiterbildung zusammen. Legen Sie konkrete
Weiterbildungsziele für jeden Einzelnen fest.
FEBRUAR
3.
Themen clustern: Fassen Sie alle gemeldeten Vorschläge und Lernziele zusammen.
Sortieren Sie nach Inhalten und Bereichen.
E-world, Essen, 10.–12.02.2015
Die Leitmesse für Energie- und Wasserwirtschaft
4.
Zielgruppen definieren: Welche Zielgruppen können Sie in den einzelnen Themenbereichen unterscheiden (zum Beispiel Azubis, erfahrene Mitarbeiter, Führungskräf-
MÄRZ
mipim, Cannes, 10.–13.03.2015
Immobilienmesse mit Fachkongress zu Digitalisierungsthemen
IMPRESSUM
Herausgeber: TÜV SÜD AG, Westendstraße 199, 80686 München
Inhaber: TÜV SÜD e.V. (74,9 %), TÜV SÜD Stiftung (25,1 %), Westendstraße 199, 80686 München
Leiter Unternehmenskommunikation: Matthias Andreesen Viegas
Projektleitung & Chefredakteur: Jörg Riedle
Kontakt: +49 (0)89 5791-0, [email protected]
Realisation: Medienfabrik Gütersloh GmbH, Neumarkter Straße 63, 81673 München
Druck: Eberl Print GmbH, Kirchplatz 6, 87509 Immenstadt
Fotonachweis: Continental (1), Corbis (12, 13, 15, 20, 22, 36), fotolia (18, 19, 21, 22, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 36 ),
Kone GmbH (Aufklapper), TÜV SÜD (2, 4, 5, 14, 15, 16, 17, 24, 25, 31, 32, 33 ), www.audi-urban-future.com (3, 6, 7,
8, 9, 11) Illustration: LULU* (34, 35)
Das TÜV SÜD Journal erscheint vierteljährlich. Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich
geschützt. Das TÜV SÜD Journal wird klimaneutral auf einem Papier aus nachhaltiger Holzwirtschaft gedruckt.
te)? Welche besonderen Anforderungen oder Erwartungen stellen diese jeweils an die
Lernmaßnahme?
5.
Methoden entwickeln: Entwerfen Sie jeweils passende Lernmethoden (zum
Beispiel E-Learning, Seminare, Praxisworkshops oder Mentoringprogramme) und führen
Sie diese durch – inhouse oder gemeinsam mit einem erfahrenen Bildungsanbieter oder
Trainer.
6.
Praxistransfer nutzen: Unterstützen Sie die Mitarbeiter aktiv beim Umsetzen des
Gelernten (zum Beispiel mit Praxiscoachings, Lerntandems, Umsetzungsleitfäden oder
einem Transfertagebuch) und schaffen Sie die passenden Rahmenbedingungen. Geben
Sie den Mitarbeitern auch Zeit, Neues auszuprobieren und umzusetzen.
7.
Ergebnisse kontrollieren: Verschaffen Sie sich einen Überblick, welche Bildungsaktivitäten im vergangenen Jahr gelaufen sind. Prüfen Sie, inwieweit die gesetzten Bildungsziele erreicht wurden und an welchen Stellen noch Nachholbedarf besteht. Diese
Ergebnisse sind wichtiger Ausgangspunkt für Ihre nächste Planungsperiode.
Mehr Infos:
www.tuev-sued.de/akademie-de/betriebliches-bildungsmanagement
klimaneutral
natureOffice.com | DE-141-351263
gedruckt
TÜV SÜD Journal 23
Auf die Probe
O
SOLe MIO!
Streusalz schadet der Umwelt: Es dringt
ins Grundwasser ein, greift unter anderem
die Wurzeln der Bäume an. Daher gilt es, so
sparsam wie möglich damit umzugehen. Hier helfen
Fahrzeuge mit modernster Streutechnik. Einige
Straßenmeistereien schwören zudem auf besonders
reines Siedesalz. Es ist teurer als das gängige Steinsalz, aber auch effektiver. Andere setzen auf
Sole. Bei Grenzwetterlagen reicht das Salzwasser oft schon, um überfrierender
Nässe vorzubeugen.
