Unterschiede im Interesse an und in der Einstellung zur Mathematik

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Unterschiede im Interesse an und in der Einstellung zur Mathematik
Regina Strigel
Mengen, 19.04.2009
Ist die Koedukation
der geeignete
Weg
zur Vermittlung von
Mathematik und
Naturwissenschaften
für Mädchen?
Schriftliche Seminararbeit im Seminarkurs „Bildung“ von Frau Hess und Herrn Dehne an der
Liebfrauenschule Sigmaringen im Schuljahr 2008/09
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
Meine Seminarkursarbeit zum Thema „Ist die Koedukation der geeignete Weg zur
Vermittlung von Mathematik und Naturwissenschaften für Mädchen?“ soll klären, inwieweit
der gemeinsame Unterricht von Jungen und Mädchen in den Naturwissenschaften und
Mathematik für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in diesen Fächern verantwortlich
gemacht werden kann.
Obwohl schon seit Beginn der 70er Jahre der gemeinsame Unterricht von Mädchen
und Jungen in der ganzen Bundesrepublik praktiziert wird, werden immer wieder Stimmen in
der Politik laut, wie die unserer Bildungsministerin Annette Schavan, die für einen getrennten
Unterricht in Mathematik und den Naturwissenschaften plädieren, um die Mädchen besser
fördern zu können. „Immer noch interessieren sich viele Mädchen mehr für Sprachen, die
Künste und Biologie.“1 Das müsse sich endlich ändern.2 Doch was ist der Grund für die
geringere Beteiligung und die schlechtern Leistungen der Mädchen in Mathematik und den
Naturwissenschaften? Und lassen sich diese Unterschiede nur im koeduaktiven Unterricht
festmachen?
Als Beispiel für ein naturwissenschaftliches Fach, um das es sich neben Mathematik in
meiner Arbeit dreht, habe ich mich für das Fach Physik entschieden, da Chemie und Biologie
als Fächer mit geschlechtneutralen bis hin zu frauenfreundlichen Leistungsunterschieden
gelten, auch gibt es zu diesen beiden Fächern keine heftigen Diskussionen über die
mangelnde Beteiligung von Schülern. Ganz im Gegenteil zu Physik, welches als Jungenfach
gilt.3 In meiner Arbeit wird es hauptsächlich um Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums
gehen, da im Hinblick auf die geschlechtsspezifischen Leistungsunterschied in Mathematik
und Physik mit wachsendem Bildungsanspruch eine zunehmende durchschnittliche
Überlegenheit des männlichen Geschlechts festgestellt werden kann. So lassen sich am
Gymnasium deutlichere geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen als an der
Hauptschule.4
Im ersten, dem theoretischen Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich näher mit den
Gründen für geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Fächern Mathematik und Physik.
Ein Überblick über die historischen Hintergründe der Bildungsgeschichte soll klären, warum
1
Vgl. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=8921636&top=SPIEGEL, Stand: 07.06.09
Vgl. ebd.
3
Vgl. Stürzer, M., Roisch, H., Hunze, A.& Corneließen, W.(2003): Geschlechterverhältnisse in der Schule.
Leske+Budrich, Opladen, S. 30
4
Vgl. Neubrand, M. (2004): Mathematische Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland
(Vertiefende Analyse im Rahmen von Pisa 2000), Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH,
Wiesbaden, S. 82
2
1
und wie es überhaupt zum gemeinsamen Unterricht von Mädchen und Jungen kam. Darauf
werden kurz die Vor- und Nachteile, die die Koedukation mit sich bringt erörtert. Ab dem
nächsten Abschnitt gehe ich auf die Beziehung der Mädchen zur Mathematik und den
Naturwissenschaften ein, indem ich aufzeige, welche Rolle früher und welche Rolle heute die
Naturwissenschaften und Mathematik im Leben der meisten Mädchen und Frauen spielt. Ich
suche nach möglichen Gründen für die geschlechtsspezifischen Unterschiede sowohl im
Interesse, das die Mädchen der Mathematik und Physik entgegenbringen, als auch für die
Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der Leistung in diesem Bereich. Es soll
geklärt werden, inwieweit der Mathematik- und Physikunterricht den Mädchen gerecht wird
und inwieweit sich Jungen und Mädchen gegenseitig aber auch Lehrerinnen und Lehrer vor
allem die Schülerinnen in diesen Fächern beim Lernen fördern oder einschränken. Auch
biologische Erklärungsversuche für Leistungsunterschiede werden nicht außer Acht gelassen.
Um den Problemen, die der koedukative Unterricht aufwirft entgegen zu wirken, behandle ich
im letzten Abschnitt des ersten Teils meiner Seminarkursarbeit mögliche Lösungsansätze.
Im zweiten Teil meiner Arbeit möchte ich anhand von aktuellen Ergebnissen
herausfinden, in welchem Maß sich Mädchen und Jungen in ihrer Einstellung und Leistung in
den Fächern Mathematik und Physik überhaupt unterschieden. Dabei soll mir eine Umfrage
zum Thema Mathematik- und Physikunterricht an der Liebfrauenschule und am
Mädchengymnasium Wald weiterhelfen. Ich erhoffe mir durch diese Umfrage vor allem
Informationen über die Leistungs- und Interessensunterschiede der Schülerinnen eines
geschlechtergetrennten und eines geschlechtergemischten Unterrichts, um herauszufinden, ob
geschlechtsspezifische Unterschiede in gleicher Weise an einer monoedukativen Schule
bestehen.
Mein Ziel ist es herauszufinden, zu welchem Anteil der keodukative Unterricht für die
Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in Mathematik und Physik verantwortlich
gemacht werden kann, um letztendlich beantworten zu können, inwieweit die Koeduaktion
der geeignete Weg zur Vermittlung von Mathematik und Physik ist.
II. Die Koedukation
2
1. Definition: Koedukation
Das Wort Koedukation kommt vom lateinischen Wort „co-educare“ (zusammen
erziehen) und bezeichnet die gemeinsame und gleiche Erziehung von Mädchen und Jungen.
Selbstbewusstsein zu entwickeln, die eigenen Potenziale zu entdecken und
auszubauen, sich zu erproben und enge Geschlechtergrenzen zu überwinden, sind Ziele einer
geschlechtergerechten koedukativen Schule.5
2. Die historischen Entwicklung der Koedukation
Obwohl die Koedukation erst Mitte des 21. Jahrhunderts tatsächlich in Deutschland
eingeführt wurde, begann die Debatte um die Einführung schon mit der Wende vom 18. zum
19. Jahrhundert. Um die Beweggründe für die Forderung der Koedukation zu erkennen, darf
man die historischen Ereignisse nicht außer Acht lassen. Sie verdeutlichen, warum die
Diskussion um die Gestaltung von Schulunterricht für Jungen und Mädchen an Bedeutung
gewann.6
2.1 Die Aufgabenteilung der Geschlechter in der Gesellschaft des 19. Jh.
Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland die Forderung nach
Gleichbehandlung immer stärker. Die Menschen richteten sich nach dem Vorbild der
französischen
Revolution,
die
Ende
des
18.Jahrhunderts
in
Frankreich
große
Freiheitsbestrebungen hervorgebracht hatte, die bis ins Deutsche Reich hinein spürbar waren.
Man erstrebte die persönliche Freiheit und die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Mit
der Idee von der Gleichheit aller Menschen, fing die Bevölkerung an, über die herrschenden
hierarchische Beziehungen und Abhängigkeiten nachzudenken. Auch die Frage nach der
Gleichheit von Mann und Frau kam auf.7 Denn in den Gesellschaftsformen des 19.
Jahrhunderts bestanden unterschiedliche Vorstellungen über Beschaffenheit und Bedeutung
der verschiedenen Geschlechter und eine deutlich erkennbare Aufgabenteilung zwischen Frau
und Mann.
5
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 47
Vgl. Kreienbaum, M. und Urbanika, T (2006): Jungen und Mädchen in der Schule-Konzepte der Koedukation,
Cornelsenverlag, Berlin, S. 12
7
Vgl. ebd. S. 12 ff.
6
3
Schon seit der Entstehung des Bürgertums und der Formierung der bürgerlichen
Kultur wird ein deutlich erkennbarer Unterschied zwischen Frau und Mann gemacht. Dieser
ist begründet in der Organisationsform des bürgerlichen Staats. Der Staat strukturiert seine
Gesellschaft unter anderem durch die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter, indem
er zum Beispiel Frauen andere Rechte und Aufgaben zuweist als Männern.8 Die
Rollenzuweisung von Frau und Mann war nicht nur durch „Konventionen und Sitte“ 9 sondern
auch gesetzlich geregelt.10 Dies lässt sich gut an dem typischen Rollenbild einer im 19.
Jahrhundert lebenden Frau aufzeigen, welches teilweise auch heute noch anzutreffen ist: „Die
Dreifache Bestimmung der Frau als Hausfrau, als Gattin eines Mannes und Mutter seiner
Kinder, ihre grundsätzliche Unterordnung unter seine Hausmacht“11 darüber hinaus „ihr
Ausschluss aus der Bildung, der Öffentlichkeit, der politischen Teilhabe und der
Arbeitswelt.“12 Auch das entsprechende Bild des Mannes, der allein die Verantwortung trug
und Entscheidungen traf, dürfte uns nicht unbekannt sein.13
Man war der Meinung, die Frau tendiere schon auf Grund ihrer psychischen
Verfassung eher dazu, sich lieber mit dem Einzelnen zu beschäftigen und sich von der
Allgemeinheit abzuwenden. Folglich wurden ihr die häusliche Umgebung als Tätigkeitsfeld
und ihre geschlechtertypische Rolle als Hausfrau zugeschrieben. Die Natur des Mannes sah
man im Gegensatz zu der, der Frau in öffentlichen Angelegenheiten, der Wissenschaft und
Kunst verwirklicht.14
Als biologisch bedingte, unterschiedliche Wesensmerkmale wurden der Frau
Eigenschaften wie Weichheit, Emotionalität und Passivität zugeschrieben, dem Mann geistige
Überlegenheit und Stärke.15
So wurde durch die körperliche und geistige Schwachheit der Frau und ihre
Abhängigkeit vom Mann, ihre „Entwicklungsbeschränkung“16 in der Gesellschaft, ihren von
allen Seiten beschränkten, häuslichen Wirkungskreis und ihre Fernhaltung von der
Wissenschaft begründet.17
8
Vgl. Rendtorff, B. (2006): Erziehung und Geschlecht, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart, S. 25 f.
Ebd. S. 26.
10
Vgl. ebd. S. 26.
11
Ebd. S. 26 f.
12
Ebd. S. 26f.
13
Vgl. ebd. S.26.
14
Vgl. Schleiermacher, F. (1927/1967): Psychologie, in: Auswahl in 4 Bänden, Band 4, Leipzig/Aalen, S. 47ff.
zitiert nach: Rendtorff, S. 28
15
Vgl. Pfister , G. (1988): Zurück zur Mädchenschule?, Centaurus, Pfaffenweiler, S. 12 zitiert nach:
Kreienbaum und Urbaniak , S. 14
16
Rendtorff, S. 32
17
Vgl. Camp, J. (1796/ 1997): Väterlicher Rath für meine Tochter, Braunschweig/ Lage, zitiert nach: Rendtorff,
S. 28
9
4
2.2 Die Schulgeschichte im 19. Jh.
Die unterschiedliche Rollenzuweißung hatte Auswirkungen auf die unterschiedliche
Erziehung und Bildung von Mädchen und Jungen. Damit die Mädchen und Jungen schon früh
lernten ihre verschiedenen Aufgaben in der Gesellschaft zu erfüllen, war eine
geschlechtsspezifische Erziehung notwendig. Durch den getrennten Erziehungsprozess sollten
Jungen und Mädchen auf verschiedene Lebenswege vorbereitet werden.18 Grundsätzlich
erzieht jede Gesellschaft ihre Kinder so, wie sie sich diese als Erwachsene wünscht und wie
sie am besten zu der bestehenden Gesellschaftsform passen.19
Demnach wurde den Jungen eine „allseitige Bildung des ganzen Menschen“
ermöglicht, die ihnen später helfen sollte, ihren Aufgaben als „aktive Bürger“20
der
Gesellschaft nachzukommen. Den Mädchen dagegen wurden die „Dreifachbestimmung des
Weibes“ gelehrt.21 Damit bezog sich die Bildung der Frau auf die Erziehungskonzepte
führender Philosophen und Pädagogen, wie Jean-Jaques Rousseau, Joachim Heinrich Campe
und Heinrich Pestalozzi. Ihrer Auffassung zufolge war für Mädchen keine formale Bildung
nötig. Die häusliche Umgebung reichte zur Erziehung gemäß ihrem Stand aus.22
2.2.1 Die Volksschulbildung
Die immer größeren Raum einnehmende Industrialisierung
veränderte die
Gesellschaftsstrukturen maßgeblich. Unter anderem wurden Arbeitsstätten und Haushalt nun
immer öfter durch den Bau von Fabriken räumlich getrennt, sodass Kinder nicht mehr, wie
zuvor, einfach in Arbeitsprozesse hineinwuchsen und dadurch Wissen und Aufgaben
erlernten, wie es in den Familienbetrieben früher der Fall war. Zudem reichte derart erlangtes
Wissen in einer sich so schnell verändernden Umwelt nicht mehr aus. Bildung musste
„institutionalisiert“23 werden, schulische Angebote für breite Bevölkerungsschichten
zugänglich gemacht werden.24
Um 1860 wurden Schulen gegründet, die auch dem einfachen Volk zugänglich waren,
so genannte Volksschulen. Da der preußische Staat sich auf das Erziehungskonzept der oben
18
Vgl. Schleiermacher, zitiert nach: Rendtorff S. 28
Rendtorff , S. 25
20
Rendtorff, S. 31
21
Vgl. Rendtorff, S. 31
22
Vgl. Blochmann, E. (1966): Das Frauenzimmer und die Gelehrsamkeit, Heidelberg, S. 29 zitiert in: FaulstichWieland, F. (1991): Koedukation- Enttäuschte Hoffnungen, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S.
10
23
Kreienbaum und Urbaniak , S. 15
24
Vgl. ebd. S. 15f.
19
5
genannten Philosophen und Pädagogen bezog, war er der Auffassung, dass die häusliche
Umgebung zur standesgemäßen Erziehung der Frau ausreichte. Deswegen wurden vorerst nur
Jungen zu den Volksschulen zugelassen. Mädchen waren von elementarer und insbesondere
höherer Schulbildung ausgeschlossen.25
2.2.2 Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Preußen
1794 wurde zuerst in Preußen, mit der Zeit auch in den anderen Ländern eine
allgemeine Unterrichtspflicht durchgesetzt. Nun wurden die Volksschulen in Preußen auch für
Mädchen zugänglich gemacht, ihr Bildungsanspruch endete jedoch schon mit dem Auslaufen
der Elementarbildung.26 An einer Mädchenbildung war Preußen desinteressiert, da das
zentrale Ziel die Ausbildung von „geeigneten Staatsbeamten“27 war. Die Mädchen hatten kein
Recht auf einen Abschluss oder auf eine Berufsausbildung.28
Da der Staat nur eine Verpflichtung für die Berufsausbildung von Männern hatte,
wurden unterschiedliche Bildungsziele von Mädchen und Jungen verfolgt. Für die Mädchen
war Handarbeitsunterricht vorgesehen, für die Jungen Deutsch- oder Rechenunterricht. Die
Mädchen wurden auf ihre späteren Tätigkeiten als Hausfrau und Mutter vorbereitet, die
Jungen wurden mit Wissen ausgestattet, das sie auf eine spätere Berufstätigkeit hin schulte.
Die Schule trug so zu einer Fixierung der Geschlechterrollen bei.29 Auf Grund der
unterschiedlichen Erziehungsziele war eine Trennung von Knaben- und Mädchenschulen
notwendig.30 Dass beide Geschlechter in vielen Volksschulen dennoch gemeinsam
unterrichtet wurden, hatte finanzielle Gründe. Da die Volksschulen überwiegend von Kindern
niederer Stände besucht wurden und im Vordergrund die finanzielle Frage der Ausstattung
und Einrichtung der Schulen, jedoch nicht die Geschlechterfrage stand, und nicht zuletzt, weil
in ländlichen Gebieten Volksschulen oft nur aus einer Klasse bestanden, waren diese Schulen
häufig koedukativ. Doch heißt gemeinsamer Unterricht keineswegs, dass er auch als
gemeinsame Erziehung erfolgte. Oft stand die Bildung der Jungen im Mittelpunkt, während
die Mädchen „mitbeschult“31 wurden.32
25
Vgl. ebd. S. 16f.
Vgl. Srocke, B. (1989): Mädchen und Mathematik, Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden, S. 228
27
Kreienbaum und Urbaniak, S. 14f.
28
Vgl. ebd. S. 14 f.
29
Vgl. ebd. S. 14 ff.
30
Vgl. Heinemann, M zitiert nach: Faulstich- Wieland, S. 10
31
Faulstich-Wieland, F. (1991): Koedukation- Enttäuschte Hoffnungen, Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt, S. 12
32
Vgl. ebd. S. 12f.
26
6
2.2.3 Die Bildungschancen der Mädchen
Bis in 19. Jahrhundert hinein gab es kaum ein staatliches Interesse an Mädchenschulen
über die Elementarbildung hinaus.33 Zwar gab es parallel zu den Volksschulen höherer
Mädchenschulen oder auch höhere Töchterschulen genannt, diese unterschieden sich in den
Bildungszielen gegenüber der Volksschulbildung jedoch nicht. Auch an höheren
Mädchenschulen orientierte man sich an den Pflichten und Aufgaben, die eine Frau später in
Haushalt, Familie und Eheleben übernehmen musste. Dementsprechend war auch der
Unterrichtsstoff. Fächer wie Deutsch, Geschichte, Geographie und Mathematik wurden nur
am Rande behandelt. Die meiste Unterrichtszeit nahm der Handarbeitsunterricht ein. Physik
fehlte ganz im Lehrplan. Die Abschlüsse der höheren Mädchenschulen ermöglichten
weiterhin weder ein Studium noch eine andere berufliche Karriere. Das Wort „höher“ in den
Bezeichnungen „höherer Mädchenschulen“ oder „höherer Töchterschulen“ bezog sich eher
auf die Herkunft der Schülerinnen als auf den Anspruch des Lehrstoffs. Das hohe Schulgeld
dieser privaten Schulen verwehrte der niedrigeren Bevölkerungsschicht den Besuch der
höheren Schulen.34 „Sie mussten in Volksschulen verharren“35.
2.2.4 Die Forderung nach gleichen Bildungschancen
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Kampf um gleiche
Bildungschancen für Mädchen, denn nun wollten Frauen aus dem Bürgertum selbst
erwerbstätig werden. Die Anzahl an unverheirateten Frauen, welche ohne die Möglichkeit auf
einen schulischen Abschluss und eine Ausbildung unterhaltsbedürftig waren, wurde immer
größer, unter anderem, weil viele Männer in den deutsch-französischen Kriegen gestorben
waren. Um sich finanziell selbst versorgen zu können, verlangten diese Frauen nun den
Zugang zu höherer Schulbildung und zu anerkannten Berufen, auch akademischen.
Frauenbewegungen wurden gegründet, die diese Forderungen publik machten. Sie traten für
die Rechte der Frau und vor allem für ihre Bildungsmöglichkeiten ein. Es war erstaunlich,
welch großen Zulauf diese Gruppierungen hatte. Die Regierung hielt das Engagement der
ständig größer werdenden Frauenbewegungen für „unheimlich und potenziell“36 und verboten
daher wiederholt Frauengruppierungen.37
33
Vgl. Blochmann, E., S. 79 zitiert nach: Faulstich-Wieland, S. 10
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 16f.
35
Ebd. S. 16
36
Ebd. S. 20
37
Vgl. ebd. S. 17ff.
34
7
Die immer lauter werdenden Forderungen dieser Bewegungen machten es für den
Staat unumgänglich, sich der Mädchenbildungsfrage anzunehmen. Zuerst musste festlegen
werden, welche Bildung Mädchen und Frauen überhaupt genießen sollten. Einer der
wichtigsten Gruppierungen der Frauenbewegungen, die ADF, der „Allgemeine Deutsche
Frauenverein“ beteiligten sich an der Diskussion um die Mädchenbildungsfrage. Sie forderten
die Angleichung der Bildungschancen der Mädchen und Frauen an die der Jungen und
Männer. Zwei Wege sah die Frauenbewegung zu gleichen Bildungschancen. Zum Einen die
Zulassung von Mädchen an Jungenschulen, d.h. eine erste Form der Koedukation oder
parallel zu den Jungengymnasien entsprechende Einrichtungen für Mädchen zu schaffen.
Beide Varianten fanden viele Befürworterinnen. Auf der einen Seite die, die eine
höhere Töchterschule beibehalten wollten, da sich ihrer Ansicht nach die Möglichkeit bot,
eine „am weiblichen Charakter und dessen Besonderheiten orientierte Bildung“38 zu
verwirklichen. Sie stellten die unterschiedlichen Bildungsziele für Mädchen und Jungen nicht
in Frage.
