Klassik Jeepster in Country Style

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Klassik Jeepster in Country Style
US-Cars
Aussenfarbe Rot steht dem Jeepster gut,
dazu Chrom und Weisswandreifen.
Jeep Jeepster
Nach dem Krieg der
Freizeit-Jeep
Jeep in den 40er-Jahren; das waren frugalste Kriegsgeräte. Als das Drama vorüber war, musste es irgendwie weitergehen, und so zog Willys-Overland den
Jeepster aus dem Ärmel.
Text und Fotos: Jürg Wick
N
ach dem aktuellen Ford Edge im letzten Country Style 2015 ist der fast 70
Jahre alte Jeep Jeepster ein weiteres
Beispiel dafür, dass letztlich alle automobilen
Trends aus den USA zu uns herüberschwappen; kürzlich wurde ein Cabrio auf RangeRover-Evoque-Basis, also ein SUV-Cabrio, vorgestellt, aber Jeep hatte ein hochgestuhltes
Cabrio bereits 1947 im Angebot.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg, an dem der
erste Jeep mit der internen Bezeichnung
MB massgeblich beteiligt und im Vergleich
zu Hitlers Kübelwagen wesentlich robuster
war, musste sich Willys-Overland irgendwie
über Wasser halten; vom Staat waren keine
Bestellungen mehr zu erwarten. Die Lösung
hiess 1946 Model 463, ein dreitüriger Light
Truck, ein Auto, das man damals noch Stati-
on Wagon nannte, das sieben Sitzplätze hatte
– ein Industry first – und das das Styling des
Vorderwagens vom MB übernahm, aber vorerst mit Hinterradantrieb angeboten wurde.
Kurze Zeit später folgte ein Pick-up auf dem
gleichen Chassis, und bald darauf waren
4WD-Versionen erhältlich; ein weiteres Industry first. Die Allradler stiessen auf ordentliche
Resonanz, und so wundert es nicht, dass der
Vom 1. Lektor zurück!
US-Cars
Hersteller nach weiteren möglichen Derivativen auf dem neuen Chassis suchte. Das Resultat stellte sich im Mai 1948 in Form eines
zweitürigen Sports Phaeton dar, heute würde
man Cabriolet oder Convertible dazu sagen.
Willys-Overland nannte ihn Jeepster und
baute davon in den ersten zwölf Monaten
immerhin 12.633 Einheiten. Eines der ersten
Exemplare, nämlich ein bereits im Mai 1948 in
den USA zugelassener Jeepster, hat kürzlich
den Weg in die Schweiz gefunden.
Der Weg in die Schweiz
Die Gebrüder Peter und Ronald Neufeld, im
Hauptgeschäft Bauunternehmer, aber hobbymässig seit Jahrzehnten mit dem Import
und der Aufbereitung von historischen Corvetten beschäftigt, hatten in einem Container
noch einen Platz frei, stiessen rein zufällig auf
den roten Jeepster, besorgten sich das Ding
mit dem Flatterverdeck und besetzten mit
ihm den frei gebliebenen Raum im Schiffcontainer. Mit 444 Zentimeter Aussenlänge und
155 Zentimeter Breite ist der Wagen geradezu zierlich, wirkt aber wegen der stattlichen
Höhe von 1,75 Meter doch beachtlich und
verwöhnt mit viel Bewegungsfreiheit vorn
wie hinten. Ein Aspekt, weshalb heutzutage viele Leute zu einem SUV statt zu einem
Kombi greifen.
Vorn gibt es eine Sitzbank, die im Verhältnis
¾ zu ¼ geteilt ist und bei Bedarf drei Leuten
Platz bietet. Das kann sich als nützlich erweisen, denn wenn das Verdeck nach hinten geklappt wird, bleibt nicht mehr viel für die Passagiere übrig. So fühlt sich der Jeepster dann
dank den höheren Türausschnitten etwas weniger zugig an als jenes Militärfahrzeug, dass
viele von uns in der Militärzeit begleitet hat.
Vier Zylinder, drei Gänge
Unter der praktisch horizontalen Motorhaube arbeitet ein 2,2 Liter grosses Vierzylinder-
aggregat mit stehenden Ventilen und einem
Carter-Fallstromvergaser. Bei 4.000 Touren
entwickelt es 63 PS, was einigermassen erträgliche Fahrleistungen verspricht. Anders
als noch an den Jeep gewohnte Militärdienstleistende es kennen, werden die drei Vorwärtsgänge über einen Lenkradschalthebel
statt über eine direkt ins Getriebe wirkenden
Stockschaltung sortiert. Macht beim Fahren
aber kaum einen Unterschied. Zwischengas
geben beim Herunterschalten muss man so
oder so, will man das Zahnradknirschen vermeiden. Und eine Lenkservo hat der Jeepster
auch keine, das spürt man beim Hantieren
am Lenkrad; der Jeepster ist immerhin rund
200bis bis 300 kg schwerer als MB und CJ. Luxus wird über farbige Vinylpolster, Bodenteppiche, vordere Ausstellfenster sowie ein Amperemeter und den Öldruckmesser definiert.
Und hinten gibt es beidseitig gepolsterte
Armlehnen statt freistehender Karosseriebleche wie im Army-Jeep. Optisch glänzen verchromte Stossstangen, und Radschraubenhauben sind, wie in der Originalausführung,
am fotografierten Exemplar Weisswandreifen
montiert . 7.75 x 15 Zoll grosse Räder stellen
eine Bodenfreiheit von 25 Zentimetern her,
damit kann man sich schon weit ins Gelände
wagen, wenn es trocken ist. Eine Geländereduktion hat der Jeepster nicht, und über
Allradantrieb verfügt das gezeigte Auto auch
nicht. Muss auch nicht sein; wer will schon
mit so einem lustig flatternden Verdeck, wo
es durch alle Ritzen zieht, im Schnee unterwegs sein? Wahlweise gab es den Jeepster jedoch als AWD, und 1950 kam Willys-Overland
wieder mit der US-Army ins Geschäft, als aus
dem Jeepster erneut ein Militärfahrzeug mit
erhöhter Bodenfreiheit und Geländeuntersetzung wurde und das vertikale Muster des
Kühlergrills einer horizontalen Ausführung
mit Chromelementen weichen musste. Der
offene M38 leistete dann vorwiegend Dienst
im Koreakonflikt.
Geräumiger Fond, sofern Dach geschlossen bleibt.
Im Verhältnis ¾ zu ¼ geteilte Sitzbank.
Oben: angereichertes Instrumentarium.
Unten: der aus dem Militärjeep bekannte
Vierzylinder -Flathead mit Carter-Vergaser.
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