Eine neue Heldin befreit das All vom Terror Star Wars

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Eine neue Heldin befreit das All vom Terror Star Wars
Kino
14
NUMMER 291
DONNERSTAG, 17. DEZEMBER 2015
Film-Geflüster
Erster Trailer zum neuen
„Independence Day“
20 Jahre nach Roland Emmerichs
Hit „Independence Day“ kommt
eine Fortsetzung in die Kinos, und
jetzt sind auch ein paar Einzelheiten bekannt. Zum Beispiel, dass viele der Stars des ersten Films mit
dabei sind: Emmerich, 60, führt
wieder Regie, Jeff Goldblum sieht
immer noch aus wie ein Intellektueller, Bill Pullman, damals Darsteller von Präsident Whitmore, erinnert mit grauem Bart eher an Karl
Marx, und Judd Hirsch spielt wieder Goldblums Vater. Will Smith,
damals Jagdpilot, fehlt allerdings.
Jennifer Aniston spielt
eine Soldatenmutter
Noch ist sie als „Friends“-Freundin
in Erinnerung, in ihrem nächsten
Film spielt Jennifer Aniston indes
eine Soldatenmutter. Die 46-Jährige zählt laut Branchenblatt Variety
zu den Darstellern in „The Yellow
Birds“, einem Film nach dem
gleichnamigen Buch von Kevin
Powers (deutscher Titel „Die Sonne
war der ganze Himmel“). Es geht
um die Erlebnisse zweier junger USSoldaten im besetzten Irak in den
Jahren 2003 und 2004. Sie werden
von Alden Ehrenreich („Hail, Caesar!“) und Tye Sheridan („X-Men:
Apocalypse“) gespielt. (dpa)
Unsere Wertungen
* sehr schwach
** mäßig
*** ordentlich
**** sehenswert
***** ausgezeichnet
Sonst noch angelaufen
● Madame Bovary Regisseurin Sophie Barthes hat den berühmten
Roman von Gustave Flaubert um
Langeweile, Einsamkeit und Ehebruch neu inszeniert. Die Hauptrolle
spielt die australische Schauspielerin Mia Wasikowska, zuletzt an der
Seite von Michael Fassbender zu
sehen in der Romanverfilmung „Jane
Eyre“. Leider bleibt Henry LloydHughes als betrogener Charles Bovary blass, (Filmstart in Augsburg)
● Unsere kleine Schwester In Kamakura, der kleinen Küstenstadt,
die einst Regierungssitz Japans war,
bewohnen die drei Schwestern Sachi, Yoshino und Chika gemeinsam
ein großes Haus. Bei der Beerdigung ihres Vaters treffen sie auf eine
14-jährige Halbschwester. Das
pure Glück ist es, in dieser preisgekrönten Manga-Verfilmung das
Werden der kleinen Gemeinschaft zu
erleben. (Start in Augsburg) (dpa)
Aus dem All wird scharf geschossen: Rey (Daisy Ridley), der Droide BB-8 und Finn (John Boyega) fliehen vor den Einschlägen des neuen Terrorregimes „First Order“.
Eine neue Heldin befreit das All vom Terror
Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht Bis zuletzt hat Disney ein Geheimnis aus dem Film gemacht.
J. J. Abrams hielt, was die Kampagne versprach. Er drehte eine exzellente Fortsetzung mit Charme und Seele
VON ANDRÉ WESCHE
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Und so wurde der gesamte Entstehungsprozess des neuen „Star Wars“-Filmes genüsslich
zelebriert. Von der Bekanntgabe der
Schauspieler über einen werbewirksamen Auftritt auf der weltgrößten
Comic-Messe in San Diego bis hin
zu geschickt platzierten, filmischen
Appetithäppchen wurde die Vorfreude der Fans erfolgreich ins Unermessliche gesteigert. Gern kaufte
man die Katze im Sack und heftete
sich das im – natürlich Rekorde brechenden – Vorverkauf erstandene
Ticket stolz an die Pinnwand. Und
dann das Merchandising! Nun
prangt das berühmte Logo selbst auf
Lippenstiften, Punsch und anderen
äußerst irdischen Produkten. An der
Kasse werden passende Sammelbildchen ausgegeben.
