Global Risk Dialogue - Herbst 2013

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Global Risk Dialogue - Herbst 2013
Global Risk
Dialogue
Allianz Global Corporate & Specialty
Herbst 2013
SPECIAL TOPIC
Netzwerke
Moderne Lebensadern
Von Energieversorgungsnetzen bis hin zur digitalen Welt – Netzwerke spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle und werden unsere Zukunft entscheidend prägen.
Die steigende Bedeutung von funktionierenden Netzwerken und unsere Abhängigkeit von ihnen wird immer stärker sichtbar. Die Versicherungsindustrie steht im Mittelpunkt dieser Entwicklung und schafft die nötigen Voraussetzungen.
10
16
20
Eine neue Cyberversicherung
bietet Schutz vor IT-Risiken
Über den komplexen Bau von
Offshore-Windanlagen
Innovationen in der Energieübertragung
Digitale Gefahren
Kampf auf hoher See
Unter Spannung
IMPRESSUM
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@AGCS_Insurance
Inhalt
RISK FUTURES
EDITORIAL
HERAUSGEBER
Allianz Global Corporate &
Specialty AG, Fritz-SchäfferStr. 9, 81737 München
© Allianz Global Corporate
& Specialty. Alle Rechte
vorbehalten. Die Beiträge
dieser Ausgabe dürfen
nicht vervielfältigt werden
und sind urheberrechtlich
geschützt. Redaktionsschluss dieser Ausgabe war
der 19. Oktober 2013.
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Risiken im Netz
Cyberversicherungen helfen Unternehmen, die
vielen Bedrohungen und Risiken globaler digitaler
Netze zu bewältigen
16
Kampf auf hoher See
Der Bau von Offshore-Windparks ist ein gigantisches
und gefährliches Unterfangen
VERANTWORTLICHER
HERAUSGEBER
Hugo Kidston, Global Head
of Communications,
Allianz Global Corporate &
Specialty,
Fritz-Schäffer-Str. 9,
D-81737 München,
[email protected]
VERLAG
20
Medienfabrik Gütersloh GmbH,
Neumarkter Straße 63,
81673 München
REDAKTION
Dan Harriman
ART DIRECTOR
Nadine Schröder
Fabian Schlichting
Stephanie Ritter
DRUCK
Medienfabrik Gütersloh GmbH,
Gütersloh
Für die Zukunft rüsten: Industrie- und Schwellenländer investieren massiv in erneuerbare Energien.
SPECIAL TOPIC
IN BRIEF
Netzwerke
FOTONACHWEIS
AGCS, corbis, fotolia, ABB
(SGCC), HGO InfraSea Solutions, QGC (BG Group),
Shutterstock
ERSCHEINUNGSWEISE
20
Allianz Global Risk Dialogue
erscheint zweimal pro Jahr.
Ohne MwSt. und Versandkosten liegt der Preis pro
Heft bei 20 Euro.
KONTAKT FÜR ABONNEMENT
[email protected]
ISSN 2191-7566
HINWEIS
Redaktionelle Beiträge geben nicht
unbedingt die Meinung des Herausgebers oder Verlegers wieder. Der Herausgeber behält sich das Recht vor,
Artikel in überarbeiteter und gekürzter
Form zu veröffentlichen. Die Informationen dieser Publikation bieten nur
einen allgemeinen Themenüberblick
und ersetzen keine individuelle Beratung. Trotz größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung übernehmen weder
Verleger noch Herausgeber die Verantwortung für Fehler oder Auslassungen sowie für irgendwelche Schäden,
Verluste oder Kosten, die durch die
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Informationen entstehen. Der Verleger
übernimmt keine Verpflichtung, diese
Informationen zu aktualisieren.
02
26
Unter Spannung
Die abgelegenen Standorte neuer
Energieerzeugungsanlagen
machen die Stromübertragung zu
einem riskanten Geschäft
Lokale Vielfalt, globale Einheit
Für globale Unternehmen werden
internationale Versicherungslösungen immer wichtiger
16
Keine Luxus-Kreuzfahrt: Schiffe wie die „Innovation“ sind für
die Arbeit unter extremen Bedingungen auf See ausgelegt.
04
07
Neues
4 Fragen an …
Karsten Berlage von Allianz Risk Transfer zum Wetter-Risikomanagement
REGIONAL EYE
08
Glimpflich davongekommen
Gutes Risikomanagement gegen
Dauerregen und Hochwasser zahlt
sich aus
26
Ein globaler Kraftakt: Vinko Markovina erklärt, wie internationale Versicherungsprogramme
Unternehmen helfen, effizienter zu wirtschaften.
IN CONCLUSION
30
Fit werden für „die vierte Revolution“
Martina Koederitz von IBM analysiert, wie das
Internet und neue Informationstechnologien die
Wirtschaft nachhaltig verändern
31
Risiko im Bild
Flüssiggasanlagen
31
Kalender
Netzwerke sind ein elementarer Bestandteil unseres Alltags. Häufig ist unsere Einbindung in Netzwerke nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, wie Netzwerke
aus den unterschiedlichsten Bereichen ineinandergreifen und unser Leben prägen.
Diese Ausgabe des Global Risk Dialogue
untersucht einige der wichtigen Netzwerke, die unseren heutigen Alltag prägen. Von den Chancen und Bedrohungen
der digitalen Welt bis zur Errichtung eines
Offshore-Windparks, von der Einrichtung
eines globalen Versicherungsprogramms für reibungslose Geschäftsabläufe bis zur gigantischen Netzinfrastruktur für den Stromtransport in unaufhörlich wachsende Ballungsräume.
Wir sind nicht nur von Netzwerken umgeben, sondern Teil dieser Netzwerke.
Angesichts unserer Abhängigkeit von
der Effizienz dieser Netzwerke müssen
wir als Versicherer eine aktive Rolle übernehmen, um diese lebenswichtigen und
komplexen Systeme in ihrer Funktionsfähigkeit zu stärken und zu schützen.
Axel Theis
CEO
Allianz Global Corporate & Specialty AG
03
IN BRIEF
Weltrisiken auf einen Blick
Neues von AGCS und Allianz
www.agcs.allianz.com
Komplexe Versicherung
gegen Terrorismus
Versicherungsschutz
gegen Flutkatastrophen ist
heute wichtiger denn je.
Land unter
Im Sommer 2013 gleichen sich in Europa die Bilder in den Nachrichten. Durch tagelange und starke Regenfälle kommt es in vielen Ländern zu teilweise katastrophalen
Überschwemmungen, die Schäden in Milliardenhöhe verursachen und zahlreiche
Menschen das Leben kosten.
In Deutschland, Österreich, Tschechien, Polen, der Schweiz, der Slowakei, Ungarn, Kroatien und Serbien kämpfen die Menschen wochenlang gegen die Fluten an,
deren Pegel die Rekordwerte aus den Jahren 2002 und 2005 an vielen Messstellen
übertreffen. Allein in Deutschland beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden aus
der Flutkatastrophe auf mehr als zwölf Milliarden Euro – das Hochwasser ist damit
die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes nach dem „Jahrhunderthochwasser“ 2002. Die finanziellen Schäden bei Flutkatastrophen ehmen einer
Studie der Weltbank zufolge weltweit rapide zu. Ohne Investitionen in den Hochwasserschutz könnten die jährlichen Kosten bis 2050 auf weit über eine Billion USDollar (750 Milliarden Euro) steigen. Auch wenn das Wasser und die Kameras mittlerweile weg sind: die Normalität ist in vielen Orten in Europa noch nicht zurück. Es
wird Jahre dauern, bis die Folgen der Flut nicht mehr sichtbar sind.
Unternehmen, die sich gegen Terrorismus absichern wollen, sollten das Kleingedruckte in
ihren Versicherungspolicen sehr genau lesen.
Seit den Terrorangriffen vom 11. September
2001 in den USA sind Terrorismusversicherungen sehr komplex und vielschichtig geworden, so das Fazit der Terrorism Insurance
Review von Airmic, einem britischen Risikomanagementverband, der diese Studie vor
Kurzem gemeinsam mit Willis Group Holdings veröffentlicht hat. Der Bericht gibt einen
Überblick über die vielen verschiedenen Terrorismusversicherungen auf dem Markt und
empfiehlt Versicherungsnehmern, sich im
Detail über den konkreten Versicherungsschutz zu informieren. Angesichts der vielen
möglichen Formen terroristischer Angriffe
und des immensen Zerstörungspotenzials
können die Auswirkungen auf die Unternehmen erheblich sein. Ein Angriff mit chemischen Waffen zum Beispiel kann Kontaminierungen nach sich ziehen, die Produktrückrufe erfordern. Ein solcher Schaden würde von
einer Versicherung für Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden gedeckt.
Massive Schäden durch Tornados
im Mittleren Westen der USA
Der US-Bundesstaat Oklahoma ist von einigen
der schwersten Tornados heimgesucht worden,
die die Region in den letzten Jahren getroffen
haben. Ende Mai zerstörte ein Tornado der Stärke F5 auf der Fujita-Tornado-Skala die Kleinstadt Moore in Oklahoma und forderte 24 Todesopfer. Mehrere Hundert Menschen wurden
verletzt. Elf Tage nach der Tragödie in Moore fegte ein zweiter Tornado der Stärke F5 durch die
Ortschaft El Reno, Oklahoma. 19 Menschen star-
04
ben, unzählige weitere erlitten Verletzungen.
Die geballte Kraft der beiden Tornados wurde
mit dem 600-Fachen der durch die Atombombe
von Hiroshima freigesetzten Energie gleichgesetzt. Der nationale Wetterdienst der USA bezeichnete beide Tornados als „Twister“ der
höchsten Stufe F5. Nach Angaben von Risk Management Solutions beläuft sich der versicherte Gesamtschaden aus den beiden Wirbelstürmen auf mindestens fünf Milliarden US-Dollar.
Der US-Bundesstaat Oklahoma war am schlimmsten
von den Unwettern betroffen, aus denen sich gewaltige Tornados entwickelten.
Auszeichnung
für beste Versicherung von
Lieferkettenrisiken
AGCS leitet Projekt zum Wiederaufbau
eines japanischen Waisenhauses
AGCS wurde im Juli vom Finanzmagazin Global Finance
als weltweit bester Versicherer von Lieferkettenrisiken
ausgezeichnet. Die New Yorker Publikation kürte die Gewinner ihrer World’s Best Supply Chain Finance Providers Awards anhand der Ergebnisse einer Befragung von
Industrieanalysten, Führungskräften aus Unternehmen
und Technologieexperten. Bewertet wurden Kosteneinsparungen, positive Auswirkungen auf das Working Capital sowie die Sicherheit und Stabilität multinationaler
Lieferketten.
Clemens Philippi und Ken
Motoda eröffnen das neue
Waisenhaus Fujinosono
gemeinsam mit Schwester
Caelina.
Die Allianz Parque Arena ist
das fünfte Stadion, das den
Namen der Allianz trägt.
Weiterer Zuwachs für die
Familie der Allianz-Stadien
Das Allianz Parque Stadion in São Paulo, Brasilien, ist der
jüngste Neuzugang zur weltweiten Gruppe der Allianz-Stadien. Die Arena, in der ab Anfang 2014 Sportveranstaltungen
stattfinden werden, wird eine Nachhaltigkeitszertifizierung
erhalten. Das gemäß FIFA-Standards errichtete Allianz
Parque ist für Besucherzahlen von bis zu 45.000 bei Fußballspielen und bis zu 80.000 bei Konzerten ausgelegt. Die Konzertveranstaltungen werden über eine Partnerschaft mit der
Event-Management-Firma AEG koordiniert. Außerdem lässt
sich das Stadion in ein Amphitheater mit 15.000 Sitzplätzen
umbauen. Die Mehrzweckarena wird das Heimstadion des lokalen Fußballclubs Palmeiras sein. Neben einem Panoramarestaurant bietet es ein Kongresszentrum, Einkaufsmöglichkeiten und ein Palmeiras-Museum. Nach seiner Fertigstellung
wird das Allianz Parque Stadion zu den modernsten Sportund Freizeitzentren in Südamerika gehören. Weitere AllianzStadien gibt es in München, Sydney, Nizza und London.
Mehr als zwei Jahre nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe in
Japan hat das schwer getroffene Waisenhaus Fujinosono in Ichinoseki eine neue Perspektive erhalten. AGCS Japan übernahm die Leitung des Wiederaufbauprojektes, das von der Allianz Gruppe und
weiteren Unternehmen und Privatpersonen gesponsert wurde. Mit
einer Spende von insgesamt 30 Millionen JPY gehörte Allianz zu den
größten Unternehmenssponsoren des Projektes. Der Bau des Gebäudes wurde von Malteser International geleitet und im Juni fertiggestellt. Das moderne Gebäude mit einem innovativen Energie- und Sicherheitskonzept dient zugleich als Zufluchtsort bei Naturkatastrophen. Die Konstruktion setzt neue Maßstäbe für eine nachhaltige
und erdbebensichere Bauweise im nördlichen Japan.
Nach dem Erdbeben vom März 2011 mussten die Bewohner des
Waisenhauses, darunter auch Babys, mehr als zwei Jahre in einer
Notunterkunft ausharren. Mit der feierlichen Eröffnung des neuen
Waisenhauses erhielten sie im Juni ein neues Heim. An der Einweihungsfeier nahmen rund 250 Gäste teil, darunter kommunale und
staatliche Politiker, Sponsoren und internationale Partnerorganisationen. Begleitet von freiwilligen Helfern von AGCS eröffneten Ken
Motoda, CEO von AGCS Japan, und Clemens Philippi, Head of Market
Management, das neue Waisenhaus. Im Juli bezogen 45 sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ihr neues Zuhause.
