Filmförderpreis der Robert Bosch Stiftung für Koproduktionen Co

Transcription

Filmförderpreis der Robert Bosch Stiftung für Koproduktionen Co
Filmförderpreis der Robert Bosch Stiftung
für Koproduktionen
Co-Production-Prize of the Robert Bosch Stiftung
for joint film productions
Preisträger 2007–2008 :: Winners 2007–2008
Kurzfilme :: Short Film
Animationen :: Animated Film
Dokumentarfilme :: Documentary
Einführung
Inhaltsverzeichnis :: Contents
Einführung :: Introduction . . . . . . . . . . 3
Grenzland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Renovare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Sunstroke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Anna Blume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Kein Ort :: Nowhere in Europe . . . . . . 33
Normal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Redaktion :: Editor Booklet:
Christine Kopf, Frank W. Albers
Übersetzungen :: Translation:
Kerstin Trimble
Lektorat :: Revision: Franziska Schuster
Design: Christin Albert, Tanja Frey
DVD Producer: Gert Rahn, wave~line
DVD Extras: Steffen Kayser
Der Filmförderpreis für Koproduktionen wird seit 2005 alljährlich
in den Kategorien Kurzspielfilm, Dokumentarfilm und Animation
verliehen. Das bedeutet für die Robert Bosch Stiftung: junge
Talente aus Ost und West finden, sie zusammenführen, begabte
Teams durch Weiterbildung fördern und ihren Weg ein Stück weit
begleiten. Zunächst wagten vor allem junge Regisseure und Produzenten, die den Wandel zwischen Ost und West in der eigenen
Biografie haben, das Abenteuer einer Koproduktion. Mittlerweile
aber ist der Filmförderpreis an den Filmhochschulen sowohl in
Deutschland als auch in Mittel-Osteuropa bekannt, gibt es durch
die Zusammenarbeit mit dem Talent Campus in Berlin und Sarajevo, der Projektbörse beim Wiesbadener goEast-Filmfestival und
vielen anderen Foren vielfältige Möglichkeiten zur Teamfindung.
In jedem Jahr werden aus allen Einreichungen 15 Teams für den
Preis nominiert. Ihre Projekte stellen sie einer Fachjury persönlich vor. Die Anforderungen sind hoch: Neben überzeugenden
Ideen müssen auch das Budget und die Präsentation stimmen,
vor allem aber soll es sich um eine echte kreative Zusammenarbeit zwischen den Partnern aus den beteiligten Ländern handeln.
Für die Realisierung der Filmprojekte stehen pro Kategorie bis zu
70.000 Euro bereit. Aber auch wer am Ende nicht ausgezeichnet
wird, profitiert: Die Teams durchlaufen Workshops in Stuttgart
und Wiesbaden. Die engagierte Jury verfolgt die Entwicklung
der Projekte über ihre Fertigstellung hinaus bis hin zur Festivallaufbahn und zum Vertrieb. So sind in den letzten Jahren herausragende Filme entstanden, die zahlreiche Preise bei Festivals
gewonnen haben. Als Medienpartner des Filmförderpreises konnte der Sender ARTE gewonnen werden, der aus jedem Jahrgang
mindestens einen Film ausstrahlt. Die Veröffentlichung der Filme
in einer DVD-Edition ist nun der nächste konsequente Schritt,
denn gute Filme verdienen ein großes Publikum.
Frank Albers,
Projektleiter »Kunst und Kultur« der Robert Bosch Stiftung
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Introduction
Grenzland / Przyjaźń :: Grenzland
Since 2005, the Co-Production Prize has been awarded annually
in the categories short film, documentary and animated film. For
the Robert Bosch Stiftung, this means discovering young talents in
East and West, bringing them together, promoting talented teams
through further training and traveling part of their journey with
them. The first ones to venture on such co-productions were mainly
young directors and producers whose own biographies had been
shaped by the changing relations between East and West. In the
meantime, however, film academies in Germany as well as in Central
and Eastern Europe are well aware of the Co-Production Prize. Our
co-operation with the Berlin and Sarajevo Talent Campus, the project market at the goEast film festival in Wiesbaden and many other
forums present numerous opportunities to bring teams together.
Each year, 15 teams are nominated from among all submissions.
They present their projects to an expert jury in person. Standards
are high: the ideas must be convincing, the budget and the presentation must be spot-on, and most importantly, the project must
be a genuine creative cooperation between the partners from the
participating countries. Up to 70,000 euros will be granted for the
production of the film projects in each category. But even those who
don’t win an award won’t walk away empty-handed: all teams will
participate in workshops in Stuttgart and Wiesbaden. Our hands-on
jury will follow the development of the projects beyond their completion and also monitor their reception at the festivals and their
distribution. The past years have thus generated excellent films that
have won numerous awards at film festivals. TV channel ARTE is our
media partner and broadcasts at least one film from each year of the
competition. The release of the films on DVD is the next logical step,
because good films deserve a large audience.
Deutschland / Polen :: Germany / Poland 2009
32 Min. / 35 mm, Farbe :: Color
Regie :: Director: Nicole Volpert
Buch :: Screenplay: Katrin Milhahn, Antonia Rothe, Nicole Volpert
Kamera :: Cinematography: Hanno Moritz Kunow
Ausstattung :: Art Director: Michal Galinski
Schnitt :: Editor: Florian Köhler, Mechthild Bart
Musik :: Music: Chandra Fleig
Produzentinnen :: Producers: Joanna Kollbek, Jamila Wenske
Darsteller :: Cast: Björn Rothenburger (Konrad), Mateusz
Skrzypach (Wojtek), Bjarne Mädel (Konrads Vater :: Father)
Produktion :: Production: TRACES GbR, Greifswalder Straße 207B,
10405 Berlin, Deutschland
Grenzland war u. a. auf folgenden Festivals zu sehen:
Grenzland was featured at the following film festivals:
Filmfestival Max-Ophüls-Preis Saarbrücken, Next International Film
Festival Bukarest
Der Film wurde im Fernsehen bei ZDF / ARTE ausgestrahlt.
The film was broadcast on ZDF / ARTE.
Frank Albers,
program officer »Arts and Culture«, Robert Bosch Stiftung
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Statement der Regisseurin
»Wie können die Toten wirklich tot sein, solange sie in unseren
Herzen weiterleben?« (Indianische Weisheit )
Grenzland ist ein Film für Jungen und Mädchen, voll Spannung
und Abenteuer, aber auch eine poetische Geschichte über
Freundschaft und Schicksal. Der Film behandelt das Thema
Tod in seiner ganzen Ernsthaftigkeit, lässt aber den Zuschauer
nicht ohne Hoffnung oder ungetröstet zurück.
Director‘s Statement
»How can the dead really be dead, as long as they live on in our
hearts?« (Native American wisdom)
Grenzland is a film for boys and girls, full of suspense and adventures, but also a poetic story of friendship and fate. The film deals
with the topic of death in all its seriousness, but does not leave
the spectator hopeless or without comfort.
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Nicole Volpert, geb. 1967 in Frankfurt am Main, studierte
Kommunikationsdesign an der Hochschule für Gestaltung in
Offenbach. Nach einem Jahr als Gast am Saint Martins College
of Art in London beendete sie 1993 ihr Studium mit dem Abschluss Bachelor of Arts (B.A.). Von 1994 bis 2001 schloss sie
ein Studium der Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen
»Konrad Wolf« in Potsdam an. 1998 erhielt sie Künstlerinnenförderung durch den Berliner Senat und 1999 den Förderpreis für
Dokumentarfilm der Hans-Boeckler-Stiftung. Seitdem hat sie bei
zahlreichen Filmen Regie geführt und war unter anderen für den
Axel-Springer-Preis für Nachwuchsjournalisten, den europäischen
Medienpreis für Integration »CIVIS«, den »Prix Jeunesse International« und den »Goldenen Spatz« nominiert.
Nicole Volpert, born in 1967 in Frankfurt am Main, majored in
communication design at the University of Art and Design Offenbach. After spending a year at Saint Martin’s College of Art in London, she received her B.A. in 1993. From 1994 to 2001, she studied
Directing at the Film and Television University »Konrad Wolf« in
Potsdam. In 1998, she received a Berlin Senate scholarship for female artists, and in 1999 won the Hans Böckler Foundation’s award
for documentaries. Since then, she has directed numerous films and
was, among other things, nominated for the Axel Springer Prize for
Young Journalists, CIVIS – Europe’s Media Prize for Integration and
Cultural Diversity, the »Prix Jeunesse International« as well as the
»Golden Sparrow« award.
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Interview mit Nicole Volpert
Christine Kopf: Du hast vor Grenzland (abgesehen von Deinem
titelgebenden Beitrag zu dem Episodenfilm Morgen retten wir
die Welt, 2001) vor allem Dokumentarfilme gemacht – warum
der Wechsel in ein anderes Genre?