Sand
und Splitt
Diese Mittel erhöhen die Griffigkeit der
Straße, indem sie sich mit der Glätteschicht verzahnen. Für eine gute Wirkung
ist allerdings eine hohe Streudichte nötig.
Bei Trockenheit kann auf stark befahrenen
Straßen Feinstaub entstehen. Deshalb muss
der Salzersatz im Frühjahr entfernt und
aufwendig von Ruß, Öl, Straßenund Reifenabrieb gereinigt
werden.
Streu
GUT!
Schneefall, Minusgrade, gefrierende Nässe: Im Kampf gegen Glatteis setzen die meisten
Straßendienste auf Streusalz. Gibt es Alternativen? Und was taugen sie?
24 TÜV SÜD Journal
Auf die Probe
LErNEN VON
FLUgHÄFEN
HeiSSes
Pflaster
Statt Natriumchlorid kommen hier
Formiat und Azetat zum Einsatz, die
Salze der Ameisen- und Essigsäure.
Ihr Schadpotenzial fürs Grundwasser
ist geringer, ebenso die Rostgefahr,
die von ihnen ausgeht. Nachteil:
ihre energieaufwendige
Herstellung.
Warum streuen, wenn man auch heizen
kann? Helsinki zum Beispiel hält seine Einkaufsmeile Aleksanterinkatu mit Geothermie
schnee- und eisfrei. Tüftler aus den USA nutzen
Solarpanels, die statt Asphalt oder Beton die
Oberfläche von beheizbaren Straßen bilden.
In Regionen ohne genügend Erdwärme
und Wintersonne hat Räumen und der
Einsatz von Salz trotz allem die
bessere Ökobilanz.
GUT GERÄUMT,
HALB ENTEIST?
KlimaWandel
EIS-WEIN
In den 1980ern fand man in
österreichischem Wein das Frostschutzmittel Glykol. Die bayerische
Stadt Augsburg kippte ihn literweise auf
die Straßen. Noch heute werden mit ähnlichen Alkohol- und Etherverbindungen
Flugzeuge enteist. Nachteil: Die Methode schadet wie Salzstreuen
dem Grundwasser.
Schneeräumen allein reicht, damit der Verkehr auf den Straßen fließt. Sicher macht es ihn
allerdings nicht. Nicht nur Eis-, auch Schneeglätte ist gefährlich. Um das Risiko durch Rutschen zu verringen, kommt man am künstlichen
Enteisen nicht vorbei. Vorbeugend zu streuen
bringt allerdings wenig. Wind und Fahrzeug­
reifen befördern einen Großteil des
Salzes von der Straße, bevor es
wirken kann.
Ist künstliches Enteisen überhaupt noch
nötig? Das Helmholtz-Zentrum in Geesthacht
und der Deutsche Wetterdienst haben gemessen, dass sich Deutschland in den vergangenen
60 Jahren durchschnittlich um 1,2 Grad Celsius
erwärmt hat. Doch die Anzahl der Frosttage lässt
sich nicht vorhersagen. Auch nicht in den USA.
Dort kam die Kältewelle im Februar 2014
rund um Chicago derart überraschend,
dass kurzfristig 26.000 Tonnen Salz
importiert werden mussten.
Mehr Infos zum Thema Straßensicherheit:
www.tuev-sued.de/automotive/
passive_sicherheit/strassensicherheit
TÜV SÜD Journal 25
Auf dem Weg
AUF DEM
W EG
RTE
#26 SMA
N
E
FABRIK
AUF
#30 LUST
CH E R
MINT-FÄ
SCHLÜSSEL
ZUM FORTSCHRITT
Das Internet der Dinge, die Vernetzung von Produkt,
Mensch und Maschine, stellt die industrielle Produktion
vor neue Herausforderungen. Partnerschaftlich lassen sich
viele davon leichter meistern. Zu diesem Zweck und um
neue Entwicklungen zu fördern, vernetzt TÜV SÜD junge
hochinnovative Unternehmen mit etablierten Firmen.
Text: Thomas Weber
26 TÜV SÜD Journal
Auf dem Weg
Roboter erleichtern die industrielle
Produktion schon heute. Sie arbeiten
automatisiert. In der Industrie 4.0 ist
dieser Automatismus lernfähig. Er bildet ein vernetztes System mit Mensch
und Maschinen und ändert sich je nach
deren Bedürfnissen.
