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http://blogs.pwc.de/steuern-und-recht/
Wichtige Änderungen
in Recht und Gesetz
Ausgabe 6, 2012
November
Inhalt
Business Meldungen ......................................................................................................
Update: Jahressteuergesetz 2013 und Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der
Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts im Bundesrat
gescheitert ............................................................................................................................
Geschäftsveräußerung auch bei Vermietung des Betriebsgrundstücks möglich .............
Umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch beim Sponsoring ...............................................
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Rechtsprechung ......................................................................................... 4
Bundesverfassungsgericht: Steuerpflichtige müssen auf Fortbestand einer
steuerrechtlichen Regelung vertrauen können .................................................................. 4
Vorrang der Niederlassungsfreiheit bei Mindestbeteiligungsquote von 10 Prozent ....... 5
Individuelle Portfolioverwaltung umsatzsteuerpflichtig ................................................... 6
Wirtschaftliches Eigentum bei Unterbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft ................ 6
Verrechenbare Verluste der Organgesellschaft: Kein passiver Ausgleichsposten für
Mehrabführungen ................................................................................................................ 7
Dauerschuldzinsen bei Kreditinstituten ............................................................................. 8
Externe Anlageberatung umsatzsteuerfrei? ....................................................................... 9
Umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen: Weiterleiten auf andere Internetseiten 9
Nicht jeder Arbeitnehmerrabatt ist steuerpflichtiger Arbeitslohn ................................... 10
Keine Aufrechnung bei Umsatzsteuerberichtigung während des Insolvenzverfahrens .. 11
Entschädigung bei arbeitnehmerähnlich ausgestaltetem Beratervertrag tarifbegünstigt 12
Prämien wertlos gewordener Optionen als Werbungskosten bei einem Termingeschäft 12
Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei Mitunternehmerschaften .................... 13
Reinvestition aus gewerblichem Veräußerungsgewinn auf Wirtschaftsgut eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs ............................................................................................. 14
Grundstücksverkäufe von Personengesellschaften und Gemeinschaften beim
Gesellschafter gewerblich .................................................................................................... 15
Abtretung eines Besserungsscheins bei Veräußerung eines GmbH Mantels nicht
missbräuchlich ..................................................................................................................... 16
Keine Mineralölsteuerbefreiung für Vercharterer von Flugzeugen .................................. 17
Ermäßigter Umsatzsteuersatz auf Personenbeförderungen im Nahverkehr (EuGHVorlage) ................................................................................................................................ 17
Bundesfinanzhof zweifelt Verfassungsmäßigkeit des Erbschaft- und
Schenkungsteuergesetzes an ............................................................................................... 18
Keine Gewinnrealisierung bei teilentgeltlicher Grundstücksübertragung ....................... 19
Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferung trotz fehlender Ust-IdNr. möglich20
Kein Splittingtarif nach Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz ................................ 21
Erstattung von ausländischer Mehrwertsteuer trotz dortiger Niederlassung möglich ... 21
EuGH zur Vorsteueraufteilung nach Umsätzen ................................................................. 22
Weitere Steuermeldungen ................................................................................................... 23
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Business Meldungen
Update: Jahressteuergesetz 2013 und Gesetz
zur Änderung und Vereinfachung der
Unternehmensbesteuerung und des
steuerlichen Reisekostenrechts im Bundesrat
gescheitert
Die Länder haben heute (23. November 2012) dem Jahressteuergesetz
2013 und dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der
Unternehmensbesteuerung die Zustimmung verweigert.
Beide Gesetze können damit vorerst nicht in Kraft treten. Bundestag und
Bundesregierung haben nun die Möglichkeit, ein Vermittlungsverfahren
einzuleiten. Ebenfalls im Bundesrat gescheitert: das deutschschweizerische Steuerabkommen.
Seminar zum Thema
2012/2013 - Die wichtigsten Steueränderungen
Das Steuerrecht befindet sich im Wandel. Während die erhofften positiven Impulse für
das Unternehmenssteuerrecht auf sich warten lassen, gibt es auch in diesem Jahr wieder
eine Vielzahl von Steuerregelungen, die auch für Ihr Unternehmen relevant sind. Die
wesentlichen Neuerungen 2012/2013 fassen PwC-Experten für Sie in einem Seminar
zusammen.
Auf der Seminaragenda stehen u.a. folgende Themen:
• Dividenden und Veräußerungsgewinne: Quo vadis, § 8 b Körperschaftsteuergesetz?
• Verdeckte Gewinnausschüttungen und Schenkungsteuer im Konzern?
• Was verdient eine Betriebsstätte: Umsetzung des „Authorised OECD Approach“
• Im Visier der Finanzverwaltung: Verlustnutzung und Gestaltung von Einbringungen
• § 50 d Einkommensteuergesetz: eine Dauerbaustelle?
• Geänderte Spielregeln für Organschaften
• Gestaltungen bei der Grunderwerbsteuer vor dem Aus?
• Erbschaft, Stiftungen und Co.: die Änderungen im Überblick
Je nach Verlauf der Gesetzgebungsverfahren können weitere aktuelle
Themenschwerpunkte hinzukommen.
Termine und Veranstaltungsorte
26. November 2012, Mannheim, PwC-Niederlassung, Augustaanlage 66, 68165
Mannheim
27. November 2012, Düsseldorf, PwC Niederlassung, Moskauer Str. 19, 40227
Düsseldorf
27. November 2012, Leipzig, PwC Niederlassung, Käthe-Kollwitz-Str. 21, 04109 Leipzig
27. November 2012, Oldenburg, Alterahotel, Herbartgang 23, 26122 Oldenburg
28. November 2012, Karlsruhe, Novotel Karlsruhe City, Festplatz 2, 76137 Karlsruhe
29. November 2012, Bremen, Swisshotel Bremen, Hillmannplatz 20, 28195 Bremen
29. November 2012, Hamburg, PwC-Niederlassung, New-York-Ring 13 , 22297
Hamburg
29. November 2012, Dresden, ICC Internationales Congress Center, Ostra-Ufer 2,
01067 Dresden
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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29. November 2012, Hannover, PwC-Niederlassung, Fuhrberger Straße 5, 30625
Hannover
3. Dezember 2012, Frankfurt am Main, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Römerberg,
60311 Frankfurt am Main
3. Dezember 2012, Köln, PwC-Niederlassung, Konrad-Adenauer-Ufer 11, 50668 Köln
4. Dezember 2012, Freiburg im Breisgau, PwC Niederlassung, Bismarckallee 17,
79098 Freiburg im Breisgau
4. Dezember 2012, München, PwC-Niederlassung, Bernhard-Wicki-Straße 8, 80636
München
4. Dezember 2012, Stuttgart, PwC-Niederlassung, Friedrichstraße 14, 70174 Stuttgart
5. Dezember 2012, Bielefeld, PwC-Niederlassung, Kreuzstraße 35, 33602 Bielefeld
5. Dezember 2012, Berlin, PwC Niederlassung, Potsdamer Platz 11, 10785 Berlin
5. Dezember 2012, Rostock, Pentahotel Rostock, Schwaansche Straße, 618055 Rostock
Ihr Ansprechpartner für alle organisatorischen Fragen:
Sebastian J. Werner Tel.: +49 69 9585-2127 Mail: [email protected]
Lesen Sie hierzu auch
Steuerrecht im Wandel: Steueränderungen 2012/2013
Auch das Jahr 2012 wird wieder von wichtigen Änderungen im Steuerrecht geprägt sein.
Im Zentrum stehen dabei die noch zu erwartenden Steueränderungen durch das
Jahressteuergesetz 2013 und das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der
Unternehmensbesteuerung sowie des steuerlichen Reisekostenrechts. Daneben sind
wichtige Neuregelungen für Steuerpflichtige bereits seit Anfang des Jahres 2012 zu
beachten. Der aktuelle Beitrag gibt Ihnen unter http://blogs.pwc.de/steuern-undrecht/2012/11/12/steuerrecht-im-wandel-steueranderungen-20122013/ – ohne
Anspruch auf Vollständigkeit – einen Überblick über wesentliche Steueränderungen.
Geschäftsveräußerung auch bei Vermietung des
Betriebsgrundstücks möglich
Die Finanzverwaltung hat sich dem höchstrichterlichen Verdikt zur
umsatzsteuerbefreiten Geschäftsveräußerung im Ganzen trotz fehlender Veräußerung
des Geschäftsgrundstücks angeschlossen. Voraussetzung: Die dauerhafte Fortführung
des Unternehmens ist möglich.
Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. November 2011 (C444/10, Schriever) hatte der Bundesfinanzhof in der Übereignung des Warenbestands
und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsunternehmens unter gleichzeitiger
Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit (…) eine nicht
umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung gesehen, sofern der Erwerber mit den
übertragenen Sachen eine wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann (BFHUrteil vom 18. Januar 2012, XI R 27/08).
Das Bundesfinanzministerium hat nun den Umsatzsteuer-Anwendungserlass
entsprechend den richterlichen Vorgaben angepasst und auch eine Vermietung bzw.
Verpachtung auf unbestimmte Zeit und auch bei kurzfristiger Kündbarkeit zugelassen.
Diese Grundsätze – so die ministeriale Verlautbarung – sind auf alle offenen Fälle
anzuwenden. Für vor dem 1. Januar 2013 ausgeführte Umsätze wird es – besonders im
Hinblick auf den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn
die beteiligten Unternehmer bei der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen im
Rahmen unbefristeter Miet- oder Pachtverträge einvernehmlich davon ausgehen, dass
die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung nicht vorliegen.
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Fundstelle
BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2012 (IV D 2 – S 7100-b/11/10002): Vorliegen einer
Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) bei Vermietung wesentlicher Grundlagen
Umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch beim
Sponsoring
Das Bundesfinanzministerium hat zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Sponsorings
aus Sicht des Leistungsempfängers Stellung genommen: Nicht jede Sponsoringzahlung
ist auf Basis eines Leistungsaustausches erfolgt und damit umsatzsteuerbar und
umsatzsteuerpflichtig.
Sponsoring wird zumeist von Unternehmen (dem Sponsor) zum Zweck der
Kommunikationspolitik und des Marketings betrieben. Ziel ist, auf das eigene
Unternehmen, vornehmlich im Zusammenhang mit einem medienwirksamen Ereignis,
aufmerksam zu machen. Sponsoring ist Teil der unternehmensbezogenen Werbung oder
Öffentlichkeitsarbeit, mit dem Ziel der Absatzförderung für Produkte und
Dienstleistungen, für die dem Produktnutzen ein „Erlebnisnutzen“ hinzugefügt werden
soll. Leistungen eines Sponsors beruhen häufig auf einer vertraglichen Vereinbarung
zwischen dem Sponsor und dem Empfänger der Leistungen (Sponsoringvertrag), in dem
Art und Umfang der gegenseitigen Leistungen geregelt sind.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat zum entgeltlichen Leistungsaustausch beim
Sponsoring aus Sicht des Empfängers in einem Schreiben Stellung genommen und dabei
die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der vergangenen Jahre zu diesem Thema
zusammengefasst. Danach kann es an einem steuerbaren Leistungsaustausch fehlen,
wenn die Zahlung lediglich allgemeiner Natur ist, beispielsweise bei bloßer Nennung des
Sponsors auf Plakaten, in Veranstaltungshinweisen, in Ausstellungskatalogen oder auf
dessen Internetseite. Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung als
Umsatz gegen Entgelt setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen
der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der
Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der einen
Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und der zu einem Verbrauch im Sinn des
gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.
Fundstelle
BMF-Schreiben vom 13. November 2012 (IV D 2 – S 7100/08/10007 :003):
Umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Sponsorings aus der Sicht des
Leistungsempfängers
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht: Steuerpflichtige müssen auf
Fortbestand einer steuerrechtlichen Regelung
vertrauen können
Die rückwirkende Änderung des Steuerrechts für einen noch laufenden Veranlagungsoder Erhebungszeitraum sind als Fälle unechter Rückwirkunge nicht per se unzulässig.
Sie stehen nach Ansicht der Verfassungsrichter den Fällen echter Rückwirkung
allerdings nahe und unterliegen daher besonderen Anforderungen unter den
Gesichtspunkten von Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeit.
