2.5 Texte transkribieren, Transkriptionsregeln

Transcription

2.5 Texte transkribieren, Transkriptionsregeln
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Die Texte: Transkription, Vorbereitung und Import
Dateien als Bilder oder in mehrere Formate wie beispielsweise PDF
und Word-Dateien zu speichern. Wichtig ist darüber hinaus der gewählte Formatierungsgrad vor dem Speichern (Punkt: „Formatierungsgrad“). Je nach Komplexität des Originals kann es in der erstellten Word-Datei mit dem Formatierungsgrad „TruePage“ oder
„Fließseite“ (standardmäßig eingestellt) zu der Einführung von Textfeldern kommen, da hier der Aufbau des Originals übernommen
wird. Die empfehlenswerten Optionen „Schriftart und Absatzformatierung beibehalten“ sowie „keine Formatierung“ stellen lediglich
den Text dar und beziehen die Bilder oder Tabellen mit ein, ohne jedoch Textfelder zu generieren, die den Aufbau der Originalseite
nachahmen. Wurde für den dritten Schritt die Option „In Datei
speichern“ gewählt, wird die Datei im gewählten Format (zum Beispiel DOC-Dateien in Word) gespeichert.
Eine interessante Funktion von Omnipage ist die Option DirectOCRm, die
die Texterkennung aus anderen Programmen erlaubt. Auf diese Weise ist es
möglich, beispielsweise über das Programm Word, Seiten einzuscannen und
erkennen zu lassen. Dabei kann unter der Option „Datei/Text erfassen“
mit OmniPage 14 direkt der Scanvorgang aktiviert werden. Die Bereiche
werden automatisch erkannt und als Text in Word dargestellt. Durch die
großen Verbesserungen in der Genauigkeit des erkannten Textes ist diese
Form der Texterkennung bei guter Qualität des Originals zu empfehlen.
Der Text kann dann als RTF-Datei in Word gespeichert werden.
2.5 Texte transkribieren, Transkriptionsregeln und
Transkriptionssysteme
Eine gebräuchliche Definition für Transkription lautet: „Die Verschriftlichung menschlicher Kommunikation, meist auf der Grundlage von Tonband- oder anderen Aufzeichnungen. Je nach Untersuchungszweck kann
bzw. muss die Transkription mehr oder weniger umfassend sein.“ (LudwigMayerhofer, ILMES – Internet Lexikon).
Die Weiterentwicklung im Computerbereich eröffnet auch neue Möglichkeiten im Bereich der Erhebung und Transkription qualitativer Daten.
Bisher hat man Texte zumeist auf Kassette aufgenommen und mit einem
üblichen Transkriptionsgerät und Fußschalter abgetippt. Diese Funktionali-
Texte transkribieren, Transkriptionsregeln und Transkriptionssysteme
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tät ist nun auch dem Computer möglich. Die Aufnahme kann mit MP3
USB-Sticks vorgenommen werden, sofern diese ein Mikrofon integriert haben. Die Qualität solcher Aufnahmen ist bescheiden, für Einzelinterviews
in Räumen aber durchaus alltagstauglich. Solche Geräte sind relativ preisgünstig. Bessere MP3 Aufnahmegeräte haben einen eigenen Mikrofoneingang. Natürlich lässt sich auch klassisch aufgenommenes Material am
Computer digital umwandeln. So behält dieses die gewohnt gute Tonqualität und man kann dennoch die Vorteile der Digitalisierung nutzen. Entsprechende Programme sind kostenfrei erhältlich. Der Vorteil dabei ist
nicht nur die erleichterte Archivierung und Erhebung der Daten, sondern
auch die leichtere Verbreitung (via Computer) und die stetige Verfügbarkeit
des Originalmaterials in hörbarer Form am Arbeitsrechner oder in einer
Powerpoint Vortragsdatei. Diese Tondateien können in Programm wie
MAXQDA direkt importiert werden, sodass sie zusätzlich zum geschriebenen Material auch das Tondokument verfügbar haben.
