© 2016 aok-business.de - PRO Online, 3.09.2016
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Versetzung - Allgemeines Inhaltsübersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. Allgemeines Versetzungsbegriff Versetzungsprobleme Versetzungsmöglichkeiten Versetzungsfolgen Rechtsprechungs-ABC 6.1 Abbedingung 6.2 Arbeitsbereich 6.3 Auswärtstätigkeit 6.4 Betriebsratsmitglied 6.5 Indizien für eine Versetzung 6.6 Mitarbeiterkonflikte 6.7 Proteste Dritter 6.8 Tätigkeitsänderung - 1 6.9 Tätigkeitsänderung - 2 6.10 Umsetzung - 2 6.11 Versetzungsschutzklage 6.12 Vorsorgliche Änderungskündigung Information 1. Allgemeines Der Arbeitsalltag verläuft für viele Arbeitnehmer oft in festen, unveränderbar scheinenden Bahnen. Die Mitarbeiter verlassen sich einfach darauf, dass auf sie nichts Anderes und nichts Neues zukommt. Das ist für einen Arbeitgeber, der immer flexibel auf die Anforderungen des Marktes reagieren muss, natürlich ein echtes Handicap. Er muss aber nicht alles beim Alten lassen. Er kann versetzen: entweder einvernehmlich oder einseitig via Weisungsrecht oder Änderungskündigung. Praxistipp: Für Versetzungen gibt es - anders als für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in § 623 BGB - keine gesetzliche Formvorschrift. Aber auch wenn eine Versetzung nicht über eine Änderungskündigung in Schriftform erfolgen muss: Es ist immer ratsam, sie schriftlich vorzunehmen. Das kann mit einer Änderungsvereinbarung oder der Anweisung eines neuen Arbeitsbereichs geschehen. Eine schriftlich dokumentierte Versetzung lässt sich im Streitfall eindeutig besser beweisen. Ein Arbeitsbereich kann sich nach Inhalt, Ort und Zeit ändern. Nur unerhebliche Änderungen sind keine Versetzung. Die Änderung des Arbeitsbereichs muss schon ein gewisses Gewicht haben. Neben der individualrechtlichen Zulässigkeit muss eine Versetzung auch kollektivrechtlich wirksam sein. Ist sie es nicht, braucht ihr der "versetzte" Arbeitnehmer - wie bei einer individualrechtlich unwirksamen Versetzung keine Folge zu leisten. Er behält in diesem Fall seinen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung - und kann nicht mal wegen "Arbeitsverweigerung" abgemahnt oder gekündigt werden. 2. Versetzungsbegriff 1 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 16.01.2017 Das ZEIT-Lexikon definiert "Versetzung" so: "arbeitsvertragsrechtlich die Änderung des Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers nach Art, Ort und Zeit der Tätigkeit". Diese Umschreibung wird als allgemeiner individualrechtlicher Versetzungsbegriff verstanden. Das BAG verlangt für eine Versetzung, dass sich "Art, Ort und Umfang der bisherigen Tätigkeit" ändern ( BAG, 13.03.2007 - 9 AZR 362/06 ). Eine "Versetzung an einen anderen Arbeitsort setzt in der Regel einen dauerhaften Wechsel auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Dienststelle/in einen anderen Betrieb desselben Arbeitgebers voraus. Dem Versetzungsbegriff ist immanent, dass mit dem Wechsel auch eine Änderung des Tätigkeitsbereichs, d.h. der Art, des Orts oder des Umfangs der Tätigkeit verbunden ist" ( BAG, 21.07.2009 - 9 AZR 471/08 ). Eine Änderung des Einsatzortes muss nicht ohne Weiteres und nicht unmittelbar zu einer Änderung des Arbeitsorts führen. Der Einsatzort hat eine andere Bedeutung als der Arbeitsort ( BAG, 21.07.2009 - 9 AZR 471/08 ). Der kollektivrechtliche Versetzungsbegriff ist differenzierter. § 95 Abs. 3 BetrVG sagt: "Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung". Ein Arbeitsbereich ist nicht nur funktionell zu verstehen, sondern hat auch eine räumliche Komponente. "Der Begriff des Arbeitsbereichs wird ... durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs ist etwa anzunehmen, wenn der Arbeitsort sich ändert, der Arbeitnehmer aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen betrieblichen Einheit zugeordnet wird oder sich die Umstände ändern, unter denen die Arbeit zu leisten ist" ( BAG, 27.06.2006 - 1 ABR 35/05 ). 