Und auf der anderen Seite Frauen, die die „absolute Gleichwertigkeit der
Bildungsangebote“39 für Männer und Frauen durch das gemeinsame Unterrichten forderten.
Die Begründung für den Antrag war, dass die höheren Mädchenschulen nicht mehr den
Anforderungen entsprachen, die für eine Berufsausbildung benötigt wurden. Ebenso sollte die
Zulassung der Frauen zum Studium möglich gemacht werden.40
Ab 1893 wurden Gymnasien eingerichtet, die den Mädchen den Weg zur Reifeprüfung
ermöglichten. Jedoch hatten die Mädchen mit Schulabschluss nicht mehr Berechtigungen als
ohne Schulabschluss. Regierung und Kultusministerium wehrten sich lange weiterhin
dagegen, auch Frauen zum Abitur und zum Hochschulstudium zuzulassen. Auch die
Koedukation wurde von seitens der Lehrer als auch von seitens des Staats abgelehnt. 41 Den
Mädchen wurde nicht zugetraut, dass sie intellektuell in der Lage sind, die gleichen
Leistungen wie die Jungen zu erbringen.42
Nach verbitterten Diskussionen nahm das Preußische Ministerium 1908 eine
„Neuordnung“ des höheren Mädchenschulwesens vor. Die Reform bewirkte, dass Mädchen
von nun an mit dem sechsten Lebensjahr eingeschult wurden und insgesamt zehn Jahre auf
die höhere Mädchenschule gingen. Der Lehrplan beinhaltete eine Ausweitung, bzw. in vielen
Schulen eine Einführung mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts.43
38
Ebd. S. 18
Ebd. S. 18
40
Vgl. ebd. S. 19ff.
41
Vgl. Faulstich-Wieland, S. 20f.
42
Vgl. Srocke, S. 230
43
Vgl. Faulstich-Wieland, S. 23ff.
39
8
Nach der höheren Mädchenschule besuchten die jungen Frauen entweder das Lyzeum,
eine zweijährige „Frauenschule“ oder das „Lehrerinnenseminar“. Das Lyzeum ergänzte die
höhere Mädchenschule, hier wurden „Hauswirtschaft, Bürgerkunde und soziale Hilfstätigkeit“
gelehrt.44
Auch wenn den Frauen seit dem Erlass von 1908 die Hochschule formal offen stand,
so gab es zahlreiche Hindernisse und Widerstände, die sie überwinden mussten. Professoren
schlossen Frauen bis 1920 von bestimmten Vorlesungen aus und verweigerten ihnen die
Examenszulassung. Zwar hatten Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die formale Change
auf Bildung, doch zu einer echten Gleichberechtigung war der Weg noch lang.45
2.3 Die Schulgeschichte im 20. Jahrhundert
2.3.1 Die Schulgeschichte nach dem 1.Weltkrieg
In den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts gab es zunächst viele Anzeichen, die auf
eine gleichberechtigte Schulbildung von Mädchen und Jungen hoffen ließen. Denn während
die Männer im Ersten Weltkrieg an der Front ihren Dienst taten, hatten die zurückgelassenen
Frauen viele ihrer Aufgaben übernommen und sich darin auch bewährt. Nachdem die
Frauenbewegungen ihre Forderungen nach Gleichberechtigung und nach besseren
Bildungsmöglichkeiten lautstark vorgebracht um zum Teil auch durchgesetzt hatten, schien
die Frage, ob die Mädchenbildung der Jungenbildung ebenbürtig sein sollte zwar geklärt,
nicht jedoch, ob sie auch genauso ausgestaltet sein sollte.46 Die Frauenbewegungen gaben
auch nach der Neuordnung der Mädchenbildung nicht auf und forderten weiterhin die
Koedukation. Zum einen um „Gleichberechtigung im Bildungsniveau“47 von Mädchen und
Jungen zu erreichen, zum anderen um die unnatürliche Trennung von Mädchen und Jungen,
die nicht dem Alltag und späteren Leben entsprach aufzuheben. Aber auch, weil höhere
Mädchenschulen meist nur in großen Städten zu finden waren und so die Mädchen auf dem
Land nur eine Chance auf Bildung hatten, wenn sie in die höheren Jungenschulen zugelassen
wurden.48
Die Weimarer Verfassung von 1919 übernahm die Idee der Chancengleichheit und
legte eine für alle Kinder gemeinsame vierjährige Grundschule fest. Es wurden sogar
44
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 19f.
Vgl. ebd. S. 19f.
46
Vgl. ebd. S. 26ff.
47
Faulstich- Wieland, S. 25
48
Vgl. ebd. S. 25ff.
45
9
vereinzelt Mädchen an Jungenschulen aufgenommen. Heftiger Widerstand gegen die
koedukative Erziehung kam vor allem von Seiten der katholischen Kirche. Papst Pius der XI
verkündete eine Enzyklika gegen die Koedukation, in der es hieß, die gottgewollte
Verschiedenheit der Geschlechter, die sich von Natur aus schon in den verschieden
Neigungen und Anlagen zeigt, dürfe nicht durch den gemeinsamen Unterricht vermischt
werden.49 Zwar konnte sich die Koedukation nicht durchsetzten, doch gab es eine
Neuorganisation der höheren Mädchenschulen. Die Lyzeen wurden nun formal wie die
höheren Jungenschulen strukturiert. Sie vermittelten allgemeine Bildung und verliehen die
Berechtigung zu studieren. Dennoch hatten die Lyzeen entscheidende Nachteile gegenüber
den Anstalten der Jungen. Vor allem im Bereich Naturwissenschaften und Mathematik wurde
den Mädchen nur ein verkürztes Verständnis von Allgemeinbildung vermittelt.50
2.3.2 Die Zeit des Nationalsozialismus
In der Zeit des Nationalsozialismus diente die Schule dazu, die Kinder im Sinne der
politischen Ideologie des Landes zu formen. Die Bildungsreformen der Weimarer Verfassung
wurden durch die Erziehungsziele des vorherigen Jahrhunderts ersetzt. Die Erziehung der
Mädchen sollte wieder allein auf die spätere Rolle als Mutter vorbereiten. Unter Adolf Hitler
ging die Bildungspolitik davon aus, das Mädchen und Jungen grundlegend andere Funktionen
in der Gesellschaft zu verrichten haben und ihre Erziehung danach ausgerichtet sein sollte.
Koedukative Erziehung kam dafür nicht in Frage. Den Zugang zur höheren Bildung wurde
den Mädchen zunehmend erschwert, da diese die Mädchen zu sehr von „praktischen
Betätigungsfeldern“, wie sie für Frauen vorgesehen waren, ablenke. Sofern Mädchen
überhaupt nach der vierten Klasse der Volksschule die Möglichkeit hatten, eine höhere
Schulbildung zu erlangen, besuchten sie die Oberschule für Mädchen, die über einen
sprachlichen und einen hauswirtschaftlichen Zweig verfügte. Naturwissenschaftliche Bildung
blieb ihnen jedoch in beiden Zweigen völlig verwehrt.51
Noch während des Nationalsozialismus veränderte sich die Bildungssituation. Da die
Jungen und Männer an der Front gebraucht wurden, fehlten gut ausgebildete Arbeitskräfte in
akademischen Berufen. Höhere Bildung wurde für Mädchen wieder leichter zugänglich, wenn
auch nicht die Rede von gleichen Bildungschancen sein kann. Die Tatsache, dass Mädchen
hauswirtschaftliche
anstelle
von
naturwissenschaftlichen
49
Vgl. ebd. S. 27ff
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 26f.
51
Vgl. ebd. S. 27ff.
50
10
Fächern
belegen
konnten,
unterschied dieses Abitur der Mädchen vom „eigentlichen Abitur“52 und war lange Zeit
verantwortlich für dessen minderwertigen Ruf.53
2.3.3 Schulentwicklung nach 1945
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden das öffentliche Leben und somit auch
das Schulsystem von den Vorstellungen der Siegermächte beeinflusst. Es fand eine
Erneuerung des Bildungswesens statt. Für das Gebiet der sowjetischen Besatzungsmächte galt
von Beginn an das Prinzip der Koedukation. Im übrigen Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland blieb das Bildungssystem durch die traditionelle Denkweise geprägt. Das
dreigliedrige Schulsystem, das bis heute angewendet wird, wurde eingeführt. Der Unterricht
erfolgte in den meisten Realschulen und Gymnasien weiterhin getrennt. Nur ein Drittel der
Gymnasien war für Mädchen zugänglich, die Hälfte davon war in kirchlichem Besitz. Da die
katholische Kirche weiterhin an der altbekannten „Geschlechterideologie“ festhielt und den
gemeinsamen Unterricht beider Geschlechter mit der Begründung, „der Gefährdung
moralischer Tugend“ bekämpfte, bestanden für die Mädchen weiterhin schlechte Chancen auf
gleichwertige Bildung.54
Der Lehrplan im naturwissenschaftlichen Bereich wurde erneut geschlechtsspezifisch
ausgerichtet. Nur in der Gymnasialenoberstufe war er geschlechtsneutral während in der
Sekundarstufe I immer noch deutliche Unterschiede gemacht wurden. So wurde zum Beispiel
in den Mädchenschulen die Körperberechnung zugunsten der der Flächenberechnung
gestrichen, da dieses bei Handarbeit und Hauswirtschaft nützlicher war.
Die Anzahl der Stunden von Mädchen und Jungen waren zwar identisch, nicht aber
die
Verteilung
der
Stunden
auf
die
einzelnen
Fächer.
Hausarbeits-
und
Handwirtschaftsunterricht der Mädchen gingen auf Kosten der Anzahl der Stunden
naturwissenschaftlicher Fächer. Bis in die 60er Jahre erhielten die Mädchen hauptsächlich
Handarbeit und Hauswirtschaftsunterricht, während die Jungen in dieser Zeit Mathematik-,
Physik- und Chemieunterricht bekamen. 55
2.3.4 Neuordnung der gymnasialen Oberstufe
52
Ebd. S. 28
Vgl. ebd. S. 28
54
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 32ff.
55
Vgl. Conradt, S./ Heckmann- Janz, K (1985), S. 197 zitiert nach: Pfister, G, S. 124 f.
53
11
Im Laufe der 1960er Jahre rückte die Bildungsfrage immer mehr in den Mittelpunkt
des öffentlichen Interesses. Nachdem die Schülerzahlen in der Nachkriegszeit wieder stetig
gestiegen waren kam die Diskussion über die Verhinderung eines so genannten
„Bildungsnotstandes“56 auf. Denn um den wachsenden Kinderzahlen gerecht zu werden,
mussten die bestehenden Bildungsangebote ausgeweitet werden. Volkswissenschaftler wiesen
auf den Zusammenhang zwischen den Investitionen, die in die Bildung gesteckt wurden und
einem daraus folgendem Wirtschaftswachstum hin. „Wenn das deutsche Bildungssystem
nicht genug qualifizierten Nachwuchs hervorbringe, würde sich dies auf bald negativ auf die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auswirken.“57 Infolgedessen setzte man sich
zum Ziel, das Bildungsniveau zu erhöhen, indem man möglichst viele Schülerinnen und
Schüler zum Abitur führte, um so später genügend gut ausgebildete Akademiker zu haben.
Um eine „Bildungskatastrophe“58 zu verhindern sollte unter anderem das dreigliedrige
Schulsystem teilweise neu organisiert bzw. verbessert werden. Vor allem über Reformen der
gymnasialen Oberstufe wurde diskutiert. Es ging nun darum Schülerinnen und Schülern mehr
„Selbständigkeit und Wahlfreiheit“59 zu ermöglichen. Das kam den Mädchenschulen insofern
zu gute, dass nun auch ihnen dieselbe umfassende Auswahl an Fächern zur Verfügung stand
wie
den
Jungenschulen.
Bisher
hatten
nur
sehr
wenige
Mädchengymnasien
naturwissenschaftliche Zweige zur Auswahl, nun konnten auch die Mädchen die
Bildungswege, die bisher nur den Jungen offen standen einschlagen.60
2.3.5 Die Einführung der Koedukation
Ein weiteres Ziel der Schulreformen war, die Chancengleichheit für alle zu sichern.
Das bedeutete, Schulen für alle Schichten und zugleich für beide Geschlechter zugänglich zu
machen. Deswegen wurde im Jahre 1965 das Prinzip der Koedukation im staatlichen
Schulwesen der Bundesrepublik einheitlich eingeführt.61
Nach der Einführung der Koedukation war eine interessante Beobachtung
festzustellen: Das „Wahlverhalten“62 sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen
56
Kreienbaum und Urbaniak, S. 29
Ebd. S. 30
58
Ebd. S. 32
59
Ebd. S. 32
60
Vgl. ebd. S. 29ff.
61
Vgl. Srocke, S. 235
62
Kreienbaum und Urbaniak, S. 33
57
12
änderte sich. Mädchen zogen sich aus den naturwissenschaftlichen Fächern weitgehend
zurück, Jungen mieden Französisch und musische Fächer.63
3. Vor- und Nachteile der Koedukation
Mit der Einführung der Koedukation in den 1960er Jahren wurde gegen die
Ungleichheit zwischen Frau und Mann vorgegangen und die Mädchen in das bestehende
Schulsystem der Jungen aufgenommen.64 Erst jetzt bestand auch für eine Frau die
Möglichkeit, beruflich Karriere zumachen.
Ein Ziel der Koedukation ist das Ausbrechen aus den festgefahrenen, traditionellen
Rollenverteilungen von Frau und Mann im Privat- und Berufsleben. Durch die gemeinsame
und gleiche Erziehung kann auch die Schule ihren Beitrag zur Gleichberechtigung leisten. 65
Sie sollte nicht noch zusätzlich die Unterschiede, die in unserer Gesellschaft zwischen den
Geschlechtern gemacht werden, durch getrennten und ungleichen Unterricht befürworten.
Vielmehr sollte sie, durch das Zusammenwirken von Mädchen und Jungen im Unterricht, das
Interessenspektrum des je anderen Geschlechts erweitern.66 Sodass zum Beispiel auch
Mädchen einen Zugang zu typischen Männerberufen wie Kfz-Mechaniker oder Ingenieur
bekommen.67
Ein weiterer Punkt, der für die Koedukation spricht, ist der Konkurrenzdruck, der
durch das gemeinsame Lernen zwischen den Geschlechtern entsteht, da Jungen auf keinen
Fall den Mädchen unterlegen sein wollen und umgekehrt. Dieser wirkt sich positiv auf den
Fleiß und die Motivation der Schüler im Unterricht aus. 68
Grundsätzlich bevorzugen die Betroffenen, wie Eltern, Schülerinnen und Schüler
einen geschlechtergemischten Unterricht, wofür auch die geringe Zahl an monoedukativen
Schulen in Deutschland spricht.69
Jedoch bringt die Koedukation auch Nachteile im Bezug auf die Leistung der Schüler,
aber vor allem der Schülerinnen mit sich. Da es nach der Aufnahme von Mädchen in das
„Knaben-Schulwesen“ keine Neuordnung des Schulsystem gab, wurde von den Schülerinnen
verlangt, sich dem auf die Jungen zugeschnittene Lehrplan anzupassen. Dabei wurde keinerlei
63
Vgl. ebd. S. 32ff.
Vgl. Rendtorff, S. 39ff.
65
Vgl. http://www.juppidu.de/juppidu/schule%20beruf/Koedukation.html, Stand: 22.10.2008
66
Vgl. Rendtorff, S. 41ff.
67
Vgl. http://www.juppidu.de/juppidu/schule%20beruf/Koedukation.html, Stand: 22.10.2008
68
Vgl. http://www.juppidu.de/juppidu/schule%20beruf/Koedukation.html, Stand: 22.10.2008
69
Vgl. Rendtorff, S. 49f.
64
13
Rücksicht auf ihre weiblichen Eigenschaften und Fähigkeiten genommen.70 So kommt es,
dass bis heute den Lehrplänen koeduaktiven Schulen vorgeworfen wird, dass die Inhalte des
Unterrichts immer noch deutlich an den Interessen der Jungen orientiert sind. Hierbei wird
vom „heimlichen Lehrplan der Jungen“ gesprochen.71
Auch werden die Mädchen bei der gemeinsamen Erziehung oft von den dominanteren
Jungen unterdrückt, indem die Jungen z.B. häufiger die Beiträge der Mädchen, als die ihrer
Geschlechtsgenossen
niedermachen,
entwickeln
die
Mädchen
ein
geringeres
Selbstbewusstsein.72 Weil die Jungen ein dominanteres Auftreten haben, egal ob dieses positiv
oder negativ ist, fällt die Aufmerksamkeit des Lehrers häufiger den Jungen zu. Die ruhigen,
angepassten Mädchen werden dabei oft übersehen und benachteiligt.73
In Untersuchungen wird immer wieder festgestellt, dass sich beide Geschlechter in
ihren Leistungsmöglichkeiten gegenseitig
ausbremsen, indem sich zum Beispiel die
Mädchen, die tendenziell in Sprachen besser abschneiden als die Jungen, dem Sprachniveau
der Jungen nach unten angleichen.74
Vor allem aber in den Fächern Physik und Mathematik zeigen Mädchen eine deutlich
geringere Bereitschaft, sich im Unterricht einzubringen, als die Jungen.75 So konnte an
Mädchenschulen ein größeres Interesse an Physik und Mathematik verzeichnet werden, als an
koedukativen Schulen.76 Diese Beobachtung gibt Anlass zur Vermutung, dass eine mögliche
Ursache für die Geschlechtsunterschiede in diesen Fächern, in der praktizierten Koedukation
zu suchen ist.
Im nächsten Teil meiner Arbeit möchte ich genauer auf den mathematischen und
physikalischen Unterricht in koedukativen Schulen und die darin immer wieder beobachteten
geschlechtsspezifischen Unterschiede eingehen.
III. Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht
1. Historische Entwicklung der Bildungschancen der Mädchen in Mathematik und
Physik
70
Vgl. Rendtorff, S. 46f.
Vgl. Pfister S. 63ff.
72
Vgl. http://www.juppidu.de/juppidu/schule%20beruf/Koedukation.html, Stand: 22.10.2008
73
Vgl. Pfister, S. 63ff.
74
Vgl. Rendtorff, S. 42f.
75
Vlg. Srocke, S. 1ff.
76
Vgl. ebd. S. 239
71
14
1.1 Mathematik
Mathematik ist heute an allen Schulen Hauptfach und nimmt einen hohen
Stundenanteil im Lehrplan jeder Jahrgangsstufe ein. Das war aber nicht immer so. An den
Mädchenschulen
des
19.
Jahrhunderts
war
Mathematikunterricht
keineswegs
selbstverständlich. Der Schwerpunkt der Erziehung von Mädchen wurde auf die Vorbereitung
für ihre spätere Tätigkeit als Hausfrau gesetzt. Dabei war zwar ab 1907 auch mathematische
Bildung vorgesehen, jedoch nur in dem Maße, indem sie für das alltägliche Leben als
Hausfrau gebraucht wurde. Da der „praktische Nutzen“77 im Vordergrund stand, war der
Mathematikunterricht sehr konkret ausgerichtet. Es wurden den Mädchen rein mechanische
Rechenregeln beigebracht.78 Einen tieferen Einblick in mathematische Zusammenhänge
wurde ihnen nicht zugestanden, da allgemein die Ansicht verbreitet war, dass Frauen „den
Anforderungen der höheren Mathematik nicht gerecht werden könnten“.79 So schrieb J.B.
Möbius 1907 in seinem Buch über „die Anlage zur Mathematik“: „Das Mathematische ist der
Gegensatz zum weiblichen.“ 80 Er begründete die mangelnde Begabung der Frau vor allem
mit der ihr zugeschriebenen Eigenschaft der Emotionalität und folgert daraus, dass ein
„mathematisches Weib wider der Natur ist“81. Die im Gegensatz zum Mann sehr
gefühlsbetonte Frau, sei zu emotional für die exakten, rationalen mathematischen
Zusammenhänge.82
1.2 Naturwissenschaften
In den Naturwissenschaften hatten die Mädchen ähnliche Voraussetzungen wie in der
Mathematik. Nachdem auch zu diesem Bereich den Mädchen lange Zeit der Zugang verwehrt
blieb, wurde ihnen bis zum Ende des Faschismus nur ein „explizit, auf ihre Rolle als Hausfrau
zugeschnittener Unterricht“83 ermöglicht.84 Während der Physikunterricht, der Jungen dazu
da war, „die Ordnung im All zu begreifen und ihren Blick für die technischen Maschinen und
das Verkehrswesen zu weiten“85, knüpfte der Physikunterricht in den Mädchenschulen an die
Beobachtungen und Vorgänge des engeren Lebensumfeldes der Mädchen an. Sie wurden zum
77
Faulstich-Wieland, S. 82
Vgl. ebd. S. 81ff.