Im aktuell entschiedenen Fall ging es um die im Dezember 2001 im
Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag beschlossene Regelung, die neue
gewerbesteuerliche Hinzurechnungsvorschrift für Streubesitzdividenden bereits für das
gesamte Jahr 2001 gelten zu lassen – also auch für den Zeitraum vor Veröffentlichung
der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum
Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetzes. Fazit der Verfassungshüter: Die
angegriffene Regelung stellt einen massiven und unverhältnismäßigen Eingriff in den
Vertrauensschutz auf den Fortbestand geltenden Rechts dar.
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Die umstrittende und jetzt als verfassungswidrig eingestufte Hinzurechnungsvorschrift
des § 8 Nr. 5 Gewerbesteuergesetz steht im Zusammenhang mit dem Systemwechsel im
Körperschaftsteuerrecht vom früheren Anrechnungsverfahren zum sogenannten
Halbeinkünfteverfahren. Die nach Einkommen- oder Körperschaftsteuerrecht außer
Ansatz bleibenden Gewinnanteile aus sogenannten Streubesitzbeteiligungen von weniger
als 10 Prozent (seit 2008 weniger als 15 Prozent) werden im Gewerbesteuerrecht dem
Gewinn wieder zugerechnet. In der Folge führt dies zu einer deutlichen Erhöhung des zu
versteuernden Gewinns eines Unternehmens. Der Entwurf zum
Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz hatte zu dieser Frage zunächst keine
Regelung vorgesehen. Erst die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom
11. Dezember 2001 enthielt die später Gesetz gewordene Vorschrift.
Eine Einigung mit Folgen, denn das Bundesverfassungsgericht hält die angegriffene
Vorschrift insoweit für verfassungswidrig und nichtig, als die Vorschrift die Geltung der
gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung von Streubesitzdividenden auch für den
Zeitraum vor der Veröffentlichung der Beschlussempfehlung des
Vermittlungsausschusses anordnet. Dies ist der Zeitraum vom 1. Januar bis 11.
Dezember 2001, da die Empfehlung am 11. Dezember veröffentlicht wurde.
Voraussetzung für die Gewährung des Vertrauensschutzes ist somit, dass sowohl der
Ausschüttungsbeschluss als auch die Auszahlung der Dividende spätestens am 11.
Dezember 2001 erfolgten.
Fundstelle
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2012, 1 BvL 6/07
Vorrang der Niederlassungsfreiheit bei
Mindestbeteiligungsquote von 10 Prozent
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die Niederlassungsfreiheit gegenüber der
Kapitalverkehrsfreiheit Vorrang hat und damit keine Drittstaatenwirkung entfalten
kann. Sobald ein bestimmender Einfluss auf die Geschäftsführung vorliegt, ist die
Niederlassungsfreiheit, anderenfalls die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig.
Im Streitfall war eine GmbH in 1999 zu 33,5 Prozent an einer US-Kapitalgesellschaft
beteiligt und erzielte im Streitjahr 1999 eine Dividende von 4,5 Mio. € für die in den USA
–entsprechend dem DBA - 5 Prozent Quellensteuer einbehalten wurde. Das Finanzamt
stellte die Dividende von der Besteuerung frei, unterwarf sie jedoch der sog.
Schachtelstrafe nach damaliger Regelung des § 8b Abs. 7 Körperschaftsteuergesetz und
berücksichtigte hiernach 5 v.H. der Brutto-Dividende als nicht abzugsfähige
Betriebsausgaben. Tatsächlich betrugen die im Zusammenhang mit der Beteiligung
entstandenen Kosten aber lediglich knapp 11.000 DM. Die GmbH klagte wegen
vermeintlichen Verstoßes der Vorschrift gegen die Niederlassungsfreiheit sowie des
freien Kapitalverkehrs und meinte, das Abzugsverbot gelte nur bezüglich der
tatsächlichen Kosten. Die Niederlassungsfreiheit entfaltet – anders als die
Kapitalverkehrsfreiheit – keine Wirkungen außerhalb des EU-/EWR-Raums. Das
Finanzgericht hatte die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit bejaht und der
GmbH Recht gegeben. Der Bundesfinanzhof sah jedoch einen Vorrang der
Niederlassungsfreiheit und damit keine Drittstaatenwirkung - bereits ab einer gesetzlich
qualifizierten Mindestbeteiligung von 10 Prozent.
Der BFH entschied, dass die Schachtelstrafe gegen die unionsrechtliche Grundfreiheit
der Niederlassungsfreiheit verstößt und deswegen nur innerhalb der Europäischen
Union unanwendbar bleibt. Die Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit muss hinter die
Verletzung der Niederlassungsfreiheit zurücktreten. Nach der Rechtsprechung des
EuGH berühre eine nationale Regelung vorwiegend die Ausübung der
Niederlassungsfreiheit, wenn die Beteiligung es ihrem Inhaber im Rahmen einer sog.
Direktinvestition ermöglicht, "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der
betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen"; hingegen
sind sog. Portfolioinvestitionen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen,
ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen
werden soll, ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen.
Kernaussage der Münchener Steuerrichter: Bereits eine Beteiligung von mindestens 10
Prozent ermögliche bei typisierender Betrachtung einen hinreichend "sicheren Einfluss
auf Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft" und sei deswegen eine
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unternehmerische Beteiligung. Im Streitfall, der einen Anteil von 33,5 Prozent betraf
und diese Mindestbeteiligungsquote somit deutlich überstieg, stehe dies – so der BFH insoweit auch tatsächlich außer Frage.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 29. August 2012 (I R 7/12), veröffentlicht am 14. November 2012
Individuelle Portfolioverwaltung umsatzsteuerpflichtig
Die Vermögensverwaltung mit Wertpapieren, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund
eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese
Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, ist eine
einheitliche und im Inland steuerpflichtige Leistung. Wird diese Vermögensverwaltung
an im Drittlandsgebiet ansässige Privatanleger erbracht, ist sie am Empfängerort zu
besteuern.
Damit hat der Bundesfinanzhof in einem das Jahr 2008 betreffenden Fall die
Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in gleicher Sache
gezogen und seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Die Klägerin, eine inländische
Bank, die entsprechende Leistungen an Privatkunden (Anleger) erbrachte, hatte sich
zuvor noch auf das anders lautende Urteil des BFH vom 11. Oktober 2007 (V R 22/04)
berufen. Der BFH hatte daraufhin im Oktober 2010 das Verfahren ausgesetzt und den
EuGH um Vorabentscheidung gebeten. Kurz gefasst zieht der BFH aus dem inzwischen
ergangenen EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 (C-44/11) die nachfolgenden Konsequenzen.
Die im Streitjahr 2008 im Inland erbrachten Leistungen der Bank sind nicht steuerfrei,
während die Leistungen an im Drittlandsgebiet ansässige Privatanleger nicht steuerbar
sind. Obwohl die Beratung den Handel mit Wertpapieren zum Gegenstand hat, sei aus
Sicht des Kunden zunächst die Anlageberatung als solche wesentlich. Die erbrachten
Leistungen müssen insgesamt als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang angesehen
werden.
Bei der Frage des Leistungsortes konnte sich die Bank allerdings auf das (hier
günstigere) Unionsrecht berufen: Bei der Bestimmung des Leistungsortes sei von Bankund Finanzumsätzen im Sinne von Artikel 56 Abs. 1 e der Mehrwertsteuerrichtlinie
auszugehen. Der Leistungsort bestimme sich danach, wo der Empfänger der Leistungen
ansässig ist. Bei der Portfolioverwaltung handele es sich um eine Dienstleistung
finanzieller Natur. Die Formulierung in Art. 56 Abs. 1 Buchst.e der Richtlinie sei hier –
so der EuGH in seiner damaligen Urteilsbegründung – weiter gefasst und lediglich die
Vermietung von Schließfächern davon ausgenommen. Die deutsche Finanzverwaltung
hatte argumentiert, eine unterschiedliche Definition der Begriffe für beide Vorschriften
sei unzulässig.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 11. Oktober 2012 (V R 9/10), veröffentlicht am 14. November 2012
Wirtschaftliches Eigentum bei Unterbeteiligung an
einer Kapitalgesellschaft
Ein an einem Gesellschaftsanteil Unterbeteiligter ist nur dann wirtschaftlicher
Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abreden alle wesentlichen
Rechte ausüben und auch durchsetzen kann. Der Bundesfinanzhof hatte in diesem
Zusammenhang zu entscheiden, ob der anlässlich des Verkaufs einer (wesentlichen)
Beteiligung erzielte Veräußerungsgewinn nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG)
steuerpflichtig ist.
Ein Vater hatte seinen drei Kindern (wozu auch der Kläger gehörte) in 1978 schenkweise
Unterbeteiligungen an seinem Kommanditanteil an einer KG eingeräumt. Die
Unterbeteiligten partizipierten am Gewinn und Verlust mit 10 %, höchstens 15.000 DM,
und auch an den stillen Reserven waren sie beteiligt, nicht jedoch am Geschäftswert. In
1988 wurde die KG in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt. Im Zuge dessen wurde
in einem Konsortialvertrag vereinbart, dass der Vater mit der Ausübung aller
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Gesellschaftsrechte und mit der Geschäftsführung betraut war. In 1998 gründeten der
Vater und die Unterbeteiligten eine GbR, wonach jedes Kind im Innenverhältnis zu 1/3
an den Aktien des Vaters an der AG (dessen Beteiligung an der AG betrug insgesamt
knapp 49%) beteiligt sein sollte. Der Kläger selbst war am Vermögen der GbR nicht,
wohl aber am deren Ergebnis beteiligt. Im gleichen Jahr veräußerte die GbR die Aktien,
den erzielten Veräußerungsgewinn erfasste das Finanzamt bei dem Kläger anteilig als
steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn: Er sei zwar zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht
wesentlich beteiligt gewesen, habe aber unentgeltlich von dem wesentlich beteiligten
Vater erworben. Im Streitjahr 1998 und davor war eine wesentliche Beteiligung gegeben,
sofern der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder
mittelbar beteiligt war.
Diesem Fazit schloss sich der BFH an. Der Kläger habe die Aktien im Streitjahr
veräußert. Kapitalbeteiligungen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft wie
der GbR seien nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO den Gesellschaftern, mithin auch dem Kläger,
für die Bestimmung des Veräußerungstatbestandes nach § 17 EStG anteilig zuzurechnen.
Er hatte die betreffenden Aktien und damit das wirtschaftliche Eigentum innerhalb der
letzten fünf Jahre, nämlich durch Einbringung in die GbR im Streitjahr unentgeltlich
erworben (§ 17 Abs. 1 Satz 5 EStG). Dem Kläger konnten die Aktien nicht bereits durch
die Unterbeteiligung zugeordnet werden. Wirtschaftlicher und rechtlicher Eigentümer
war bis zur Einbringung in die GbR allein der Vater. Vier Umstände führten im
Wesentlichen zu diesem Ergebnis: Dem Kläger stand nur ein begrenzter Gewinnanteil
zu. Er konnte über die ihm eingeräumte Unterbeteiligung nicht frei verfügen. Ihm
standen die Vermögens- und Verwaltungsrechte nicht uneingeschränkt zu und nach dem
Konsortialvertrag war allein der Vater berechtigt, alle Gesellschaftsrechte einschließlich
der Stimmrechte auszuüben. In der durch die Unterbeteiligungs- und Konsortialverträge
vermittelten Rechtsposition liege – so der BFH abschließend – auch keine Anwartschaft
i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG; denn sie richtete sich gerade nicht auf den Erwerb der
Aktien. Der Kläger wurde an den Aktien unterbeteiligt; seine –nicht frei übertragbare–
Rechtsstellung zielte nicht darauf ab, den normalen Erwerbstatbestand einer Aktie schon
vorher teilweise zu verwirklichen.
Fundstelle
BFH- Urteil vom 1. August 2012 (IX R 6/11), als NV-Entscheidung veröffentlicht am 14.
November 2012
Verrechenbare Verluste der Organgesellschaft: Kein
passiver Ausgleichsposten für Mehrabführungen
Ein passiver Ausgleichsposten für Mehrabführungen ist nach einer Entscheidung des
Bundesfinanzhofs nicht zu bilden, wenn die auf die Organgesellschaft entfallenden
Beteiligungsverluste aufgrund außerbilanzieller Zurechnung neutralisiert werden und
damit das dem Organträger zuzurechnende Einkommen nicht mindern.