Jamila Wenske, geb. 1975 in Berlin, arbeitete zunächst als Aufnahmeleiterin für Synchronisationen. Von 2000 bis 2006 absolvierte sie ein Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen
»Konrad Wolf« in Potsdam. Mondscheinkinder (Regie: Manuela
Stacke, 2006) war ihr Abschlussfilm als Junior-Produzentin.
Die von ihr produzierten Kurzfilme waren sehr erfolgreich, Jam
Session (Regie: Izabela Plucińska) gewann 2006 einen Silbernen
Bären bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin. In den
letzten Jahren arbeitete sie als Line Producer und Production
Manager u. a. für große Kinoproduktionen wie z. B. HansChristian Schmids Sturm, 2009.
Jamila Wenske, born in 1975 in Berlin, first worked in film dubbing
as studio manager. From 2000 to 2006, she studied at the Film and
Television University »Konrad Wolf« in Potsdam. For her graduation
project, she served as junior producer of Manuela Stacke’s 2006
film Moonshine kids. She has produced very successful short films
such as Jam Session (director: Izabela Plucińska), which won a
Silver Bear at the Berlin International Film Festival in 2006. In recent
years, she has worked as a line producer and production manager
for large cinema productions such as Hans Christian Schmid’s 2009
motion-picture Storm.
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Nicole Volpert: »Die Kamera lügt oft über das, was vor ihrem
Objektiv ist ‒ aber sehr selten über den, der hinter ihr steht.«
Johan van der Keuken
Ich sehe keinen Unterschied zwischen Dokumentarfilm und Spielfilm. Wer meine Filme anschaut, wird erkennen: Die Spielfilme
haben den Anspruch, realistisch zu sein, und in einigen Dokumentarfilmen habe ich Geschichten mit Hilfe fiktionaler Elemente
inszeniert. Doch thematisch, inhaltlich bin ich immer hinter meinem Film zu erkennen, egal ob Spielfilm oder Dokumentarfilm.
CK: Wie entstand die Idee zu Grenzland, und wie hat sie sich
in der Zusammenarbeit mit Katrin Milhahn und Antonia Rothe
entwickelt?
NV: Die Idee zum Film basiert auf einer Kinder-Kurzfilm-Idee von
Katrin und Antonia. Während der gemeinsamen Arbeit am Drehbuch entwickelte sich schnell die Verankerung der Geschichte
im deutsch-polnischen Grenzgebiet, da ich gerade aufgewühlt
von einem Dokumentarfilm-Dreh aus Polen zurückkam. Antonias
und Katrins »Indianerfilm« erzählte plötzlich von Ängsten vor den
fremden Nachbarn Polen / Deutschland. Wir hofften, dass unsere
beiden kindlichen Protagonisten Konrad und Wojtek mit ihrer
spielerischen Art die oft festgefahrenen und eindimensionalen
Sichtweisen der Erwachsenen aufbrechen und den Zuschauer
mit einem Stück Hoffnung entlassen würden. Ein Stück Hoffnung,
dass wir dringend brauchen in einer Zeit, in der die Mauern ‒
jetzt die EU-Außengrenzen ‒ immer höher gebaut werden.
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CK: Ein »mittellanger Spielfilm« ist ein nicht sehr häufig anzutreffendes und auch in der Verwertung nicht ganz einfaches
Format. Was hat Dich dazu bewogen?
elements to help me tell stories. You will always know me by my
themes and contents, no matter whether it is a feature film or a
documentary.
NV: Nicht kurz, nicht lang ‒ mittellang ‒ eine wunderbare Spielwiese für innovatives Erzählen.
CK: How was the idea for Grenzland born and how did it evolve in
your cooperation with Katrin Milhahn and Antonia Rothe?
CK: Zuletzt hast Du an einer Fernsehserie gearbeitet, die Kindern Erkenntnisse aus der Philosophie näherbringt. Was sind
Deine nächsten Projekte?
NV: The idea for the film is based on an idea Katrin and Antonia had
for a children‘s short film. As we worked together on the screenplay,
the story soon became embedded in the German-Polish borderland
because I had just returned from shooting a documentary in Poland,
and was still caught up in it emotionally. Antonia‘s and Katrin‘s
»Indian movie« was now telling about the anxieties of the estranged
neighbors Poland and Germany. We hoped that our two child protagonists Konrad and Woytek would, in their playful way, break the
adults‘ uptight and one-dimensional perspectives and release the
viewers with a little bit of hope. Hope that we urgently need in times
when walls, now the outer borders of the European Union, are being
raised ever higher.
NV: In meinem neuen Dokumentarfilm über Sportler mit geistiger
Behinderung wird der Begriff »Normalität« auf herzerwärmende
Weise hinterfragt.
Im Spielfilmbereich plane ich gerade mein Langfilm-Debüt »Die
Konspirantinnen«. Ein Polit-Thriller und eine erneute deutschosteuropäische Koproduktion. Die Handlung spielt auch diesmal
wieder in einem Grenzgebiet, so dass meine durch Grenzland erworbenen Erfahrungen hoffentlich zum Einsatz kommen werden.
CK: A »medium-length feature film« is a rare and not easily marketable format. What made you chose it?
Interview with Nicole Volpert
Christine Kopf: Before Grenzland, you have mainly made documentaries (with the exception of your contribution to the series
Tomorrow We Will Save the World in 2001, which actually gave it
its title) – why did you switch to another genre?
Nicole Volpert: »The camera often lies about what is before its lens –
but very rarely about the one who stands behind it.« Johan van der
Keuken
For me, there is no difference between a documentary and a feature
film. When you watch my movies, you will see that my feature films
claim to be realistic and some of my documentaries use fictional
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NV: Not short, not long – medium-length – a wonderful playground
for innovative storytelling.
CK: Your most recent work was a television series that introduces
children to philosophical insights. What is up next?
NV: My new documentary about mentally handicapped athletes will
question the definition of »normalcy« in a heart-warming way.
I am also planning my first full-length feature film: »The conspirers«.
It will be a political thriller and another German-Eastern European
co-production. The story will, once again, be set in a border region,
so I hope to be able to draw on my experiences from Grenzland.
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Renovare / Renovierung :: Renovation
Deutschland / Rumänien :: Germany / Romania 2009
26 Min. / Super16, Farbe :: Color
Regie :: Director: Paul Negoescu
Buch :: Screenplay: Simona Ghita, Paul Negoescu
Kamera :: Cinematography: Andrei Butica
Ausstattung :: Art Director: Iulia Negoescu
Schnitt :: Editor: Elisabeth Raßbach, Dragos Apetri
Sound Design: Friedrich Wohlfarth
Produzent :: Producer: David Lindner Leporda, Ada Solomon
Darsteller :: Cast: Simona Bondoc (Flori), Clara Voda (Doina),
Andrei Runcanu (Alex), Mircea Rusu (Catalin), Diana Cavallioti
(Adina)
Produktion :: Production: Filmallee – David Lindner Filmproduktion, Regerplatz 6, 81541 München, Deutschland /
HiFilm, Str. Traian 179, 024043 Bukarest, Rumänien
FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung
Statement des Produzenten
Renovare war auf über 70 Festivals zu sehen, u. a.:
Renovation was featured at more than 70 festivals:
Berlin International Film Festival, Vila do Conde International Film
Festival (Best European Short Film Prize), Cinema Jove Film Festival, Namur Film Festival, Uppsala Int. Short Film Festival, Leeds
Int. Film Festival, Hamburg Int. Short Film Festival.
Außerdem war Renovare für den Kurzfilmpreis der European Film
Academy und den Rumänischen Filmpreis nominiert.
Renovare was also nominated for the European Film Academy Short
Film Award as well as the Romanian Film Prize.
I have been able to partly witness the transition period and turmoil
that Romania, like many other countries in Eastern Europe, has undergone over the last 20 years. Thanks to the modern media such as
the cinema and, most importantly TV, Romanians have an open window to the brightly shining world of the West and they try to seek
happiness in this direction. In this context, not only does Renovation
mean to throw old furniture to the trash replacing it with IKEA-stuff,
but it also means giving up old ways of living and thinking, thus
changing one’s identity and mentality.
Ich habe die turbulente Übergangszeit, die Rumänien wie viele
andere osteuropäische Länder in den letzten zwanzig Jahren
erlebt hat, teilweise selbst mitbekommen. Moderne Medien wie
Kino und vor allem Fernsehen sind für die Rumänen ein offenes
Fenster zur glitzernden Welt des Westens, und sie suchen ihr
Glück in dieser Richtung. In diesem Zusammenhang bedeutet
Renovierung nicht nur, alte Möbel auf den Müll zu werfen und
mit Zeug von IKEA zu ersetzen, sondern auch alte Lebens- und
Denkweisen aufzugeben und auf diese Weise seine Identität und
Mentalität zu verändern.
Producer’s Statement
Der Film wurde auf HBO Romania im Fernsehen ausgestrahlt.
The film was broadcast on HBO Romania.