79
Ebd. S. 84
80
Möbius, P.J. (1907): Über die Anlage zur Mathematik, Leipzig, zitiert nach: Eckelt, I. (1981): Mathematik nix
für Frauen?!, Albatrosverlag GmbH, Frankfurt, S. 5
81
Ebd. S. 5
82
Vgl. Eckelt, I. (1981): Mathematik nix für Frauen?!, Albatrosverlag GmbH, Frankfurt, S. 5f.
83
Faulstich-Wieland, S. 95
84
Vgl. ebd. S. 95ff.
85
Pfister, S. 126
78
15
Beispiel über die Funktion und Bedienung von Gas- und Kohleherd unterrichtet. Handarbeitsund Hauswirtschaftsunterricht wurden bevorzugt und gingen auf Kosten der Stunden von
naturwissenschaftlichen Fächern, vor allem von Physik.86
Zusammenfassung:
In den letzen Jahrhunderten hatten Frauen kaum die Gelegenheit, sich mathematisches
und naturwissenschaftliches Wissen anzueignen. Immer wieder wurde ihnen ein Riegel
vorgeschoben, mit der Begründung, Frauen seien nicht geeignet für diese Bereiche. Jede Frau
hatte dies, als von der Natur aus bedingte Tatsache zu akzeptieren.
Rückblickend auf diesen Lehrplan ist es nicht verwundernd, wenn Frauen aus dieser
Schulzeit berichten, dass sie keine naturwissenschaftliche Förderung erhielten, dass es aber
auch keineswegs als Schande angesehen wurde, in diesen Fächern zu versagen.
2. Geschlechtsspezifische Unterschiede in diesen Fächern
Obwohl schon seit Beginn der 70er Jahre im Unterricht kein Unterschied mehr
zwischen den Geschlechtern gemacht wird und die Koedukation durchgängiges Prinzip an
fast allen Schulen in Deutschland ist, sind immer noch deutliche geschlechtsspezifische
Unterschiede in den Interessen und Leistungen von Schülerinnen und Schülern zu erkennen.
Vor allem in den Fächern Physik und Mathematik zeigen Mädchen eine deutlich
geringere Bereitschaft, sich im Unterricht einzubringen als die Jungen.87 Bei der 2002
durchgeführten Pisastudie gehörte Deutschland zu den 50% der Teilnehmerstaaten, in denen
mathematische Kompetenzen deutlich zugunsten der Jungen festgestellt wurden. In vielen
anderen Ländern erreichten die Jungen nur geringfügig höhere Werte und in drei Ländern
lagen die Mädchen mit ihren mathematischen Kompetenzen sogar vorne.88
In den unteren Jahrgangsstufen sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede noch
nicht so stark ausgeprägt. Von der 1. bis zur 7. Klasse sind es sogar noch überwiegend
Mädchen, die angeben, Spaß an Mathematik zu finden. Mit zunehmendem Alter nimmt
jedoch das Interesse am Fach Mathematik bei den Mädchen ab, bei den Jungen nimmt es
dagegen mit zunehmendem Alter zu.89 Auch im Hinblick auf die Leistung in Physik, ist mit
86
Vgl. ebd. S. 126ff.
Vgl. Srocke, S. 1ff.
88
Vgl. Stürzer, M., Roisch, H., Hunze, A.& Corneließen, W.(2003):
Leske+Budrich, Opladen, S. 102ff
89
Vgl. Eckelt, S. 57f.
87
16
Geschlechterverhältnisse in der Schule.
zunehmendem
Alter
und
dem
wachsenden
Bildungsanspruch
eine
„zunehmende
durchschnittliche Überlegenheit des männlichen Geschlechts“90 zu erkennen.91
So sind zum Vergleich in der Hauptschule keine so deutlichen geschlechtsspezifischen
Unterschiede
festzustellen, wie im Gymnasium.92 „Während es in der Hauptschule
offensichtlich Schülerinnen gibt, die bei einigen, der dort schwierigen Mathematikaufgaben
ihren männlichen Mitschülern überlegen sind, scheint dies im Gymnasium nicht der Fall zu
sein.“93
In der 1996 durchgeführten TIMSS Studie wurde festgestellt, dass die Mädchen der
gymnasialen Oberstufe in den Mathematikleistungskursen deutlich schlechtere Leistungen
erbrachten, als die Jungen.94
Auch
bei
internationalen
Vergleichen
von
Geschlechtsunterschieden
in
den
Mathematikleistungen konnte festgestellt werden, dass ab dem 13. Lebensjahr (entspricht
ungefähr dem Alter der Jugendlichen in der 8.Klasse) Jungen einen Vorsprung in den
Mathematiktests gegenüber den Mädchen aufwiesen. Auffällig war hierbei, dass der größte
Unterschied zwischen den Mathematikleistungen von Mädchen und Jungen in den Ländern,
festgestellt werden konnte, in denen gesellschaftliche Rollenvorstellungen von Mann und
Frau noch am meisten verbreitet waren. Also in den Ländern, in denen die Anzahl an
berufstätigen Frauen am niedrigsten war, wie z.B. Israel. Hierbei kommt die Frage auf welche
Rolle die tradierten Rollenvorstellungen auf die Mathematikleistungen der Mädchen spielen.95
Auch in den Naturwissenschaften ist eine ähnliche Entwicklung der Interessen zu
beobachten. Am stärksten ausgeprägt ist der Interessensunterschied zwischen den
Geschlechtern im Fach Physik. Mit zunehmendem Alter wird das Fach Physik bei den
Mädchen immer unbeliebter, Jungen dagegen nennen bei der Frage nach ihrem Lieblingsfach
Physik und Mathematik an erster Stelle. Die Leistungsunterschiede in Physik fallen noch
deutlicher zugunsten der Jungen aus, als in Mathematik. Laut der TIMSS Studie sind die
Jungen sowohl in den Leistungs-, als auch in den Grundkursen deutlich besser als die
Mädchen.96
90
Arsendorpf, J.B. (1996): Psychologie der Persönlichkeit/ Grundlagen, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, S.
294
91
Vgl. ebd. S. 294f.
92
Vgl. Neubrand, M. (2004): Mathematische Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland
(Vertiefende Analyse im Rahmen von Pisa 2000), Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage GmbH,
Wiesbaden, S. 82
93
Ebd. S. 82
94
Vgl. Stürzer, Roisch, Hunze,& Corneließen, S. 102ff.
95
Vgl. Srocke, S. 124 f.
96
Vgl. Stürzer, Roisch, Hunze, & Corneließen, S. 102ff.
17
Im Fach Chemie sind die Interessensunterschiede nicht mehr so deutlich
festzumachen, wie in Physik. Das naturwissenschaftliche Fach Biologie wird mit
zunehmenden Alter bei den Mädchen immer beliebter, hier sind es die Jungen, die immer
weniger werdendes Interesse an diesem Fach zeigen.97
3. Kurswahlen in der Oberstufe des Gymnasiums
Im Durchschnitt verbringt jede Schülerin und jeder Schüler während seiner Schulzeit
10 000 Stunden im Schulunterricht. Es ist eindeutig, dass diese Zeit einen großen Einfluss auf
die Entwicklung der Persönlichkeit jedes Kindes haben muss. Während der Schulzeit wird
versucht, jedem Schüler auf vielen verschiedenen Wissensbereichen einen Einblick zu
ermöglichen und ihm eine allgemeine Bildung in dem jeweiligen Bereich zu vermitteln. Es
gibt dabei Bildungsbereiche, die jeder Schüler erlernen muss. Diese ziehen sich durch die
gesamte Schulzeit hindurch und werden als so genannte „Hauptfächer“ bevorzugt unterrichtet.
Zu diesen Hauptfächern zählen seit der Grundschule die Fächer Mathematik und Deutsch.
Auch die Natur- und Gesellschaftswissenschaften werden bereits in der Grundschule in dem
Fach Heimat- und Sachkunde versucht, den Schülerinnen und Schülern nahe zu bringen. Die
Hauptfächer haben für die Schüler eine besondere Relevanz, da sie mit der größten
Stundenanzahl unterrichtet werden und deswegen auch bei der Benotung schwerer gewichtet
werden als die Nebenfächer. So kommt es, dass Erfolg in den Hauptfächern für die
Schülerinnen und Schüler besonders wichtig sind.98
Die Beliebtheit der Fächer variiert von Schüler zu Schüler. Zwischen den
Geschlechtern sind auffallende Unterschiede im Bezug auf die Beliebtheit der Fächer zu
erkennen. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Schwerpunktsetzung bei den Wahlen
der Neigungsfächer anschaut. Sobald die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben,
Fächer zu wählen, bzw. abzuwählen, zeigt sich die unterschiedliche Interessenausprägung
noch deutlicher. So kann in der gymnasialen Oberstufe eine klare Grenze gezogen werden
zwischen Mathematik und den Naturwissenschaften, als „männliche“ Fächer und
Fremdsprachen, die bevorzugt von Schülerinnen gewählt werden.
Es gibt Anzeichen dafür, dass in koedukativen Schulen die Geschlechtertypisierung in
der Kurswahl stärker ist, als an getrennten Schulen. Dies lässt vermuten, dass die Bandbreite
an Interessen die Schülerinnen entwickeln können, an Mädchenschulen größer ist, da hier die
97
Merzyn, G. (2008): Naturwissenschaften, Mathematik und Technik- immer unbeliebter?, Schneider Verlag
Hohengehren GmbH, Baltmannsweiler, S. 24f.
98
Vgl. Faulstich-Wieland, S. 81ff.
18
Konkurrenz mit den häufig dominierenden Jungen entfällt. 99 Verstärkt wird diese Vermutung
durch die schon in Kapitel II.2.3.5 gemachte,
interessante Beobachtung, die nach der
Einführung der Koedukation 1965 festgestellt werden konnte:
Das „Wahlverhalten“100
sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen änderte sich. Mädchen zogen sich aus den
naturwissenschaftlichen Fächern weitgehend zurück, Jungen mieden Französisch und
musische Fächer.101 Aber warum nützten die Mädchen ihre neue Errungenschaft, nun auch
einen unbeschränkten Zugang zu den Naturwissenschaften und zur Mathematik zu haben
nicht aus, sondern zogen sich wieder gemäß den alten Rollenklischees zu den Fächern zurück,
die ihnen schon seit Jahrhunderten zugeschrieben wurden? Ist es weil Frauen mangelnde
Begabung in diesen Bereichen aufweisen und sie beim gemeinsamen Unterricht den Jungen
unterlegen sind? Oder ist es, weil sich Frauen naturwissenschaftliche und mathematische
Fähigkeiten nicht zutrauen, weil sie so erzogen worden sind?
IV.
Erklärungsansätze:
Gründe
für
geschlechtstypische
Unterschiede
1. Entwicklung von Stereotypen
Jeder Mensch hat ein biologisches Geschlecht, er ist entweder weiblich oder männlich.
Mit dem jeweiligen Geschlecht verknüpfen wir bestimmte Vorstellungen, z.B. erwarten wir
von einer Frau in bestimmten Situationen andere Verhaltensweisen als von einem Mann.
Diese geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen sind jedoch nicht auf Grund des biologischen
Geschlechts einem Mädchen oder einem Jungen angeboren, sondern werden durch unsere
unterschiedlichen Erwartungen, die wir an das jeweilige Geschlecht haben, und durch die
Unterschiede, die wir zwischen den Geschlechtern machen, erst hergestellt. Gibt es also
wirklich Eigenschaften, die immer bei einem Geschlecht vorkommen? So wurden in
zahlreichen Studien deutliche Geschlechterunterschiede festgestellt, welche jedoch durch
99
Oecd 1989 in Srocke, S. 240
Kreienbaum und Urbaniak, S. 33
101
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 32ff.
100
19
zahlreiche andere Studien wieder widerlegt wurden, da diese die gleichen Eigenschaften dem
jeweils anderen Geschlecht zuordneten. 102
Die Auffassung, dass „wir Menschen selbst die Unterschiede zwischen den
Geschlechtern machen“103 setzt sich seit den 90er Jahren immer mehr durch.104 Schon durch
die unterschiedlichen Spielsachen, die wir Jungen und Mädchen in ihrer Kindheit schenken,
fangen wir an, unseren Kindern traditionelle Rollenbilder zu vermitteln. Auch durch die
Medien werden uns und unseren Kindern häufig noch sehr traditionelle Bilder von Mann und
Frau vermittelt: Männer sind aktiv im beruflichen Leben, dagegen dominieren Frauen in Haus
und Familie. So sind in Werbungen für Haushaltsartikel wie Waschmittel nur Frauen zu
sehen, die für das Produkt werben. Durch derartige Rollenvorbilder bekommen Kinder die
traditionellen Muster vermittelt, bevor sie überhaupt
in der Lage sind, diese bewusst
wahrzunehmen.105
Selbst wenn sich Eltern um eine möglichst neutrale Erziehung bemühen, sind sich die
Kinder doch schon sehr früh ihres Geschlechts bewusst und haben schon genaue
Vorstellungen davon, wie sich ein Junge oder ein Mädchen üblicherweise zu verhalten hat.
Genaue Geschlechterrollenvorstellungen lassen sich auch im Bereich der Mathematik
und den Naturwissenschaften wieder finden. Wie bereits ausgeführt, waren Mädchen lange
Zeit von jeglicher mathematischer und naturwissenschaftlicher Bildung ausgeschlossen.
Obwohl ihnen zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts der Zugang zu diesen Bereichen
gewährt wurde, mussten viele Familien erst damit vertraut werden, dass nun auch Mädchen
Mathematikhausaufgaben
lösten
und
sich
mit
physikalischen
Zusammenhängen
beschäftigten.106 Da Vorstellungen über das „Wesen“ der Geschlechter über einen langen
Zeitraum wachsen, geht die Veränderung dieser Vorstellungen auch nur sehr langsam
vonstatten.107 Aus diesem Grund konnte sich ein Großteil der Gesellschaft noch nicht oder nur
sehr langsam an die neue Position der Mädchen in diesem nach wie vor von Männern
beherrschten Bereich gewöhnen. Bis heute gelten Mathematik und die Naturwissenschaften
als Teil der männlichen Geschlechtsrolle. Der Grund dafür sind zum einen viele Familien, die
von Generation zu Generation ihren Kindern weiterhin die Auffassung überliefern, dass
Mathematik und die Naturwissenschaften keine Beschäftigung für Mädchen sind. Zum
anderen werden Mathematik und Physik hauptsächlich von Männern unterrichtet.108 „Im Fach
102
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak. S. 39ff.
Ebd. S. 39
104
Vgl. ebd. S. 36 ff.
105
Vgl. Srocke, S. 175f.
106
Vgl. Srocke, S. 175f.
107
Kreienbaum und Urbaniak, S. 46
108
Vgl. Srocke, S. 175f.
103
20
Mathematik beträgt der Lehrerinnenanteil in Baden-Württemberg ca. 20%, der Lehreranteil
über 80%.“109 Im Fach Physik ist der Anteil der weiblichen Lehrkräfte an Gymnasien noch
geringer als im Fach Mathematik.110 Dadurch wird den Mädchen tagtäglich vor Augen
geführt, dass Mathematik und Physik weniger ein Tätigkeitsfeld für Frauen, als für Männer
ist. Es fehlt an Rollenvorbildern, die interessierte Mädchen für eine weitere Beschäftigung mit
Mathematik und Physik motivieren.111 Nicht zuletzt sind auch die Mathematik und
Physikbücher daran schuld, dass traditionelle Rollenvorstellungen weiterhin vermittelt
werden. Die darin vorkommenden Aufgaben enthalten traditionelle Rollenklischees: Frauen
sind häufig beim Einkaufen zu beobachten, wobei sie in der Regel Lebensmittel einkaufen, sie
dominieren in Aufgaben, die für die Haushaltsführung nützlich sind. Männer werden im
beruflichen Bereich dargestellt.112 „Jungen sind in den Büchern deutlich in der Überzahl und
verstärken so den Eindruck, dass Mathematik eher etwas für das männliche Geschlecht sei.“113
Ein Grund für die geringere Beteiligung der Mädchen in Mathematik und Physik ist
demzufolge sicherlich die Geschlechterrollenvorstellung von diesen beiden Fächern als
„männliche Domäne“. Es konnte beobachtet werden, dass Mädchen, die nicht ausschließlich
eine Ausrichtung an der weiblichen Geschlechtsrolle zeigen, sondern sich auch an der
männlichen Geschlechtrolle orientieren, eine größere Bereitschaft zur Beschäftigung mit
Mathematik
aufweisen,
Rollenerwartungen
zu
als
Mädchen,
erfüllen
die
versuchen.
ausschließlich
Solange
also
traditionelle
weibliche
Mathematik
und
die
Naturwissenschaften weiterhin als männliches Betätigungsfeld gelten, werden Mädchen, die
sich stärker an traditionellen Rollenvorstellungen orientieren, sich von Anfang an aus diesem
Bereich zurück halten.114
„Aber wenn wir es sind, die die bestehenden Geschlechterunterschiede in Mathematik
und den Naturwissenschaften hervorrufen, müssten wir sie auch verändern können.“115
2. Unterschiede im Interesse und der Einstellung zu Mathematik und Physik zwischen
Mädchen und Jungen
109
Stürzer, Roisch, Hunze, & Corneließen, S. 30
Vgl. ebd. S. 31
111
Vgl. Srocke, S. 175f.
112
Vgl. Faulstich-Wieland, S. 92
113
Srocke, S. 176
114
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 39
115
Ebd. S. 39
110
21
Woran liegt es, dass die Kurswahlen der gymnasialen Oberstufe so einseitig ausfallen,
obwohl es den Mädchen doch durchaus erlaubt ist ebenfalls Physik als Neigungsfach zu
wählen?
Man könnte, wie einst schon Möbius, die „mangelnde Begabung“116 der Frau in
Mathematik und Naturwissenschaften für ihr geringes Interesse an diesem Bereich
verantwortlich machen. Doch sprechen die Noten der durchaus vorhandenen mathematisch
hochbegabten Schülerinnen, gegen dieses Argument. Die Anzahl von begabten Jungen in
Mathematik und Physik ist meist doppelt so groß wie die Anzahl der begabten Mädchen in
diesen Fächern. Da die Anzahl von mathematisch begabten Mädchen mit zunehmendem Alter
immer kleiner wird, die der Jungen dagegen größer, machen die mathematisch begabten
Mädchen bei Leistungsvergleichen im Gegensatz zu den Jungen nur einen kleinen Prozentsatz
im Durchschnitt aus und werden deswegen in Untersuchungen oft übersehen oder
verschwiegen, obwohl sie es durchaus mit den mathematisch begabten, gleichaltrigen Jungen
aufnehmen können.117
Heute wissen wir, dass das Interesse an einem bestimmten Gebiet nicht auf Grund des
Geschlechts angeboren ist, sondern, dass eine Vielzahl äußerer Bedingungen wesentlich zur
Entwicklung und zur Veränderung von Interessen und Neigungen beiträgt. Wenn wir uns nun
mit der Frage beschäftigen, was der Grund dafür ist, dass in der Koedukation immer weniger
Schülerinnen Interesse an Mathematik und Physik zeigen, müssen wir dabei die äußeren
Einflüsse, die auf die Mädchen in der Schule und auch Zuhause einwirken beachten. Im
Folgenden gilt es zu klären, wie die äußeren Einflüsse, vor allem die, der Koedukation und
die Entwicklung des Interesses von Mädchen an Mathematik und Physik zusammenhängen.118
2.1 Zusammenhang zwischen Interesse und Leistung
Der Grund, warum ich mich im folgenden Kapitel genauer mit den unterschiedlichen
Interessen und Einstellungen von Jungen und Mädchen gegenüber dem Mathematik- und
Physikunterricht beschäftigen werde, ist der enge Zusammenhang, der zwischen dem
Interesse, das man der Mathematik entgegen bringt, und der Leistung, die man in diesem
Gebiet erbringt, besteht.119 Zwar lassen sich gute Leistungen nicht allein auf ein hohes
Interesse zurückführen, genauso kann nicht zwangsläufig gesagt werden, dass bei einem
116
Möbius, zitiert nach: Eckelt, S. 5
Vgl. Arsendorpf, S. 294f.
118
Vgl. Srocke, S. 128 ff.
119
Vgl. Eckelt, S. 58
117
22
hohen Interesse auch eine gute Leistung erzielt wird. Dennoch darf man die Motivation, die
durch das Interesse an einem Gebiet bewirkt wird, nicht unterschätzen.
