Zur Situation der Lehrbeauftragten

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Zur Situation der Lehrbeauftragten
Zur Situation der Lehrbeauftragten
(Resolution des 65. DHV-Tages in Mainz)
An deutschen Hochschulen gab es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2013 knapp 94.000
Lehrbeauftragte. Lehraufträge sind eigentlich für erfahrene Personen aus der beruflichen
Praxis gedacht, die das Lehrangebot der hauptberuflich Lehrenden sinnvoll ergänzen sollen,
aber ihren Lebensunterhalt durch einen anderen Hauptberuf bestreiten. Seit die
Studierendenzahlen steigen, jedoch kaum neue Professuren entstehen, übernehmen
Lehrbeauftragte immer häufiger grundständige Lehre. Die Gruppe der Lehrbeauftragten ist
dadurch sehr heterogen geworden und reicht vom gestandenen, gut bestallten Praktiker bis zu
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich selbst dem „akademischen Prekariat“
zuordnen. Von diesen sind viele habilitiert und als Privatdozenten oder außerplanmäßige
Professoren in der Lehre tätig. Jenseits der obligatorischen Titellehre von zwei
Semesterwochenstunden bleiben sie zum Lebensunterhalt oftmals auf Lehraufträge
angewiesen, werden zumeist jedoch nur spärlich pro gehaltener Stunde vergütet, ohne
sozialversicherungsbeschäftigt zu sein. Der DHV nimmt dazu wie folgt Stellung:
1) Der exponentielle Zuwachs von Lehrbeauftragten ist ein sicherer Beleg für die
Unterfinanzierung des gesamten Hochschulsystems. An Universitäten gibt es
inzwischen drei bis vier Mal mehr Lehrbeauftragte als Universitätsprofessoren. Von
einer Ergänzung der wissenschaftlichen Lehre kann keine Rede mehr sein.
Lehrbeauftragte nehmen vitale und essentielle Teile der wissenschaftlichen Lehre
wahr. Damit kommt das gesamte System der universitären Lehre in eine Schieflage.
Der DHV hält fest, dass diese Schieflage fast ausschließlich vom Finanzier der
Hochschulen, Bund und Ländern, verursacht wurde. Für prekäre Verhältnisse unter
Lehrbeauftragten tragen zu allererst sie die Verantwortung.
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2) DHV hält an der Personalkategorie „Lehrbeauftragter“ fest. Lehrbeauftragte sind keine
Arbeitnehmer und sollten es auch nicht werden. Dass die Universitäten in ihrer
finanziellen Not zunehmend zum Instrument des Lehrbeauftragten greifen, um Lücken
im Lehrangebot zu schließen, ist zwar verständlich, aber kritikwürdig.
3) Lehraufträge dienen der Arrondierung des Lehrangebots und der Verklammerung mit
der beruflichen Praxis außerhalb der Universitäten. Der Zweck von Lehraufträgen
liegt nicht darin, Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern vorbehaltene
Lehraufgaben für wenig Geld zu delegieren. Deshalb sollte Pflicht- und
Wahlpflichtlehre grundsätzlich nicht von Lehrbeauftragten wahrgenommen werden.
Wenn Lehrbeauftragte faktisch dauerhaft Dienstaufgaben wahrnehmen, müssen
reguläre Beschäftigungsverhältnisse als Hochschullehrer oder wissenschaftlicher
Mitarbeiter geschaffen werden.
4) Kritikwürdig hält der DHV die von vielen Universitäten praktizierte Haltung, anstelle
einer Professurvertretung einen Lehrauftrag oder weitere Lehraufträge zu erteilen, um
Kosten zu sparen. Professurvertretungen müssen stattdessen für die Dauer eines
Semesters und nicht nur für die Vorlesungszeit vergütet werden.
5) Lehraufträge, die Teil des Pflichtlehrangebotes für die Studierenden sind, müssen in
der Regel vergütet werden. Nach einer Umfrage des DHV aus dem Jahre 2010
bewegte
sich
an
deutschen
Universitäten
der
Hauptkorridor
bei
der
Lehrauftragsvergütung zwischen 20 und 50 Euro. Mancherorts wird damit der ab
Januar 2015 geltende Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde unterschritten, denn eine
Stunde Lehre erfordert für Vorbereitung und Nachbereitung mindestens zwei
zusätzliche Zeitstunden. Hinzu kommt der Prüfungsaufwand. Die miserable
Honorierung von Lehraufträgen ist inakzeptabel. Eine schrittweise Erhöhung der
Lehrauftragsvergütung auf mindestens 60 Euro pro Lehrveranstaltungsstunde hält der
DHV für dringend geboten. Zur Finanzierung dieser Aufstockung stehen den Ländern
die Mittel zur Verfügung, die durch die Kostenübernahme des BAföG durch den Bund
freiwerden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat als bislang einziges Bundesland
angekündigt, wie gefordert zu verfahren.
6) Der DHV appelliert an die Hochschulen, die Integration von Lehrbeauftragten zu
befördern. Auch wenn Lehrbeauftragte als Selbständige mit Honorarvertrag zum
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nebenberuflichen Personal zählen und damit keine Mitglieder der Hochschule sind,
müssen die Hochschulen ihnen Möglichkeiten eröffnen, universitäre Bibliotheken,
Arbeits- oder Besprechungsräumen zu nutzen.
7) Der DHV fordert die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Weiteren dazu auf,
die
Sorgen
und
Anliegen
der
Lehrbeauftragten
in
Selbstverwaltungsgremien aufzugreifen und zu thematisieren.
Mainz, 24. März 2015
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den
akademischen