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Paul Negoescu, geb. 1984 in Bukarest, studierte bis 2009 Filmregie an der Nationalen Filmhochschule in Bukarest. Mit seinen
Kurzfilmen war er international bereits außergewöhnlich erfolgreich, sie liefen u. a. im Kurzfilmwettbewerb der Internationalen
Filmfestspiele Berlin (Tarziu, 2008 / Renovare, 2009 / Derby,
2010) sowie im Programm von Karlovy Vary, Rotterdam, London
und New York. Sie gewannen zahlreiche Preise. Renovare und
Derby waren für den Europäischen Filmpreis nominiert. Paul
Negoescu ist außerdem Künstlerischer Leiter des Timishort
Filmfestivals in Rumänien.
seine eigene Firma, FILMALLEE, und arbeitet seither als selbständiger kreativer Produzent. Seine besondere Aufmerksamkeit
gilt dem Filmland Rumänien. Mit Paul Negoescu hat er neben
Renovare auch Derby (2010) realisiert, der ebenfalls für den
Kurzfilmwettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin ausgesucht wurde. 2011 war er mit dem von ihm produzierten Kurzfilm Apele Tac / Silent River (R: Anca Miruna Lazarescu) in Berlin
vertreten. Seit 2009 geht David Lindner diversen Lehrtätigkeiten
nach, u. a. an der HFF München. Für die Regensburger Kurzfilmwoche war er 2010 als Juror des Deutschen Wettbewerbs tätig.
Paul Negoescu, born in Bucharest in 1984, studied Film Directing
at the National Film School of Bucharest until 2009. His short films
have already earned him unusual international success; they have
been featured in the short film section of the International Film
Festival Berlin (Tarziu, 2008 / Renovare, 2009 / Derby, 2010),
as well as in the programming in Karlovy Vary, Rotterdam, London
and New York, winning numerous awards. He was nominated twice
at the European Film Academy Awards, for Renovare and Derby.
Paul Negoescu is also the Artistic Director of the Timishort Film
Festival in Romania.
David Lindner Leporda, born in 1979 in Berlin and raised in Potsdam, studied Production and Media Management at the University
of Television and Film Munich. Prior to that, he had already taken
his first steps in the film industry as an actor in one of the last DEFA
films and as assistant to producer Christoph Müller. In 2006, he
launched his own company, FILMALLEE, and has since worked as an
independent creative producer. His special focus is on film land Romania. Together with Paul Negoescu, he produced Renovare as well
as Derby (2010), which was also selected for the short film section
of the International Film Festival Berlin. In 2011, he was represented
at the Berlinale with his short film production Apele Tac / Silent
River (R: Anca Miruna Lazarescu). Since 2009, David Lindner has
been teaching in various positions, among others at the HFF Munich.
He has served as jury member at the German film section of the
Regensburg Short Film Week 2010.
David Lindner Leporda, geb. 1979 in Berlin, aufgewachsen in
Potsdam, studierte bis 2008 Produktion und Medienwirtschaft
an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Zuvor
hatte er bereits Erfahrungen in der Filmbranche gesammelt
(u. a. als Schauspieler bei einem der letzten DEFA-Filme und als
Assistent des Produzenten Christoph Müller). 2006 gründete er
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Interview mit Paul Negoescu
Christine Kopf: Du warst dreimal hintereinander mit Deinen
Kurzfilmen im Berlinale-Wettbewerb. Was, glaubst Du, macht
Deine Kurzfilme international so erfolgreich?
Paul Negoescu: Ich habe es immer für einen Riesenzufall gehalten, dreimal hintereinander für die Berlinale ausgewählt zu
werden. Aber ich glaube, meine Filme gefallen dem Publikum und
den Festivalveranstaltern, weil sie von kleinen Dingen erzählen,
die im Leben wichtig sind.
CK: Die Kuratorin der Berlinale Shorts, Maike Mia Höhne, sagte
in einem Interview, Paul Negoescu werde »immer strenger und
noch reduzierter« und lobte vor allem die Arbeit mit den Schauspielern. Wie verläuft das Casting und die Proben?
PN: Ich bin ein großer Fan von Minimalismus und versuche, so
viel wie möglich mit sparsamen Mitteln zu sagen. Die meisten
meiner Filme haben keine spektakuläre Story, keiner kommt um,
keiner wird verletzt. Und wenn im Film nichts Spektakuläres
passiert, muss man wirklich sorgfältig mit all dem umgehen, was
man zur Verfügung hat. Zwei Sachen liegen mir beim Filmemachen besonders am Herzen: Schauspielerei und Kamera. Und ich
habe da kein Rezept. Ich versuche einfach, diejenigen Schauspieler auszuwählen, die am besten auf die Figuren passen, die mir
vorschweben. Und dann probe ich so viel wie nötig ist, dass die
Schauspieler meiner Vorstellung so nahe wie möglich kommen.
Ich weiß schon, dass sie nie genau so sein werden, wie sie in
meinem Kopf sind, aber ich versuche es gern.
CK: Wie entstand die Idee für Renovare, und zu welchem Zeitpunkt fiel die Entscheidung für das Triptychon?
PN: Die Idee kam mir, als ich bemerkte, dass meine Oma mir
immer eine Menge nutzloser Sachen bringt, einfach um mir und
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meiner Familie nahe zu sein. Ich fand das lustig und rührend
zugleich. Zunächst sollte es die Geschichte einer Großmutter
werden, aber dann wollte ich nicht, dass sie das Opfer der Grausamkeit einer Familie wird, die zu beschäftigt ist, ihr zuzuhören.
Also habe ich versucht, ein bisschen Perspektive zu schaffen,
indem ich allen die Chance gebe, sich zu verteidigen. Und über
die Sache mit dem Tryptichon war ich mir noch im Unklaren, als
wir den Film schon schnitten. Wir hatten zwei Versionen: eine in
dem Format mit drei Episoden und eine einzige Geschichte, die
in Echtzeit alle drei Figuren zeigt.
CK: Wovon handelt Dein Langfilmdebüt, und wann können wir
es sehen?
PN: Ich hoffe, diesen Film im Winter 2011 / 2012 drehen zu
können. Die Geschichte handelt von einem Mann, der sich entschließt, in der Silvesternacht mit seiner Freundin Schluss zu
machen. Dann entscheidet er sich, seine Exfreundin in derselben
Nacht suchen zu gehen, und versöhnt sich letztlich mit ihr.
Interview with Paul Negoescu
Christine Kopf: Your short films have been selected for the
Berlinale three consecutive times. What do you think makes your
short films such international successes?
Paul Negoescu: I always thought that being selected three times in a
row at the Berlinale was just a very big coincidence. But I guess what
made my films attractive to the audiences and festival programmers
is that they talk about small things that are important in life.
CK: Maike Mia Höhne, curator of the Berlinale Shorts, said in an
interview that Paul Negoescu films »are getting ever tighter and
even more concise«, and particularly praised your work with the
actors. How do you cast and rehearse?
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Napszúrás / Sunstroke :: Sunstroke
PN: I am a big fan of minimalism and I try to say as much as I can
using as few means as possible. And most of my films are like that,
usually, the story is not very spectacular, no one dies, no one hurts.
And by not having spectacular things in the movie, you need to be
really careful how you use everything you have at your disposal. There are two things I care a lot about during filmmaking: acting and
camera. And I don‘t have any recipe for casting or rehearsing. I just
try to choose the actors that best fit the people I have in mind. And
I rehearse as much as I need to bring the actors as close as possible
to my imagination. I am aware that I can never make them exactly as
they are in my head, but I like trying.
CK: How did you come up with the idea for Renovare, and at what
point did you decide to go for the triptych structure?
PN: The idea came when I noticed that my grandma brings me a lot
of useless stuff, just to be close to me and my family. I found that
quite funny and touching at the same time. It was first supposed to
be the story of a grandmother, but then I didn‘t want to make her
become a victim of the cruelty of her family who is too busy to listen
to her. So I tried to gain some perspective by giving them all the
chance to defend themselves. And I was not sure about the triptych
story even when we were editing the film. We had two versions: one
in the three episodes format and one in a single story, with three
main characters, in real time.
CK: When will we see your feature film debut, and what will it be
about?
PN: I hope I can shoot this film in the winter of 2011 / 2012. The
story is about a guy who decides to break up with his girlfriend on
New Year’s Eve. Then he decides to find his former lover that same
night and finally makes up with her.
