Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis

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Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis
DOI 10.1515/jura-2014-0005
Juristische Ausbildung 2014(1): 28–33
Grundstudium ZR
Prof. Dr. Klaus Schreiber
Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis
Klaus Schreiber: Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für
Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht an der
Ruhr-Universität Bochum und Mitherausgeber dieser Zeitschrift.
Das Schuldversprechen und das Schuldanerkenntnis werden
in der juristischen Ausbildung häufig stiefmütterlich behandelt. Allerdings weisen beide Rechtsinstitute durchaus einige
wichtige Merkmale auf, deren Verständnis auch für andere
Bereiche des Zivilrechts hilfreich sein kann. In diesem Beitrag soll ein erster Überblick über Schuldversprechen und
Schuldanerkenntnis verschafft und ihre Bedeutung näher
betrachtet werden.
I. Allgemeines
Das Schuldversprechen ist legaldefiniert in § 780 BGB, das
Schuldanerkenntnis in § 781 BGB. Demnach handelt es
sich um ein Schuldversprechen bei einem Vertrag, durch
den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das
Versprechen die Verpflichtung selbstständig begründen
soll. Ein Schuldversprechen liegt dagegen vor, wenn in
einem Vertrag das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird.
1. Schuldversprechen und
Schuldanerkenntnis als vom
Kausalgeschäft abstrakte Schuldverträge
Nach der Konzeption des BGB können Rechtsgeschäfte
kausaler oder aber abstrakter Natur sein1. Im Rahmen
eines Zuwendungsgeschäfts etwa zeichnet sich das kausale Rechtsgeschäft dadurch aus, dass es den mit der Zuwendung von den Vertragsparteien verfolgten Zweck, die sogenannte causa, als Teil der vertraglichen Einigung
enthält2. Beispiele für ein kausales Rechtsgeschäft sind der
Kauf- (§ 433 BGB) oder Schenkungsvertrag (§ 516 BGB). Ein
kausales Rechtsgeschäft liegt folglich dann vor, wenn der
Grund der Leistung, also der mit dieser verfolgte Zweck,
Teil seines Inhalts wird3. Dagegen handelt es sich um ein
abstraktes Rechtsgeschäft, wenn der Grund der Leistung
gerade nicht zum Inhalt des Rechtsgeschäfts geworden
ist4.
Beispiel 1: A und B schließen einen Kaufvertrag über ein Auto,
das dem B daraufhin übereignet wird. Kurze Zeit später ficht A
den Kaufvertrag wirksam an.
Mängel des Erwerbs- oder auch Zuwendungsgrundes wirken sich
regelmäßig nicht auf das abstrakte Rechtsgeschäft aus.
Daher bleibt B in Beispiel 1 trotz unwirksamen Kaufvertrags
zunächst Eigentümer des Autos. Rechtsgrund für die Zuwendung
sollte der zunächst zwischen A und B geschlossene Kaufvertrag
sein. Dieser wurde jedoch gerade nicht Bestandteil der nach
§ 929 S. 1 BGB notwendigen Einigung. Bei dieser geht es einzig
und allein um die Eigentumsübertragung der Sache.
Schuldverträge sind häufig kausaler Natur5. Ihre causa ist
die Vereinbarung der vertragschließenden Parteien über
den Zweck der mit dem Schuldvertrag begründeten Verbindlichkeit6. Von diesem Grundsatz macht das BGB jedoch in den §§ 780, 781 BGB eine wichtige Ausnahme.
Hier wird die Möglichkeit der Begründung von abstrakten
Schuldverträgen in der Form des Schuldversprechens
und des Schuldanerkenntnisses eröffnet. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie aufgrund ihrer Abstraktion unabhängig von dem zugrundeliegenden Kausalverhältnis
und dessen Wirksamkeit oder Unwirksamkeit die Forderung, die versprochen oder anerkannt wurde, entstehen
lassen7.
3 MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 1; Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 780–782 Rdn. 1.
4 Bamberger/Roth/Gehrlein, § 780 Rdn. 2; Boecken, BGB-Allgemeiner
Teil, 2. Aufl. 2011, Rdn. 11; MünchKomm-BGB/Habersack, § 780
Rdn. 1.
5 Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl. 2010, Rdn. 212.
6 Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 780–782 Rdn. 2.
7 Emmerich, BGB-Schuldrecht Besonderer Teil, 13. Aufl. 2012, § 15
Rdn. 10; Gursky, Schuldrecht Besonderer Teil, 5. Aufl. 2005, S. 176;
Looschelders, Schuldrecht Besonderer Teil, 8. Aufl. 2013, Rdn. 999;
HK-BGB/Staudinger Bürgerliches Gesetzbuch, 7. Aufl. 2012, §§ 780,
781 Rdn. 1.
 