Das Eigenkapital des Organträgers erhöht sich auch nicht dadurch, dass in dessen
Steuerbilanz ein aktiver Ausgleichsposten für Minderabführungen gebildet wird. Es
handelt sich hierbei lediglich um einen steuerrechtlichen Merkposten
(Bilanzierungshilfe). Im aktuell entschiedenen Fall stritten die Beteiligten, ob in der
Steuerbilanz der Organträgerin ein passiver Ausgleichsposten zu bilden ist, wenn die von
der Organgesellschaft aufgrund ihrer Beteiligung an einer KG erzielten Verluste nur
verrechenbar sind.
Da nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (2002) dem Organträger das nach
steuerlichen Vorschriften ermittelte Einkommen der Organgesellschaft als fremdes
Einkommen zuzurechnen ist, diese aber nach dem Gewinnabführungsvertrag nur
verpflichtet ist, ihren handelsrechtlichen Gewinn abzuführen und der Organträger auch
nur den handelsrechtlich erlittenen Verlust auszugleichen hat, können das steuerlich
zugerechnete und das tatsächlich abgeführte Einkommen differieren. Für die hieraus
resultierenden handelsrechtlichen Minderabführungen ist ein aktiver Ausgleichsposten
zu bilden, um die zweifache Besteuerung des nämlichen Gewinns zu vermeiden;
Umgekehrt ist für die handelsrechtlichen Mehrabführungen ein passiver
Ausgleichsposten anzusetzen, um einer zweifachen Verlustberücksichtigung zu
begegnen. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung handelt es sich hierbei jedoch nicht um
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in der Steuerbilanz auszuweisende Posten. Vielmehr sind die Ausgleichsposten
außerhalb der Steuerbilanz des Organträgers erfolgsneutral als (technische) Korrektur zu
erfassen, die den organschaftsrechtlichen Besonderheiten Rechnung tragen und – zum
Beispiel für den Fall der Veräußerung des Anteils an der Organgesellschaft – eine
ansonsten eintretende Doppel- oder Keinmalbesteuerung verhindern sollen.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 29. August 2012, I R 65/11 (veröffentlicht am 14. November 2012)
Dauerschuldzinsen bei Kreditinstituten
Forderungen aus Genussrechten sind bei Kreditinstituten unabhängig von ihrer
Zugehörigkeit zum Anlagevermögen bei Ermittlung der Dauerschuldzinsen zu
berücksichtigen. Mit der Beantwortung dieser bisher ungeklärten Frage hat sich das
Finanzgericht Baden-Württemberg gegen die allgemein in der Literatur
vorherrschende Meinung gestellt. Die Revision beim Bundesfinanzhof wurde wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.
§ 19 Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) ist eine für Kreditinstitute
begünstigende Norm: Sie schließt bestimmte Entgelte und ihnen gleichgestellte Beträge
von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung aus. Nach dem damaligen – für das
Streitjahr 2001 – geltenden Wortlaut sind Dauerschulden nur insoweit anzusetzen, als
u.a. der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke, Gebäude, Betriebsund Geschäftsausstattung, Schiffe, Anteile an Kreditinstituten und sonstige
Unternehmen sowie der Forderungen aus Vermögenseinlagen als stiller Gesellschafter
und aus Genussrechten das Eigenkapital überschreitet. Den Anlagen nach § 19 Abs. 1
Satz 1 GewStDV – so der Gesetzeswortlaut – sind darüber hinaus noch bestimmte
weitere Forderungen hinzuzurechnen. Das klagende Kreditinstitut hielt börsenfähige
Genussscheine, die es der sogenannten Liquiditätsreserve zuordnete und in seiner Bilanz
im Umlaufvermögen auswies. Das Finanzamt kam zu dem Ergebnis, dass die
Genussrechte bei der Ermittlung der Hinzurechnung heranzuziehen seien.
Nach Meinung des Gerichts spricht der damalige Wortlaut des § 19 GewStDV dafür, dass
Forderungen aus Genussrechten unabhängig von ihrem Bilanzausweis bei der
Ermittlung des Betrags der Dauerschuldzinsen zu berücksichtigen sind. Das Erfordernis
der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen beziehe sich nur auf die „zum Anlagevermögen
gehörenden“ Aktivposten (nämlich die im Gesetz konkret benannten Grundstücke,
Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Schiffe, Anteile an Unternehmen). Die
nach dem Wort „sowie“ genannten weiteren Anlagen (Forderungen) seien hingegen per
se einzubeziehen. Unabhängig von diesem grammatikalischen Exkurs (zur Bedeutung
des Wortes „sowie“) erscheint der Hinweis des Gerichts auf die Verknüpfung des § 12
KWG in der für 2001 geltenden Fassung mit § 19 GewStDV weitaus erhellender: Die
damalige bankenrechtliche Vorschrift war nämlich hinsichtlich des Begriffs der Anlagen
mit § 19 GewStDV weitaus identisch. Hiernach konnten grundsätzlich auch Gegenstände
des Umlaufvermögens erfasst werden.
Als Schwäche in der Argumentation des Finanzgerichts könnte sich möglicherweise die
Neufassung des § 19 GewStDV durch das Jahressteuergesetz 2009 erweisen: Darin wird
jetzt unisono von Anlagevermögen gesprochen und eine weitere Differenzierung
vermieden. Insofern müsste zumindest ab 2009 davon ausgegangen werden, dass nur
Genussrechte des Anlagevermögens berücksichtigt werden können. Allerdings weist das
Finanzgericht auch auf den Zweck der für Banken geschaffenen begünstigenden
Hinzurechnungsregelungen hin. Danach sollten aus Liquiditätssicherungsgründen nur
Anlagen begünstigt werden (also von der Hinzurechnung freigestellt sein), die sich auf
das Kreditgeschäft selbst beziehen, nicht aber sonstige Anlagen, wie sie auch jedem
anderen Unternehmen offenstehen (beispielsweise Genussrechte).
Fundstelle
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 2012 (3 K 3291/09), Revision
eingelegt (Aktenzeichen beim Bundesfinanzhof: I R 61/12)
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Externe Anlageberatung umsatzsteuerfrei?
In seinen Schlussanträgen sieht der Generalanwalt die Anlageberatung, die ein
externer Berater an eine Kapitalanlagegesellschaft für das von ihr verwaltete
Sondervermögen erbringt, als einen unter die EU-Richtlinie fallenden
umsatzsteuerbefreiten Tatbestand, vorausgesetzt, die Leistungen werden nicht nur
gelegentlich oder punktuell erbracht.
Von der Steuerbefreiung der Verwaltung von Investmentvermögen erfasst sind
insbesondere die Leistungen einer Kapitalanlagegesellschaft, die Investmentvermögen
für Rechnung der Anleger nach Maßgabe des InvG und der Vertragsbedingungen
verwaltet. Eine GmbH, die unter anderem im Bereich des Portfoliomanagements tätig
war, beriet auf Basis vertraglicher Vereinbarungen Kapitalanlagegesellschaften
unverbindlich über bestimmte Anlagemöglichkeiten für deren verwaltetes
Fondsvermögen. Die Investitionsentscheidung traf letztlich immer die
Kapitalanlagegesellschaft. Die Vorinstanzen bewerteten die strittigen Leistungen
gegenüber der auftraggebenden Kapitalanlagegesellschaft als steuerpflichtige
Finanzberatungsleistungen, denn für eine umfassende Beratungsleistung komme eine
Steuerbefreiung dann nicht in Betracht, wenn die letzte Entscheidung durch die beratene
Kapitalanlagegesellschaft getroffen wird.
Der Bundesfinanzhof hatte daraufhin den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um
Vorabentscheidung gebeten und gefragt, ob ein außenstehender Verwalter nur dann
spezifische (und insofern steuerbefreite) Leistungen erbringt, wenn er eine verwaltende
Tätigkeit ausübt, bei der er selbst die Anlageentscheidungen für das Sondervermögen
trifft. Wenn dieser Auslegung zuzustimmen wäre, so der BFH, wäre die bloße Erteilung
von Anlageempfehlungen eines außenstehenden Verwalters nicht hinreichend spezifisch
und somit nicht steuerfrei.
Nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 4. Mai 2006 (C-169/04, Abbey National
plc) kann die EU-rechtliche Befreiung unter Umständen auch dann greifen, wenn die
Leistungen ein eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung der
Sondervermögen spezifisch und wesentlich sind. Es ist unerheblich von wem die
„Verwaltung“ ausgeübt wird. Das Kriterium der Steuerbefreiung für die Verwaltung von
Sondervermögen werde durch die Art der Dienstleistung und nicht durch den Erbringer
oder Empfänger der Leistung definiert. Dies alles greift auch der Generalanwalt in
seinem Plädoyer auf: Er ist der Ansicht, dass die unionsrechtlichen Bestimmungen dahin
auszulegen sind, dass eine von einem Außenstehenden erbrachte Beratungs- und
Informationsleistung im Hinblick auf die Verwaltung eines Sondervermögens sowie den
An- und Verkauf von Aktiva eine spezifische und eigenständige Tätigkeit der
(steuerbefreiten) „Verwaltung“ darstellt, sofern die Autonomie und Kontinuität der
Leistung gegenüber den tatsächlich von der Leistungsempfängerin ausgeführten
Tätigkeiten festgestellt werden kann; dies zu prüfen, sei aber Sache des nationalen
Gerichts. Von einer Kontinuität – so der Generalanwalt – sei auszugehen, wenn die (von
der GmbH) erbrachten Dienstleistungen kontinuierlich und mit einer gewissen
Vorhersehbarkeit erbracht werden. Wenn sich herausstellt, dass die Beratungs- und
Informationsdienstleistungen ausschließlich von der GmbH oder auch von anderen
Außenstehenden erbracht wurden, und zwar nicht nur gelegentlich und punktuell, stehe
fest, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die hinreichend autonom ist.
Fundstelle
EuGH-Schlussanträge vom 8. November 2012 (C-275/11), GfBk
Umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen:
Weiterleiten auf andere Internetseiten
Ein Unternehmer, der über seine Internetseite den Nutzern die Möglichkeit verschafft,
kostenpflichtige Bilder und Videos zu beziehen, ist umsatzsteuerrechtlich Leistender.
Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs auch dann, wenn der Nutzer hierzu auf
Internetseiten anderer Unternehmer weitergeleitet wird, ohne dass dies in eindeutiger
Weise kenntlich gemacht wird.
Im aktuell entschiedenen Fall betrieb die inländische Klägerin eine Internetseite. Sie
verschaffte Internetnutzern dabei die Möglichkeit, kostenpflichtige Bilder und Videos
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
10
mit erotischen oder pornografischen Inhalten anzusehen. Die Nutzer, die die
Internetseite der Klägerin aufgerufen hatten, wurden von dort auf die Internetseite eines
Unternehmens mit Sitz in Spanien und von dieser auf die Internetseite einer GmbH
weitergeleitet, auf der die Bilder und Videos enthalten waren. Das spanische
Unternehmen stellte überdies eine gebührenpflichtige Sonderrufnummer nebst
Einwahlplattform zur Verfügung, über die Nutzer mit Hilfe eines sog. Webdialers über
ihre Telefonrechnungen Gebühren für die bezogenen kostenpflichtigen Internetangebote
entrichteten, und kehrte die eingezogenen Entgelte nach Abzug einer Provision an die
Klägerin aus. Die Klägerin behandelte die vorbezeichneten Umsätze in der Folge als
nicht steuerbar. Das Unternehmen war der Ansicht, dass mit einer Internetseite, die
einladend auf eine andere verweise bzw. auf eine andere Internetseite weiterleite,
gegenüber dem Nutzer keine Leistungen erbracht würden.