Die Transkription von digitalem Tonmaterial kann ebenfalls am Computer erfolgen. Dafür gibt es eine Reihe von Tools, die das Abspielen der
Tondokumente ermöglichen (z.B. Winamp oder den Mediaplayer von
Microsoft). Allerdings fehlen hier Funktionalitäten, die ansonsten bei
Transkriptionsgeräten üblich sind, beispielsweise das automatische Zurückspulen um einige Sekunden, die Änderung der Tonhöhe oder Abspielgeschwindigkeit oder die genaue zeitliche Verortung für die Transkription. An
der Universität Marburg wurde eine Software programmiert, die diese
Funktionslücke schließt und die Transkription von digitalem Tonmaterial
wesentlich vereinfacht9.
Was machen Forscher, wenn sie ein Interview als Audiodatei oder auf
Kassette aufgenommen haben und mit der Analyse beginnen wollen? Es
lassen sich vier Varianten der weiteren Vorgehensweise bei der Interviewauswertung unterscheiden, die mit mehr oder weniger großem Arbeitsaufwand verbunden sind:
9 Diese Software ermöglicht sämtliche Funktionen eines klassischen Transkriptionsgerätes.
Weitere Informationen dazu und den Download der Software findet man unter
www.audiotranskription.de. Zusätzlich findet man dort auch eine Aufnahmesoftware für
Interviews (z.B. mit dem Laptop). Ein Fußschalter zur leichteren Bedienung ist gegen
Gebühr erhältlich.
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Die Texte: Transkription, Vorbereitung und Import
1. Gedächtnisbasierte Auswertung, d.h. die Analyse geschieht auf der
Basis des eigenen Gedächtnisses und der während des Interviews erstellten stichwortartigen Notizen
2. Protokollbasierte Analyse, d.h. es wird ein schriftliches summierendes Protokoll unmittelbar nach dem Interview erstellt
3. Bandbasierte Analyse, d.h. es wird ein abgekürztes Transkript angefertigt, das nur einen Teil des Originaltextes enthält und ansonsten
den Inhalt des Bandes paraphrasiert
4. Transkriptbasierte Analyse, d.h. es wird eine vollständige Transkription erstellt, wobei der Genauigkeitsgrad der Transkription variieren kann
Die erste Variante, die gedächtnisbasierte Auswertung, ist eher für den
Journalismus als für die Wissenschaft charakteristisch. Die zweite Variante,
das Arbeiten mit einem vom Interviewer erstellten Interviewprotokoll, war
im Vor-Computer-Zeitalter die Regel. Diese protokollbasierte Form der
Auswertung ist heute – teilweise zu Unrecht – fast in Vergessenheit geraten.
So stellt sich in der qualitativen Sozialforschung heute eigentlich nur die
Entscheidung zwischen den beiden letzten Varianten, d.h. die Frage lautet:
Soll man wirklich alles transkribieren und falls ja, in welcher Form, nach
welchen Transkriptionsregeln? Die Beantwortung der Frage hängt zuallererst von finanziellen Faktoren ab, denn Texte zu transkribieren ist zeitaufwändig und verursacht erhebliche Kosten. Wie viel Stunden genau anfallen,
hängt in erster Linie vom gewählten Genauigkeitsgrad der Transkription ab.
Auch für einfache Transkriptionen beträgt der benötigte Zeitaufwand etwa
das fünf- bis zehnfache der Interviewzeit. Wenn die Gleichzeitigkeit der
Sprechenden sowie Dialektfärbung und Intonation dokumentiert werden
sollen, können die Kosten sich weiter vervielfachen. Häufig wird man deshalb selektiv vorgehen und nicht das gesamte Material transkribieren.
Strauss/Corbin (1996) empfehlen für Projekte, die mit der Methode der
Grounded Theory arbeiten, die im folgenden Kasten wiedergegebene Vorgehensweise bei der Auswahl des zu transkribierenden Materials.
Texte transkribieren, Transkriptionsregeln und Transkriptionssysteme
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TIPP: Besser zu viel als zu wenig
„Die Vorgehensweise gemäß dem Analysestil der Grounded Theory ist normalerweise
wie folgt: Die allerersten Interviews oder Feldnotizen sollten vollständig transkribiert und
analysiert werden, bevor man das nächste Interview oder die nächste Feldbeobachtung
durchführt. Das frühe Kodieren leitet die folgenden Feldbeobachtungen und/oder Interviews, wie später noch ausgeführt wird.
Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Theorie sich entwickelt, mag es sein, dass Sie
die Tonbänder nur abhören und ausschließlich die Sätze, Abschnitte oder Textstellen
transkribieren möchten, die mit der entstehenden Theorie in Zusammenhang steht. (Am
Anfang der Studie ist man sich nicht sicher, was dazugehört und was nicht. Deshalb ist es
besser, alles zu transkribieren, da sonst wichtige Daten verloren gehen könnten.) Das
Transkribieren dieser ausgewählten Materialteile erspart einem allerdings nicht unbedingt
späteres Transkribieren, falls eine zusätzliche oder detaillierte Analyse notwendig erscheint.
(...)
Letztendlich muß jeder selbst entscheiden, in welchem Umfang er die Interviews und
Feldnotizen transkribiert, ausgenommen, ein Prüfungsausschuss oder Betreuer besteht auf
etwas anderem. Sie müssen festlegen, was Sinn und Zweck Ihrer Studie ist und welchen
zusätzlichen analytischen (sowohl theoretisch als auch „psychologisch“ sensiblen) Beitrag
bereits transkribierte versus nicht transkribierte Teile des Materials zur gesamten Untersuchung leisten. Eine weitgehend vollständige Transkription mag notwendig sein, um die
erwünschte Dichte einer Theorie zu erlangen. Darüber hinaus kann man eine vollständige
Transkription anstreben, wenn man ausreichend Geld zur Verfügung hat, um die
Transkription der Bänder zu bezahlen.
Unabhängig davon, ob man die Tonbänder vollständig oder nur teilweise transkribiert,
ist es unerlässlich, sie abzuhören. Abhören und Transkribieren sind wesentlich für eine
vollständige und vielfältige Analyse. Eine abschließende Bemerkung dazu: Besser zu viel
als zu wenig! Letztendlich liegt aber die Verantwortung und Entscheidung bei jedem
selbst.“ (Strauss/Corbin 1996: 14 f.)
In den Sozialwissenschaften ist es zwar weitgehend Standard, offene Interviews als Audiodatei oder auf Tonband aufzunehmen, das dann folgende
Verfahren folgt bislang aber keinen streng fixierten Regeln, so lässt sich
insbesondere nicht von der Existenz von Transkriptionsstandards sprechen, vielmehr existieren verschiedene Transkriptionsregeln mit unterschiedlicher Genauigkeit nebeneinander.
Transkriptionssysteme sind Regelwerke, die genau festlegen, wie gesprochene Sprache in eine fixierte Form übertragen wird. Dabei kommt es
in jedem Fall zu Informationsverlusten. Je nach Ziel und Zweck der Analyse sind solche Verluste hinnehmbar oder aber nicht akzeptabel. Transkriptionssysteme unterscheiden sich vor allem dadurch, ob und wie verschiedene Textmerkmale in der Transkription berücksichtigt werden. Solche sind u.a.:
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Die Texte: Transkription, Vorbereitung und Import
Sprachliche Tönungen und Betonungen
Lautstärke
Dehnungen
Sprechpausen und ihre Länge
Überlappungen zwischen den Äußerungen verschiedener Sprecher
Dialektfärbungen
Gestik, Mimik und paraverbale Äußerungen wie Lachen, Hüsteln,
Stöhnen
• Nicht vollständig ausgesprochen Worte
• Unverständliche bzw. nicht genau verständliche Äußerungen
•
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•
•
•
Auch äußere Merkmale der Interviewsituation können eine Rolle spielen
und für die Auswertung von Belang sein, z.B. dass jemand den Raum betritt
oder verlässt, dass das Telefon klingelt und dergleichen mehr.
