3.2.1 Methoden der Schriftauslegung in den Paulusbriefen

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3.2.1 Methoden der Schriftauslegung in den Paulusbriefen
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Methoden der Schriftauslegung in den Paulusbriefen
A) Rabbinische Methode “Das Reihen von Perlen” (Charasexegese)
Beispiel 1: Röm 11,7-10: “Was Israel erstrebt, hat nicht das ganze Volk, sondern nur der
erwählte Rest erlangt; die übrigen wurden verstockt, wie es in der Schrift heißt: Gott gab
ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, die nicht sehen, und Ohren, die nicht hören, bis
zum heutigen Tag.” (Jes 29,10; Dtn 29,3). Und David (= David als Psalmensänger) sagt: Ihr
Opfertisch werde für sie zur Schlinge und zur Falle, zur Ursache des Sturzes und der
Bestrafung. (Ps 69,23-24) Ihre Augen sollen erblinden, sodass sie nichts mehr sehen; ihren
Rücken beuge für immer!”
Jes 29,10 + Dtn 29,3 + Ps 69,23f, drei Texte aus den drei Abteilungen des Alten Testaments
Beispiel 2: Röm 15,9-12: “Die Heiden aber rühmen Gott um seines Erbarmens willen; es
steht ja in der Schrift: Darum will ich dich bekennen unter den Heiden und deinem Namen
lobsingen (Ps 18,50). 10 An anderer Stelle heißt es: Ihr Heiden, freut euch mit seinem Volk!
(Dtn 32,43). 11 Und es heißt auch: Lobt den Herrn, alle Heiden, preisen sollen ihn alle
Völker (Ps 117,1). 12 Und Jesaja sagt: Kommen wird der Spross aus der Wurzel Isais; er wird
sich erheben, um über die Heiden zu herrschen. Auf ihn werden die Heiden hoffen (Jes
11,1.19).”
Ps 18,50 + Dtn 32,43 + Ps 117,1 + Jes 11,1.99 wie eine Perlenkette.
Beispiel 3: Röm 10,5-15: “Mose schreibt: Wer sich an die Gesetzesgerechtigkeit hält in
seinem Tun, wird durch sie leben (= Lev 18,5). 6 Die Glaubensgerechtigkeit aber spricht:
Sag nicht in deinem Herzen (= Dtn 9,4): Wer wird in den Himmel hinaufsteigen? (= Dtn
30,12) Das hieße: Christus herabholen. 7 Oder: Wer wird in den Abgrund hinabsteigen? (=
Ps 107,20) Das hieße: Christus von den Toten heraufführen. 8 Was also sagt sie? Das Wort
ist dir nahe, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen (Dtn 30,14). Gemeint ist das Wort
des Glaubens, das wir verkündigen; 9 denn wenn du mit deinem Mund bekennst: «Jesus ist
der Herr» und in deinem Herzen glaubst: «Gott hat ihn von den Toten auferweckt», so wirst
du gerettet werden.
10 Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil
erlangen. 11 Denn die Schrift sagt: Wer an ihn glaubt, wird nicht zu Grunde gehen (Jes
28,16). 12 Darin gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen. Alle haben
denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen. 13 Denn jeder,
der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden (Joel 3,5). 14 Wie sollen sie nun den
anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts
gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? 15 Wie soll aber jemand
verkündigen, wenn er nicht gesandt ist? Darum heißt es in der Schrift: Wie sind die
Freudenboten willkommen, die Gutes verkündigen!” (Jes 52,7).
Eine umfangreiche Perlenkette aus 8 Schriftversen: Lev 18,5 + Dtn 9,4 + Dtn 30,12 + Ps
107,20 + Dtn 30,14 + Jes 28,16 + Joel 3,5 + Jes 52,7.
B) Rabbinische Methode “Blütenteppich” (Florilegium)
Röm 3,10-18: “... wie es in der Schrift heißt: Es gibt keinen, der gerecht ist, auch nicht einen
(Koh 7,20); 11 es gibt keinen Verständigen, keinen, der Gott sucht. 12 Alle sind abtrünnig
geworden, alle miteinander taugen nichts. Keiner tut Gutes, auch nicht ein einziger. (Ps
14,1-3). 13 Ihre Kehle ist ein offenes Grab, mit ihrer Zunge betrügen sie (Ps 5,10);
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Schlangengift ist auf ihren Lippen (Ps 139,4). 14 Ihr Mund ist voll Fluch und Gehässigkeit (Ps
10,7). 15 Schnell sind sie dabei, Blut zu vergießen (Jes 59,7); 16 Verderben und Unheil sind
auf ihren Wegen (Spr 1,16), 17 und den Weg des Friedens kennen sie nicht (Jes 59,8). 18
Die Gottesfurcht steht ihnen nicht vor Augen (Ps 35,2).
