Pressemeldung

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NR. 187 . FREITAG, 12. AUGUST 2016
SEITE 27
Der Herr über die Prothesen
Thomas Kipping aus Stockum-Püschen sorgt als
Orthopädietechnikermeister erneut dafür, dass für
die Behindertensportler bei den kommenden
Paralympics in Rio alles nach Maß läuft.
Westerwald extra
Y
Fotos, Videos,Berichte auf www.rhein-zeitung.de/westerwald-extra
WW-Know-how
soll in Rio zu
Medaillen führen
Paralympics Thomas Kipping betreut erneut die
deutschen Behindertenspitzensportler
Meister, dessen Erfahrungen aus
dem Leistungssport in alltägliche
Prothesenversorgung
einfließen
M Stockum-Püschen. Der Ortho- und so nicht nur behinderten Spitpädietechniker-Meister
Thomas zensportlern, sondern auch dem
Kipping aus Stockum-Püschen ist 80-jährigen Großvater zugute
als Techniker für die Deutsche Pa- kommen.
ralympics Nationalmannschaft noDie Vorbereitungen der paraminiert worden. Nach den Para- lympischen Athleten im deutschen
lympics für Sportler mit Behinde- Team laufen schon seit geraumer
rung in Athen und London ist es Zeit, wobei im Hintergrund immer
für den 46-Jährigen die mittler- ein Funktionsteam steht, zu dem
weile dritte Teilnahme an einem seit 2009 auch der Orthopädiesolchen Großereignis. Und die Vor- fachmann aus dem Westerwald gefreude ist natürlich groß. Für ihn hört. Kippings Engagement für den
wird es gleich doppelt spannend: Behindertensport ist ehrenamtlich
aus technischer Sicht und natür- und zeitaufwendig. Zehn Tage
lich, was die Wettkämpfe betrifft.
weilte der 46-Jährige im Juni im
Thomas Kipping betreibt sein italienischen Grosseto bei den EuUnternehmen APT seit nunmehr ropameisterschaften an der Seite
14 Jahren. Für den Behinderten- der deutschen Athleten, in Rio
sport beim TSV Bayer
wird er ab dem 31. Au04 Leverkusen bringt „Die Leistungsgust den Sportlern
er seit dem Jahr 2000
knapp drei Wochen mit
die Prothesen auf den sportler sind
Rat und Tat zur Seite
neusten Stand. Bei den unsere Crashstehen.
Paralympischen Spie- Test-Dummys.“
„Natürlich muss der
len 2004 in Athen war
Betrieb zu Hause weier für einen Zulieferer Thomas Kipping
terlaufen“, erzählt Kipfür alle Athleten zuping. Und das gehe nur
ständig, auch für die aus anderen mit einem Superteam. Inklusive
Nationen. Über Bayer 04 Leverku- Chef zählt APT in Stockum-Püsen kam letztlich 2008 nach den schen 14 Mitarbeiter.
Olympischen Spielen in Peking
Was macht für den Westerwälauch der Kontakt zum neuen Bun- der den Reiz der Paralympics aus?
destrainer Willi Gernemann zu- „Es ist zum einen der Wettkampfstande.
gedanke, alles ist sehr spannend
Thomas Kipping gilt als Kory- bis zum Finale hin. Manchmal wird
phäe auf dem Gebiet der Prothe- um tausendstel Sekunden gesentechnik, nicht nur Behinder- kämpft“, berichtet Thomas Kiptensportler, auch Privatpersonen ping. Seit Sydney habe sich vieles
suchen seinen Rat. „Wer im Be- in der Leistungsdichte getan. Und
hindertensport Erfolg haben will, dann, so der 46-jährige, sei alles
muss wahnsinnig viel trainieren, auch so ein bisschen wie in der Forbeim Leistungssport sind die An- mel 1: Hoffentlich hält die Technik,
forderungen für Menschen mit sei einer der Gedanken, der einem
Handicap noch weitaus höher“, be- Orthopädietechniker bei den Spierichtet der Orthopädietechniker- len nicht von der Seite weicht.
Von unserem Redakteur
Michael Wenzel
Orthopädietechniker-Meister Thomas Kipping aus Stockum-Püschen ist erneut als Techniker für die Deutsche Paralympics-Nationalmannschaft nominiert
Fotos: Privat
worden. Ende des Monats geht es für ihn nach Rio de Janeiro.
Jede Sportlerprothese wird individuell gefertigt und angepasst,
bei den Carbonfedern gibt es verschiedene Kategorien. Es wird viel
getüftelt, die kleinen Nuancen machen viel aus. Dabei, so Kipping,
gilt: „Je erfahrener der Athlet, desto besser. Er muss dem Techniker
detaillierte Infos über Passgenauigkeit geben und in der Lage sein,
eine Feineinstellung der Prothese
selbst vorzunehmen.“
„Wer das beste Material hat, gewinnt!“, grundsätzlich gelte dies
im Behindertensport, wie so oft behauptet wird, nicht, erläutert Kipping. „Der Mensch muss das Zusammenspiel mit der Technik,
sprich der Prothese, beherrschen.“
Eine Schrittlänge von vier Metern
sei dabei mit einem Normalsportler
nicht zu vergleichen, so der Or-
thopädietechniker. Die zu erzielenden Werte im Behindertensport
seien bemerkenswert. So hält
Heinrich Popov in seiner Schadensklasse der Oberschenkelamputierten mit stolzen 6,72 Meter
den Weltrekord im Weitsprung,
Markus Rehm bringt es bei den Unterschenkelamputierten sogar auf
8,50 Meter. Auch das ist Weltrekord. Für Thomas Kipping werden
es die letzten Paralympics sein, an
denen er als Techniker für das Nationalteam teilnehmen wird. Sein
Nachfolger ist auch schon gefunden: Es ist Peter Ferger aus Stockum-Püschen, einer aus seinem
APT-Team.