 
1 Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, Band 2, 3. Aufl. 2012, § 780 Rdn. 2;
MünchKomm-BGB/Habersack, Band 5, 6. Aufl. 2013, § 780 Rdn. 1.
2 Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl 2013, Überblick vor § 104 Rn. 20;
Staudinger/Marburger, BGB, Neubearbeitung 2009, Vorbem zu
§§ 780–782 Rdn. 1.
 
 
 
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2. Unterschiede
Das abstrakte Schuldversprechen ist in § 780 BGB normiert, das abstrakte Schuldanerkenntnis in § 781 BGB.
Beispiel 2: A und B schließen einen Darlehensvertrag über
5.000,– €. Als das Darlehen später fällig wird, gerät B in Zahlungsschwierigkeiten und bittet A um Zahlungsaufschub. Dieser
ist dazu bereit, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass B
schriftlich anerkennt, dem A 5.000,– € zu schulden.
29
vertrag begründete Verpflichtung selbstständig übernommen werden soll. Ferner müssen Versprechen und Anerkenntnis in schriftlicher Form erteilt werden.
a) Der Vertrag
 
 
Ob eine Leistung versprochen oder anerkannt wird, unterliegt häufig nur dem Zufall oder der vom Schuldner gewählten Ausdrucksform. Der Sache nach unterscheiden
sich abstraktes Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis hingegen nicht8.
In Beispiel 2 ist es für A unerheblich, ob B verspricht, 5.000,– €
zu zahlen, oder anerkennt, 5.000,– € zu schulden. In beiden
Fällen wird dem Begehren des A Genüge getan, eine neue Grundlage für die Zahlungsverpflichtung des B zu schaffen.
 
 
Eine Abgrenzung zwischen Schuldanerkenntnis und
Schuldversprechen erübrigt sich dementsprechend, sodass in der juristischen Prüfung sogar auf die §§ 780, 781
BGB als einheitliche und gemeinsame Anspruchsgrundlage verwiesen werden kann9.
Bei dem abstrakten Schuldvertrag handelt es sich um
einen einseitig verpflichtenden Vertrag11. Er entsteht durch
Antrag und Annahme, sodass sich dessen Zustandekommen nach den allgemeinen Vorschriften richtet (§§ 104 ff.,
145 ff.)12.
In dem Vertragsschluss liegt der wesentliche Unterschied zum gesetzlich nicht geregelten einseitigen Schuldanerkenntnis. Da der Versprechende oder Anerkennende
bei diesem gerade nicht den Willen aufweist, eine eigenständige Verpflichtung zu begründen und sich rechtsgeschäftlich zu binden, fehlt es an dem nach den §§ 780,
781 BGB erforderlichen Vertragsschluss13. Zu berücksichtigen ist ein solches einseitiges Anerkenntnis jedoch regelmäßig bei der Beweiswürdigung im Prozess sowie bei der
Bestimmung des Beginns der Verjährung (§ 212 Abs. 1 Nr. 1
BGB)14.
 