3. Versetzungsprobleme Es gibt für Arbeitnehmer keinen besonderen gesetzlichen Versetzungsschutz. Selbst schwerbehinderte Arbeitnehmer und schwangere Mitarbeiterinnen sind vor einer Versetzung nicht besonders geschützt. Sachlich ist das gerechtfertigt - immerhin bleibt das Arbeitsverhältnis bei einer Versetzung ja bestehen (nur eben in einem anderen Arbeitsbereich). Das Fehlen eines besonderen gesetzlichen Versetzungsschutzes bedeutet nicht, dass Arbeitnehmer mit besonderen Merkmalen einer Versetzung schutzlos ausgeliefert sind. Können sie sich mit dem Arbeitgeber nicht einvernehmlich auf die Änderung ihres Arbeitsbereichs verständigen, müssen diese besonderen Merkmale • bei Ausübung des Weisungsrechts beim billigen Ermessen und • bei einer Änderungskündigung bei der Sozialwidrigkeit berücksichtig werden. § 106 Satz 3 GewO sagt sogar extra, "Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen". Und § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zählt eine Schwerbehinderung zu den Gesichtspunkten, die der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen hat. Billiges Ermessen ist ausgeübt, wenn die Versetzung der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB . Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber • die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abwägt und • die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt ( BAG, 25.08.2010 - 10 AZR 275/09 ). 2 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 16.01.2017 Um eine Versetzung über die - ohnehin schon weit gezogenen - Grenzen des § 106 Satz 1 GewO hinaus durchsetzen zu können, verwenden viele Arbeitgeber in ihren Formulararbeitsverträgen so genannte Versetzungsklauseln. Diese Versetzungsklauseln sind seit der Schuldrechtsreform Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinn des § 305 BGB und unterliegen damit der AGB-Kontrolle des BGB (mehr dazu im Stichwort Versetzung - Versetzungsklauseln ). 4. Versetzungsmöglichkeiten Der Arbeitgeber kann eine Versetzung grundsätzlich über drei Wege gehen: • Änderungsvertrag • Weisungsrecht • Änderungskündigung Die Änderungsvereinbarung ist die erste Möglichkeit und der schonendste Weg - setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer mit der Änderung seines Arbeitsbereichs einverstanden ist. Die zweite Möglichkeit für eine Versetzung bietet das Weisungsrecht. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber • den Inhalt der Arbeitsleistung , • den Ort der Arbeitsleistung und • und die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen - immer vorausgesetzt, diese Arbeitsbedingungen sind nicht bereits durch • den Arbeitsvertrag, • Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, • Bestimmungen eines Tarifvertrags oder • gesetzliche Vorschriften festgelegt. Kommt eine Versetzung via Weisungsrecht wegen des Arbeitsvertrags nicht in Frage, muss der Arbeitgeber die dritte Möglichkeit wählen: die Änderungskündigung . Hier muss eine Versetzung nach §§ 1 Abs. 2 , 2 KSchG sozial gerechtfertigtsein. Dabei hat der Arbeitgeber - wenn die Versetzung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse erfolgt - auch eine Sozialauswahl vorzunehmen. 5. Versetzungsfolgen Ist der Arbeitnehmer mit seiner Versetzung einverstanden, ist die Versetzung durch das Weisungsrecht gedeckt oder in Folge einer sozial gerechtfertigten Änderungskündigung wirksam, muss der Arbeitnehmer ab dem vereinbarten oder vom Arbeitgeber vorgesehenen Zeitpunkt in dem geänderten Arbeitsbereich arbeiten. Der Arbeitnehmer braucht bei einer Versetzung via Direktionsrecht keine geringwertigere Tätigkeit mit einer geringeren Vergütung hinnehmen. Praxistipp: Eine Versetzung per Änderungskündigung ist wegen der damit verbundenen Bestandsgefährdung