Detail - Architektur, Bauen mit Holz Magazin
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Detail - Architektur, Bauen mit Holz Magazin
1046 2010 ¥ 10 ∂ Bambuspavillon Expo Schanghai Bamboo Pavilion for the Expo Shanghai Idee, Konzept, Entwicklung: Markus Heinsdorff, München Organisation und Realisierung: MUDI Architekten Schanghai, Tongji Universität Schanghai Tragwerksplaner: Mike Sieder VariCon, TU München weitere Projektbeteiligte S. 1134 Inmitten der großen spektakulären Expo-Pavillons nimmt sich das »Deutsch-Chinesische Haus« mit 25 ≈ 10 m Grundfläche und 8 m Höhe geradezu bescheiden aus. Trotzdem gelingt es dem Gebäude, mit seiner Materialität und transparenten Struktur die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: Es handelt sich bei den Bambusrohren nicht um übliche Dimensionen, sondern um bis zu 23 cm dicken Riesenbambus. In die Enden der 1,89 bzw. 4,29 m langen Träger sind Edelstahlflansche einbetoniert, die über Lochungen in die Gewindebolzen der runden Verbindungsknoten eingehängt und verschraubt sind. Die Edelstahlflansche am Kopf der bis zu 8 m langen Stützen greifen wie Zangen in die unteren Bleche des Knotens, während in den Stützenfußpunkten Gewindehülsen eingelegt sind, die ein passgenaues Justieren ermöglichen. Die über Eck schräg gestellten Stützen erzeugen mit dem weißen Sonnenschutz trotz des ruhigen Grundrasters von 2,40 m den Eindruck von dynamischen Segeln im Wind. Den Raumabschluss bildet ein umlaufender prismatischer Paravent aus mit Bambus furnierten Stahlrohren. Eigens entwickelte Träger aus Bambus-Leimbindern tragen die Plattform des Veranstaltungsraums, Bambusparkett und Bambusmöbel demonstrieren die Vielseitigkeit des nachwachsenden Rohstoffs. Nach der Expo kann die gesamte Konstruktion auseinandergeschraubt und an anderer Stelle errichtet werden. 9 10 8 aa 9 9 10 10 8 8 b Though quite modest in scale, the GermanChinese pavilion erected for the Expo 2010 Shanghai attracts attention by virtue of the materials used and its transparent structure. The bamboo canes, for example, are giant stems up to 23 cm in diameter with stainlesssteel node fittings concreted into the ends. The spatial enclosure is formed by a screen supported by a bamboo-veneered steel SHS structure, while the internal platform is borne by specially developed beams in laminated bamboo. Together with the bamboo parquet and furniture, these elements demonstrate the versatility of this renewable raw material. After the exposition, the entire structure can be taken apart and erected anew elsewhere. 1 2 5 b b a 6 3 a 1 1 7 4 b 4 2 2 5 a 3 5 6 6 a ∂ 2010 ¥ 10 bb a Dokumentation Grundrisse • Schnitte Maßstab 1:250 Sections • Floor plans scale 1:250 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Eingang Besucher Besucherspiel interaktive Medienwand Besucherspiel Internet-Terminal Ausgang Besucher Projektionstechnik interaktive Medienwand Technik, Lager Eingang VIP Veranstaltungsraum Teeküche, Lager, WC Luftraum Visitors’ entrance Interactive media wall for visitors Internet play terminal for visitors Visitors’ exit Projection technology: interactive media wall Mechanical services, store VIP entrance Events space Kitchenette, store, WC Void 1047 1048 Bambuspavillon Expo Schanghai 2010 ¥ 10 ∂ 1 1 Membran PVC 2 Stahlrohr verzinkt Ø 48 mm, 60 mm, 102 mm 3 Träger Bambus Ø 170 mm, Länge 1890 mm, an den Enden 300 mm ausbetoniert mit eingelegtem Stahlprofil Å 80/60 mm als Knotenanschluss 4 Stahlknoten Edelstahl Ø 250 mm mit Gewinde bolzen 9≈ M 20 5 Stütze Bambus Ø 225 –170 m, an den Enden 300 mm ausbetoniert, Fußpunkt mit eingelegtem Gewinderohr, Kopfpunkt mit eingelegtem Flachstahl 2≈ 10/60 mm 6 Polycarbonat transparent 8 bzw. 10 mm 7 Bambuslaminat auf Stahlrohr | 60/60/6 mm 8 Sonnenschutz Netz bzw. ETFE-Membran weiß 9 Aussteifung Edelstahlrohr Ø 33,7 mm 10 Tragwerk Plattform BSH Bambus 