AGCS Deckung schützt vor Cyberrisiken
Im Juli hat AGCS die neue Allianz Cyber Protect Versicherung zur Absicherung gegen die Risiken der Internetkriminalität auf den Markt gebracht. Die Lösung deckt eine Reihe von Eigen- und Drittschäden, die bei
Unternehmen entweder als Folge von Internetkriminalität oder durch
Haftpflichtansprüche von Kunden entstehen.
05
4 Fragen an …
IN BRIEF
Die neue Weltordnung
Das Gesicht des weltweiten Handels wandelt sich. Neue Abhängigkeiten entstehen und neue Wachstumssektoren bilden sich heraus, erklärt Ludovic Subran,
Chefökonom und Direktor der Wirtschaftsforschungsabteilung von Euler Hermes,
einer Allianz-Schwestergesellschaft.
OstIn der Anfang 2013 veröffenteuropa
lichten Studie des KreditversiWesteuropa
cherers mit dem Titel „Handels453 %
123 %
wege: Was hat sich verändert
Europa
und was wird sich ändern?“ be169 %
leuchten Subran und sein Team
450 % ASEAN
23 % Nordamerika
China
die jüngsten Entwicklungen im
486 %
weltweiten Handel sowie die
lang- und kurzfristigen Trends.
72 %
Naher Osten
Asiatischer
454 %
Klar ist: Länder in aller Welt beAmerika
Pazifik
281 %
greifen den Freihandel inAfrika
zwischen als Quelle des Innerregionaler Handel
274 %
Wohlstands, eine Tatsa2000 and 2012
Lateinamerika
che, die sich in der SteiQuelle: Chelem, Euler Hermes
gerung der Wertschöpfung in
den Regionen mit dem größten
Offenheitsgrad widerspiegelt. Von 2001 bis 2011 haben die Schwel- in entwickelten Märkten wie der Eurozone im Jahr 2012 aufgrund der
lenländer die höchsten BIP-Wachstumsraten und den stärksten An- weltweit vernetzten Lieferketten auch das Wachstum der Schwellenstieg des Offenheitsgrads verzeichnet. In diesem Zeitraum betrug länder, die diese Märkte beliefern, belastet hat. Aber die Probleme reidas jährliche nominale BIP-Wachstum dieser Länder 13 Prozent, chen noch weiter. „Im Fall Europas gehen 70 Prozent der Exporte in
der Offenheitsgrad (Außenhandel/BIP) lag bei 53 Prozent. Wie die andere europäische Länder. Wenn es zu einem kovarianten Schock
Studie zeigt, erreichte das BIP-Wachstum in den Industrieländern wie der jüngsten Finanzkrise kommt, sind die Auswirkungen weltbei einer Außenhandelsquote von 42 Prozent im gleichen Zeitraum weit zu spüren.“
lediglich fünf Prozent.
Langfristig werde sich der Handel zwischen den Industrieländern
Eines der wichtigsten Studienergebnisse betrifft den Anstieg des in- wahrscheinlich rückläufig entwickeln, während der Handel zwischen
nerregionalen Handels. „Nach einer Zeit vollständiger Globalisie- den Industrie- und den Schwellenländern zunehmen und der Handel
rung beobachten wir derzeit einen Wandel hin zu einer stärkeren zwischen den Wirtschaftsregionen der Schwellenländer sogar stark
Regionalisierung“, erläutert Subran. Obwohl Industrieländer noch zunehmen werde. Unternehmen, die von diesen Trends profitieren
immer an mehr als der Hälfte des Handels mit Schwellenländern wollen, müssen die damit verbundenen Risiken im Auge behalten,
beteiligt sind, hat sich der Grad der Abhängigkeit erheblich verrin- warnt Subran. „Wir transportieren nicht nur mehr, sondern auch mehr
gert. „Inzwischen ist der innerregionale Handel zwischen Schwel- wertvolle Güter als je zuvor. In einigen Entwicklungs- und Schwellenlenländern um 19 Prozent gegenüber einem Anstieg von 7 Prozent ländern befindet sich die dafür erforderliche Transportinfrastruktur –
innerhalb der Industrieländer gewachsen.“ Subran verweist auf vom Eisenbahnnetz in Indien bis zu den Häfen in Nigeria – jedoch noch
Asien, wo die Mobilität der Arbeitnehmer, die wachsende Know- im Aufbau. Für Unternehmen, die vom potenziellen Nachfragewachshow-Basis und der steigende Wohlstand in bestimmten Regionen tum in diesen Märkten profitieren wollen, ist eine Absicherung von
wie Thailand zur Entstehung dynamischerer lokaler Konsummärk- Handels- und politischen Risiken unerlässlich.“
te geführt haben. In der Folge hat auch der innerregionale Handel in
LUDOVIC SUBRAN
diesen Regionen zugenommen.
Direktor der Wirtschaftsforschungsabteilung, Euler Hermes
Trotz des Booms im innerregionalen Handel ist die Weltwirtschaft
vernetzter denn je. So warnt die Studie, dass der Nachfrageeinbruch
06
[email protected]
WWW.EULERHERMES.COM
Karsten Berlage
Global Head of Weather Risk Management bei Allianz Risk Transfer
Karsten Berlage, Allianz Risk Transfer, erklärt die zunehmende Bedeutung von Wetter-Risikomanagement, durch
das sich Unternehmen besser vor Schäden durch Hochwasser, Stürme usw. schützen können.
Was ist Wetter-Risikomanagement?
Karsten Berlage: Wetter-Risikomanagement ist das Management von direkt und indirekt mit dem Auftreten von Wetterereignissen oder der Schwankung eines messbaren Wetterindizes verbundenen wirtschaftlichen Risiken. Verschiedene Kunden und Branchen können ganz unterschiedlich auf Wettergefahren reagieren – dies ist einer der vielen Gründe für die Unkonventionalität des Geschäfts. Zum Beispiel würde starker
Schneefall bei einer Fluggesellschaft vermutlich zu Ertragseinbußen führen, während die umliegenden Skigebiete davon
profitieren. Unternehmen können das Wetter zwar selbst nicht
beeinflussen. Effektives Wetter-Risikomanagement hilft ihnen
aber, die finanziellen Auswirkungen widriger Wetterbedingungen zu managen.
Welche Branchen sind am stärksten von extremen Wetterereignissen betroffen, und wie gehen sie mit den Risiken um?
Berlage: Rund 70 Prozent aller Unternehmen sind durch das
Wetter beeinflusst – manche stärker als andere. Viele Branchen
sind Wetterrisiken ausgesetzt, insbesondere Unternehmen aus
dem Energiesektor, der Landwirtschaft oder dem Transportwesen, aber auch solche im Tourismus, Einzelhandel oder Baugewerbe. Energieunternehmen bevorzugen kalte Winter und heiße Sommer und sichern sich gegen ungünstige Jahreszeiten ab,
um ihre Erlöse zu sichern. Anbieter alternativer Energien, wie
Windparkbetreiber zum Beispiel, sichern sich oft gleich für
mehrere Jahre gegen schwachen Wind ab, um die Finanzierung der Anlagen abzusichern. In der Landwirtschaft hängen
die Ernteschwankungen fast unmittelbar von Wetterrisiken wie
übermäßigem oder zu geringem Niederschlag und hohen oder
niedrigen Temperaturen ab. Um diese Risiken zu steuern und
die negativen Folgen von Wetterrisiken zu minimieren, kann
man eine Regressionsanalyse mit historischen Niederschlagsund/oder Temperaturdaten in den relevanten Regionen durchführen. Im Transportwesen und der Energiewirtschaft kann das
Wetter den Geschäftsbetrieb direkt beeinträchtigen. Beispielsweise besteht eine starke Korrelation zwischen Niederschlag,
Frost oder Nebel und Flugverspätungen. Bei der Entwicklung ei-
ner geeigneten Risikomanagementstruktur wird daher darauf
geachtet, welche Auswirkungen verschiedene Niederschlagsmengen auf die Transportunternehmen haben können, und es
werden verschiedene Regeln entwickelt, um die unterschiedliche Erlös-Sensitivität so genau wie möglich abzubilden.
Wie wird eine Versicherung für Wetterrisiken entwickelt?
Berlage: Im ersten Schritt werden die relevanten Wetterrisiken
identifiziert – zum Beispiel Regen, Temperaturausschläge,
Schnee, Wind oder Sonneneinstrahlung. Dann müssen die potenziellen finanzwirtschaftlichen Auswirkungen des Wetterrisikos quantifiziert werden. Hierfür werden historische Finanzkennzahlen wie Erlöse, Erträge und Kosten mit historischen
Wetterdaten am beziehungsweise in der Nähe des Risikostandorts verglichen, um relevante Korrelationen zu bestimmen und einen Wetter-Risikoindex zu konstruieren. Der Kunde
kann zum Beispiel nur das Verlustrisiko versichern oder die Ertragsschwankungen minimieren. In jedem Fall ermöglicht das
Wetter-Risikomanagement eine bessere Budgetplanung und
führt häufig zu besseren Finanzierungskonditionen und einer
höheren Unternehmensbewertung.
Welche Rolle wird das Wetter-Risikomanagement in den
kommenden Jahren für Unternehmen spielen?
Berlage: Der Markt für Wetter-Risikomanagement ist noch relativ jung und bietet noch viel Potenzial. Viele mögliche Kunden
haben die potenziellen Vorteile noch nicht erkannt, obwohl immer mehr Analysten und Medien das Thema aufgreifen und
die Unternehmen das Wetter nicht mehr viel länger für
schlechte Umsätze oder Gewinne verantwortlich machen können. Auch Kreditgeber und Ratingagenturen achten vermehrt
auf die Vorzüge einer Versicherung von Wetterrisiken. Bei
Allianz Risk Transfer beschäftigen wir uns bereits seit einigen
Jahren mit dem Wetter-Risikomanagement. Wir werden das
Thema weiter über verschiedene Marketingmaßnahmen in
die Öffentlichkeit tragen und gehen davon aus, dass unsere
Wetterlösungen weiter an Bedeutung gewinnen werden, insbesondere in Bereichen wie alternativer Energie, Landwirtschaft und Einzelhandel.
KARSTEN BERLAGE
Karsten Berlage ist Leiter des Wetter-Risikomanagements bei
Allianz Risk Transfer
(ART). ART ist das Kompetenzzentrum der Allianz Gruppe für
Wetterlösungen. In Zusammenarbeit mit
AGCS Market Management generiert das
Team weltweit Transaktionen in zahlreichen
Sektoren. Mithilfe umfassender Analysen von
Kunden- und Wetterdaten werden maßgeschneiderte innovative
Versicherungslösungen
entwickelt. Das Wetterteam ist aus Büros in
Amsterdam, Bermuda,
London und New York
heraus tätig. Karsten
Berlage ist in Hamburg
aufgewachsen und hat
acht Jahre lang in der
Schweiz gelebt. Seit inzwischen 15 Jahren lebt
er mit seiner Frau und
vier Töchtern in New
York. Er hat einen
Masterabschluss in
Wirtschafts- und
Finanzwissenschaften.
Bevor er 2008 zu Allianz
kam, war er als Investmentbanker bei UBS
tätig.
07
und trocknen lassen. „Sind Wasserschäden an
Maschinen und Anlagen nicht zu vermeiden, ist
eine Prüfung durch technische Experten unerlässlich, bevor der Betrieb wieder aufgenommen wird – andernfalls kann es zu Folgeschäden durch Kurzschlüsse kommen“, meint Ralf
Dumke, Leiter Risk Consulting Property in
Deutschland.
REGIONAL
EYE
Glimpflich
Indirekt verursachte Betriebsausfälle
davongekommen
Geflutete Baugruben, lahmgelegte Fabriken, sumpfige Ackerböden: Die
Wirtschaft in Deutschland und Österreich litt im Juni 2013 unter Dauerregen und Hochwasser. Doch für die meisten Industrieunternehmen
blieben die Schäden erträglich – auch dank guten Risikomanagements.
DR. GUNDULA ECKERT
Innerhalb von elf Jahren erlebten Bayern
und Ostdeutschland im vergangenen Juni
die zweite „Jahrhundertflut“. Das Hochwasser gilt als eine der teuersten Naturkatastrophen, die Deutschland je erlebt hat, dennoch kamen große Industriebetriebe bei
dieser Katastrophe vergleichsweise glimpflich davon. „Die Schäden bei der Industrie
halten sich in Grenzen“, so Dr. Andreas
Shell, globaler Leiter Sachschaden bei Allianz Global Corporate & Specialty. „Von der
Flut waren eher kleinere Geschäfte wie Supermärkte, Einzelhändler oder Handwerksbetriebe in flussnahen Innenstadtlagen betroffen als große Konzerne“, erklärt Shell.
Zudem hätten die Industrieunternehmen
ihre Lehren aus der Flut von 2002 gezogen
und sich vorbereitet.
