Die heimliche Hauptstadt Afrikas in Aufbruchstimmung

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Die heimliche Hauptstadt Afrikas in Aufbruchstimmung
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REISE
SAMSTAG, 5. DEZEMBER 2015
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REISE
SAMSTAG, 5. DEZEMBER 2015
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Die heimliche Hauptstadt Afrikas in Aufbruchstimmung
Addis Abeba bietet Tradition und Moderne gepaart mit deutschem Unternehmergeist –
Ausgangspunkt für faszinierende Exkursionen
E
ine der Attraktionen der Stadt
kommt unscheinbar daher – zumindest von außen: Ein halbrunder, fahlgelber sechsstöckiger
Bau, den der Besucher durch ein
von zwei mächtigen Betonsäulen
flankiertes Portal betritt. Richtig exotisch
wird es jedoch im Innern des Gebäudes.
Kellnerinnen im blauen Dirndl tragen
Brathähnchen mit Pommes, Sauerbraten
und Käsespätzle sowie gefüllte Biergläser
zu den Gästen. Zwei glänzende, große Kupferkessel, dunkles Holzmobiliar und eine
Kachelwand mit bäuerlichen Motiven
nebst dem Spruch „Hopfen und Malz, Gott
erhalt’s“ geben dem weitläufigen Raum
eine gutbürgerliche Atmosphäre.
Was daran exotisch sein soll? Weil sich
das Ganze nicht in einem bayerischen
Wirtshaus abspielt, sondern inmitten der
äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Verantwortlich dafür ist Banshebi Tejiwe, der
mit seinem „Beer Garden Inn“ eine Marktlücke gefunden zu haben scheint. Das zeigt
der Ansturm, der fast täglich gegen Abend
einsetzt. Ein Erfolgsgeheimnis des Wirtshauses in der über 2300 Meter gelegenen
Metropole ist vor allem das, was aus den erwähnten Braukesseln kommt: das hauseigene „Garden Bräu“ in der Version des hellen „Blondy“ und des dunklen „Ebony“,
wie der Tejiwe seine beiden Biersorten
nennt. Und auf diese ist der Braumeister
ziemlich stolz. „Meine Brauerei ist die einzige in Äthiopien, die sich streng an das
deutsche Reinheitsgebot hält“, sagt der
drahtige 62-Jährige, ohne dessen speziellen
Werdegang das Beer Garden Inn nicht existieren würde. Aber dazu später mehr.
Das Gasthaus nebst gleichnamigem Hotel ist jedenfalls eine gute Anlaufstation für
all diejenigen, die das faszinierende Land
am Horn von Afrika bereisen wollen. Klar,
viele Touristen kommen in erster Linie der
Kultur- und Naturschätze Äthiopiens wegen: dem Rift Valley, das als Wiege der
Menschheit gilt; die Unesco-geschützten
Felsenkirchen von Lalibela; die Kraterseen
von Debre Zeyit; die Hyänen von Harar
oder die spektakulären Landschaften im
Weltkulturerbe Sämen-Nationalpark sowie
der Danakil-Wüste, um nur einige Beispiele
zu nennen. Viele Besucher haben aber auch
die „Neue Blume“, so die Bedeutung des
Namens Addis Abeba im Programm –
wenn auch meist nur für einen Tag, wie
Manuela Graetz beobachtet hat.
Die 37-Jährige ist Mitarbeiterin des Siedlungsprogramms UN-Habitat, lebt seit sieben Jahren in der Metropole und weiß daher, wovon sie spricht, wenn sie sagt: „Addis ist nicht sehr für Touristen erschlossen.“
Dennoch lohnt sich ein Besuch der Stadt
mit ihren geschätzten fünf Millionen Ein-
UN-Mitarbeiterin Manuela Graetz, also ein
Land mit breiter Mittelschicht. Außerdem
setzt man in Zukunft verstärkt auf ausländische Besucher. Der Fremdenverkehrssektor habe sich zwar in den vergangenen Jahren stark entwickelt, weiß die 37-Jährige,
„ist aber vergleichsweise immer noch auf
niedrigem Niveau“. Der Tourismus gehöre
daher zu den Schwerpunkten des nächsten
Fünfjahresplanes, der das Land weiter voranbringen soll. Davon soll auch Addis
Abeba profitieren, das bereits Sitz der Afrikanischen Union und der UN-Wirtschaftskommission für Afrika ist, aber auch zunehmend von Geschäftsleuten frequentiert
wird.
Einer, der das gerne hören dürfte, ist
Banshebi Tejiwe. Schließlich hat der BeerGarden-Inn-Chef ganz andere Zeiten erlebt
wie die unruhige Endphase des Kaiserreichs in den 1970er Jahren. Tejiwe, der eigentlich Elektroingenieur werden wollte,
wird damals wie vielen anderen seiner Generation das Studium verboten. Der junge
Mann fängt in einer äthiopischen Brauerei
zu arbeiten an, wo er dem deutschen Braumeister auffällt. Tejiwe erhält die Gelegenheit zu einer Ausbildung in Deutschland.
