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Eine Deiner Ausstellungen hieß „Out and
Der Titel „Out and about“ klingt prosaisch, One of your exhibitions was called “Out
The title “Out and about” sounds very mun-
about“. Du nanntest das in einem Inter-
das liebe ich. Könnte auch ein Magazin sein, and about”. In an interview you said it was
dane, and I like that. It could also be a mag-
view „einen guten Titel für mein gesamtes
das Städte vorstellt, etwa nach dem Motto: “a good title for my entire work.” You are
azine that presents cities, something like:
Werk“. Du bist ständig unterwegs, weltweit
„Was gibt es diese Woche in London?“ Ich always on the move, traveling across the
“What’s on this week in London?” I love
von Tokio bis Berlin. Liegen die Anfänge
liebe es, durch die Stadt zu gehen oder auf world from Tokyo to Berlin. Do your pic-
walking through the city and traveling, gath-
Deiner Bilder sozusagen auf der Straße?
Reisen zu sein, Eindrücke zu sammeln und tures begin, so to speak, on the road?
ering impressions and then returning to my
dann zurück ins Atelier, an die Arbeit! Das
studio and getting down to work. It makes
macht mich zufrieden.
me happy.
Gedankenaustausch / Exchange of Thoughts
Du nimmst ja ganz unterschiedliche Motive
Nein, alles muss möglich sein, aber ich habe
You select very different subjects from your
No, everything has to be possible, but I’ve
aus Deiner Umgebung auf. Was interessiert
das nie analysiert. Ich reagiere eher spon-
surroundings. What interests you most?
never analyzed it. I tend to react spontane-
Koen Vermeule & Eckhard Hollmann
Dich darin am meisten, gibt es eine „Rang-
tan, unbewusst. Meist sind es Plätze, die zu-
Do you have an “order of preference”?
ously, almost unconsciously. Mostly they are
ordnung“?
nächst mal gar nicht so viele Informationen
places which at first sight don’t seem to pro-
hergeben, es muss jedenfalls etwas mit mir
vide so much information, but anyway some-
passieren, etwas muss mich anstoßen. Ich
thing has to happen to me, something needs
weiß nicht genau, was ich mit meinen Bil-
to prompt me. I don’t know exactly what I’m
dern sage, aber ich will etwas sagen über
saying with my pictures, but I want to say
das Jetzt., über unsere Zeit. Nehmen wir ein
something about the here and now, about
Beispiel: Massen von Leuten reden auf dem
the times we live in.
Flugplatz in ihre Handys, aber jeder ist ganz
Let’s take just one example. Masses of peo-
für sich. Oder es gibt wunderschöne Spiege-
ple at the airport are talking into their mo-
lungen auf dem Boden, der dadurch fast wie
bile phones, but they are all in their own lit-
eine große Wasserfläche wirkt. Das nutze ich
tle worlds. Or there are beautiful reflections
sogar in meiner Landschaftsmalerei.
on the floor which make it look almost like a
Großstädtische Themen und Straßenszenen
Das ist Teil des städtischen Lebens, na klar!
vast expanse of water. I even use that in my
beschäftigen Dich offenbar sehr. Gibt es auch
Ich habe sogar fast ein Jahr mein Atelier mit
landscape paintings.
eine Verbindung zu Street Art?
einem jungen Sprayer oder besser „Street-
The subject of big cities and street scenes
It’s a part of city life, of course! I actually
Artist“ geteilt und sogar versucht, mit ihm
clearly interests you greatly. Are there any
shared my studio for almost a year with a
gemeinsam Bilder zu malen. Das hat aber
links there to street art?
young sprayer, or rather a “street artist,” and
nicht funktioniert, die künstlerischen Ele-
even attempted to paint some pictures with
mente blieben einander zu fremd. Ein Samm-
him. But it didn’t work; the artistic elements
ler hat gesagt: „ Wenn zwei in der Kunst
remained too foreign to each other. A col-
zusammengehen, muss eins und eins drei
lector once said: “When two artists decide
ergeben.“ Bei uns ist es aber bei der Zwei
to work together, one and one need to make
geblieben.
three.” But for us the result was always two.
