rare PerleN aUF rOTem TePPiCH

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rare PerleN aUF rOTem TePPiCH
30 Nr. 36/2016 | Automobil Revue CLASSICS
Rare perlen auf rotem
Der Concours d'Elégance im Vorfeld des Raid Suisse-Paris
ist wohl der älteste alljährlich durchgeführte Anlass dieser
Art. Zum 20-Jahre-Jubiläum war das Teilnehmerfeld speziell hochkarätig und wies einige Überraschungen auf.
S
peziell an der 20. Auflage des Concours vom 17. August war nicht
nur die hohe Qualität der Autos,
sondern im aus 62 Wagen bestehenden Teilnehmerfeld gab es auch ausgesprochene Raritäten. So überrascht es
nicht, dass mit einem Rickenbacker 23 B
Roadster von 1923 sowie einem HispanoSuiza H6B mit Jahrgang 1928 zwei dieser
besonders raren Perlen zum einen den
Hauptpreis «Best of Show», zum anderen
den auch dieses Jahr wieder vergebenen
«Prix Automobil Revue» gewannen.
Zum 20. Defilee der automobilen
Schönheiten im Rahmen des Raid SuisseParis konnten sich Fahrzeuge bis und mit
Jahrgang 1980 anmelden. Sie starteten in
den Kategorien A – Vorkriegsfahrzeuge
(bis Jahrgang 1939), B – Nachkriegsfahrzeuge (bis Jahrgang 1980) sowie C –
Sportwagen (Jahrgänge 1959 bis 1980).
freuen durften sich Toni Jung aus Rümlang (MG SA Tickford Coupé), Eduardo
Stahel aus Altendorf (Ferrari 400 GT/F101
CL) sowie Peter Mooser aus Muri BE.
AR-Pokal
für seltenen Hispano-Suiza
Mooser hatte einen wunderschönen Hispano-Suiza von 1928 über die Automobil
Revue gemeldet, doch weil er verhindert
war, führte Armin Bühler den Wagen in
Basel vor. Bühler leitet in Toffen BE die Garage Buzz, in dieser hatte man den Hispano-Suiza teilrestauriert. «Wir machten den
Motor und das Getriebe sowie das Interieur komplett neu», erklärt Bühler. Dies alles lohnte sich, denn der Wagen gewann
den «Prix Automobil Revue». Dies nicht zuletzt deshalb, weil er wegen seiner Maybach-Zeppelin-Karosserie des Karosseriewerks Hermann Spohn als Unikat gilt.
«Den Hispano-Suiza an einem solchen Anlass zu bringen, war ein spezielles
Gefühl», sagte ein glücklicher Armin Bühler. Ebenfalls sichtlich happy nach dem
Concours war Rudolf Schaub. Er hatte mit seinem Bugatti Typ 57
Coach Ventoux (1938) die Kategorie A der Vorkriegsfahrzeuge gewonnen. «Dieser Bugatti ist ein
wunderbar zu fahrendes Auto und
sehr bequem», gab
Schaub stolz zu Protokoll. Das Auto war kürzlich während rund sechs
Jahren restauriert worden.
Ein hohes Niveau
«Der Concours 2016 war sensationell.»
Dieses Fazit zu diesem wunderbaren
Anlass, der erneut in der Freie Strasse in Basel in Nähe des Rathauses über die Bühne ging,
stammt von Hans André
Bichsel. Der Initiator und
Leiter des Concours
d'Elégance sowie
des Raid SuisseParis ist in seiner
Bilanz zu diesem
Event des Lobes voll. Ihm
gefiel namentlich das hohe
Niveau.
Auch 2016 war die «Automobil Revue» zur Mitwirkung in der
6-köpfigen Jury des Concours eingeladen. Diese beurteilte die automobilen
Klassiker anhand einer Kriterienliste mit
rund einem halben Dutzend Punkten. Man
schaute auf Belange wie die Authentizität,
den Erhaltungszustand oder die originale
Erscheinung. Entsprechen Aussehen und
Zustand des Autos wie es einst zirkulierte? Nebst dieser Originalität schaute die
Jury auch auf die Gepflegtheit. Weitere
Punkte waren etwa der kulturelle Wert –
wie bedeutend war bzw. ist dieses Auto?