 
b) Vertragsgegenstand
II. Der abstrakte Schuldvertrag
nach §§ 780, 781 BGB
Nach dem bisher Erörterten handelt es sich sowohl bei
dem abstrakten Schuldversprechen als auch bei dem abstrakten Schuldanerkenntnis um vom Kausalverhältnis
abstrakte Schuldverträge. Da sie sich hinsichtlich ihrer
Voraussetzungen und ihrer Rechtsfolgen nicht unterscheiden10, sollen sie im Weiteren auch in diesem Beitrag gemeinsam dargestellt werden.
Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis werden in
der Praxis regelmäßig darauf gerichtet sein, dem Gläubiger eine bestimmte Summe an Geld zu zahlen. Doch
erschöpfen sich die möglichen Vertragsgegenstände darin nicht. Tauglicher Gegenstand des abstrakten Schuldvertrages ist vielmehr jede Leistung, die auch Leistung
eines beliebigen Schuldverhältnisses im Sinne des § 241
Abs. 1 BGB sein kann15. So können die Vertragspartner
beispielsweise vereinbaren, zu Gunsten eines Dritten16
oder auf eine fremde Schuld17 zu leisten. Möglich ist auch
11 Brox/Walker, § 33 Rdn. 13; Jauernig/Stadler, BGB, 14. Aufl. 2011,
§§ 780, 781 Rdn. 6; MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 14; HKBGB/Staudinger, §§ 780, 781 Rdn. 1.
12 Vgl. dazu etwa BGH NJW 1987, 2014; OLG Schleswig NJW 2005,
225 ff.; s. ferner u. bei Fn. 33.
13 Emmerich, § 15 Rdn. 2; Looschelders, Rdn. 1006; Palandt/Sprau,
§ 781 Rdn. 6.
14 BGHZ 66, 250, 254 f.; BGH WM 1974, 410 f.; Emmerich, § 15 Rdn. 2;
Gursky, S. 179; Palandt/Sprau, § 781 Rdn. 6.
15 OLG Köln, NJW-RR 2004, 1081; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781
Rdn. 6; MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 13; Palandt/Sprau,
§ 780 Rdn. 2.
16 RGZ 123, 228, 229.
17 BGH VersR 2008, 95, 96.
 
1. Voraussetzungen
Bereits nach dem Wortlaut der §§ 780, 781 BGB setzen
Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis einen Vertrag
voraus, der erkennen lässt, dass die mit diesem Schuld-
 
 
8 Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 37. Auf. 2013, Rdn. 13; Emmerich, § 15 Rdn. 1; MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 3; Palandt/Sprau, § 780 Rdn. 1.
9 Looschelders, Rdn. 997.
10 Brox/Walker, § 33 Rdn. 13; Looschelders, Rdn. 997.
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die Begründung einer Verpflichtung, die bereits Gegenstand eines gegenseitigen Vertrages zwischen Gläubiger
und Schuldner ist18. Zu beachten ist dabei allerdings,
dass Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis aufgrund ihrer Natur als einseitig verpflichtende Verträge
nicht auf eine Leistung Zug um Zug (§ 320 ff. BGB) ausgerichtet sein können19. Möglich ist jedoch, die abstrakte
Verpflichtung von der aufschiebenden Bedingung nach
§ 158 Abs. 1 BGB abhängig zu machen, dass der andere
Teil seinerseits die Gegenleistung aus dem Kausalverhältnis erbringt20.
 
