emmer Juristisches Repetitorium - Juristisches Repetitorium Hemmer

Transcription

emmer Juristisches Repetitorium - Juristisches Repetitorium Hemmer
Juristisches Repetitorium
emmer
Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald
Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz
Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau
Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg
Klausurenkurs
Klausur 1509, Sachverhalt
Klausur Nr. 1509
Strafrecht
Teil I
Thelma und Louise sind als Krankenschwestern in demselben Krankenhaus angestellt und haben
sich im Laufe der Zeit so stark angefreundet, dass sie schließlich zusammenzogen. Jede von ihnen
hatte beträchtliche Schulden, die in der Zeit vor ihrem Zusammenleben entstanden waren. Als ihre
finanzielle Situation immer dramatischer wurde und sie sich nicht in der Lage sahen, durch
zusätzliche Arbeit Geld zu verdienen, entschlossen sie sich, künftig gemeinsam immer wieder
sakrale Gegenstände in der Umgebung ihres Wohnorts zu entwenden, um diese anschließend an
verschiedene Antiquitätenhändler zu verkaufen. Mit dem so gewonnenen Geld wollten sie ihre
jeweiligen Schulden abtragen. Entsprechend diesem Entschluss begingen sie eine Vielzahl von
Taten und entwendeten in den umliegenden Kirchen des Allgäus beinahe alles, was nicht niet- und
nagelfest war.
Als aber auch auf diese Weise der Schuldenberg der beiden nicht merklich abgenommen hatte,
kamen Thelma und Louise schließlich überein, sich durch einen Banküberfall endgültig zu sanieren.
Thelma hatte diesbezüglich in Erfahrung gebracht, dass bei der Sparkasse an jedem
Freitagnachmittag stets größere Geldbeträge zunächst gezählt und anschließend in einen Tresor
verbracht wurden. Der Raum, in dem der jeweilige Bankangestellte tätig sei, sei nicht verschlossen.
Man könne diesen Raum relativ unbemerkt dadurch erreichen, dass man durch eine Hintertür in das
Bankgebäude eindringe. Die Codenummer für diese Hintertür habe sie von einem Angestellten der
Sparkasse erfahren, der ihr als Patient schöne Augen gemacht habe. Louise stimmte dem
ausgearbeiteten Plan der Freundin begeistert zu.
Gleich am darauffolgenden Freitag schritten beide - die Gesichter mit Strumpfmasken bedeckt - zur
Tat. Thelma führte eine ungeladene Schusswaffe bei sich, während Louise eine täuschend echt
aussehende Spielzeugpistole parat hielt. Nachdem beide durch die Hintertür in die Bank gelangt
waren, wurden sie von dem Wachmann Walter überrascht. Auch dieser entpuppte sich aber als ein
dankbarer ehemaliger Patient der beiden und versprach ihnen, gegen Zahlung eines Schweigegeldes
von 250 Euro die Augen einmal zuzudrücken. Thelma und Louise sagten dies zu und erreichten so
den besagten Raum, in dem der Bankangestellte Bernd noch dabei war, das Bargeld zu zählen.
Während Thelma Bernd mit vorgehaltener Waffe in Schach hielt, brachte Louise das gesamte
Bargeld - ca. 75.000 Euro - an sich. Die beiden Frauen verließen daraufhin in Windeseile die Bank.
Walter erhielt anstatt der versprochenen 250 Euro - wie von Anfang an geplant - einen Kuss auf die
Wange.
Auch im privaten Bereich lieben Thelma und Louise den Nervenkitzel und haben in Giovanni und
Carlo Gleichgesinnte gefunden. Nach einer gemeinsamen Videoparty entschlossen sich die vier
gegen Mitternacht, auf wenig befahrenen Feldwegen einmal das sog. „Autosurfen“ zu versuchen,
was bislang noch keiner von ihnen gemacht hatte. Zunächst führten sie das Surfen in der Weise
durch, dass sich einer von ihnen auf das Dach legte und sich während der Fahrt an den Türholmen
der geöffneten Fenster festhielt. Mit dem Fahren wechselten sie sich ab, damit jeder einmal in das
Vergnügen des Surfens kam. Schließlich setzten sie das Surfen in der Weise fort, dass sich drei auf
das Dach legten und nur noch der Fahrer im Wageninnern verblieb. Dabei wurde die
Geschwindigkeit einvernehmlich gesteigert, und allen Beteiligten war klar, dass die ganze Sache
nicht ungefährlich war. Als nach einigen Wechseln wieder Carlo mit einer Geschwindigkeit von 7080 km/h den Wagen fuhr, vermochte sich der links oben liegende Giovanni in einer leichten
Rechtskurve infolge der enormen Fliehkraft nicht mehr ausreichend festzuhalten und fiel in einen
angrenzenden Graben. Er erlitt infolge des Sturzes ein Schädel-Hirn-Trauma, das zu einer
dauerhaften schweren geistigen Behinderung führte.
h/w/bb - 2012
Juristisches Repetitorium
emmer
Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald
Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz
Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau
Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg
Klausurenkurs
Klausur 1509, Sachverhalt
Bearbeitervermerk: Beurteilen Sie die Strafbarkeit der Beteiligten nach dem StGB. Was Thelma
und Louise betrifft, so ist nur auf den konkret beschriebenen Banküberfall einzugehen. Im zweiten
Tatkomplex ist lediglich die Strafbarkeit des Carlo zu untersuchen.
Teil II
Direkt nach dem Unfall wurden die Beteiligten in den Abendstunden auf der Polizeiwache zum
Hergang des Geschehens vernommen. Carlo, der erst seit einigen Wochen in Deutschland lebt und
beinahe kein Wort Deutsch spricht, sondern allein italienisch, wurde unter Mitwirkung eines
Dolmetschers gem. §§ 163a IV, 136 I 2 StPO ordnungsgemäß belehrt. Er erklärte zunächst, dass er
in einigen Punkten zur Aussage bereit sei, brachte jedoch im Anschluss daran sofort zum Ausdruck,
dass er wegen der Schwere des Vorwurfs, insbesondere wegen der gravierenden Verletzung des
Giovanni, einen Rechtsbeistand wünsche. Einen Rechtsanwalt konnte er allerdings nicht benennen.
Da auch der Dolmetscher diesbezüglich seine Hilfe verweigerte, wurde Carlo das
Branchentelefonbuch zur Verfügung gestellt, in dem die im Landkreis zugelassenen Rechtsanwälte
verzeichnet waren. Hiervon machte er allerdings keinen Gebrauch. Thelma erwähnte daraufhin den
Namen des Rechtsanwalts Ruloff, von dem es hieß, er spreche italienisch. Dieser war aber nicht zu
erreichen. Da der vernehmende Polizeibeamte daran interessiert war, die Vernehmung ohne
vorangegangene anwaltliche Beratung des Beschuldigten durchzuführen - er hielt dies im Sinne der
Ermittlungen für die erfolgversprechendere Methode -, leistete er Carlo keine weitergehende Hilfe.
Insbesondere unterrichtete er den Beschuldigten bewusst nicht darüber, dass in dem Landkreis
während der Abend- und Nachtstunden ein anwaltlicher Notdienst telefonisch erreichbar ist. Carlo
erklärte sich schließlich bereit auszusagen und räumte dabei insbesondere ein, dass er zum
Zeitpunkt des Unfalls den Wagen gesteuert habe.
Bearbeitervermerk: Liegt in dem Verhalten des Polizeibeamten ein Verfahrensverstoß, der hinsichtlich der Aussage des Carlo zu einem Beweisverwertungsverbot führt?
h/w/bb - 2012