Die Methodenliteratur schenkt dem lange vernachlässigten Themenfeld
Transkription mittlerweile mehr Aufmerksamkeit (vgl. Kowall/O’Conell
2000, Flick 2002: 252 ff., Lamnek 2005: 403 ff., Mayring 2002: 89 ff.). Dittmars 2002 verfasstes Lehrbuch „Transkription. Ein Leitfaden mit Aufgaben
für Studenten, Forscher und Laien“, aus der Perspektive eines Sprachwissenschaftlers geschrieben, enthält zahlreiche auch für Sozialwissenschaftler
wertvolle Hinweise. Er formuliert folgende Leitfragen für die Auswahl eines Transkriptionssystems (ebd.: 83-85):
1. „Definiere den Untersuchungszielen angemessene, optimale Verschriftlichungskategorien.“
2. „Mache dein System zugänglich (z.B. so leicht und einfach lesbar wie
möglich).“
3. „Wähle stabile und robuste Zeichen!“
4. „Wähle dein Zeicheninventar nach den Prinzipien der Ökonomie
aus!“
5. „Gestalte dein System so, dass es für verschiedene Arbeitszusammenhänge und Funktionen anpassungsfähig ist!“
6. „Gestalte dein System so, dass es für EDV-gestützte Analysen von
sprachlichen und kommunikativen Funktionen leicht und angemessen verwendet werden kann!“
Texte transkribieren, Transkriptionsregeln und Transkriptionssysteme
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Die von Dittmar ausführlich betrachteten Transkriptionssysteme fokussieren vornehmlich Dialoge, Diskurse und Konversationen. Es handelt sich
um folgende Systeme:
•
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•
Transkriptionsdesign der formalen Konversationsanalyse. Ein System, das die sequentielle Struktur von Redebeiträgen abbildet.
HIAT (Halbinterpretative ArbeitsTranskription)10. Hier ist die
Transkription nach dem Muster der Partitur als eine Endloszeile organisiert, so dass die Synchronizität von Sprechakten erhalten bleibt.
Diskurs-Datenbank (DIDA)11. Ein am Institut für deutsche Sprache
entwickeltes System, das ebenfalls die Aufzeichnung mehrerer Sprecher zum Ziel hat.
Diskurstranskription nach du Bois – ein System mit leicht erlernbaren Symbolen für die Wiedergabe von Diskursen.
Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem (GAT)12 – ein linguistisch orientiertes System.
Codes for human analysis of transcripts (CHAT)13 – im Kontext der
Spracherwerbsforschung entwickelt, ebenfalls linguistisch orientiert.
Drei dieser aus dem Bereich der Sprachwissenschaften und der Linguistik
stammenden Systeme sind speziell für sehr genau umrissene Anwendungen
konzipiert, nämlich für Diskurse. Die Systeme sind relativ aufwändig und
auf detailgenaue Aufzeichnung konzentriert. In der qualitativen Sozialforschung sind die Anforderungen in der Regel deutlich geringer und derart
genaue Notationssysteme werden nur relativ selten verwendet. Im Allgemeinen verzichtet man etwa auf die genaue Protokollierung von Dialekten
und sprachlichen Färbungen, auch muss nicht jedes „ähh“ und „mhm“
protokolliert werden. Der Text wird insgesamt geglättet. Mayring unterscheidet zwischen drei Techniken der wörtlichen Transkription (Mayring
2002: 91):
•
•
10
11
12
13
der Verwendung des internationalen phonetischen Alphabets,
der literarischen Umschrift, bei der auch Dialektfärbungen im gebräuchlichen Alphabet wiedergegeben werden und
www.daf.uni-muenchen.de/HIAT/HIAT.htm
www.ids-mannheim.de/prag/dida/
www.fbls.uni-hannover.de/sdls/schlobi/schrift/GAT/gat.pdf
www.mpi.nl/ISLE/overview/overview_CHAT.html
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Die Texte: Transkription, Vorbereitung und Import
•
der Übertragung in normales Schriftdeutsch.
Dem Interviewpartner (Carsten) wird die Geschichte 2 (betrunkener Autofahrer) vorgelesen, und er
wird dann gefragt: Was würden Sie an Hannes Stelle jetzt tun?
CARSTEN: Ich glaube, ich würd anhalten und dem helfen. -- Mit Sicherheit.
INTERV.: Und warum?