unverhältnismäßig, wenn das gleiche Ziel auch über eine Versetzung mithilfe des Direktionsrechts erreicht werden kann ( BAG, 06.09.2007 - 2 AZR 368/06 ). Die Änderung des Arbeitsentgelts allein ist keine Versetzung. Es kann aber passieren, dass mit der Änderung des Arbeitsbereichs auch eine Änderung des Arbeitsentgelts eintritt. Vor allem, wenn die Versetzung über eine Änderungskündigung erfolgt und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten - schlechteren - Bedingungen anbieten kann (dazu mehr 3 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 16.01.2017 im Stichwort Versetzung - Arbeitsentgelt ). Ist eine Versetzung unwirksam, kann das gleich aus zwei Gründen sein: • individualrechtlich ist eine Versetzung unwirksam, wenn sie weder durch das Weisungsrecht noch durch eine sozial gerechtfertigte Änderungskündigung gedeckt ist; • kollektivrechtlich ist eine Versetzung unwirksam, wenn der Arbeitgeber die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG missachtet und den Betriebsrat vor einer Änderungskündigung nicht angehört hat ( § 102 BetrVG ). Arbeitnehmer müssen eine unwirksame Versetzung nicht befolgen. Der Arbeitgeber kommt in diesem Fall in Annahmeverzug . Der Arbeitnehmer behält seinen Vergütungsanspruch auch dann, wenn er nicht arbeitet. Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer bei einer widerrechtlichen Versetzung weder rechtswirksam abmahnen noch wegen "Arbeitsverweigerung" kündigen. Schließlich behält der Arbeitnehmer auch seinen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung (weitere Informationen zu diesem Thema gibt es in den Stichwörtern Versetzung - Rechtsschutz und Versetzung - Unwirksamkeitsfolgen ). BetrVG -widrige Versetzungen sind individualrechtlich ebenfalls unwirksam. Zudem hat der Betriebsrat die Möglichkeit, den Arbeitgeber auf Unterlassung der Versetzung und Durchführung des Zustimmungsverfahrens nach den §§ 99 ff. BetrVG zu verklagen. Der Arbeitgeber kann eine mitbestimmungswidrige Versetzung rechtlich nicht durchführen. Ist die beabsichtigte Versetzung "aus sachlichen Gründen dringend erforderlich", kann er sie nach § 100 BetrVG vorläufig vornehmen. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung zur Versetzung aus einem der in § 99 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BetrVG hinterlegten Gründe, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung beantragen, § 99 Abs. 4 BetrVG . Im Übrigen wird wegen der betriebsverfassungsrechtlichen Fragen auf das Stichwort Versetzung - Mitbestimmung verwiesen). 6. Rechtsprechungs-ABC An dieser Stelle werden einige der interessantesten Entscheidungen zu allgemeinen Fragen bei einer Versetzung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern geordnet hinterlegt: 6.1 Abbedingung Eine tarifliche Versetzungsbefugnis kann im Arbeitsvertrag abbedungen werden. Eine Abbedingung liegt aber nicht schon darin, dass in Ziffer 1. eines Formulararbeitsvertrags zunächst ein konkreter Arbeitsort und erst danach in Ziffer 2. dieses Vertrags die Geltung eines bestimmten Tarifvertrags vereinbart wird. Das Abbedingen verlangt von den Vertragsparteien eine eindeutige Absprache ( BAG, 21.01.2004 - 6 AZR 583/02 - zu § 12 Abs. 1 MTA-O). 6.2 Arbeitsbereich Eine BetrVG -Versetzung ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die "voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist ( § 95 Abs. 3 BetrVG )." Dabei muss sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit - und zwar mehr als gewöhnlich - so verändern, dass sich die neue vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere darstellt. Maßgeblich dabei ist ein Vergleich zwischen der bisher tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer nach Maßgabe der Anweisungen des Arbeitgebers künftig tatsächlich verrichten soll ( BAG, 28.08.2007 - 1 ABR 70/06 ). 