TÜV SÜD Journal 27
Auf dem Weg
D
ie Lobby der TÜV SÜD-Zentrale in München erinnert an
diesem Tag im September 2014
ein wenig an die »Höhle der
Löwen«. In dem ursprünglich japanischen
Fernsehformat, das in mehr als 20 Ländern
läuft, präsentieren ehrgeizige Tüftler und
Start-ups arrivierten Unternehmern ihre
Produkte und Geschäfts­ideen – einerseits
in der Hoffnung auf ein Investment, andererseits in der Angst, von den »Löwen« mit
beißenden Fragen in der Luft zerrissen zu
werden. Mobile Saunen etwa wurden im
deutschen TV vorgestellt, besonders scharfe
Saucen und reflektierende Gürtel für mehr
Sicherheit im Straßenverkehr.
Bei TÜV SÜD, beim »Smart Factory
Innovation Forum«, gibt es einen Datenhandschuh zu bestaunen; ein Gerät, das es
ermöglicht, Nanopartikel auf den Milli-
onstel Millimeter genau zu platzieren; eine
vollautomatische Montagezelle, in der drei
Roboter in 15 Minuten aus Fertigteilen ein
Elektroauto zusammensetzen; und viele Innovationen mehr, die vielleicht schon bald
die Produktionsprozesse in der Industrie 4.0
prägen werden.
Datensicherheit und -nachschub
Hochkarätige Industrievertreter sind gekommen – vielleicht ist ja die eine entscheidende Innovation für das eigene Unternehmen dabei. Wissenschaftler sind da und
– tatsächlich – auch Investoren, vermeintliche »Löwen«. Wenngleich sie die Start-ups
und die Personen dahinter ausgiebig beschnuppern, zu beißen scheinen sie nicht.
Interessiert geht Dr. Peter F. Hewkin, Chef
des Centre for Business Innovation in Cambridge von Präsentationsstand zu Präsenta-
Big Data, große Datenmengen, sind der
Rohstoff, der den Fortschrittsmotor in der
vernetzten Industrie 4.0 am Laufen halten.
Entsprechend gut gilt es die digitalen Informationen vor Angriffen und Spionage zu
schützen, egal ob in der Cloud oder auf eigenen Servern gespeichert.
28 TÜV SÜD journal
tionsstand, erkundigt sich hier nach ersten
Verkäufen des Datenhandschuhs, dort nach
den geplanten industriellen Einsatzbereichen
von D.A.R.V.I.N, einem Gerät zur abhörsicheren Videokommunikation. »Ein ideales
Start-up ist für ein großes Unternehmen keine Beute«, erklärt er, »sondern ein Partner,
der es ergänzt.« Es gehe darum, gemeinsam
Antworten auf drängende Fragen zu finden:
Wie müssen sich Fabriken wandeln, um
auch im Zeitalter des Internets der Dinge
möglichst produktiv zu sein? Vor welchen
Herausforderungen stehen Unternehmen,
wenn die Vernetzung von Produkt, Mensch
und Maschine enger und enger wird?
In den Vorträgen und Diskussionsrunden der Gemeinschaftsveranstaltung mit der
Technologie-Industrie-Vereinigung Munich
Network und Fraunhofer Venture geht es genau darum. Und ein Wort fällt besonders oft:
Auf dem Weg
»Smarte Fabriken
würde es vermutlich schon jetzt geben. Aber teure, gerade erst neu angeschaffte
Investitionsgüter werden nicht von heute auf morgen ausgetauscht.« – Werner Zengler,
CIO der Knorr-Bremse Group
Datensicherheit. Denn digitale Informationen sind in der heutigen, durch Vernetzung
geprägten vierten industriellen Revolution
das, was die Kohle in den Dampfkesseln der
ersten war: der Rohstoff, der den Fortschrittsmotor am Laufen hält. »Um Daten effektiv vor
Diebstahl und Sabotage zu schützen, muss
das Thema IT-Sicherheit zur Vorstandsangelegenheit werden«, sagt Rainer Seidlitz von
TÜV SÜD Sec-IT. Es könne gar nicht genug
Aufmerksamkeit bekommen, bekräftigt auch
Willem Bulthuis, Vorstandsmitglied von
secunet Security Networks.