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Ungarn / Deutschland :: Hungary / Germany 2009
34 Min. / 35 mm, Farbe :: Color
Regie :: Director: Lili Horváth
Buch :: Screenplay: Lili Horváth
Kamera :: Cinematography: Róbert Maly
Ausstattung :: Art Director: Sandra Sztevanovity
Schnitt :: Editor: Daniel Szabó
Musik :: Music: Naked Lunch
Sound: Tamás Zányi, Rudolf Várhegyi
Produzent :: Producer: Károly Fehér, Henning Kamm
Darsteller :: Cast: Franciska Törőcsik (Maja), Bori Péterfy
(Rózsa), Axel Wandtke (Axel)
Produktion :: Production: DETAiLFILM Gasmia & Kamm GbR,
Jenfelder Allee 80, 22045 Hamburg, Deutschland / popfilm kft.,
1061 Budapest, Jókai tér 3., Ungarn
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Sunstroke war u. a. bei folgenden Festivals zu sehen
Sunstroke was featured at the following film festivals:
Ungarische Filmwoche Budapest (Hungarian Film Critiques’
Award: Best Short Film, Best Actress in a Supporting Role),
Sarajevo Filmfestival, Sleepwalkers Festival Tallin (Best Fiction
Film), Plus Camerimage Festival Łódź (Bronze Tadpole Award),
Festival Silhouette Paris (Grand Prix, Best Performance, Special
Mention of the Student Jury), Cinefest Miskolc (Best Short Film)
Der Film wurde am 10. November 2009 bei ARTE ausgestrahlt.
The film was broadcast on November 10, 2009 on ARTE.
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Stills: Robert Horváth
Pressestimmen
Filmvilág, Ungarn :: Hungary:
»Sunstroke ist eine reizvolle, packende Neuauslegung der
schmerzhaft nüchternen Vorstellung Fassbinders, dass das
gemeinsame Erdulden von Einsamkeit das Höchste ist, was zwei
Menschen von einer Beziehung erwarten können.« :: »Sunstroke
is a poignant and appealing reinterpretation of Fassbinder‘s painfully matter-of-fact idea that sharing their loneliness is the most
two people can hope for in a relationship.«
Mandiner, Ungarn :: Hungary:
»In ihrem erstklassigen Debüt in einer Filmhauptrolle haucht
Franciska Törőcsik ihrer Figur mit einer Raffinesse Leben ein,
die ihrem eigenen Alter widerspricht.« :: »Franciska Törőcsik
brings her character to life with a subtlety defying her own age
in a world-class first performance as the female lead in a movie.«
filmtett.ro, Rumänien :: Romania
»Sunstroke ist ein perfektes Beispiel dafür, wie man einen
›Kurzspielfilm‹ von lediglich 35 Minuten schaffen kann – ein
Drittel des üblichen neunzig-minütigen Spielfilms – mit einer
gänzlich ausgebildeten, unabhängigen, wunderbar detailreich
dargestellten und völlig erlebten Filmwelt.« :: »Sunstroke is a
perfect example of how to create a ›short feature‹ in all of 35 minutes – one-third of an average 90-minute picture – with a wholly
realized autonomous world portrayed in exquisite detail and
experienced to the fullest.«
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Lili Horváth, geb. 1982 in Budapest in Ungarn, studierte ein Jahr
an der Sorbonne in Paris, dann an der Ungarischen Akademie für
Film, Drama und Fernsehen und an der Hochschule für Film und
Fernsehen »Konrad Wolf« in Babelsberg. Sie arbeitet als Regisseurin und Autorin für Film und Fernsehen. Ihre erste Arbeit war
der Dokumentarfilm Sketch – Ein Porträt von Gizella Koppány
(2004); es folgten in den Jahren bis 2007 die Kurzfilme First
Birthday, Summer Holiday und Swimming Pool Thief; zudem die
Dokumentation The Siege of Budapest – Part IV. Derzeit arbeitet
sie an dem Spielfilm »The Wednesday Child« und der Dokumentation »Unstickable Heart«.
Lili Horváth, born in 1982 in Budapest, Hungary, studied at the
Parisian Sorbonne for one year, then at the Hungarian Academy of
Drama and Film and at the Film and Television University »Konrad
Wolf« in Babelsberg. She works as a director and author for film and
television. Her first work was the documentary Sketch – A Portrait
of Gizella Koppány (2004); by 2007 she had created the short
films First Birthday, Summer Holiday and Swimming Pool Thief,
as well as the documentary The Siege of Budapest – Part IV. She
is currently working on her feature film »The Wednesday Child« and
documentary »Unstickable Heart«.
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Interview mit Lili Horváth
Christine Kopf: Die Idee und das Drehbuch zu Sunstroke stammen von Dir. Der Film berührt einige gesellschaftliche Tabus:
Mutterschaft im Teenageralter, lesbischer Sex mit einer Minderjährigen und schließlich verlässt eine Mutter ihr Kind.
Basiert die Geschichte auf Recherchen?
Henning Kamm, geb. 1977 in Hamburg, studierte zunächst Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg und entschied sich
dann für eine Tätigkeit als Filmproduzent. Dafür beschäftigte er
sich mit filmwirtschaftlichen Themen und nahm an der Masterclass Ludwigsburg / Paris der Filmakademie Baden Württemberg
teil. Zusammen mit Fabian Gasmia gründete er 2007 die DETAiLFILM, sie produzierten anfangs Kurzfilme und jetzt auch abendfüllende Spielfilme. Die Produktionsfirma wurde 2010 mit dem Innovationspreis der deutschen Filmwirtschaft ausgezeichnet. Der
von Fabian Gasmia und Henning Kamm produzierte 14-minütige
Dokumentarfilm Wagah (2009, R: Supriyo Sen, Najaf Bilgrami)
über einen Grenzübergang zwischen Indien und Pakistan gewann
neben dem Deutschen Kurzfilmpreis zahlreiche weitere Auszeichnungen.
Henning Kamm, born in Hamburg in 1977, studied Applied Cultural
Sciences in Lüneburg and then opted for a career as film producer.
He studied the film industry, taking Master’s classes in Ludwigsburg
and Paris with the Baden Württemberg Film Academy. With Fabian
Gasmia he founded DETAiLFILM in 2007. They started out producing short films and now also make feature-length films. Their production company was awarded the Innovation Award of the German
Film Industry in 2010. Wagah, a 14-minute documentary produced
by Fabian Gasmia and Henning Kamm (2009, D: Supriyo Sen, Najaf
Bilgrami) deals with a border crossing between India and Pakistan
and received numerous awards, among them the German Short Film
Award.
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Lili Horváth: Die Geschichte ist ein Produkt der Fantasie. Ich
las eine Kurzgeschichte von E. L. Doctorow, deren Hauptfigur
Maja ein bisschen ähnelt. Mich reizte, ob der Zuschauer mit so
einer zweifelhaften Figur mitgehen kann, ob er ihr trotzdem die
Daumen drückt. Als das Drehbuch fertig war, bin ich mit meinen
Mitarbeitern in verschiedene Heime gegangen und habe dort
recherchiert, damit die Welt des Filmes authentischer wird.
CK: Die Protagonistin Maja wird von einer Laiendarstellerin
verkörpert. Wie hast Du Franciska Törőcsik gefunden und wie
war die Arbeit mit ihr?
LH: Wir haben sehr lange in Laienschauspielgruppen, in Heimen,
auf der Straße nach der Hauptdarstellerin gesucht. Dann sagte
mir einer meiner Dozenten, dass er ein Mädchen bei der Aufnahmeprüfung gesehen hat, die ich mir anschauen soll. Wir haben
Probeaufnahmen mit ihr gemacht und sofort entschieden, dass
sie Maja sein wird. Es war Franciskas erste Filmrolle. Sie hat sich
sehr gut vorbereitet, die Zusammenarbeit war ganz einfach. Sie
ist mit uns in die Heime gefahren und ich bat sie, die Mädchen
dort genau anzuschauen: wie sie aussehen, wie sie reden, wie sie
schweigen. Wir suchten gemeinsam danach, wie Maja läuft, wie
sie spricht. Während der Dreharbeiten haben wir dann wirklich
nur noch die Feinarbeit gemacht.
CK: Was hast Du von der Koproduktionserfahrung für Deine
weitere Laufbahn mitgenommen?
23
LH: Es ist für mich klar geworden, dass es bei einer Koproduktion
nicht nur darum geht, dass die Finanzierung eines Films einfacher
wird – obwohl das natürlich auch ein wichtiger Aspekt ist. Genauso wichtig ist aber, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen
sich gemeinsam Gedanken machen. Dadurch sind auch Aspekte
zur Sprache gekommen, an die ich sonst nicht gedacht hätte.
CK: Zur Zeit arbeitest Du an Deinem Langfilmdebüt. Verrätst Du
uns schon, wovon der Film handeln wird?
LH: Mein Langfilmprojekt trägt den Arbeitstitel »Das Mittwochskind« und ist die Weiterentwicklung von Sunstroke. In Sunstroke
kämpft die heranwachsende Maja mit dem Konflikt von früher
Mutterschaft und Freiheitsdrang. Im »Mittwochskind« steht Maja
am Beginn ihres Erwachsenenalters, ist schon aus dem Heim heraus. Ihr Kampf besteht nun darin, wie sie sich in die Gesellschaft
integrieren und eine verantwortungsbewusste Mutter werden
kann, obwohl sie selbst dafür kein benutzbares Muster erlernt
hat.