Wer in einem Schulfach gute Leistungen erbringt, hat meistens auch Spaß an diesem
Fach und ist bereit, sich auch außerhalb des Unterrichts näher mit diesem Fach zu
beschäftigen. Die zusätzliche Beschäftigung in diesem Fach wirkt sich dann wiederum positiv
auf die Leistung in diesem Fach aus. Umgekehrt wirken sich schlechte Leistungen negativ auf
das Interesse und die Bereitschaft, sich auch außerhalb des Unterrichts mit dem Fach näher zu
beschäftigen, aus.120
2.2 Nützlichkeit des Mathematik- und Physikunterrichts
Die Frage „Wozu brauche ich Mathematik?“, stellt sich jede Schülerin und jeder
Schüler im Laufe seiner Schullaufbahn immer wieder, wenn er im Mathematikunterricht sitzt
und nicht versteht worum es geht, oder wenn er auf eine Mathematikklausur lernen sollte und
keine Lust dazu hat. Nicht nur für Mathematik und Physik, sondern für alle Wissensgebiete
gilt, dass „die Motivation zum Erwerb des betreffenden Lernstoffs dann besonders hoch ist,
wenn der Erwerb derartigen Wissens für das Individuum von persönlicher Bedeutung ist oder
gar einen künftigen Nutzen verspricht.“121
Viel weniger Mädchen als Jungen wählen Berufe, in denen gute mathematische und
physikalische Kenntnisse benötigt werden, da die Mehrzahl der Berufe, für die Mathematik
oder Physik von Bedeutung ist, traditionelle Männerberufe sind, zu denen Frauen bisher
wenig Zugang gefunden haben.122 Das hat zur Folge, dass für die Mädchen häufig Mathematik
und Physik für die Berufswahl keine oder kaum eine Bedeutung hat. Da daher die Mädchen in
diesen Unterrichtsfächern keinen „zukünftigen Nutzen“123 für sich erkennen können, fehlt
ihnen das Interesse und die Motivation in diesem Gebiet.124
So bezeichnen viele Jungen Mathematik und Physik als ihr Lieblingsfach, weil sie
diese Fächer mit ihren außerschulischen Aktivitäten, wie z.B. sich mit technischen Geräten
beschäftigen und mit ihren Berufsaussichten in Verbindung bringen können. Mädchen
dagegen bemängeln am Mathematikunterricht, dass ihnen der Alltagsbezug fehle.125 Das liegt
vor allem daran, dass die meisten Mädchen in ihrer Freizeit deutlich weniger Erfahrung im
120
Vgl. Srocke, S. 98ff.
Aebli, H. (1987): Grundlage des Lehrens. Eine Allgemeine Didaktik auf psychologischer Grundlage, KlettCotta, Stuttgart, zitiert nach: Srocke, S. 133
122
Vgl. Pfister, S. 2
123
Srocke, S. 133
124
Vgl. ebd. S. 133 ff.
125
Vgl. Eckelt, S. 42 ff.
121
23
Umgang mit Werkzeugen und technischen Spielzeugen sammeln, da sie seltener technisches
Spielzeug geschenkt bekommen und auch seltener von ihren Eltern angeregt werden, bei
Reparaturen mitzuhelfen. Doch gerade die vor- und außerschulischen Beschäftigungen, mit
Mathematik und Physik hängen eng mit dem Interesse an Mathematik und Physik und der
Bedeutung für die Zukunft und den späteren Beruf zusammen.126
2.3 Einfluss der Lehrer
2.3.1 Aufmerksamkeitsverteilung
Die Einstellung einer Schülerin oder eines Schülers gegenüber der Mathematik und
der Physik wird stark durch die Lehrkraft beeinflusst. Die Lehrerin oder der Lehrer spielt also
eine wichtige Rolle, bei der Bereitschaft ihrer Schülerinnen und Schüler, sich mit Mathematik
oder Physik zu beschäftigen.
Wie schon in Kapitel II erwähnt, ist ein Nachteil der Koedukation die Benachteiligung
der Mädchen. Wenn Mädchen und Jungen in derselben Schulklasse sitzen, werden sie von
den Lehrkräften häufig unterschiedlich behandelt. Da die meisten Jungen ein dominanteres
Auftreten haben, schenkt ihnen der Lehrer oft unbewusst mehr Aufmerksamkeit.127 Wenn er
z.B. die Klasse ruhig halten will, muss er sich stärker mit den Jungen beschäftigen, weil diese
sich im Unterricht stärker aufdrängen.128 Auch bei Diskussionen in der Klasse erhalten die
ruhigeren Mädchen kaum die Chance sich einzubringen.129 Insgesamt gilt, dass in einer
koedukativen Klasse die aufgeweckten Jungen etwa 2/3 der Aufmerksamkeit des Lehrers
erhalten, die unauffälligeren Mädchen dagegen nur 1/3.130
Diese Aufmerksamkeitsverteilung des Lehrers auf die Schüler konnte auch im
Mathematikunterricht festgestellt werden. „Jungen werden vom Lehrer öfter angesprochen,
sie fragen mehr und werden ihrerseits häufiger gefragt.“131 Da dadurch die Jungen mehr im
Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehen, erhalten die Jungen insgesamt mehr
Rückmeldungen, Anerkennung und Lob. Die Mädchen gewinnen auf diese Weise den
Eindruck, dass ihre Beträge im Mathematikunterricht nicht so bedeutungsvoll sind wie die der
Jungen.
126
Vgl. Stürzer, Roisch, Hunze,& Corneließen, S. 116
Vgl. Pfister, S. 63ff.
128
Vgl. Eckelt, S. 62
129
Vgl. Pfister, S. 63ff.
130
Vgl. Spender, D. (1985): Frauen kommen nicht vor- Sexismus im Bildungswesen, Fischer, Frankfurt a. M.
zitiert nach: Srocke, S. 144
131
Srocke, S. 144
127
24
Außerdem sind die Mädchen weniger motiviert sich am Unterricht zu beteiligen, da
die geringere Aufmerksamkeit, die ihnen geschenkt wird sie denken lässt, dass ihre
Beteiligung im Fach Mathematik weniger erwartet wird.132
2.3.2 Erwartungshaltung der Lehrer
Mädchen sind stärker als Jungen von „personengebundener Bestätigung“133 abhängig.
Für sie bewirkt eine positive Rückmeldung einer für sie bedeutungsvollen Person, wie z.B.
einem Lehrer, eine größere Motivation zu lernen. Die Jungen dagegen lassen sich mehr durch
ihre Leistung, die sie z.B. in richtigen Lösungen erkennen können motivieren. Um die
Lehrerin oder den Lehrer zufrieden zu stellen, versuchen die Mädchen sich so zu verhalten,
wie sie denken, dass die Lehrerinnen und Lehrer es von ihnen erwarten. Jedoch sind die
Erwartungen, die Lehrerinnen und Lehrer von der Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und
Schülern haben, geschlechtsspezifisch gefärbt. Häufig schreiben Lehrerinnen und Lehrer
ihren Schülerinnen eine geringere Mathematikfähigkeit zu, als ihren Schülern. In den
Aussagen, die die Lehrkräfte über ihre Schülerinnen und Schüler machen, können die
traditionellen Geschlechterrollenvorurteile wieder entdeckt werden.
Wenn nun die Schülerinnen die Erwartungshaltung erfüllen wollen, welche sie bei den
Lehrerinnen und Lehrern vermuten, stellt sich die Frage, ob die Schülerinnen vielleicht
deshalb ein geringeres Interesse zeigen sowie schlechtere Leistungen in Mathematik erzielen,
weil die Lehrerinnen und Lehrer es von ihnen erwarten. Die Lehrkräfte äußern zwar ihre
Erwartungen, dass sie den Mädchen geringere Fähigkeiten als den Jungen zutrauen nicht
gegenüber den Schülerinnen und Schülern im Unterricht, dennoch gibt ein Lehrer seine
Auffassungen
und
Überzeugungen
oft
unbewusst
in
seinen
Äußerungen
und
Verhaltensweisen an seine Schülerinnen und Schüler weiter.134
Jedoch muss gesagt werden, dass diese Leistungseinschätzungen der Lehrer gegenüber
ihren Schülern aus den 80er Jahren stammen. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass
zwei Drittel der befragten Lehrerinnen und Lehrer beide Geschlechter für gleichermaßen
begabt hielten. Nur noch etwa ein Drittel der befragten Lehrer und Lehrerinnen antworteten
auf die Frage, welches Geschlecht sie in Mathematik für begabter hielten, mit Jungen.135
Wobei berücksichtigt werden muss, dass inzwischen viele Lehrkräfte über die
geschlechtsspezifischen Leistungseinschätzungen und deren Wirkungen, die diese auf die
132
Vgl. ebd. S. 144ff.
Srocke, S. 144
134
Vgl. Srocke, S. 144ff
135
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109703.html, Stand: 01.06.09
133
25
Schülerinnen haben, aufgeklärt worden sind. Dadurch lässt sich nicht mehr so leicht
herausfinden, ob tatsächlich keine Unterschiede mehr in den Leistungseinschätzungen
existieren, oder ob die Lehrer sich nur nicht mehr trauen, heutzutage eine solche Meinung zu
äußern.136 Bettina Srocke vermutet aufgrund von Erfahrungsberichten, dass Mädchen von
ihren
Mathematiklehrerinnen
und
-lehrern
zwar
nicht
in
ihrer
mathematischen
Leistungsfähigkeit entmutigt werden, aber umgekehrt auch häufig nicht sehr viel
Unterstützung erhalten.137
Zwar glauben immer mehr Lehrer an keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern
im Hinblick auf die Mathematikleistungen, dennoch traut kaum einer der befragten Lehrer
den Mädchen eine höhere Leistungsfähigkeit in Mathematik zu, als den Jungen.138
Bei Befragungen von Lehrkräften, bestätigten immer noch einige Lehrerinnen und
Lehrer die herrschenden Rollenklischees.139 Für Lehrerinnen und Lehrer bedeutet dies, dass
sie sich über mögliche Vorurteile bewusst werden müssen und ihr Verhalten und ihre
Einstellung immer wieder auf eingefahrene Muster überprüfen müssen.140
2.5 Unterrichtsinhalte
Die behandelten Unterrichtsinhalte in Mathematik und Physik entsprechen oft nicht
der Erfahrungswelt der Mädchen, sondern größtenteils der der Jungen. Es konnte jedoch die
Beobachtung gemacht werden, dass Aufgaben die aus Lebens- und Interessenbereich der
Jungen stammen, von Mädchen schwieriger empfunden werden als von Jungen.141
Das Institut der Pädagogik der Naturwissenschaften fand heraus, dass es im Fach
Physik im Wesentlichen auf den „Anwendungsbezug des Inhalts“142 ankommt. Wenn
zumindest ein potentieller Anwendungsbezug zum eigenen Leben hergestellt werden kann,
steigt das Interesse bei Mädchen als auch bei Jungen deutlich. Wird ein Phänomen an einem
medizinischen oder sozialen Kontext erklärt, sind beide Geschlechter aufmerksam und fühlen
sich angesprochen. Wird jedoch ein Phänomen anhand eines technischen Inhalts, wie z.B.
eines Automotors demonstriert, schalten die Mädchen ab.143
136
Vgl. Faulstich-Wieland, S. 91
Vgl. Srocke, S. 148
138
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109703.html, Stand: 01.06.09
139
Vgl. ebd. S. 148f.
140
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, S. 47
141
Vgl. Faulstich-Wieland, S. 93
142
Hoffmann, L. und Lehrke, M. (1986): Untersuchung über Schülerinteressen an Physik und Technik.
Zeitschrift für Pädagogik 32, S. 189-204 zitiert nach: Kreienbaum und Urbaniak, S. 114
143
Vgl. Hoffmann und Lehrke, M. (1986): Untersuchung über Schülerinteressen an Physik und Technik.
Zeitschrift für Pädagogik 32, S. 189-204 zitiert nach: Kreienbaum und Urbaniak, S. 114
137
26
Durch die Themenwahl kann an die Erfahrungswelt der Mädchen angeknüpft werden
und somit ihr Interesse für Physik und Mathematik gewonnen werden.144
3. Selbstvertrauen in die eigene Mathematikleistung Mädchen und Jungen
Ein
auffallender
Unterschied
zwischen
Mädchen
und
Jungen
besteht
im
Selbstvertrauen, das sie den eigenen Mathematikfähigkeiten entgegenbringen. Neben einem
grundsätzlich geringeren Selbstvertrauen, das die Mädchen gegenüber den Jungen in ihre
eigenen Fähigkeiten haben, unterschätzen Mädchen diese auch speziell in Mathematik und
Physik.
3.1 Überlegenheit der Jungen
Werden die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums gefragt, welches der beiden
Geschlechter die bessere Mathematikleistung erbringt, so ist zu beobachten, dass ab der 5.
Klasse beide Geschlechter die Jungen als besser und vor allem als leistungsfähiger in
Mathematik ansehen.145 Auch in dem Fach Physik vermuten beide Geschlechter bei den
Jungen ein größeres physikalisches Verständnis als bei den Mädchen.146 In der Klassenstufe 9
bis 12 glauben etwa ein Drittel aller Jungen und Mädchen, dass die Jungen in Mathematik
besser sind, während nur 16% der Befragten den Mädchen zutrauten, besser in Mathematik zu
sein. Dies war auch in Klassen der Fall, in denen die durchschnittlichen Mathematiknoten der
Mädchen besser waren als die der Jungen.147 Folglich verfügen Jungen über ein positiveres
Selbstvertrauen in ihre Mathematikfähigkeiten als Mädchen.148 Das zeigt sich zum einen
darin, dass sie das Gefühl haben, für gute Leistungen in diesem Fach weniger arbeiten zu
müssen. Zum anderen haben Jungen, die bisher nicht erfolgreich waren in diesem Fach,
trotzdem eine höhere Erwartung in ihre künftigen Mathematikleistungen als die Mädchen.149
Durch die weit verbreitete Auffassung, dass Jungen grundsätzlich besser sind in
Mathematik und Physik als Mädchen, wird den Mädchen von Schulbeginn an das Gefühl
vermittelt, den Jungen in Mathematik unterlegen zu sein, was zur Folge hat, dass die Mädchen
schon sehr früh geringere Erwartungen in ihre eigenen Fähigkeiten entwickeln als Jungen.
144
Vgl. Kreienbaum und Urbaniak , S. 123
Vgl. Eckelt, S. 61
146
Vgl. Faultstich-Wieland, S. 102
147
Vgl. Eckelt, S. 53
148
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109703.html, Stand: 01.06.09
149
Vgl. Srocke, S. 167
145
27
Auch das Selbstvertrauen der Mädchen in ihre Physikleistungen ist in erster Linie von der
Vorstellung geprägt, dass Physik nichts für sie ist.150 Deswegen ist es häufig der Fall, dass in
koedukativen Gruppen Schülerinnen weniger motiviert sind, sich im Mathematik- und
Physikunterricht einzubringen und sich Fähigkeiten in diesen Bereichen zuzutrauen.
Das geringere Selbstvertrauen in ihre Leistungen führt dazu, dass Mädchen ihre
Leistungen kaum realistisch einschätzen. Sogar wenn ihre Leistungen besser sind als die ihrer
Mitschüler, sind sie trotzdem noch der Meinung, die Jungen seien das bessere Geschlecht in
Mathematik und Physik.151 Auffällig sind die Ergebnisse zu der Selbsteinschätzung der
Schüler und Schülerinnen. Mädchen schätzen ihre Leistungen im Durchschnitt etwas geringer
ein, als die tatsächliche Schulnote ist. Jungen liegen mit ihrer Selbsteinschätzung
durchschnittlich oberhalb der tatsächlichen Note.152 Die Jungen scheinen im Vergleich zu den
Mädchen, ihre Fähigkeiten realistischer einschätzen zu können.153 Nach einer Studie zum
Physikunterricht nimmt die Selbsteinschätzung von Mädchen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten
und Leistungen in Physik vom 7. bis zum 10. Lebensjahr deutlich ab, während die der Jungen
tendenziell ansteigt.154 Eine positive Selbsteinschätzung ist wichtig, weil sie uns zum Lernen
motiviert, und weil sie Einfluss auf die eigene Leistungsbereitschaft hat. Auch bei der PISAStudie 2003 konnte festgestellt werden, dass weniger Mädchen als Jungen an eine Begabung
in Mathematik glauben und daran, in Mathematik etwas zu erreichen, was viele Mädchen
dazu veranlasst, nichts mehr in Mathematik zu investieren, also nicht mehr für Mathematik zu
lernen. Eine positive Selbsteinschätzung ist zudem wichtig, weil sie eng mit dem Stellenwert,
den Schülerinnen und Schüler einem Fach zu ordnen, in Verbindung steht. Je besser sich
nämlich ein Schüler in Mathematik fühlt, desto wichtiger wird ihm das Fach. Je schlechter
sich eine Schülerin in Mathematik fühlt, umso unwichtiger wird für sie das Fach. Folglich
beeinflusst die Selbsteinschätzung das Interesse und die Motivation im Fach Mathematik.
So kommt es, dass die Jungen auf Grund ihrer positiveren Selbsteinschätzung im Fach
Mathematik und Physik, die besseren Vorraussetzungen zum Lernen besitzen. 155
2.3.2 Erwartungshaltung der Lehrer
Schon sehr früh beginnen Kinder, sich eine Meinung über die eigenen Kompetenzen
und Fähigkeiten auszubilden. Das Feedback und die Benotung durch den Lehrer in der Schule
150
Vgl. Faultstich-Wieland, S. 109
Vgl. Eckelt, S. 59
152
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109703.html, Stand: 01.06.09
153
Vgl. Eckelt, S. 59
154
Vgl. Stürzer, Roisch, Hunze,& Corneließen, S. 115
155
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109703.html, Stand: 01.06.09
151
28
spielen eine zentrale Rolle bei der eigenen Einschätzung. So wirken sich die Erwartungen, die
die Lehrerinnen und Lehrer an ihre Schülerinnen und Schüler haben auf das Selbstvertrauen
der Schülerinnen und Schüler in ihr Fähigkeiten aus. Da aber die Erwartungen der
Lehrerinnen und Lehrer wie schon in Kapitel IV.2.3.2 erwähnt immer noch durch
geschlechtsspezifische Vorurteile geprägt sind, nehmen Mädchen seltener positive
Erwartungen ihrer Lehrerinnen und Lehrer in ihre Mathematik- und Physikkompetenz wahr
und passen sich den Erwartungen an.156 Deswegen fällt es den Mädchen oft sehr schwer, ein
positives Selbstvertrauen in ihre mathematischen und physikalischen Fähigkeiten zu
entwickeln.157
3.2 Misserfolgserwartung
Mädchen und Jungen empfinden Bestätigung und Kritik unterschiedlich. Die Jungen
neigen eher dazu, nur ihre positiven Eigenschaften zu sehen und daher hauptsächlich
bestätigende Rückmeldungen in Erinnerung zu behalten. Den meisten Mädchen dagegen
bleiben sowohl positive als auch negative Beurteilungen ihrer Leistung deutlich in
Erinnerung. Das hat zur Folge, dass Jungen negative Einschätzungen ihrer Leistung
größtenteils ignorieren, oder zumindest die erhaltene Kritik nicht weiter schwer nehmen.158
Jungen neigen daher dazu, für Misserfolg die äußeren Umständen verantwortlich zumachen.
Zum Beispiel ist bei ihnen oft die viel zu schwierige Klassenarbeit an einem schlechten
Abschneiden schuld. Erfolge schreiben die Jungen ihrer Begabung zu.159
Bei den Mädchen ist es genau umgekehrt. Da es bei ihnen oft der Fall ist, dass sie
durch negative Beurteilungen ihrer Leistung stärker getroffen werden und Kritik an ihrer
Leistung oft persönlich nehmen, ist für sie Versagen ein Mangeln an ihren Fähigkeiten. 160
Demnach schreiben 50% der Mädchen, welche über sich selbst denken, „einfach nicht gut in
Mathematik zu sein“, den Misserfolg fehlender Begabung zu. Diese Mädchen haben ein sehr
geringes Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten, denn gegen fehlende Begabung können sie
nichts tun, diese besitzen sie.161 Erfolg ist für Mädchen eher eine Glückssache.
An der häufigen Aussage von Schülerinnen, sie hätten Angst, sich im
Mathematikunterricht an der Tafel vor den anderen zu blamieren, kann man erkennen, dass
156
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109703.html, Stand: 01.06.09
Vgl. ebd. S. 47
158
Vgl. Rustemeyer, R (1982): Wahrnehmungen eigener Fähigkeiten bei Jungen und Mädchen, Verlag Peter
Lang GmbH, Frankfurt a.M., S. 27
159
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160
Vgl. Eckelt, S. 55
161
http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/109703.html, Stand: 01.06.09
157
29
gerade im Mathematikunterricht die Angst vor Misserfolg bei den Mädchen besonders stark
ausgeprägt ist. Auch haben mehr Mädchen als Jungen Angst davor, dass ihre Leistungen in
Mathematik absinken könnten. Zwar erleben Schülerinnen Misserfolge genauso oft wie ihre
Mitschüler, da sie diese aber weitaus häufiger als die Jungen mit mangelnden Fähigkeiten
begründen und nicht auf Ursachen wie schlechte Arbeitshaltung zurückführen, führen
Misserfolgserlebnisse bei den Mädchen oft zum Verlust des Selbstvertrauens in die eigene
Mathematikleistungsfähigkeit.162 Wenn man nämlich einen Misserfolg erwartet, aber
erfolgreich ist und dann den Erfolg damit erklärt, Glück gehabt zu haben, bleibt die
anfängliche niedrige Erwartungshaltung erhalten. Wenn man jedoch einen Misserfolg
erwartet und auch erfährt, stimmt die Erklärung eines scheinbaren Mangels an Fähigkeiten
mit der anfänglich niedrigen Erwartungshaltung überein.