Aber nicht nur die Sicherheit von Daten
sei in einem vernetzten, lernenden System
wichtig, sondern auch der Nachschub an
Daten. Deswegen forscht das FraunhoferInstitut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit unter der Leitung von Dr. Dirk
Mayer an einer neuen Form von Sensoren:
»Um ein Produkt über seinen Entstehungsund Lebenszyklus hinweg begleiten zu können, müssen sie robust sein, unabhängig von
externen Stromquellen und dennoch in der
Lage, für lange Zeit Signale zu senden.«
Wann die neuen Technologien in der Indus-
trie ankommen werden? »Etwa in zehn Jahren«, schätzt Werner Zengler, der IT-Chef
von Knorr-Bremse. »Aber dafür gibt es nur
einen Grund: Teure, gerade erst neu angeschaffte Investitionsgüter werden nicht von
heute auf morgen ausgetauscht. Sonst gäbe
es smarte Fabriken vermutlich schon jetzt.«
Mehr Infos:
www.tuev-sued.de/digital-service
IT-Sicherheit in der
Industrie 4.0
Die weitreichende Vernetzung und Digitalisierung
von Prozessen und die große Menge sensibler Daten birgt Gefahren für die IT-Sicherheit und damit
für das gesamte Unternehmen. So schätzte bei
einer Befragung von 200 Mitgliedern des Verbands
Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA)
im Jahr 2013 jedes vierte Unternehmen den Schaden allein durch Know-how-Diebstahl auf mehr als
eine Million Euro je Vorfall. Knapp die Hälfte der
Befragten gab an, Know-how-Schutz sei überlebenswichtig für ihr Unternehmen. Trotzdem plante
nur ein Drittel aller befragten Firmen, mehr Geld in
IT-Sicherheit zu investieren.
Aber wie sicher ist die IT wirklich? Widersteht
die Firewall Angriffen? Antworten auf diese und
weitere Fragen geben Penetrationstests, wie sie
TÜV SÜD anbietet. Sie stellen vernetzte Systeme auf die Probe mit dem Ergebnis, dass danach
feststeht, an welchen Stellen Handlungsbedarf
besteht. Zudem erhöhen IT-Managementsysteme die Sicherheit. Hier unterstützt TÜV SÜD
Unternehmen mit der Zertifizierung der Systeme.
TÜV SÜD journal 29
Auf dem Weg
m1m2
T
F
N
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ZU SENZIMMER
KLAS
Lust auf Naturwissenschaft und Pädagogik
Sechs Tutoren, 27 Schüler, 16 Schulen, ein
Ziel: Lust machen auf Naturwissenschaft und
Pädagogik. Das sind die Eckdaten des Gemeinschaftsprojekts Lehramt MINToring der
TÜV SÜD Stiftung mit der Stiftung der Deutschen Wirtschaft in der Region Heidelberg,
Karlsruhe, Stuttgart. Eine Erfolgsgeschichte,
die nun ausgebaut wird: Weil das Programm
gleich nach dem Start so gut wirkt, startet es
nun auch in Sachsen.
30 TÜV SÜD Journal
2
2
=
Auf dem Weg
2
Lehrer an einer weiterführenden Schule: Für viele
Deutsche ist das ein Traumberuf. Allerdings wollen
die meisten Abiturienten später lieber Sprachen als
Mathematik, Physik, Informatik oder Chemie unterrichten. Die TÜV SÜD Stiftung möchte dies ändern.
Text: Marc Müller
M
indestens fünf Jahre Studium, zwei Jahre zusätzliche Ausbildung als Referendar – und
dann? Wer Fächer wie Englisch, Französisch
oder Wirtschaft an einem Gymnasium, einer
Real- oder Mittelschule unterrichten möchte, muss vor allem
eins: sehr gut sein. Mindestens einen Notenschnitt von 1,18
musste ein bayerischer Junglehrer in diesem Jahr haben, um
mit den Fächern Deutsch und Geschichte eine Anstellung zu
bekommen. Leichter hatte es, wer mit Mathematik und Physik
an den Start ging: Hier reichte ein glattes Befriedigend.
