das zweite leben der boeing 737

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das zweite leben der boeing 737
REPORT
KANADA
FLUGZEUGWRACK
DAS ZWEITE LEBEN
DER BOEING 737
Bizarrer Bewuchs:
Bald dürfte die
Boeing 737 komplett
von Riesenseenelken eingehüllt sein.
Vor Vancouver Island wurde eine komplette Boeing 737
versenkt – die einzige weltweit. Mit dem künstlichen Riff
gelang die Renaturierung eines nachhaltig geschädigten
Küstenabschnitts. Heute ist sie das neue Zuhause von 123
wissenschaftlich dokumentierten Spezies und ein Sehnsuchtsziel für Wracktaucher weltweit.
FOTOS: PETER LUCKHAM, SEADANCE
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un ist es also soweit. In diesem
Augenblick passiert genau das,
wovor ich mich mein ganzes
Taucherleben lang gefürchtet
hatte. Ich muss ran. Helfen! Das
anwenden, was ich vor Urzeiten einmal als
Rettungstaucher gelernt habe. Schnell. Denn
mein Buddy strampelt urplötzlich wild gestikulierend mit weit aufgerissenen Augen im
trüben Wasser herum. Muss so etwas wie
ein epileptischer Anfall sein, schießt es mir
durch den Kopf. Obwohl Peter Luckham ein
so erfahrener Kaltwassertaucher ist, schon
hunderte Male an „seiner“ 737 war. Aber
egal, was es ist, es sieht sehr ernst aus! Dabei
fing unser Tauchgang eine knappe Stunde
zuvor so ruhig und entspannt an …
Der kleine Hafen von Chemainus erstrahlt
in einem warmen Licht. Hölzerne Segeljollen
und betagte Fischkutter schaukeln friedlich
auf den flachen Wellen. Nur ein paar vereinzelte Regenwolken hängen schwer über dem
kleinen Örtchen im Südosten von Vancouver
Island. Das ist ganz normal dort. Mit seinen
verspielten viktorianischen Holzhäusern
wirkt Chemainus urgemütlich. Aus dem
Book Nook Café duftet es verführerisch nach
Espresso und frisch gebackenen Muffins.
Ich bin mit Peter Luckham an seinem
knallgelben Boot namens „Divemaster“
verabredet. Der kleine Mann mit grauem
Vollbart, wachen Augen und schelmischem
Blick begrüßt mich mit einem erfrischenden
„Howdy doodie?“. Gut ginge es mir, sehr gut
sogar. Schließlich steht heute die weltweit
einzige Boeing 737 auf dem Programm, die
man betauchen kann.
Wir schleppen unsere schwere Trockentauchausrüstung vom Parkplatz über eine
endlose und glitschige Stahlkonstruktion
hinunter zum Steg. Summa summarum
51 Kilogramm – pro Person. 19 Kilo Blei
inklusive. Wir sind schon einmal geschafft,
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Autor Marc Vorsatz
bei der Tauchgangsvorbereitung (links).
Peter Luckham
(rechts) ist Initiator
der Versenkung. Die
Boeing 737 (unten)
wurde für Taucher
präpariert und auf
Stahlträger geschweißt.
Die Natur nimmt das
Wrack mehr und mehr
in Beschlag – ein voller
Erfolg für das Projekt.
FOTOS: PETER LUCKHAM (2), SEADANCE, MEDIA CREW MITTE
REPORT
DIE ANEMONEN ERINNERN MICH AN EINEN
MÄRCHENWALD AUS EINER FERNEN GALAXIE.
bevor es überhaupt richtig los geht. Das ist
der Unterschied zu Ferientauchschulen
in Pauschalhotels, wo man von hinten bis
vorne bedient wird. Ich finde es hier authentischer. Wenig später tuckern wir über die
ruhige Salish Sea. Peter spricht den Tauchgang minutiös mit mir durch. Keiner kennt
die Boeing 737-200, Nr. 20958, besser als er,
niemand ist öfter ein- und ausgecheckt. Ein
letztes Überprüfen unserer Ausrüstung.
Unten, tief im düsteren Wrack, sollte besser
nichts passieren. Schon gar nichts, was man
oben hätte verhindern können.
AUFGEBRACHTE KREBSTIERE
Wir gleiten an einem Tau in die grüne Finsternis. Diese wirkt unheimlich auf mich.
Doch bevor ich mich in solch trüben Gedanken verlieren kann, werde ich von einem
Heer winziger Skelettgarnelen aufgerüttelt.