Die
schon
in
Kapitel
2.3.1
erwähnte
Zurückhaltung
der
Mädchen
im
Mathematikunterricht kann also als Bemühung seitens der Mädchen gedeutet werden, solchen
Misserfolgserlebnissen möglichst aus dem Weg zu gehen.163
3.3 Angst vor Erfolg
Die Angst vor Erfolg tritt hauptsächlich bei Frauen auf, sie ist umso größer, je mehr
die Erfolge in einem Bereich erzielt werden, der traditionell unangemessen für Frauen gilt.
Wenn nun ein Mädchen eine außergewöhnlich gute Leistung in Mathematik oder
Physik erbringt, ruft diese oft Erstaunen bei Mitschülern, Eltern und Lehrern hervor, da gute
Leistungen von Mädchen in diesem Bereich nach wie vor in unserer Gesellschaft nicht als
selbstverständlich gelten( siehe Kapitel IV.1.). So kommt es, dass diese Schülerin eine
herausgehobene Position einnimmt, die sie vielleicht gar nicht einnehmen möchte.
Bei Mädchen werden ein Interesse für Mathematik, sowie gute Leistungen in diesem
Fach immer noch nicht als alltäglich angesehen. Um nicht als etwas Besonderes aufzufallen,
vermeiden viele Mädchen eine Betätigung in Bereichen, die als untypisch für Frauen gelten
oder bemühen sich nicht intensiv um gute Leistungen, wie sie es vielleicht in anderen
Bereichen machen würden.
Die meisten Mädchen, die sich stärker mit Mathematik und Physik beschäftigen,
besitzen sowohl ein großes Selbstvertrauen in ihre mathematischen und physikalischen
162
163
Vgl. Srocke, S. 159ff.
Vgl. Eckelt, S. 54
30
Fähigkeiten als auch ein großes Selbstwertgefühl, es stört sie wenig, vom durchschnittlichen
Verhalten abzuweichen.164
Abschließend muss gesagt werden, dass bisher noch nicht eindeutig geklärt werden
konnte, ob sich das Selbstvertrauen von Mädchen und Jungen wirklich so stark unterscheidet,
oder ob die geschilderten Unterschiede nicht vielmehr darauf zurückzuführen sind, dass
Mädchen stärker als Jungen bereit sind, ihre mathematischen und physikalischen Leistungen
betreffende Zweifel und Unsicherheiten zu zugeben.165
Da eine hohe Korrelation zwischen dem Selbstvertrauen in die eigene Leistung und
der hinterher tatsächlich erbrachten Leistung beobachtet werden konnte, ist es wahrscheinlich,
dass eine Steigerung des Selbstvertrauens der Mädchen in ihre eigene Mathematik und
Physikleistung eine tatsächliche Leistungsverbesserung bewirken könnte.166
4. Unterschiede im Leistungsvermögen und mathematischen Fähigkeiten
Im
Folgenden
möchte
ich
untersuchen,
inwieweit
Unterschiede
im
Leistungsvermögen von mathematischen und physikalischen Fähigkeiten für die oben
genannten Unterschiede in mathematischen und physikalischen Leistungen verantwortlich
gemacht werden können.
4.1 Allgemeine intellektuelle Fähigkeiten
1974 wurden Testergebnisse verglichen, in denen untersucht wurde, inwieweit es
einen Unterschied in Lernleistungen und Lernfähigkeiten zwischen Mädchen und Jungen gibt.
Dabei wurden keine Anzeichen dafür gefunden, dass Jungen besser in einzelnen
Lernleistungen sind als Mädchen oder umgekehrt. Es konnte z.B. nicht festgestellt werden,
dass Jungen schneller Zusammenhänge erfassen können als Mädchen. Genauso wenig konnte
die Vermutung bestätigt werden, dass Mädchen größere Lernfähigkeiten für soziale Inhalte
haben, was ihre Neigung zu diesen Bereichen bei der Fächerwahl in der Oberstufe erklären
könnte. Geringere Beteiligung und die häufig schwächeren Leistungen der Mädchen in
Mathematik, sind nicht an einer geringen intellektuellen Leistungsfähigkeit der Mädchen
164
Vgl. Srocke, S. 160ff.
Rustemeyer, S. 27ff.
166
Vgl. Srocke, S. 159ff.
165
31
festzumachen, denn es können keine entscheidenden Unterschiede in diesem Bereich
festgestellt werden.167
4.3 Unterschiedliche Problemlösestile
Bei durchgeführten Untersuchungen wurden den Schülerinnen und Schülern
Problemstellungen vorgelegt, die bereits im Unterricht behandelten Aufgaben ähnelten. Um
die ihnen nur vorliegende Problemstellung lösen zu können, reichte es nicht aus, die
bekannten Strategien der im Unterricht behandelten Aufgaben anzuwenden. Es mussten neue
Wege ausprobiert werden um die Lösungen zu erhalten. Beim Lösen von einer einmal
vorgegebenen Struktur und Ausprobieren und neue Wege, zeigten Mädchen keine
schlechteren Leistungen als die Jungen. Es kann also nicht generell gesagt werden, dass
Mädchen beim Lösen von Problemen größerer Schwierigkeiten haben als Jungen.168
4.4 Räumliches Vorstellungsvermögen
Ein häufig genannter Geschlechterunterschied ist die These, dass Frauen ein
geringeres räumliches Vorstellungsvermögen als Männer besitzen. Tatsächlich wurde bei
durchgeführten Tests in diesem Bereich festgestellt, dass Jungen ab einer bestimmten
Altersstufe den Mädchen im räumlichen Vorstellungsvermögen überlegen sind. Es herrscht
jedoch
noch
Unklarheit,
inwieweit
das
räumliche
Vorstellungsvermögen
das
Mathematiklernen beeinflusst.169
Auffallend ist jedoch, dass im Bereich Geometrie, in dem häufig räumliche
Fähigkeiten erforderlich sind, auffallend mehr Mädchen als Jungen Probleme haben.170 Ab
Klasse 8 wird im Mathematikunterricht viel Geometrie behandelt. Das weniger stark
ausgeprägte räumliche Vorstellungsvermögen könnte also der Grund für die schon in Kapitel
II erwähnten schlechter werdenden Mathematikleistungen der Mädchen über 13 Jahren
sein.171
Auch in anderen Bereichen des Mathematikunterrichts ist ein gutes räumliches
Vorstellungsvermögen hilfreich, um Sachverhalte besser verstehen zu können.
167
Vgl. Maccoby, E. & Jacklin, C.N. (1974): The Psychology of Sex Differences, The Stanford University
Press, Standford zitiert nach: Srocke, S. 112 ff.
168
Vgl. ebd. S. 115 ff.
169
Vgl. Fennama, E. (1979): Women and Girls in Mathematics- Equitiy in Mathematics Education. In:
Educational Studies in Mathematics, 10, S. 389-401 zitiert nach: Srocke, S. 119
170
Vgl. Neubrand, S. 79
171
Vgl. Eckelt, S. 57 ff.
32
Ein möglicher Erklärungsversuch für die geschlechtsspezifischen Unterschiede ist die
Hypothese, in der die „unterschiedlichen Hirnfunktionen von Mädchen und Jungen“ für
geschlechtsspezifische Unterschiede im räumlichen Vorstellungsvermögen verantwortlich
gemacht werden. Denn es konnte herausgefunden werden, dass bei räumlichen
Aufgabenstellungen Jungen die rechte Hirnhälfte, Mädchen dagegen die linke benutzen. Ob
dies jedoch den entscheidenden Unterschied bewirkt bleibt offen.172 Außerdem muss gesagt
werden, dass Erkenntnisse über die unterschiedlichen Hirnausprägungen der Geschlechter
nicht unumstritten sind.173
Letztendlich kann nicht eindeutig nachgewiesen werden, in welchem Umfang das
angeblich geringere Vorstellungsvermögen von Mädchen für die häufig geringere Leistung
der Mädchen in Mathematik verantwortlich ist.174
Zusammenfassung:
Insgesamt lassen die durchgeführten Untersuchungen nicht darauf schließen, dass
Mädchen grundlegend andere mathematische Fähigkeiten besitzen als Jungen oder, dass
Mädchen über ein insgesamt geringeres intellektuelles Leistungsvermögen verfügen würden.
Weder
mangelnde
mathematische
Fähigkeiten
noch
ein
geringeres
intellektuelles
Leistungsvermögen kann eindeutig für die geringen Mathematikleistungen der Mädchen
verantwortlich gemacht werden. Auffallende Geschlechtsunterschiede können jedoch vor
allem im Bereich des räumlichen Vorstellungsvermögens und im Bereich des Lernstils
gemacht werden. Welchen Einfluss diese beiden Faktoren genau auf die erfolgreiche
Beschäftigung mit Mathematik haben, konnte bisher noch nicht eindeutig geklärt werden.
Die Probleme, die viele Mädchen in der Schule mit Mathematik haben, können wenn
überhaupt nur zu einem ganz geringen Anteil mit intellektuellen Fähigkeiten oder
Denkstrukturen begründet werden.
5. Biologische Erklärungsversuche
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Frauen grundsätzlich geringere intellektuelle
Leistungsfähigkeiten zugeschrieben, deren Ursache in einem „genetischen Defizit“175
vermutet wurde. Auf Grund dieses genetischen Mangels galten Mathematik und die
172
Vgl. Srocke, S. 199ff.
Vgl. ebd. S. 182
174
Vgl. Srocke, S. 199 ff.
175
Srocke, S. 179
173
33
Naturwissenschaften als unvereinbar mit dem weiblichen Wesen.176 So stellte Möbius die
Vermutung auf, dass „unter einer Million Frauen nur eine mit mathematischem Talent sei“
und(,) dass „die Weiber in der Regel ohne Anlage für Mathematik sind […] In gewissem Sinn
kann man sagen, das Mathematische ist der Gegensatz des Weiblichen. […] Hat ein Weib
mathematisches Talent, so ist es ebenso, als ob sie einen Bart hätte. […]“177
Doch wie schon im Kapitel zuvor genannt, kann heute nicht mehr auf grundlegend
andere mathematische und naturwissenschaftliche Fähigkeiten oder Leistungsvermögen von
Frauen gegenüber Männern geschlossen werden. Schon 70 Jahre nach Möbius Tod, sah man
keine Notwendigkeit mehr, nach physiologischen Ursachen für die Geschlechtsunterschiede
in der Beteiligung an und den Leistungen in Mathematik und den Naturwissenschaften zu
suchen. Man war der Meinung, dass bestehende Unterschiede das Resultat verschiedener
geschlechtsspezifischen Interessen sind.
Insgesamt lassen bisherige Forschungsergebnisse nicht mit Sicherheit auf genetische
oder hormonelle Begründungen schließen. Außerdem sind solche Erklärungsansätzen mit
großer Vorsicht zu behandeln, sobald nämlich biologische Ursachen für die bestehenden
Geschlechtsunterschiede
verantwortlich
gemacht
werden
können,
gelten
derartige
Unterschiede als unveränderbare Tatsache. Eine mathematische und physikalische
Unterlegenheit der Mädchen wäre somit festgeschrieben und damit alle Versuche,
Veränderungen zu bewirken von vorneherein nur eingeschränkt Erfolg versprechend.178
6. Zwischenergebnisse
Es gibt erkennbare Unterschiede in Mathematik und Physik zwischen Mädchen und
Jungen. So konnte in koedukativen Schulen festgestellt werden, dass die Mädchen sowohl ein
geringeres Interesse als auch schlechtere Leistungen im Mathematik- und Physikunterricht
gegenüber den Jungen zeigen. In Physik sind die Leistungs- und Interessensunterschiede noch
deutlicher festzumachen als in Mathematik. An monoedukativen Schulen schienen die
Schülerinnen und Schüler, sich nicht so deutlich nach geschlechtsspezifischen Mustern zu
verhalten wie an koeduaktiven Schulen.
Mit zunehmendem Alter nimmt das Interesse an den Fächern Mathematik und Physik
bei den Mädchen ab, bei den Jungen nimmt es dagegen mit zunehmendem Alter zu. Bis zur 7.
176
Vgl. ebd. S.178ff.
Möbius zitiert nach: Eckelt, S. 5
178
Vgl. Srocke, S. 181 ff
177
34
Klasse sind die Interessen und Leistungen zwischen Mädchen und Jungen noch ausgewogen.
Ab der 8. Klasse lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede festmachen.
Ein Grund für das mangelnde Interesse der Schülerinnen an diesen beiden Fächern ist
zum einen, dass für viele Schülerinnen Mathematik und Physik weder einen künftigen Nutzen
für ihre Berufswahl noch einen unmittelbaren Nutzen für ihre außerschulischen Betätigungen
beinhaltet. Deswegen fehlt den Mädchen häufig das Interesse und die Motivation, sich in den
Unterricht einzubringen.
Ein weiterer Grund für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in diesen Fächern ist
die unterschiedliche Aufmerksamkeitsverteilung der Lehrkraft. Die dominanteren Jungen
stehen
mehr
im Mittelpunkt
des Unterrichtsgeschehens
und beanspruchen
mehr
Aufmerksamkeit der Lehrkraft, dadurch werden die ruhigeren Mädchen im Mathematik- und
Physikunterricht häufig vom Lehrer benachteiligt, gewinnen auf diese Weise den Eindruck,
dass ihre Beträge im Unterricht nicht so bedeutungsvoll sind wie die der Jungen und sind
daher weniger motiviert sich am Unterricht zu beteiligen.
Aufgrund der weit verbreiteten Auffassung, dass Jungen grundsätzlich besser in
Mathematik und Physik sind als Mädchen, haben Mädchen schon sehr früh das Gefühl, den
Jungen in diesem Bereich unterlegen zu sein, was zur Folge hat, dass die Mädchen schon sehr
früh geringere Erwartungen in ihre eigenen Fähigkeiten entwickeln als Jungen. Das geringere
Selbstvertrauen in ihre Leistungen führt dazu, dass Mädchen ihre Leistungen kaum realistisch
einschätzen.
Um die Lehrerin oder den Lehrer zufrieden zu stellen, versuchen die Mädchen sich so
zu verhalten, wie sie denken, dass die Lehrerinnen und Lehrer es von ihnen erwarten. Jedoch
gibt es nach wie vor viele Lehrerinnen und Lehrer, die den Mädchen nicht die selben
mathematischen und physikalischen Kompetenzen zutrauen, wie den Jungen, was zur Folge
hat, dass Mädchen oft nicht den Eindruck haben, dass ihre Lehrerin oder ihre Lehrer gute
Mathematik- und Physikleistungen von ihnen erwarten, was sich negativ auf ihre Motivation
und ihr Selbstvertrauen in Mathematik und Physik auswirkt. Zwar werden die Mädchen nicht
bewusst von ihren Lehrern entmutigt, jedoch erhalten sie umgekehrt auch häufig nicht sehr
viele Ermutigungen von ihren Lehrern, für Mathematik und Physik begabt zu sein.
Im Mathematik- und Physikunterricht ist die Angst vor Misserfolg bei den Mädchen
besonders stark ausgeprägt. Zum Beispiel haben mehr Mädchen als Jungen Angst davor, dass
35
ihre Leistungen in Mathematik absinken könnten. Zwar erleben Schülerinnen Misserfolge
genauso oft wie ihre Mitschüler, da sie diese aber weitaus häufiger als die Jungen mit
mangelnden Fähigkeiten begründen und nicht auf Ursachen wie schlechte Arbeitshaltung
zurückführen, führen Misserfolgserlebnisse bei den Mädchen oft zum Verlust des
Selbstvertrauens in die eigene Mathematikleistungsfähigkeit.
Bei Mädchen werden ein Interesse für Mathematik und Physik, sowie gute Leistungen
in diesen Fächern immer noch nicht als alltäglich angesehen, da bis heute trotz dem
gemeinsamen und gleichen Unterrichten von Mädchen und Jungen Mathematik und die
Naturwissenschaften immer noch als Teil der männlichen Geschlechtsrolle gelten. Um nicht
als etwas Besonderes aufzufallen, vermeiden viele Mädchen eine Betätigung in Bereichen, die
als untypisch für Frauen gelten oder bemühen sich nicht intensiv um gute Leistungen, wie sie
es vielleicht in anderen Bereichen machen würden.
Weder mangelnde mathematische und physikalische Fähigkeiten noch ein geringeres
intellektuelles Leistungsvermögen kann eindeutig für die geringen Mathematik- und
Physikleistungen der Mädchen verantwortlich gemacht werden. Die Probleme, die viele
Mädchen in der Schule mit Mathematik und Physik haben, können daher wenn überhaupt nur
zu einem ganz geringen Anteil mit intellektuellen Fähigkeiten oder Denkstrukturen begründet
werden. Viel bedeutender ist die oben aufgeführte Vielzahl äußerer Einflüsse, die Zuhause
und in der Schule, auf die Mädchen tagein tagaus einwirken und die wesentlich zur
Entwicklung und zur Veränderung von mathematischen und physikalischen Interessen und
Neigungen der Mädchen beitragen.
V. Lösungsansätze zur Verbesserung der naturwissenschaftlichen
und mathematischen Leistungen von Schülerinnen
1. Verbesserter koedukativer Unterricht
1.1 Weibliche Vorbilder
1980 begannen Naturwissenschaftlerinnen nach weiblichen Spuren in der Geschichte
der Wissenschaft und Forschung zu suchen. Sie wollten herausfinden, welchen Anteil die
36
Frauen an naturwissenschaftlichen Entdeckungen hatten. Tatsächlich fanden sich Frauen, die
bedeutend bei naturwissenschaftlichen Endeckungen mitgewirkt hatten. Allein schon im 19.
Jahrhundert, also zu der Zeit, zu der den Frauen der Zugang zur Forschung und Wissenschaft
noch größtenteils verwehrt war, gehörten zu den Nobelpreisträgern auch Frauen. Das Wissen
um durchaus begabte Frauen in den Naturwissenschaften stärkt das Selbstbewusstsein der
Frauen, die in diesem Bereich tätig sind. Auch das Interesse der Schülerinnen wird durch die
weiblichen Vorbilder positiv beeinflusst. Sie machen es den Schülerinnen möglich, sich mit
den als „männliche Domäne“179 geltenden Naturwissenschaften identifizieren zu können.
180
Wenn sich also immer mehr Frauen im Bereich der Mathematik und Physik z.B. als
Lehrerinnen betätigen, werden Mathematik und Physik bald nicht mehr zwangsläufig als
„männlich“ angesehen werden, was vielen Mädchen helfen wird, sich nicht von Anfang an
von diesen Fächern zu distanzieren und Respekt vor ihnen zu haben, sondern sich mit ihnen
auseinander zu setzten und sich für sie zu interessieren.
Das eigentliche Ziel ist es, dass unter anderem durch weibliche Vorbilder erreicht
werden soll, die Gesellschaft so weit zu verändern, dass die Beschäftigung mit Mathematik
und Physik für Mädchen genauso wie für Jungen als selbstverständlich von ihr angesehen
wird.181
1.1.2 Förderung größeren Selbstvertrauens durch geschlechtergetrennte Gruppen
Wie in Kapitel 2.3.1 schon erwähnt, ist die ungleiche Aufmerksamkeitsverteilung der
Lehrer zwischen den Schülerinnen und Schülern ein Problem, das in der Koedukation immer
wieder auftritt. In außerschulischen kostenlosen Angeboten im Bereich von Mathematik und
Physik speziell für Schülerinnen, würden Mädchen die „geschärfte Aufmerksamkeit“182
erhalten. Dadurch, dass auf jedes Mädchen persönlich eingegangen werden könnte, hätten
viele Mädchen erstmals die Chance, ihre Begabungen zu entdecken, ihre Fähigkeiten zu
erproben und auch zu zeigen, ohne dabei dem Urteil eines Lehrers oder der Mitschüler
ausgesetzt zu sein.183 Die Lehrer könnten in gleichgeschlechtlichen Gruppen keine
Unterschiede in der Behandlung von Mädchen und Jungen machen, oder an Mädchen andere
Erwartungen stellen als an Jungen. So hätten die Mädchen die Möglichkeit, Selbstvertrauen in
179
Srocke, S. 2
Vgl. ebd. S. 51
181
Vgl. Srocke, S. 248f.
182
Vgl. Pfister, S. 121f.
183
Vgl. ebd. S. 130f.