Interview with Lili Horváth
Christine Kopf: You came up with the idea and the screenplay for
Sunstroke. The film touches a number of social taboos: teenage
motherhood, lesbian sex with a minor, and finally, a mother who
abandons her child. Is this story based on any research?
Lili Horváth: The story is the product of my imagination. I read a
short story by E. L. Doctorow, the protagonist of which somewhat resembles Maja. I was curious to know if the audience could empathize
with such a dubious character, if viewers would keep rooting for her.
When the screenplay was finished, I went to different such institutions with my team members and did research there to give the world
of the film more authenticity.
24
CK: Protagonist Maja is portrayed by a lay actor. How did you find
Franciska Törőcsik and what was it like to work with her?
LH: We spent a long time searching for a lead actor in lay acting
groups, in youth asylums, on the street. Then one of the lecturers at
the University told me that I should look at a girl he had seen at the
entrance auditions. We did a screen test with her and immediately
decided that she will be Maja. It was Franciska’s first film role. She
prepared very well, collaboration was easy. She went to the asylums
with us, and I asked her to closely observe the girls there: their appearance, their speech, their silence. Together we searched for the
way Maja would walk, the way she would talk. During the shoot we
really just did the fine-tuning.
CK: What part of this co-production experience will stay with you
in your future career?
LH: It has become clear to me that a co-production is not just about
facilitating the financing of a film – even though that is, of course,
an important aspect. But what is equally important is that people
from different cultures are in a joint thought process. It has been
very helpful for me that I was not surrounded by Hungarian team
members only. Aspects have come up that I would not have thought
of otherwise.
CK: You are currently working on your feature film debut. Can you
tell us what it will be about?
LH: The working title of my feature film project is »The Wednesday
Child«, and it is a continuation of Sunstroke. In Sunstroke, adolescent Maja struggles with the conflict of early motherhood and the
urge to be free. In »The Wednesday Child«, Maja is at the threshold
of adulthood and has already left the asylum. Her struggle now consists of integrating into society and becoming a responsible mother,
even though she has never been taught a practical pattern to do that.
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Anna Blume / На Анна Блуме
Deutschland / Bulgarien :: Germany / Bulgaria 2009
9:00 Min. / 35 mm, Farbe :: Color
Regie :: Director: Vessela Dantcheva
Buch :: Screenplay: Vessela Dantcheva, Ebele Okoye
Musik :: Music: Petar Doundakov
Produzent :: Producer: Ebele Okoye
Produktion :: Production: Ebele Okoye, Livländische Straße 4,
10715 Berlin, Deutschland / Fin Film, bul. Evlogi Georgiev #111,
apt.7, 1504 Sofia, Bulgarien
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Anna Blume war u. a. bei folgenden Festivals zu sehen:
Anna Blume was featured at the following film festivals:
Bulgarian Documentary and Animation Film Festival Plovdiv
(Critic’s Award, Best Animation Direction Award), International
Film Festival Rotterdam, National Academy Film Awards Bulgaria
(Best Animation Film), London International Animation Film
Festival, Zebra Poetry Film Festival Berlin (Ritter Sport Prize
for poetry film), Ottawa International Animation Festival, Golden
Kuker International Animation Festival Sofia (Prize for Best Film
up to 10 min.), ANIM’EST International Animation Festival Romania (Special Jury Award for Best Animation Film), International
Leipzig Festival for Documentary and Animated Film (Honorable
Mention), RICA Wissembourg International Film Festival (Jury
Special Award for Best Animation Film)
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Ehrungen bei Filmfestivals :: Honors received at film festivals
Special Jury Award at Anim’est 2010:
»Mit schlichtem und doch eindringlichem graphischen Stil führt
uns Anna Blume mittels der Absurditäten der Sprache, ohne
Rücksicht auf Sinn und Deutung, in die Welt der Verspieltheit und
der Fantasie.« :: »Anna Blume is a film with a simple, yet powerful
graphic style that takes us towards playfulness and the imaginary
using the absurdities of language, without minding sense and
interpretation.«
Lobende Anerkennung für Anna Blume auf dem DOK Leipzig
2010 :: Honorary Mention for Anna Blume at DOK Leipzig 2010:
»Mit seinem einzigartigen persönlichen Stil greift dieser Film die
Geschichte eines Mannes auf und erzählt sie aus der Perspektive
einer Frau. Einfallsreich und poetisch schafft dieser Film seine
eigene Welt und Logik, ohne uns aber dabei unsere Verbindung
zur Wirklichkeit und echten Menschen zu nehmen.« :: »Using a
unique personal style, this film takes a man’s story and tells it from
a woman’s perspective. Inventive and poetic, the film creates its own
world and logic, without losing our connection to the real world and
real people.«
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Vessela Dantcheva, geb. 1975 in Sofia, Bulgarien, hat einen
Abschluss der Hochschule für Angewandte Kunst in Sofia. Sie
zog dann nach Rotterdam in den Niederlanden, absolvierte dort
die Kunstakademie »Willem de Kooning« und schloss 2001 mit
ihrem Diplomfilm Pull Over »Cum Laude« ab. 2004 gründete sie,
zusammen mit dem Zeichentrickfilm-Regisseur Ivan Bogdanov,
ihr eigenes Produktionsstudio Finfilm in Sofia. Vessela Dantcheva
arbeitet heute als unabhängige Filmregisseurin und Zeichnerin
von Trickfilmen an eigenen Animationsfilmen sowie an Auftragsprojekten.
Vessela Dantcheva, born in 1975 in Sofia, Bulgaria, graduated from
the University of Applied Arts in Sofia and then moved to Rotterdam
in the Netherlands. In 2001, she graduated »Cum Laude« from the
Art Academy »Willem de Kooning« with her film Pull Over. In 2004,
she set up her own animation production studio Finfilm together
with animation director Ivan Bogdanov in Sofia. Vessela Dantcheva
now works as an independent film director and animator on her own
animation films as well as on commissioned projects.
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Ebele Okoye, geb. 1969 in Onitsha, Nigeria, absolvierte ihr
Grafikdesignstudium beim IMT, Enugu / Nigeria. In Lagos arbeitete sie als Illustratorin unter anderem bei einer Werbeagentur.
Im Jahr 2000 wanderte sie nach Deutschland aus. Nach kurzem
Studienaufenthalt im Bereich Design an der Fachhochschule
Düsseldorf und einem Praktikum beim WDR begann sie die
Ausbildung zur 2D-Zeichentrickfilmerin an der Internationalen
Filmschule Köln. Sie arbeitet im Bereich Malerei und Medienkunst
als Regisseurin und Produzentin eigener Filme, Videokunst sowie
Auftragsprojekten im Bereich Mediadesign. Anna Blume ist ihre
erste internationale Koproduktion als Produzentin.
Ebele Okoye, born in Onithsa, Nigeria in 1969, graduated from
the IMT in Enugu, Nigeria with a major in Graphic Design / Illustration. In Lagos she then worked at a public relations agency and as a
freelance illustrator. In 2000, she migrated to Germany. After a short
stint of studying design at the University of Applied Sciences Düsseldorf, Germany and an internship with the WDR, she specialized
in 2D Animation at the International Film School Cologne. She works
as a fine and media artist, directing and producing her own films
and video art as well as commissioned projects in media design.
Anna Blume is her first go at an international co-production as a
producer.
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Interview mit Vessela Dantcheva
Christine Kopf: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, ein Gedicht von 1919 als Ausgangspunkt für einen Animationsfilm zu
nehmen?
Vessela Dantcheva: Ich war neugierig, wollte experimentieren und
animierte visuelle Poesie schaffen. Das Gedicht »An Anna Blume«
aus dem Jahre 1919 hat mich in seiner Bandbreite beeindruckt,
mit so vielen Möglichkeiten, es visuell zu interpretieren und kontrovers zu deuten.
CK: Wie unterschied sich die Arbeit mit dieser Tonaufnahme
(das von Schwitters gesprochene Gedicht) von der sonstigen
Herstellung von Animationsfilmen?
VD: Das war eine ganz schöne Herausforderung, nicht nur für
mich, sondern auch für den Filmkomponisten und Sounddesigner. Als wir die Originalaufnahme des Gedichts gefunden hatten,
freuten wir uns sehr, sie verwenden zu können. Dann begannen
wir einen langen Prozess, während dessen wir versucht haben,
die echte Stimme Schwitters’ in den dramaturgischen Rhythmus
der Animation und der Musikkompositionen einzubinden. Letztlich teilten wir den Vortrag über den Film hinweg in mehrere Teile
auf und beließen den Ton der Aufnahme in seiner Originalqualität.
CK: Inwieweit war der zeitliche und künstlerische Kontext des
Gedichts von Bedeutung?
VD: Der ganze Film soll dem Gedicht voll gerecht werden. Natürlich steckt darin auch eine dicke Portion persönlicher Interpretationen und Gefühle über den Text. Wir wählten einen visuellen
Stil, der in seinen Details, Strukturen und Farben minimalistisch
ist, um dem künstlerischen Kontext des Dadaismus möglichst
treu zu bleiben.