7
Glasshouse, 2008
200*300 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
15
Wicky, 2007
71,4*42,2 cm, Gouache auf Papier
19
Freeze 1, 2007
145*105 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
Spinning, 2005
210*200 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
21
The Call, 2008
200*300 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
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Der erste Eindruck: Lautlosigkeit in einem stillgestellten Zeitsegment.
The first impression is of soundlessness in
Seine Bilder sind wie ein riesiger Warteraum, den er jeden Tag aufs Neue betritt, zeitlebens
a segment of time that has been laid silent.
durch eine andere Tür. Im Gegensatz zu einer Welt, die uns mit Macht und Tempo überrollt,
His pictures are like a vast waiting room
sind Vermeules Figuren ganz bei sich – stehen, schauen, ruhen aus, schlafen.
which he re-enters every day anew, through
„Kairos, der glückliche Augenblick, braucht das Warten im Rücken: die manchmal quälen-
a different door each time – all his life long.
de, manchmal selig vertrödelte, die, wie auch immer, geschenkte Zeit“, verteidigt Andrea
In contrast to a world that overwhelms us
Köhler unser Recht auf „Lange Weile“. 1 Sogar in Räumen, in denen sich gewöhnlich die
with its violence and speed, Koen Vermeule’s
Sprachmelodien zu einem geräuschstarken Klangteppich mischen, herrscht bei Vermeule figures are in harmony with themselves as
Ruhe. Vertrödelte Tage können sich zauberhaft anfühlen, selbst wenn sie langweilig sind.
they stand, watch, rest, sleep.
“Kairos, the right moment, needs the con-
Walk in Silence
Christoph Tannert
In ihrem Stillepotenzial ähneln die Bilder des Malers aus Amsterdam den schallgedämpften
cept of hovering behind it: the time which is
Romanen von Haruki Murakami, dessen Gestalten eine verwandte Aura der Einsamkeit um-
sometimes agony, sometimes happily daw-
gibt. Würden wir Rückschlüsse auf die Gestimmtheit unserer Epoche ziehen, müssten wir
dled away, sometimes spent in one way or
aufhören, uns zu beschwichtigen und zugeben, dass wir alle Bewohner einer Endstation another,” is how Andrea Köhler defends our
sind, die unsere Geduld trainiert. Murakamis Ton pathetischer Lakonie fügt sich passgenau
right to “hours of idleness.” 1 Even in spaces
zur postmodernen Beiläufigkeit, in der Vermeule seine Bildprotagonisten wahrnimmt. Von
in which the melodies of language usually
Bild zu Bild vergeht die Zeit und lässt sich nicht festhalten. Sie wird umschlossen von einem
become woven together into a noisy back-
Kältestrom, der undurchlässig ist für die Romanhelden Murakamis, bei Vermeule aber im-
ground of sounds, in Vermeule’s works there
merhin mittels romantischer Uferlandschaften wohltemperiert oder gar neutralisiert wird.
is peace and quiet. Days spent in indolence
can feel wonderful, even when they are mo-
Meist befindet sich Vermeules Bildpersonal in einem Zustand des eingeübten Wartens. In-
notonous.
sofern geht es auch um Zeit, unsere Lebenszeit, und darum, wie wir sie verbringen. Dabei
hat man nicht den Eindruck, die jungen Leute, die von Vermeule ins Blickfeld geholt werden,
In their potential for silence, the pictures
würden sich langweilen oder das Warten als eine Zumutung empfinden. Sie überlassen sich
by the artist from Amsterdam resemble the
dem Nagen der Zeit und verbringen ihre Zeit mit dem, was man heute so tut: Abhängen,
soundproofed novels of Haruki Muraka-
Chillen, Telefonieren (wie in Global Nomad I, 2008), E-Mails checken (wie in The Call, 2008
mi, whose characters are surrounded by a
oder Island , 2011). Der zunehmenden Kurzatmigkeit unserer Existenz stellt Koen Vermeule
similar aura of solitude. If we were to draw
wunderbar entspannte Bilder gegenüber, die vom gelösten Umgang mit den neuen Kom- conclusions about the mood of our age, we
munikationsmitteln handeln und von den kleinen Kreativpausen des Alltags. Das Vertieft- would have to stop lulling ourselves and adsein der jungen Zeitgenossen in die Nachrichten auf ihren Displays oder auch das Brieflesen
mit that we are all inhabitants of a terminus
eines Mannes in The Letter (2008) haben eine vergleichbare Intensität wie sie z.B. aus dem
that tests our patience.