c) Abstraktion der Leistungspflicht
§ 780 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Vertrag die Leistungspflicht selbstständig begründen soll. Die Selbstständigkeit
wird zwar ausdrücklich lediglich in § 780 BGB genannt.
Aufgrund des gemeinsamen Regelungsgehalts der §§ 780,
781 BGB ist es jedoch allgemein anerkannt, dass das
Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB die Leistungspflicht
des Anerkennenden ebenfalls selbstständig begründet21.
Weitere wesentliche Voraussetzung für beide Verträge ist
mithin, dass die Parteien mit dem Schuldvertrag einen
neuen und selbstständigen Anspruch begründen wollen,
auf den sich der Gläubiger unabhängig vom Kausalverhältnis berufen kann.
Ob ein solcher Abstraktionswille vorliegt, ist häufig
schwierig festzustellen.
Beispiel 3: A schuldet B aus einem Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB)
1.000,– €. Da A nicht zahlen kann, droht B mit einer Klage, es sei
denn, A erkenne die Schuld schriftlich an. A fertigt daher ein
Schriftstück mit folgendem Inhalt an: »Ich, A, erkenne an, dass
ich dem B 1.000,– € aus einem Dienstvertrag schulde.«. Dabei
sind sich beide einig, dass dadurch unabhängig vom Dienstvertrag eine neue Forderung des B begründet werden soll. B nimmt
dieses Schriftstück entgegen und ist zufrieden.
 
 
 
Ein Anhaltspunkt, um einen möglichen Abstraktionswillen der Parteien festzustellen, kann die äußere Form der
Erklärung darstellen. So kann etwa die Nennung des Kausalverhältnisses in der Schuldurkunde darauf hinweisen,
18 RGZ 108, 105, 107; MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 14.
19 RGZ 108, 105, 107; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 6 f.; Palandt/
Sprau, § 780 Rdn. 2.
20 BGHZ 124, 263, 269; Staudinger/Marburger, § 780 Rdn. 3.
21 Emmerich, § 15 Rdn. 7; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 4;
MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 4.
 