Die Notenspanne zeigt: Der Bedarf in den sogenannten
MINT-Fächern ist groß. Händeringend suchen die deutschen Kultusministerien in den kommenden Jahren Lehrer
für Mathematik und Informatik sowie für naturwissenschaftliche und technische Fächer. Der Abiturient aber, das
störrische Wesen, macht seinen Abschluss seit Jahren lieber
in anderen Fächern – und entscheidet sich danach allzu oft
gegen eine Lehrerkarriere im Bereich Naturwissenschaften.
Die Abwärtsspirale umkehren
Dr. Ernst Schön möchte dies ändern. Der Vorsitzende der
TÜV SÜD Stiftung befürchtet eine Abwärtsspirale: »In den
kommenden Jahren werden den Unternehmen in Europa
Hunderttausende Ingenieure fehlen. Aber wie sollen sich
junge Menschen für ein Ingenieurstudium begeistern, wenn
die MINT-Fächer bereits in den Schulen immer weniger Beachtung finden?«
In einem gemeinsamen Projekt mit der Stiftung der
Deutschen Wirtschaft übernimmt TÜV SÜD daher Verantwortung für den Nachwuchs. Die Idee von Dr. Schön
und Hermann Mund, dem Vorsitzenden des Stiftungskura­
toriums: Erfahrene MINT-Lehramtsstudenten machen
Schülern Appetit aufs Lehrersein in ihren Fachkombina­
tionen und begleiten sie auch in den ersten Semestern an
der Universität – das Förderprojekt »Lehramt MINToring«.
Die Tutoren, sogenannte MINToren, veranstalten beispielsweise einen Uni-Tag, an dem Schüler ausprobieren kön-
Verena Schoch (links) und Ann-Kathrin
Mahler möchten junge Menschen für den
Lehrberuf begeistern.
nen, wie so ein Campus funktioniert. Auf dem Programm:
Fragen stellen bei der Studienberatung, rechnen wie Profis
beim Mathe-Workshop, erste Lehrerfahrungen machen
und den Campus erkunden bei einer MINT-Rallye. »Diese
›MINT und mehr Tage‹ sind enorm wichtig, weil die Schüler hier richtig spüren können, wie sich die Uni anfühlt. Das
gibt Orientierung und baut Hürden ab«, bestätigen die beiden
MINTorinnen Verena Schoch und Ann-Kathrin Mahler.
Hospitieren geht erst einmal über Studieren
Wie fühlt sich das überhaupt an, vor einer Klasse zu stehen?
Workshops, Experimentieren im Labor, Exkursionen: Schüler, die am Projekt teilnehmen, werden intensiv begleitet –
von den letzten zwei Schuljahren bis ins erste Studienjahr.
Dazu gehören auch Hospitanzen in benachbarten Schulen,
wo sie sich selber auf der anderen Seite des Pults ausprobieren können. Das nimmt Ängste, bietet Orientierung und
zeigt, ob der Lehrberuf auch das Richtige für einen ist.
Gemeinsam mit vier Kollegen sorgen Schoch und Mahler später dafür, dass ihren Schützlingen nicht die Puste
ausgeht, bevor es richtig losgeht. Deshalb gibt es für die
Erstsemester zusätzliche Seminare zur persönlichen Kompetenzerweiterung. Dazu gehören beispielsweise Themen wie Lernmanagement oder
individuelles Wissens- und Zeitmanagement.
Verena Schoch glaubt fest an den Erfolg
des Projekts. Immerhin hat auch bei ihr eine
persönliche Begegnung den Ausschlag fürs
Studienfach gegeben: »Eine Lehrerin war ein
großes Vorbild für mich. Sie hat mich erst auf
die Idee gebracht, selbst auch in diese Richtung zu gehen.«
Mehr Infos zu diesem und zu anderen Förderprojekten:
www.tuev-sued-stiftung.de
TÜV SÜD Journal 31
5 Minuten
Erweitertes Angebot für RailProjekte in Skandinavien
MPU-Vorbereitung in
Hessen und Rheinland-Pfalz
Zulassung von Medizinprodukten für Brasilien
TÜV SÜD und das schwedische Unternehmen Vanaheim AB
werden künftig auf dem skandinavischen Bahnsektor zusammenarbeiten. Das Ziel: den Kunden die ganze Bandbreite zu
unabhängigen Sicherheitsbegutachtungen und Zertifizierungsleistungen anzubieten. Vanaheim und die TÜV SÜDTochter TÜV SÜD Danmark sind die beiden führenden Anbieter
für solche Leistungen eines sogenannten Notified Body.
Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung bietet Autofahrern nach einem Führerscheinentzug die Möglichkeit, ihre
Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Ein Unternehmen, das sich
auf Kurse zur Vorbereitung dieser MPU spezialisiert hat, ist
GOMOBIL. Seit September ist die Firma Teil der TÜV SÜD
Gruppe, die damit ihr Angebot auf Hessen ausweitet und
zudem die Präsenz in Rheinland-Pfalz vergrößert.
TÜV SÜD – eine der weltweit größten Benannten Stellen für
die Zulassung von Medizinprodukten – unterstützt Hersteller
nun auch beim Zugang zum brasilianischen Markt. Nach der
Akkreditierung durch die brasilianische INMETRO-Akkreditierungsstelle kann der Dienstleister die benötigte Zertifizierung für elektrische Medizinprodukte durchführen. Die
Zertifizierung hat eine Gültigkeit von zunächst fünf Jahren.
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Vor 150 Jahren
Der Urknall für den TÜV
Am 28. Januar 1865 explodierte in der
Mannheimer Innenstadt eine Fabrik – mit
einem Toten und mehreren Schwerverletzten. Die Katastrophe war der unmittelbare
Auslöser zur Gründung des ersten TÜV.
Schwer beherrschbare Technik:
Vor Gründung der TÜV kam es
immer wieder zu verheerenden
Dampfkesselexplosionen.
Ein Dampfkessel in einer Brauerei war aufgrund von Wassermangel
explodiert. Die Wucht der Detonation ließ »manche die Anfänge eines
Erdbebens« spüren, wie das Mannheimer Journal zwei Tage später
berichtete. Immerhin wurde eine rund einen Meter starke Außenwand
durchschlagen. »Der Kesselbursche, welcher während der Explosion
bei der Dampfmaschine war, wurde bis in den Hof geschleudert und
blieb tot«, so die Zeitung.
Die Schwere des Unfalls veranlasste die Mannheimer Industriellen
zum Handeln. Auf Drängen der Regierung des Großherzogtums Baden
fanden sich schließlich 20 Kesselbetreiber zur Gründung eines Dampfkesselüberwachungsvereins zusammen. Die Idee: Wie im Mutterland
der Industrialisierung, in England, sollten sich Dampfkesselbesitzer in
Privatinitiativen zusammenschließen. Vom Verein bezahlte und daher
32 TÜV SÜD Journal
5
unabhängige Experten sollten die Anlagen der Mitgliedsunternehmen
regelmäßig prüfen, die Beseitigung von Mängeln veranlassen und den
Mitgliedern alle aktuellen Verbesserungen der Technologie zugänglich
machen – den Betrieb also effizienter und sicherer machen.
Der »Dampfkessel-Revisions-Verein Mannheim« wurde schließlich 1866 gegründet. Als TÜV SÜD sorgt er bis heute für die Sicherheit
von Dampf- und Druckanlagen – und noch viel mehr. Begonnen hat dies
alles mit einem »Urknall« vor 150 Jahren.
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5 Minuten
Prüfungen für den türkischen Energiesektor
Drohnen im Einsatz
Neuzugang in der TÜV SÜD Gruppe: Seit Oktober 2014 verstärkt das türkische Unternehmen TEKKON A.S. mit Sitz in Ankara den Dienstleistungskonzern. TEKKON ist auf
die Qualitätssicherung und -kontrolle, zerstörungsfreie
Werkstoffprüfungen und Inspektionen für die Energiewurde TEKKON
wirtschaft spezialisiert und erwirtschaftet damit einen
gegründet und beschäftigt Umsatz von rund 3,5 Millionen Euro im Jahr. Der Fokus
heute 70 Mitarbeiterinnen liegt auf Leistungen für konventionelle Kraftwerke, für
Zulieferbetriebe der Kraftwerksbetreiber sowie für
und Mitarbeiter.
den Maschinen- und Anlagenbau. Ein Geschäft mit
Zukunft, denn mit dem Wirtschaftswachstum in der
Türkei steigt auch der Energiebedarf. Die nötigen Investitionen in den türkischen Energiesektor bieten hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten. Für TÜV SÜD ist die Türkei
eines der internationalen Fokusländer: Bekannt ist das Unternehmen bisher vor allem
durch die Fahrzeuguntersuchungen von TÜVTÜRK sowie die Prüfung und Zertifizierung
von Druckgeräten im industriellen Bereich.