6.3 Auswärtstätigkeit Arbeitnehmer dürfen nach Maßgabe des § 9 EStG von ihren Einnahmen die so genannten Werbungskosten abziehen. Zu diesen Werbungskosten gehören nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG "Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4." Der sagt in Satz 1: "Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens ( § 15 des Aktiengesetzes ) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, 4 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 16.01.2017 dem der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist." Für befristete Arbeitsverhältnisse gilt: "Der in einer dauerhaften, ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers beschäftigte Arbeitnehmer ist nicht allein deshalb auswärts tätig, weil er eine Probezeit vereinbart hat, unbedingt versetzungsbereit oder befristet beschäftigt ist" ( BFH, 06.11.2014 - VI R 21/14 ). 6.4 Betriebsratsmitglied Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG unzulässig. Wird jedoch eine Betriebsabteilung stillgelegt, so ist das Betriebsratsmitglied in eine andere Abteilung zu übernehmen ( § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG ). Ist zur Versetzung eine Änderungskündigung notwendig, ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verpflichtet, einen örtlich näher gelegenen und deshalb für das Betriebsratsmitglied weniger belastenden Arbeitsplatz freizukündigen ( BAG, 28.10.1999 - 2 AZR 437/98) . Wird ein Mitglied des Betriebsrats kraft Direktionsrechts von einem Unternehmensbetrieb in einen anderen versetzt, ist § 103 BetrVG - außerordentliche Kündigung in besonderen Fällen - auch analog nicht anzuwenden ( BAG, 11.07.2000 - 1 ABR 39/99) . 6.5 Indizien für eine Versetzung Als Indiztatsache für eine Versetzung kann der Umstand angesehen werden, dass der Wechsel in die neue Tätigkeit auch eine Umgruppierung zur Folge hat. Die Versetzung ist eine gestaltende personelle Maßnahme, die Umgruppierung vom Ansatz her ein Rechtsakt. Beide sind insoweit zu unterscheidende Personalmaßnahmen. So ist es beispielsweise nicht zwingend, dass eine Umgruppierung infolge geänderte Aufgaben gleich eine Versetzung ist oder eine Versetzung immer gleich zu einer Umgruppierung führt. Auf der anderen Seite ist es aber nicht auszuschließen, dass die Umgruppierung die rechtliche Folge einer Versetzung ist. Insoweit kann eine Umgruppierung dann doch für eine Änderung des Arbeitsbereichs iSe. Versetzung sprechen ( BAG, 09.10.2013 - 7 ABR 12/12 ). 6.6 Mitarbeiterkonflikte Eine Versetzung kann auch ein geeignetes Mittel sein, Mitarbeiterkonflikte am Arbeitsplatz zu lösen. Dabei muss der Arbeitgeber im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nicht nur die Interessen der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigen, sondern auch die Belange der übrigen Mitarbeiter, die von einer Versetzung betroffen sind, in seine Entscheidung einbeziehen. Selbstverständlich darf eine Versetzung nur im arbeitsvertraglich zulässigen Rahmen erfolgen. Trotzdem kann sich eine vertraglich zulässige Versetzung als unzulässig erweisen, wenn sie nur den Zweck hat, den Mitarbeiter durch Einsetzen einer Zermürbungstaktik auf diskriminierende Weise dazu zu bringen, dass er seinen Arbeitsplatz von selbst aufgibt ( LAG Schleswig-Holstein, 12.02.2002 - 5 Sa 409 c/01 ). 6.7 Proteste Dritter Protestieren Eltern gegen die Beschäftigung einer Erzieherin, deren Ehemann NPD-Mitglied ist, reicht das nicht für eine Versetzung der Erzieherin, die nach ihrem Arbeitsvertrag als Erzieherin eingestellt ist, wenn deren Arbeitsvertrag keine Versetzung zulässt. Dann wird die Maßnahme des Arbeitgebers nicht von seinem Weisungsrecht gedeckt. Der Arbeitgeber darf der als Erzieherin eingestellten Mitarbeiterin auch mit der Begründung "Fürsorgeverpflichtung" keine andere Arbeit zuweisen. Die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht führt nicht zu einer Ausweitung seines Direktionsrechts ( ArbG Lüneburg, 11.10.2012 - 4 Ca 239/12 ). 