Wenn nun endlich der Begleitfilm
zur Werbekampagne im Kino startet, hat er eine erhebliche Last zu
schultern. Bei einer solchen Erwartungshaltung kann man eigentlich
nur verlieren. Natürlich ist der Umsatz längst gesichert. Aber kein Publikum urteilt erbarmungsloser als
eingefleischte Science-Fiction-Fans.
Ist der Film die Weiterführung
des Marketings mit anderen Mitteln? Ein auf den kleinsten gemeinsamen Nenner heruntergebrochenes
Hochglanzprodukt?
Mitnichten.
Kratzbürste in mini
Lustig Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft
VON MARTIN SCHWICKERT
Die ungeliebte Lehrerin einzuschrumpfen und ihre Autorität im
Maßstab 1:100 ins Lächerliche zu
ziehen: eine äußerst reizvolle Vorstellung für Schüler. Sven Unterwaldt, der mit „7 Zwerge – Männer
allein im Wald“ einschlägige
Schrumpfungserfahrungen sammelte, geht als Regisseur hier deutlich
weniger grobhumorig zu Werke.
Für den notorischen Sitzenbleiber Felix Vorndran (Oskar Keymer), ist die Aufnahme in die „Otto
Leonhard Schule“ die letzte Chance.
Aber schon nach dem ersten Schultag steht er im verspukten alten
Lehrerzimmer und hat versehentlich die Direktorin Dr. SchmidtGössenwein (Anja Kling) auf 15
Zentimeter
zusammengestaucht.
Aber auch wenn die echauffierte
Lehrerin nun ins Federmäppchen
und zur Not auch in eine Quarkstulle passt, hat sie nichts von ihrer
Kratzbürstigkeit verloren. Aber die
beiden müssen ich zusammentun,
um die Schule vor den Plänen des
schmierigen Schulrats (Justus von
Foto: Lucasfilm 2015
„Star Wars Episode 7 – Das Erwachen der Macht“ ist ein Meilenstein
des Genres, ein Film mit originärem
Charme und einer intakten, eigenen
Seele. Für manch einen vielleicht
sogar der beste Film der Reihe.
Darth Vader ist besiegt, aber der
weit, weit entfernten Galaxis ist kein
Frieden vergönnt. Im Gegenteil, ein
neues Terrorregime namens „Erste
Ordnung“ („First Order“) bedroht
mit einer Superwaffe alles Leben.
Der Widerstand befindet sich am
Rande einer Niederlage. Sein erfah-
renster Pilot Poe Dameron (Oscar
Isaac) gerät in die Fänge des Systems, kann aber vorher dem Roboter BB-8 einen Datenträger zustecken, der den Aufenthaltsort des legendären Luke Skywalker (Mark
Hamill) verrät. Der drollige Droide
gerät auf dem staubtrockenen Planeten Jakku an die schlagkräftige
Rey (Daisy Ridley), die für einen
Hungerlohn alte Raumschiffe ausschlachtet. Der aus Gewissensgründen desertierte Sturmtruppler Finn
(John Boyega) komplettiert bald da-
rauf das ungewöhnliche Trio, das
ins Fadenkreuz der düsteren Mächte gerät. Aber dann sind plötzlich
die ein wenig ramponierten Helden
aus den alten Geschichten zur Stelle.
Und sie strecken die helfende (teilweise pelzige) Hand aus.
Regisseur J.J. Abrams hat bereits
der „Star Trek“-Filmreihe zu einem
furiosen Neustart verholfen. Sich
nun auch dem „Star Wars“-Universum stellen zu dürfen, muss für Hollywoods Wunderkind unendlich
reizvoll und unabsehbar riskant zu-
Vier Fragen an Hauptdarstellerin Daisy Ridley
● Daisy, kennen Sie die alten „Star
Wars“-Filme überhaupt?
Na klar. Alle sechs. Wobei ich als 1992
Geborene natürlich zuerst mit den
drei neueren Filmen vertraut war. Danach habe ich auch die Originaltrilogie gesehen. Trotzdem kann ich nicht
von mir behaupten, dass ich einer
dieser richtigen „Star Wars“-Fans war.
● Die Geheimniskrämerei um die
Episode VII war von Anfang an
enorm. Was wussten Sie über die
Rolle, als Sie vorsprachen?