1996
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Minuten
Für Inspektionen an schlecht zugänglichen
Anlagen – zum Beispiel in großer Höhe – bietet TÜV SÜD jetzt einen Zusatzservice an:
Mithilfe von mit Kameras ausgestatteten
Drohnen können Sichtprüfungen direkt vom
Boden aus durchgeführt werden. Das spart
Zeit und Geld. Ein erster Piloteinsatz an
einer Windkraftanlage im österreichischen
Burgenland fiel im Sommer positiv aus. Neben normalen Kameras ist künftig auch der
Einsatz von Thermografie­kameras geplant.
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mit TÜV SÜD
Mangelhafte Beleuchtung bei
Lkw-Langzeittest
Seit April 2012 läuft der europäische Langzeittest bestof9.eu,
durchgeführt vom Huss-Verlag und dem Sicherheitspartner
TÜV SÜD. Neun Trucks werden dabei drei Jahre lang im Dauereinsatz getestet. Jetzt mussten die Laster nach knapp 300.000
Kilometern zum zweiten Mal zur Hauptuntersuchung. Die Bilanz der TÜV SÜD-Prüfer: Vor allem bei der Beleuchtung gab
es viele Mängel – beinahe an jedem Fahrzeug war eine Lampe
defekt. Und das, obwohl der Gesetzgeber vor jeder Tour eine
Abfahrtskontrolle vorschreibt, bei der solche Mängel behoben
werden müssen. »Das Ergebnis zeigt, wie wichtig die Kontrolle
ist – das gilt auch für neuere Fahrzeuge«, betont Dieter Roth,
Senior Project Manager Truck Services bei TÜV SÜD. Auch der
Reifendruck – der zusätzlich zur HU geprüft wurde – war nicht
bei allen Fahrzeugen zufriedenstellend. Dabei ist der richtige
Druck nicht nur sicherheitsrelevant, sondern immens wichtig
für die Wirtschaftlichkeit. Rundum positiv fielen nur drei der
geprüften Lkw auf: Sie bekamen ohne Mängel die Plakette.
Geprüfte Elektrowerkzeuge
Neue Prüfmöglichkeit in den Laboren von TÜV SÜD:
Seit diesem Jahr darf der Dienstleister auch Elek­
trowerkzeuge nach der internationalen Norm IEC 62841-1
testen. Der neue Standard behandelt die Sicherheitsanforderungen bei Elektrowerkzeugen wie Bohrmaschinen
TÜV SÜD betreibt
oder Rasenmähern. Zusätzdeutschlandweit
liche Anforderungen werden
an Lithium-Ionen-Batterien
gestellt, die mittlerweile ein
Labor, das nach
untrennbarer Bestandteil vieIEC 62841-1 prüft.
ler Elektrowerkzeuge sind. Für
Produkte, die nach dem neuen
Standard geprüft und zertifiziert wurden, ist das Inverkehrbringen weniger komplex. Denn das Gutachten dient auch
als Basis für eine spätere nationale Zertifizierung, beispielsweise auf Basis von DIN-Normen. Damit erleichtert
eine erfolgreiche Konformitätsbewertung Herstellern den
Marktzugang.
DAS ERSTE
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TÜV SÜD Journal 33
Zu guter Letzt
AUF DEM WEG
INS PARADIES
Ein Video zeichnet
die letzten 2.600 Jahre
Migrationsgeschichte
nach. Und wo geht jetzt
die Reise hin?
34 TÜV SÜD Journal
I
irgendwann tut es fast jeder: Man packt seine sieben Sachen – meistens sind es noch viel
mehr –, mobilisiert Freunde oder engagiert
ein Umzugsunternehmen. Dann heißt es Abschied nehmen. Zeit für Neues: ein neuer Job, eine
neue Liebe, ein neues Leben. Irgendwo anders. Ein
Umzug in eine andere Stadt, in ein anderes Land.
Nichts Besonderes. Oder doch?