dass ein abstrakter Schuldvertrag von den Parteien nicht
gewollt wird22. Das ist jedoch allenfalls ein schwaches
Indiz. Maßgeblich sind vielmehr der von den Parteien mit
Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis bezweckte
Erfolg, die Interessenlage sowie die Umstände des Einzelfalles23. Ein solcher Abstraktionswille kann daher immer
nur dann angenommen werden, wenn die Abstraktion des
Schuldvertrags erforderlich ist, um den von den Parteien
angestrebten Erfolg herbeizuführen24. Anzunehmen ist das
beispielsweise in denjenigen Fällen, in denen durch den
Abschluss eines solchen abstrakten Schuldvertrags dem
Gläubiger die Rechtsverfolgung erleichtert werden soll,
indem er aufgrund eines neuen Anspruchs von seiner prozessualen Darlegungs- und Beweispflicht hinsichtlich seines alten Anspruchs aus dem Kausalverhältnis befreit
wird25.
Für Beispiel 3 bedeutet dies, dass ein abstrakter Schuldvertrag
vorliegt. A und B sind sich darüber einig gewesen, dass unabhängig vom Dienstvertrag ein neuer Anspruch des B begründet werden sollte.
d) Formbedürftigkeit
Weitere Wirksamkeitsvoraussetzung des abstrakten
Schuldvertrages ist nach §§ 780 S. 1, 781 S. 1 BGB die Erteilung des Versprechens oder Anerkenntnisses in schriftlicher Form (§ 126 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist folglich die
eigenhändige Unterschrift des Urkundenausstellers. Das
Schriftformerfordernis erstreckt sich dabei lediglich auf
die Erklärung des Schuldners, nicht hingegen auf die Erklärung des Gläubigers26.
Der Zweck des Schriftformerfordernisses besteht einerseits darin, Rechtssicherheit zu schaffen, indem die
schriftliche Erklärung als Beweisgrundlage herangezogen
werden kann27. Ob die angeordnete Schriftform darüber
hinaus den Schutz des Schuldners vor Übereilung be-
22 BGH NJW 2002, 1791, 1792; Brox/Walker, § 33 Rdn. 23; Looschelders, Rdn. 1005; Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 780–782
Rdn. 12.
23 BGH NJW-RR 1995, 1391; MünchKomm-BGB/Habersack, § 780
Rdn. 18; Palandt/Sprau, § 780 Rdn. 4.
24 Hefermehl, Festschrift für Lehmann (1956), S. 557, 560; HK-BGB/
Staudinger, §§ 780, 781 Rdn. 2; Staudinger/Marburger, § 780 Rdn. 6.
25 Vgl. dazu etwa BGH NJW 1976, 567.
26 RGZ 98, 124, 127; OLG Koblenz NJW-RR 2010, 861; Bamberger/
Roth/Gehrlein, § 780 Rdn. 16; Looschelders, Rdn. 1002.
27 BGHZ 121, 1, 4; Palandt/Sprau, § 780 Rdn. 4; Staudinger/Marburger, § 780 Rdn. 7.
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zweckt, wird nicht einheitlich beantwortet28. Allerdings
zeigt der Ausschluss der elektronischen Form nach §§ 780
S. 2, 781 S. 2 BGB durch das Gesetz zur Anpassung der
Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften
an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr29, dass der heutige Gesetzgeber der Schriftform zusätzlich diesen Übereilungsschutz zukommen lässt.
Von der vorgeschriebenen Form macht das Gesetz
jedoch in zwei Fällen wichtige Ausnahmen: Zum einen ist
die Erteilung in schriftlicher Form gemäß § 350 HGB dann
entbehrlich, wenn Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis für den Schuldner ein Handelsgeschäft (§ 343
HGB) darstellen. Dadurch wird dem Bedürfnis im Handelsverkehr Rechnung getragen, das Handelgeschäft einfach
und zügig abzuwickeln30. Zum anderen bedarf es nach
§ 782 BGB der Schriftform auch dann nicht, wenn der abstrakte Schuldvertrag aufgrund einer Abrechnung oder
eines Vergleichs abgeschlossen wird. Denn in diesem Falle
kommt der Verpflichtungswille des Schuldners bereits
durch die Abrechnung oder den Vergleich hinreichend
zum Ausdruck31.
Schreiben bestimmte Vorschriften jedoch eine andere
Form vor, so ordnet § 780 S. 1 BGB bzw. § 781 S. 3 BGB an,
dass die Erklärung des Schuldners in der vom Gesetz in
diesen Fällen vorgeschriebenen Form erteilt werden muss.
Zu beachten ist hier insbesondere die notarielle Beurkundung. So bedarf nach § 518 Abs. 1 S. 2 BGB das schenkweise erteilte abstrakte Schuldversprechen oder -anerkenntnis der notariellen Beurkundung. Hat der abstrakte
Schuldvertrag die Übereignung eines Grundstücks zum
Gegenstand, ist nach § 311 b Abs. 1 BGB ebenfalls die Form
der notariellen Beurkundung einzuhalten. In diesem Falle
erstreckt sich die Formbedürftigkeit jedoch nicht nur auf
die Erklärung des Schuldners, sondern auch auf die des
Gläubigers32.
 
2. Wirksamkeitsmängel
Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis treten regelmäßig in Konstellationen auf, in denen zwischen Schuld28 Dafür Dehn, WM 1993, 2116 ff.; HK-BGB/Staudinger, §§ 780, 781
Rdn. 3; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 8; Looschelders, Rdn. 1002;
vgl. ferner ausdrücklich die Begründung des Gesetzgebers in BTDrucks. 14/4987, S. 22; dagegen BGHZ 121, 1, 4 m. w. N.; MünchKommBGB/Habersack, § 780 Rdn. 21; Staudinger/Marburger, § 780 Rdn. 7.
29 BGBl 2001 I S. 1542.
30 Koller/Roth/Morck/Roth, § 350 Rdn. 1, HGB, 7. Aufl. 2011.
31 HK-BGB/Staudinger, §§ 782 Rdn. 1; Jauernig/Stadler, § 782 Rdn. 1.
32 Bamberger/Roth/Gehrlein, § 780 Rdn. 17; Staudinger/Marburger,
§ 780 Rdn. 11.
 