„Monster der Mikrowelt“ nennt sie der
Volksmund. Sie attackieren uns zu Hunderten, haben es insbesondere auf unsere Hände und Arme abgesehen. Wen wundert’s?
Leben sie doch am Tau und verteidigen nur
ihr Revier. Kein Problem für uns, sie krallen
sich zwar richtig fest, können aber unsere
Anzüge nicht durchdringen. Nur gut, dass
mir Peter das bereits beim Briefing mitgeteilt hatte. Zehn Meter unter Null. Wir lösen
uns vom Seil und schweben unserer Boeing
entgegen. Die Sicht ist mit nur sechs Metern
eher bescheiden. Das ist der Preis für die
verhältnismäßig warmen 14 Grad Wassertemperatur im ausklingenden Sommer.
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Aber was ist das denn? Ein fast mannsgroßes, undefinierbares Etwas nähert sich
uns langsam. Formen, die sich ständig
verändern. Im Scheinwerferkegel unserer
Xenonlampen leuchten sie gelblich rot.
Eine Warnfarbe der Natur. Zu Recht. Wir
geben der Arktischen Löwenmähne freie
Bahn. Zwar sind nur Teile unseres Gesichts
ungeschützt, doch wollen wir schmerzhafte
Verbrennungen durch die Nesselzellen der
Feuerqualle unbedingt vermeiden. Ein KelpGrünling zieht gemächlich vorbei. Dieser
orangene Fisch mit türkisen Flecken scheint
keine Notiz von uns Tauchern zu nehmen.
Unter uns zeichnet sich schemenhaft
ein überdimensionales Gesicht ab. Helle
Konturen, dunkle Augen. Sieht ziemlich
abstrakt aus und muss wohl das Cockpit
sein. Ja, die großen Augen sind die Fensteröffnungen. Dahinter saß einst die Crew. Jetzt
gibt es kein Halten mehr. Mit drei kräftigen
Flossenschlägen bin ich an der Boeing. Die
Außenhaut des Fliegers ist inzwischen fast
vollständig mit kleinen Muscheln, vereinzelten Anemonen und filigranen Federsternen
bewachsen. Im Führerhaus haben einige
handgroße Klippenbarsche das Ruder
übernommen. Dachte ich zumindest. Ich
stecke den Kopf durchs Fenster, und was ich
da sehe, lässt urplötzlich mein Blut in den
Adern gefrieren. Herr im Haus ist jemand
anderes: Zwei kalte Augen fixieren mich
regungslos. Distanz grade mal ein Meter. Sie
stecken in einem pitbullgroßen Schädel aus
lebendigem Granit, bewaffnet mit furcht-
erregenden Reißzähnen, die nichts mehr
loslassen, was sie einmal gepackt haben.
Eine reale Schrecksekunde und gefühlte
zwei Stunden später hat mich das Freiwasser wieder. Neben mir sehe ich meinen
Tauchpartner herzhaft lachen. Na klar, das
war doch nur ein Wolfsaal. Aber mit gut zwei
Metern Länge schon ein richtig stattlicher.
Das einzig Gefährliche an diesem Urviech
ist sein Äußeres. Vor Millionen von Jahren
scheint ihn die Evolution einfach vergessen
zu haben – so ein archaisches Bild gibt dieser Zeitgenosse ab.
SCHWEBEN ÜBERM SEENELKENWALD
Wir gleiten zur rechten Tragfläche. Sie
ist komplett mit weißen und orangenen
Riesenseenelken überwuchert. Diese dicht
gedrängten Anemonen erinnern mich an einen Märchenwald aus einer fernen Galaxie.
Wie ungewöhnlich und fremd das Habitat
doch aussieht. Ganz anders als die Korallenriffe tropischer Meere. Trotzdem überrascht
mich diese kalte Welt mit ihren faszinierenden Farbspielen. Ich entdecke zwei Opaleszierende Nacktkiemer. Die daumengroßen
Nacktschnecken sind ein Wunderwerk an
Farbe und Form. Sie leuchten rot, orange,
blau. Wo immer sich etwas Platz findet,
haben sich Seesterne und Schneekrabben
breitgemacht. Es wimmelt nur so von Leben
an diesem künstlichen Riff. 50 bis 60 Tierund Pflanzenarten sieht man durchschnittlich bei einem einzigen Tauchgang. Das war
nicht immer so.
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FOTOS: LISA GRAHAM/SEADANCE (2), BRANDON COLE (3)
Guckt böse, ist er aber nicht: Ein Seewolf
(oben) hat sich im Cockpit (links) häuslich eingerichtet. Krebse und Seesterne
bringen Farbe ins Riff (rechts oben und
unten).