Wie können sich Unternehmen auf Hochwasser vorbereiten? Was ist während und nach
einer Überflutung zu tun? Empfehlungen
hierzu gibt das Allianz Risk Consulting mittels
einer speziellen Checkliste, die auf der AGCSWebsite heruntergeladen werden kann.
www.agcs.allianz.com:
unter Search „flood“ eingeben
08
Vorsorgemaßnahmen zeigten Wirkung
Ein effektives Notfallmanagement bewies
beispielsweise der Automobilzulieferer ZF
Friedrichshafen: Der auf über zehn Meter
gestiegene Pegel der Donau hatte das Werk
Grubweg am Standort Passau erreicht. Sofort wurde ein Krisenstab eingerichtet, bestehend aus Standort- und Werkleitung,
Kommunikation, Gebäudemanagement,
Werkschutz und Werkfeuerwehr. Am 3. und
4. Juni ruhte die Produktion. „Die höchste
Priorität lag darauf, Gefahren für Mensch
und Umwelt abzuwenden und Schäden an
Produktionsanlagen so niedrig wie möglich
zu halten“, erklärt Michael Lang, Versicherungsverantwortlicher bei ZF. Vorsorglich
wurden ölhaltige Betriebsstoffe aus Produktionsmaschinen in betroffenen Hallen und
deren Untergeschossen abgepumpt, die
wichtigsten Anlagen stromlos gestellt und
fachmännisch heruntergefahren; ebenso
wurden Vormaterialien beziehungsweise
Produktionsmaterial aus den Hallen entfernt. Parallel dazu bereitete die Standortleitung gemäß Notfallplan das Szenario vor,
das ein rasches Anfahren der Produktion
nach dem überstandenen Hochwasser gewährleistet. Drei Tage später, am 6. Juni,
konnte die Fertigung im Werk Grubweg wieder anlaufen.
Oft sind es einfache Maßnahmen, die Hochwasserschäden kleinhalten. Maschinen und
Geräte sollten vom Erdgeschoss in höher gelegene Stockwerke verlagert werden, und
möglichst schnell müssten die Betriebe das
Wasser abpumpen, die Gebäude reinigen
Das Juni-Hochwasser hat auch ein weniger vordergründiges Risiko ins Bewusstsein gerückt.
Viele Betriebe in den betroffenen Regionen standen zwar selbst nicht unter Wasser, bekamen jedoch indirekt die Auswirkungen des Hochwassers zu spüren. So musste Volkswagen die Produktion im Werk Zwickau vorübergehend
stoppen. Die Frühschicht sei abgesagt worden,
weil Mitarbeiter wegen überfluteter Straßen
nicht hätten zur Arbeit erscheinen können und
der Nachschub an Zulieferware unklar gewesen
sei, hieß es bei Volkswagen. Auch der Abfüllanlagenbauer Krones war infolge des Hochwassers
gezwungen, den Betrieb in Rosenheim und im
benachbarten Raubling ruhen zu lassen, weil
für die insgesamt 950 Mitarbeiter die Zufahrt
zum Fabrikgelände nicht oder nur eingeschränkt möglich war.
In beiden Unternehmen konnte die Produktionspause später durch Mehrarbeit wieder aufgeholt
werden, und der Ertragsausfall hielt sich damit in
Grenzen. „Grundsätzlich wäre in solchen Fällen
der Betriebsunterbrechungsschaden jedoch nicht
von einer klassischen BU-Versicherung gedeckt
gewesen“, erklärt Jürgen Wiemann, Leiter Property
Underwriting bei AGCS Deutschland, „denn bei
den betroffenen Unternehmen selbst ist ja kein
Sachschaden durch das Hochwasser entstanden.“
Für Betriebsunterbrechungen ohne zugrunde
liegenden Sachschaden (Non-Damage Business
Interruption) hat die AGCS eine eigene Lösung
entwickelt. Die NDBI-Police deckt Betriebsunterbrechungsschäden beispielsweise dann, wenn
sie durch Streik, Stromausfall, Insolvenz oder
durch überschwemmte Straßen beziehungsweise behördlich angeordnete Verkehrsbeschränkungen verursacht wurden.
RALF DUMKE
Head of Risk Consulting Property, AGCS Germany
[email protected]
DR. ANDREAS SHELL
Global Head of Short Tail Claims, AGCS
[email protected]
JÜRGEN WIEMANN
Head of Underwriting Property, AGCS Germany
[email protected]
WWW.AGCS.ALLIANZ.COM/GLOBAL-OFFICES
09
RISK
FUTURES
DURCHSCHNITTLICHE KOSTEN PRO DATENSICHERHEITSVERLETZUNG
Die Kosten pro Datensicherheitsverletzung sind definiert als
Gesamtkosten der Datensicherheitsverletzung dividiert
durch den Umfang der Datensicherheitsverletzung, gemessen anhand der Zahl der verloren gegangenen oder gestohlenen Datensätze.
Schutz vor
rapide steigenden
IT-Risiken
Angesichts der weiter exponentiell zunehmenden Digitalisierung und
der globalen Vernetzung praktisch aller Wirtschaftsbereiche dürften
die Gefährdungen und Schäden durch absichtlich oder versehentlich
herbeigeführtes Fehlverhalten von Informations- und Kommunikationssystemen deutlich zunehmen. Es ist deshalb an der Zeit, diese
Risiken mit einem angepassten Cyber-Versicherungsprodukt abzusichern.
CHRISTOPH WITTE
Quelle: Cost of Data Breach 2013, Ponemon Research Institute, USA
US
US$5,4 Mio.
DE
$4,82 Mio.
AU
In Deutschland liegen die Kosten für die Verletzung der Datensicherheit mit 199 US-Dollar pro Datensatz (zum Beispiel eine Tabelle in einer Datenbank oder eine Sammlung
von Daten auf einer CD) am höchsten. In den USA fällt der
Aufwand mit 188 US-Dollar pro Datensatz etwas geringer
aus. Mit nur 42 US-Dollar schlägt ein beschädigter Datensatz in Indien zu Buche. Diese Zahlen erhob das US-amerikanische Ponemon Resarch Institute für die Studie „Cost of
Data Breach 2013“, die sie im Auftrag des Sicherheitsanbieters Symantec unter 277 Unternehmen aus 16 Branchen
und neun Ländern durchführte. Der Studie zufolge kostete
deutsche Unternehmen 2012 eine durchschnittliche Datenpanne rund 4,8 Millionen US-Dollar. Wenn eine solche
Datensicherheitsverletzung eintritt, sind in der Regel sehr
viele Datensätze betroffen. Es kann, wie in einem kürzlich
bekannt gewordenen Fall von Kreditkartenbetrug um
Zehntausende Kundendaten gehen. In die Kosten schließt
das Institut die Ausgaben für das Finden der Sicherheitsverletzung, Eskalations- und Mitteilungskosten sowie Ausgaben für nachträgliche Maßnahmen ein. Außerdem wurde der Vertrauensverlust von Kunden anhand des Pro-KopfUmsatzes und der Abwanderungsquote berücksichtigt.
Die Ponemon-Studie weist – wie andere Studien auch –
eine relative Gleichverteilung der wichtigsten Ursachen
für Datensicherheitsverletzungen aus: In 37 Prozent der
Fälle ist die Panne auf einen bösartigen oder kriminellen
Angriff zurückzuführen, in 29Prozent sind Systemfehler
die Ursache und zu 35 Prozent ist menschliches (Fehl-)Verhalten der Grund.
$4,10 Mio.
FR
$3,76 Mio.
UK
$3,14 Mio.
JP
$2,28 Mio.
IT
$2,27 Mio.
BZ
IN
$1,32 Mio.
$1,11 Mio.
Cyberattacken, System- und Prozessfehler sind
etwa gleich verteilt
Die Ursachenverteilung bestätigt auch José Fidalgo, bei
der Allianz Global Corporate & Specialty AG (AGCS) Leiter der Risk Consulting Germany. „Aus unseren Daten
und Gesprächen mit Unternehmen ergibt sich eine ungefähre Gleichverteilung. Zu etwa jeweils einem Drittel
sind Fehler in der ITK-Infrastruktur, fehlerhafte interne
Prozesse und Angriffe von außen die maßgeblichen
Gründe für Eigen- und Drittschäden.“ Dem technischen
Spezialisten der AGCS zufolge führten diese Störungen
entweder zu sogenannten Mikro-Blackouts, Prozessausfällen und/oder Datenverlusten. Diese kurzzeitigen Systemausfälle seien besonders tückisch, weil sie durch
ihre Kürze weder von den Steuerungen der unterbrechungsfreien Stromversorgungen bemerkt noch von
den Monitoring-Systemen, die die IT-Systeme überwachen, adäquat bekämpft würden. „Das kann dazu füh-
37% – Bösartiger oder
krimineller Angriff
35% – Menschliches
Fehlverhalten
URSACHEN FÜR SICHERHEITSVORFÄLLE
Die Ponemon-Studie weist eine relative Gleichverteilung der wichtigsten Ursachen für
Datensicherheitsverletzungen aus: In 37 Prozent der Fälle ist die Panne auf einen bösartigen
oder kriminellen Angriff zurückzuführen, in 29 Prozent sind Systemfehler die Ursache und
zu 35 Prozent ist menschliches (Fehl-)Verhalten der Grund.
Quelle: Cost of Data Breach 2013, Ponemon Research Institute, USA
29% – Systemfehler
10
11
DURCHSCHNITTLICHE AUSWIRKUNGEN VON DATENSICHERHEITSVERLETZUNGEN
IN GROSSUNTERNEHMEN
Gesamthöhe des erwarteten Schadens/Gesamthöhe der Aufwendung/Finanzielle Gesamtbelastung
2,5 Mio. US$
2,0 Mio. US$
1,5 Mio. US$
DURCHSCHNITTLICHE AUSWIRKUNGEN VON
DATENSICHERHEITSVERLETZUNGEN
Kaspersky beziffert den durchschnittlichen Schaden pro Sicherheitsvorfall für ein großes Unternehmen auf 649 000 US-Dollar, ein mittleres Unternehmen muss dagegen mit durchschnittlichen
Kosten von 50 000 US-Dollar rechnen. Die Kosten
für erfolgreiche gezielte Attacken liegen laut Kaspersky allerdings in großen Unternehmen bei rund
2,4 Millionen US-Dollar.
José Fidalgo
Head of Risk Consulting Germany, Allianz Global Corporate & Specialty
1,0 Mio. US$
0,5 Mio. US$
Basis
Quelle: Global Corporate IT Security Risks 2013, Kaspersky
271
6
22
29
17
28
16
Insgesamt
Gezielte
Netzwerk-
Betrug/
Phishing
Sicher-
DoS/DDoS
Angriffe
angriffe
absichtliche
Weitergabe
DURCHSCHNITTLICHE AUSWIRKUNGEN VON DATENSICHERHEITSVERLETZUNGEN
IN KLEINEN UND MITTLEREN UNTERNEHMEN
von Daten
Gesamthöhe des erwarteten Schadens/Gesamthöhe der Aufwendung/Finanzielle Gesamtbelastung
100.000 US$
50.000 US$
1,368
Insgesamt
22
98
151
71
Gezielte
Netzwerk-
Betrug/
Phishing
Angriffe
angriffe
absichtliche
Weitergabe
von Daten
„Wenn man mit dem Risiko umgehen
möchte, muss man von Worst-CaseSzenarien ausgehen.“
150
Sicherheitslücken
54
DoS/DDoS
Basis
heitslücken
ren, dass ein System orientierungslos wird und viele
Stunden nicht verfügbar ist, zumal wenn die Fehlerursache nicht sofort identifiziert werden kann.“ Bei einer Betriebsunterbrechung folgten daraus natürlich Kosten
für das Unternehmen selbst, aber im Falle von Servicegarantien gegenüber Kunden eben auch Schäden bei
Dritten, für die aufgekommen werden müsse.
Eine weitere häufige Schadensursache, die sich in Betriebsstörungen oder -unterbrechungen, Datenverlusten und Unverfügbarkeit von Daten manifestiere, seien
Software-Updates oder -Migrationen. Teuer kann beispielsweise folgender Fall für den Dienstleister einer
Fluggesellschaft werden. Aufgrund eines fehlerhaften
Updates verschwanden vorübergehend alle Billigangebote im Buchungssystem der Airline. „Auf diese Weise
waren die Flüge schwächer gebucht, und dem Unternehmen entgingen Umsatz und Gewinn“, erklärt Fidalgo.
„Solche Upgrades, gerade auch kleinere, die in ein komplexes System eingespielt werden, können große Schäden auch bei Dritten nach sich ziehen.“
In puncto Cyberattacken rechnet Fidalgo auch weiterhin
mit keiner Verbesserung der Lage. Im Gegenteil: „Wenn
man mit dem Risiko umgehen will, muss man von
Worst-Case-Szenarien ausgehen.“ Das sind für ihn zum
Beispiel das gezielte Aufspüren von Schwachstellen, um
die Steuerung von Produktionsanlagen oder gar Atomkraftwerken zu beeinflussen.“
Hohe Durchschnittskosten bei Sicherheitsvorfällen
Andere Studien, zum Beispiel vom Sicherheitsanbieter
Kaspersky, weisen geringere Kosten für Sicherheitsverletzungen aus als die zitierte Ponemon-Analyse. In seinem Bericht Global Corporate IT Security Risks 2013 beziffert Kaspersky den durchschnittlichen Schaden pro
Sicherheitsvorfall für ein großes Unternehmen auf
649. 000 US-Dollar, ein mittleres Unternehmen muss dagegen mit durchschnittlichen Kosten von 50.000 US-Dol-
12
lar rechnen. Die Kosten für erfolgreiche gezielte Attacken
liegen laut Kaspersky allerdings in großen Unternehmen
bei rund 2,4 Millionen US-Dollar.