Koh 7,20 - Ps 14,1-3; Ps 5,10; Ps 139,4; Ps 10,7 - Jes 59,7 - Spr 1,16 - Jes 59,8 - Ps 35,2
c) Auslegungsnormen (Middot) des Rabbi Hillel (1. Jh.)
1) Der Schluss vom Geringeren auf das Größere:
Röm 5,15: “Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch
die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheim gefallen, so ist erst recht die Gnade
Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus
bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden.”
2) Zwei verschiedene Bibelstellen, in denen dasselbe Wort vorkommt, erklären sich
gegenseitig
Röm 4,3-8: “Denn die Schrift sagt: Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als
Gerechtigkeit angerechnet (= Gen 15,6). 4 Dem, der Werke tut, werden diese nicht aus
Gnade angerechnet, sondern er bekommt den Lohn, der ihm zusteht. 5 Dem aber, der
keine Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein
Glaube als Gerechtigkeit angerechnet. 6 Auch David preist den Menschen selig, dem
Gott Gerechtigkeit unabhängig von Werken anrechnet: 7 Selig sind die, deren Frevel
vergeben und deren Sünden bedeckt sind. 8 Selig ist der Mensch, dem der Herr die
Sünde nicht anrechnet (Ps 32,1-2).”
3) Es muss auf die geringsten Feinheiten des Ausdrucks geachtet werden
Gal 3,16: “Abraham und seinem Nachkommen wurden die Verheißungen zugesprochen.
Es heißt nicht: «und den Nachkommen», als wären viele gemeint, sondern es wird nur von
einem gesprochen: und deinem Nachkommen; das aber ist Christus.” (vgl. Gen 22,17).
[Gen 22,17 (Hebr.): „will ich dir Segen schenken in Fülle und deine Nachkommen zahlreich
machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand.“
Gen 22,17 (Griech.): „will ich dir Segen schenken in Fülle und deinen Nachkommen
zahlreich machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand.“]
Allegorische (= bildliche) Auslegung
Beispiel 1: 1 Kor 9,9-10: “Im Gesetz des Mose steht doch: Du sollst dem Ochsen zum
Dreschen keinen Maulkorb anlegen (Dtn 25,4). Liegt denn Gott etwas an den Ochsen?
Sagt er das nicht offensichtlich unseretwegen? Ja, unseretwegen wurde es geschrieben.
Denn der Pflüger wie der Drescher sollen ihre Arbeit in der Erwartung tun, ihren Teil zu
erhalten.”
Beispiel 2: Gal 4,22-26: “In der Schrift wird gesagt, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen
von der Sklavin, den andern von der Freien (Gen 16,15; 21,2f). Der Sohn der Sklavin wurde
auf natürliche Weise gezeugt, der Sohn der Freien auf Grund der Verheißung (Gen 17,16).
Darin liegt ein tieferer Sinn: Diese Frauen bedeuten die beiden Testamente. Das eine
Testament stammt vom Berg Sinai und bringt Sklaven zur Welt; das ist Hagar, denn Hagar
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ist Bezeichnung für den Berg Sinai in Arabien -, und ihr entspricht das gegenwärtige
Jerusalem, das mit seinen Kindern in der Knechtschaft lebt (Gen 16,1). Das himmlische
Jerusalem aber ist frei, und dieses Jerusalem ist unsere Mutter.”
Typologische Auslegung
Beispiel 1: Röm 5,14: “Adam ist die Gestalt, die auf den kommenden hinweist.”
Beispiel 2: 1 Kor 15,22.45-49: “Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle
lebendig gemacht werden... So steht es auch in der Schrift: Adam, der Erste Mensch,
wurde ein irdisches Lebewesen (Gen 2,7). Der Letzte Adam wurde lebendigmachender
Geist. Aber zuerst kommt nicht das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das
Überirdische. Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite Mensch
stammt vom Himmel. Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch seine Nachfahren.
Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren. Wie wir nach
dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des
Himmlischen gestaltet werden.”