CARSTEN: Erstens Mal weil ich selber Motorradfahrer bin und denn sympathisiere praktisch mehr
oder weniger und weil ich weiß, wenn ich abhaue, daß man fast immer erwischt wird und dann ist die
Strafe ja doppelt.
INTERV.: Mhm. -- Mhm. Was wäre so der gewichtigere Grund für Sie von den beiden, den Sie eben
so, die Sie eben so genannt haben?
CARSTEN: Na, auf jeden Fall weil ich mir eigentlich sicher bin, daß die Strafe höher wird, geh ich
davon aus, daß ich anhalte, daß die Strafe nicht ganz so hoch wird. Mein, es hätt jetzt auch ein
Radfahrer oder sowas sein können oder sowas. Also.
INTERV.: Mhm. Und wär das da auch so klar wie auf dem Automarkt, wie Sie sich verhalten oder
würden Sie zögern?
CARSTEN: Ja, ich glaube in der Schrecksekunde würde wohl zögern, also jetze nicht überlegen, ob
ich nun anhalte, aber erstmal, muß erstmal alle klar werden, was überhaupt passiert ist, schätz ich
mal so, deswegen das wird wohl -- ein paar Sekunden oder so dauern, aber -- so selber zögern würd
ich nicht.
Abb. 6: Typische Form eines transkribierten Interviews (Hopf u.a. 1995: 60)
Die erste Variante wird in den Sozialwissenschaften nur in Ausnahmefällen
praktiziert. Den häufigsten Fall stellt die Übertragung in normales Schriftdeutsch dar, wobei mitunter auch Dialektfärbungen mitprotokolliert werden. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass ein so transkribierter
Text weitaus schwieriger zu lesen ist. Wenn man etwa Sätze zu entziffern
hat wie „Da ka ma ja, hör ma, da ka ma jarkeener sehn, wenn ick jetzt mit
meiner Frau inner Ecke liege. Und deshalb bin ick dafür, dass die sechzig
Matratzn. Is zu viel, Fritz, ja? Stimmt, die – alle, ick meine für die Menge,
für die Größe des Raumes, aba angebracht sin se trotzdem, könn ruhich
rinnjehen.“ (vgl. Mayring 2002: 91), dürfte sich doch die Frage stellen, ob
sich die für die Transkription und Auswertung entstehenden Zusatzkosten
wohl rentieren werden. In der sozialwissenschaftlichen Forschung findet
man meist transkribierte Texte der Form wie in der folgenden Abbildung:
Der jeweilige Sprecher ist vermerkt, zudem sind Pausen und Zögern kenntlich gemacht. Darüber hinaus werden Auffälligkeiten der Sprache und paraverbale Äußerungen mittels spezieller Notationen festgehalten.
Texte transkribieren, Transkriptionsregeln und Transkriptionssysteme
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Einfache, häufig benutzte Transkriptionssysteme sehen so aus wie das
folgende, das in einer klassischen Untersuchung von Christa HoffmannRiem (1984: 331) verwendet wurde.
Zeichen
Bedeutung
..
kurze Pause
...
mittlere Pause
....
lange Pause
......
Auslassung
/eh/
/ehm/
Planungspausen
((Ereignis))
nicht-sprachliche Handlungen, z.B. ((Schweigen))((zeigt auf ein Bild))
((lachend))
((erregt))
((verärgert))
Begleiterscheinungen des Sprechens (die Charakterisierung steht vor den
entsprechenden Stellen)
sicher
auffällige Betonung, auch Lautstärke
sicher
gedehntes Sprechen
()
unverständlich
(so schrecklich?)
nicht mehr genau verständlich, vermuteter Wortlaut
Abb. 7: Transkriptionsregeln nach Hoffmann-Riem
Im Rich Text Format lässt sich dieses Transkriptionssystem mit Ausnahme
der Regel für das gedehnte Sprechen problemlos verwenden. Beim NurText Format muss ferner die Regel für auffällige Betonungen mittels Unterstreichungen geändert werden, da man durch die Beschränkungen des
ASCII-Zeichensatzes nicht in der Lage ist, Fettdruck zur Hervorhebung
von Textpassagen zu benutzen.