Die Zahlen der Kaspersky-Studie werden durch eine Untersuchung des britischen Departments for Business Innovation & Skills zumindest für England bestätigt. Der
von PwC durchgeführte „2013 Information Security Breaches Survey“ geht von einem deutlich gestiegenen Volumen von Sicherheitsverletzungen aus. Demnach verzeichneten 93 Prozent der großen Unternehmen (mehr
als 250 Mitarbeiter) im vergangenen Jahr Sicherheitsverletzungen und 87 Prozent der kleineren (weniger als 50
Mitarbeiter). Dabei wurden 78 Prozent der großen Unternehmen im letzten Jahr von außen angegriffen, 2011 lag
die Rate bei 73 Prozent. Durchschnittlich 113 Sicherheitsverletzungen unterschiedlichster Art pro Jahr erleiden Großunternehmen in Großbritannien, und kleinere
Unternehmen kämpfen im Schnitt mit 17 Security-Vorfällen. Dabei beziffert die britische Studie die durchschnittlichen Kosten für die gravierendste Sicherheitsverletzung des Jahres bei Großunternehmen auf 450.000
bis 850.000 Pfund. Bei kleineren liegt sie mit 35.000 bis
65.000 Pfund deutlich darunter.
Neue Gefahrenquellen kommen hinzu
Trotz ihrer Unterschiedlichkeit zeigen die Zahlen eine
deutliche Tendenz: Datensicherheitsverletzungen nehmen rapide zu, und sie verursachen immer größere
Schäden. Aufgrund der großen Trends in der Informationsverarbeitung – Cloud Computing, Echtzeitanalyse
großer Datenmengen (Big Data), Mobile Devices und
neue Formen der digitalen, kollaborativen Zusammenarbeit – ist absehbar, dass die Abhängigkeit der Unternehmen von IT-Infrastrukturen, Applikationen und Internetanwendungen weiter rapide zunehmen wird. Die
Beziehungen zwischen der analogen und digitalen Welt
werden immer enger, womit auch das Gefährdungspotenzial steigt.
13
PROZENTSATZ DER BÖSARTIGEN SICHERHEITSVORFÄLLE IM VERGANGENEN
JAHR BEI DEN BEFRAGTEN:
ISBS 2013 – Große Unternehmen
91%
ISBS 2013 – Kleine Unternehmen
76 %
ISBS 2012 – Kleine Unternehmen
70 %
ISBS 2010 – Kleine Unternehmen
35%
ISBS 2006 – Insgesamt
52%
ISBS 2004 – Insgesamt
68 %
ISBS 2002 – Insgesamt
ISBS 1998 – Insgesamt*
Staaten drängen auf höheren Verbraucherschutz
74 %
ISBS 2008 – Insgesamt
ISBS 2000 – Insgesamt*
44 %
24 %
18 %
91 Prozent der großen Unternehmen in Großbritannien wurden 2013 Opfer
bösartiger Sicherheitsvorfälle und immerhin 76 Prozent der kleinen. Durchschnittlich 113 Sicherheitsverletzungen pro Jahr erleiden Großunternehmen
in Großbritannien, und kleinere Unternehmen kämpfen im Schnitt mit 17
Security-Vorfällen.
Quelle: 2013 Information Security Breaches Survey, Department for Business
Innovation & Skills, Great Britain
93 %
Sicherheitsvorfälle
87 %
76 %
66 %
Versehentliche
Sicherheitsvorfälle
59 %
46 %
91%
Bösartige
Sicherheitsvorfälle
76 %
70 %
69 %
Ernsthafte
Sicherheitsvorfälle
32 %
31 %
ISBS 2013 – Große Unternehmen
ISBS 2013 – Kleine Unternehmen
ISBS 2012 – Kleine Unternehmen
93 Prozent der großen britischen Unternehmen (mehr als 250 Mitarbeiter)
und 87 Prozent der kleineren (weniger als 50 Mitarbeiter) erlitten 2013
Sicherheitsverletzungen.
Quelle: 2013 Information Security Breaches Survey, Department for Business
Innovation & Skills, Great Britain
Hinzu kommen Angriffe auf Industriesteuerungen, wie sie etwa der
2010 entdeckte Wurm Stuxnet repräsentiert. Sie bedurften bisher genauer Kenntnisse der jeweiligen Maschinensteuerungen. Wenn diese Maschinen aber über das Internet miteinander vernetzt werden
und sich Übertragungsprotokolle und Bussysteme wie erwartet angleichen, werden sie in genauso großem Maße gefährdet sein wie
heutige kommerzielle Computersysteme, PCs und Smartphones.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die cybertechnische Absicherung dieser Strukturen noch weit hinter der der kommerziellen
IT-Systeme zurückhängt. Manche Experten sprechen von fünf bis
zehn Jahren Verzug.
Allianz Cyber Protect – Absicherung für die wesentlichen ITRisiken
PROZENTSATZ UND ART DER SICHERHEITSVORFÄLLE IM VERGANGENEN JAHR BEI DEN BEFRAGTEN:
14
arten Rechnung, die Unternehmen abdecken können müssen. „Wir
können uns als Versicherung nicht auf die klassischen Produkte zurückziehen.“ Je weiter die Digitalisierung der Unternehmensprozesse,
desto größer werde der Bedarf, die daraus entstehenden Risiken zu minimieren. „Darauf haben wir reagiert.“
Aufgrund dieser zunehmenden Gefährdungen müssen sich die Unternehmen trotz ihrer Verpflichtung, auf Risiken und Bedrohungen mit
aktueller Sicherheitstechnik zu reagieren, Maßnahmen überlegen, wie
sie verbleibende Risiken von möglichen Eigen- und Drittschäden durch
Cyberrisiken abdecken, zumindest aber abmildern wollen. Eine Möglichkeit sind die sogenannten Cyber- und IT-Versicherungen, wie sie
auch die AGCS mit Allianz Cyber Protect (siehe Kasten) seit Kurzem anbietet. Diese Policen bieten Unternehmen die Absicherung ihrer Cyberrisiken aus einer Hand. „Dieser Markt entwickelt sich mit hoher Geschwindigkeit“, erklärt AGCS-Vorstand Hartmut Mai. Er schätzt das Prämienvolumen zurzeit auf etwa 150 Millionen Euro in Europa und auf
rund 50 Millionen Euro in Deutschland. „Außerhalb der USA, wo der
Markt für Cyber Insurance bereits 1,3 Milliarden US-Dollar groß ist, erwarten wir ein zweistelliges Wachstum pro Jahr. 2018 sehen wir allein
für Europa ein Marktvolumen in Höhe von 700 bis 900 Millionen Euro
voraus.“ Das Allianz-Produkt wird zunächst in ausgewählten europäischen Märkten und später in Südamerika und Asien ausgerollt. Wegen
der besonderen Haftungsbedingungen wird die Versicherung in den
USA nicht angeboten.
Joachim Albers, Global Head of Product Development bei der AGCS, ergänzt: „Mit Allianz Cyber Protect bieten wir ein Versicherungsprodukt
an, das die wesentlichen IT-Risiken über die verschiedenen Versicherungssparten hinweg abdeckt. Der Kunde muss sich nicht mehr darum
kümmern, welche IT-Risiken zum Beispiel über seine Haftpflicht- oder
Sachschadenversicherung abgedeckt sind.“ Wenn er Schäden durch
Persönlichkeits- und Datenschutzverletzungen, Netzwerksicherheitsverletzungen, Multi-Media-Pflichtverletzung, Computerbetrugsschäden, Betriebsunterbrechung und Datenwiederherstellung, datenschutzrechtliche Verfahren, forensische Dienstleistungen oder Kosten
durch Krisenkommunikation erleidet, sind diese bis zum ausgehandelten Limit abgedeckt. Mit Cyber Protect trage die AGCS neuen Risiko-
Als Beispiel nennt er Schäden durch Compliance-Verstöße. Die EU
und einzelne Staaten drängen im IT-Bereich auf einen höheren Verbraucherschutz. So sehen verschiedene Gesetzentwürfe vor, dass Unternehmen künftig nicht nur in bestimmten Fristen die zuständigen
Behörden über etwaige Datenschutzverletzungen informieren müssen, sondern auch ihre Kunden. Die aus diesen Notifikationen resultierenden Kosten deckt Cyber Protect ebenfalls ab. „Wir gehen davon
aus, dass sich die regulatorischen Bedingungen in der EU, aber auch
in anderen Ländern verändern und verschärfen werden.“
Dr. Georgi Pachov, Global Cyber Leader Property, führt ein weiteres
Beispiel an: Cyberattacken oder unerwünschte Veränderungen elektronischer Daten können bei den Versicherten zu signifikanten Kosten durch Betriebsunterbrechungen führen. Bereits ein verändertes
Datum im Kontrollsystem eines Lagerhauses beispielsweise könne
zum Ausweis einer falschen Lagerposition führen. Dieser Fehler wiederum könne sich bis hin zur Schließung des gesamten Lagerhauses
auswirken. „Solche Kosten für Geschäftsunterbrechungen oder für
die Reprogrammierung des Steuersystems deckt Allianz Cyber Protect ab“, erklärt Pachov.
Eine weitere Schadensart, die die Allianz erstmals in Cyber Protect abdeckt, sind Kosten zur Vermeidung von Reputationsschäden durch
IT-Fehler oder erfolgreiche Cyberattacken. „Der Reputationsschaden
selbst kann aufgrund unzureichender Bemessungsgrundlage nicht
abgedeckt werden, wohl aber die Kosten für Krisenkommunikation
und entsprechende Beratung“, berichtet Albers.
JOSE FIDALGO
Head of Risk Consulting Germany
[email protected]
HARTMUT MAI
Chief Underwriting Officer, Corporate Lines
[email protected]
JOACHIM ALBERS
Global Head of Product Development
[email protected]
GEORGI PACHOV
Global Cyber Leader Property
[email protected]
ALLIANZ CYBER PROTECT
Bei der Cyberversicherung Allianz Cyber Protect handelt es
sich um ein spartenübergreifendes standardisiertes Produkt, das IT- und Cyberrisiken für Unternehmen abdeckt.
Allianz Cyber Protect ersetzt einerseits eigene Schäden, die bei einem versicherten Unternehmen entstehen,
das Opfer von Internetkriminalität wird. Diese beinhalten
beispielsweise Aufwendungen für die Benachrichtigung
von Kunden, für IT-forensische Untersuchungen, für mögliche Bußgelder, für die Wiederherstellung von geschädigten oder zerstörten Daten oder für Ertragsausfälle durch
Betriebsstörungen. Ein weiterer Baustein ist die Übernahme der Kosten für Krisenkommunikation zum Reputationsschutz. Andererseits kommt die Police für Haftpflichtschäden auf, die Kunden des versicherten Unternehmens
infolge von Hackerangriffen, Denial-of-Service-Attacken,
Datenschutzverletzungen oder fehlerhafter digitaler
Kommunikation erleiden. Mit einer Deckungssumme bis
zehn Millionen Euro bietet Allianz Cyber Protect somit einen breiten Schutz gegen alle wichtigen Cyberrisiken, erfordert aber nur eine schlanke Risikoprüfung vor Vertragszeichnung.
Cyber Protect ist modular aufgebaut und wird so sehr
unterschiedlichen Kundenansprüchen gerecht. Es reicht
vom standardisierten Einsteigermodell mit einer Deckung
bis zu zehn Millionen Euro bis hin zu einer maßgeschneiderten Deckung mit Limits bis zu 50 Millonen Euro.
Das Cross-Line-Produkt, für das Engineering, Financial Lines, Liabilty und Property gemeinsam Know-how beisteuern, wird in allen wichtigen AGCS-Märkten stufenweise eingeführt. 2013 in Deutschland, Österreich, der
Schweiz, Großbritannien/Frankreich, Spanien und Australien/Neuseeland. 2014 erfolgt die Einführung in den Märkten Asiens.
Cyber Protect deckt folgende Risiken ab:
•
Persönlichkeitsrechts- und Datenschutzverletzungen
•
Netzwerksicherheitsverletzungen
•
Multi-Media-Pflichtverletzung – z.B
Schäden durch Rechtsverletzungen
•
Computerbetrugsschäden
•
Betriebsunterbrechung und Datenwiederherstellung
•
Datenschutzrechtliche Verfahren –
z.B Kosten für die Benachrichtigung
von Kunden
•
E-Payment/Vertragsstrafen
•
Forensische Dienstleistungen – Kosten zur Suche nach Schwachstellen bzw. Malware
•
Kosten für Krisenkommunikation – zur Vermeidung von
Reputationsschäden
WWW.AGCS.ALLIANZ.COM/SERVICES/FINANCIAL-LINES/
15
Vereinfachter Windpark-Aufbau
RISK
FUTURES
Kampf auf hoher See
Der Wind heult um die Ohren und peitscht den Regen ins Gesicht. Manchmal ist
der Bau eines Offshore-Windparks auf hoher See ein hartes Geschäft. „Es gibt Zeiten, in denen es wirklich knallharte Arbeit ist“, bestätigt Eduard Lopkov, „aber es ist
auch eine faszinierende Aufgabe. Ich glaube, man muss ein Pionier im Geiste sein.
Und trotz aller Herausforderungen ist die Zufriedenheit am Ende riesig.“
GEOFF POULTON
1.
2.
3.
4.
5.