Klassiker des Brieflesenden Mädchens von Johannes Vermeer 2 spricht. Wobei Vermeule dem
Verstreichen der Zeit mit Leichtigkeit gegenübertritt und den technischen Neuerungen keine
Murakami’s laconically emotive style match-
überdimensionale Bedeutung zubilligt.
es precisely the postmodern casualness with
Sicherlich, die Welt hat sich zwischenzeitlich mehrfach gedreht, aber Koen Vermeule nutzt
which Vermeule perceives the protagonists
die Aufnahme der Verbindung zu den kunstgeschichtlichen Vorbildern, um zu unterstrei-
of his pictures. From picture to picture, time
chen, dass der Mensch nach wie vor nach existenziellen Bezugspunkten sucht und Pau-
passes and cannot be pinned down; it is en-
senzeichen in seinem Leben benötigt, Konzentration. Vermeule weiß, in welcher Traditi-
veloped by a chilly stream that is impene-
27
Vermeer van Delft, Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster, um 1657
83*64,5 cm, Öl auf Leinwand.
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
spektrum, das als Gedächtnisapparat und zugleich als Prophezeiung funktioniert. Über ein
its secrets in full. His pictures possess a scattering range that functions both as a means of
bestimmtes Vorwissen können wir das Hör-Äquivalent dieser Bilder abtasten, während un-
remembering and as a prophecy. Through a certain previous knowledge we can sense the
ser Auge den Schauwert von Form und Material genießt. Vermeules Bilder verorten sich auf
auditory equivalent of these pictures while our eye enjoys the visual appeal of form and
einer nach oben offenen Mobilitätsskala, die einen Rhythmus des Wartens vorgibt, den man,
material. Vermeule’s pictures are located on a scale of mobility that is has no upward limits.
je nach Tagesform, träge, in gestauter Gewohnheit, oder vielleicht doch als musikalischen
They define a rhythm of waiting that, depending on our form on the day, we can receive
Impuls empfangen kann.
sluggishly, in congested habit, or perhaps as a musical impulse.
1)
(1)
Andrea Köhler, Lange Weile. Über das Warten, Insel Verlag,
And all the crowd walking in day by day. No one stop it in any-
Andrea Köhler, Lange Weile . Über das Warten, Insel Verlag,
And all the crowd walking in day by day. No one stop it in any-
Frankfurt am Main und Leipzig, 2007, S. 101
way. And all the peace maker turn war officer. Hear what I say.
Frankfurt am Main und Leipzig, 2007, p. 101
way. And all the peace makers turn war officers. Hear what I
Police, police, police and thieves, oh yeah. Police, police, poli-
say. Police, police, police and thieves, oh yeah. Police, police,
(2)
ce and thieves, oh yeah.
(2)
police and thieves, oh yeah.
Johannes Vermeer (Jan Vermeer van Delft) (1632-1675): Brief-
From Genesis, oh yeah. Police, police, police and thieves, oh
Johannes Vermeer (1632-1675): Girl Reading a Letter by an
From Genesis, oh yeah. Police, police, police and thieves, oh
lesendes Mädchen am offenen Fenster, um 1659, Öl auf Lein-
yeah.
