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Bundesfinanzhof
Urt. v. 10.04.2008, Az.: VI R 13/07
Werbungskosten: Auch der Inhalt von Sprachkursen kann Steuern sparen helfen
Macht ein Wirtschaftsingenieur plausibel, dass die Teilnahme an einem 2-monatigen Sprachkurs in London
Voraussetzung für die Einstellung als IT-Berater bei einem potentieller Arbeitgeber war, so darf das
Finanzamt es nicht verweigern, den Aufwand für die Auslandsreise (hier machten sie rund 5.000 € für Flug
und Seminar aus) als Werbungskosten vom steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen. Es kann nicht
argumentieren, dass ein Sprachkurs ähnlicher Form auch in der Bundesrepublik hätte absolviert werden
können. War der Kurs auf die besonderen beruflichen Interessen zugeschnitten, weil — neben der
Verbesserung der Sprache — auch fachspezifische Informationen in Form wirtschaftswissenschaftlicher
Vorlesungen gegeben worden waren, so steht die berufliche Veranlassung außer Frage.
Quelle: Wolfgang Büser
Geltendmachung einer nicht am Wohnort stattfindenden Fortbildungsveranstaltung im
Einkommensteuerbescheid als Abzug von Reisekosten bei Zuordnung zur beruflichen Sphäre
Gericht: BFH
Datum: 10.04.2008
Aktenzeichen: VI R 13/07
Entscheidungsform: Urteil
Referenz: JurionRS 2008, 15825
Verfahrensgang:
vorgehend:
FG Hessen - 06.04.2006 - AZ: 10 K 1902/02
Rechtsgrundlage:
§ 76 Abs. 1 S. 1 FGO
Fundstellen:
BFH/NV 2008, 1356-1357 (Volltext mit amtl. LS)
EStB 2008, 276 (Kurzinformation)
IStR 2008, VII Heft 20 (Kurzinformation)
NWB 2008, 9
NWB (Beilage) 2008, 9 (amtl. Leitsatz)
NWB direkt 2008, 9
NZA 2008, 864 (Kurzinformation)
Weiterbildung 2008, 52
Jurion-Abstract 2008, 222431 (Zusammenfassung)
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BFH, 10.04.2008 - VI R 13/07
Gründe
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I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Nach einem abgeschlossenen Studium als Wirtschaftsingenieur war
der Kläger bis zum 30. Juni 2000 zunächst als angestellter Unternehmensberater tätig. Seit
1. August 2000 ist er bei ... Deutschland (Arbeitgeber) und dort als Berater im IT-Bereich tätig.
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In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 machte der Kläger bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für einen Auslandssprachkurs in Höhe von 10 691 DM
als Werbungskosten geltend. Nach den vorgelegten Unterlagen hielt sich der Kläger vom 1. Mai bis
zum 3. Juli 2000 in England auf und besuchte in dieser Zeit das ... College. Gegenstand der
Unterlagen waren auch ein Wochenstundenplan (Timetable) und eine Zusammenfassung der
Themenschwerpunkte (Topics Course Program) sowie ein Zertifikat des London Chamber of
Commerce Examinations Board (LCCIEB) vom Juni 2000, wonach der Kläger eine Prüfung in
"English for Business" bestanden hat. Zudem legte der Kläger u.a. vor:
• Flugtickets für den Hin- und Rückflug am 1. Mai und 3. Juli 2000;
• Nachweise über die Zahlung einer Kursgebühr in Höhe von insgesamt 1 170 brit. Pfund an
das College vom 13. April und 3. Mai 2000;
• Nachweis über die Zahlung einer Prüfungsgebühr vom 22. Mai 2000.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im
Einkommensteuerbescheid die geltend gemachten Aufwendungen nicht. Er vertrat u.a. die
Auffassung, ein Inlandssprachkurs hätte den gleichen Erfolg gehabt. Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 110 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Hessischen FG vom 6. April 2006 10 K 1902/02 aufzuheben und den angefochtenen
Einkommensteuerbescheid des FA vom 24. Januar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 3. Mai 2002 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere
Werbungskosten in Höhe von 10 691 DM berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung
der Sache an das FG ( § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1.
