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04 Urrosen und Alte Rosen_5_Layout 1 20.11.13 13:33 Seite 62 62 Wildrosen und Alte Rosen Zehn der wichtigsten Ur- und Wildrosen Orientalische und europäische Urrosen E s ist hier nicht der Ort, die Geschichte und alle Erscheinungsformen der weit über 200 Wildrosen ausführlich zu schildern. Wir beschränken uns darauf, jene zehn Ur- und Wildrosen aufzuzählen und zu beschreiben, die in ihren ursprünglichen und später hybridisierten Formen wesentlich für die Entwicklung und den heutigen Stand der Duftrosen von Bedeutung waren. Allen zehn werden wir im folgenden Kapitel über die »Herkunft und Abstammung der Modernen Rosen« als orientalische und europäische Urahnen der duftenden Edelrosen wieder begegnen. Fünf orientalische Urrosen 1. Rosa chinensis: Die zartrosa bis dunkelrote Rosa chinensis (die im Falle von Rosa mutabilis gelb oder orange ist), die mehr als 1000 (vielleicht 2000– 3000) Jahre alte chinesische Urrose. 2. Rosa gigantea: Die ursprünglich cremeweiße und cremegelbe Rosa gigantea, eine ebenfalls sehr alte Wildrose aus China, Indochina und Burma. 3. Rosa moschata: Die cremeweiße, aus dem 10., 15. oder 16. Jahrhundert stammende orientalische Rose Rosa moschata. Gemäß der RHS-Rosenenzyklopädie stammt sie wahrscheinlich »von einer Chinarose ab«. 4. Rosa multiflora: Die weiße und hellrosa Rosa multiflora, eine in Asien heimische, sehr alte Wildrose, die in den Gärten Europas etwa ab 1750 anzutreffen ist. 5. Rosa foetida: Die gelbe Rosa foetida, die aus Südwestasien und dem Vorderen Orient stammt. Die Geschichte dieser Urrose lässt sich in der Literatur erst seit dem 15. Jahrhundert verfolgen; sie ist jedoch (wesentlich) älter. 04 Urrosen und Alte Rosen_5_Layout 1 20.11.13 13:33 Seite 63 Wildrosen und Alte Rosen Fünf europäische Urrosen 1. Rosa gallica: Die rosarote bis purpurviolette Rosa gallica, vielleicht eine der ältesten von Menschen kultivierten Rosenarten (zum Beispiel im 12. Jahrhundert vor Christus in Persien) und wahrscheinlich eine der Stammmütter der abendländischen Rosen. 2. Rosa damascena: Die weiße, vor allem rosa-, aber auch tiefrote Rosa damascena, deren Herkunft unbekannt ist. Vermutlich schon vor unserer Zeitrechnung verbreitet, jedenfalls im 13. Jahrhundert im Orient kultiviert, dank den Kreuzfahrern ab dem 15. Jahrhundert auch in europäischen Gärten bekannt. 3. Rosa centifolia: Die rosarote Rosa centifolia, deren Ursprung ebenfalls unbekannt ist und die seit dem 16. Jahrhundert in Europa zu finden ist. 4. Rosa canina: Die weiße bis blass-, mittel- und dunkelrosa Rosa canina, die europäische Wildund Urrose schlechthin. 5. Rosa alba: Die weiße Rosa alba, auch eine Urrose, deren Ursprung in der Literatur seit dem Mittelalter beschrieben wird. 63 04 Urrosen und Alte Rosen_5_Layout 1 20.11.13 13:33 Seite 66 66 Wildrosen und Alte Rosen Die vier chinesischen »Rosen-Zuchthengste« Wie Chinarosen unsere Rosenzucht verändern D Rosa chinensis semperflorens Old Blush China er angesehene französische Rosenexperte Jérôme Goutier schreibt in seinem bemerkenswerten Buch »Geschichte der Rosen«, dass die Einführung chinesischer Rosen nach Europa eine »RosenRevolution« ausgelöst habe. Die Chinarosen haben die europäische Rosenzucht auf unabsehbare Zeit revolutioniert und letztendlich die Teehybriden und die Teerosen hervorgebracht. Sie spielten eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der vom Frühjahr bis Herbst öfter blühenden, widerstandsfähigen Modernen Rosen. Diese Rosen-Revolution geschah natürlich nicht an einem Tag. Ganz im Gegenteil; sie vollzog sich langsam, denn »von der Einfuhr des ersten Rosenstocks aus China bis zur Entstehung der ersten Remontant-Hybriden bedurfte es nicht weniger als eines Jahrhunderts und zudem der Überzeugungskraft der faszinierenden und bezaubernden Kaiserin« Joséphine. Die ersten vier Chinarosen, die nach Europa kamen und als Auslöser der revolutionären Entwicklung der Rosenzucht gelten, werden in höchst origineller Weise als Zuchthengste beschrieben. Englisch werden sie »The four rose stallions«, französisch »Les quatres rosiers étalons« und deutsch »Die vier Rosen-Zuchthengste« genannt. Diese vier »Rosen-Zuchthengste« und ihre Nachkommen nehmen bedeutende Plätze in der Geschichte der Zucht Moderner Rosen und namentlich auch unserer heutigen Duftrosen ein. Rosa chinensis semperflorens Im Jahr 1792 bringt Gilbert Slater, Direktor der geschichtsträchtigen British East India Company, eine Chinarose nach England; sie gilt als der zweite »Rosen-Zuchthengst«. Die Blühfreudigkeit dieser Rose ist derart groß, dass man sie semperflorens, also »immerblühend« nannte. So entstand der botanisch bedeutsame Name Rosa chinensis semperflorens. Obwohl die Rose der zweite Abkömmling in Europa war, besprechen wir sie an erster Stelle unter den Chinarosen, weil Rosa chinensis semperflorens die älteste Gartenrose ist, die hier beschrieben wird, und wohl auch eine der ältesten in Kultur. Durch DNA-Analyse wurde sie als Elternpflanze von Old Blush China identifiziert, die auf chinesischen Gemälden aus dem 19. Jahrhundert erscheint. Rosa chinensis semperflorens muss also älter als jene sein. Die kleinen, weit geöffneten und halb gefüllten, dunkelroten Blüten besitzen einen Farbton, den man früher in Europa nicht kannte. Sie scheinen unermüdlich zu sein und zieren einen niedrigwüchsigen, offenen, schlanken Busch. Ihre Blüten kommen einzeln oder in kleinen Büscheln zum Vorschein; meist zu dritt an einem dichten, verzweigten Strauch, der anfangs schnell wächst, seine volle Größe aber erst später erreicht. Die Rose neigt zu Mehltau und ist frostempfindlich, in warmen Regionen aber weitverbreitet. Dort blüht sie über das ganze Jahr. Unter dem Namen Rosa chinensis semperflorens oder Slater’s Crimson China werden verschiedene Rosen verkauft. Sie wurde mit mehreren einmal blühenden europäischen Alten Rosen gekreuzt. So entstanden zahlreiche Hybriden, die zur Qualitätsbesserung vieler heutiger öfter blühender Sorten beitrugen.