 
 
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ner und Gläubiger neben diesen abstrakten Schuldverträgen noch ein anderes Schuldverhältnis in Form eines
Kausalgeschäfts (beispielsweise eines Kaufvertrages) besteht. Denkbar sind daher sowohl Wirksamkeitsmängel
beim Kausalgeschäft als auch beim abstrakten Schuldvertrag nach den §§ 780, 781 BGB.
a) Wirksamkeitsmängel des abstrakten Schuldvertrages
Da es sich beim abstrakten Schuldversprechen und
Schuldanerkenntnis um Verträge handelt, unterliegen diese den für Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte allgemein geltenden Vorschriften33. Insbesondere kommen
hier Unwirksamkeitsgründe wegen Formfehlern (§ 125
BGB) oder Anfechtung (§§ 142 f., 119 ff. BGB) in Betracht.
Irrt der Versprechende oder Anerkennende bei Erteilung
seiner Erklärung über den Bestand oder Inhalt des Kausalverhältnisses, stellt dies jedoch keinen Anfechtungsgrund
dar. Hierbei handelt es sich nämlich lediglich um einen
von § 119 Abs. 2 BGB nicht erfassten Motivirrtum34.
 
 
b) Wirksamkeitsmängel des Kausalgeschäfts
Auch die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts bemisst sich
nach den für Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte allgemein geltenden Regeln. Von besonderer Bedeutung ist
jedoch die Frage, ob sich in bestimmten Fällen Mängel des
Kausalgeschäftes auch auf den abstrakten Schuldvertrag
erstrecken können.
Beispiel 4: B droht A mit einer Klage, da dieser eine fällige
Forderung des B aus einem zuvor geschlossenen Kaufvertrag
nicht begleichen kann. B fordert A auf, ein schriftliches abstraktes Schuldanerkenntnis abzugeben. Um B zu beschwichtigen,
erkennt A die Schuld an. Es stellt sich jedoch heraus, dass der
Kaufvertrag zwischen A und B nach § 138 I BGB nichtig ist. A
möchte wissen, welche Auswirkungen dieser Umstand auf das
abstrakte Schuldanerkenntnis hat.
Der Schuldvertrag nach den §§ 780, 781 BGB ist gegenüber
dem Kausalverhältnis abstrakt. Das hat zur Folge, dass
Mängel des Kausalverhältnisses auf den Bestand des abstrakten Schuldvertrages prinzipiell keinen Einfluss haben.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob von dem Grundsatz nicht
dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn dem Kausal-
 
33 S. o. bei Fn.12.
34 Bamberger/Roth/Gehrlein, § 780 Rdn. 20; MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 50.
 