Open Window, ca. 1659, oil on canvas, 83 x 64.5 cm, Gemäl-
yeah.And I’m scaring, I’m fighting the nation, oh yeah.
wand, 83 x 64,5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden
And I’m scaring, I’m fighting the nation, oh yeah.
degalerie Alte Meister, Dresden
Shooting, shooting their guns and, guns and ammunition, oh
Shooting, shooting their guns and, guns and ammunation, oh
yeah. Oh yeah....
(3)
yeah. Oh yeah.
(3)
Diedrich Diederichsen, 1.500 Schallplatten 1979-1989,
...
Diedrich Diederichsen, 1.500 Schallplatten 1979-1989,
(6)
Kiepenheuer & Witsch, Cologne, 1989, pp. 87/88, appendix
“The scene is down to earth, but the feeling is high above
(17)
ground.” Koen Vermeule in an e-mail to the author dated
Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1989, S. 87/88, Ergänzung (17)
(6)
(4)
„The scene is down to earth, but the feeling is high above
The Specials / Doesn‘t make it allright (1979)
ground.“, Koen Vermeule in einer E-mail an den Autor vom
(4)
Just because you‘re nobody. It doesn‘t mean that you‘re no
03.01.2012
The Specials / Doesn’t make it allright (1979)
(7)
Just because you’re nobody.
It doesn’t mean that you’re no
Koen Vermeule borrowed the title “Morning a Cruel Turmoiler
good. Just because there‘s a reason. It doesn‘t mean it‘s un-
03.01.2012
derstood.
(7)
good.
Just because there’s a reason.
It doesn’t mean it’s
is” from an Irish folk song. It is one of those for which Ludwig
It doesn‘t make it alright. It doesn‘t make it alright. It‘s the
Den Titel Morning a Cruel Turmoiler is hat Koen Vermeule ei-
understood. It doesn’t make it alright.
It doesn’t make it al-
van Beethoven was commissioned by the Scottish publisher
worst excuse in the world. And it, it doesn‘t make it alright.
nem irischen Volkslied entnommen, das zu denjenigen zählt,
right.
It’s the worst excuse in the world.
And it, it doesn’t
George Thomson to compose arrangements for one or two
Some people think they‘re really clever. To smash your head
für die Ludwig van Beethoven im Auftrag des schottischen
make it alright. Some people think they’re really clever.
To
voices, violin, violoncello and piano between 1809 and 1812.
against the wall. Then they say „you got it my way“. They re-
Verlegers George Thomson zwischen 1809 und 1812 Arran-
smash your head against the wall.
Then they say “you got it
In the German translation of the text by Alan Boswell the fol-
ally think they know it all.
gements für ein bis zwei Singstimmen, Violine, Violoncello
my way”
They really think they know it all.
lowing line occurs, which whispers the content of Vermeule’s
It doesn‘t make it alright. It doesn‘t make it alright. It‘s the
und Klavier geschrieben hat. In der deutschen Übersetzung
It doesn’t make it alright.
It doesn’t make it alright.
It’s the
picture: “Der grausame Morgen bringt alles in Aufruhr. Ver-
worst excuse in the world. And it, it doesn‘t make it alright.
des Texts von Alan Boswell taucht folgende Zeile auf, die den
worst excuse in the world.
And it, it doesn’t make it alright.
bannt Behagen und Ruhe ...” (“Morning a Cruel Turmoiler is,
Just because you‘re a black boy. Just because you‘re a white.
Inhalt des Bildes von Vermeule souffliert: „Der grausame Mor-
Just because you’re a black boy.
Just because you’re a white.
It
Banishes ease and repose”)
It doesn‘t mean you‘ve got to hate him. It doesn‘t mean you‘ve
gen bringt alles in Aufruhr. Verbannt Behagen und Ruhe ...“
doesn’t mean you’ve got to hate him.
It doesn’t mean you’ve
got to fight. It doesn‘t make it alright. It doesn‘t make it al-
got to fight. It doesn’t make it alright.
It doesn’t make it al-
(8)
right. It‘s the worst excuse in the world. And it, it doesn‘t make
(8)
right.
It’s the worst excuse in the world.