Dem Cockpit muss
man einfach einen
Besuch abstatten – und
gedanklich einmal im
Leben Copilot sein ...
NEUGIERIGE WISSENSCHAFTLER
Über 100 Jahre lang hatte ein Sägewerk den
Küstenstreifen rund um Chemainus nachhaltig geschädigt und den Meeresboden
in eine schlickige Einöde verwandelt. „Mit
dem künstlichen Riff kamen langsam auch
die Tiere und Pflanzen wieder“, erläutert der
Meeresbiologe und Autor Andy Lamb. „Heute ist es das neue Zuhause von 123 wissenschaftlich dokumentierten Spezies. Tendenz
steigend.“ Zusammen mit Peter unternimmt
der Wissenschaftler seit der Versenkung
regelmäßig Tauchgänge zur Boeing und
erforscht deren langsame Inbesitznahme
durch Flora und Fauna.
„Natürlich gab es im Vorfeld viele Ängste
der Anwohner, wir könnten das Meeresbiotop schädigen,“ ergänzt Peter und bringt es
auf den Punkt: „Aber das Gegenteil war der
Fall. Aus Schrott wird Riff.“ Bei 158 Spezies
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MIT 158 TIERARTEN AM UND
IM WRACK WÄRE
„BOARDING
COMPLETED“.
wäre das „boarding completed“, scherzen
die Umweltschützer der Artificial Reef
Society in Vancouver. So viele Passagiere
beförderte einst der Flieger.
Vom Heck her dringen wir in den Passagierraum ein. Unser Ziel ist der vordere
Ausgang, der sich irgendwo im Trüben verliert. Durch die beiden Fensterreihen dringt
beidseitig diffuses Restlicht in die perforierte Röhre. Das Spiel von Licht und Schatten
ist irritierend schön. Mit meiner Lampe taste
ich unwillkürlich suchend und wider besseres Wissen die offenen Gepäckablagen ab.
Ob vielleicht doch jemand etwas vergessen
hat? Nein? Nein! Denn vor der Versenkung
haben Freiwillige alles ausgebaut, was nicht
niet- und nagelfest war und später Taucher
gefährden könnte. Sämtliche Türen und
Fenster beispielsweise, aber auch die Sitzreihen. Hier drinnen, im Halbdunklen, ist die
Vegetation recht spärlich. Auf dem Boden
haben tellergroße Bogenkrabben Quartier
bezogen, und ein kapitaler Nordpazifischer
Drachenkopf kommt überraschenderweise
durch den Notausgang an Bord gesegelt.
Wie anders dieser braungefleckte Lingcod
mit seinen kräftigen Kiefern doch in natura
aussieht. Mir war er bislang lediglich als delikater Speisefisch im Restaurant begegnet
– als schneeweißes Filet auf schneeweißem
Porzellan.
Vorn wird es endlich wieder etwas heller,
wir erahnen den Ausgang, passieren ein WC
ohne Tür. Der Begriff Water Closet bekommt
hier unten eine völlig neue Bedeutung. Wir
tauchen nach draußen. Was jetzt folgt ist
Luxus pur in der Welt des Wracktauchens:
Wir tauchen unter dem Rumpf hindurch.
Die komplette Boeing steht nämlich auf
vier überdimensionalen Ständern, die mein
Tauchpartner von einer Spezialfirma für
Militärhelikopter zusammenschweißen ließ.
Und dies kostenlos. Wie vieles andere auch,
was er auf den Weg gebracht hat. Denn Peter
war der Chef der spektakulären Versenkung
des Passagierflugzeugs. Initiator, Organisator, Spendensammler, Mädchen für alles,
sozusagen. Der Mann, der mit Mund-zuMund-Propaganda und über den Äther
eine halbe Insel, die komplette Artificial
Reef Society in Vancouver und unzählige
freiwillige Helfer für dieses Mammutprojekt gewinnen konnte. Schließlich musste
das umweltgerecht präparierte Passagierflugzeug am Stück mit Flügeln von einem
XXL-Kran auf einen XXL-Truck gehievt und
so per Schubverband nach Vancouver Island
verschifft werden.
EIN GANZ SPEZIELLER PLATZ
„Wieder und wieder drohte unser Vorhaben an den knappen Mitteln zu scheitern,
doch irgendwie ging es dann doch immer
weiter,“ erinnert sich Peter sichtlich berührt.