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verhältnis selbst ein Mangel nach § 134 BGB oder § 138
BGB anhaftet. Einerseits wird vertreten, dass die Nichtigkeit des Kausalgeschäftes nicht auch die Nichtigkeit des
abstrakten Schuldvertrages nach sich ziehe35. Begründet
wird diese Ansicht mit der Abstraktion des Schuldvertrages sowie mit einem Verweis auf § 817 S. 2 BGB. Da dieser
den Ausschluss der Kondiktionssperre bei beiderseitigem
Verstoß nach § 134 BGB oder § 138 BGB statuiert, müsse
die abstrakte Verbindlichkeit ihrerseits nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften kondizierbar und könne
dementsprechend nicht nichtig sein36. Andererseits wird
die Ansicht vertreten, die eine Durchbrechung der Abstraktion für diese Fälle bejaht37. Verwiesen wird unter anderem auf die Vorschriften der §§ 656 Abs. 2, 762 Abs. 2
BGB, die in diesen Fällen eine Ausnahme vom Grundsatz
der Abstraktion von Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis zulassen. Lehnt man mit der ersten Ansicht eine
Durchbrechung der Abstraktion ab, verbleibt dem Schuldner jedoch regelmäßig die Möglichkeit, einen Ausgleich
über das Bereicherungsrecht herbeizuführen. § 812 Abs. 2
BGB stellt insoweit klar, dass auch Schuldversprechen und
Schuldanerkenntnis mögliche kondizierbare Leistungen
darstellen.
3. Rechtsfolgen
Schließen Schuldner und Gläubiger einen abstrakten
Schuldvertrag, erhält der Gläubiger neben der Forderung
aus dem Kausalgeschäft eine neue, eigenständige Forderung. Dementsprechend stellt sich in derartigen Fallkonstellationen regelmäßig die Frage, in welchem Verhältnis
die beiden Forderungen zueinander stehen. Denkbar sind
hier vor allem zwei Konstellationen:
Zum einen kann die Forderung aus dem Schuldvertrag
schuldverstärkend neben die Forderung aus dem Kausalgeschäft treten. Dies wird im Zweifel anzunehmen sein, da
das Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis in der
Regel nach § 364 Abs. 2 BGB erfüllungshalber abgegeben
wird38. Vereinbaren die Parteien eine solche Schuldverstärkung, stehen dem Gläubiger zwar zwei eigenständige
Forderungen zu. Dennoch kann er lediglich einmal Erfül-
35 RGZ 63, 179, 185 ff.; 86, 301, 303; BGH WM 1976, 907, 909; Looschelders, Rdn. 1000; Palandt/Sprau, § 780 Rdn. 9.
36 Vgl. dazu bereits Fn. 34.
37 Brox/Walker, § 33 Rdn. 19; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 13;
MünchKomm-BGB/Habersack, § 780 Rdn. 53; Staudinger/Marburger,
§ 780 Rdn. 22.
38 BGH NJW-RR 1999, 573 f.; LG Bonn NJW-RR 1999, 50; Fischer,
JuS 1999, 998, 999; HK-BGB/Staudinger, §§ 780, 781 Rdn. 4.
 