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CK: Welche Vorteile brachte die deutsch-bulgarische Zusammenarbeit?
VD: Der Hauptvorteil für mich war der riesige Lernprozess, den
wir alle durchliefen. Anna Blume war für das gesamte Team die
erste Koproduktion. Die Zusammenarbeit fand ja nicht nur zwischen Deutschland und Bulgarien statt, sondern zwischen all den
kreativen Köpfen im Team. Und dabei ist nicht zu vergessen dass
der Film selbst eine wahre Zusammenarbeit von Gedicht, visueller Interpretation, Originalaufnahme und Musik ist.
Interview with Vessela Dantcheva
Christine Kopf: What inspired you to use a poem form the year
1919 as a baseline for an animated film?
Vessela Dantcheva: I was curious to experiment and create an animated visual poetry. The poem »An Anna Blume« dating from 1919
impressed me with its vast possibilities for different visual interpretations and controversial meanings.
CK: How did your work with this audio track, Schwitters’ own
recital of his poem, differ from other animated film productions?
VD: That was quite a challenge not only for me, but for the film
composer and sound designer, as well. Once we found the original
recording of the poem, we were exited that we could use it. Then
we went into a long process of finding the best way to incorporate Schwitters’ original voice into the dramaturgical rhythm of
the animation and the music compositions. At last we divided the
recital into several parts during the film and we left the sound of the
recording in its original quality.
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CK: How did the historical and artistic context of the poem impact your work?
VD: The entire film is created in full tribute to the poem. Of course
there is a big dose of personal interpretations and feelings about
the text, too. The visual style is chosen to be minimalistic in details,
structures and colors in order to stay close to the artistic context of
DADA graphic art.
CK: What were the benefits of German-Bulgarian collaboration?
VD: The main benefit for me was the huge learning process we all
went trough. Anna Blume was the first co-production for the whole
team. The collaboration was not only between Germany and Bulgaria, but also between all the key creative people involved. And one
should not forget that the film itself is true collaboration between
the poem, the visual interpretation, the original recital and the
music.
Kein Ort / Nigdzie w Europie :: Nowhere in Europe
Deutschland / Polen :: Germany / Poland 2009
98 Min. / XDCam HD, Farbe :: Color
Regie :: Director: Kerstin Nickig
Buch :: Screenplay: Kerstin Nickig
Kamera :: Cinematography: Piotr Rosolowski, Jakub Bejnarowicz,
André Frenzel
Schnitt :: Editing: Karoline Schulz
Sound Design: Magnus Pflüger, Grzegorz Rózycki,
Matthias Borchfeldt
Musik :: Music: Zoë Keating, 33a, Amarbeck Dimaev,
Sergey Davydov
Produzent :: Producer: Michael Truckenbrodt, Marcin Wierzchoslawski, Jacek Kucharski
Produktion :: Production: time prints OHG, Erkelenzdamm 59/61,
10999 Berlin
FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung
Kein Ort war u. a. bei folgenden Festivals zu sehen:
Nowhere in Europe was featured at the following film festivals:
Watch Docs Warsaw (special mention of the jury), One World
Prague, This Human World Wien, Pravo Ljudski Sarajevo (best
documentary), Visions du Réel Nyon, International Human Rights
Documentary Film Festival Glasgow / Paris, One World Brussels film festival, Movies that Matter Festival Amsterdam, Jihlava
International Documentary Film Festival, Prix Europa (honorary
mention of the jury), DOK Leipzig (winning film of the »My Life
in Safety« competition)
Der Film ist in deutschen Kinos gelaufen und wurde auf TVP2
und 3sat ausgestrahlt. :: The film was screened in German movie
theaters and on television (TVP2 and 3sat).
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Statement der Regisseurin
Kein Ort ist ein Film, der eigentlich nicht zu realisieren war.
Nach den ersten Versuchen war schnell klar: Der Film ist genauso
wenig planbar und voraussehbar wie die Wege seiner Protagonisten. In Tschetschenien: zu unmöglich die Dreharbeiten und zu
hoch das Risiko für die Protagonisten. In Europa: zu unerwartet
die Abschiebungen und anderweitigen Verwicklungen, zu lange
die Wartezeiten auf die Asylentscheidung, zu groß die Schwierigkeiten, Drehgenehmigungen für die Migrationsbehörden und
Institutionen zu bekommen, zu viele Orte in der großen Odyssee
durch Europa, die viele Flüchtlinge auf der Suche nach einer
Bleibe unternehmen ... Und dann die Angst, die die Flüchtlinge
bis nach Europa verfolgt.
Director‘s statement
Nowhere in Europe is a film that was actually impossible to make.
After first attempts to shoot it, we quickly realized that this film was
as impossible to plan and unpredictable as the paths of its protagonists. In Chechnya, shooting was impossible and the risk for our protagonists too high. In Europe, deportation and all the other implications came too unexpectedly, wait times for a decision on the asylum
cases were too long. Too high were the obstacles for getting filming
permits at migration authorities and institutions, too many the places
in the great Odyssey through Europe that many refugees undertake
in their search for a place where they may stay... And then, there was
the fear that followed the refugees all the way to Europe.
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Kerstin Nickig, geb. 1971 in Duisburg / Rheinhausen, studierte
Russistik und Germanistik in Köln und Moskau sowie Filmregie
an der Hochschule für Film- und Fernsehen in Potsdam und der
Nationalen Filmschule in Łódź / Polen. Sie arbeitete in Nichtregierungsorganisationen in Deutschland und Russland. Insgesamt
verbrachte sie vier Jahre in Russland. Seit 2004 lebt und arbeitet
Kerstin Nickig als freie Filmemacherin mit Schwerpunkt Dokumentarfilm in Berlin. Für ihren Dokumentarfilm Lieber Muslim ...,
der während ihres Aufenthalts in Łódź entstand, erhielt
sie zahlreiche Auszeichnungen.
Kerstin Nickig, born in 1971 in Duisburg / Rheinhausen, studied
Russian and German Studies in Cologne and Moscow as well as film
directing at the Film and Television University in Potsdam and the
National Film School in Łódź, Poland. She worked for NGOs in Germany and Russia, spending a total of four years there. Since 2004,
Kerstin Nickig has been living and working as a freelance filmmaker
with a specialization on documentaries in Berlin. She received numerous awards for her documentary Dear Muslim..., which she made
during her stay in Łódź.
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Interview mit Kerstin Nickig
Christine Kopf: Für Deine Protagonisten kann es lebensgefährlich sein, sich zu äußern. Wie hast Du die Vier gefunden und
wie baut man in einer so extremen Situation Vertrauen auf?
Michael Truckenbrodt, geb. 1971 in Fürth, produziert seit 1999
Filme und interaktive Medien für Museen und Ausstellungen in
Deutschland. Zudem ist er als Produktionsleiter tätig und koordiniert die Herstellung historischer TV-Dokumentationen. Im Jahre
2005 gründete er zusammen mit der Regisseurin Kerstin Nickig
die Produktionsfirma time prints in Berlin. Anfangs konzentrierte
man sich auf zwei Bereiche: TV-Dokumentationen zu historischen
Themen und Kino- und Fernseh-Dokumentarfilme aus Osteuropa,
Russland und dem Kaukasus. Im Jahre 2007 startete time prints
seine erste internationale Dokumentarfilm-Koproduktion, Kein
Ort. Der Film hatte 2009 auf dem Leipziger Dokumentarfilmfestival Premiere. Seit Ende 2009 hat das Unternehmen seine
Produktionstätigkeit um das Themengebiet Südost-Europa und
die Bereiche Imagefilm und Current Affairs erweitert.
Michael Truckenbrodt, born in 1971 in Fürth, has been producing
films and interactive media for museums and exhibitions in Germany
since 1999. He also works as production manager and coordinates
the production of historical television documentaries. In the year
2005, he joined with director Kerstin Nickig to found their production company time prints in Berlin. At first, they focused on two
areas: television documentaries on historical topics and cinema and
television documentaries from Eastern Europe, Russia, and the Caucasus. In 2007, time prints began its first international documentary
co-production Nowhere in Europe. The film premiered at the Leipzig
documentary film festival in 2009. Since the end of 2009, the company has expanded its production activities by including topics from
South-Eastern Europe, image film, and current affairs.
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Kerstin Nickig: Da viele Tschetschenen durch ihre Kriegserfahrungen äußerst misstrauisch sind, bat ich Sacita, die Protagonistin
meines Films Lieber Muslim …, mir bei der Suche zu helfen. Sie
besaß in der tschetschenischen Community eine hohe Autorität.
