Tanya J. Tiffany: Diego Velázquez`s Early Paintings

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Tanya J. Tiffany: Diego Velázquez`s Early Paintings
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Saskia Jogler: Rezension von: Tanya J. Tiffany: Diego Velázquez's
Early Paintings and the Culture of Seventeenth-Century Seville,
University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2012,
in sehepunkte 14 (2014), Nr. 1 [15.01.2014],
URL:http://www.sehepunkte.de/2014/01/23039.html
First published: http://www.sehepunkte.de/2014/01/23039.html
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sehepunkte 14 (2014), Nr. 1
Tanya J. Tiffany: Diego Velázquez's Early
Paintings and the Culture of SeventeenthCentury Seville
Das Frühwerk von Diego Velázquez hat in den letzten Jahren erhöhte
Aufmerksamkeit erfahren. Einen Auftakt hierfür boten die Feierlichkeiten
zum 400. Geburtstag des Künstlers und die einhergehenden
Ausstellungen zum Sevillaner Frühwerk in Edinburgh (1996) und Sevilla
(1999). Weiter angespornt wurde das Interesse unlängst, als zahlreiche
Sammlungen hypothetische Frühwerke des Sevillaners in ihren
Beständen entdeckten und die Eigenhändigkeit und damit die Spezifika
von Velázquez' frühen Gemälden neu diskutiert werden mussten.
Dementsprechend sind Velázquez' Ausbildung, der Gelehrtenzirkel um
seinen Lehrmeister Francisco Pacheco, das kulturelle Umfeld der
Metropole Sevilla und Velázquez' Anfänge am Königshof verstärkt in den
Blickpunkt kunsthistorischer Forschungen gerückt.
Innerhalb dieser Forschungsströmung ist Tanja J. Tiffanys an der Johns
Hopkins University entstandene Dissertation "Diego Velázquez's Early
Paintings and the Culture of Seventeenth-Century Seville" angesiedelt. In
ihrer Einleitung verweist die Autorin auf die Problematik, dass über das
rege Forschungsinteresse an kontextuellen Fragestellungen zum
Sevillaner Werk die Beschäftigung mit den Gemälden oftmals in den
Hintergrund trat. Ausgehend von dieser Beobachtung formuliert Tiffany
die Ziele und Methodik ihrer Arbeit: Einzelne, ausgewählte Bilder sollen
analysiert und mit dem kulturellen Rahmenwerk der frühen Karriere
Velázquez' verknüpft werden. Bedeutsam für die Autorin ist dabei die
Frage, in welchem Maße Velázquez die Theorien von Pacheco und dessen
Gelehrtenkreis teilte und ob deren Schriften zum Verständnis seiner
Gemälde beitragen können.
Dieser Fragestellung entsprechend thematisiert Tiffany bereits in ihrer
Einleitung die grundlegende Bedeutsamkeit Pachecos und seines Zirkels
für die künstlerische Entwicklung von Velázquez. In Folge seiner
Ausbildung sei Velázquez zu einem jener gelehrten Maler geworden, die
Pacheco in seinem Malereitraktat "Arte de la Pintura" (1638, publiziert
1649) propagierte. In diesem Zusammenhang benennt die Autorin die
mit ihrer These einhergehende Problematik, dass Velázquez'
Innovationen den akademischen Prinzipien Pachecos in vielerlei Hinsicht
zuwiderlaufen. Dieser Widerspruch wird nicht aufgelöst, wenn Tiffany
schreibt, entscheidend sei, dass Velázquez' praktische Talente Einfluss
auf sein Bewusstsein für theoretische Konzepte genommen hätten.
Angesichts der Relevanz jenes Problems für die Argumentation der
Autorin wäre eine intensivere Diskussion hier wünschenswert gewesen.
In den ersten vier Kapiteln bespricht Tiffany einzelne Bilder bzw.
Bildpaare verschiedener Genres, in denen Velázquez arbeitete. Analysiert
werden die "Jungfrau der unbefleckten Empfängnis" gemeinsam mit
"Johannes auf Patmos", das Porträt von "Madre Jerónima de la Fuente",
der "Wasserverkäufer von Sevilla" und "Küchenszene mit Christus in
Emmaus". Zu jedem Gemälde versammelt Tiffany eine Vielzahl von
Quellentexten zeitgenössischer Sevillaner Autoren, die dazu dienen, die
Hintergründe der Gemälde zu erhellen und das kulturelle Milieu
beleuchten, in dem Velázquez seine Bilder entwickelte. Überzeugend
kann die Autorin nachweisen, dass Velázquez in seinen frühen Bildern
aktuelle Themen adressierte, die in Pachecos Kreisen diskutiert wurden.
So legt sie beispielsweise am Bild "Küchenszene mit Christus in
Emmaus" dar, wie Velázquez an der Debatte seiner Sevillaner
Zeitgenossen um die Missionierung afrikanischer Sklaven teilnahm.