 
lung verlangen39. Mit der Leistung auf eine der beiden
Forderungen erlischt gleichzeitig die andere Forderung40.
Möglich ist jedoch auch, dass die Forderung aus dem
Kausalverhältnis durch die neue Forderung ersetzt werden
soll. In diesen Fällen spricht man von Schuldersetzung
oder Novation41.
Hinsichtlich der Verjährungsfrist ist zu beachten, dass
mit Abschluss des abstrakten Schuldvertrages die Verjährung des Anspruchs aus dem Kausalverhältnis nach § 212
Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut beginnt42. Die Verjährung des Anspruchs aus dem Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis bemisst sich dagegen nach der regelmäßigen
Verjährungsfrist des § 195 BGB43.
III. Das kausale
Schuldanerkenntnis
Vom abstrakten Schuldanerkenntnis zu unterscheiden
ist das kausale oder auch deklaratorische Schuldanerkenntnis. Dieses kennzeichnet sich dadurch, dass es im
Gegensatz zum abstrakten Schuldvertrag gerade nicht die
Begründung eines neuen, eigenständigen Anspruchs bezweckt, sondern lediglich Klarheit über ein bereits bestehendes Schuldverhältnis schaffen soll44.
1. Voraussetzungen
Voraussetzung für ein wirksames kausales Schuldanerkenntnis ist zunächst ebenfalls ein Vertragsschluss45. Da
die Vorschriften der §§ 780, 781 BGB weder direkt noch
analog anwendbar sind, ist bei Abschluss des Vertrages
keine besondere Form zu beachten46.
39 Bamberger/Roth/Gehrlein, § 780 Rdn. 19; HK-BGB/Staudinger
§§ 780, 781 Rdn. 4; Staudinger/Marburger, § 780 Rdn. 16.
40 Palandt/Sprau, § 780 Rdn. 7; HK-BGB/Staudinger, §§ 780, 781
Rdn. 4.
41 Brox/Walker, § 33 Rdn. 18; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 10.
42 HK-BGB/Staudinger, §§ 780, 781 Rdn. 7; Staudinger/Marburger,
§ 780 Rdn. 17.
43 Bamberger/Roth/Gehrlein, § 780 Rdn. 23; HK-BGB/Staudinger,
§§ 780, 781 Rdn. 7; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 10.
44 BGH NJW 1995, 960, 961; Brox/Walker, § 33 Rdn. 18; Emmerich,
§ 15 Rdn. 4; Looschelders, Rdn. 1003.
45 BGH NJW-RR 2007, 530; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 781 Rdn. 7;
Palandt/Sprau, § 781 Rdn. 3; Staudinger/Marburger, § 781 Rdn. 9.
46 Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 10; Palandt/Sprau, § 781 Rdn. 4;
Wilckens, AcP 163, 137, 143 ff.; aA Pawlowski, JZ 1968, 401, 404.
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Das kausale oder deklaratorische Schuldanerkenntnis
dient dazu, Streit oder Ungewissheit der Parteien über das
Schuldverhältnis zu beseitigen, insofern Klarheit über dessen Bestand oder einzelnen Punkte zu schaffen und dessen
Inhalt verbindlich festzulegen50. Dies wird erreicht, indem
der Schuldner regelmäßig auf diejenigen Einwendungen
und Einreden verzichtet, die ihm bei Abgabe seiner Erklärung bekannt sind oder mit denen er zumindest hätte
rechnen müssen51. Ein Verzicht auf dem Schuldner unbekannte oder zukünftige Einwendungen und Einreden ist
zwar möglich, wird aber aufgrund der weitreichenden Wirkungen nur in denjenigen Fällen anzunehmen sein, in
denen die Erklärung des Schuldners eine solche Erweiterung unmissverständlich zum Ausdruck bringt52.
Durch das kausale Schuldanerkenntnis ändert sich
die für das zugrundeliegende Schuldverhältnis maßgebliche Verjährungsfrist nicht. Es führt nach § 212 Abs. 1 Nr. 1
BGB jedoch zum Neubeginn der Verjährung.
47 BGH NJW 1995, 960, 961; 1995, 3311, 3312; 1999, 2661; NJW-RR
2007, 530; Emmerich, § 15 Rdn. 8; Palandt/Sprau, § 781 Rdn. 3.
48 BGH NJW 1980, 1158 f.; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 781 Rdn. 9;
MünchKomm-BGB/Habersack, § 781 Rdn. 3.
49 Brox/Walker, § 33 Rdn. 22; Jauernig/Stadler, §§ 780, 781 Rdn. 17,
19; Palandt/Sprau, § 781 Rdn. 3.
50 Palandt/Sprau, § 780 Rdn. 7; HK-BGB/Staudinger, §§ 780, 781
Rdn. 4.
51 BGH NJW 1984, 799; NJW-RR 1987, 43, 44; Brox/Walker, § 33
Rdn. 22; Gursky, S. 179; Looschelders, Rdn. 1004.
52 BGH NJW 1971, 2220; Bamberger/Roth/Gehrlein, § 781 Rdn. 11; HKBGB/Staudinger, §§ 780, 781 Rdn. 8.
Weiterhin ist notwendig, dass zwischen den vertragschließenden Parteien hinsichtlich des Schuldverhältnisses Streit oder Ungewissheit über dessen Bestehen insgesamt oder über einzelne Punkte bestehen47. Insoweit
müssen beide Parteien zumindest vom Bestehen eines
Schuldverhältnisses ausgehen oder dieses jedenfalls für
möglich halten48. Besteht ein solches Schuldverhältnis jedoch nicht, kann auch das kausale Schuldanerkenntnis im
Hinblick auf die Forderung konstitutive Wirkungen entfalten49.
2. Wirkungen
 
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Heruntergeladen am | 17.01.15 11:59