And it, it doesn’t
Joy Division / Atmosphere (1980)
it alright. Just because you‘re nobody!
Joy Division / Atmosphere (1980)
make it alright. Just because you’re nobody!
Walk in silence, Don‘t walk away, in silence. See the danger,
Walk in silence,
Don’t walk away, in silence.
See the danger,
Always danger,
Endless talking,
Life rebuilding,
Don’t
(5)
Always danger, Endless talking, Life rebuilding, Don‘t walk
(5)
walk away. Walk in silence,
Don’t turn away, in silence. Your
The Clash / Police and Thieves (1977)
away. Walk in silence, Don‘t turn away, in silence. Your con-
The Clash / Police And Thieves (1977)
confusion,
My illusion,
Worn like a mask of self-hate,
Con-
Police and thieves in the streets. Oh yeah! Scaring the na-
fusion, My illusion, Worn like a mask of self-hate, Confronts
Police and thieves in the streets. Oh yeah! Scaring the na-
fronts and then dies.
Don’t walk away. People like you find
tion with their guns and ammunition. Police and thieves in
and then dies. Don‘t walk away. People like you find it easy,
tion with their guns and ammunition. Police and thieves in
it easy,
Naked to see,
Walking on air.
Hunting by the riv-
the street. Oh yeah! Fighting the nation with their guns and
Naked to see, Walking on air. Hunting by the rivers, Through
the street. Oh yeah! Fighting the nation with their guns and
ers,
Through the streets,
Every corner abandoned too
ammunition.From Genesis to Revelation. The next generation
the streets, Every corner abandoned too soon, Set down with
ammunition.From Genesis to Revelation. The next generation
soon,
Set down with due care.
Don’t walk away in silence.
will be, hear me. From Genesis to Revelation. The next gene-
due care. Don‘t walk away in silence, Don‘t walk away.
will be, hear me. From Genesis to Revelation. The next genera-
ration will be, hear me.
tion will be, hear me.
35
Ghosts, 2008/09
200*300 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
37
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Vielleicht lag es daran, dass im Muse-
Maybe it was because Isaac Julien’s video work Ten Thousand Waves was running in the
um Brandhorst – gleich schräg gegenüber
Museum Brandhorst, diagonally across from the Galerie Wittenbrink, where I was working
der Galerie Wittenbrink, in der ich an die-
on this text, that Koen Vermeule’s picture 5.00 pm made me think of unsafe and often ill-
sem Text schreibe – die Videoarbeit Ten
fated migrations by boat. It would have been easy enough to pick up the telephone and call
Thousand Waves von Isaac Julien lief, dass
Amsterdam in order to ask the artist whether this association does justice to the origins of
mich Koen Vermeulens Bild 5.00 pm an For-
his picture. Or whether he was concerned with portraying a group of fishermen setting off
men unsicherer und oft auch unglückseli-
in a small boat in the afternoon. (Fishing at night is apparently something that people do.)
ger Migration per Boot erinnerte. Es wäre
Or the men might have just arrived in the shallow water.
leicht gewesen, zum Telefon zu greifen, um
Eine unvollendete Reise / An unfinished journey
Heike Endter
in Amsterdam anzurufen und den Maler zu
Certainty is good, albeit sometimes unproductive. Ultimately, the reason for the special as-
fragen, ob diese Assoziation dem Ursprung
sociation relating to what the men in the boat might be planning to do does not lie only in
seines Bildes gerecht wird. Oder ob es sich
Julien’s video. In fact, the association has the same source as the video, namely the pictures
vielmehr um die Darstellung von mehreren
in the media in which migration by sea is depicted, and how it takes place along the coasts
Fischern handelt, die am Nachmittag in ei-
of south-east Europe. 1
nem kleinen Boot aufbrechen. (es soll so etwas wie Nachtfischen geben.) Die Männer
Here we can derive various ideas regarding the relativity of our own seeing (perception).
könnten auch gerade im flachen Wasser an-
First of all there is our own European point of view which plays a role here, the standpoint
gekommen sein.