200/340 mm 11 Bambusparkett 12,5 mm, Schalldämmung 4 mm, Trockenestrich 2 ≈ 18 mm, Bambusplatte 35 mm, BSH Bambus 120/200mm 12 Fußpunkt Gewinde M 48 gelenkig gelagert 13 Fußplatte 600/600/20 mm 6 6 2 3 c c 4 7 5 6 8 6 e e 11 9 10 10 1 PVC membrane 2 Ø 48 mm, 60 mm, 102 mm galvanized steel tubes 3 Ø 170 mm bamboo beam 1.89 m long with 300 mm concrete filling at ends and 80/60 mm steel Å-sections inserted as node connections 4 Ø 250 mm stainless-steel node element with 9≈ Ø 20 mm threaded bolts 5 Ø 225 –170 mm bamboo column with 300 mm concrete filling at ends threaded tube inserted at foot 2≈ 10/60 mm steel flats inserted at head 6 8 or 10 mm transparent polycarbonate s heeting 7 60/60/6 mm steel SHS with bamboo laminate 8 sunscreen net/white ETFE membrane 9 Ø 33.7 mm stainless-steel bracing tube 10 200/340 mm laminated bamboo platform supports 11 12.5 mm bamboo parquet; 4 mm sound insulation 2≈ 18 mm dry screed; 35 mm bamboo slab 120/200 mm laminated bamboo beams 12 Ø 48 mm threaded foot peace with rocker bearing 13 20 mm steel foot plate 600/600 mm 12 ∂ 2010 ¥ 10 Dokumentation 1 2 1 3 2 5 3 5 5 Schnitte • Horizontalschnitte Maßstab 1:20 12 d d sections • horizontal sections scale 1:20 13 5 3 4 13 d 12 d 13 cc dd 1049 1050 Bambuspavillon Expo Schanghai 2010 ¥ 10 ∂ Horizontalschnitt Fassade Maßstab 1:20 1 2 3 4 5 6 Deckleiste Bambus 10 mm Bambuslaminat auf Stahlrohr | 60/60/6 mm Polycarbonat transparent 10 mm Sonnenschutz ETFE-Membran weiß bzw. TextilScreen schwarz Aussteifung horizontal Edelstahlrohr Ø 33,7 mm Stahlseil diagonal Ø 8,1 mm Horizontal section through facade scale 1:20 1 2 3 4 5 6 10 mm bamboo cover strip 60/60/6 mm steel SHS with bamboo laminate 10 mm transparent polycarbonate sheeting white ETFE sunscreen membrane or black textile screen Ø 33.7 mm stainless steel bracing tube Ø 8.1 mm diagonal steel cable Natur-Baustoff als High-Tech-Material Unter den zahlreichen natürlichen Baustoffen nimmt Bambus eine besondere Stellung ein. Er ist als Pflanze nicht anspruchsvoll, wächst schnell – laut Fachleuten bis zu einem Meter am Tag –, wächst nach dem Ernten ohne Aussaat von selbst nach und weist Festigkeitswerte auf, die teilweise sogar Stahl übertreffen. Bereits nach drei bis fünf Jahren kann man die Gräser ernten. Es gibt über 1000 Arten. Zufällig hörte ich von einem Riesenbambus in Yunnan im Süden Chinas und tatsächlich haben wir den »Giant-Bambus« oder auch »Julong-Bambus« an der Grenze zu Myanmar gefunden. Die insgesamt 96 Stützen, die aus 30 m langen Rohren herausgeschnitten wurden, bilden nun mit 22 cm Durchmesser am Fußpunkt und 7,4 Metern Länge die imposante Hauptkonstruktion des Bauwerks. Insektenschutz und Haltbarkeit Zur Haltbarkeit von Bambuskonstruktionen gibt es keine verbindliche Aussagen. In Bali werden laut Auskunft der Einheimischen nach sieben bis zehn Jahren viele Bauteile ausgewechselt oder es wird neu gebaut. Unter Einhaltung bestimmter Regeln lässt sich die Haltbarkeit wesentlich verlängern. Alle bekannten Maßnahmen beruhen auf individueller Erfahrung sowie Versuch und Irrtum. Gegen die größte Gefahr, den Insektenbefall, nützt ein 6-wöchiges Bad in einer Borax-Salzlösung. In einigen Gebieten werden die Rohre in den Fluss gelegt, um die Stärke auszuspülen, auf die es die Insekten besonders abgesehen haben. Aber auch Schimmelbefall und Fäulnis kann bei hoher Luftfeuchtigkeit zum Problem werden. Unterschiedlichste Anwendungen wie Behandlungen mit Chemie oder Dieselöl, Räuchern in großen Kammern, Kochen der Naturrohre oder Dampfdruckbehandlung sind die bekanntesten Methoden. Wird Bambus geschlagen, bevor die Struktur verfestigt ist, nach dem Einschlag vor der Trocknungsprozedur zu kurz gelagert oder ist das Material von schlechten Wuchs, kann es schnell zu Rissbildungen kommen. Vorteile gegenüber dem Naturrohr bieten die von uns entwickelten Laminate – nicht nur