180
37
ihre eigenen Leistungen zu entwickeln, ohne sich dabei mit den Jungen vergleichen zu
müssen.184
Auch die Aufgabenstellungen könnten in reinen Mädchengruppen stärker an die
Lebenswelt der Mädchen angepasst werden, um den Mädchen dadurch die Bedeutung von
Mathematik unmittelbarer deutlich zu machen.
1.2 Rollenvorstellungen thematisieren
In einer geschlechtergerechten, koedukativen Schule sollten die Interessen und
Lebenslagen beider Geschlechter von vorneherein angemessen berücksichtigt werden. Damit
dies jedoch gelingen kann, müssen Geschlechtervorurteile überwunden werden, sodass die
Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Potenziale entdecken können und ein gesundes
Selbstbewusstsein entwickeln.185
Um den Respekt oder sogar die Angst, die viele Mädchen vor Mathematik und Physik
haben, abzubauen, ist es wichtig, Geschlechtervorurteile im Unterricht zu thematisieren und
zu klären, wie es dazu kommt, um sie dann Stück für Stück abschaffen zu können. Ein
wichtiger Aspekt ist z.B. nicht nur, den Mädchen zu verdeutlichen, dass sie ebenfalls gute
Mathematikleistungen erbringen, sondern, dass solche Leistungen auch durchaus von ihnen
erwartet werden. Sowohl Eltern als auch Lehrer dürfen in ihre Erwartungshaltung gegenüber
den mathematischen und physikalischen Leistungen keinen Unterschied zwischen Mädchen
und Jungen machen. Den Mädchen muss deutlich gemacht werden, dass von ihnen die
gleichen Leistungen erwartet werden als von Jungen. Wenn es gelingt, dass gute Mathematikund Physikleistungen von Mädchen ebenso für selbstverständlich gelten als z.B. gute
Leistungen in Deutsch, werden die Mädchen von den traditionellen „Mädchenfächern“
abweichen, hin zu Mathematik und Physik.
1.3 Relevanz für Berufsleben verdeutlichen
Da viele Mädchen nach wie vor Mathematik und Physik nicht für bedeutungsvoll für
ihre spätere Lebensplanung ansehen, ist es wichtig, den Mädchen den Umfang an
184
185
Srocke, S.248f.
Vgl.ebd. S.50
38
Berufsangeboten zu zeigen und den Mädchen zu verdeutlichen, in wie vielen Beruffeldern,
von denen dies nur wenige vermuten, Mathematik- und Physikkenntnisse benötigt werden. Da
derartige Berufe nach wie vor häufig als Männerberufe gelten, muss zuerst das Interesse bei
den Mädchen geweckt werden, da sich ansonsten die meisten Mädchen nicht angesprochen
fühlen.
Auf diese Weise würden auch die Mädchen einen persönlichen Nutzen in den Fächern
Mathematik und Physik für sich entdecken können und so motivierter sein, sich mit diesen
Fächern auseinander zu setzten.
VI. Auswertung der Umfrage
1. Fragebogen
Ich möchte dich bitten, die folgenden Fragen ehrlich zu beantworten. Deine Antworten sind
selbstverständlich anonym und werden ausschließlich für meine Seminarkursarbeit verwendet.
Name deiner Schule:________________
Klassenstufe:______
Lieblingsfach__________
weibl.  männl. 
1.a Hast du einen Mathematiklehrer  oder eine Mathematiklehrerin ?
1.b Hast du einen Physiklehrer  oder eine Physiklehrerin ?
In diese Kästchen ░░ hinter den Fragen bitte die zutreffende Zahl der folgenden Skala eintragen:
1
Trifft nicht zu
2
Trifft kaum zu
3
Trifft manchmal
4
Trifft meistens zu
zu
2.a Magst du Mathematik? ░░
2.b Magst du Physik?
░░
3.a Glaubst du, dass du für Mathematik begabt bist?
░░
3.b Glaubst du, dass du für Physik begabt bist?
░░
4.a Welche Zeugnisnote hattest du zuletzt in Mathematik?
4.b Welche Zeugnisnote hattest du zuletzt in Physik?
______
______
5.a Wie würdest du deine Leistung in Mathematik selbst beurteilen?
5.b Wie würdest du deine Leistung in Physik selbst beurteilen?
( Bitte in Noten angeben.)
6.a Möchtest du gerne besser sein in Mathematik?
░░
6.b Möchtest du gerne besser sein in Physik?
░░
39
______
______
5
Trifft voll zu
7.a Wurdest du mit zunehmendem Alter schlechter in Mathematik?
░░
7.b Wurdest du mit zunehmendem Alter schlechter in Physik?
░░
8.a Hast du Angst vor der Mathematikstunde? ░░
8.b Hast du Angst vor der Physikstunde?
░░
9.a Bist du nach dem Mathematikunterricht frustriert? ░░
░░
9.b Bist du nach dem Physikunterricht frustriert?
10.a Freust du dich auf den Mathematikunterricht?
░░
10.b Freust du dich auf die Physikstunde
░░
11.a Ist es dir wichtig, gut Mathematik zu können?
░░
11.b Ist es dir wichtig, gut Physik zu können?
░░
12.a Hast du Angst davor, dass deine Leistungen in Mathematik absinken könnten?
░░
12.b Hast du Angst davor, dass deine Leistungen in Physik absinken könnten?
░░
13.a Kannst du das, was du im Mathematikunterricht gelernte im Alltag anwenden?
░░
Wo? _____________________________________________________________________
13.b Kannst du das, was du im Physikunterricht gelernt hast im Alltag anwenden?
░░
Wo? _____________________________________________________________________
14.a Glaubst du für deinen späteren Beruf ist Mathematik wichtig?
░░
14.b Glaubst du für deinen späteren Beruf ist Physik wichtig?
░░
15.a Hast du nach einer schlechten Mathematik- oder Physikklausur das Gefühl zu wenig auf die
░░
Arbeit gelernt zu haben?
15.b Hast du nach einer schlechten Mathematik- oder Physikklausur trotzdem das Gefühl,
den Unterrichtsstoff richtig verstanden zu haben?
░░
16.a Was denkst du, sind Jungen im Durchschnitt in Mathematik besser als Mädchen?
░░
16.b Sind Mädchen im Durchschnitt in Mathematik besser als Jungen?
░░
17.a Was denkst du, sind Jungen in Physik besser als Mädchen? ░░
░░
17.b Sind Mädchen in Physik besser als Jungen?
18.a Fühlst du dich im Mathematik- und Physikunterricht von deinen Mitschülerinnen gestört? ░░
18.b Fühlst du dich im Mathematik- und Physikunterricht von deinen Mitschülern gestört?
40
░░
19.a Denkst du, dass dein Lehrer dich für begabt in Mathematik hält ?
░░
19.b Denkst du, dass dein Lehrer dich für begabt in Physik hält ?
░░
20.Bekommst du genügend Aufmerksamkeit von deinem Lehrer im Mathematik- und
Physikunterricht? ░░
21.a Würdest du einen Mathematikunterricht nur mit Mitschülern deines eigenen Geschlechts
bevorzugen? ░░
21.b Würdest du einen Physikunterricht nur mit Mitschülern deines eigenen Geschlechts
bevorzugen? ░░
22. Welche Naturwissenschaft magst du am Liebsten? BiologieChemiePhysik
2. Erläuterungen zur Umfrage
2.1 Durchführung der Umfrage
Befragt wurden insgesamt 207 Schülerinnen und Schüler zweier Gymnasien, 98 der
Befragten sind Schülerinnen der monoedukativen Klosterschule in Wald, die restlichen 109
sind Schülerinnen und Schüler der koedukativen Liebfrauenschule, davon sind 52 weiblich
und 57 männlich. Zu den Befragten an der Liebfrauenschule gehören die Klassenstufen 5, 9
und 12, zu den Befragten an der Mädchenklosterschule Wald, die Klassenstufen 5, 9 und 13.
Da es zu umfangreich gewesen wäre, alle Schülerinnen und Schüler der beiden
Schulen zu befragen, die sich auf etwa 1700 belaufen, entschied ich mich für je nur eine
Klasse der Klassenstufen 5, 9 und 12 bzw. 13, da ich der Meinung war, dass sich die
Änderung des Interessenverlaufs über die Schuljahre hinweg an diesen drei verschiedenen
Alterstufen gut aufzeigen lässt. Da die Schülerinnen und Schüler der 5. Klassen noch kein
Physikunterricht haben, werden bei diesen nur die Antworten auf die Fragen, die im
mathematischen Bereich liegen, gewertet.
Zwar gibt es bei einer Anzahl von nur 207 befragten Schülerinnen und Schüler eher
Abweichungen vom realistischen Durchschnitt, die Ergebnisse sind dennoch in der Lage ein
grobes Bild von geschlechtsspezifischen Unterschieden zu geben. Bei der Durchführung der
Umfrage wurde nicht auf Herkunft und sozialen Stand der Schülerinnen und Schüler geachtet,
was eventuell die Ergebnisse beeinflusst und diese deswegen differenziert betrachtet werden
müssen.
Geplant war insgesamt 6 Klassen zu befragen, je eine pro genannter Klassenstufe und
Schule. Da die Schülerinnen und Schüler der 5. Klassen beider Schulen jedoch so viel Spaß
41
am Ausfüllen der Fragebogen fanden, befragte ich je zwei 5. Klassen der Liebfrauenschule
und der Klosterschule Wald.
2.2 Aufbau des Fragebogens
Der Fragebogen besteht bis auf zwei Fragen, aus Fragen, die mit der untenstehenden
Skala von 1 bis 5 zu beantworten sind. Diese Fragen hätten jedoch nicht als Fragen sondern
als Aussagesätze formuliert werden müssen, da die Skala von 1 bis 5 angibt in wie weit man
der gemachten Aussage zustimmt.
Bei den Fragen 4 a)b) und 5 a)b) war verlangt die Mathematik- bzw. Physikleistung
des letzten Jahres in Form von Noten anzugeben. Da glücklicherweise keine Note 6 dabei
war, konnte ich auch diese beiden Fragen mit einem Diagramm von 1-5 auswerten.
1
Trifft nicht zu
2
Trifft kaum zu
3
Trifft manchmal
4
Trifft meistens
zu
zu
5
Trifft voll zu
2.1 Ziel der Umfrage
Da die Untersuchungen zu den Gründen für geschlechtsspezifische Unterschiede in
Mathematik und Physik aus dem theoretischen Teil meiner Seminarkursarbeit teilweise aus
schon etwas älteren Büchern stammen, dient die Umfrage dazu, die oben gemachten
Beobachtungen mit aktuellen Ergebnissen zu vergleichen. Die Ergebnisse der Umfrage sollen
zeigen, inwieweit geschlechtsspezifische Unterschiede in den Bereichen Mathematik und
Physik noch bestehen.
Zum anderen soll die Umfrage dabei helfen, zu klären, ob die im theoretischen Teil
behandelten Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Mathematik und Physik auch an
einer monoedukativen Schule wie der Mädchenschule in Wald festzumachen sind.
42
3. Ergebnisse
3.1 Geschlechtsspezifische Unterschiede in diesen Fächern
3.1.1 Unterschiede in der Beliebtheit
Magst du Mathematik?
Magst du Physik?
Jungen an der Liebfrauenschule:
43
Mädchen an der Liebfrauenschule:
Mädchen an der Klosterschule Wald:
44
„Magst du Mathematik?“
Vergleicht man die Diagramme der Jungen mit dem der Mädchen an der
Liebfrauenschule, fällt auf, dass 58% der Jungen angeben, Mathematik immer oder meistens
zu mögen. Nur 6% geben an, Mathematik überhaupt nicht zu mögen.
Bei den Mädchen sind es dagegen nur 39,6% die Mathematik immer oder meistens
mögen. 13,8 Prozent geben an Mathematik überhaupt nicht zu mögen.
Es sind also auch bei meiner Umfrage geschlechtsspezifische Unterschiede in der
Beliebtheit des Faches Mathematik festzumachen. Mehr Jungen haben eine Vorliebe für das
Fach Mathematik. Umgekehrt können doppelt so viele Mädchen als Jungen überhaupt keine
Freude am Mathematikunterricht finden.
An der Mädchenschule in Wald mögen sogar 60,7% Mathematik voll oder meistens,
dieser Wert übersteigt sogar den der Jungen an der Liebfrauenschule. 9,1% geben an
Mathematik überhaupt nicht zu mögen. Im Vergleich zu den Mädchen der koedukativen
Liebfrauenschule haben also an der monoedukativen Schule auffallend mehr Mädchen eine
Vorliebe für Mathematik. Es scheint, als ob die Mädchen im geschlechtergetrennten
45
Mathematikunterricht mehr Spaß an der Mathematik
finden als im gemeinsamen
Mathematikunterricht von Mädchen und Jungen.
„Magst du Physik?“
Bei den Ergebnissen dieser Frage sind die 5. Klassen ausgenommen, da diese noch
keinen Physikunterricht haben.
53,8% der Jungen geben an, Physik immer oder meistens zu mögen. Bei den Mädchen
an der Liebfrauenschule mögen nur 10,3% Physik immer oder meistens. Nur 3,8% der Jungen
geben an Physik nie zu mögen. Bei den Mädchen der Liebfrauenschule sind es auffallende
48,3%, die Physik überhaupt nicht mögen.
Es lässt sich also auch in meinen Ergebnissen bei der Beliebtheit von Physik einen
noch deutlicheren geschlechtsspezifischen Unterschied festmachen, als er bei der Mathematik
zu sehen war: fünf mal so viele Jungen wie Mädchen der Liebfrauenschule haben eine starke
Vorliebe für Physik. Fast die Hälfte der befragten Mädchen der Liebfrauenschule dagegen
kann überhaupt keine Freude an dem Fach Physik finden.
An der Mädchenschule Wald sind es 18,6% die Physik immer und 20,4% die Physik
überhaupt nicht mögen. 42,6 % geben an Physik manchmal zu mögen.
Zwar finden auch dort deutlich weniger Mädchen als Jungen am Fach Physik immer
oder meistens Gefallen, trotzdem sind es 8% mehr Mädchen als an der Liebfrauenschule, die
Physik meistens oder immer mögen. Auch ist der Wert der Mädchen, die Physik überhaupt
nicht mögen, immer noch auffallend kleiner als der von den Mädchen der Liebfrauenschule.
Fast die Hälfte der Mädchen der Mädchenschule steht dem Fach Physik eher neutral
gegenüber.
Mit dem 0,39 besteht eine positive Korrelation zwischen der Beliebtheit von
Mathematik und der Beliebtheit von Physik. Dieser Wert lässt darauf schließen, dass bei
einer Person, die Mathematik gerne mag, dies auch für Physik gilt und umgekehrt. Wenn also
ein Mädchen die als „männliches Fach“ geltende Mathematik nicht mag, liegt es nahe, dass
das Mädchen ebenso für die als „männliches Fach“ geltende Physik keine Vorliebe hat.
Zusammenfassung:
46
Obwohl schon seit über 40 Jahren Mädchen und Jungen gemeinsam den selben
Unterricht
erhalten,
lassen
sich
an
meiner
Schule
immer
noch
deutliche
geschlechtsspezifische Unterschiede in den Interessen, die die Jungen und Mädchen der
Mathematik und Physik entgegenbringen, festmachen. Zwar lassen sich auch an
monoedukativen Schulen, verglichen mit den Jungen der Liebfrauenschule, Tendenzen hin zu
geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Beliebtheit der beiden Fächer erkennen,
dennoch scheinen dort die geschlechtsspezifischen Unterschiede nicht so stark ausgeprägt zu
sein wie an Schulen, in denen Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet werden.
3.1.2 Unterschiede in der Leistung
In der Skala von 1 bis 5 steht bei dieser Frage jede Zahl für die jeweilige Note. Die Note 6
wurde von den Befragten nicht angegeben.
Welche Zeugnisnote hattest du zuletzt in Mathematik?
Welche Zeugnisnote hattest du zuletzt in Physik?
Jungen an der Liebfrauenschule:
47
Mädchen an der Liebfrauenschule:
Mädchen an der Klosterschule Wald:
48
Jungen an der Liebfrauenschule (ohne die 5. Klassen):
49
Mädchen an der Liebfrauenschule (ohne die 5. Klassen):
Mädchen der Klosterschule Wald (ohne die 5. Klassen):
50
„Welche Zeugnisnote hattest du zuletzt in Mathematik?“
Die Durchschnittsnote der Jungen liegt bei 2,28, die der Mädchen an der
Liebfrauenschule bei 2,63 und die der Mädchen der Mädchenschule bei 2,4. Die
Standartabweichung vom Mittelwert liegt bei allen drei Werten unter 1.
Wertet man jedoch die Fragebögen der Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse nicht,
bekommt man folgendes Ergebnis: Die Durchschnittsnote der Jungen liegt immer noch
ungefähr um denselben Wert herum bei 2,42, die der Mädchen jedoch ist um fast eine halbe
Note auf 3,00 gesunken. Die Mädchen der Mädchenschule in Wald haben auch ohne die 5.
Klassen dieselbe Durchschnittsnote von 2,4.
Diese Veränderung der Durchschnittsnote der Mädchen des koedukativen Unterrichts
zeigt, dass die Mädchen der 5. Klasse noch bessere Noten erbringen wie die Mädchen der
höheren Klassen, da nachdem die Fragebögen der 5. Klasse nicht mitgewertet wurden der
Durchschnitt der Mädchen deutlich sank. Dieses Ergebnis lässt sich damit erklären, dass die
Mathematikleistung der Mädchen mit zunehmendem Alter abnimmt, die der Jungen dagegen
mit zunehmendem Alter zunimmt (siehe III. 3). Die Jungen werden zwar nur um 0,2 und nicht
um 0,6 schlechter wie die Mädchen, eine Leistungszunahme kann jedoch nicht abgelesen
werden.
Lässt man die Werte der Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse beiseite, so wird ein
Leistungsunterschied zwischen Mädchen und Jungen des koeduaktiven Unterrichts sichtbar.
Die Mädchen sind den Jungen durchschnittlich um eine halbe Note unterlegen.
Bei den Mädchen des monoedukativen Unterrichts lässt sich keine Leistungsabnahme
über die Schuljahre feststellen. Ihr Wert beträgt mit und ohne 5. Klassen 2,4. Vergleicht man
die Note ihrer durchschnittlichen Leistung von 2,4 mit der, der Jungen ohne die 5. Klassen
von 2,42, so lassen sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede festmachen. Die
Mädchen der des monoedukativen Unterrichts erbringen im Durchschnitt die gleichen
Mathematikleistungen wie die Jungen der Liebfrauenschule.
„Welche Zeugnisnote hattest du zuletzt in Physik?“
Die Durchschnittsnote der Jungen liegt bei 2,23, die der Mädchen an der
Liebfrauenschule bei 3,0 und die der Mädchen an der monoedukativen Schule bei 2,46. Die
Standartabweichung vom Mittelwert liegt bei allen drei Werten unter 1.
51
Im koedukativen Unterricht lassen sich im Fach Physik geschlechtsspezifische
Leistungsunterschiede mit einer durchschnittlichen Überlegenheit der Jungen feststellen.
Meine Ergebnisse decken sich also mit denen des theoretischen Teils.
Die Mädchen des monoedukativen Unterrichts sind den Jungen dagegen nicht so
deutlich unterlegen. Ihre Durchschnittsnote ist nur um 0,2 schlechter als die der Jungen.
Zusammenfassung:
Die
koedukative
Schule
bestätigte
die
im
theoretischen
Teil
genannten
geschlechtsspezifischen Leistungsunterschiede. An der monoedukativen Schule dagegen gab
es, verglichen mit den Jungen der Liebfrauenschule keine auffälligen geschlechtsspezifischen
Unterscheide in den Fächern Mathematik und Physik zu vermerken. Auch eine Abnahme der
Mathematikleistungen
mit
zunehmendem
Alter
konnte
im
Gegensatz
zu
geschlechtergemischten Schule nicht festgestellt werden.
3.2 Nützlichkeit der Mathematik- und Physikunterrichts
3.2.1 Mathematik
Ist es dir wichtig, gut Mathematik zu können?
Glaubst du für deinen späteren Beruf ist Mathematik wichtig?
Kannst du das, was du im Mathematikunterricht gelernt hast im Alltag anwenden?
(ohne 5.Klassen)
Kannst du das, was du im Mathematikunterricht gelernt hast im Alltag anwenden?
(nur 5.Klassen)
52
der
Jungen an der Liebfrauenschule:
Mädchen an der Liebfrauenschule:
53
Mädchen an der Klosterschule Wald:
„Ist es dir wichtig gut Mathematik zu können?“
80% der Jungen ist es wichtig, gut Mathematik zu können. An der Liebfrauenschule
und der Klosterschule sind es jeweils ca. 70% denen es wichtig ist gut Mathematik zu können.
In der Bedeutung, die die Mathematik für Jungen und Mädchen besitzt, lassen sich
keine deutlich erkennbaren geschlechtsspezifischen Unterschiede festmachen.