Nach 100 Kilometern, 90 000 gesammelten
Dollar und gut zwei Jahren harter Arbeit mit
ganzen Bergen von Papierkram war es dann
am 14. Januar 2006 endlich soweit: Die ausgemusterte Boeing 737 bekommt genau 31
Jahre nach ihrer Indienststellung ein zweites
Leben geschenkt und wird als künstliches
Riff das neue Zuhause einer maritimen
Lebensgemeinschaft und ganz nebenbei das
neue Arbeitszimmer von Divemaster Peter,
der Tauchgänge zum Wrack professionell
begleitet.
Wir schweben zwischen Flieger und
schlammigem Grund. Ein bisschen Kelp
hier, ein paar Riesenseegurken dort. Die
Natur wird wohl noch eine ganze Zeit benötigen, um sich vollständig zu regenerieren.
Dabei zählen die Tauchgründe vor Vancouver Island ansonsten zu den klarsten und
saubersten überhaupt in Nordamerika. Es
war eine mutige Entscheidung, das Flugzeug
an einem geschädigten Küstenabschnitt zu
versenken. Doch Peter und die Mitglieder
der Artificial Reef Society wollten Verantwortung übernehmen für die Umweltsünden, die ihre Vorfahren einst gedankenlos
verursacht hatten. Jede Wiederansiedlung
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REISE-FACTS
Kunstriff Boeing 737
Das Flugzeug wurde bewusst vor Chemainus versenkt, um eine Renaturierung der UW-Welt zu beschleunigen – und das Projekt läuft mit Erfolg!
0
100 km
Port Hardy
Auf der Flugzeugnase wurde
ein künstlerisches SeeigelSchnitzwerk montiert (links). Die
Seenelken wirken wie aufgeklebt
(oben). Guckt nett: ein neugieriger
Kelp-Grünling (unten).
Port Alice
UNSER
AUTOR
Kyuquot
Campbell River
Boeing 737
Nootka
Pazifischer
Ozean
Ucluelet
N
W
Port Alberni
O
S
FOTOS: BRANDON COLE (2), SEADANCE
Vancouver Island
Vancouver
Parksville
Nanaimo
Chemainus
Port Renfrew
Sidney
Victoria
MARC VORSATZ
Der 51-jährige Berliner
ist preisgekrönter Autor
und publiziert in führenden Medien wie DIE
ZEIT, Neue Zürcher
Zeitung, Spiegel Online
und DIE WELT. Wracks
und deren Geschichte
gilt seine besondere
Leidenschaft.
einer verdrängten Spezies ist ein kleines
Stück Wiedergutmachung an der Natur.
Vor dem Eingang ins Unterdeck schaut
mir mein Compagnon nochmals in die
Augen. Will sehen, ob ich wirklich in den
fensterlosen Frachtraum will. Ja, ich will. Mit
einem Schlag umfängt uns die grüne Finsternis der abgeplatteten Röhre. Kein Ort für
Klaustrophobiker. Unsere Lampen schaffen
mit Ach und Krach fünf Meter. Wir haben
keine Ahnung, was uns dahinter erwartet.
Ein achtarmiger Riesenkrake vielleicht oder
ein Breitnasen-Siebenkiemerhai. Irgendein
Raubtier, in dessen Revier wir eindringen,
das wir ungewollt in die Enge drängen.
Wir bleiben dicht beieinander. Wenn jetzt
irgendetwas passieren sollte, müssen wir
uns gegenseitig helfen, die Situation an Ort
und Stelle meistern. Ein Notaufstieg ist nicht
im Angebot, die rettende Türöffnung viel zu
weit weg. Tief in einem Wrack ist jedes kleine
Problem ein großes Problem, sagen erfahrene Taucher. Und wir stecken ziemlich tief
drin. Langsam, aber sicher kriecht auch die
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Kälte in mir hoch. Was tut man nicht alles
für so einen Tauchgang der Extraklasse!?
Wir gleiten in unangenehm knapper Distanz
über Leder- und Blutseesterne, Bogen- und
Schneekrabben und allerlei anderes Getier.
Kaum Vegetation. Alles sehr beeindruckend,
aber mir reicht es für heute. Wir wenden
unbeholfen, ich muss nicht noch weiter ins
Ungewisse. Fühle mich total befreit, als wir
endlich wieder nach draußen, ins gedämmte Licht, tauchen. Zugegeben, ein bisschen
Stolz ist auch dabei.
MEIN BUDDY BRAUCHT HILFE!
Mein entspanntes Gefühl sollte allerdings
nur von kurzer Dauer sein. Uns bereits in
vermeintlicher Sicherheit wiegend, sehe ich
Peter plötzlich wild umherstrampeln. Mit
weit aufgerissenen Augen und einem Anflug
von Wahnsinn im Blick. Ein epileptischer
Anfall oder so etwas in der Art, schießt es
mir durch den Kopf. Aber egal was es ist, es
sieht sehr ernst aus. Jetzt muss ich also ran.