Dieser Auffassung folgte der Bundesfinanzhof (BFH) nicht. Richterliche Begründung:
Der Betreiber einer Internetseite, der dort kostenpflichtige Leistungen anbiete, sei
vergleichbar mit einem Unternehmer, der im eigenen Laden Waren verkaufe. So wie
dieser umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich als Eigenhändler anzusehen sei, sei der
Betreiber einer Internetseite als derjenige zu behandeln, der die dort angebotenen
kostenpflichtigen Leistungen erbracht habe. Es gelte: Der Kunde, der in einem Laden
Waren kauft, will grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen
treten. Entsprechendes gilt für den Nutzer, der über das Internet eine kostenpflichtige
Leistung abruft und über seine Telefonrechnung bezahlt. Auch ihm sind etwaige
Vereinbarungen zwischen dem Betreiber der von ihm aufgerufenen, die Leistungen
anbietenden Internetseite und einem Dritten weder bekannt noch für ihn von Interesse.
Das bedeutet: Bei über das Internet bezogenen kostenpflichtigen Leistungen ist das
Außenverhältnis wesentlich. Nur wenn der Betreiber einer Internetseite in eindeutiger
Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gebe, dass er für einen anderen
tätig werde, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handele, und der Kunde,
der dies erkannt habe, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden
erkläre, kann dessen Vermittlereigenschaft nach Ansicht des Gerichts
umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 15. Mai 2012 (XI R 16/10), veröffentlicht am 7. November 2012
Nicht jeder Arbeitnehmerrabatt ist steuerpflichtiger
Arbeitslohn
Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden
Dritten üblicherweise einräumt, begründen bei Arbeitnehmern keinen steuerpflichtigen
Arbeitslohn. Maßgeblicher Endpreis ist der am Ende der Verkaufsverhandlungen als
letztes Angebot stehende Preis.
In zwei zeitgleichen Urteilen hat der Bundesfinanzhof zur Rabattgewährung seitens des
Arbeitgebers und zur Höhe des steuerpflichtigen geldwerten Vorteils Stellung
genommen. Die Fälle betrafen bei einem Automobilhersteller beschäftigte
Arbeitnehmer. Beiden gemeinsam war auch die Frage der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3
Einkommensteuergesetz (EStG): Danach bestimmt sich der durch einen Personalrabatt
veranlasste geldwerte Vorteil nicht nach dem allgemeinen Marktpreis, sondern nach
dem Angebotspreis. Der BFH entschied aber (in beiden Fällen zugunsten des
Arbeitnehmers), dass auf den tatsächlichen Endpreis abzustellen ist – ein üblicher, auch
Dritten eingeräumter höherer Rabatt kann infolge dessen beim Arbeitnehmer nicht zu
steuerpflichtigem Arbeitslohn führen.
Der Urteilsfall VI R 30/09 betraf Jahreswagenrabatte, wobei der Arbeitgeber in
Anlehnung an die herrschende Verwaltungsauffassung als Endpreis den Preis zugrunde
legte, der sich nach Abzug der Hälfte des üblicherweise auf den Bruttolistenpreis
gewährten durchschnittlichen Preisnachlasses ergab. Der Arbeitnehmer machte geltend,
dass Lohn allenfalls insoweit vorliege, als der Rabatt über den auch fremden Dritten
gewährten Preisnachlass hinausgehe. Der BFH schloss sich dem an. Entscheidend, so die
Richter, sei der Preis, der am Ende von Verkaufsverhandlungen als letztes Angebot des
Händlers steht, er umfasse daher auch Rabatte. Die genannten Endpreise seien keine
typisierten und pauschalierten Werte, wie etwa der “inländische Listenpreis”, sie
bestimmen sich vielmehr nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr.
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Der zweite Fall (Urteil VI R 27/11) war ähnlich gelagert und betraf Mitarbeiterrabatte
beim Neuwagenerwerb. Auch hier entschied der BFH, dass ein üblicher, auch Dritten
eingeräumter Rabatt beim Arbeitnehmer nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führt.
Denn zum Arbeitslohn gehören zwar Vorteile, die Arbeitnehmern dadurch zufließen,
dass Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses ihren Arbeitnehmern Waren zu
einem besonders günstigen Preis verkaufen. Ob allerdings der Arbeitgeber tatsächlich
einen besonders günstigen, durch das Arbeitsverhältnis veranlassten Preis eingeräumt
hat, ist jeweils durch Vergleich mit dem üblichen Preis festzustellen. Maßgebend ist
danach der vom Arbeitgeber geforderte Endpreis am Abgabeort. Wenn deshalb der
Arbeitgeber nach den geschäftlichen Gepflogenheiten üblicherweise einen niedrigeren
Preis fordert -sei dies in der Form eines speziellen eigenen “Hauspreises”, oder durch
einen eigens ausgewiesenen Rabatt-, ist dieser und nicht die unverbindliche
Preisempfehlung der maßgebende Endpreis.
Fundstelle
BFH-Urteile vom 26. Juli 2012 (VI R 30/11 und VI R 27/11), veröffentlicht am 7.
November 2012
Keine Aufrechnung bei Umsatzsteuerberichtigung
während des Insolvenzverfahrens
Für die Frage, wann eine Aufrechnung insolvenzrechtlich unzulässig ist kommt es
darauf an, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand verwirklicht wird.
Nicht entscheidend ist, wann die zu berichtigende Steuerforderung begründet worden
ist. Mit diesem Urteil ändert der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung.
Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oftmals nur dann
eine Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung
zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden
Unternehmens aufrechnen kann. Eine Aufrechnung ist nach der Insolvenzordnung
jedoch nicht mehr möglich, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach
Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist. Eine Aufrechnung war bislang
dann zulässig, wenn der Anspruch zwar erst während des Insolvenzverfahrens
entstanden war, aber auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten
Steuerfestsetzung beruhte, wie dies bei einer Umsatzsteuer-Berichtigung wegen
Uneinbringlichkeit des Entgelts regelmäßig der Fall ist. Diese besondere Verknüpfung
von Umsatzsteuerfestsetzung und -berichtigung hat der Bundesfinanzhof nunmehr
aufgegeben: Der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2
Umsatzsteuergesetz müsse schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten
sein – nur dann sei eine Aufrechnung möglich.
Im entschiedenen Fall wurde eine Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten des
insolventen Unternehmers deshalb erforderlich, weil nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens dessen Geschäftspartner ebenfalls in Insolvenz geraten und das von
diesem geschuldete Leistungsentgelt uneinbringlich geworden war. Gegen den dadurch
ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers darf das Finanzamt
Insolvenzforderungen nicht verrechnen. Es gehe – so der BFH in seiner Begründung –
nicht um die Festsetzung einer Steuer zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern um die
Berichtigung einer Steuerfestsetzung mit dem Ziel einer Verringerung der festgesetzten
nachinsolvenzlichen Steuerschuld. Dies kann durch Abgabe einer entsprechenden
Steuererklärung mit Festsetzungswirkung ebenso bewirkt werden, wie im
Insolvenzverfahren ein Erstattungsbescheid über vorinsolvenzliche
Umsatzsteuerguthaben ergehen könnte, weil eine solche Anmeldung nicht den Bestand
der Forderungen zu Lasten der Gläubigergemeinschaft verändert.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 25. Juli 2012 (VII R 29/11), veröffentlicht am 31. Oktober 2012
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Entschädigung bei arbeitnehmerähnlich
ausgestaltetem Beratervertrag tarifbegünstigt
Schuldet ein Rechtsanwalt seine Leistung trotz Beibehaltung der rechtlichen
Selbständigkeit aufgrund eines Beratungsvertrags im Wesentlichen wie ein
Arbeitnehmer, so kommt im Zusammenhang mit diesem Vertrag bei ihm eine steuerlich
begünstigte Entschädigung nach den Grundsätzen in Betracht, wie sie auch für
Arbeitnehmer gelten.
Grundsätzlich ist eine (tarifbegünstigte) Entschädigung für entgangene oder entgehende
Einnahmen im Bereich der Gewinneinkünfte nicht möglich, wenn diese dem laufenden
Geschäft zuzurechnen ist. Dazu gehören bei einem Rechtsanwalt in aller Regel auch die
Kündigung oder die Auflösung einzelner Verträge sowie deren Abwicklung nach
Leistungsstörungen, ggf. mit Schadensersatz für die Nichterfüllung des Vertrags. Im
Gegensatz dazu wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Frage der
Entschädigungszahlung stets deutlich großzügiger gehandhabt, sie ist beispielsweise
schon dann anzunehmen, wenn die Zahlung durch den Verlust steuerbarer Einnahmen
bedingt ist und es sich um ein „besonderes Ereignis“ handelt (d.h. die Beendigung geht
vom Arbeitgeber aus oder der Arbeitnehmer hat bei Zustimmung zu dem
Aufhebungsvertrag unter einem nicht unerheblichen Druck gestanden). Dies hat der
Bundesfinanzhof jetzt aufgegriffen: Danach käme bei Beratungsverträgen mit
arbeitnehmerähnlichen Charakter ebenfalls eine steuerlich begünstige Entschädigung in
Betracht. Im Wesentlichen kommt es darauf an, ob das Vertragsverhältnis in seiner
rechtlichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Handhabung einem
Anstellungsverhältnis soweit angenähert ist, dass es deswegen aus dem Rahmen der
sonst für einen Rechtsanwalt üblichen Geschäfte deutlich herausfällt und eindeutig von
diesen abgegrenzt werden kann. Bei Betrachtung der gesamten Tätigkeit des
Rechtsanwalts muss der Beratungsvertrag deswegen eine wesentliche, aber keineswegs
die einzige Erwerbsquelle darstellen.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 10. Juli 2012 (VIII R 48/09), veröffentlicht am 31. Oktober 2012
Prämien wertlos gewordener Optionen als
Werbungskosten bei einem Termingeschäft
Das Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil wird nach Ansicht des
Bundesfinanzhofs steuerlich auch dann beendet, wenn bei Termingeschäften ein
negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben der wertlosen Forderung vermieden
wird. Die Tatsache, dass sich Aufwendungen für Optionen als Fehlinvestitionen
erwiesen haben, schließen deren Abzug als Werbungskosten per se nicht aus. Dies zeigt
auch eine aktuell veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs.
Im aktuell entschienden Fall unternahmen die Kläger (ein zusammen veranlagtes
Ehepaar) Börsengeschäfte und erklärten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung
Gewinne aus Aktienverkäufen sowie aus der Verwertung von Kauf- (sog. calls) und
Verkaufsoptionen (sog. puts). Diesen Gewinnen stellten die Kläger Verluste aus
Währungsgeschäften, aus der Verwertung von Verkaufsoptionen sowie aus wertlos
gewordenen (nicht ausgeübten) Kauf- und Verkaufsoptionen gegenüber. Den
sechstelligen Verlustsaldo berücksichtigte das Finanzamt mangels Verrechenbarkeit im
Streitjahr 2000 zunächst in unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden
Bescheiden, indem es einen Betrag in das Streitjahr 1999 zurücktrug und den Rest als
Verlustvortrag gesondert feststellte. Im Zuge einer betriebsnahen Veranlagung gelangte
die Finanzverwaltung jedoch zu der Auffassung, dass die Aufwendungen aus den nicht
ausgeübten Optionen steuerrechtlich nicht abgezogen werden könnten. Die fatale Folge:
Die Behörde korrigierte kurzerhand für das Streitjahr 2000 den erklärten Saldo um die
nicht mehr anzusetzenden Verluste aus nicht ausgeübten Optionen und gelangte so zu
positiven Einkünften aus Börsengeschäften im Streitjahr. Überdies hob es den Bescheid
über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf und änderte auch den
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1999, indem es keinen Verlustrücktrag
mehr berücksichtigte.