Windkraftanlage
Feldkabel
Umspannstation auf See
Landanschluss-Kabel
Umspannstation an Land
1
 Verbindung zu
Leitungsnetzen an Land
Umspannstation
an Land
Umspannstation auf See
5
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Kabel (132 Kv)
2
Interne Windparkverkabelung (33Kv )
Beispiel einer Windpark-Anordnung (Anholt)
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Windkraftanlage
Feldkabel
Umspannstation auf See
Landanschluss-Kabel
Umspannstation an Land
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Lopkov ist Offshore-Installationsmanager für Windturbinen bei Dänemarks größtem Energiekonzern, DONG Energy. Seine Aufgabe ist die Betreuung und Überwachung der
Entwicklung, der Konstruktion und des Baus von OffshoreWindparks. Das heißt, dass er zu manchen Zeiten zwei aufeinanderfolgende Wochen auf See verbringt. Das sei sicher
nicht jedermanns Sache, gibt der Bulgare zu, ist jedoch der
Ansicht, dass Talentgewinnung für diese junge und dynamische Branche kein Problem sei. Tatsächlich ist der Markt
für Offshore-Windanlagen angesichts der wachsenden Bedeutung der erneuerbaren Energien ein zunehmend attraktiver Sektor.
Eine aktuelle Studie von Roland Berger mit dem Titel „Offshore Wind Toward 2020“ schätzt den Markt für OffshoreWindenergie im Jahr 2020 auf ein Investitionsvolumen von
rund 130 Milliarden Euro. Ein Großteil der Anlagen wird in
Europa liegen, mit einer Gesamtkapazität von rund 4.500
Megawatt. Die Kapazität in Asien wird auf 1.500 Megawatt
prognostiziert, in Nord- und Südamerika auf 500 Megawatt.
Die Gründe für diese regionalen Unterschiede sind zahlreich. In Europa soll der Anteil erneuerbarer Energien an
der Stromerzeugung bis 2020 mindestens 35 Prozent betragen, zwölf Prozent sollen aus Windenergie stammen. Und
während Regionen wie die Vereinigten Staaten über große
unbewohnte Flächen verfügen, auf denen – logistisch einfachere – Onshore-Windanlagen gebaut werden können,
lässt die höhere Bevölkerungsdichte in Europa die Windparks zunehmend aufs offene Meer ausweichen.
Innerhalb von Europa liegt der Fokus stark auf der Nordund Ostsee. „Nordeuropa ist der am weitesten entwickelte
16
Offshore-Markt, allen voran Großbritannien, gefolgt
von Belgien, den Niederlanden, Skandinavien und
Deutschland, die ebenfalls ihre Kapazitäten ausbauen“, erläutert Robert Maurer, Head of Engineering, Germany & Central Europe bei Allianz Global Corporate &
Specialty (AGCS). Und dies mit gutem Grund: „Offshore-Windkraft hat eine um 40 Prozent höhere Energieeffizienz als Onshore-Windkraft.“ Die Bedingungen
sind jedoch auch wesentlich anspruchsvoller: Starke,
böige Winde, Wellen, sehr salziges Wasser und Luft – all
dies bedeutet eine erhebliche Belastung der Ausrüstung von Offshore-Windanlagen.
3
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Quelle: DONG Energy
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G01
D01
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B01
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Eine weitere Herausforderung für die Branche ist der
entstehende Trend zu größeren Windparks in größerer
Entfernung zur Küste. „Bisher wurden Windparks meist
in einer Tiefe von 20 Metern und einer Entfernung von
der Küste von rund 20 Kilometern gebaut“, sagt Gerhard
Müller, Senior Engineering Risk Consultant bei AGCS.
„Doch seit die Küstenlinien immer stärker verbaut sind,
werden erste Windparks in größerer Entfernung zur
Küste errichtet. Dies gilt insbesondere für Deutschland,
wo Naturschutzgesetze den Bau von Windanlagen in
Küstennähe begrenzen und Anwohner die über 100 Meter hohen Turbinen in der Nähe ihrer Häuser ablehnen
– für sie sind sie ein ‚Schandfleck‘.“
Komplexe Logistik
Die größere Entfernung von der Küste wirkt sich beim
Bau von Windparks sowohl auf die Logistik als auch auf
die erforderlichen Fundamente aus. Diese unterstützenden Elemente, auf denen die Turbinen ruhen, wie-
17
HGO InfraSea Solutions
Innovation
Länge der Beine: 89 Meter
Hebeleistung des Kranes:
1.500 Tonnen bei einer
Auslage von 31,5
Metern um die Basis
Vollautomatisches Hebesystem
(Zahnstangenantrieb)
Hubschrauberlandeplatz mit einem
Durchmesser von 21
Metern und einer
Belastbarkeit von bis
zu 13 Tonnen
Tragfähigkeit des Schiffes:
8.000 Tonnen
• Keine Zubringerlieferungen benötigt
• Komplettlösung
• Fortschrittliches Sicherungssystem
Das Deck hat eine Größe von 3.400 m2,
das entspricht fast acht Basketballfeldern
Voll ausgestattete
Unterkünfte für bis zu
100 Personen
Maximale Wassertiefe bei voller
Absenkung der Beine: 65 Meter
immer größer und erfordern immer größere und stärkere Kräne, um
sie an ihren Platz zu heben. Diese Faktoren treiben die Investitionskosten in die Höhe und machen den ohnehin langwierigen Prozess noch
komplexer.
Ein wesentlicher Engpass in dieser noch jungen Branche ist der Mangel an spezialisierten Installationsschiffen, ein Problem, das erst
jüngst in Angriff genommen wird. Zuvor waren sogenannte Hubinseln,
Plattformen aus der Öl- und Gasindustrie, adaptiert und verwendet
worden. Diese mussten wiederum von Schleppern in die richtige Position manövriert werden – ein zeitraubender Prozess. Doch mit der Verlagerung in tiefere und exponiertere Gewässer müssen flexiblere und
effizientere Lösungen gefunden werden.
Errichterschiffe der neuesten Generation wie die kürzlich gebaute Innovation sollen den veränderten Anforderungen der Branche Rechnung tragen. Die Innovation ist ein Transport- und Errichterschiff in einem, ausgestattet mit vier Hubbeinen (Jack-up-Legs), die an der vorgesehenen Position abgesenkt und auf den Meeresboden gesetzt werden. Sie heben das
Schiff aus dem Wasser, sodass sich eine vollkommen stabile Arbeitsplattform ergibt, von der aus sowohl die Elemente des Fundaments platziert
als auch die Turbine errichtet werden können. Allerdings, so erklärt Eduard Lopkov, seien derzeit nur sehr wenige dieser Errichterschiffe im
Dienst, was bedeute, dass diese stark nachgefragt seien. „Wir versuchen,
diese Schiffe bereits zwei Jahre vor Beginn der eigentlichen Installationsarbeiten zu reservieren.“ Da sich Projekte in der Vorbereitungsphase an
Land manchmal verzögern, ganz zu schweigen von potenziellen wetterbedingten Ausfallzeiten auf See, kann es schwierig sein, den Projektablauf
zu synchronisieren. „Den Zeitplan einzuhalten kann der schwierigste Teil
der Arbeit sein“, räumt Lopkov ein.
Der eigentliche Bau einer Offshore-Windanlage beginnt mit einer geotechnischen Untersuchung des Meeresbodens, um den besten Ort für die
Installation der Turbine zu bestimmen. Ausgehend von diesen Daten
18
DATEN UND FAKTEN DER BRANCHENFÜHRENDEN INNOVATION:
Hubgeschwindigkeit: 1 Meter pro Minute
folgt dann eine Feinabstimmung der Fundamenterstellung. Der derzeit
gebräuchlichste Fundamenttyp ist ein Monopile, ein riesiges Stahlrohr,
das in den Meeresboden gerammt wird. Darauf sitzt das Übergangsstück
(Transition Piece), das das Fundament und den Turbinenturm verbindet.
Für größere Turbinen und in tieferen Gewässern steigen die Kosten von
Monopiles jedoch erheblich, weswegen sogenannte Jacket-Fundamente
an Beliebtheit gewinnen. Jacket-Fundamente bestehen aus drei oder vier
Hauptbeinen, verbunden durch fachwerkartige Verspannungen. JacketFundamente sind flexibler und leichter als Monopiles, daher erwartet die
Roland-Berger-Studie für die kommenden Jahre eine zunehmende Verwendung dieses Fundamenttyps.
Nach der Errichtung der Fundamente übernimmt das Turbineninstallationsteam. Hier spielen Schiffe wie die Innovation ihre Stärken aus, da sie
bis zu sieben 6-MW-Turbinen vom Hafen zum Standort transportieren
und dort die Installation übernehmen können. „Der Einsatz eines Errichterschiffs vereinfacht den Prozess erheblich“, sagt Lopkov. „Es werden keine Feederbargen mehr benötigt, ebenso fallen das gefährliche und zeitraubende Schleppen auf See und die Ankerarbeiten weg. Man kann mit
nur einem Hafenbesuch mehrere Turbinen laden, transportieren und installieren. Dies ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern reduziert auch das
Risiko wetterbedingter Ausfallzeiten.“
Die Installation einer einzelnen Turbine dauert rund zwei Tage – eine Präzisionsarbeit, die eine perfekte Koordination zwischen den Teammitgliedern erfordert. „Alles ist extrem genau geplant, sodass wir exakte Angaben haben, was genau wohin muss“, sagt Lopkov. „Es gibt keinen Spielraum für Fehler. Das ist nicht einfach, wenn man Teile bewegt, die
Hunderte von Tonnen wiegen.“
tert Lopkov. „Und um ehrlich zu sein: nach einer 12-Stunden-Schicht
schläft man überall wie ein Stein! Es sind die wetterbedingten Ausfallzeiten, wenn das Wetter zu schlecht zum Arbeiten ist, während dener man
Fernseher, Fitnessräume und Kantinen genießt.“
Sobald die Windturbinen erfolgreich installiert sind – in großen Windparks stehen mehr als 100 dieser Turbinen – muss der produzierte Strom
in das Stromnetz an Land transportiert werden. Dies ist ein weiterer Bereich, in dem die neuere Generation von Windparks weiter von der Küste
entfernt auf Schwierigkeiten stößt. „Über kürzere Distanzen kann Strom
mithilfe von Wechselstromkabeln übertragen und direkt ins Leitungsnetz an Land eingespeist werden“, sagt Gerhard Müller. „Über längere
Distanzen wäre dies jedoch mit hohen Stromverlusten verbunden, sodass auf See ein Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-(HGÜ)Stromrichter benötigt wird, der den Strom zum Land transportiert, wo er
wiederum in Wechselstrom zurückgewandelt und in das Leitungsnetz
eingespeist wird.“
Die Studie „Offshore Wind Toward 2020“ weist darauf hin, dass es derzeit
nur drei Hersteller von HGÜ-Stromrichtern gibt, ihre Lieferzeiten betragen mehrere Jahre. Und bei einem Gewicht von 10.000 Tonnen sind nur
sehr wenige Errichterschiffe weltweit in der Lage, diese zu installieren.
„Dies ist aktuell eines von mehreren größeren Problemen im deutschen
Markt“, kommentiert Müller. „Insgesamt hat Deutschland nicht denselben Erfahrungsstand bei Offshore-Windparks wie Großbritannien.
Wenn man berücksichtigt, dass alles in einer Größenordnung versucht
wird, wie es sie bisher noch nirgendwo wirklich gab, sind Verzögerungen
fast unvermeidlich. Es ist noch unerprobte Technologie.“
Streben nach Wettbewerbsfähigkeit auf Kostenseite
Da die Offshore-Windenergie noch in den Kinderschuhen steckt,
hat die Branche darum gekämpft, externe Investitionen anzuziehen. Windparks sind immer noch überwiegend in der Hand von
Versorgungsunternehmen. Die Branche sei weiterhin mit einem
beträchtlichen Risiko verbunden, so Maurer, und sei bislang nur in
Ländern verbreitet, die nennenswerte staatliche Subventionen bieten. Insbesondere auf der Kostenseite muss die Offshore-Energieerzeugung noch wettbewerbsfähiger werden, um sich nachhaltig
entwickeln zu können. „Da prallen neue und alte Formen der Energiegewinnung aufeinander. Der Preis für CO2-Zertifikate ist derzeit
so niedrig, dass erneuerbare Energien einfach nicht wettbewerbsfähig sind.“
Die vielen Veränderungen in der Branche sieht Maurer als spannende Zeit an, obwohl es mehrere Jahre dauern könne, bis sich etwas Stabilität entwickelt und die Technologie weiter reift. Während
Offshore-Energieerzeugung auch bis zum Jahr 2020 nicht das Kos-
• Das Schwertransport-Schiff mit Jack-up-Beinen wurde im Juli
2012 fertiggestellt (nach einer vierjährigen Planungs- und
Bauphase).
• Eigentümer und zugleich Betreiber ist die HGO InfraSea Solutions, ein Joint Venture von HochTief und GeoSea.
• Das Schiff kann in Gewässern bis zu 50 Meter Tiefe arbeiten
(65 Meter mit ausgefahrenen Beinen) und bei Windgeschwindigkeiten bis zu 18 Metern pro Sekunde und einer Wellenhöhe
von bis zu zwei Metern eingesetzt werden.
• Der Liebherr-Hauptkran kann 1.500 Tonnen heben (mehr als
alle vergleichbaren Kräne auf anderen Errichterschiffen).
• Geschwindigkeit: 12 Knoten
• Die Ladekapazität beträgt 8.000 Tonnen, mit einem Arbeitsdeck
von 3.400 Quadratmetern, um bis zu drei der 900 Tonnen
schweren Tripods und neun Tragpfosten zu ihrem Bestimmungsort zu transportieren
• „All-in-one“-Konzept: Beladung, Transport und Installation.
• Hochwertige Unterkünfte für Mitarbeiter und Schiffscrew
• Derzeit im Einsatz für den Aufbau des Windparks „Global Tech 1“
in der Nordsee nördlich von Bremerhaven (Fünfjahresvertrag
ab August 2012)
tenniveau konventionellerer Energieproduktion erreichen dürfte, geht Roland Berger Consulting davon aus,
dass sich die Entwicklung der Windenergie auf dem
richtigen Weg befindet, auch wenn die Studie darauf
hinweist, dass noch mehr Kooperation zwischen den
Regierungen und beteiligten Branchen vonnöten ist.