Anwenden, was ich vor Urzeiten mal als
Rettungstaucher gelernt habe. Kurz vor dem
Auftauchen, am Ende eines harten Wracktauchgangs im Nordwestpazifik. Müde,
unterkühlt und nur noch wenig Luft im
Tank. Auf jeden Fall Ruhe bewahren, klaren
Kopf behalten, zielführende Entscheidung
treffen und dann beherzt handeln. Ich sehe
Peter unterdessen wie besessen mit dem
Finger zum Flugzeug zeigen. Also doch kein
Anfall? Ich soll gucken. Aber wohin nur? Er
schüttelt sich. Etwa vor Freude? Aber warum
nur? Langsam dämmert es mir: Da klebt
eine einsame Weiße Peitschenkoralle an der
Aluhaut. Eine neue Spezies vielleicht? 124
schreibt Peter mit dem Finger völlig aufgelöst ins Wasser. Ist das ein Freak! Richtig, ein
neuer Passagier an Bord.
Ein letzter Blick zur 737. Mit einem tiefen
Glücksgefühl schwebe ich zum Tau. Dort
erwarten uns schon die Skelettgarnelen. Die
Monster der Mikrowelt fackeln nicht lange
und greifen erneut an. Wir können sie gut
verstehen und lassen sie gewähren. Die Unterwasserwelt braucht uns Menschen nicht.
AN DER BOEING TAUCHEN
Wer die Boeing betauchen will, kontaktiert am besten Divemaster Peter Luckham. Keiner weiß mehr über das Flugzeug
als er, niemand kennt es besser. Peter war Initiator, Geldbeschaffer und Manager des aufwendigen Projekts. Zusammen
mit seinem Freund, dem Meeresbiologen Andy Lamb, dokumentiert er zudem bis heute die wachsende Artenvielfalt um
und in dem Wrack. Obendrein ist Peter nicht nur ein absolut
verantwortungsbewusster Buddy, sondern auch ein begnadeter Geschichtenerzähler mit viel Humor. Zwei Bootstauchgänge
kosten 125 CAD (rund 95 Euro). Wer Equipment leihen möchte, kann dies zum Beispiel bei Sundown Diving in Nainamo
tun. Weitere Infos dazu und Links gibt es auf der Webseite von
Peter Luckham: www.divemaster.ca
ANREISE & WOHNEN
Vancouver wird zum Beispiel
von KLM, British Airways,
Lufthansa und Air Canada
angeflogen. Mietwagen gibt
es beispielsweise bei Hertz
und Avis. Dann mit der Fähre
übersetzen (www.bcferries.
com).
Wer in Chemainus übernachten will, mietet sich
idealerweise in ein Bed and
Breakfast ein (www.chemainus.com/accomodations).
Wer es nobler und stilvoller
mag: Mitten in der Natur
mit einem fantastischen
Blick übers Wasser auf den
Olympus National Park in
den USA logiert man in einer
edlen Blockhütte mit Whirlpool auf der Terrasse. Whale
watching mit etwas Glück
von der eigenen Terrasse
aus inklusive. Pro Bungalow
ab 120 Euro die Nacht. Info:
Point-No-Point Resort, www.
pointnopointresort.com
Weitere Infos zur Region
findet man im Internet auf:
www.keepexploring.de und
www.hellobc.com
UW-WELT
Das imposante Meeresleben
in all seiner Vielfalt, seinem
Reichtum und Farben ist
bemerkenswert und sucht in
ganz Nordamerika seinesgleichen. Gigantische
Anemonen, Riesenkraken,
Sechskiemerhaie, archaisch
aussehende Seewölfe, betörend schöne Nacktkiemer,
bizarre Kaltwasserkorallen
und riesige Schwammformationen prägen die UW-Welt.
In der Wertung der Jacques
Cousteau Society nimmt
das Revier in puncto Wasserklarheit und Vielseitigkeit
des Meereslebens weltweit
den zweiten Platz ein. Die
Vielzahl an historischen
und neuzeitlichen Wracks
macht die Destination noch
attraktiver.
REISEZEIT
Ganzjährig. Empfehlenswerte
Jahreszeit ist der Herbst.
Hartgesottene Taucher
bevorzugen den Winter aufgrund der besten Sichtverhältnisse von über 25 Metern.
Dann ist das Wasser aber
auch nur acht Grad warm. Im
Sommer sinkt die Sichtweite
auf rund fünf Meter bei 13
Grad Wassertemperatur.
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