6.8 Tätigkeitsänderung - 1 Nicht jede Veränderung eines Arbeitsbereichs stellt gleich eine Versetzung dar: Bagatellfälle und Änderungen innerhalb der üblichen Schwankungsbreite werden arbeitsrechtlich nicht als Versetzung erfasst. Das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers muss sich ändern ( BAG, 23.11.1993 - 1 ABR 34/93 ). Das kann z.B. dadurch erfolgen, dass eine neue Teilfunktion übertragen oder ein Teil der bisher wahrgenommenen Funktionen entzogen wird ( BAG, 19.02.1991 - 1 ABR 33/90 ). 6.9 Tätigkeitsänderung - 2 5 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 16.01.2017 Bei einer Versetzung wird nicht vorausgesetzt, dass der neue Teil oder der entzogene Teil der Tätigkeit überwiegt. Vielmehr ist maßgeblich, dass die Funktion der Gesamttätigkeit ein solches Gepräge gibt, dass nach ihrem Wegfall bzw. Hinzutreten insgesamt von einer anderen Tätigkeit gesprochen werden kann. Dabei muss es sich um Ergebnis um eine erhebliche Änderung der Teilfunktion handeln ( BAG, 02.04.1996 -1 AZR 743/95 ). 6.10 Umsetzung - 2 "Die Unwirksamkeitsfolge des § 7 Abs. 2 AGG gilt für Vereinbarungen aller Art und damit auch für Betriebsund Dienstvereinbarungen. Verfolgt eine Dienstvereinbarung über Umsetzungen das Ziel, Arbeitnehmer vor möglicherweise altersbedingt steigenden Belastungen zu schützen, stellt dies ein legitimes sozialpolitisches Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG dar. Es ist zweifelhaft, ob ein Erfahrungssatz besteht, wonach es Arbeitnehmern mit zunehmendem Alter wegen sinkender Flexibilität regelmäßig schwerer fällt, nach Versetzungen unter veränderten Umständen zu arbeiten. In der Rechtsprechung ist lediglich anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt" ( BAG, 13.10.2009 - 9 AZR 722/08 - hier zu einer nach Lebensalter steigenden Punktevergabe). 6.11 Versetzungsschutzklage Will ein Arbeitnehmer seine Versetzung nicht hinnehmen, muss er dagegen klagen. Er ist dabei allerdings nicht verpflichtet, seine "Versetzungsschutzklage" innerhalb der durch §§ 2 , 4 , 7 KSchG vorgezeichneten 3-Wochen-Frist zu erheben. Er wendet sich hier nicht gegen eine Kündigung, sondern gegen eine Maßnahme des Direktionsrechts. Auf der anderen Seite muss eine Klage schon zeitnah erfolgen. Der Arbeitnehmer darf also nicht jahrelang untätig bleiben. Irgendwann ist sein Recht, gegen eine Versetzung vorzugehen, nämlich verwirkt ( LAG Nürnberg, 06.07.2005 - 9 (6) Sa 120/03 ). 6.12 Vorsorgliche Änderungskündigung Es gibt Fälle, in denen es nicht sicher ist, ob der Arbeitgeber die Versetzung eines Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsort nach den Abmachungen im Arbeitsvertrag im Wege des Direktionsrechts vornehmen darf oder eine Änderungskündigung angezeigt ist. Der Arbeitgeber kann bei dieser Sachlage vorsorglich von beiden Gestaltungsmitteln Gebrauch machen. Die vorsorglich erklärte Änderungskündigung ist dann dadurch auflösend bedingt, dass die Versetzung doch keine Änderung der Vertragsbedingungen erfordert. "Der Arbeitgeber, der erklärt, er spreche die Änderungskündigung vorsorglich im Sinne von hilfsweise nur für den Fall aus, dass seine Rechtsauffassung, er könne die beabsichtigte Änderung auch ohne Kündigung herbeiführen, in einem Rechtsstreit von den Arbeitsgerichten nicht geteilt werden sollte, bekundet damit, die Kündigung solle nur gelten, wenn er nicht schon einseitig zu der von ihm beabsichtigten Veränderung berechtigt ist, es dazu vielmehr einer Vertragsänderung bedarf" ( BAG, 17.12.2015 - 2 AZR 304/15 - mit Hinweis auf BAG, 11.03.1998 - 2 AZR 325/97 - und BAG, 27.03.1987 - 7 AZR 527/85 - und der Auffassung, dass die Kündigung hier lediglich "an eine auflösende sog. Rechtsbedingung geknüpft, was zulässig ist"). 6 © 2017 aok-business.de - PRO Online, 16.01.2017