– und natürlich die Seltenheit.
Sehr schöne AR-Autos
Die Jury des Concours-d'Elégance bekam
es mit einem hochkarätigen Teilnehmerfeld zu tun. Zu ihm gehörten auch sieben
Autos, die sich über die Automobil Revue
angemeldet hatten: Hispano Suiza H6B
(1928), MG SA Tickford Coupé (1939),
Studebaker Golden Hawk (1957), Peugeot
403 Cabrio Grand Luxe (1958), Jaguar
Mark IX (1959), Daimler SP 250 Dart
(1963) und Ferrari 400 GT/F101 CL
(1978). Alle waren von toller Qualität und
wollten es dem 2015 durch Kurt Infanger
vorgeführtem Delahaye 135 MS Viotti Cabrio von 1948 gleich tun, der gleich zwei
Pokale – «Best of Show» und den «Prix
Automobil Revue» – gewonnen hatte.
Und wenn letztlich dieses Jahr der
ganz grosse Wurf eines AR-Autos ausblieb, schauten immerhin drei Pokale heraus. Über Ehrenplätze in ihren Disziplinen
Hauptpreis ging an einen Rickenbacker 23
B Roadster. Der Zweisitzer von 1923 wurde von Eric Rickenbacher, ein Nachfahre
des Namensgebers der Automarke, vorgeführt. «Die Familie meines Vorfahren, Edward Vernon (Eddie) Rickenbacker, war
aus Zeglingen BL in die USA ausgewandert, und dort wurde beim Namen aus
dem H ein K», erklärt Eric Rickenbacher.
Laut Rickenbacher ist der Wagen
«das einzige Modell dieses Typs, das noch
existiert». Das Auto wurde vor rund 16
Jahren in den USA restauriert. Obwohl ein
Unikat, habe er für den Concours «keine
grossen Ambitionen» gehabt. «Ich selbst
habe ja nicht viel dazu beigetragen. So
wollte ich einfach den Leuten damit eine
Freude bereiten», sagte Rickenbacher und
Ruhe und
Ansturm Oben
links bespricht
die ConcoursJury die Qualität der gezeigten
Fahrzeuge, oben
rechts werden in
der Basler Freie
Strasse die Wagen bestaunt.
Schneller Brite
Schwärmen:
Patricia und
Dieter Musfeld
sind mit ihrem
Bristol 411 völlig happy. Kein
Wunder, die
kräftige britische
Limousine gewann einen der
Hauptpreise.
Oldtimers & American Classics Cars
Der Sieg in der Kategorie B ging an Dieter Musfeld für einen Bristol 411 Series 1
von 1970. Auch er schwärmte vom Fahrverhalten: «Wenn ich im Bristol fahre, bin
ich in einer anderen Welt. Der Fahrkomfort
in diesem Wagen ist hervorragend.» Dieses Modell des britischen Herstellers Bristol Cars galt mit seinen 335 SAE-PS und
einem Topspeed von 230 km/h zu seiner
Zeit als schnellster serienmässiger Tourenwagen der Welt.
Sportlich war auch der Ford Thunderbird von Mitte der 50er-Jahre. Schliesslich
hatte er im Vergleich zum Reihensechser
seines Rivalen, der ersten Chevrolet Corvette, einen 4,8-Liter-V8 mit immerhin
rund 200 PS unter der Haube. Doch beim
Thunderbird von Peter Neufeld ist das völlig egal. Denn dieses Exemplar von 1956
ist wohl das einzige mit einer Ghia-AigleKarosserie. Laut Neufeld handelt es sich
um einen Prototyp, den er und sein Zwillingsbruder Ronni vor Jahresfrist als dritte Besitzer gekauft hatten. Die Rarität holte sich in Basel den Siegerpokal in der Kategorie C der Sportwagen 1950 bis 1980.