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Nach zunächst erfolglosen Einsprüchen hatten die Anleger mit einer entsprechenden
Klage vor dem Finanzgericht Erfolg. Richterliche Begründung: Die Kläger könnnen die
aus dem Wertverlust der Optionen herrührenden Aufwendungen als Werbungskosten
bei ihren Einkünften gemäß § 22 Nr. 2 Einkommensteuergesetz in der Fassung der
Streitjahre geltend machen. Es handele sich um vergebliche und fehlgeschlagene
Aufwendungen. Entscheidend sei, dass das Paar die Kauf- und Verkaufsoptionen
erworben habe, um daraus in Erwartung der prognostizierten Preis- oder
Kursentwicklung der Basiswerte Gewinne zu erzielen. Deshalb seien die Verluste aus den
nicht ausgeübten Optionen bis zur Höhe des Gewinns als Werbungskosten zu
berücksichtigen. Dieser Auffassung folgte auch der Bundesfinanzhof in seiner
Revisionsentscheidung. Nach § 23 Abs. 3 Sätze 1 und 5 EStG sind bei der Ermittlung des
Gewinns oder des Verlusts aus privaten Veräußerungsgeschäften Werbungskosten
abzuziehen. Das setzt voraus, dass ein Ergebnis einer nach § 23 Abs. 1 EStG steuerbaren
Tätigkeit zu ermitteln ist. Der Revision sei insoweit beizupflichten, als die Abziehbarkeit
von Werbungskosten nur in Betracht komme, als es zu einer Ausübung der Option oder
zu einer Veräußerung oder zu einem anderen steuerrechtlich bedeutsamen
Beendigungstatbestand, komme. Die Aufwendungen für die wertlos gewordenen
Optionen, um die es hier geht, sind aber als Werbungskosten bei der Ermittlung der
Einkünfte aus Termingeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu
berücksichtigen. Die Entscheidung der Vorinstanz stelle sich nach Ansicht der BFHRichter aus diesen Gründen als richtig dar.
Zur Erläuterung: Normalerweise wird ein Börsengeschäft unmittelbar nach
Vertragsabschluss ausgeführt, wie zum Beispiel der Aktienkauf. Anders ist es bei
Termingeschäften, zu denen auch Optionsscheine gehören. Sie werden erst zu einem
späteren Zeitpunkt ausgeführt. Dabei ist der Kurs bereits vorher börsenmäßig festgelegt.
Erfüllt wird ein Termingeschäft meist durch Auszahlung von Kurs- bzw. Wertdifferenzen
des zugrunde liegenden Basiswerts (zum Beispiel Aktien oder Devisen). Termingeschäfte
sind innerhalb der Spekulationsfrist von einem Jahr als privater Veräußerungsgewinn
steuerpflichtig, Verluste sind mit anderen Veräußerungsgewinnen verrechenbar. Das
Gesetz verlangt vom Steuerpflichtigen allerdings kein wirtschaftlich sinnloses Verhalten,
sondern besteuert ihn nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit.
Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ist aber um die aufgewandten
Optionsprämien gemindert, einerlei, ob es tatsächlich zu einem steuerbaren negativen
Differenzausgleich kommt oder ob ein solcher von vornherein vermieden wird, indem –
als wirtschaftlich einzig sinnvolles Verhalten – die Option nicht ausgeübt wird. Dieser
Nachteil beruht ebenso wie der entsprechende Vorteil auf dem Basisgeschäft, denn er ist
ausgelöst durch die Wertentwicklung des Bezugsobjekts im Zeitpunkt der Fälligkeit
gegenüber dem Basiswert. Mithin wird das Recht auf einen Differenzausgleich,
Geldbetrag oder Vorteil auch dann i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG beendet, wenn
ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben
der Forderung aus dem Termingeschäft vermieden wird. Hinweis: Das Urteil behält auch
nach Einführung der Abgeltungsteuer Bedeutung. Denn ab 2009 sind Gewinne und
Verluste aus Optionsscheinen immer steuerpflichtig – und zwar unabhängig von der
Spekulationsfrist. Die Frage, wie Verluste aus wertlos verfallenen Optionsscheinen nach
Ablauf der Optionsfrist zu besteuern sind, bleibt also weiterhin aktuell.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 26. September 2012, IX R50/09 (veröffentlicht am 31. Oktober 2012)
Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht bei
Mitunternehmerschaften
Nach ständiger Rechtsprechung beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht von
Gewerbebetrieben erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt
sind. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs gilt dies für Personengesellschaften
unabhängig von der Rechtsform ihrer Gesellschafter.
Die Klägerin im aktuell entschiedenen Fall ist eine GmbH & Co. KG, die am 16. Juni
2003 (Streitjahr) errichtet und am 8. August desselben Jahres im Handelsregister
eingetragen wurde. Komplementärin ist die GmbH I, alleinige Kommanditistin die
GmbH II als Treuhänderin für eine (weitere) GmbH & Co. KG.
Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Ausübung des Tischlerhandwerks,
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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insbesondere die Herstellung, die Be- und Verarbeitung sowie die Konfektionierung von
Möbelelementen aller Art. Am 12. September 2003 meldete sich die Klägerin beim
zuständigen Finanzamt an und gab als Beginn der gewerblichen Tätigkeit den 1. Januar
2004 an. Noch in 2003 stellte sie einen Vertriebsleiter sowie einen Betriebsleiter ein und
schloss einen Mietvertrag für ein Objekt ab, das von der Vermieterin vor Inbetriebnahme
noch durch Baumaßnahmen herzurichten war. Am selben Tag gab sie ihre
gewerberechtliche Anmeldung ab, in der sie den Beginn ihrer Tätigkeit auf den 1.
September des Streitjahres datierte. Die steuerliche Folge dieses Engagements: Mit
Gewerbesteuermessbescheid 2003 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag
für 2003 auf 0 Euro fest und lehnte die Feststellung eines vortragsfähigen
Gewerbeverlustes in Höhe von 107.687 kurzerhand ab.
Nach erfolglosem Einspruch machte die GmbH in ihrer dagegen erhobenen Klage
geltend, dass sie sich auch schon im Streitjahr 2003 am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr beteiligt habe. Jedenfalls sei zu berücksichtigen, dass bei ihr entstehende
Veräußerungsgewinne nach Einfügung des § 7 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der
für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) der Gewerbesteuer unterlägen. Insoweit
werde sie wie eine Kapitalgesellschaft behandelt, ohne dass sachliche Gründe dafür
erkennbar seien, dass sie die Anlaufkosten abweichend von der Rechtslage bei
Kapitalgesellschaften nicht abziehen dürfe. Das Finanzgericht gab der Klage statt.
Anders beurteilte indes der Bundesfinanzhof den Sachverhalt. Betriebsausgaben, die vor
Aufnahme der werbenden Tätigkeit einer Mitunternehmerschaft entstanden seien, sind
nach Auffassung der obersten Finanzrichter auch dann nicht bei der Ermittlung des
Gewerbeertrags zu berücksichtigen, wenn die unmittelbar beteiligten Mitunternehmer
nicht natürliche Personen sind. Nach § 2 Abs.1 Gewerbesteuergesetz unterliegt der
Gewerbesteuer nur der stehende Gewerbebetrieb. Zur Erläuterung: Während die
Einkommensteuer als Personensteuer sämtliche betrieblichen Vorgänge beginnend mit
der ersten Vorbereitungshandlung zur Eröffnung des Betriebs erfasst, ist Gegenstand der
Gewerbesteuer nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche
Leistungen entstandene Gewinn. Der von der Vorinstanz angeführte Paragraf § 7 Satz 2
GewStG greift nach Ansicht der BFH-Richter auch nicht. Die Vorschrift besagt, dass
Veräußerungs- oder Aufgabegewinne bei Mitunternehmerschaften zum Gewerbeertrag
gehören, soweit sie auf eine nicht natürliche Person als unmittelbar beteiligten
Mitunternehmer entfallen. Sie betrifft dem eindeutigen Wortlaut nach nur
Veräußerungs- und Aufgabegewinne. Die Vorinstanz hatte daraus abgeleitet, dass
korrespondierend dazu auch vorbereitende Betriebsausgaben bei der Ermittlung des
Gewerbeertrags berücksichtigt werden müssten. Dem schloss sich der BFH jedoch nicht
an. Die für Kapitalgesellschaften geltenden Grundsätze können – so ist es in der
Urteilsbegründung nachzulesen – nicht auf Mitunternehmerschaften übertragen
werden, auch wenn daran nur Kapitalgesellschaften als Mitunternehmer beteiligt sind.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 30. August 2012, IV R 54/10 (veröffentlicht am 24. Oktober 2012)
Reinvestition aus gewerblichem Veräußerungsgewinn
auf Wirtschaftsgut eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs
Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs können nicht der
Gewerbesteuer unterliegende Gewinne aus der Veräußerung oder der Aufgabe eines
Gewerbebetriebs unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich begünstigt auf
Wirtschaftsgüter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs übertragen werden.
Im entschiedenen Fall erzielte der Kläger mit dem Betrieb eines Campingplatzes auf
einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Daneben erzielte er mit einem weiteren Betrieb Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft. Anfang 1996 veräußerte er den Campingplatz einschließlich des
Anlagevermögens. Den erzielten Veräußerungsgewinn erklärte er in Höhe eines
Teilbetrags als laufenden Gewinn und bildete hinsichtlich des verbleibenden Gewinns
eine Rücklage nach § 6b Einkommensteuergesetz, die er auf seinen landwirtschaftlichen
Betrieb übertrug. Hintergrund: Nach § 6b EStG können Steuerpflichtige, die ihren
Gewinn wie im Streitfall durch Bestandsvergleich ermitteln, unter bestimmten
Voraussetzungen bei der Veräußerung von Grund und Boden und Gebäuden im
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
15
Wirtschaftsjahr des Verkaufs grundsätzlich eine den steuerlichen Gewinn mindernde
Rücklage bilden und bis zur Höhe dieser Rücklage einen Betrag von den Anschaffungsoder Herstellungskosten der in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafften oder
hergestellten Wirtschaftsgüter abziehen. Hierzu führt die einschlägige Vorschrift im
Einkommensteuergesetz weiter aus, dass der Abzug einer sogenannten 6b-Rücklage
nicht zulässig ist, wenn der Gewinn bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines
Gewerbebetriebs entstanden ist. Im entschiedenen Fall versagte die Finanzverwaltung
genau aus diesem Grund die Bildung und Übertragung der begehrten Rücklage und
erfasste stattdessen einen tarifbegünstigten Gewinn. Anders beurteilten das zuständige
Finanzgericht und der Bundesfinanzhof den Fall. Danach spreche zwar der Wortlaut des
§ 6b EStG, wonach eine Rücklagenübertragung bei Gewinnen ausscheide, die bei der
Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs entstanden seien, für die
Auffassung der Finanzverwaltung. Der Wortlaut der Norm gehe aber nach Ansicht der
Richter über ihren erkennbaren Gesetzeszweck hinaus. Die Regelung solle nämlich nur
verhindern, dass ein gewerblicher Veräußerungsgewinn endgültig der Gewerbesteuer
entzogen werde. Da der bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs im
Ganzen erzielte Gewinn wie im Streitfall nicht dem Gewerbeertrag hinzurechnen sei und
damit auch nicht der Gewerbesteuer durch die Übertragung stiller Reserven unterliege,
könne die Gewerbesteuer durch die Übertragung stiller Reserven auf
Ersatzwirtschaftsgüter auch nicht verloren gehen. Fazit der Richter: Gewinne, die aus
der Veräußerung eines Gewerbebetriebs resultieren und nicht der Gewerbesteuer
unterliegen, werden vom Übertragungsverbot nach § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG nicht erfasst.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 30. August 2012, IV R 28/09 (veröffentlicht am 24. Oktober 2012)
Grundstücksverkäufe von Personengesellschaften und
Gemeinschaften beim Gesellschafter gewerblich
Auch wenn ein Steuerpflichtiger in eigener Person kein einziges Objekt veräußert hat,
sondern Grundstücksgeschäfte ausschließlich über eine gewerblich tätige
Personengesellschaft und eine vermögensverwaltende Grundstücksgemeinschaft
durchführt, kann er mittels Zurechnung aller Grundstücksverkäufe einen gewerblichen
Grundstückshandel betreiben. Dies entschied der BFH in einer aktuell veröffentlichten
Entscheidung.