Eigentlich erst einmal gar nichts. Insgesamt sprach ich fünfmal vor, das zog
sich über ein halbes Jahr hin. Die ersten
vier Mal gab man mir Fake-Szenen,
die nichts mit dem echten Film zu tun
hatten. Erst beim letzten Mal hielt ich
ein paar echte Dialoge in den Händen.
Wirklich Details über die Geschichte
wusste ich auch da noch immer nicht.
Zum ersten Mal einen Blick in das
Drehbuch werfen durfte ich erst, als ich
die Rolle längst hatte.
● Die Geheimhaltung ging noch monatelang weiter. Wem durften Sie
erzählen, was Sie gerade drehen?
Meine Eltern und meine Schwestern
wussten, welche Rolle ich da bekommen hatte. Aber meinen Freunden durfte ich natürlich nichts verraten. Die
waren schon irritiert. Erst hatte ich wochenlang alle Zeit der Welt, weil ich
Geld gespart, meinen Job in einem Pub
an den Nagel gehängt und sonst
nicht viel zu tun hatte. Und dann gab es
plötzlich in meinem Kalender quasi
keinen einzigen freien Termin mehr.
Obendrein wurde ich immer sportlicher und muskulöser, weil ich natürlich
mit dem Training beginnen musste.
● Sind Sie eine Kämpferin, so wie
Rey es im Film ist?
Ich glaube nicht, dass ich mich so beschreiben würde. Weder packe ich
gerne meine Ellenbogen aus, noch bin
ich übertrieben ehrgeizig. Ich arbeite
einfach gerne und gerne auch hart.
Vielleicht hat das damit zu tun, dass
ich in einem Haus aufgewachsen bin, in
dem ich nicht viel kämpfen musste.
Meine Eltern haben mich immer unterstützt. Interview: Patrick Heidmann
gleich gewesen sein. Allein, Abrams
hat einfach alles richtig gemacht.
Die neuen Charaktere sind wundervoll gezeichnet und bestmöglich besetzt. Kein Zweifel, mit Daisy Ridley wurde ein neuer Superstar geboren. Nur einer stiehlt ihr gelegentlich die Show. Der kugelrunde
Droide BB-8 mit seiner entzückenden Hundegestik wird zweifellos
zum Publikumsliebling avancieren.
Die Auftritte der alten Haudegen –
Harrison Ford als Han Solo, Carrie
Fisher als Leia Organa und natürlich
Chewbacca, R2-D2 und C-3PO –
werden würdig abgefeiert.
Die „Episode VII“ überrascht mit
einer hohen Dichte an gelungenen
Gags. Eine Lachnummer ist der
Film hingegen nicht. Nach Belieben
variiert Abrams die Stimmungen,
mystische und nervenzerreißend
spannende Szenen funktionieren
ebenso wie die großen, emotionalen
Momente. Und wenn zur Schlacht
geblasen wird, dann bleibt kein
Auge trocken und der Kinosessel
scheint sich zu drehen. Es ist Kinomagie in Reinform. Schade, dass die
136 Minuten viel zu rasch vergehen.
Gut, dass das Ende einen neuen Anfang verheißt. Nein, man muss den
ganzen Kram drumherum nicht
kaufen. Aber diesen Film sollte man
gesehen haben. Möge die Macht… –
na, Sie wissen schon.
*****
O Filmstart in vielen Kinos der Region
Verführte Schönheit Streiche gegen Stalin
Carol Eine große Liebe zwischen zwei Frauen
Dohnányi) zu retten, der daraus ein
Elite-Gymnasium machen will. Äußerst gelungen hat Unterwaldt die
wenig tiefgründige, aber sehr unterhaltsame Vorlage ins Kino gebracht.
Die Kinderdarsteller gehen sympathisch unverbraucht an die Arbeit,
aber das Herz des Filmes ist die fabelhafte Anja Kling, die in der Rolle
der schrullig-garstigen Direktorin
richtig vom Leder ziehen darf. ***
Filmstart in vielen Kinos der Region
VON DIETER OSSWALD
O
„Ich weiß ja nicht einmal, was ich
zum Essen bestellen soll!“ Selbstsicherheit gehört nicht zu den Stärken
der hübschen Spielzeugverkäuferin
Therese. Ganz im Gegensatz zu Carol, der eleganten Lady, die beim
Einkauf im Kaufhaus spontan verzaubert war von der jungen Frau.