„Eines ist sicher: Windenergie ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Energiewende“, sagt Maurer. „Wir
brauchen sie – heute und zukünftig noch viel mehr.“
ROBERT MAURER
Head of Engineering Germany & Central Europe
Allianz Global Corporate and Specialty AG
[email protected]
GERHARD MÜLLER
Senior Risk Consultant
Risk Consultants Engineering Germany
Allianz Global Corporate & Specialty AG
[email protected]
EDUARD LOPKOV
DONG Energy Renewables Germany GmbH
Offshore Installation Manager WTG
[email protected]
WWW.AGCS.ALLIANZ.COM/RISK-CONSULTING/MARINE
Montageingenieure arbeiten immer zwei aufeinanderfolgende Wochen,
dann haben sie zwei Wochen frei. Die Schiffscrew des Errichterschiffs –
erfahrene Seeleute – haben doppelt so lange Schichten. „Es ist harte Arbeit, aber die Bedingungen auf modernen Schiffen sind sehr gut“, erläu-
19
SPECIAL
TOPIC
Unter Spannung
Industrie- und Schwellenländer investieren zurzeit massiv in erneuerbare Energien.
Die Wasserkraftwerke, Windräder und Solarparks entstehen meist in abgelegenen
Regionen. Um den Strom zu den Verbrauchern zu bringen, müssen neue Übertragungsleitungen gebaut und bestehende Netze erweitert werden. Das ist mit erheblichen Risiken verbunden. Denn Stromtransport ist Hightech.
RALPH DIERMANN
Fast so hoch wie der Pariser Eiffelturm ist die Staumauer des
Xiluodu-Wasserkraftwerks am chinesischen Jinsha-Fluss:
278 Meter misst die Dammkrone der Anlage, die 2014 in Betrieb gehen soll. Xiluodu gehört zu einem Komplex mit fünf
weiteren Wasserkraftwerken am Jinsha, die nach Abschluss
aller Bauarbeiten zusammen die Leistung von vierzig Atomkraftwerken erbringen sollen.
.
Klotzen statt kleckern: Mit schwindelerregendem Tempo erweitern China und auch andere boomende Volkswirtschaften wie Indien, Brasilien oder die arabischen Staaten zurzeit
ihre Kapazitäten zur Stromerzeugung. Insgesamt 112 Milliarden US-Dollar haben die Schwellen- und Entwicklungsländer 2012 allein in Windräder und Solarparks investiert,
in den Industrienationen waren es sogar 132 Milliarden USDollar, so eine Studie von Bloomberg New Energy Finance.
Hier Erzeugung, dort Verbrauch
Doch mit dem Bau neuer Wasserkraftwerke, Windräder und
Solarparks allein ist es nicht getan – der Strom muss auch
dorthin transportiert werden, wo er benötigt wird. Denn bei
den erneuerbaren Energien sind Produktion und Verbrauch
meist räumlich entkoppelt. Windkraftanlagen entstehen
bevorzugt da, wo eine kräftige Brise weht, Wasserkraftwerke
an tief eingeschnittenen Flüssen oder in Bergregionen,
großflächige Photovoltaikanlagen in dünn besiedelten, son-
20
nigen Gegenden. Die Verbrauchszentren, die Ballungsräume und die Industriestandorte, sind jedoch häufig Hunderte
oder gar Tausende Kilometer davon entfernt.
Das stellt die Netzbetreiber vor große Herausforderungen.
Wie soll der Strom aus den neuen Wasserkraftwerken in China, Indien, Brasilien und andernorts zu den Verbrauchern
gelangen, wo doch die bestehenden Netze mit den zusätzlichen Tausenden Gigawattstunden Strom völlig überfordert
wären? Wie kommt der Strom ans Festland, den die Windräder auf hoher See produzieren?
Mithilfe der „Monster-Trucks“ unter den Technologien für
den Stromtransport: der Hochspannungs-GleichstromÜbertragung, kurz HGÜ. Sie macht es möglich, große Mengen an Strom sehr effizient über weite Strecken zu befördern. „HGÜ-Leitungen haben gegenüber der konventionellen Drehstromtechnik den Vorteil, dass selbst beim
Transport über Tausende Kilometer hinweg nur ein minimaler Teil der Energie verloren geht“, erklärt Thorsten Lutz, Senior Underwriter Engineering Germany bei Allianz Global
Corporate & Specialty (AGCS). Um bis zu 50 Prozent lassen
sich die Verluste mit einer HGÜ-Leitung minimieren – angesichts von Übertragungskapazitäten in der Größenordnung
mehrerer Gigawatt ein echter Trumpf. Die Verbindungen
können gleichermaßen als Überlandleitung wie als Seeoder Erdkabel verlegt werden.
Unter Höchstspannung
Die HGÜ ist keine völlig neue Technologie. Die ersten Leitungen gingen bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Betrieb. Doch erst
mit der gegenwärtig rasant steigenden Nachfrage nach Energie erlebt die HGÜ ihren Durchbruch. „In diesem Jahrzehnt werden voraussichtlich HGÜ-Leitungen mit einer Gesamtkapazität von 250 Gigawatt ausgeschrieben. Das ist ein gewaltiger Boom, denn in den vergangenen 40 Jahren wurden insgesamt nur 100 Gigawatt installiert“,
sagt Tim Dawidowsky, CEO der Business Unit Transmission Solutions der Energiesparte von Siemens.
Grund dafür ist neben den großen Projekten im Bereich Erneuerbare
Energien auch der Aufbau länderübergreifender Verbindungen, die
lokale Schwankungen in Energieerzeugung oder -verbrauch ausgleichen können. Dawidowsky nennt dafür als Beispiel eine HGÜ-Trasse,
die Siemens zurzeit zusammen mit Partnern zwischen Frankreich
und Spanien errichtet. „Mit solchen Leitungen können wir die Engpässe in den europaweiten Übertragungsnetzen nach und nach beseitigen“, ist der Manager überzeugt. Siemens geht davon aus, dass
das weltweite Marktvolumen für HGÜ-Trassen 2017 bei sechs Milliarden Euro liegen wird. Das entspricht einer Verdoppelung gegenüber
2012.
In Europa ist der HGÜ-Ausbau eng mit den Plänen verknüpft, erneuerbare Energien bevorzugt an den Standorten mit günstigen natürlichen Bedingungen zu erzeugen. Solarkraftwerke in Südeuropa oder
Nordafrika, Windparks in Nordwesteuropa – „diese europäischen
21
„Mit HGÜ-Leitungen können wir die Engpässe
in den europaweiten Übertragungsnetzen nach
und nach beseitigen.“
Tim Dawidowsky
CEO, Transmission Solutions Siemens
Wasser, Wind und Sonne – erneuerbare Energien finden in Europa immer
häufiger Verwendung. HGÜ-basierte Übertragungs- und Speicherungssysteme könnten helfen, lokale Energieengpässe zu überbrücken.
HGÜ-Leitungen und
-Umspannstationen
wie oben sind die
Kernelemente
zukünftiger Energieübertragung und
-speicherung.
Einspeiseregionen müssen natürlich über leistungsfähige
Leitungssysteme verbunden werden, damit sich die Produktionsgebiete gut verschachteln lassen und die Reservehaltung bei der Erzeugung möglichst gering ist“, erklärt Michael Höckel, Professor für Energiesysteme an der Berner
Fachhochschule für Technik und Informatik in der Schweiz.
„Für diese internationale Variante der verstärkten Nutzung
von erneuerbarer Energie in Europa ist der Aufbau eines
übergeordneten Transportnetzes auf HGÜ-Basis unumgänglich.“
Neuland auf hoher See
HGÜs sind Hightech – und ihr Herzstück sind die Umrichterstationen. Am Beginn der Leitung transformieren sie die
Spannung des Stroms aus dem vorgelagerten Drehstromnetz auf einen Wert von bis zu 800 Kilovolt (kV) herauf und
am Ende der Leitung wieder auf eine niedrigere Wechselspannung herunter. Solche 800-kV-Transformatoren kosten
zwischen fünf und zehn Millionen Euro pro Stück, die 400kV-Anlagen etwa die Hälfte. Und sie sind empfindlich: „Die
Transformatoren muss man wie rohe Eier behandeln. Schon
22
der kleinste Stoß beim Transport oder bei der Errichtung
kann zu einem Komplettschaden führen“, erklärt Oliver
Höck, Risk Consultant Engineering bei AGCS.
Kein Wunder also, dass beim Bau neuer HGÜ-Leitungen
die Versicherungs- und Beratungsleistungen der AGCS
sehr gefragt sind – immerhin benötigen die Netzbetreiber bei größeren Projekten gleich mehrere Dutzend solcher Transformatoren. Häufig werden sie in abgelegenen Regionen errichtet, was die ohnehin komplexe Logistik nicht gerade vereinfacht. Schließlich hat ein
Transformator die Größe eines Überseecontainers und
wiegt so viel wie ein kleines Einfamilienhaus. Der LkwTransport erfordert viel Fingerspitzengefühl: „Das ist so,
als müsse man ein voll möbliertes Haus bewegen, ohne
dass die Gläser aus dem Schrank fallen“, beschreibt
Höck die Aufgabe. Dazu kommen politische Risiken wie
Aufstände oder Sabotageakte, die Gefahr von Naturkatastrophen, etwa von Erdbeben, und nicht zuletzt technische Risiken, die mit der Montage und Errichtung verbunden sind.
Noch größere Risiken birgt die Installation von Umrichterstationen auf hoher See, die Offshore-Windparks mit dem
Stromnetz verbinden. Wellengang und widrige Wetterbedingungen machen die Montage oft sehr schwierig. Zudem
fehlt es hier an Erfahrungen, da es bislang kaum Windparks
weit draußen im Meer gibt. Angesichts dessen ist auch die
Versicherung solcher Projekte eine echte Herausforderung.
Höck beschreibt ein typisches Vorgehen von AGCS: „Als wir
jüngst die Anbindung eines Offshore-Windparks in der
Nordsee versichert haben, sind wir zusammen mit den Ingenieuren des Transformatorenherstellers zu einem Prototypen in den USA gereist und haben die Anlage bis zur letzten
Platine unter die Lupe genommen. Später haben wir dann
den Montage- und Errichtungsprozess mit dem Kunden begleitet und dabei unsere Expertise mit eingebracht.“
Europa rückt zusammen
WELTWEITE INVESTITIONEN IN ERNEUERBARE ENERGIEN:
INDUSTRIESTAATEN IM VERGLEICH ZU ENTWICKLUNGSLÄNDERN, 2004–2012,
IN MILLIARDEN US$
China
Indien
Vereinigte Staaten
Neben dem Bau neuer HGÜ-Leitungen müssen die Netzbe- Europäische Union
treiber vielerorts auch das bestehende Drehstrom-ÜbertraJapan
gungsnetz erweitern, um Windräder, Solarsysteme und ande2000
3000
4000
5000
6000
-1000
0
1000
re Anlagen in das Energiesystem zu integrieren. Das gilt vor allem für Europa, wo die nationalen Drehstromnetze bislang
Gas
Atomenergie
Erneuerbare Energien
Kohle
kaum miteinander verbunden sind. „Windenergie und Photovoltaik sind fluktuierende Energiequellen. Um mehr Stabilität
in den Stromnetzen zu schaffen und den Bedarf an neuer LeiSchwellenländer wie China oder Indien werden ihren Kraftwerkspark bis
tungsinfrastruktur in den einzelnen Ländern zu reduzieren,
2035 stark ausbauen. Neben der Kohle setzen sie dabei vor allem auf die
Energieträger Wasser, Wind und Sonne. In den USA und in Europa fällt
ist es sehr sinnvoll, die Netze zwischen den europäischen
der Zuwachs dagegen nur moderat aus. Kohlekraftwerke verlieren hier
Staaten enger miteinander zu verknüpfen“, erklärt Professoan Bedeutung, die erneuerbaren Energien werden immer wichtiger.
rin Miranda Schreurs, Leiterin des Forschungszentrums für
Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin. Dann könne
Quelle: Internationale Energie-Agentur/World Energy Outlook 2012
zum Beispiel an sehr windigen Tagen Strom exportiert wer-
23
ENTWICKLUNG DER ENERGIEERZEUGUNG, 2010-2035,
IN MILLIARDEN US$
200
150
100
50
In den letzten fünf Jahren haben sich die
Investitionen der Schwellen- und Entwicklungsländer in Solar- und Windenergieanlagen annähernd verdoppelt. Damit haben
sie fast zu den Industrienationen aufgeschlossen.
Quelle: UNEP/ Bloomberg New Energy Finance
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Industriestaaten
2010
2012
Entwicklungsländer
den, statt bei einer drohenden Überlastung der Netze die
Windräder einfach abzuschalten. Die EU hat das Problem
erkannt und stellt im Rahmen des „Connecting Europe“Programms neun Milliarden Euro als Darlehen oder Bürgschaften zur Verfügung – für HGÜ-Leitungen genauso wie
für die Erweiterung des Drehstromnetzes.