Den meisten Mädchen ist es genauso wie den meisten Jungen wichtig, gut Mathematik
zu können. Auch die Mädchen der Mädchenschule unterscheiden sich dabei nicht von den
Mädchen und Jungen der Liebfrauenschule.
„Glaubst du für deinen späteren Beruf ist Mathematik wichtig?“
53% der Jungen möchten später einmal einen Beruf ausüben, in dem mathematische
Kenntnisse benötigt werden. Bei den Mädchen an der Liebfrauenschule und an der
Mädchenschule sind es je nur ca. 38%, die später einen Beruf ausüben möchten, in dem man
Mathematik benötigt.
Bei der künftigen Berufswahl lassen sich nur sehr leichte geschlechtsspezifische
Unterschiede erkennen. Über die Hälfte der Jungen möchte später einen Beruf wählen, der
54
mit Mathematik etwas zu tun hat. Bei den Mädchen sind es 15% weniger, die gedenken einen
Beruf zu wählen, in dem Mathematik benötigt wird.
„Kannst du das, was du im Unterricht gelernt hast im Alltag anwenden?“
In den 5. Klassen geben 58% der Jungen an, das im Mathematikunterricht gelernte
immer oder meistens im Alltag anwenden zu können. Von den Mädchen der Liebfrauenschule
geben 31% an, das gelernte immer oder meistens in der Freizeit anwenden zu können. Die
Mädchen der Mädchenschule geben sogar zu 75% an, das gelernte immer oder meistens im
Alltag anwenden zu können.
In der Unterstufe scheint also der Unterrichtsstoff des Mathematikunterrichts sehr
alltagsnah zu sein. Die Jungen der 5. Klasse können ihre mathematischen Kenntnisse bei
ihrer Freizeitgestaltung besser gebrauchen als die Mädchen der Liebfrauenschule. Deswegen
hat der Mathematikunterricht für die befragten Jungen der 5. Klassen auch einen größeren
persönlichen Nutzen (siehe IV 2.2). Auffällig ist, dass die Mädchen der Klosterschule Wald
mit 75% noch einen größeren Nutzen in ihrem Unterricht für ihren Alltag erkennen können
als die Jungen der Liebfrauenschule. Ein möglicher Grund für dieses Ergebnis könnte sein,
dass die Unterrichtsinhalte der Unterstufe an der befragten monoedukativen Schule besser
auf die Interessen der Mädchen zugeschnitten sind. Dagegen wird möglicherweise an der
befragten koedukativen Schule bei den Unterrichtsinhalte weniger Rücksicht auf die
Interessen der Mädchen genommen und mehr auf die der Jungen, was die Anzahl von nur
31% der Mädchen erklären würde, die das gelernte immer oder meistens in ihrer Freizeit
anwenden können (siehe IV 2.5).
Nur noch 19% der Jungen ab der 9.Klasse können das im Mathematikunterricht
Gelernte in ihrem Alltag anwenden. Auch bei den Mädchen der beiden Schulen können je nur
noch 15% das Gelernte in ihren außerschulischen Aktivitäten gebrauchen. 35% der Jungen,
66% der Mädchen der koedukativen Liebfrauenschule und 55% der Mädchenschule ab der 9.
Klasse geben an, das Gelernte nie oder nur selten außerschulisch anwenden zu können.
Mit der im theoretischen Teil geäußerten Kritik (siehe IV 2.2) am mathematischen
Unterricht fehle der Alltagsbezug für die Mädchen, stimmen sowohl die Mädchen ab der 9.
Klasse der Liebfrauenschule als auch die Mädchen ab der 9. Klasse der Klosterschule Wald
zu. An beiden Schulen bemängeln über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler, das im
Mathematikunterricht gelernte nie oder nur selten im Alltag anwenden zu können. Bei den
55
Jungen ab der 9. Klasse geben fast die Hälfte an, das im Unterricht Gelernte zumindest
manchmal im Alltag anwenden zu können. Dieses Ergebnis zeigt, dass es dem
Mathematikunterricht in den oberen Klassen am Alltagsbezug mangelt. Die Jungen können
zwar noch mehr Nutzen für ihren Alltag in ihm entdecken als die Mädchen, jedoch sind es mit
19% erstaunlich wenige Jungen, die trotz ihren Freizeitaktivitäten, die näher in Verbindung
stehen mit Mathematik als die der Mädchen (siehe IV 2.2) im Mathematikunterricht immer
oder meistens einen Alltagsnutzen für sich finden können.
Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass die Unterrichtsinhalte der oberen Klassen sowohl
für die Mädchen an monoedukativen und koedukativen Schulen als auch für die Jungen an
Bezug zu ihrem alltäglichen Leben mangeln.
Zusammenfassung:
Mit dem Korrelationswert 0,49 besteht ein Zusammenhang zwischen der Beliebtheit des
Faches Mathematik und dem zukünftigen Nutzen, den die Mädchen für ihre spätere
Berufswahl in diesem Fach entdecken können. Es könnte also sein, dass die Mädchen, die
einen künftigen Nutzen im Fach Mathematik für sich erkennen können auch Spaß an
Mathematik finden und das Fach mögen.
Obwohl nur 38% der Mädchen im Mathematik einen zukünftigen Nutzen erkennen
können, weil sie den Mathematikunterricht für ihre zukünftige Berufswahl als sehr wichtig
oder wichtig betrachten (siehe IV 2.2), ist es trotzdem doppelt so vielen Mädchen wichtig
Mathematik gut zu können, obwohl sie später keinen Beruf ergreifen möchten, in dem
Mathematik benötigt wird. Der Stellenwert der Faches Mathematik und die Motivation, sich
in diesem Fach anzustrengen, hängt bei den Mädchen also nicht nur vom künftigen Nutzen
ab, den sie in diesem Fach für sich erkennen können. Ebenso ist 70% Mädchen wichtig im
Fach Mathematik gut zu sein, obwohl über der Hälfte der Mädchen der Bezug zum Alltag im
Mathematikunterricht
fehlt.
Auch Mädchen, die weder denken, Mathematik für ihren
späteren Beruf zu benötigen, noch einen Alltagsnutzen des Mathematikunterrichts für sich
entdecken können, ist es trotzdem wichtig, gut in Mathematik zu sein.
In der Klosterschule glauben 9,1% voll und ganz an ihre Begabung in Mathematik.
Das sind zwar nur halb so viele Mädchen wie Jungen, aber fast dreimal so viele Mädchen wie
an der Liebfrauenschule. 31,3 % glauben meistens daran, dass sie begabt sind für Mathematik.
Es glauben also etwa gleich viele Mädchen der Klosterschule Wald wie Jungen meistens an
56
eine Begabung für das Fach Mathematik. An der Klosterschule Wald kann also anders wie an
der koedukativen Liebfrauchenschule nicht die eindeutige Beobachtung gemacht werden, dass
Mädchen grundsätzlich ein geringeres Selbstvertrauen in ihre mathematischen Fähigkeiten
haben als die Jungen.
Mit dem Wert 0,74 besteht sowohl bei den Jungen und Mädchen eine hohe Korrelation
zwischen „Magst du Mathematik?“ und „Glaubst du, dass du für Mathematik begabt bist.?“
Ebenso zeigt der Wert 0,52 eine deutliche Korrelation zwischen „Freust du dich auf den
Mathematikunterricht?“ und „Glaubst du, dass du für Mathematik begabt bist?“.
Das
Selbstvertrauen in die eigene Leistung ist also ausschlaggebend für die Motivation, die man
dem Mathematikunterricht entgegenbringt.
3.2.2 Physikunterricht
Ist es die wichtig, gut Physik zu können?
Glaubst du für deinen späteren Beruf ist Physik wichtig?
Kannst du das, was du im Physikunterricht gelernt hast im Alltag anwenden?
Jungen an der Liebfrauenschule:
57
Mädchen an der Liebfrauenschule:
Mädchen an der Klosterschule Wald:
58
„Ist es die wichtig, gut Physik zu können?“
64% der Jungen ist es immer oder meistens wichtig, gute physikalische Kenntnisse zu
besitzen. Ca. je 30% der Mädchen der Liebfrauenschule und der Mädchenschule in Wald ist
es wichtig, gut in Physik zu sein.
Im Fach Physik lassen sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede im
Stellenwert machen, die die Mädchen und Jungen dem Fach zumessen. Weniger als ein
Drittel der befragten Mädchen, sowohl an der koedukativen als auch an der monoedukativen
Schule, finden es wichtig in Physik gut zu sein. Bei den befragten Jungen sind es über die
Hälfte, die Wert auf gute physikalische Kenntnisse legen.
Im Fach Physik lassen sich also im Gegensatz zum Fach Mathematik deutliche
geschlechtsspezifische Unterschiede entdecken, in der Bedeutung, die Jungen und Mädchen
dem Fach Physik zuschreiben.
„Glaubst du für deinen späteren Beruf ist Physik wichtig?“
46% der Jungen denken, dass in ihrem späteren Beruf meistens oder immer
physikalische Kenntnisse benötigt werden. Nur 8% haben einen Beruf in Aussicht, in dem
überhaupt keine Physik benötigt wird. Bei den Mädchen der Liebfrauenschule sind nur 14%
der Meinung, bei ihrer späteren Berufswahl sind physikalische Kenntnisse meistens oder
immer wichtig, bei den Mädchen der Mädchenschule nur 12%. Dagegen denken 76% der
Mädchen der Liebfrauenschule und 67% der Mädchen der Mädchenschule, später selten oder
nie Physik für ihren Beruf zu benötigen.
Bei der späteren Berufswahl sind deutliche Unterschiede zwischen den befragten
Schülerinnen und Schülern zu erkennen. Fast die Hälfte der Jungen möchte später einen
Beruf wählen, in dem sie Physik brauchen, dagegen sind sich über die Hälfte sowohl der
Mädchen der koedukativen als auch der monoedukativen Schule sicher, später keinen Beruf
auszuüben, in dem Physik benötigt wird.
„Kannst du das, was du im Physikunterricht gelernt hast, im Alltag anwenden?“
31% der Jungen können das im Physikunterricht Gelernte in ihrem Alltag meisten oder
immer anwenden. 50% der Jungen geben dagegen an, das Gelernte nie oder nur selten in
59
ihren außerschulischen Aktivitäten anwenden zu können. Bei den Mädchen der
Liebfrauenschule sind es nur 7% die das Gelernte meistens im Alltag anwenden können, an
der Klosterschule Wald sind es 9%. Das Gelernte nie anwenden zu können, geben 80% der
Liebfrauenschule und 50% der Mädchenschule an.
Noch weniger als im Fach Mathematik können die befragten Schülerinnen und
Schüler in ihrem Physikunterricht eine Verbindung zum Alltag entdecken. Es scheint als ob es
dem Physikunterricht noch stark an Alltagsbezug mangelt. Besonders schwer ist es für die
Mädchen des koedukativen Unterrichts, eine Parallele zu ihrem Alltag entdecken zu können.
In der monoedukativen Schule schein der Unterricht zumindest ein wenig mehr dem Alltag
der befragen Schülerinnen zu entsprechen als in der koedukativen, da in der Mädchenschule
immerhin 28% angeben, das Gelernte manchmal im Alltag anwenden zu können, in der
Liebfrauenschule jedoch nur 14%. In der koedukativen Schule wird man mit den
Unterrichtsinhalten mehr den Jungen gerecht.
Zusammenfassung:
Mit dem Korrelationswert von 0,46 besteht im Fach Physik ein Zusammenhang
zwischen der Wichtigkeit des Faches und dem Nutzen für die spätere Berufswahl der
Mädchen und Jungen. Außerdem besteht mit dem Wert von 0,56 ein Zusammenhang
zwischen der Wichtigkeit des Faches und dem Alltagsbezug in diesem Fach. Im Vergleich
dazu, waren im Fach Mathematik Korrelationswerte von 0,36 bei der Wichtigkeit und dem
zukünftigen Nutzen und einen Wert von 0,46 bei der Wichtigkeit und dem Alltagsbezug
festzumachen. In Physik ist es also für die Schülerinnen und Schüler wichtiger als in
Mathematik, dass sie sowohl einen künftigen als auch einen alltägliche Nutzen aus diesem
Fach für sich ziehen können.
Folglich ist den Mädchen deswegen das Fach Physik
unwichtiger als den Jungen, weil sie einen geringeren Nutzen als die Jungen für sich in
diesem Fach entdecken können.
Im Vergleich zum Fach Mathematik kann gesagt werden, dass es in Physik sowohl in
der Einschätzung der Wichtigkeit des Faches, als auch im persönlichen Nutzen für die
Schülerinnen und Schüler deutlicher erkennbare Unterschiede zwischen den Geschlechtern
gibt.
60
3.3 Aufmerksamkeitsverteilung
Fühlst du dich im Mathematik- und Physikunterricht von deinen Mitschülerinnen
gestört?
Fühlst du dich im Mathematik- und Physikunterricht von deinen Mitschülern
gestört?
Bekommst du genügend Aufmerksamkeit von deinem Lehrer im Mathematikund Physikunterricht?
Jungen an der Liebfrauenschule:
61
Mädchen an der Liebfrauenschule:
Mädchen an der Klosterschule Wald:
62
„Fühlst du dich im Mathematik- und Physikunterricht von deinen Mitschülern
gestört?“
Über die Hälfte der Schülerinnen der Liebfrauenschule fühlen sich nie oder nur selten
von ihren Mitschülern im Mathematik- und Physikunterricht gestört. Nur 17% geben an, dass
sie ihre Mitschüler stören.
„Bekommst du genügend Aufmerksamkeit von deinem Lehrer im Mathematik- und
Physikunterricht?“
55% der Mädchen der Liebfrauenschule geben an genügend Aufmerksamkeit von ihrem
Mathematik- und Physiklehrer zu bekommen. Benachteiligt vom Lehrer fühlen sich 18%. Die
Jungen geben zu 62% an, genügend Aufmerksamkeit zu bekommen. Bei ihnen fühlen sich nur
6% benachteiligt.
An der Mädchenschule geben 63% an, genügend Aufmerksamkeit zu bekommen. Zu
wenig Aufmerksamkeit bekommen 14%.
Zusammenfassung:
Entgegen der These im theoretischen Teil (siehe IV2.3), bekommen die meisten
Mädchen der koedukativen Schule trotz den dominanteren Jungen immer noch genügend
Aufmerksamkeit. Mädchen, die finden zu wenig Aufmerksamkeit vom Lehrer zu bekommen,
gibt es zum gleichen Anteil auch an der geschlechtergetrennten Schule. Da sich die Mädchen
an der Liebfrauenschule weder von den dominantern Jungen gestört fühlen noch der Meinung
sind, zu wenig beachtet zu werden, können die angeblich dominantern Jungen nicht schuld an
den geschlechtsspezifischen Unterschieden in Mathematik und Physik sein.
63
3.3 Selbstvertrauen in die eigene Mathematikleistung Mädchen und Jungen
3.3.1 Überlegenheit der Jungen
In Mathematik
Was denkst du, sind Jungen im Durchschnitt besser in Mathematik als Mädchen?
Was denkst du, sind Mädchen im Durchschnitt besser in Mathematik als Jungen?
Glaubst du, dass du für Mathematik begabt bist?
Jungen an der Liebfrauenschule:
64
Mädchen an der Liebfrauenschule:
Mädchen der Klosterschule Wald:
65
„Was denkst du, sind Jungen/Mädchen im Durchschnitt besser in Mathematik?
Bei den Jungen ist jeder Zweite der Befragten davon überzeugt, dass sein Geschlecht
den Mädchen immer oder meistens überlegen ist. Umgekehrt trauen 68% den Mädchen nicht
oder nur selten zu, das bessere Geschlecht zu sein. Bei den Mädchen der Liebfrauenschule
glauben nur ein Drittel der Befragten an eine Überlegenheit der Jungen, genauso viele
glauben an keine oder nur selten an eine Überlegenheit der Jungen. Umkehrt glauben nur
16% an eine Überlegenheit des eigenen Geschlechts. An der monoedukativen Schule glauben
mit 40% noch mehr Mädchen an keine oder nur selten an eine Überlegenheit der Jungen wie
an der koedukativen Schule. 24% glauben an eine Überlegenheit der Jungen.
In der befragten koedukativen Schule ist zwar die Auffassung, die Jungen seien das
bessere Geschlecht nach wie vor wieder zu finden, jedoch sind es zum größten Teil nur noch
die Jungen die dies glauben. Die Mädchen der Mädchenschule glauben am wenigsten daran,
dass die Jungen besser sind in Mathematik.
Daraus kann geschlossen werden, dass geschlechtsspezifische Vorurteile nicht mehr so
stark verbreitet sind wie noch vor einigen Jahren und somit die Mädchen auch nicht mehr so
stark durch sie beeinflusst werden, sondern ein realistisches Selbstvertrauen in ihre
mathematischen Fähigkeiten entwickeln können.
„Glaubst du, dass du für Mathematik begabt bist?“
Fast die Hälfte der Jungen halten sich für durchaus begabt in Mathematik, dagegen
glauben nur 20% der Mädchen der Liebfrauenschule immer oder meistens an ihre Begabung
in Mathematik. Jeweils 34% der Mädchen und 20% Jungen denken, dass sie keine oder kaum
eine Begabung für Mathematik besitzen. An der Mädchenschule sind mit 20% doppelt so
viele Mädchen von ihrer Begabung in Mathematik meistens oder immer überzeugt als die
Mädchen der koedukativen Schule. 20% glauben nicht oder kaum an ihre Begabung in
Mathematik.
Zusammenfassung:
Zwar sind schon viele Mädchen nicht mehr der Auffassung, dass die Jungen
grundsätzlich besser sind als sie in Mathematik, trotzdem haben in der koedukativen Schule
nur 20% ein großes Selbstvertrauen in ihre Mathematikfähigkeiten.
66
In der monoedukativen Schule konnten doppelt so viel Mädchen ein großes Vertrauen
in ihre mathematischen Fähigkeiten entwickeln.
Zwar wurde den befragten Mädchen nicht mehr das Gefühl vermittelt, den Jungen
sowieso in Mathematik unterlegen zu sein,
koedukaitven Unterrichts auch nicht
umgekehrt wurde jedoch die Mädchen des
in ihrem Selbstvertrauen in ihre mathematischen
Fähigkeiten gestärkt (siehe IV 2.3.2).
In Physik
Was denkst du, sind Jungen im Durchschnitt besser in Physik als Mädchen?
Was denkst du, sind Mädchen im Durchschnitt besser in Physik als Jungen?
Glaubst du, dass du für Physik begabt bist?
Jungen an der Liebfrauenschule:
67
Mädchen an der Liebfrauenschule:
Mädchen an der Klosterschule in Wald:
68
„ Was denkst du, sind Jungen/Mädchen im Durchschnitt besser in Physik?“
61% der Jungen glauben, dass sie meistens oder immer das bessere Geschlecht sind in
Physik. Die Mädchen der Liebfrauenschule glauben zu 58%, dass die Jungen ihnen überlegen
sind, die Mädchen der Klosterschule in Wald zu 47%. Weder die Jungen noch die Mädchen
beider Schulen glauben an eine Überlegenheit der Mädchen.
„Glaubst du, dass du für Physik begabt bist?“
An ihre Begabung in Physik glauben die Jungen zu 35%. Bei den Mädchen der
Liebfrauenschule trauen sich nur 3,4% eine Begabung in Physik zu, an der Mädchenschule in
Wald sind es immerhin 17%.
Zusammenfassung:
An beiden Schulen ist die Auffassung, die Jungen seien das bessere Geschlecht in
Physik, noch stark verbreitet. Dementsprechend gering ist die Erwartung in die eigenen
Fähigkeiten der Mädchen an der koedukativen Schule. Jedoch weisen auch die Jungen im
Fach Physik kein besonders großes Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten auf. An der
monoedukativen Schule haben zwar weniger Mädchen ein gutes Selbstvertrauen in ihre
Fähigkeiten als die Jungen der Liebfrauenschule, dennoch sind es immer noch einige mehr als
bei den Mädchen der Liebfrauenschule.
3.3.2 Erwartungshaltung der Lehrer
In Mathematik
Denkst du, dass dein Lehrer dich für begabt in Mathematik hält?
Glaubst du, dass du für Mathematik begabt bist?
D
Denkst du, dass dein Lehrer dich für begabt in Physik hält?
Glaubst du, dass du für Physik begabt bist?
69
Jungen an der Liebfrauendschule:
Mädchen an der Liebfrauenschule:
70
Mädchen an der Klosterschule in Wald:
Der Korrelationswert von 0,58 zeigt, dass eine Beziehung zwischen der eigenen
Einschätzung der Schülerin oder des Schülers und der des Lehrers über die Schülerin oder den
Schüler besteht. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Einschätzung, die ein
Lehrer über die Begabung eines Schülers hat, Einfluss auf das Selbstvertrauen des Schülers in
die eigene Begabung hat.