Gesamtsieger
mit Schweizer Wurzeln
«Last, but not least» handelte es sich beim
Wagen, der von Jury-Präsident Ruedi Wenger mit dem Pokal «Best of Show» geehrt
wurde, nicht nur ebenfalls um eine Seltenheit, sondern hier ist auch seine Geschichte herausragend. Denn der Concours-
Hauptgewinner
Der Rickenbacker 23 B
Roadster von
1923 ist der
Sieger des Concours d'Elégance
2016, was Eric
Rickenbacher
und seine Gattin
natürlich freute.
Siegerlachen
gab es auch bei
Rudolf Schaub
(l.) sowie bei Armin Bühler, der
samt charmanter
Begleitung als
Gewinner des
«Prix Automobil
Revue» aus Basel
abreisen durfte.
war über diesen Sieg «fast ein wenig
sprachlos». Er fühle sich sehr geehrt, sagte Eric Rickenacher bescheiden.
Zu Lande und in der Luft ein Sieger
Dabei macht einem die Geschichte von
Vernon Rickenbacker (geboren am 8. Oktober 1890 in Columbus/Ohio; gestorben
am 27. Juli 1973 in Zürich) sprachlos.
Denn sie ist fast eine Vorlage zu einem
Film. So war Rickenbacker zum einen
Test- und Rennfahrer, zum anderen war
er im 1. Weltkrieg über Europa der erfolgreichste Jagdpilot der US-Luftwaffe. Man
verlieh dem Kriegsheld mit Wurzeln im
Baselbiet vier Ehrenmedaillen. «Captain
Rickenbacker» war populär und wurde
dadurch vermögend. Zudem mit technischem Geschick ausgestattet, gründete
CLASSICS Automobil Revue | Nr. 36/2016 31
teppich
Vernon Rickenbacker 1921 in Detroit die
Rickenbacker Motor Company. Diese fertigte bis 1927 knapp 27 500 Automobile
und war für ihre Innovationskraft bekannt.
Direkt nach dem Aus der Autoproduktion erwarb Eddie Rickenbacker den Indianapolis Motor Speedway und führte diesen bis zum Verkauf 1947. Bereits 1938
wurde Rickenbacker Präsident der Fluggesellschaft Eastern Air Lines. Wegen deren
schlechten wirtschaftlichen Situation in
den 50er Jahren trat er 1959 zuerst vom
CEO-Posten zurück, bis er die Airline vier
Jahre später verliess. Der Concours
d'Elégance 2016 des Raid Suisse-Paris
hatte wirklich viele tolle Storys zu bieten.
Martin Mäder
[email protected]
Eine Kapazität in Sachen Oldtimer und Historie wie Hans André Bichsel hat man nicht alle Tage vor dem Mikro.
Legendenmacher
Der Raid Suisse-Paris hat sich in 26 Jahren zu einer international
anerkannten Marke entwickelt. Ein Gespräch über diesen Erfolg mit
dem Raid-Gründer Hans André Bichsel.
Automobil Revue: Hans André Bichsel
und der von ihm gegründete Raid Suisse-Paris haben in der Schweizer Oldtimer-Szene schon längstens Legendenstatus. Wie kam es dazu, können Sie
uns die Anfänge kurz nahe bringen?
Hans André Bichsel: Der Raid geht auf
die Zeit zurück, als das Waldsterben
noch ein grosses Thema war. Es drohte
damals, dass man deswegen im Extremfall ein Verbot alter Autos verhängen
könnte. Ich fand, dass man dagegen unbedingt etwas unternehmen müsse. Ich
gründete 1985 den Dachverband für Historische Motorfahrzeuge (SDHM). Eine
seiner ersten Aktivitäten war ein offener
Brief an den Bundesrat. Sowieso waren
wir damals vor allem politisch stark und
hatten rund 10 000 Mitglieder.
Wie kam es dann zur heutigen OldtimerRallye Raid Suisse-Paris?