Viele waren bereit, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen, jedoch
nur einige wenige vor der Kamera. Am Ende fand ich Ali, einen
Journalisten, der der russischen Journalistin Anna Politkovskaja
bei ihren Recherchen über Verschwundene geholfen hatte und
deshalb mehrfach verhaftet und gefoltert wurde. Sein Wunsch,
der Menschenrechtslage im Nordkaukasus in Europa Gehör zu
verschaffen, war größer als seine Bedenken. Und Wacha, politischer Aktivist und Vorsitzender der »Gesellschaft der Insassen
von russischen Filtrations- und Konzentrationslagern« (!), hatte
nach eigenen Worten »die Phase der Angst schon hinter sich«.
Über Wacha fanden wir auch unsere 3. Protagonistenfamilie:
Tamara und Abu mit ihrer an Muskeldystrophie erkrankten Tochter. Sie betrachteten sich nicht als politische Flüchtlinge und
erhofften sich von dem Film Aufmerksamkeit für ihre Lage.
Für eine Episode in der Ukraine suchten wir nach Tschetschenen,
die illegal über die grüne Grenze in die EU einzureisen versuchten. Über den Berliner Flüchtlingsrat gelang es uns, ein Treffen
mit solchen Ausreisewilligen zu vereinbaren. Wie wir erst hinterher herausfanden, hatte man ihnen fälschlicherweise gesagt,
dass wir ihnen bei der Flucht helfen könnten – denn sonst wäre
keiner gekommen.
CK: Hast Du noch Kontakt zu Wacha, Ali, Tamara und Ruslan
und wie geht es ihnen?
KN: Ja, ich habe noch zu allen Kontakt, außer zu Ruslan in der
37
Ukraine. Wacha habe ich das letzte Mal im Dezember in Wien
gesehen. Er war Zeuge bei dem Gerichtsverfahren über den Mord
an dem Tschetschenen Umar Israilov, der von einem Handlanger
des tschetschenischen Präsidenten in Wien umgebracht wurde.
Wacha begleiten seit seiner Aussage und drei Anschlägen auf ihn
zwei österreichische Bodyguards, 24 Stunden am Tag. Tamara und
ihre Familie haben eine Duldung erreicht, fürchten aber immer
noch, abgeschoben zu werden. Ali hat zwar Asyl in Polen bekommen, leidet aber verstärkt an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die in Polen nicht behandelt wird. Er wird demnächst in
ein westliches EU-Land übersiedeln und einen zweiten Asylantrag
stellen, obwohl er weiß, dass dies fast keine Chancen hat.
CK: Was kann aus Deiner konkreten Erfahrung heraus Dokumentarfilm bewirken?
KN: Er kann Bewußtsein schaffen für ein Thema, vielleicht Menschen zum Handeln bewegen. Ich habe auf vielen öffentlichen
Screenings erlebt, wie Leute bewegt werden von dem, was sie
sehen.
Interview with Kerstin Nickig
Christine Kopf: Just to express themselves could put your protagonists in mortal danger. How did you find those four and how do
you build trust in such an extreme situation?
Kerstin Nickig: Since their wartime experiences have rendered many
Chechens very mistrustful, I asked Sacita, the protagonist of my film
Dear Muslim... to help me in my search. She is very respected in the
Chechen community. Many were willing to tell me their life story, but
only few of them would do it in front of a camera. Eventually I found
Ali, a journalist who had assisted Russian journalist Anna Politkovskaya in her research for missing persons, and had been arrested and
tortured for it several times. His desire to make the human rights
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situation in the Northern Caucasus heard in Europe was greater
than his concerns. And Wacha, political activist and president of
the »Association of inmates of Russian filtration and concentration
camps« (!) was, in his own words, »already beyond the phase of
fear«. Through Wacha, we also found our third family of protagonists: Tamara and Abu with their daughter, who suffers from muscular dystrophy. They do not see themselves as political refugees,
and hoped that the film would alert the public to their situation.
For a segment in Ukraine, we looked for Chechens who were trying
to cross the green border into the EU illegally. Through the Berlin
Counsel for Refugees, we managed to arrange a meeting with people
who intended to leave this way. As we found out later, they had been
told we would help them in their transit – otherwise no one would
have shown up.
CK: Are you still in touch with Wacha, Ali, Tamara and Ruslan,
and how are they doing?
KN: Yes, I am still in contact with everyone except Ruslan in Ukraine.
I saw Wacha in December in Vienna. He testified at a court hearing
on the murder of Chechen Umar Israilov, who had been murdered
on behalf of the Chechen President. Since his testimony and three
attacks on him, Wacha has been under the protection of two Austrian bodyguards around the clock. Tamara and her family have been
granted exceptional permission to stay in the country, but are still
afraid of deportation. Ali has been granted asylum in Poland, but
suffers from worsening post-traumatic stress disorder, for which he
can‘t get treatment in Poland. He will soon relocate to a Western EU
country and apply for asylum a second time, even though he knows
his chances are slim.
CK: According to your own concrete experience, what can a documentary film achieve?
KN: It can raise awareness for a topic, maybe encourage people to
take action. At public screenings, I have witnessed how people are
moved by what they see.
39
Normal / Normaalne :: Normal
Deutschland / Estland :: Germany / Estonia 2010
57 Min. / HD 16:9, Farbe :: Color
Regie :: Director: Sandra Van Slooten, Volker Maria Engel,
Heilika Pikkov
Buch :: Screenplay: Sandra Van Slooten, Heilika Pikkov, Ülo Pikkov
Kamera :: Cinematography: Sandra Van Slooten, Volker Maria Engel,
Heilika Pikkov, Kullar Viimne
Schnitt :: Editing: Sandra Van Slooten, Volker Maria Engel,
Heilika Pikkov
Sound Design: Horret Kuus
Produzent :: Producer: Sandra Van Slooten, Ülo Pikkov
Produktion :: Production: Schnittmenge – Büro für Bewegtbild,
Römerstr. 14, 53111 Bonn, Deutschland / SILMVIBURLANE, Ristiku
15-8, 10612 Tallinn, Estland
FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung
Normal war u. a. bei folgenden Festivals zu sehen:
Normal was featured at the following film festivals:
Sofia Meetings, goEast Filmfestival Wiesbaden, Estnisches Filmfestival München, Estonian Filmdays 2011 Tallinn
Der Film wird bei ETV ausgestrahlt.
The film will be broadcast on ETV.
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Sandra Van Slooten, geb. 1970, hat nach ihrem Studium der
Visuellen Kommunikation in Hannover und Düsseldorf zunächst
am Theater Bonn gearbeitet. Dort betreute sie unter anderem das
Festival für neue Stücke »Bonner Biennale«. Nach einem weiteren
Studium an der Kunsthochschule für Medien Köln wandte sie sich
dem Film zu und erhielt für ihre zahlreichen Dokumentarfilme
mehrere Auszeichnungen. Zweimal hat sie den Talent Campus der
Berlinale besucht. Seit 2002 arbeitet sie zudem als Bühnenbilderin und Videokünstlerin für diverse Theater und Opernhäuser.
Sandra Van Slooten, born in 1970, studied Visual Communication
in Hanover and Düsseldorf, then began her career at the Theater
Bonn where she organized, among other things, the »Bonner Biennale« festival for new plays. After further studies at the Academy of
Media Arts Cologne, she turned towards film and received several
awards for her numerous documentaries. She has attended the
Berlinale Talent Campus twice. Since 2002, she has also been working as stage designer and video artist for diverse theaters and opera
houses.
Volker Maria Engel, geb. 1970, studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Freiburg. Nach Regieassistenzen
in Greiz, Basel und Bonn inszenierte er an den Theatern in Bonn
und Siegburg Stücke von Wedekind, Horváth und Bruckner. Er
ist auch als Autor für Theater und Film tätig, sein jüngster Film
Dad or a Life, der in Zusammenarbeit mit Sandra Van Slooten
entstand, wurde bei einem Wettbewerb für Dokumentarfilme
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vom Bayerischen Rundfunk ausgezeichnet. Seit einigen Jahren
arbeitet er mit Sandra Van Slooten in der gemeinsamen Firma
»Schnittmenge. Büro für Bewegtbild« zusammen.
Volker Maria Engel, born in 1970, studied German, Art History and
Philosophy in Freiburg. After working as assistant director in Greiz,
Basel and Bonn, he staged plays by Wedekind, Horváth, and Bruckner at the Bonn and Siegburg Theaters. He also writes for theater
and film. His most recent film Dad or a Life, which is a collaboration
with Sandra Van Slooten, received an award for documentary films
by the Bayerischer Rundfunk. For some years he and Sandra Van
Slooten have jointly run their own company »Schnittmenge. Büro für
Bewegtbild«.
Heilika Pikkov, geb. 1982 in Estland, hat Film- und Fernsehregie
an der Universität von Tallinn studiert. Sie ist Regisseurin und
Programmchefin des größten estnischen Animationsfilmfestivals
»Animated Dreams«, das alljährlich im November in Tallinn stattfindet. Im Jahr 2005 arbeitete sie in einem Fernsehsender in
Israel und drehte danach ihren ersten Dokumentarfilm Cherubs’
Revolte. Gemeinsam mit Ülo Pikkov leitet sie die Produktionsfirma SILMVIBURLANE.
first documentary Cherubs’ Revolt. With Ülo Pikkov, she runs the
production company SILMVIBURLANE.