Der Grund dafür, dass die Schülerinnen der koedukativen Schule nur zu 19% glauben
begabt in Mathematik zu sein, könnte also daran liegen, dass auch nur 20% daran glauben,
dass ihr Lehrer oder ihre Lehrerin sie für begabt hält. 48% der Mädchen glaubt nicht oder
kaum, dass ihr Lehrer sie für begabt in Mathematik hält und 35% trauen sich auch nicht zu
begabt zu sein. Bei den Jungen sind es 42%, die glauben, dass sie begabt sind in Mathematik
und 48%, die der Meinung sind, dass auch ihr Lehrer sie für begabt hält. Die Schülerinnen der
Mädchenschule meinen zu 32% begabt in Mathematik zu sein. Ebenfalls glaubt ein Anteil
von 42%, dass ihr Lehrer sie für begabt in Mathematik hält.
Es halt also folglich den Anschein, dass die Lehrerinnen und Lehrer der koedukativen
Schule ihren Schülerinnen bewusst oder unbewusst vermitteln, dass sie nicht oder nur kaum
begabt für Mathematik sind, was mit der These aus dem Kapitel IV 2.3.2 übereinstimmen
würde, dass auch die Lehrer immer noch geschlechtsspezifische Vorurteile haben und
71
deswegen unterschiedliche Erwartungen an ihre Schülerinnen im Gegensatz zu den Schülern
stellen. In der monoedukativen Schule scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein. Dort haben
die Schülerinnen sowohl mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und glauben auch
vermehrt daran, dass ihre Lehrer sie für begabt in Mathematik halten.
Im Fach Physik lässt sich Ähnliches beobachten, hier besteht sogar ein
Korrelationswert von 0,66. Wieder sind es die Mädchen der koedukativen Schule, die mit
73% sowohl sich am wenigsten oft eine Begabung für Physik zuschreiben und auch mit 73%
nicht daran glauben, dass ihre Lehrer eine Begabung in diesem Bereich bei ihnen entdecken
können.
3.3.3 Angst vor Misserfolg
Hast du Angst davor, dass deine Leistung in Mathematik absinken könnte?
Hast du Angst davor, dass deine Leistung in Physik absinken könnte?
Hast du nach einer schlechtern Mathematik- oder Physikklausur das Gefühl zu
wenig auf die Arbeit gelernt zu haben?
Hast du nach einer schlechtern Mathematik- oder Physikklausur trotzdem das
Gefühl den Unterrichtsstoff richtig verstanden zu haben?
Jungen an der Liebfrauenschule:
72
Mädchen an der Liebfrauenschule:
Mädchen in der Klosterschule Wald:
73
„Hast du Angst davor, dass deine Leistung in Mathematik absinken könnte?“
Ca. 40% der Mädchen sowohl von der koedukativen als auch monoedukativen und
32% der Jungen haben Angst, dass ihre Leistungen in Mathematik absinken könnten. Die
befragten Mädchen haben also tendenziell eine höhere Misserfolgserwartung als die Jungen.
Der Unterschied, der dabei zwischen Mädchen und Jungen zu erkennen ist, ist jedoch nur
geringfügig. Vielleicht wäre er jedoch bei einer größeren Anzahl von Befragten deutlicher
festzumachen.
„Hast du Angst davor, dass deine Leistung in Physik absinken könnte?“
In Physik lassen sich zwischen den Mädchen und Jungen der Liebfrauenschule keine
Unterschiede bei der Misserfolgserwartung machen. Bei beiden ist die Angst mit ca. 27%
gleich groß, dass ihre Leistung in diesem Bereich absinken könnte, was auffällig ist, da sonst
im Fach Physik die geschlechtsspezifischen Unterschiede immer deutlicher festzumachen
waren als im Fach Mathematik.
Die Mädchen der monoedukativen Schule haben nur zu 20% Angst, dass ihre Leistung
absinken könnte. Bei ihnen ist die Misserfolgserwartung im Fach Physik weniger stark
ausgeprägt.
„Hast du nach einer schlechtern Mathematik- oder Physikklausur das Gefühl zu wenig
auf die Arbeit gelernt zu haben?“
45% der Mädchen der koedukativen Schule und 43% der monoedukativen Schule, aber
nur 28% der Jungen haben nach einer schlechten Mathematik- oder Physikklausur das Gefühl,
zu wenig auf die Arbeit gelernt zu haben.
Die Mädchen schreiben schlechte Leistungen also mehr als die Jungen persönlichen
Umständen als schlechte Arbeitshaltung zurück.
„Hast du nach einer schlechtern Mathematik- oder Physikklausur trotzdem das Gefühl
den Unterrichtsstoff richtig verstanden zu haben?“
74
43% der Jungen sind meistens oder immer, aber nur 21% der Mädchen der
Liebfrauenschule sind meistens der Meinung, nach einer schlechten Mathematik- oder
Physikklausur trotzdem alles richtig verstanden zu haben. Dagegen sind 48% der Mädchen
der Liebfrauenschule der Meinung nach einer schlechten Klausur eben nicht alles richtig
verstanden zu haben. Dieses Ergebnis zeigt, dass die meisten Jungen bei schlechtern
Leistungen im Gegenteil zu den Mädchen trotzdem nicht an ihren Fähigkeiten zweifeln.
Bei den Mädchen der monoedukativen Schule machten bei schlechten Leistungen
genauso viele, wie Jungen an der Liebfrauenschule nicht ihre Fähigkeiten für die schlechte
Klausur verantwortlich.
3.5 Geschlechtergetrennter Mathematik-/ Physikunterricht
Würdest du einen Mathematikunterricht nur mit Mitschülern deines eigenen
Geschlechts bevorzugen?
Würdest du einen Physikunterricht nur mit Mitschülern deines eigenen
Geschlechts bevorzugen?
Jungen an der Liebfrauenschule:
75
Mädchen an der Liebfrauenschule:
„Würdest du einen Mathematikunterricht nur mit Mitschülern deines eigenen
Geschlechts bevorzugen?“
Sowohl bei den Jungen also auch bei den Mädchen der Liebfrauenschule möchten
über 60% den gemeinsamen Unterricht beibehalten. Nur ca. 17% der Schülerinnen und
Schüler der Liebfrauenschule würden meisten oder immer einen geschlechtergetrennten
Unterricht bevorzugen.
„Würdest du einen Physikunterricht nur mit Mitschülern deines eigenen Geschlechts
bevorzugen?“
Auch in Physik möchten 62% der Mädchen und 65% der Jungen weiterhin gemeinsam
unterrichtet werden. 8% der Jungen und 14% der Mädchen würden meisten oder immer einen
geschlechtergetrennten Unterricht bevorzugen.
76
3.6 Zusammenfassung der Ergebnisse der Umfrage
In der Beliebtheit des Mathematik- und vor allem des Physikunterrichts lassen sich
deutliche Unterschiede zwischen den Mädchen und Jungen der Liebfrauenschule festmachen.
Die Jungen haben durchschnittlich eine größere Vorliebe für Mathematik und Physik als die
Mädchen der Liebfrauenschule.
Zwar lassen sich auch an der Mädchenschule in Wald, verglichen mit den Jungen der
Liebfrauenschule, Tendenzen hin zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Beliebtheit
der beiden Fächer erkennen.
Dennoch scheinen dort die geschlechtsspezifischen
Unterschiede nicht so stark ausgeprägt zu sein, wie an der Liebfrauenschule.
Auch
in
den
mathematischen
und
physikalischen
Leistungen
sind
geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern der
Liebfrauenschule zu erkennen. Sowohl im Mathematik- als auch im Physikunterricht ist eine
durchschnittliche Überlegenheit der Jungen festzumachen.
In Mathematik erbringen die Mädchen der Klosterschule in Wald im Durchschnitt die
gleichen Noten wie die Jungen in der Liebfrauenschule, auch in Physik sind sie den Jungen
nicht so deutlich unterlegen wie die Mädchen der Liebfrauenschule.
Eine durchschnittliche Leistungsabnahme in Mathematik und Physik über die
Schuljahre ist nur bei den Mädchen der Liebfrauenschule zu erkennen. Die durchschnittliche
Leistung der Mädchen der Klosterschule bleibt konstant über die Schuljahre.
In meiner Umfrage stellte sich heraus, dass das Fach Mathematik sowohl für Jungen
als auch für Mädchen von sehr großer Bedeutung ist. Dabei hängt die Bedeutung des Faches
Mathematik nicht unbedingt vom persönlichen Nutzen ab. Auch Mädchen, die weder denken
Mathematik für ihren späteren Beruf zu benötigen noch einen alltäglichen Nutzen im
Mathematikunterricht für sich entdecken können, ist es trotzdem wichtig, gut in Mathematik
zu sein. In Physik ist es dagegen für die Schülerinnen und Schüler wichtiger als in
Mathematik, dass sie sowohl einen künftigen als auch einen alltägliche Nutzen aus diesem
Fach für sich ziehen können. Folglich ist den Mädchen deswegen das Fach Physik
unwichtiger als den Jungen, weil sie einen geringeren Nutzen als die Jungen für sich in
diesem Fach entdecken können.
77
Bei Unterrichtsinhalten des Mathematik- und Physikunterrichts der oberen Klassen
mangelte es sowohl den Mädchen an monoedukativen und koedukativen Schulen als auch den
Jungen an Bezug zu ihrem alltäglichen Leben mangeln.
In den unteren Klassen der koedukativen Schule wird man mit den Unterrichtsinhalten
mehr den Jungen gerecht.
In den monoedukativen Schule der Unterricht der unteren Klassen mehr dem Alltag
der befragen Schülerinnen zu entsprechen als in der koedukativen.
Entgegen der These im theoretischen Teil (siehe IV2.3), bekommen die meisten
Mädchen der koedukativen Schule trotz den dominanteren Jungen immer noch genügend
Aufmerksamkeit. Mädchen, die finden zu wenig Aufmerksamkeit vom Lehrer zu bekommen,
gibt es zum gleichen Anteil auch an der geschlechtergetrennten Schule. Da sich die Mädchen
an der Liebfrauenschule weder von den dominantern Jungen gestört fühlen noch der Meinung
sind, zu wenig beachtet zu werden, können die angeblich dominantern Jungen nicht schuld an
den geschlechtsspezifischen Unterschieden in Mathematik und Physik sein.
Die Unterschiede zwischen den Mädchen und Jungen im Selbstvertrauen in
ihre Mathematik- und Physikleistung fallen zugunsten der Jungen aus. Obwohl die meisten
Mädchen beider Schulen nicht mehr oder nur noch manchmal an eine Überlegenheit der
Jungen in Mathematik glauben, besitzen die Mädchen der Liebfrauenschule immer noch ein
durchschnittlich geringeres Selbstvertrauen in ihre mathematischen Leistungen als die Jungen.
In Physik ist die Auffassung einer Überlegenheit der Jungen in diesem Fach an
beiden Schulen noch stark verbreitet. Folglich besitzen die Mädchen ein dementsprechend
geringes Selbstvertrauen in ihre eigenen Physikleistungen.
Die Lehrerinnen und Lehrer tragen insofern zu den Unterschieden bei, indem sie es
nicht schaffen, den Mädchen das Gefühl zu vermitteln, dass auch sie ebenso wie die Jungen
begabt für Mathematik und Physik sind.
Betrachtet man die Unterschiede im Selbstvertrauen zwischen den Mädchen der
koedukativen Liebfrauenschule und den Mädchen der Mädchenschule in Wald, so kann
festgestellt werden, dass die Mädchen der Mädchenschule ein durchschnittlich größeres
Selbstvertrauen in ihre eigenen mathematischen und physikalischen Fähigkeiten aufweisen als
die Mädchen der Liebfrauenschule. Die Lehrer der Mädchenschule in Wald scheinen es im
Gegensatz zu den Lehrern der Liebfrauenschule zu schaffen, den Mädchen ein positives
Gefühl im Hinblick auf ihre Fähigkeiten in Mathematik und Physik zu vermitteln.
78
An der koedukativen Liebfrauenschule konnten geschlechtsspezifische Unterschiede
deutlicher festgemacht werden, als an der monoedukativen Klosterschule in Wald.
Dennoch bevorzugt die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler der Liebfrauenschule,
weiterhin gemeinsam in Mathematik und Physik unterrichtet zu werden.
VII. Schluss
Inwieweit kann nun die Koedukation für die geringe Beliebtheit der Mädchen für den
Mathematik- und Physikunterricht und die daraus folgende geringere Beteiligung der
Mädchen am Unterricht verantwortlich gemacht werden?
Anhand meiner Umfrage kann gesagt werden, dass in der Koedukation
geschlechtsspezifische Unterschiede durchaus vorzufinden sind. Diese fallen sowohl
bezüglich der Beliebtheit und der Leistung als auch des Selbstvertrauens deutlich zugunsten
der Jungen aus. In der Physik lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede noch deutlicher
festmachen als in der Mathematik.
Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Auffassung, welche einst Möbius
vertrat, dass die biologisch bedingten Faktoren wie mangelnde mathematische und
physikalische Fähigkeiten sowie ein geringeres intellektuelles Leistungsvermögen der Frau
für die geringeren Mathematik- und Physikleistungen der Mädchen bzw. der Frauen längst
veraltet ist. Viel bedeutender sind eine Vielzahl äußerer Einflüsse, die bereits im Kindesalter
auf die Mädchen zu Hause und in der Schule einwirken und wesentlich zur Entwicklung von
mathematischen und physikalischen Neigungen beitragen.
Meine Umfrage hat ergeben, dass zwar auch bei den Mädchen der monoedukativen
Klosterschule Wald, verglichen mit den Jungen der koedukativen Liebfrauenschule,
geschlechtsspezifische Unterschiede fest zu machen sind, jedoch fallen diese nicht so
eindeutig zugunsten der Jungen aus wie an der Liebfrauenschule. So traut sich z.B. kaum ein
Mädchen der Liebfrauenschule gute mathematische Fähigkeiten zu, die Mädchen der
Mädchenschule dagegen weisen ein fast so großes Selbstvertrauen in ihre mathematischen
Fähigkeiten auf als die Jungen der Liebfrauenschule. Doch was ist der Grund dafür, dass die
Mädchen an der Liebfrauenschule ein geringeres Selbstvertrauen entwickeln als die Mädchen
der Mädchenschule? Es kann vermutet werden, dass die Interessen und Leistungen der
Schülerinnen der monoedukativen Schule anders beeinflusst werden als die der Schülerinnen
des geschlechtergemischten Unterrichts. Dieses Ergebnis führt zur Vermutung, dass an der
79
monoedukativen Schule andere Einflüsse auf die Schülerinnen einwirken als an der
Liebfrauenschule.
Ein Einfluss, der auf Schülerinnen und Schüler einwirkt, geht von der Benotung und
dem Feedback der Lehrkräfte aus. Sie tragen insofern zu den Unterschieden im
Selbstvertrauen der Schülerinnen und Schüler der Liebfrauenschule bei, indem es ihnen nicht
gelingt, den Mädchen das Gefühl zu vermitteln, dass auch sie ebenso wie die Jungen begabt
für Mathematik und Physik sind. Bei den Lehrerinnen und Lehrern der Mädchenschule in
Wald scheint dies nicht der Fall zu sein, dort gibt es auch keine männlichen Konkurrenten, die
ein besseres Feedback als die Mädchen erhalten könnten. An dieser Stelle wäre eine
Befragung der Mathematik- und Physiklehrerinnen und Lehrer hilfreich gewesen. Da jedoch
bei dieser nur fünf Lehrer der Liebfrauenschule teilgenommen haben, konnte ich kein
repräsentatives Ergebnis zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden erstellen, die
Lehrerinnen und Lehrer bei ihren Schülerinnen und Schüler vermuten. Beim Auswerten
dieser fünf Fragebögen haben jedoch alle Befragten angegeben keine oder kaum Unterschiede
zwischen Mädchen und Jungen zu vermuten. Die Schülerinnen jedoch geben viel häufiger als
die Jungen an, dass sie nicht der Meinung sind, dass ihr Mathematik- oder Physiklehrer für
begabt hält. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass Lehrereinen und Lehrer sich bewusst werden,
das Geschlechterrollenvorurteile nach wie vor noch in den Köpfen der Schülerinnen
vorhanden sind, auch wenn sie nicht mehr unmittelbar von den Lehrerinnen und Lehrern
vermittelt werden. Für Lehrerinnen und Lehrer bedeutet dies, dass sie sich über mögliche
Vorurteile bewusst werden müssen und ihr Verhalten und ihre Einstellung immer wieder auf
eingefahrene Muster überprüfen müssen.
Ein weiterer Einfluss der auf die Schülerinnen in der Koedukation einwirkt, geht laut
Pfister von den häufig dominanteren Mitschülern aus.186 Meine Umfrage hat jedoch ergeben,
dass sich die Mädchen an der Liebfrauenschule weder von den dominantern Jungen gestört
fühlen noch der Meinung sind zu wenig beachtet zu werden. Folglich können die Mitschüler
mit ihrem dominanteren Auftreten nicht wesentlich zu den geschlechtsspezifischen
Unterschieden in Mathematik und Physik an der Liebfrauenschule beitragen.
Nicht zu vergessen sind die Unterrichtsinhalte, welche häufig nicht auf die Interessen
der Mädchen zugeschnitten sind. Meine Umfrage dazu hat jedoch ergeben, dass nicht nur die
Mädchen der Liebfrauenschule sondern auch die Mädchen der Mädchenschule ab der 9.
Klasse keinen Alltagsnutzen für sich im Mathematik- und Physikunterricht erkennen konnten.
186
Vgl. Pfister, S.63ff.
80
Im Gegensatz dazu können die Jungen eher einen Alltagsnutzen der Mathematik oder der
Physik erkennen.
Die Unterrichtsinhalte sind folglich ein Problem für Mädchen, das nicht nur in der
Koedukation auftritt, sondern auch bei geschlechtergetrennten Unterricht noch verbessert
werden muss.
Außerdem hat für Mädchen beider Schulsysteme die Mathematik und Physik einen
geringeren Stellenwert als bei den Jungen. Auffallend ist, dass viel mehr Jungen als Mädchen
der Meinung sind, dass sie in ihrem späteren Beruf physikalische Kenntnisse benötigen.
Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass die Auffassung, welche die Mädchen vom Stellenwert
der Mathematik und der Physik in ihrem späteren Berufsleben haben, an einer
monokoedukativen Schule nicht anders als an einer koedukativen Schule beeinflusst werden.
Das Ergebnis, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede an einer monoedukativen
Schule nicht so deutlich festzumachen sind, wie an einer koedukativen, spricht für einen
geschlechtergetrennten Unterricht in Mathematik und Physik.
Hinsichtlich der Unterrichtsinhalte und dem Stellenwert, den Mädchen beider
Schulsysteme der Physik in ihrem späteren Berufsleben zuschreiben, wäre es jedoch falsch
nur die Koedukation für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Mathematik und Physik
verantwortlich zu machen.
Kommt man der Forderung unserer Bildungsministerin Annette Schavan nach einem
geschlechtergetrennten Unterricht in Mathematik und Physik entgegen, so darf man nicht die
Gefahren leugnen, die das Zurückschrauben der Koedukation mit sich bringt. So muss
bedacht werden, dass bei einem geschlechtergetrennten Unterricht in diesem Bereich die
Möglichkeit besteht, dass der Unterricht der Mädchen nicht nur speziell auf ihre Bedürfnisse
eingeht, sondern gleichzeitig, so wie es vor der Einführung der Koedukation der Fall war,
wieder als weniger wert erscheint gegenüber dem Unterricht der Jungen. So würde genau das
Gegenteil dessen erreicht werden, was angestrebt wird, nämlich ein Mathematik- und
Physikunterricht der Mädchen und Jungen gleichermaßen gerecht wird.
Meiner Meinung nach ist nicht die Koedukation das eigentliche Problem, sondern
unsere Gesellschaft. Um es letztendlich zu schaffen, dass es in der Koedukation keine
geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Mathematik- und Physikleistungen der
Schülerinnen und Schüler mehr gibt, muss schon bei der Erziehung des Kindes begonnen
werden.
Solange wir nicht aufhören, unseren Kindern von Anfang durch Erziehung,
Medienbotschaften
oder
Spielzeug
traditionelle
81
Geschlechterrollenvorstellungen
zu
vermitteln, wird es nicht gelingen, dass Mädchen sich genauso für Mathematik und Physik
interessieren und das gleiche Selbstvertrauen ihren Mathematik- und Physikleistungen
entgegenbringen wie die Jungen.
Neben den Debatten über Unterschiede zwischen den Geschlechtern, darf nicht vergessen
werden, dass nicht nur das biologische Geschlecht den Menschen ausmacht. Aufteilungen
nach Mädchen und Jungen sind häufig viel zu verkürzt. Um einen koedukativen Unterricht zu
entwickeln, in dem man allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen gerecht wird, müssen
auch Faktoren wie Erziehung, Bildung und Herkunft berücksichtigt werden, da diesen den
Menschen noch viel mehr prägen als sein Geschlecht.
82
VIII. Literaturverzeichnis
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