Der von den Klägern ordnungsgemäß gerügte Verfahrensmangel ist gegeben. Das FG hat § 76
Abs. 1 Satz 1 FGO dadurch verletzt, dass es dem Beweisantritt der Kläger nicht gefolgt ist und den
Zeugen R nicht vernommen hat.
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Das FG darf auf die von einem Beteiligten beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten,
wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage
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stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das
Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist
(Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. November 2005 VI R 71/99 , BFH/NV 2006, 753,
m.w.N.). Keiner der genannten Gründe lag im Streitfall vor.
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Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Beherrschung der englischen Sprache Voraussetzung
für die Einstellung beim Arbeitgeber sei, war ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des
FG rechtserheblich. Nach der auch im angefochtenen Urteil zitierten Rechtsprechung des BFH, der
sich das FG angeschlossen hat, setzt bei einer nicht am Wohnort stattfindenden
Fortbildungsveranstaltung der Abzug von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise
ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist u.a. der
Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zu Grunde liegt und die Verfolgung privater
Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (BFH-Urteile vom 27. August 2002 VI R
22/01 , BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369; vom 19. Dezember 2005 VI R 89/02 , BFH/NV 2006,
934). Diese Voraussetzungen können im Einzelfall auch erfüllt sein, wenn ein Sprachlehrgang zum
Erwerb oder zur Sicherung eines Arbeitsplatzes erforderlich ist (BFH-Urteil vom 19. Dezember
2005 VI R 65/04 , BFH/NV 2006, 1075).
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Da das FG vor Durchführung der Zeugenvernehmung nicht wissen konnte, welche konkreten
Angaben der Zeuge R zur Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen als Einstellungskriterium
machen würde, und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass hierdurch die vom FG gewürdigten
Umstände --wozu auch die von diesem in Frage gestellte Nachweisführung zählt-- in einem anderen
Licht erschienen, war der Verzicht auf die beantragte Vernehmung nicht zulässig. Mit der
Begründung, R sei nicht in der Personalabteilung des Arbeitgebers tätig und damit auch nicht für
Einstellungen zuständig, so dass sich seine Einvernahme erübrige, hat das FG eine unzulässige
vorweggenommene Würdigung des von den Klägern angebotenen Beweises vorgenommen (vgl.
dazu BFH-Urteil vom 4. April 2001 VI R 209/98 , BFH/NV 2001, 1281).
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Die Kläger haben ihr Rügerecht nicht verloren. Zwar handelt es sich bei dem Verfahrensmangel der
unzureichenden Sachaufklärung um einen solchen, auf dessen Rüge verzichtet werden kann (
§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung ). Auch geht bei verzichtbaren Verfahrensmängeln
das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber
dem FG, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Dies gilt
jedoch nicht, wenn sich der gerügte Verfahrensverstoß erst aus den Entscheidungsgründen selbst
ergibt, den Beteiligten daher eine rechtzeitige Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht möglich
war (BFH-Beschluss vom 13. November 2007 VI B 100/07 , BFH/NV 2008, 219, m.w.N.).
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2.
In materiell-rechtlicher Hinsicht weist der Senat darauf hin, dass es nach seiner Rechtsprechung
ausreicht, wenn der Sprachkurs auf die besonderen beruflichen oder betrieblichen Interessen des
Steuerpflichtigen zugeschnitten ist (BFH-Urteil vom 13. Juni 2002 VI R 168/00 , BFHE 199, 347,
BStBl II 2003, 765). Deshalb können auch die in einer Fremdsprache vermittelten fachspezifischen
Informationen etwa in Form wirtschaftswissenschaftlicher Vorlesungen der Erweiterung der
Sprachkompetenz förderlich und damit beruflich veranlasst sein.
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3.
Der Senat hält es für angezeigt, die Streitsache an den zuständigen Vollsenat des FG
zurückzuverweisen.
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