Flirtsicher hinterließ sie mit einer
Bestellung ihre Adresse und „ver-
Anja Kling als Schuldirektorin Dr.
Schmitt-Gössenwein.
Foto: Sony Pict.
Ein Paar: Carol (Cate Blanchett, li.) und
Therese (Rooney Mara). Foto: Webb/DCM
gaß“ den Handschuh. Prompt meldete sich Therese bei der Kundin.
Man verabredete sich zum Lunch.
Je mehr die beiden ungleichen
Frauen gemeinsam unternehmen,
desto größer wird ihre Begeisterung
füreinander. Dem verführerischen
Flirt folgt die große Leidenschaft –
sehr zum Ärger des eifersüchtigen
Gatten von Carol. Ein Privatdetektiv schnüffelt dem Paar hinterher.
Aus „moralischen Gründen“ soll
Carol das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter entzogen werden.
Kino-Poet Todd Haynes („Dem
Himmel so fern“) inszeniert sein
vielschichtiges Melodram mit unglaublicher Leichtigkeit und visueller Eleganz. Kameramann Ed Lachmann zaubert stilsicher ein atmosphärisch dichtes New York der
50er-Jahre. Hier zählt jede Geste,
jeder Wimpernschlag – was Rooney
Mara und Cate Blanchett mit makelloser Präzision beherrschen. Während die Alpha-Frau zunehmend
zerbrechlicher wirkt, erwächst ihre
junge Partnerin vom schüchternen
Entchen zum stolzen Schwan. ****
Filmstart in Augsburg
O
Die Kinder des Fechters Ein tapferer Sportler
VON GÜNTER H. JEKUBZIK
Im Jahr 1953: Die Erschütterungen
des Weltkriegs sind weiterhin spürbar, Stalin ist noch nicht tot: Der
junge Fechter Endel (Märt Avandi)
meldet sich als Sportlehrer in einem
kleinen, sowjetisch besetzten Küstenstädtchen in Estland. Das sei hier
nicht Leningrad betont der Direktor, was denn so ein Studierter hier
wolle. Verstecken will Endel sich,
denn die deutsche Wehrmacht hatte
ihn unter Zwang eingezogen und in
der Sowjetunion reichten harmlosere Dinge, um für immer in sibirischen Straflagern zu verschwinden.
Nun versucht Endel an einer heruntergekommenen Schule die Reste einer umfassenderen musischen
und sportlichen Schulausbildung
aufleben zu lassen. Die mühsam
hergerichteten Ski werden allerdings vom Militär geklaut. Obwohl
es als „bourgeoiser Zeitvertreib“
nicht gern gesehen wird, erfreut sich
dann der Fechtunterricht großer
Begeisterung. Zuerst mit Weidenruten und dann dank Endels alter
Freunde in Leningrad mit richtigen
Masken und Floretts. Die Kinder,
die meist keine Väter mehr haben,
gewinnen Selbstvertrauen und Vertrauen in Endel. Bis seine Klasse zu
einem Wettkampf nach Leningrad
will, wo Stalins Geheimpolizei nach
ihm sucht ...
Fechten ist hier nicht nur Hoffnung, es ist auch Ästhetik und Metapher: Ein gutes Gefühl für den
richtigen Abstand sei überlebenswichtig, meint Endel. Größerer Abstand von den Geheimdiensten wäre
ratsam, doch gemäß des Klubs der
toten Fechter stellt er sich im
(Sport-) Finale gegen die Häscher.
Das alles ist samt Liebesgeschichte wenig überraschend, aber mit
starkem Hauptdarsteller und guter
historischer Inszenierung vermitteln „Die Kinder des Fechters“ nach
einer wahren Geschichte den Staat
der Angst unter Stalin. Die Synchronisation übersetzt sinnvollerweise die fremde Sprache der sowjetischen Besatzer nur in Untertiteln.
Die intensiv erzählte Arbeit des finnischen Regisseurs ist für Oscar und
Golden Globe nominiert.
****
Filmstart in Augsburg
O