Die Klägerin sowie ein weiterer Beteiligter waren zu je 50 % Gesellschafter einer OHG,
die einen gewerblichen Grundstückshandel betrieb. Ferner waren sie beide zu
Bruchteilen je zur Hälfte an sechs weiteren Objekten beteiligt. Eines dieser Objekte
wurde nach umfangreichen Umbaumaßnahmen als Gewerbeobjekt veräußert, die
übrigen wurden langfristig gehalten. Das Finanzamt hatte ursprünglich hinsichtlich der
Veräußerung dieses Objekts einen gewerblichen Grundstückshandel der
Grundstücksgemeinschaft angenommen. Mit dem damals eingelegten Rechtsmittel war
die Klägerin in 2008 vor dem Bundesfinanzhof zunächst erfolgreich. Das Finanzamt
nahm daraufhin jedoch das zuvor ruhende Einspruchsverfahren wieder auf und setzte
nun Einkünfte aus einem in eigener Person (der Klägerin) unterhaltenen gewerblichen
Grundstückshandel an. Begründung: Zwar sei die Grundstücksgemeinschaft lediglich
vermögensverwaltend tätig geworden. Auf der Ebene der Beteiligten, die über die OHG
und die Grundstücksgemeinschaft insgesamt 15 Objekte innerhalb von fünf Jahren
veräußert hätten, müssten die Einkünfte umqualifiziert werden. Erneut wurde der
Rechtsweg beschritten. Der Einwand der Klägerin, sie und der weitere Beteiligte hätten
eine klare Trennung zwischen der betrieblichen und der privaten Sphäre, blieb jedoch
diesmal in allen gerichtlichen Instanzen erfolglos. Mit seinem jetzigen Urteil hat der
BFH die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel weiter verschärft.
Der BFH entschied aufgrund der Gesamtwürdigung der Umstände und hielt eine
Zusammenrechnung aller Aktivitäten der Personengesellschaft und der
Grundstücksgemeinschaft für geboten. Dabei könne weder zwischen
vermögensverwaltend und gewerblich tätigen Personengesellschaften noch zwischen
Gesamthands-Personengesellschaften und Bruchteilsgemeinschaften differenziert
werden. Wenn Grundstücksgeschäfte, die vermögensverwaltende
Personengesellschaften tätigen, bei der Besteuerung des Gesellschafters auch in solchen
Fällen als zu einem gewerblichen Grundstückshandel gehörig umqualifiziert werden
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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können, in denen der Gesellschafter selbst keine Objekte veräußert, und andererseits
nach der Rechtsprechung keine Unterscheidung zwischen vermögensverwaltenden und
gewerblich tätigen Personengesellschaften vorzunehmen ist, dann sei eine
zusammenfassende Würdigung auch dann möglich, wenn der Gesellschafter – wie hier –
sowohl an vermögensverwaltenden als auch mitunternehmerischen
Personengesellschaften beteiligt ist.
Die Teilhaber einer Grundstücksgemeinschaft bzw. grundstückshandelnden Gesellschaft
unterlägen – so der BFH – dem Mehrheitsprinzip und können über die betreffenden
Gegenstände nur gemeinschaftlich verfügen, ein Verkauf gegen den Willen der Klägerin
war zudem ausgeschlossen. Im Übrigen machten die Richter darauf aufmerksam, dass es
der Klägerin offensichtlich nur darum gegangen sei, neben einem bestehenden
Grundstückshandel der OHG weitere Objekte – ohne Einbeziehung in den
Grundstückshandel – im Privatvermögen in engem zeitlichen Zusammenhang zum
jeweiligen Erwerb ohne Auslösung einer Steuerbelastung veräußern zu können. Auch
schon insofern führe die sog. Vermutungsäußerung zur Ablehnung der Revision.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 22. August 2012 (X R 24/11), veröffentlicht am 17. Oktober 2012
Abtretung eines Besserungsscheins bei Veräußerung
eines GmbH-Mantels nicht missbräuchlich
Die Zahlung auf eine betrieblich begründete Gesellschafterforderung ist auch dann
steuerlich abzugsfähig, wenn der frühere Gesellschafter wegen Wertlosigkeit gegen
Besserungsschein auf seine Forderung verzichtet und die Besserungsanwartschaft
daraufhin im Zusammenhang mit der Veräußerung des sog. GmbH-Mantels an einen
der Erwerber veräußert hatte und später der Besserungsfall eingetreten war.
Der Fall: Nachdem eine GmbH ihren ursprünglichen Geschäftszweck grundlegend
geändert hatte, stellte sie ihren Geschäftsbetrieb noch im selben Jahr weitgehend ein.
Später verzichtete deren alleiniger Gesellschafter wegen der nur noch geringfügigen
wirtschaftlichen Betätigung auf seine Forderung unter der auflösenden Bedingung, dass
diese im Besserungsfall wieder aufleben sollte. Die GmbH verbuchte infolgedessen in
diesem Jahr einen entsprechenden außerordentlichen Ertrag. Kurze Zeit darauf löste der
Gesellschafter die GmbH auf und bestellte sich zum Liquidator. Im folgenden Jahr teilte
er den GmbH-Anteil in zwei Anteile und übertrug jeweils einen davon auf zwei neue
Gesellschafter für einen symbolischen Kaufpreis von 1 DM. Diese beschlossen die
Fortsetzung der GmbH und die Verschmelzung einer weiteren GmbH, an der sie
ebenfalls je zur Hälfte beteiligt waren, auf die übernommene GmbH, die daraufhin
erneut ihren Unternehmensgegenstand änderte. Im Zuge dessen veräußerte der
Altgesellschafter auch seine Besserungsanwartschaft zum Kaufpreis von 5.000 DM an
einen der neuen Gesellschafter. Die GmbH wurde profitabel und erzielte im Streitjahr
einen Gewinn, worauf sie den Besserungsschein an den Neu-Gesellschafter
(gewinnmindernd) bediente. Das Finanzamt beurteilte das Wiederaufleben der
Gesellschafterforderung in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem
Gesellschafterwechsel als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Das Finanzgericht sah
darin einen Gestaltungsmissbrauch und hatte dies auf die im Streitjahr 2001 geltende
Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz gestützt, die ihrem
Wortlaut nach den Verlustabzug von der „Identität“ der Körperschaft abhängig machte
und nach Meinung des Gerichts auch andere Formen der “Verlustkonservierung”
erfasse. Die Missbräuchlichkeit ergebe sich daraus, dass sich der aus der
Wiedereinbuchung der Forderung ergebende Aufwand unter die Abzugsbeschränkung
falle. Dieser Analogie stimmte der Bundesfinanzhof allerdings nicht zu, denn die
Passivierung einer Verbindlichkeit sei davon strikt zu unterscheiden.
Das wirtschaftliche Ziel der Vertragsparteien lag vor allem darin, im Zusammenhang mit
dem Anteilserwerb einerseits die GmbH von ihrer im Falle der wirtschaftlichen
Gesundung drohenden Inanspruchnahme durch den Altgesellschafter zu entlasten und
andererseits die bis dahin wertlose Besserungsanwartschaft bestmöglich zu verwerten.
Dafür standen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder ein entgeltlicher Verzicht
des Altgesellschafters auf die Besserungsanwartschaft oder deren entgeltlicher Erwerb
durch die Neu-Gesellschafter. Dass hier der letztgenannte Weg gewählt wurde, könne
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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nach Ansicht des BFH nicht unangemessen und damit missbräuchlich sein, denn es
stehe dem Steuerpflichtigen im Grundsatz frei, seine Verhältnisse im Rahmen des
rechtlich Zulässigen so einzurichten, dass sich für ihn eine möglichst geringe
Steuerbelastung ergibt. Der Ankauf der Besserungsanwartschaft durch den
Neugesellschafter war nicht nur kurzfristiger Natur, sondern auf Dauer angelegt. Für ihn
bestand bei Abschluss des Geschäfts die Aussicht, dass die GmbH wieder solvent werden
und sodann die Forderung wieder aufleben und von der GmbH bedient werden würde.
Diese Möglichkeit zu nutzen, sei wirtschaftlich vernünftig, weshalb unter diesem
Gesichtspunkt nicht von einem Gestaltungsmissbrauch ausgegangen werden konnte.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 12. Juli 2012 (I R 23/11), veröffentlicht am 10. September 2012
Keine Mineralölsteuerbefreiung für Vercharterer von
Flugzeugen
Einem Unternehmen, das kein Luftfahrtunternehmen ist, und ein eigenes Flugzeug
flugbereit, versichert und vollgetankt nebst einem Piloten anderen Unternehmen im
Rahmen eines Chartervertrags für beliebige Flüge im Werkflugverkehr zur Verfügung
stellt, steht für das auf diesen Flügen verbrauchte Mineralöl kein Anspruch auf
Befreiung von der Mineralölsteuer zu. Zu diesem Ergebnis kam der Bundesfinanzhof in
einer Entscheidung vom 17. Juli 2012.
Im entschiedenen Fall hält, verwaltet und verchartert die Klägerin Flugzeuge und
betreibt alle damit zusammenhängenden Geschäfte. Ein ihr von einem anderen
Unternehmen aufgrund eines Leasing-Vertrags zur Verfügung gestelltes Flugzeug
verchartert sie an Unternehmen und Personen. Vertraglich schuldet sie dabei nicht den
Transport von Personen oder Waren gegenüber den Charterern, sondern lediglich die
Zurverfügungstellung eines flugbereiten, versicherten und vollgetankten Flugzeugs nebst
eines Piloten. Vor diesem Hintergrund kommt eine Mineralölsteuerentlastung nach
Ansicht der obersten Finanzrichter nicht in Betracht. Richterliche Begründung: das
Unternehmen selbst erbringt keine Luftfahrt-Dienstleistungen und ist nicht Verwender
des Mineralöls. Verwender ist vielmehr der Charterer, der während des
Charterzeitraums die Sachherrschaft über das Flugzeug ausübt.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 17. Juli 2012, VII R 26/09 (veröffentlicht am 10.Oktober 2012)
Ermäßigter Umsatzsteuersatz auf
Personenbeförderungen im Nahverkehr (EuGHVorlage)
Der Bundesfinanzhof hat in zwei Fällen dem Europäischen Gerichtshof Fragen
bezüglich der Anwendung unterschiedlicher Umsatzsteuersätze für die Beförderung
von Personen mit Taxen und Mietwagen im Nahverkehr vorgelegt.
In beiden Fällen hatten Mietwagenunternehmer, die über keine Taxilizenz verfügen, für
Beförderungstrecken von nicht mehr als 50 km bzw. innerhalb einer Gemeinde den
ermäßigten Steuersatz beantragt. Sie waren der Ansicht, die Umsatzsteuer müsse
wettbewerbsneutral ausgestaltet sein und insofern auch Mietwagenunternehmern der
ermäßigte Steuersatz gewährt werden. Das Finanzamt hielt sich an den Wortlaut des
einschlägigen § 12 Abs. 2 Nr. 10 (b) Umsatzsteuergesetz (UStG): Da ein Mietwagen
begrifflich kein Taxi ist, wurden die entsprechenden Einsprüche abgewiesen. Das
Finanzgericht hatte entschieden, dass eine Ausdehnung auf Mietwagenunternehmer
verfassungsrechtlich nicht geboten sei, gleichwohl eine nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung für grundsätzlich möglich erachtet. Der Bundesfinanzhof will nun
vom EuGH näheres dazu wissen. Im Kern geht es dabei um die Beantwortung der Frage,
ob Taxileistungen und Mietwagenleistungen sich so ähnlich sind, dass die
unterschiedliche gesetzliche Regelung im UStG dem unionsrechtlichen Neutralitätsgebot
widerspricht. Unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten ist es den Mitgliedstaaten
nämlich gestattet, konkrete und spezifische Aspekte einer bestimmten Kategorie von
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
18
Dienstleistungen mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen. Der
Neutralitätsgrundsatz verbietet es, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb
stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich
zu behandeln. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers dienen sowohl Taxen als auch
Mietwagen mit Fahrergestellung der Personenbeförderung, was für eine
Vergleichbarkeit der Leistungen spricht. Andererseits bestehen hinsichtlich der
Bedingungen der Personenbeförderung – auch im Falle einer Sondervereinbarung
zwischen dem örtlichen Taxigewerbe und Großkunden – wesentliche Unterschiede, so
etwa bei der Festlegung der Fahrpreise sowie der Betriebs- und Beförderungspflicht. Zu
berücksichtigen sei auch – so der BFH abschließend – die bislang hierzu ergangene
EuGH-Rechtsprechung, nach der es nicht allein auf die Gegenüberstellung einzelner
Leistungen ankomme, sondern auf ihren Kontext.
Fundstelle
BFH-Entscheidungen vom 10. Juli 2012 (XI R 39/10 und XI R 22/10), veröffentlicht am
10. September 2012
Bundesfinanzhof zweifelt Verfassungsmäßigkeit des
Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an
Der Bundesfinanzhof legt das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der ab 1.