Anfang der 90er-Jahre war ich persönlich
stark auf Paris ausgerichtet. Dann hatte
ich 1991 an der dortigen Oldtimermesse,
dem Salon Rétromobile, die Vision, dass
der SDHM seinen französischen Kollegen
zeigen sollte, dass auch wir Schweizer eine Oldtimer-Szene haben und aktiv sind.
So rief ich den Raid ins Leben, den wir in
den ersten drei Ausgaben vor allem auch
als politische Aktion verstanden.
Aus den politisch motivierten Anfängen
wurde ein fest verankerter Event mit internationaler Ausstrahlung, der 2016
zum 26. Mal stattfand. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Die ist gut. Der Raid ist eine Erfolgstory. Dies gelang uns aber nur dadurch, indem wir
den Anlass von den amateurhaften Anfängen konsequent professionalisierten. Dies
bedeutete einen enormen Aufwand. Doch
wir wurden sehr erfolgreich. Eine solche
Veranstaltung und von dieser Grösse war
eine Premiere. Es gelang uns, immer wieder Neues zu erfinden. So führten wir bereits 1993 den «Raid Ladies’Cup» für das
bestplatzierte Frauen-Team ein. Vor zehn
Jahren folgte eine spezielle Wertung für
jüngsten Piloten. Und auch sonst entwickelten wir uns weiter. Es kamen der Winter-Raid sowie kulturelle Events hinzu und
schliesslich werden wir in diesem Herbst
erstmals den «Raid Autumn Drive» durchführen, eine Rallye ins Südtirol ohne Zeitmessung.
Wie fallen Ihre Fazits für den Raid und
den Concours d’Elégance 2016 aus?
Der diesjährige Raid war eine sehr schöne
Auflage. Es war einfach bedauerlich, dass
wir wegen der Sicherheitslage in Frankreich und speziell in Paris spürbar weniger
Anmeldungen hatten. Es war eigentlich
der erste solche Taucher in der 26jährigen
Raid-Geschichte. Der Concours 2016 war
sensationell. Es nahmen ganz aussergewöhnliche Autos daran teil und das Niveau
war sehr hoch. Ich bin stolz, dass wir die
20. Ausgabe des Concours durchführen
konnten und die älteste solche Veranstaltung sind, die ohne Unterbruch veranstaltet wurde.
Könnte ein solcher Taucher, wie Sie sagten, nicht Anlass sein, etwas innovatives einzuführen? Etwa ein Wechsel der
Destination weg von Frankreich hin zu
Ländern wie Deutschland oder Österreich?
Das machten wir ja bereits. So hatte 2014
die 24. Austragung des Raids als Premiere in Brüssel geendet. Es ist aber einfach
wichtig, dass Paris unsere Kernmarke
bleibt. So ist nicht zuletzt die Kultur des Au-
tos wesentlich durch Paris geprägt. Trotzdem machen wir uns Überlegungen für einen Raid, der einmal völlig woanders verlaufen wird. Die von Ihnen angesprochenen Nationen haben wir längstens
angeschaut und auch die Routen überprüft. Doch gerade Wien würde den Raid
für die Hin- und Rückfahrt um zwei Tage
verlängern. Innovationen ja, doch das Produkt muss immer gleich bleiben. So ist das
Format, Start am Donnerstag und Ankunft
am Samstag, ideal und das werden wir beibehalten. Doch innerhalb dieser Vorgabe
werden wir noch in diesem Spätsommer
für die Auflage 2017 eine Innovation verkünden.
MM
Macher
Hans André Bichsel war Initiant
und Vater des Verbandes SDHM,
der sich dann im Mai 2015 unter
dem Namen «Swiss Oldtimers»
mit der «Féderation Suisse des
Véhicules Anciens» (FSVA) zum
nationalen Dachverband «Swiss
Historic Vehicle Federation»
(SHVF) zusammenschloss. Bichsel war der erste Präsident des
damaligen SDHM. Der passionierte Lancia-Sammler ist studierter Kunsthistoriker und Nationalökonom. Sein erstes Auto
war 1969 ein Lancia Fulvia Coupé, auch als Sammler schaffte er
sich dieses Modell als Erstes an.
MM
Oldtimers & American Classics Cars