wegen ihrer Rissfestigkeit, sondern weil zur Konservierung eine umweltschonende Dampfbehandlung ausreicht. Wir hatten auch die Möglichkeit, mit einer Nanopartikel-Beschichtung zu experimentieren. Feinste Siliziumpartikel werden auf die Oberfläche gesprüht und bilden eine unsichtbare Glasschicht. Abblätternde Lackschichten durch Bewitterung oder UV-Strahlung könnten damit der Vergangenheit angehören. Pilotprojekt »Deutsch-Chinesisches Haus« Das »Deutsch-Chinesische Haus« steht als Abschlussprojekt der drei Jahre währenden Kampagne des Auswärtigen Amts »Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung«. Als Künstler eingeladen schlug ich für diese Präsentation Pavillons aus Bambus vor, da ich mit diesem faszinierenden Material seit mehr als zehn Jahren an unterschiedlichsten Rauminstallationen Erfahrungen gesammelt habe und gemeinsam mit den Ingenieuren Knut Göppert von sbp und Mike Sieder von der TU München innovative Verbindungstechniken weiterentwickeln konnte. Gegen große Vorbehalte – in China gilt Bambus bisher noch als primitives ArmeLeute-Material – setzte sich diese Idee nach und nach durch. Es entstanden fünf unterschiedliche Grundtypen mit insgesamt 22 Einzelbauten, die in fünf chinesischen Wirtschaftsmetropolen für jeweils drei Wochen aufgestellt wurden. Die Tatsache, dass wir von den Veranstaltern in Schanghai als einziger Gemeinschaftspavillon zweier Länder einen so prominenten Platz auf dem ExpoGelände erhielten, war nicht zuletzt eine Folge dieser guten partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Dennoch brachten die Herausforderungen das Team an die Grenzen des Möglichen: Steht man vor ganz praktischen Fragen eines konkreten Bauvorhabens, können einem selbst die zahlreichen Forschungsinstitute, die sich mit Bambus beschäftigen, nicht weiterhelfen. Ein solches Abenteuer kann man nur mit Erfahrung, empirischen Untersuchungen, einem professionelles Planungsteam und einer gesunden Portion Selbstvertrauen bewältigen. Zu den rein technischen Fragen, die bei jedem Prototyp auftreten, kamen der enorme Zeitdruck von nur sechs Monaten für Planung und Bau sowie die restriktiven Zulassungsverfahren, die die Expo-Organisatoren allen Architekten abforderten und die bei anderen Pavillons so manche Innovation verhinderten. Für Optimierungen war keine Zeit, der Teststand war das Gebäude im Maßstab 1:1 selbst. Uns hat verblüfft, dass ein Land wie China mit reicher Tradition für Bambus über keinerlei Bauspezifikationen oder Genehmigungsgrundlagen für dieses Naturmaterial verfügt, in Europa aber solche Regelungen existieren – ein Paradoxon, das in naher Zukunft für europäische Planer und Firmen von Nutzen sein könnte. Obwohl Bambus aufgrund seiner ex trem harten Oberflächen auch ohne Zusatzmaßnahmen über hervorragende natürliche Brandschutzeigenschaften verfügt, mussten alle Materialien zusätzlich mit einem Brandschutzlack beschichtet werden. Zu unserem Erstaunen haben die Leimbinder zunächst den Brandschutztest nicht bestanden. Der Grund lag jedoch bei der ausführenden Firma, die versehentlich einen besonders gut brennbaren Leim verwendet hatte. Letztlich konnten wir als Team zahlreicher Firmen, Planer und Hochschulen in Deutschland und China viele Innovationen durchsetzen: neuartige Verbindungsknoten und Anschlüsse für die Bambusrohre, Fassadenelemente aus Bambus-Laminatholmen, die durch ihre facettierten Flächen selbststabilisierend sind, 4 m hohe Bambus-Leimbinder, die 6,4 m weit spannen und die die 80 m2 große Plattform für Sonderveranstaltungen tragen sowie ein neuer multifunktionaler Möbeltyp: Mit wenigen Handgriffen werden die Sessel zur Seite gekippt zu Stehtischen und die aufeinander gestellten Hocker zum Rednerpult; so lässt sich die Lounge in einen Vortragsraum oder eine freie Plattform verwandeln, ohne dass ein Möbellager erforderlich wäre. Nach der Expo wandert das »Deutsch-Chinesische Haus« ins Museumsviertel in Hangzhou – als Nachbar von Museumbauten von Herzog & de Meuron, Steven Holl und David Chipperfield. Markus Heinsdorff ∂ 2010 ¥ 10 Dokumentation 1 3 5 2 4 5 6 ee 1 6 6 2 3 c 4 7 5 6 8 c 1051 1052 Bambuspavillon Expo Schanghai 2010 ¥ 10 ∂ A Natural High-Tech Building Material a b c d Räumliche und konstruktive Schichtung, Papier faltungen dienten als Vorbild. a Dachkonstruktion Stahlrohr mit Membrandeckung b Plattform Veranstaltungsraum Galerie Doppelböcke und Nebenträger Leimbinder Bambus c Paravant-Fassade: Rahmen Stahlrohr mit Bambusfurnier, Scheiben Polycarbonat transparent d Bambusskelett Achsmaß 2,40 ≈ 2,40 m Spatial and constructional layers; folded paper forms served as a model a r oof construction: tubular steel with membrane covering b Platform at gallery level: pairs of support frames and secondary beams in laminated bamboo c facade screen: steel SHS frame with bamboo laminate; transparent polycarbonate panels d bamboo skeleton frame: 2.40 ≈ 2.40 m grid Among the many organic building materials that exist, bamboo occupies a special place. The plant is fast-growing and undemanding, and we managed to find a giant species on the border to Myanmar, so that the main structure of the pavilion consists of 96 columns 7.4 m long (cut from 30-metre stems) with a diameter of 22 cm at the base. No reliable information exists on the durability of bamboo buildings. By protecting the material against insect attack, mould, rot and fire, its life can be considerably extended, however. Bamboo can also crack if it is cut too soon or not properly matured and dried. The laminates we have developed offer certain advantages over natural bamboo – not just because of their resistance to cracking, but because an environmentally safe steam treatment is sufficient for conservation. We also had the opportunity to experiment with a surface coating of silicium nanoparticles to form an invisible glass-like protective layer. The “German-Chinese House” marks the conclusion of a three-year campaign by the German government with the title “Germany and China – Moving Ahead Together”. Invited to participate, I proposed pavilions in bamboo, since I have long experience in its use. In collaboration with the engineers Knut Göppert of sbp and Mike Sieder of the University of Technology, Munich, it was possible to develop various innovative jointing techniques. Five different basic types of pavilion were designed – a total of 22 individual structures. These were erected in five commercial metropolises in China for three weeks at a time. The team faced an enormous challenge, though. As well as the technical questions that arise with any prototype, only six months were foreseen for the planning and construction, including the restrictive process of obtaining permission. Paradoxically, despite China’s rich tradition in bamboo, there are no building regulations or standard procedures in that country for gaining permission to use this natural material, whereas in Europe a certificate does exist. European planners and concerns could take advantage of this in the future. Although bamboo has excellent fireresisting qualities, all elements had to be given an additional coat of fire-retardant varnish. Last, but not least, as a team comprising firms, planners and universities in Germany and China, we were able to implement many innovations such as new node connections; laminated-bamboo facade elements that are self-stabilizing as a result of their facetted surfaces; four-metre-deep laminated-bamboo beams that span a distance of 6.4 m and bear the 80 m2 platform for special events; plus new multifunctional types of furniture. After the exposition, the German-Chinese House will be moved to the Hangzhou district near museum buildings by Herzog & de Meuron, Steven Holl and David Chipperfield.