Die Transkription von paraverbalen Äußerungen kann man so vornehmen, dass dafür bestimmte Zeichen benutzt werden, die sonst im Text
nicht vorkommen, wie z.B. die Zeichen „# <Y$}“. Da viele QDA-Programme in der Lage sind, in den Texten nach Zeichenketten zu suchen, ist
man bei einem so transkribierten Text in der Lage, sich später all jene Passagen zusammenstellen zu lassen, bei denen Befragte etwa gestottert, gezögert oder gelacht haben. Sofern das QDA-Programm dies vorsieht, lassen
sich solche Textstellen dann gleich automatisch vercoden.
Das Notationssystem von Kallmeyer/Schütze (Mayring 2002: 93) ist gegenüber dem von Hoffmann-Riem um einiges aufwändiger. Auch dieses
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Die Texte: Transkription, Vorbereitung und Import
Transkriptionssystem lässt sich für das Rich Text Format ohne Änderungen
verwenden.
(,)
= ganz kurzes Absetzen einer Äußerung
..
= kurze Pause
...
= mittlere Pause
(Pause)
= lange Pause
mhm
= Pausenfüller, Rezeptionssignal
(.)
= Senken der Stimme
(–)
= Stimme in der Schwebe
(’)
= Heben der Stimme
(?)
= Frageintonation
(h)
= Formulierungshemmung, Drucksen
(k)
= markierte Korrektur (Hervorheben der endgültigen Version, insbesondere bei Mehrfachkorrektur)
sicher
= auffällige Betonung
sicher
= gedehnt
(Lachen),
= Charakterisierung von nichtsprachlichen Vorgängen bzw. Sprechweise, Tonfall;
(geht raus), die Charakterisierung steht vor den entsprechenden Stellen und gilt bis
zum Äußerungsungsende, bis zu einer neuen Charakterisierung oder bis +
&
= auffällig schneller Anschluss
(..), (...)
= unverständlich
(Kommt es?)
= nicht mehr genau verständlich, vermuteter Wortlaut
A: ⎡aber da kam ich nicht weiter
B: ⎣ich möchte doch sagen
= gleichzeitiges Sprechen, u. U. mit genauer Kennzeichnung des Einsetzens
Abb. 8: Transkriptionsregeln nach Kallmeyer/Schütze
Die Wahl des Transkriptionssystems hat sich nach der Art der geplanten
Analyse zu richten. Plant man eine Konversationsanalyse, ist man viel stärker an Details wie „ähs“ und „mhms“ und der genauen Transkription von
Pausen interessiert als dies bei einer normalen Interviewstudie der Fall ist.
Gut beraten ist man also, sich jeweils die Fragen „Muss das unbedingt
transkribiert werden?“ und „Will ich die so festgehaltenen Phänomene überhaupt später interpretieren?“ zu stellen.
In der qualitativen Sozialforschung beginnt die Auswertung eines Interviews im Grunde bereits vor der Transkription: Man hat bereits während
des Interviews oder beim Abhören des Bandes Auswertungsideen und
Texte transkribieren, Transkriptionsregeln und Transkriptionssysteme
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Hypothesen, hat die Interviewsituation und eventuelle Besonderheiten im
Kopf. Man bespricht dies möglicherweise bereits in der Forschergruppe.
Solche Anmerkungen zum Interview oder zum Interviewverlauf sind es
wert, festgehalten zu werden. Am besten aber nicht in der Transkription
selbst, sondern in Form eines Memos, das man über das Interview schreibt.
Insgesamt sollten die Transkriptionsregeln so gewählt werden, dass man
sich bei der späteren Arbeit mit dem QDA-Programm die Stärken des
Computers zu Nutze machen kann, nämlich dessen Fähigkeiten, in Sekundenschnelle bestimmte Zeichen oder Zeichenketten aus Hunderten von
Textseiten herausfinden zu können. Deshalb ist es, gleichgültig welches
Transkriptionssystem bevorzugt wird, von entscheidender Bedeutung, dass
die Bezeichnungen – sei es zur Kennzeichnung des Sprechers, einer bestimmten Frage des Leitfadens oder eines bestimmten Abschnittes der Befragung – immer durch den gesamten Text hindurch beibehalten werden:
also beispielsweise zur Kennzeichnung des Interviewers „INTERV:“ und
nicht das eine mal „Interviewer:“ und dann wieder „Interv.:“ oder „I:“.