Die Netze werden smart
Ein engmaschigeres Netz allein genügt allerdings nicht,
um die erneuerbaren Energien in das System einzubinden: Es muss auch smarter werden. Das gilt vor allem für
die mittleren und unteren Netzebenen. Integrierte Mess-,
Steuer- und Kommunikationsinstrumente helfen, die Erzeugung und den Verbrauch von Strom besser in die Balance zu bringen und so Blackouts zu verhindern. Auch die
Spannungsschwankungen sowie die Zahl der Ausfälle im
Millisekundenbereich lassen sich auf diese Weise reduzieren. Davon profitiert vor allem die Industrie, deren empfindliche Produktionsprozesse durch eine schlechtere
Versorgungsqualität leiden können.
Ein solches Smart Grid ermöglicht zum Beispiel Industrieunternehmen, den Netzbetreibern – gegen ein angemessenes Honorar – bei der Stabilisierung der Stromversorgung zu helfen. Dazu gewähren sie ihnen das Recht,
einzelne Anlagen mit hohem Energiebedarf aus der Ferne
abzuschalten, wenn eine Überlastung der Netze droht. In
Kalifornien ist dieses Modell längst etabliert: Die Betreiber
von Kühlhäusern zum Beispiel lassen ihre Kältemaschinen bevorzugt dann laufen, wenn viel Strom in die Netze
drängt. Damit produzieren sie Kälte auf Vorrat – das Kühlhaus dient als eine Art Stromspeicher. Wenn zu wenig
Strom zur Verfügung steht, schalten sie die Anlagen einfach für einige Stunden ab. Für diese Leistung werden sie
mit niedrigen Energiepreisen oder einer direkten Vergütung belohnt. Eine solche Lösung ist deutlich günstiger als
der Ausbau der Netze.
24
2011
WISSEN UND ERFAHRUNG
Allianz Global Corporate & Specialty ist einer der weltweit führenden Versicherungspartner für Unternehmen aus der Energiebranche. Das Leistungsportfolio umfasst unter anderem die
Versicherung von Risiken beim Transport, der Errichtung und
Installation von Übertragungsleitungen und Kraftwerken, das
Decken von Umsatzausfällen in der Konstruktionsphase sowie
das Risikoconsulting während des gesamten Lebenszyklus einer Anlage. „Unsere Underwriter und Risikoingenieure verfügen über exzellentes Fachwissen und viel Erfahrung. Sie verstehen genau, was unsere Kunden tun, und können sie kompetent
begleiten, wenn sie ihre Technologien und Geschäftsmodelle
weiterentwickeln“, erklärt Robert Maurer, Leiter Engineering
Germany bei AGCS.
THORSTEN LUTZ
AGCS Germany Senior Underwriter
[email protected]
TIM DAWIDOWSKY
CEO, Business Unit Transmission Solutions, Energy Divison, Siemens
MICHAEL HÖCKEL
Professor of Energy Systems,
Berner Fachhochschule für Technik und Informatik der Schweiz
[email protected]
OLIVER HÖCK
Allianz Risk Consulting Engineer
[email protected]
PROF. MIRANDA SCHREURS
Head of the Research Center for Environmental Policy, Freie Universität Berlin
[email protected]
WWW.AGCS.ALLIANZ.COM/SECTORS
Long-line
Erste 800-kV-Multi-Terminal-HGÜ-Leitung wird in der
größten Demokratie der Welt – in Indien – eingerichtet
RALPH DIERMANN
Mit dem Tadsch Mahal zählt Agra zu den beliebtesten
Reisezielen Indiens. Doch zugleich ist die Millionenstadt
eines der wichtigsten industriellen Zentren des Landes.
Wie in vielen anderen Regionen des Halbkontinents entwickelt sich die Wirtschaft in der nordindischen Metropole sehr dynamisch – und damit auch der Energiebedarf. Doch die Infrastruktur ist dem nicht gewachsen,
immer wieder kommt es zu Blackouts oder kurzzeitigen
Spannungseinbrüchen.
Um solche Ausfälle künftig zu vermeiden, hat der Netzbetreiber Power Grid Corporation of India Ltd. das weltweit
größte Projekt zur Multi-Terminal-Stromübertragung in
Auftrag gegeben: Versichert von AGCS, errichtet ABB zurzeit zusammen mit einem lokalen Partner ein HGÜ-Projekt,
das Strom aus mehreren Wasserkraftwerken im Nordosten
Indiens über 1.728 Kilometer hinweg nach Agra transportiert. „Die HGÜ-Technologie ist hervorragend geeignet, um
das vorhandene Wegerecht für Stromleitungen sehr effizient zu nutzen, da sich damit große Mengen an Energie
mit geringen Verlusten über lange Strecken übertragen lassen“, erklärt Abhay Kumar, Leitender Ingenieur bei ABB.
Wenn der Bau in zwei Jahren abgeschlossen ist, fließen bei
voller Auslastung sechs Gigawatt Strom – so viel wie die
Leistung von sechs
Atomkraftwerken – durch
die Leitung. Das reicht aus,
um 90 Millionen Inder mit
Energie zu versorgen. Dazu
kommt eine Sicherheitsreserve von
zwei Gigawatt, sodass die Gesamtkapazität bei acht Gigawatt liegt. Noch nie zuvor ist eine
Stromleitung dieser Leistung errichtet worden.
Einen neuen Standard setzt das 1,1 Milliarden USDollar teure Projekt noch in einer anderen Hinsicht: Die
Spannung der HGÜ-Leitung liegt bei 800 Kilovolt (kV) –
die meisten HGÜ-Verbindungen arbeiten heute mit einer Spannung zwischen 400 und 600 kV. Vorteil dieser
Ultrahochspannungstechnologie sind die extrem geringen Verluste beim Transport. „HGÜ-Leitungen mit einer
Spannung von 800 kV sind wirtschaftlich attraktiv, wenn
es um große Übertragungsleistungen – zwischen 5.000
und 8.000 Megawatt – über 1.000 bis 1.500 Kilometer
und mehr geht. Sie ermöglichen die Integration erneuerbarer Energien wie Wasserkraft, die natürlicherweise
oft in Gegenden erzeugt wird, die weit entfernt von den
größeren Lastzentren sind“, sagt Kumar.
25
SPECIAL
TOPIC
Lokale Vielfalt,
globale Einheit
Internationale Versicherungslösungen für weltweit
tätige Unternehmen werden immer wichtiger, sagt
Vinko Markovina.
HEIDI POLKE-MARKMANN UND DAN HARRIMAN
26
Die zunehmende Globalisierung, komplexe Lieferketten, sich verändernde gesetzliche Vorgaben sowie diffizile ökonomische und ökologische Faktoren bedeuten ständig neue Risiken. In diesem komplexen Umfeld
benötigt man flexible und tragfähige internationale Versicherungslösungen, die zentral gesteuert und verwaltet werden.
Heutzutage bedienen viele Unternehmen globale Märkte und unterhalten Produktions- und Vertriebsstandorte
in aller Welt. Nach geltendem Aufsichtsrecht müssen
sich die Unternehmen überall dort versichern, wo sie ins
Handelsregister eingetragen sind. In jeder dieser Rechtsordnungen wird eine lokale Versicherung zur Deckung
der lokalen Risiken des Kunden abgeschlossen. Um einen einheitlichen Deckungsschutz sicherzustellen, werden die verschiedenen lokalen Policen über fakultative
Rückversicherungen gebündelt. Ein Rahmenprogramm
dient als globaler Schirm, der – bei Bedarf und sofern ge-
stattet – alle Standorte abdeckt. Der Rahmenvertrag harmonisiert die Risikodeckung über das gesamte Versicherungsprogramm und sorgt dafür, dass alle lokalen
Regulierungsvorgaben eingehalten werden.
Vinko Markovina leitet die neue Allianz Global Corporate & Specialty-Funktion für internationale Versicherungslösungen. Wir fragten ihn nach den Herausforderungen bei der Einführung globaler Lösungen und den
aktuellen Trends in der internationalen Regulierung des
Versicherungssektors.
27
„Ein zentral gesteuertes multinationales Versicherungsprogramm deckt die globalen Risiken des Kunden durch einen
einheitlichen, transparenten Versicherungsschutz ab.“
Vinco Markovina
Senior Vice President & Global Practice Leader, International Insurance Solutions
Die Herausforderungen bei der Entwicklung internationaler Lösungen müssen vielfältig und komplex sein. Worauf
achten Sie besonders?
Man hat es in diesem Geschäft auf alle Fälle mit einigen Hürden
und Fallstricken zu tun, die uns auf Trab halten. Die lokalen Versicherungs- und Steuerbestimmungen sind uneinheitlich, häufig vage definiert und manchmal sogar widersprüchlich. Die Versicherungssteuern unterscheiden sich von Land zu Land und in
einigen Fällen sogar von Bundesstaat zu Bundesstaat. Da passiert es leicht, dass man etwas übersieht und plötzlich feststellt,
dass man die lokalen Bestimmungen, Rechnungslegungsregeln
oder Devisenkontrollen verletzt. Besonders schwierig ist das Geschäftsumfeld in Russland, Indien, China und Brasilien, da hier
sehr spezifische und restriktive nationale Bestimmungen gelten.
Dafür haben wir hier bei AGCS aber ein zentrales Team. Mit Unterstützung der lokalen Allianz-Tochtergesellschaften sammeln
wir Daten zu jedem einzelnen Markt, um alle potenziellen Fallstricke und Schlupflöcher zu identifizieren und unsere Kunden
optimal beraten zu können.
Warum werden globale Programme für Risikomanager
wichtiger?
Ein zentral gesteuertes multinationales Versicherungsprogramm deckt die globalen Risiken des Kunden durch einen einheitlichen, transparenten Versicherungsschutz und berücksichtigt dabei zugleich die jeweiligen lokalen Geschäfts- und Marktanforderungen. Außerdem hat es den Vorteil, dass der weltweite
Versicherungseinkauf zentral gesteuert werden kann. Das vereinfacht die Verwaltungsabläufe, ermöglicht eine konsolidierte
Darstellung der Schadensinformationen und koordinierte Schadenskontroll- und Risikomanagementprozesse.
Es gibt mehr als 200 lokale Versicherungs- und Steuergesetze, die sich von Land zu Land unterscheiden. Wie
schwierig ist es, alle lokalen Bestimmungen zu befolgen?
Das ist eine große Herausforderung, vielleicht sogar eine der
größten bei der Strukturierung eines globalen Versicherungsprogramms. Aus unserer Perspektive ist die Einhaltung lokaler Steuer- und Versicherungsbestimmungen ein Muss. Wie Sie erwähnt
haben, gibt es mehr als 200 lokale Gesetze. Das bedeutet, dass jedes Land und sogar jeder Bundesstaat eigene Regeln für den Einkauf von Versicherungsschutz durch die Bewohner oder Unternehmen im jeweiligen Land hat. Das Gleiche gilt für die Besteuerung der Versicherungsprämien. Unsere Gesellschaften haben
Lizenzen für alle Länder. Sie betreiben ihr Geschäft unter Einhal-
28
AGCS GLOBALE PROGRAMME
• Rund 1,3 Milliarden Euro der gebuchten Prämien
stammen aus globalen Programmen.
• 2012 betreute AGCS weltweit rund 1.700
Programme mit mehr als 12.500 lokalen Policen.
• 2013 ist unser Programmgeschäft trotz des
herausfordernden Marktumfelds weiter auf
Wachstumskurs.
tung aller lokalen Marktanforderungen und -praktiken und
garantieren so eine ordnungsgemäße Bereitstellung von Deckungsschutz und Schadensabwicklung vor Ort.
Gibt es einen Trend zu einer globalen Abstimmung
und Harmonisierung von Versicherungsbestimmungen? Welche Organisationen sind die Haupttreiber
dieses Prozesses?
Diesem Prozess sind Grenzen gesetzt, da sich alle Länder
auf ihre nationalstaatlichen Rechte und ihre Verfassung
berufen und sich das auf das Geschäftsumfeld und die Regulierung des Verbraucherschutzmarktes auswirkt. Globale Institutionen wie die Welthandelsorganisation und
die OECD fordern eine gewisse Standardisierung, aber diese wird sich nur schrittweise erreichen lassen. Die Branchentrends, die sich abzeichnen, scheinen von Versicherern auszugehen, die in Compliance-Systeme oder -Datenbanken investiert haben, die unserem International
Licensing Guide (ILG) ähneln – und zwar mit meiner Meinung nach gemischten Ergebnissen. Die Regulierer selbst
haben sich fast komplett herausgehalten. Tatsächlich
müssten die lokalen Aufsichtsbehörden (oder Regulierungsverbände) klare Erklärungen oder Interpretationen
abgeben. Bislang sind die Regeln häufig inkonsistent, vage
oder sogar widersprüchlich. Das lässt Raum für Interpretationen und Unsicherheiten. Ich sehe hier keine einfache
Lösung und vielleicht auch gar keine Lösung, wenn die
Aufsichtsbehörden nicht in dieses Thema einbezogen
werden oder es sogar vorantreiben.
Was halten Sie von der Idee, eine marktbreite Datenbank
einzurichten, um sicherzustellen, dass globale Programme die lokalen Bestimmungen einhalten?
Theoretisch ist das eine hervorragende Idee, zu deren Erfolg
wir gerne beitragen würden, wenn wir das Gefühl hätten,
dass dieser Ansatz Erfolg versprechend wäre. Wie bereits an-
gedeutet, halte ich das aber ohne eine enge Einbindung der Aufsichtsbehörden in die Erarbeitung einer derartigen Branchenlösung
nicht für realistisch.
Die Nachfrage nach der Einbeziehung von D&O-Versicherungen in globale Programme nimmt zu. Warum ist das eine Herausforderung, und welchen Ansatz verfolgt Allianz Global Corporate & Specialty?