Anhand des Bildes diskutiert die Autorin den Platz der Religion im Alltag,
die Rolle der Frau in der katholischen Kirche und Fragen um die
Möglichkeit der Eingliederung afrikanischer Sklaven in das Christentum.
Besonders erfreulich ist, dass neben derart prominenten Gemälden auch
seltener diskutierte Bilder wie die Jungfrau der unbefleckten Empfängnis
und Johannes auf Patmos endlich umfassende Deutungen erfahren. Die
Gemälde wurden erstmals im Jahr 1800 von Ceán Bermudes im
Sevillaner Karmeliterkloster erwähnt. Tiffany kann erstmals mithilfe
karmelitischer Historiografie sowie Schriften Pachecos und seines Zirkels
umfangreiche ikonografische Analysen vorlegen. Darüber hinaus kann sie
zeigen, dass die Konzeption der Ikonografie und die ungewöhnliche
Pendant-Bildung maßgeblich von karmelitischen Glaubenssätzen
beeinflusst wurden, so dass man davon ausgehen kann, dass Velázquez
seinen Auftrag direkt vom Sevillaner Karmeliterkloster erhielt.
In jedem der vier Kapitel betont Tiffany die enorme Bedeutung der
Gedankenwelt von Velázquez' Lehrmeister Pacheco und seines
Gelehrtenkreises. So legt sie beispielsweise dar, die Darstellung der
Immaculata habe im Wesentlichen den Vorgaben Pachecos entsprochen.
Beim Malen des Porträts Jerónimas de la Fuente sei Velázquez mit seiner
naturgetreuen Wiedergabe jenem Leitsatz Pachecos gefolgt, porträtierte
Personen durch Lebensnähe zu würdigen, nicht durch Idealisierung.
Auch die Ikonografie des "Wasserverkäufers von Sevilla" wird anhand der
künstlerischen Grundsätze Pachecos und seines Zirkels analysiert.
Infolgedessen drängt sich bisweilen der Gedanke auf, Velázquez sei
derart von den theoretischen Konzepten Pachecos und seines Zirkels
beeinflusst worden, dass ihm nur wenig Platz für die eigene Entwicklung
blieb. Zwar wurde Velázquez sicher nicht als "vollendeter Künstler"
geboren und mag zu Beginn seiner Karriere noch den Vorstellungen
seines Lehrers verpflichtet gewesen sein. Auf der anderen Seite zeigt
schon ein Vergleich von Velázquez' frühen Gemälden mit Pachecos
Werken gewaltige Unterschiede sowohl in der Originalität der Bildsujets
als auch in der kompositionellen und malerischen Ausführung. Diese
Divergenzen werden von Tiffany nicht diskutiert.
Im fünften Kapitel untersucht die Autorin abschließend den Übergang
zwischen Velázquez' Sevillaner Zeit und seiner Position als Hofmaler.
Bezüglich der Frage, warum Velázquez die bodegones-Malerei am Hof
aufgegeben habe, argumentiert Tiffany, dass sich der Sevillaner nicht als
Maler bescheidener Sujets, sondern als höfischer Porträtmaler
profilieren wollte. Während in der Kunsttheorie bodegones in der Kritik
standen, keine Erfindungskraft zu erfordern, seien Porträts vorteilhafter
beurteilt worden. Velázquez habe sich demnach in einem Genre
spezialisiert, welches das Potential besessen hätte, große Achtung in den
Augen der Kunsttheoretiker zu verdienen. Dem ist entgegenzuhalten,
dass auch dem Porträt in der Kunsttheorie bloße Imitation und fehlende
Erfindungskraft angelastet wurden und allein der Status und die
Vorbildlichkeit des Dargestellten die Anfertigung eines Porträts
legitimierten. Hätte Velázquez den Ansichten der Kunsttheoretiker
entsprechen wollen, hätte er sich sicherlich auf das Malen von Historien
spezialisiert, die an der Spitze der Gattungshierarchie standen.
Innerhalb der Publikationsfülle zu Velázquez' Werk zeichnet sich Tiffanys
Dissertation durch differenzierte Einzelbildanalysen aus. Diese erlauben
der Autorin, neue Erkenntnisse zu den Hintergründen einzelner Bilder
und daraus abgeleitet auch zu Velázquez' Sevillaner Frühwerk insgesamt
zu gewinnen. Die Hintergründe der Bildthemen und Begleitumstände der
Aufträge sind profunde recherchiert und die Autorin kehrt in ihren
Erklärungen immer wieder zum Bild zurück. Die Präzision, mit der
Tiffany das Sevillaner Werk analysiert, lässt nur im fünften Kapitel etwas
nach. Hier wären genauere Recherchen zur spanischen Porträtmalerei
wünschenswert gewesen.