Für die spätere lexikalische Suche ist diese Einheitlichkeit der Schreibweise eine unbedingte Voraussetzung. Ferner muss die Sprecherbezeichnung für den Fall, dass diese auch im Text vorkommen kann, in Großbuchstaben transkribiert werden, also „CARSTEN:“ anstelle von „Carsten:“.
Am Ende eines Sprecherbeitrags sollte ein Zeilenumbruch und eine Leerzeile eingefügt werden. Zeilenumbrüche sollten aber auf keinen Fall zwischen der Sprecherbezeichnung und dem folgenden Text platziert werden,
ansonsten ist die automatische Zuordnung des Sprechers zu Textabschnitten nicht mehr möglich. Aus optischen Gründen und der besseren Untergliederung wegen ist es auch bei längeren Textabschnitten, wie sie etwa bei
narrativen Interviews vorkommen können, empfehlenswert, gelegentlich
Zeilenumbrüche einzufügen.
Ferner ist die Notwendigkeit der Anonymisierung von Forschungsdaten
zu beachten. Aus arbeitsökonomischen Gründen sollte die Transkription
zunächst wörtlich vorgenommen werden. Eine sofortige Anonymisierung
ist nicht empfehlenswert, weil dies die Transkribierenden überfordert. Nach
der Korrektur der Texte kann die Anonymisierung erfolgen, d.h. beispielsweise alle im Interview vorkommenden Namen durch Decknamen ersetzen. Mit Orten und Daten verfährt man ähnlich. Auch diese müssen so
verändert werden, dass direkte Rückschlüsse nicht mehr möglich sind. Orte
lassen sich durch Platzhalter ersetzen, welche noch einige für das Ver-
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Die Texte: Transkription, Vorbereitung und Import
ständnis wesentliche Bedeutungen transportieren, wie etwa „Dorf“, „Kleinstadt“ oder beim Datum „Sommer“, „Winter des vorangegangenen Jahres“
etc. Eine entsprechende Überblickstabelle für die eigene Entschlüsselung
sollte erstellt werden.
Wie muss man die Transkription von Text gestalten, damit dieser mit
einem QDA-Programm analysiert werden kann? Auch dann, wenn das gewählte QDA-Programm das Editieren von Text erlaubt, empfiehlt es sich
in der Regel, die Texte mit Hilfe eines Textverarbeitungsprogramm zu
schreiben und vor dem Import sehr sorgfältig zu lesen und ggf. zu korrigieren. Hat der Text das endgültige Aussehen, wird er im gewünschten Importformat der QDA-Software – entweder Rich Text oder Nur-Text – gespeichert. Zum Konvertieren in das RTF-Format wählt man in Word den
Menübefehl „Datei > Speichern unter“ und stellt als Dateityp „Rich Text
Format (*.rtf)“ ein. Im Fall des Nur-Text Formats ist stattdessen die Option „Nur Text“ im Dialogfeld Dateityp auszuwählen.
Abb. 9: Text in Word als Dateityp Rich Text Format speichern
2.6 Analyseeinheiten und Textgestaltung
Nachdem man die Entscheidung getroffen hat, nach welchen Regeln die
Daten zu verschriftlichen sind, muss noch eine zweite Frage entschieden
werden, nämlich wie mit der Definition von Texteinheiten verfahren wird.
Vor allem bei Transkriptionen von Gruppendiskussionen oder von anderen
Texten, bei denen man es mit mehreren Sprechern zu tun hat, ist das Problem der Bestimmung von Texteinheiten virulent, denn in der Regel möchte
man später einen Zugriff auf die Sprechakte einzelner Sprecher haben und
jeweils schnell erfahren können, wer was gesagt hat.
Man sollte sich bereits zum Zeitpunkt der Vorbereitung der Texte vorausschauend mit dem späteren Auswertungsverfahren beschäftigen, d.h.