In der Vergangenheit wurden D&O-Versicherungen zumeist auf Nonadmitted-Basis abgeschlossen, sodass alle Risiken über eine einzige,
globale Police auf Unternehmensebene gedeckt wurden. Inzwischen
wird jedoch erkannt, dass Vorstände und Aufsichtsräte genauso wie
Anlagegüter einen lokalen Standort haben. Daher bedarf es des Abschlusses von Policen mit einem lokal zugelassenen Versicherer, um
sicherzustellen, dass die Compliance-Vorgaben erfüllt werden und
ein effektiver Deckungsschutz besteht. Ich würde sagen, dass dies zu
einem Zeitpunkt die am meisten genutzte und auf Non-admitted-Basis gehandelte Kategorie war. Die meisten Leute sind der Meinung,
dass der Wechsel Non-admitted- zu Admitted-Policen das Ergebnis
von Änderungen der Compliance-Vorgaben ist, dabei hat sich an diesen nichts geändert. In den letzten Jahren hat die D&O-Welt erstmals
zu spüren bekommen, welche Probleme auftreten können, wenn es
keine lokale Police gibt, wo es eine geben sollte. D&O-Ereignisse treten
gemeinhin relativ selten auf, im Fall des Schadeneintritts muss aber
mit sehr hohen Kosten gerechnet werden. Ein Unternehmen, das seit
30 Jahren kein Schadenereignis in Indien oder China verzeichnet hat,
hält eine lokale Versicherung vielleicht für unnötig, wenn die großen
D&O-Risiken beim Vorstand der Muttergesellschaft im Heimatland
liegen. Mit dieser Einstellung wurden lokale Policen in der Vergangenheit einfach nicht als Priorität angesehen.
Inzwischen ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit internationaler
Programme größer denn je. Die integrierte globale Struktur von Allianz
Global Corporate & Specialty eignet sich, um wirklich globale, über lokale
vertragliche Prozesse abgewickelte Lösungen anzubieten. Das ist etwas,
das nur eine Handvoll anderer Versicherer bieten kann.
In etablierten Märkten wie den USA läuft das Geschäft ganz anders als in einem Wachstumsmarkt wie Südafrika. Können Sie
Ihren Ansatz zur Entwicklung eines IIS-Programms für einen
Wachstumsmarkt erklären?
Aufgrund der ständig wechselnden Dynamik dieser Regionen sind
Wachstumsmärkte für uns von besonderem Interesse. Unternehmen
aus diesen Märkten setzen in ihren Regionen einen neuen Trend in
Gang, indem sie im Ausland Fusionen und Akquisitionen durchführen oder eigene Betriebsstätten einrichten. Im Zuge ihres fortschrei-
Vinko Markovina ist
Senior Vice President
und Global Practice
Leader der AGCS
International Insurance Solutions.
tenden Wachstums müssen sich die Unternehmen in den aufstrebenden Märkten an neue Gegebenheiten anpassen. Hier kann die Allianz
gezielte Unterstützung leisten. Zum Beispiel untersuchen wir, ob der
lokale Versicherungsmarkt ausreichend reif ist, und stellen den Vertragswortlaut für die Absicherung von Zusatzgefahren und einen erweiterten Versicherungsschutz bereit.
Wird der Druck auf besonders restriktive Länder wie Indien oder
China zunehmen, ihre Märkte für internationale Versicherer zu
öffnen?
Wie bei jedem anderen Geschäft oder Service wird die Versicherungsindustrie in diesen Ländern an Reife gewinnen und Anschluss an andere Entwicklungen finden müssen. Multinationale Unternehmen, die
in diesen Ländern investieren, benötigen Versicherungsdienstleistungen, -produkte und -kapazitäten auf einem ähnlichen Niveau wie in ihren Heimatmärkten. Mit Unterstützung von Allianz Global Corporate &
Specialty und anderen in diesen Ländern etablierten Allianz-Gesellschaften können wir zu Produktverbesserungen beitragen, indem wir
bestehende und neue Elemente globaler Deckungskonzepte „importieren“, die dann schrittweise übernommen und von den lokalen Behörden genehmigt werden können. Mit der Zeit werden sich diese Märkte
anpassen, vor allem wenn sie erkennen, welche Vorteile sie selbst dadurch erzielen können.
Auf welche Aspekte sollte ein Risikomanager bei der Auswahl
der optimalen internationalen Versicherungslösung für sein
Unternehmen achten?
Aus Branchenkreisen hört man, dass Risikomanager mit grenzüberschreitenden Risiken umfassende, konsistente und regelkonforme Versicherungsprogramme wünschen, die alle wichtigen Risiken kosteneffizient abdecken und von ihnen zentral kontrolliert werden können
und durch interne Leitlinien unterstützt werden. Unter dem Strich wollen Kunden bei der Auswahl ihres Versicherers sicherstellen, dass sie
im Schadensfall eine Forderung geltend machen können und der Schaden ersetzt wird. Sie sollten sicherstellen, dass ihre Schäden auf dem
gewünschten Weg und am gewünschten Ort erstattet werden und dass
die Organisation alle Compliance-Vorgaben erfüllt.
VINKO MARKOVINA
Senior Vice President, Global Practice Leader, International Insurance Solutions
[email protected]
WWW.AGCS.ALLIANZ.COM/SERVICES/INTERNATIONAL-INSURANCE-PROGRAMMES
29
IN
CONCLUSION
Fit werden für „die vierte Revolution“
Das Internet hat die Art und Weise, wie wir Geschäfte tätigen, grundlegend verändert. Eine Verlangsamung
dieses Entwicklungsprozesses ist nicht in Sicht, meint Martina Koederitz, Vorsitzende der Geschäftsführung
der IBM Deutschland.
MARTINA KOEDERITZ
Martina Koederitz ist seit
Mai 2011 Vorsitzende
der Geschäftsführung
der IBM Deutschland.
Vor dem Wechsel in ihre
derzeitige Position verantwortete sie als Vice
President of Sales IMT
Germany den Vertrieb
der IBM Deutschland.
Zuvor leitete sie als Vice
President of General
Business & Channel, IMT
Germany, das Geschäft
der IBM für den Mittelstand, das sowohl die
Hardware- als auch die
Software- und Servicelösungen und die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern umfasst.
Koederitz begann ihre
Karriere bei IBM 1987 als
Systemberaterin und
wurde nach mehreren
Aufgaben in der Systemberatung und dem Vertriebsmanagement zur
Sales Managerin im Financial-Services-Sektor
ernannt. Außerdem war
sie als Client Advocacy
Executive im Büro des
damaligen IBM CEO Sam
Palmisano tätig. Koederitz hat einen Abschluss als DiplomBetriebswirtin.
30
Immer wieder haben industrielle Revolutionen die gesamte Gesellschaft tiefgreifend umgestaltet. Dampfmaschine, Fließband und Computer brachten die Menschen von den Feldern in die Fabriken, von den Fabriken
in die Büros, von den Büros zu den mobilen Arbeitsplätzen. Nun entfaltet das Internet sein revolutionäres Potenzial. In der Industrie verschmelzen zunehmend die
neue Internet- und Informationstechnologie mit den
klassischen Domänen; mehr und mehr Unternehmen
treiben die Vernetzung und Digitalisierung ihrer Produktionsprozesse voran. Bald wird es keine Schraube,
kein Zahnrad, kein Ölkännchen mehr geben ohne einen
Chip, der die Geschichte dieser Produktionskomponente erzählen kann.
Das bringt viele neue Möglichkeiten mit sich: Den
Unternehmen fließt ein riesiger Schatz an Daten zu, die
lung der Arbeitsprozesse geht ein tief greifender Wandel
der Unternehmenskultur einher: Die Mitarbeiter sind
die wichtigste Quelle für die Innovationskraft des Unternehmens. Sie brauchen Raum für ihre persönliche Entfaltung. Unternehmen, die das erkannt haben, legen
Wert darauf, dass ihre Mitarbeiter eigenverantwortlich
arbeiten. Viele Aufgaben können mobil oder direkt vom
Kunden vor Ort erledigt werden. Organisiert wird dies in
kleinen, effizienten Projektteams, vernetzt mit Kollegen
und Kunden auf der ganzen Welt.
Kreativität und Neugier werden die wichtigsten Tugenden im Unternehmen. Die Arbeit wird so abwechslungsreich und ermöglicht ein höheres Maß an Identifikation. Voraussetzung ist, dass die Mitarbeiter selbst offen für Veränderungen sind und bereit, Wissen und
Können zu teilen. Nicht jeder kann sich sofort mit die-
Offshore-LNG-Anlagen in Australien
Nach Investitionen mit einem Volumen von über 200 Milliarden US-Dollar
im vergangenen Jahrzehnt dürfte Australien im Jahr 2018 Qatar als weltweit größten Produzenten von LNG (Liquefied Natural Gas) überholen. Die
einzelnen LNG-Projekte des Landes haben ein Volumen von bis zu 20 Milliarden US-Dollar.
Einer der langjährigen Kunden von Allianz im Bereich Bau von Flüssiggas-(LNG-)Anlagen ist Bechtel, weltweit eines der führenden Bau- und
Anlagenbauunternehmen. Das Projekt Curtis Island umfasst Planung,
Beschaffung und Bau von drei LNG-Anlagen in der Nähe von Gladstone in
Queensland, Australien. Die erste Anlage soll 2014 in Betrieb gehen.
Diese riesigen Bauprojekte erfordern einen starken Finanzpartner und
umfassende Erfahrungen in den Bereichen Cargo, Bau und Allianz Risk Transfer Expertise. Allianz Global Corporate & Specialty arbeitet eng mit Bechtel
zusammen, um alle Anforderungen des Unternehmens bezüglich Versicherungen und Risikomanagement zu erfüllen. Das Foto zeigt schwere Ausrüstung auf dem Weg zu einer der Flüssiggasanlagen in Queensland.
„Kreativität und Neugier werden die wichtigsten
Tugenden im Unternehmen.“
ihnen helfen, Kunden besser zu verstehen, Prozesse zu
optimieren oder neue Absatzmärkte zu entdecken. Die
globale Kommunikation wird schneller, die Zusammenarbeit einfacher, die Produktion effizienter, die Lieferketten transparenter. Es entstehen aber auch Gefahren:
Wettbewerber aus anderen Branchen drängen in den
Markt, das Innovationstempo beschleunigt sich, bewährte Erfolgsrezepte werden über Nacht obsolet.
Angesichts der Rasanz der globalen Veränderungen
müssen die deutschen Unternehmen sich dem Takt der
IT-Industrie anpassen. Sie müssen lernen, ihr Geschäftsmodell immer wieder radikal zu überdenken.
Viele davon haben das Potenzial, die Spielregeln eines
Marktes völlig neu zu schreiben.
Einzelkämpfer werden es schwer haben, unter diesen Voraussetzungen mitzuhalten. Innovationen entstehen daher heute in erster Linie durch Partnerschaften. Nur mit Partnern kann man rasch in neue Märkte
expandieren. Der Chef eines chinesischen Unternehmens aus der Elektronikbranche brachte das neulich
auf die Formel: „Um nach Übersee zu kommen, müssen
wir zuerst ein Schiff leihen.“
Besonders wichtig für den Erfolg in „der vierten Revolution“ ist es, die Bereitschaft zur Veränderung im Unternehmen auch kulturell zu verankern. Mit der Umstel-
sem Stil anfreunden; hier ist es Sache der Führung, für
eine professionell moderierte Umstellung und Gewöhnung zu sorgen.
Eine solche offene Unternehmenskultur durchbricht klassische, hierarchische Rollenmuster von Vorgesetztem und Untergebenen. Führungspersonen arbeiten mehr und mehr auf Augenhöhe mit ihren Mitarbeitern. Es kommt auf Sachkompetenz, Teamfähigkeit
und einen fairen Kommunikationsstil an, wie bei einem
guten Trainer, der die Voraussetzungen für die Höchstleistungen des Teams schafft. Wer leitet, bindet die
Teammitglieder in die Entscheidungen ein und signalisiert Offenheit für konstruktives Feedback. Für viele Führungskräfte erfordert dies ein grundlegendes Umdenken – sie müssen ihre Rolle neu erfinden. Und unter Umständen demütig sein, wenn es darum geht, die neuen
Kulturtechniken der jungen Digital-Natives zu erlernen.
All das setzt jedoch auch voraus, dass man das Wesen der Veränderung verinnerlicht hat: Eine offene Unternehmenskultur manifestiert sich nicht allein dadurch, dass man seinen Mitarbeitern Social-Software
und Telearbeit erlaubt. Vielmehr muss sich die offene
Kultur auch in den Werten des Unternehmens widerspiegeln – Werte, mit denen sich die Mitarbeiter identifizieren können.
2013/2014 Kalender
AGCS ist jetzt bei Twitter
Folgen Sie uns auf
@AGCS_Insurance
Datum/Ort
Veranstaltung
Informationen
4.–5. N ovem ber
München, Deutschland
AGCS Expertentage 2013: Energie
www.agcs.allianz.com/expertdays
4.–7.November
Singapur
Singapore International Reinsurance Conference
www.sirc.com.sg
25.–26. November
Zürich, Schweiz
Euroforum Insurance Forum 2013
www.insurance-forum.org
5.–7. Fe bruar
Deauville, Frankreich
AMRAE Convention
www.amrae.fr
27.–30. April
Denver, Colorado
RIMS Annual Conference & Exhibition 2014
www.rims.org
16.–18. Juni
Birmingham, England
Airmic Conference 2014
www.airmicconference2014.com
20.–21. Oktober
Brüssel, Belgien
FERMA Risk Management Seminar
www.ferma.eu
31
www.agcs.allianz.com