from which we perceive the image. Presumably, indeed very probably, this overlaps with
that of the artist who, as already mentioned, lives in Amsterdam, and has a white skin
Gewissheit ist gut, nur manchmal unfrucht-
and a very Dutch-sounding name, so that we have no reason to suspect a migration story
bar. Der Grund für die spezielle Assoziation
within his family. In addition to his pictures of people he also paints large-format, wonder-
darüber, was die Männer mit dem Boot vor-
ful landscapes that are so flatly Dutch, so neatly structured and cultivated or characterized
haben könnten, liegt schließlich nicht nur in
by the omnipresent water in that country, that we can find no evidence of exotic connec-
Juliens Video. Vielmehr hat die Assoziation
tions here either.
die gleiche Quelle wie das Video, und das
sind die medialen Bilder, mit denen Migra-
The people in the picture 5.00 pm , young men plus a boy, are dark-skinned. At least physi-
tion auf dem Seeweg wiedergegeben wird,
cally they clearly do not belong in the usual, European context that is determined by the
wie sie sich an südeuropäischen Küsten ab-
white majority. But if we try to find a potentially European context for their action, then it
spielt.1
is a migration that springs to mind, a journey that will take them away from their homeland
and towards Europe.
Daraus lässt sich Verschiedenes für die Bedingtheit des eigenen Sehens (Erkennens)
The place where they have been painted has not been depicted in much detail and thus ap-
ableiten. Zunächst einmal spielt der eigene
pears to be a sea-like expanse of water which could really be anywhere. Only if we assume
europäische Standpunkt eine Rolle, aus dem
that it corresponds with their original homeland, can we arrive at a possible interpretation
heraus das Bild wahrgenommen wird. Ver-
in which the men are fishermen. (Although the boy surprises us, because he seems far more
mutlich, und sehr wahrscheinlich, deckt sich
interested in swimming than in the arduous task of catching fish. In fact, though, it is not
dieser mit dem Standpunkt des Malers, der,
so much the boy who is strange; what is really odd is the number of men compared with
wie erwähnt in Amsterdam lebt, der eine
the size of their boat.)
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öffentlicher. Nicht nur die große Glasfront, auch der lange, steinerne Sims davor, scheinen
here is a mobile, nomadic lifestyle. For the
nicht unbedingt einem privaten Haus zugehörig. Natürlich wäre auch das denkbar. Denn es
purpose of this discussion, the position the
gehört zu den Gesten moderner Architektur durch Glasflächen das einander ausschließende
artist assumes when facing his subjects is
Verhältnis von innen und außen zu verwischen. Womit auch das Verhältnis von privatem und also important.
öffentlichem Lebensgefühl verändert wird.
From his point of view as an artist we can
Aber ganz gleich, ob sich der liegende Mann in seinem Haus, einer persönlichen Form der
gather that the occupations of space that he
Heimat also, aufhält oder in einem öffentlich zugänglichen Gebäude, so hat er sich doch ein
portrays are accepted and respected. That
durchscheinendes, helles und für Beschädigungen durchaus anfälliges Gehäuse auserkoren. happens through a remarkable mixture of
Hier beansprucht er in größter Gelassenheit einen Ruheort, was heißt, dass er ihn okkupiert perspective and details, which when examund zu seinem eigenen macht. Dieses Verhalten wird durch den Maler und durch seine an
ined carefully is not logical, but yet appears
das Publikum weitergegebene Perspektive respektvoll akzeptiert.