Ülo Pikkov, geb. 1976 in Estland, ist Absolvent der Hochschule für Kunst und Medien in Turku, Finnland. Seine Karikaturen,
Comics und Illustrationen wurden in der estnischen Presse
veröffentlicht, und er hat eine Reihe von prämierten Animationsfilmen gedreht wie Das Jahr des Affen. Zudem hat er einen
Universitätsabschluss in Jura mit Schwerpunkt Medienrecht. Seit
2006 ist er gemeinsam mit der Regisseurin Heilika Pikkov Inhaber
der Firma SILMVIBURLANE und ist bei ihren Filmen als Produzent
tätig.
Ülo Pikkov, born in Estonia in 1976, is a graduate of Arts and Media
at Turku University of Applied Sciences in Finland. His caricatures,
comics and illustrations have been published by the Estonian press
and he has shot a number of award-winning animated films, such as
The Year of the Monkey. In addition, he holds a university degree
in law, with a specialization in media law. Since 2006, he has been
running the company SILMVIBURLANE together with director Heilika
Pikkov and acts as producer for her films.
Heilika Pikkov, born in 1982 in Estonia, studied film and television
directing at the University of Tallinn. She is director and chief programmer of the largest Estonian animation film festival »Animated
dreams«, which is held each November in Tallinn. In 2005, she
worked for an Israeli television station and subsequently shot her
42
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Interview mit Sandra Van Slooten, Volker Maria Engel, Heilika
und Ülo Pikkov
Christine Kopf: Wie habt ihr ganz konkret Eure beiden Protagonisten gefunden?
Sandra Van Slooten / Volker Maria Engel: Durch eine ausführliche
Recherche in Zeitungsartikeln und entscheidende Kontakte zu
Vermittlern. Und auch durch Zufall. Wir hatten ja ursprünglich
über sechs bis acht Protagonisten in Deutschland recherchiert
und uns im Hinblick auf die estnischen Protagonisten dann für
diese zwei Paare entschieden: Christoph Priesemann als aktiver
Lokalpolitiker und sein Gegenstück Maire Joost in Tallinn sowie
die Naturliebhaberin und bodenständige Bäuerin Gabi Scharmann mit ihrem estnischen Gegenstück Vitali Genre auf der
winzigen Insel Ruhnu. Tatsächlich hat uns Heilika Pikkov auf
Christoph Priesemann in Schwerin gebracht. Seine Bemühungen,
die letzte Lenin-Statue in der westlichen Welt abzuschaffen
(es ist ihm nicht gelungen), wurden in Estland sehr interessiert
von den Medien aufgenommen. Zum einen, weil der Bildhauer
der Statue ein Este ist, zum anderen, weil parallel dazu in Tallinn
eine heftige Diskussion um die Verlegung eines für die russische
Bevölkerung sehr wichtigen Denkmals aus der Innenstadt in
einen Vorort entbrannte. Gabi Scharmann und Vitali Genre verbindet eine andere sonderbare Geschichte: Gabi hat in direkter
Nachbarschaft den »Problembären« Bruno erlebt, auf Ruhnu wurde praktisch zeitgleich ebenfalls ein Bär gesichtet. Esten sind mit
Braunbären gut vertraut, nur hier war es rätselhaft und geradezu
spektakulär, wie der Bär auf die Insel gelangen konnte, und das
verursachte einen ähnlichen Medienaufruhr.
Heilika Pikkov / Ülo Pikkov: Einer der estnischen Protagonisten,
Vitali, lebt auf der kleinen, abgelegenen Insel Ruhnu. Dorthin
gingen wir, um zu recherchieren, denn Ruhnu hatte einen ganz
ähnlichen »Bärenvorfall« wie das kleine Dorf Bayrischzell in
Deutschland, das 2006 von dem berüchtigten Braunbären Bruno
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heimgesucht wurde. Auf Ruhnu haben wir eine Menge interessanter Leute getroffen (und haben dort sogar noch einen Dokumentarfilm über das Inselleben aus der Sicht eines Lehrers gemacht),
aber Vitali mit seiner kantigen, pointierten Art war genau richtig
für Normal. Über die andere Protagonistin, Maire, sind wir eher
zufällig gestolpert. Sie nimmt mit viel Eifer an allen möglichen
nationalistischen Veranstaltungen in Tallin teil, und wir sind bei
einer solchen auf sie aufmerksam geworden. Sie stand da mit
einem Schild, das forderte, kommunistische Kriminelle zu bestrafen. Was für eine sonderbare, aber liebenswerte Dame!
CK: Wie seid ihr zu viert mit dem von zwei Teams unabhängig
voneinander gedrehten Material umgegangen?
SVS / VME: Zum Glück gibt es das Internet! Wir haben über
Server in kurzer Zeit viel Material austauschen können, das
die Teams jeweils vorgeschnitten hatten, und dann per Skype
(übrigens eine estnische Erfindung!) und Mail unsere Meinung
ausgetauscht. Das hat sehr gut funktioniert. Allerdings war die
Vorarbeit / Recherche schon sehr ausführlich, so dass die Teams
jeweils eine klare Vorstellung von den Anknüpfungspunkten und
Gemeinsamkeiten der Protagonisten hatten.
HP / ÜP: Das schwierigste war wohl die Terminkoordinierung
zwischen unseren beiden Teams. Am Anfang hatten wir den idealistischen Plan, in beiden Ländern – Estland und Deutschland –
gleichzeitig zu drehen, so dass wir unser Filmmaterial unmittelbar austauschen, unsere Arbeit gegenseitig kommentieren und
bedeutende Verbindungen zwischen den Protagonisten sofort
hätten herausarbeiten können. Es stellte sich aber heraus, dass
ein Team schon mit dem Drehen fertig war, als das andere gerade
mal bereit war anzufangen. Das hat das ganze Konzept und das
Resultat ganz schön beeinflusst.
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Interview with Sandra Van Slooten, Volker Maria Engel, Heilika and
Ülo Pikkov
Christine Kopf: How exactly did you find your two protagonists?
Sandra Van Slooten / Volker Maria Engel: By way of intense research of newspaper articles and key contacts to mediators. And by
coincidence. Originally we had researched six to eight protagonists
in Germany, and then, based on our Estonian protagonists, chose
those two couples: Christoph Priesemann as an activist local politician and his counterpart Maire Joost in Tallinn, as well as nature
lover and down-to-earth farmer Gabi Scharmann with her Estonian
counterpart Vitali Genre on the tiny island of Ruhnu. In fact, Heilika
Pikkov was the one who led us to Christoph Priesemann in Schwerin. His efforts to get rid of the last remaining Lenin statue in the
Western world (at which he failed) met with a lot of interest on the
part of Estonian media. Partly, because the artist who created the
sculpture was Estonian, but also because parallel to this issue, a
very intense debate erupted in Tallinn about relocating a monument
to the suburbs, one of great importance to the Russian inhabitants.
Gabi Scharmann and Vitali Genre are linked by another strange story: Gabi lives in immediate vicinity of where »problem bear« Bruno
used to ravage farms, and on Ruhnu there was a bear sighting at the
very same time. Estonians are well familiar with brown bears, but
this particular instance was mysterious and spectacular, because no
one knew how that bear had gotten onto the island, and it produced
a media spectacle similar to the one surrounding Bruno.
accident. She is a very active visitor of all kind of nationalistic events
in Tallinn and we noticed her in one of them standing there with
a sign demanding that Communist criminals should be punished.
What a strange, but lovely lady!
CK: How was it for the four of you to work with material that you
had shot independently of each other in two separate teams?
SVS / VME: Thank goodness for the internet! Using servers, we were
able to exchange lots of material in a short time span, so that the
teams were able to pre-edit the material. Then, via Skype (which by
the way is an Estonian invention!) and email we exchanged our opinions. That worked very well. However, our preparatory work and research phase was very intense, so that both teams had a very good
idea of the parallels and linkage points between the protagonists.
HP / ÜP: The hardest part was to match the timetables of our two
teams. In the beginning we had an idealistic plan to shoot in both
countries – Estonia and Germany – at the same time, so that we
could instantly exchange film materials, comment each other’s
achievements and create meaningful linkages between the main characters. In the end it turned out that one team was already finished
with shooting when the other was ready to start. This changed the
whole concept and outcome of this film quite a lot.
Heilika Pikkov / Ülo Pikkov: One of the Estonian protagonists, Vitali,
lives on the small and distant island of Ruhnu. We went there to do
research, because Ruhnu had a »bear incident« similar to the little
village Bayrischzell in Germany with the notorious brown bear Bruno
in 2006. We met a lot of interesting people in Ruhnu (and even
made another documentary about the island‘s life through the eyes
of a local teacher), but Vitali with his edgy and sharp attitude was
perfect for Normal. The other protagonist, Maire, came our way by
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