Wissenschaftler der University of Texas in Dallas haben die geografischen Lebenswege von mehr
als 100.000 Persönlichkeiten der Weltgeschichte in
einer Videoanimation nachgezeichnet. Herausgekommen ist »Charting Culture«, eine Reise durch
2.600 Jahre Migrationsgeschichte mit Stops an den
kulturellen Zentren der jeweiligen Zeit. So führten in der Antike in Europa tatsächlich alle Wege
nach Rom. Im Mittelalter gehörten Córdoba und
Paris zu den magnetischen Städten. Der Öffnung
Zu guter Letzt
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Japans nach Westen im 17. Jahrhundert folgte ein
reger Zuzug aus Europa. Dann die Besiedelung Amerikas: Eindrucksvoll zeigt das Video, wie die Erfindung der Eisenbahn die Eroberung des Westens von
der Ostküste aus beschleunigte und Städten wie San
Francisco oder Los Angeles zur Blüte verhalf.
Und heute? Noch immer zieht es die Menschen
hinaus in die Welt, teils über Kulturen und Kontinente hinweg. Und noch immer geschieht genau das,
was »Chart­ing Culture« schon für die Vergangenheit anschaulich macht: Wann und wo immer viele
unterschiedliche Menschen zusammenkommen und
sich austauschen, gewinnen sie Erkenntnisse und
entwickeln Ideen. Aus Migration wird Vernetzung,
aus Vernetzung Fortschritt. Es bilden sich Kultur-,
Technik-, Wirtschafts- und Kreativ­hoch­burgen.
Von ihnen gibt es inzwischen mehr denn je. Mit
ebenso enormer Sogkraft ist aber auch eine ganz
neue Art von Zentren entstanden. Sie liegen an den
sonnigen Küsten Spaniens oder der USA, heißen
Miami oder Marbella und sind: Rentnerparadiese.
Irgendwann packt der Mensch eben seine sieben Sachen, nimmt Abschied und beginnt etwas
Neues. Vielleicht etwas ganz Besonderes.
TÜV SÜD Journal 35
FRAGEZEICHEN
AUF DEM TELLER
Was ist gesundes Essen – und wann
machen Lebensmittel krank? Die
Einschätzungen von Verbrauchern
und Experten gehen auseinander.
Davor fürchten sich Verbraucher
bei Lebensmitteln
(Mehrfachnennungen möglich)
28 %
Verdorbene Lebensmittel
24 %
(z. B. Schimmel)
Verpackung
(z. B. Weichmacher)
34 %
26 %
Krankheitserreger
Zusatzstoffe
(z. B. Salmonellen)
(z. B. künstliche Farbstoffe)
Quelle: TÜV SÜD & Technomar, 2014
D
ie Portion Spaghetti auf dem Teller oder der Döner in der Hand:
Die meisten Menschen vertrauen darauf, dass das, was satt
macht, auch gesund ist. Nur eine Minderheit macht sich Sorgen
und fürchtet Zusatzstoffe oder Krankheitserreger im Essen. Das
ergab eine repräsentative Umfrage von über 500 Haushalten in Deutschland,
die im Jahr 2014 im Auftrag von TÜV SÜD durchgeführt wurde.
Strenge Gesetze, ein enges Netz an Kontrolleuren und Unternehmen
mit eigenen Prüflaboren (zum Beispiel TÜV SÜD) sorgen dafür, dass Nahrungsmittel hierzulande wirklich sicher sind. Hinzu kommen weitverbreitete
Qualitäts­­standards für die Verarbeitung, den Transport oder die Lagerung von
Nahrungsmitteln.
Dies alles führt dazu, dass die Risiken beim Essen und Trinken heute eigentlich
ganz woanders lauern: Statt von Farbstoffen oder Antioxidationsmitteln geht
die wahre Gefahr eher von zu großer Energiezufuhr und zu einseitigem Essen
aus. Sprich: Zu viel, zu fett, zu süß. Und während der Gesetzgeber für die
Verwendung von Zusatzstoffen klare Grenzwerte gezogen hat, um uns vor
möglichen negativen Auswirkungen zu schützen, muss sich jeder Verbraucher
schon selbst um seine Extraportion Gemüse, Ballaststoffe oder Obst kümmern.
Weitere Informationen zu sicheren Lebensmitteln:
www.tuev-sued.de/lebensmittelsicherheit