completely natural in the way it has been incorporated into the picture. In Island for ex-
Das Motiv jener elementaren Fähigkeit, jederzeit und überall ein Heim definieren zu können,
ample, two girls are sitting side by side on a
findet sich sowohl in Glasshouse , als auch in Tokyo Dreamer und Island . Dabei handelt es
stone floor. The girl sitting further towards
sich jeweils um temporäre Okkupationen eines öffentlichen Raums, der somit in einen priva-
the back has placed a small suitcase in front
ten umgewidmet wird. Dass es sich tatsächlich um temporäre Besetzungen handelt ist nicht
of her, which now serves as a pink laptop
unwichtig. Denn was würde geschehen, entstünde der Eindruck, dass die Dargestellten ihr
table decorated with black stars. She is look-
Heim dauerhaft auf öffentliche Straßen und Plätze verlegt hätten? Aus den zeitgenössischen
ing at the display, which she has twisted to
Nomaden, die in öffentlicher Umgebung den Zustand des Unterwegsseins unterbrechen und one side, as if to permit her friend to take a
kleine Reisestappen definieren, würden Obdachlose. Deren Fähigkeit, allerorten eine Art
look. However, the second girl is busy with a
von Zuhause einzurichten, verweist auf den Verlust ihres ursprünglichen Heimes – während
small cloth bag, with which she seems to be
in den Bildern Koen Vermeulens nur eine zeitweise Abwesenheit von diesen vertrauten und
calmly fiddling, so that she appears to give
geschützten Orten angenommen werden muss. In den aufgezählten Bildern wird also ein für
us the impression that at the moment she
die zeitgenössischen Gesellschaften markantes und global verbreitetes Merkmal festgehal-
has nothing more important to do in her life.
ten. Es handelt sich dabei um einen mobilen, nomadischen Lebensstil. Im Sinne dieser Argu-
Although she pays no attention to the dis-
mentation ist auch die Position wichtig, die der Maler gegenüber seinen Motiven einnimmt.
play her friend is showing her, she nonetheless does not turn away from her. Not only
Aus seiner Malperspektive lässt sich ablesen, dass die dargestellten Raumbesetzungen ak-
is she sitting very close to her; she has also
zeptiert und respektiert werden. Das geschieht durch eine merkwürdige Vermischung der
tucked her right arm under the left one of
Perspektive und der Details, die genau betrachtet nicht logisch ist, aber dennoch, so wie sie
her companion. Her posture, sitting cross-
ins Bild eingebracht wurde, vollkommen selbstverständlich erscheint. In Island zum Beispiel
legged, is a bit problematic in view of the
sitzen zwei Mädchen nebeneinander auf einem Steinboden. Das weiter hinten sitzende hat
short skirt she is wearing. However, not only
einen kleinen Koffer vor sich abgelegt, der nun als rosafarbener, mit schwarzen Sternen does she seem to be completely unperturbed
dekorierter Tisch für ihren Laptop dient. Sie schaut in Richtung des Displays, das sie leicht
by this; above all, she seems to have taken
zur Seite gedreht hat, wie um ihrer Freundin den Blick darauf zu ermöglichen. Jenes zwei-
possession of a space which is her own and
te Mädchen aber ist mit einem kleinen Stoffbeutel beschäftigt, an dem sie in größter Ruhe
which she is completely familiar with, in oth-
zu nesteln scheint, mit einer Geduld, wie sie aus dem Gefühl entsteht, momentan durch
er words a sort of temporary home which
Le Depart, 2011
96,3*250,4 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
5.oo pm, 2004
200*270 cm, Öl auf Leinwand
Global Nomad 1, 2008
145*105 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
55
Nachtlandschaft, 2000
125*270 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
Endless, 2010
125*300 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
61
In Mirror, 2010
76*60 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
Tokyo Dreamer, 2010
230*180 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
69
Collectors Edition
Zu diesem Buch erscheint eine Sonderedition:
Öl und Acryl auf Leinwand im Format 35*90 cm.
7 individuelle Exemplare, nummeriert und signiert
Seascape green, 2012
35*90 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
This publication is accompanied by a special edition:
Oil and acryl on canvas, 35*90 cm. 7 individual
copies, numbered and signed
Seascape pink, 2012
Nocturne Road, 2012
Dune 1, 2012
Valderobres, 2012
Seascape night, 2012
Dune 2, 2012
35*90 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
35*90 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
35*90 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
35*90 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
35*90 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
35*90 cm, Öl und Acryl auf Leinwand
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