Januar 2009 geltenden Fassung dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit vor. Die monierten Vorschriften führten – so die obersten
Finanzrichter – teils für sich allein, teils in ihrer Kumulation zu einer durchgehenden,
das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung, durch die
diejenigen Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in
ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und
folgerichtige Besteuerung verletzt würden.
Der Bundesfinanzhof hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19
Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der im Jahr 2009
geltenden Fassung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
verfassungswidrig ist. Dem Verfahren liegt die Besteuerung eines Erbanfalls im Jahre
2009 zugrunde. Der Kläger war zu 1/4 Miterbe seines Onkels. Im Nachlass befanden sich
Guthaben bei Kreditinstituten und ein Steuererstattungsanspruch. Der Wert des auf den
Kläger entfallenden Anteils am Nachlass belief sich auf 51.266 Euro. Unter
Berücksichtigung eines Freibetrags von 20.000 Euro und eines Steuersatzes von 30
Prozent setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer in Höhe von 9.360 Euro fest. Einspruch
und Klage, mit denen der Kläger eine Herabsetzung der Steuer auf 4.680 Euro begehrte,
blieben erfolglos. Der Kläger war der Meinung, der für Steuerentstehungszeitpunkte
nach dem 31.Dezember 2009 für steuerpflichtige Erwerbe in der Steuerklasse II
vorgesehene Steuersatz von 15 Prozent sei aus Gründen der Gleichbehandlung auch in
seinem Fall anzuwenden. Das Finanzgericht wies die Klage des Erben ab. Und auch der
Bundesfinanzhof teilt nicht die Ansicht des Klägers, die auf Steuerentstehungszeitpunkte
im Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II (u.a.
Geschwister, Neffen und Nichten) mit Personen der Steuerklasse III (fremde Dritte) sei
verfassungswidrig. Nach Ansicht der obersten Finanzrichter ist der Gesetzgeber von
Verfassungswegen nicht verpflichtet, Erwerber der Steuerklasse II besser zu stellen als
Erwerber der Steuerklasse III. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz beziehe sich nur auf die Familie
als Gemeinschaft von Eltern und Kindern, nicht aber auf Familienmitglieder im weiteren
Sinn wie etwa Geschwister oder Abkömmlinge von Geschwistern.
Der BFH ist jedoch der Auffassung, dass § 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und 13b ErbStG in der
auf den 1. Januar 2009 zurückwirkenden Fassung des
Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22. Dezember 2009 deshalb gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, weil die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen
Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite
über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgingen.
Im Einzelnen stützt der BFH seine Vorlage auf folgende Gesichtspunkte:
Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von
Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an
Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran stelle eine nicht durch ausreichende
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
19
Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung
dar. Es könne nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die
Betriebsfortführung gefährde; es gehe weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und
Zulässige hinaus, Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die
Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine
Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden seien oder – ggf. im
Rahmen einer Stundung der Steuer – ohne weiteres beschafft werden könnten.
Der Begünstigungsgrund „Arbeitsplatzerhalt“ erweise sich als nicht tragfähig, weil weit
mehr als 90 % aller Betriebe nicht mehr als 20 Beschäftigte hätten und schon deshalb
nicht unter die „Arbeitsplatzklausel“ fielen und ferner das Gesetz Gestaltungen zulasse,
die es in vielen Fällen auf einfache Art und Weise ermöglichten, dass es für die
Gewährung des Verschonungsabschlags auch bei Betrieben mit mehr als 20
Beschäftigten im Ergebnis nicht auf die Entwicklung der Lohnsummen und somit auf die
Erhaltung von Arbeitsplätzen in dem Zeitraum nach dem Erwerb ankomme.
Die Paragrafen 13a und 13b ErbStG wiesen ferner einen verfassungswidrigen
Begünstigungsüberhang auf. Sie ermöglichten es Steuerpflichtigen, durch rechtliche
Gestaltungen nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das den Begünstigungszweck nicht
erfülle, in unbegrenzter Höhe ohne oder mit nur geringer Steuerbelastung zu erwerben.
Es unterliege weitgehend der Dispositionsfreiheit des Erblassers oder Schenkers,
Vermögensgegenstände, die ihrer Natur nach im Rahmen der privaten
Vermögensverwaltung gehalten würden, zu steuerbegünstigtem Betriebsvermögen zu
machen. Die Bestimmungen hinsichtlich des sog. Verwaltungsvermögens seien nicht
geeignet, risikobehaftetes und deshalb zu begünstigendes Betriebsvermögen von
weitgehend risikolosem und daher nicht begünstigungswürdigem Betriebsvermögen
abzugrenzen, und widersprächen auch dem Folgerichtigkeitsgebot. So könne bei
entsprechender Gestaltung der unschädliche Anteil des nicht begünstigungswürdigen
Verwaltungsvermögens sowohl bei der Regelverschonung als auch bei der
Optionsverschonung deutlich über 90 % des gesamten Betriebsvermögens betragen.
Ferner gehörten Geldforderungen wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen und
Festgeldkonten bei Kreditinstituten nicht zum Verwaltungsvermögen, sodass ein Anteil
an einer GmbH oder GmbH und Co. KG, deren Vermögen ausschließlich aus solchen
Forderungen bestehe (z.B. sog. “Cash-GmbH), durch freigebige Zuwendung oder von
Todes wegen erworben werden könne, ohne dass Erbschaftsteuer anfalle.
Die zusätzlich zu den Freibeträgen des § 16 ErbStG anwendbaren Steuervergünstigungen
nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen führten
dazu, dass die Steuerbefreiung die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme
sei.
Fundstelle
BFH-Beschluss vom 27. September 2012, II R 9/11 (veröffentlicht am 10. Oktober 2012)
Keine Gewinnrealisierung bei teilentgeltlicher
Grundstücksübertragung
Die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem
Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen der
Personengesellschaft führt nicht zur Realisierung eines Gewinns, wenn das Entgelt den
Buchwert nicht übersteigt.
Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann Wirtschaftsgüter aus seinem
Sonderbetriebsvermögen an die Gesellschaft wie ein fremder Dritter entgeltlich
veräußern. Eine entgeltliche Veräußerung ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die
Personengesellschaft im Zusammenhang mit der Übertragung des Wirtschaftsguts eine
Verbindlichkeit des Gesellschafters übernimmt (insofern teilentgeltliche Übertragung).
Das steuerlich beachtliche Entgelt besteht in diesem Fall in der Übernahme der
Verbindlichkeit. Ein vergleichbarer Fall lag jetzt dem Bundesfinanzhof vor: Der
Kommanditist einer GmbH & Co. KG hatte u.a. ein mit einer Verbindlichkeit belastetes
Grundstück aus seinem Sonderbetriebsvermögen an die Personengesellschaft
übertragen. Im Verhältnis zum Verkehrswert (1.520.000 Euro) machte die
übernommene Verbindlichkeit, also das Entgelt, circa 19,5 % (d.h. 296.500 Euro) aus.
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Das Finanzamt erhöhte die Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters um die
anteilig zu den übernommenen Verbindlichkeiten aufzudeckenden stillen Reserven.
Nach Dafürhalten des BFH ergab sich im vorliegenden Fall jedoch kein Gewinn im
Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, weil der Buchwert des Grundstücks
(1.026.000 Euro) höher als das erzielte Entgelt war. Auch eine Entnahme lag dem
Grunde nach nicht vor. Denn das übertragene Wirtschaftsgut hat das Betriebsvermögen
nicht verlassen, zu dem es vor der Übertragung gehörte (das Betriebsvermögen einer
Personengesellschaft umfasst sowohl das Gesamthandsvermögen als auch das
Sonderbetriebsvermögen). Wechselt ein Wirtschaftsgut durch eine Transaktion von
einem Teil des Betriebsvermögens der Personengesellschaft in einen anderen Teil
desselben Betriebsvermögens, kann der Vorgang folglich nicht als eine Entnahme
angesehen werden. Dies entspricht insoweit ständiger BFH-Rechtsprechung. Denn die
Entnahme setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut den Bereich des Betriebs verlässt. Wird
der betriebliche Funktionszusammenhang aber – wie hier – nicht gelöst, fehlt es an
einer Entnahme. Anders als bei einem von einer einzelnen Person unterhaltenen Betrieb
ist deshalb bei einer Personengesellschaft ein zivilrechtlicher Rechtsträgerwechsel ohne
gleichzeitige Entnahme denkbar. Auch die Anwendung der durch die Verwaltung
vertretenen sog. Trennungstheorie lies der BFH aufgrund der im Streitfall vorliegenden
Gegebenheiten nicht zu.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 19. September 2012 (IV R 11/12), veröffentlicht am 10. Oktober 2012
Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferung
trotz fehlender USt-IdNr. möglich
Zwar kann die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen
Lieferung von der Vorlage der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers
abhängig machen – sie darf sie aber nicht generell verweigern, wenn der Lieferer die
Steuerpflicht des Erwerbers nachweisen kann und glaubhaft macht, dass dieser
bezüglich der fraglichen Lieferung auch als solcher gehandelt hatte.
Der Fall betraf den Verkauf von Maschinen einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft
an eine US-Gesellschaft, die in der EU nicht für Mehrwertsteuerzwecke registriert war.
Die Gegenstände wurden von Deutschland direkt nach Finnland geliefert, die Rechnung
erging unter Angabe der USt-IDNr. des finnischen Unternehmens ohne Mehrwertsteuer.
Das deutsche Finanzamt versagte die Steuerfreiheit, weil die deutsche Gesellschaft nicht
die USt-IDNr. der US-Gesellschaft angegeben hatte. Da der Fall zwei
aufeinanderfolgende Lieferungen betrifft, aber nur eine innergemeinschaftliche
Beförderung durchgeführt wurde, sei es entscheidend – so der Europäische Gerichtshof
(EuGH) – ob letztere tatsächlich der ersten Lieferung zugerechnet werden kann. Dies
war möglich, denn das US-Unternehmen hatte gegenüber dem deutschen Verkäufer vor
der Beförderung der Maschinen nach Finnland erklärt, dass die Gegenstände bereits an
ein finnisches Unternehmen weiterverkauft worden seien.
Der Lieferer muss den Nachweis erbringen, dass die Voraussetzungen für die
innergemeinschaftliche Lieferung zur genauen Erhebung der Mehrwertsteuer im
Empfängerland vorliegen und dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer
Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Er muss ferner hinreichend belegen,
dass der Erwerber ein Steuerpflichtiger ist und bei dem betreffenden Vorgang als solcher
gehandelt hat. Dies alles könne nicht allein von der Einhaltung formeller Pflichten
abhängig gemacht werden, sofern die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Das
deutsche Unternehmen hatte die US-Gesellschaft um deren IDNr. befragt und anstelle
dessen die USt-IDNr. des Zweiterwerbers erhalten. Der Ort, an dem der Erwerber
ansässig ist, ist unbedeutend, denn die Eigenschaft des Empfängers als Steuerpflichtiger,
die Eigentumsübertragung und die physische Verbringung von einem Mitgliedstaaten in
einen anderen sind für die Annahme eines inngemeinschaftlichen Erwerbs allein
ausreichend.
Fundstelle
EuGH-Urteil vom 27. September 2012 (C-587/10), VSTR
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Kein Splittingtarif nach Freizügigkeitsabkommen mit
der Schweiz
Vor dem Europäischen Gerichtshof geht es um die Frage, ob es den Bestimmungen des
Freizügigkeitsabkommens der EG mit der Schweiz entspricht, wenn die deutsche
Finanzverwaltung einem in Deutschland arbeitenden Ehepaar wegen deren
Wohnsitzes in der Schweiz die Anwendung des Splitting-Verfahrens verweigert. Der
Generalanwalt sieht in seinem Plädoyer keinen Verstoß gegen das Abkommen.