Die Strukturen im deutschen Behindertensport
In Deutschland sind laut Wikipedia
behinderte Sportler als Mitglieder
ihrer jeweiligen (Behinderten)Sportvereine im Deutschen Behindertensportverband (DBS) organisiert. Der DBS besteht aus 17 Landesbehindertensportverbänden,
den beiden Fachverbänden Deutscher Rollstuhl-Sportverband (DRS)
sowie Deutscher SchwerhörigenSportverband und weiteren sieben
außerordentlichen Mitgliedsorga-
nisationen. Im Wettkampf- und
Leistungssport unterschied man
früher verschiedene Klassen nach
der Art der Behinderung, heute
wird nach der funktionellen Auswirkung der beteiligten Sportler
unterschieden. Analog zu den
Olympischen Spielen gibt es für
Sportler mit körperlichen Behinderungen die Paralympischen Spiele,
die jeweils nach den Olympischen
Spielen stattfinden. Die Teilnehmer
bei den Paralympics werden in der
Regel in denselben Unterkünften
wie die Olympioniken untergebracht, und die Wettkämpfe finden
auch an denselben Wettkampfstätten statt. Gehörlose können bei
den Deaflympics, geistig behinderte Athleten bei den Special
Olympics antreten. Darüber hinaus
organisiert das Internationale Paralympische Komitee auch diverse
Weltmeisterschaften.
Popow, Rehm & Co. hautnah erleben
Sport Paralympisches
Leichtathletik-Team wird
mit zwei Veranstaltungen
im Westerwald nach
Brasilien verabschiedet
M Hachenburg/Stockum-Püschen.
Am 26. August macht sich die deutsche Nationalmannschaft auf zu
den XV. Paralympics nach Rio de
Janeiro. Um das LeichtathletikTeam gebührend zu verabschieden, veranstaltet der TuS Hachenburg am Samstag, 20. August, ab
10.30 Uhr im Burbach Stadion mit
dem Integrativen SparkassenMeeting den letzten Wettkampf
vor der Abreise, bei dem sich die
paralympischen Athleten in insgesamt 16 Disziplinen präsentieren
können. Im Anschluss findet ab 18
Uhr in Stockum-Püschen die „Nacht
der Prothesentechnik“ statt. Diese
wird vom Unternehmen APT Prothesen in Kooperation mit Mitsubishi Motors Deutschland und dem
TSV Bayer 04 Leverkusen organisiert. Moderator ist der Kabarettist
Rainer Schmidt.
Während der Ausstellung in den
APT-Werkräumen können sich Besucher unter anderem bei namhaften Prothesenherstellern wie
Otto Bock, Össur, Freedom Innovations und Teufel über die neueste Technologie sowie am Stand
Wie bei den Europameisterschaften wollen sie auch bei den Paralympics aufs
Treppchen: Markus Rehm, David Behre, Felix Streng und Johannes Floors.
von Mitsubishi Motors Deutschland über Möglichkeiten des behindertengerechten Umbaus von
Fahrzeugen informieren. Um 20
Uhr wird Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie
des Landes Rheinland-Pfalz, ein
Grußwort an die Besucher und die
etwa 30 bis 40 anwesenden Mitglieder der paralympischen Leichtathletikmannschaft richten. Neben
Bundestrainer Willi Gernemann
und Stars wie Heinrich Popow, David Behre oder Markus Rehm werden auch das Funktionsteam aus
Ärzten, Physiotherapeuten, Biomechanikern und Orthopädietechniker-Meistern vorgestellt sowie im
Rahmen von Interviews und einer
Talkrunde unter anderem die Besonderheiten des Behindertensports thematisiert. Im Verlauf des
Abends kommen die Team-Mitglieder auch Autogrammwünschen
nach.
„Wir möchten den Besuchern
nicht nur die Gelegenheit geben,
die Paralympics-Stars kennenzulernen“, so Veranstalter Thomas
Kipping, technischer Betreuer der
Leichtathletik-Mannschaft
und
Geschäftsführer von APT Prothesen. „Es geht uns auch darum aufzuzeigen, wie Erfahrungen von
Athleten und Technikern aus dem
Spitzensport dem ‚normalen‘ Prothesenträger im Alltag zugutewez
kommen.“
Thomas Kipping nimmt Maß (Bild oben). Die deutsche Paralympics-Leichtathletik-Mannschaft (Bild unten). Am 20. August werden behinderte Spitzensportler im Burbach Stadion in Hachenburg beim Integrativen Sparkassen-Meeting in einem Wettkampf ihre Leistungsstärke demonstrieren.