Die Eheleute gingen beide in Deutschland einer selbständigen Beschäftigung nach und
galten als Grenzgänger im Sinne des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz. Dieses
Abkommen sieht für diesen Personenkreis die gleichen steuerlichen und sozialen
Vergünstigungen vor, wie für inländische Personen, die einer selbständigen Tätigkeit
nachgehen. Ihren Wohnsitz hatten die Eheleute im August 2007 in die Schweiz verlegt.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für 2008 wählten sie die Zusammenveranlagung
unter Anwendung des Splittingtarifs. Mit Hinweis auf § 1a Abs. 1 EStG lehnte das
Finanzamt dies ab: Zwar erfüllten beide die Voraussetzungen der fiktiven
unbeschränkten Steuerpflicht des § 1 Abs. 3 EStG, aber nicht die Voraussetzungen des §
1a Abs. 1 Nr. 2 EStG (Ehegattensplitting), da sie ihren Wohnsitz außerhalb der EU bzw.
des EWR haben. Für die Anwendung des Splittingtarifs kommt es nicht auf die
Staatsangehörigkeit, sondern auf den Wohnsitz in der EU/EWR an. Der Wohnsitz in der
Schweiz schließe somit das Ehegattensplitting aus.
In seinen Schlussanträgen empfiehlt der Generalanwalt keinen Verstoß des § 1a Abs. 1
Nr. 2 EStG gegen das Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz festzustellen. Er begründet
dies insbesondere damit, dass es nach seinem Wortlaut nur vor Diskriminierungen von
Personen fremder Staatsangehörigkeit schütze: Da die Eheleute als Selbständige in dem
Mitgliedstaat erwerbstätig sind, dessen Staatsangehörige sie sind, stehen ihnen keine
Rechte aus den Bestimmungen dieses Abkommens zu. Der Generalanwalt legt das
Freizügigkeitsabkommen insofern eng aus: Betroffen seien nur Staatsangehörige einer
Vertragspartei, die sich zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Gebiet einer
anderen Vertragspartei niederlassen wollen. Da die Eheleute jedoch deutsche
Staatsangehörige sind und auch hier selbständig tätig sind (wo sie auch der Besteuerung
unterliegen) könne – wörtlich gesprochen – von einer Diskriminierung “seitens der
Behörden einer Vertragspartei gegenüber einem Staatsangehörigen einer anderen
Vertragspartei” keine Rede sein. Der Fall, dass lediglich der Wohnsitz in das
Hoheitsgebiet einer Vertragspartei (hier: die Schweiz) verlegt wird, dort aber nicht die
Ausübung einer selbständigen Tätigkeit beabsichtigt ist, falle nicht in den
Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens.
Fundstelle
EuGH-Schlussanträge vom 18. Oktober 2012 (C-425/11), Ettwein
Erstattung von ausländischer Mehrwertsteuer trotz
dortiger Niederlassung möglich
Wie ist der Begriff der festen Niederlassung, von der aus geschäftliche Umsätze bewirkt
werden, unionsrechtlich auszulegen? Der Europäische Gerichtshof hat jetzt der
beantragten Vorsteuererstattung zweier ausländischer Unternehmer zugestimmt, die
zwar über eine feste Niederlassung in Schweden verfügten, aber dort tatsächlich selbst
keine steuerpflichtigen Lieferungen oder Leistungen ausführten.
Die miteinander verbundenen Rechtssachen betreffen einen deutschen Autohersteller
(C-318/11), der seine Fahrzeuge in Schweden unter winterlichen Bedingungen testete
und eine dänische Gesellschaft mit einer Forschungsabteilung in Stockholm (C-319/11).
Beiden gemeinsam ist die zu klärende Frage, ob einem Mehrwertsteuerpflichtigen, der in
einem anderen Mitgliedstaat selbst keine steuerbaren Umsätze bewirkt, der
Vorsteuerabzug allein wegen Bestehens einer festen Niederlassung verweigert werden
kann.
Der deutsche Autohersteller beschäftigte kein eigenes Personal in Schweden, das
Testpersonal und auch die dabei verwendete technische Ausrüstung wurden speziell für
die Tests eingeflogen. Die notwendigen Räumlichkeiten wurden von seiner schwedischen
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Tochtergesellschaft zur Verfügung gestellt, ebenso die entsprechenden Teststrecken und
andere damit zusammenhängende Dienstleistungen. Sowohl das deutsche als auch das
dänische Unternehmen übten in Schweden selbst keine mehrwertsteuerpflichtige
Tätigkeit aus und hatten bei den dortigen Steuerbehörden die Erstattung der Vorsteuern
beantragt, die sie für dort in Anspruch genommene Leistungen entrichtet hatten. Die
Anträge wurden mit dem Hinweis abgelehnt, die Unternehmen hätten jeweils eine feste
Niederlassung in Schweden, mittels derer sie umsatzsteuerpflichtige Leistungen hätten
ausführen können. Dass dies de facto aber nicht geschah, hielten die Steuerbehörden für
irrelevant.
Der Europäische Gerichtshof vertrat jedoch die gegenteilige Auffassung: Die bloße
Möglichkeit, vom Ort der Niederlassung steuerbare Umsätze ausführen zu können
genügt nicht. Für den Ausschluss eines Mehrwertsteuererstattungsanspruchs müssen
steuerbare Umsätze auch tatsächlich bewirkt werden. Diese Auslegung, so der EuGH,
entspreche dem Ziel der anwendbaren EU-Richtlinien, nämlich dem Steuerpflichtigen
die Möglichkeit einer Erstattung der entrichteten Vorsteuer einzuräumen, wenn er
mangels von ihm bewirkter steuerbarer Umsätze im Mitgliedstaat der Erstattung diese
Vorsteuer nicht von geschuldeter Mehrwertsteuer abziehen kann. Im Falle des deutschen
Autohersteller werde dieses Ergebnis auch nicht durch dessen schwedische
Tochtergesellschaft in Frage gestellt, so der EuGH abschließend, deren Zweck habe
nämlich nahezu ausschließlich darin bestanden, verschiedene Dienstleistungen im
Zusammenhang mit den durchgeführten Test zu erbringen.
Fundstelle
EuGH-Urteil vom 25. Oktober 2012 (verbundene Rechtssachen C-318/11 und C-319/11),
Daimler AG/Widex A/S
EuGH zur Vorsteueraufteilung nach Umsätzen
Der Europäische Gerichtshof hält es grundsätzlich für denkbar, dass bei Aufteilung der
Vorsteuern auch ein anderer als der unionsrechtlich in Artikel 17 Abs. 5 der Sechsten
Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Umsatzschlüssel angewendet werden darf, hat
dies allerdings an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und die nationalen Gerichte in
die Pflicht genommen.
Der EuGH hatte über die Frage des Aufteilungsschlüssels der bei Errichtung eines
Gebäudes für Geschäfts- und private Wohnzwecke angefallenen Vorsteuern zu befinden.
Ausgangspunkt war eine Vorlage des Bundesfinanzhofes aus dem Jahr 2010. Als
Aufteilungsmaßstab käme einerseits ein Flächenschlüssel, nach der bisherigen
Rechtsprechung des BFH aber auch die für Steuerpflichtige oft günstigere Höhe der
Mietumsätze (Umsatzschlüssel) in Frage. Ab 2004 darf eine Aufteilung nach dem
Umsatzschlüssel aber nur noch dann erfolgen, wenn keine andere wirtschaftliche
Zurechnung möglich ist. Da bei Gebäuden eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel
stets eine wirtschaftliche Zurechnung ermöglicht, ist eine Anwendung des
Umsatzschlüssels de facto ausgeschlossen.
Gemeinschaftsrechtlich ist der Umsatzsteuerschlüssel als Regelaufteilungsmethode
vorgesehen. Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 der Sechsten
EG-Richtlinie zwar nationale Regelungen treffen, welche die Anwendbarkeit dieser
Methode einschränken. Unklar bleibe aber, so der BFH in seiner Vorlagefrage, ob die
Einschränkungen, die der deutsche Gesetzgeber getroffen hat, nicht zu weit gehen. Die
Finanzverwaltung hat sich bislang darauf berufen, der deutsche Gesetzgeber habe von
seiner Ermächtigung Gebrauch gemacht und statt des Umsatzschlüssels andere
Aufteilungsmethoden vorgezogen. Die Vorlagefrage des BFH erklärt sich u.a. vor dem
Hintergrund, dass das oberste Steuergericht in seinen Entscheidungen immer wieder die
Auffassung vertritt, dass der Umsatzschlüssel ein sachgerechter, wirtschaftlicher
Zuordnungsmaßstab sei.
Der EuGH schloss jetzt in seinem Urteil Ausnahmen von dem Umsatzschlüssel nicht
kategorisch aus. Tenor: Die Sechste Richtlinie verbietet es nicht, dass die Mitgliedstaaten
eine andere Aufteilungsmethode oder einen anderen Aufteilungsschlüssel als die
Umsatzmethode, namentlich die im Vorlageverfahren in Rede stehende
Flächenmethode, anwenden – vorausgesetzt, die herangezogene Methode gewährleistet
eine genauere Bestimmung des Pro-rata-Satzes. Sofern sich also eine präzisere Methode
zur Bestimmung des zulässigen Vorsteuerabzugs ergibt, die durch eine größere
steuern+recht aktuell – Ausgabe 6, November 2012
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Genauigkeit u.a. dem Ziel der Neutralität der Mehrwertsteuer näher kommt, sei diese
nicht generell auszuschließen. Aber es müsse klar sein, das dies keine automatische Wahl
sei, sondern der Pro-rata-Satz des Umsatzvolumens stets die primäre Option sei. Als
problematisch könnte es sich allerdings darstellen, dass die deutsche Vorschrift aus dem
Umsatzkriterium eine allerletzte, subsidiäre Option macht, die nur dann anwendbar ist,
wenn eine andere wirtschaftliche Zurechnung der für dieselben Umsätze genutzten
Gegenstände und Dienstleistungen nicht möglich ist. Nun liegt der Ball aber zunächst
wieder im Garten der Münchener Steuerrichter in der Ismaninger Straße: Es sei nämlich,
so der EuGH, Aufgabe des nationalen Gerichts festzustellen, inwieweit die zuvor
erwähnten Ausnahmevoraussetzungen vorliegen.
Fundstelle
EuGH-Urteil vom 8. November 2012 (C-511/10), BLC Baumarkt
Weitere Steuernachrichten finden Sie auch unter
http://blogs.pwc.de/steuern-und-recht/
Gesellschafter-Geschäftsführer: Gestaltungsspielräume
bei bestehenden Pensionszusagen
Eine Vielzahl von Gründen führt bei Gesellschafter Geschäftsführern (GGF) einer
Kapitalgesellschaft zu dem Wunsch nach Veränderung oder Aufkündigung einer in der
Vergangenheit sich selbst erteilten Pensionszusage. Vor allem die Finanzierung der
Versorgungsversprechen gestaltet sich in praxi häufig problematischer als ursprünglich
kalkuliert. Aufgrund der andauernden Niedrigzinsphase können viele
Finanzintermediäre die erhoffte Wertentwicklung sicherer Kapitalanlagen nicht erfüllen;
zusätzlich steigt der Kapitalbedarf für eine lebenslange Versorgungsleistung durch die
wachsende Lebenserwartung kontinuierlich an. Aber auch die Planung der
Unternehmensnachfolge oder nachteilige Bedingungen bei der Kreditaufnahme können
der Grund für eine detailliertere Auseinandersetzung mit der GGF-Versorgung sein. Der
vollständige oder zumindest teilweise Verzicht auf die Pensionszusage erscheint
zuweilen als verlockende Option – allerdings sollten deren steuerliche Folgen vorab auf
den Prüfstand gestellt werden. Mehr zu diesem Thema lesen Sie unter
http://blogs.pwc.de/steuern-und-recht/2012/11/12/gesellschafter-geschaftsfuhrergestaltungsspielraume-bei-bestehenden-pensionszusagen/
Dauernde Wertminderung bei festverzinslichen
Wertpapieren im Umlaufvermögen
Mit seinem Schreiben vom 10. September 2012 schließt sich das
Bundesfinanzministerium der vom Bundesfinanzhof geäußerten Ansicht an, nach der
eine Teilwertabschreibung bei festverzinslichen Wertpapieren unzulässig ist, wenn mit
der Einlösung zum Fälligkeitszeitpunkt zu rechnen ist. – Die Gründe für den Wechsel
und die Begründungen des Berliner Ministeriums kommentiert Prof. Dr. Jörg Mössner
unter http://blogs.pwc.de/steuern-und-recht/2012/11/12/dauernde-wertminderungbei-festverzinslichen-wertpapieren-im-umlaufvermogen/
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