Der zehnjährige Aufenthalt erweist sich als
wegweisend für sein weiteres Leben. Nicht
nur dass Tejiwe die Braumeisterschule in
Ulm besucht und an der Uni Weihenstephan studiert, auch privat findet er sein
Glück, heiratet eine Deutsche, wird Vater
einer Tochter und eines Sohns.
Deutscher
Gourmetkoch
wohnern. Und das liegt nicht nur daran,
dass sich Besucher in der Mega-City wesentlich sicherer bewegen können als in
den meisten anderen afrikanischen Großstädten. Wer in Addis unterwegs ist, erlebt
eine pulsierende Stadt, ein Konglomerat
aus alt und neu, aus Entspanntheit und
Chaos, in dem sich ein Großteil des Lebens
auf der Straße abspielt.
Der Star ist eine
uralte Dame
Besonders eindrucksvoll ist das zu sehen
auf dem Merkato. Der größte Straßenmarkt
Afrikas ist ein quirliger Mikrokosmos, in
dem rund 13 000 Menschen Lohn und Brot
finden sollen. Der Name Merkato resultiert
aus den Jahren 1936 und 1941, als sich das
faschistische Italien einen Teil Ostafrikas
einverleibte. Wie aber steht es um die klassischen Touristenattraktionen Addis Abebas? Diese sind eher übersichtlich, schließlich kommt der Name „Neue“ Blume nicht
MARKT, PANORAMA,
NATIONALSTOLZ
Der Merkato (l.) ist ein
quirliger Mikrokosmos
und eine beliebte Attraktion.
Der Entoto Hill (r.) bietet
einen Panoramablick
über die Stadt.
Seit knapp über drei
Jahren ist Addis Abeba
Sitz der Afrikanischen
Union (ganz rechts.).
Fotos:Späne/Pohl
von Ungefähr. Noch im späten 19. Jahrhundert stand in der Gegend lediglich die Residenz des späteren Kaisers Menelik II. auf
dem Berg Entoto. Weil Meneliks Frau Taytu
Betul die kühlen Temperaturen auf dem
3000 Meter hohen Plateau nicht behagten,
baute man 1889 im Tal einen neuen Palast,
der Nukleus der heutigen Millionenmetropole. Die Ruinen der alten Residenz stehen
heute nach wie vor auf dem Hausberg von
Addis, der gleichzeitig einen der besten Panoramablicke bietet.
Spuren der Geschichte finden sich auch
in der Stadt. Vor allem von der jahrtausendealten christlichen Kultur Abessiniens,
wie Äthiopien einst hieß. Etwa die achteckige St. George’s Kathedrale. Das Gotteshaus, das dem Nationalheiligen des Landes
gewidmet ist, wurde nach dem Sieg der
Schlacht von Adwa im Jahr 1896 errichtet.
Damals schlug die äthiopische Armee die
Invasionstruppe der Italiener bei deren ersten Versuch, ein Kolonialreich zu schaffen.
Accessoires der Schlacht finden sich in
einem kleinen Museum im Kircheninnern
ebenso wie eine Sammlung von religiösen
Gemälden, Kreuzen, historischen Büchern
und Pergamenten sowie Handwerksarbeiten. Nicht zuletzt ist die Kathedrale ein Pilgerort für Rastafari, zumal deren Idol, Kaiser Haile Selassi, dort 1930 gekrönt worden
war. Bestattet ist der Negus, wie die feudalen Herrscher Äthiopiens hießen, jedoch an
einem anderen Ort: der Dreieinigkeitskirche aus dem Jahr 1941. Sie ist zugleich die
größte und prächtigste aller modernen Kirchen Äthiopiens und zeichnet sich durch
ihre Schnitzereien, Mosaiken, Wandmalereien sowie Glasfenster aus.
Kaiser hin, Kirchenkunst her, eigentlich
steht in Addis eine Dame im Mittelpunkt:
Sie misst zwar lediglich knapp über einen
Meter, besitzt aber ein stattliches Alter von
etwa 3,2 Millionen Jahren. Die Rede ist von
Lucy, einer unserer frühesten Vorfahren, die
im Jahr 1974 im Afar-Dreieck entdeckt
wurden. Skelettteile des Vormenschen der
Gattung Australopithecus afarensis können
im äthiopischen Nationalmuseum besichtigt werden. Sehenswert ist auch das Gebäude selbst, schließlich handelt es sich um
die einstige Residenz von Haile Selassie, die
heute die Universität beherbergt.
Neben historischen Schmankerln ist die
Kapitale des zehntgrößten afrikanischen
Staates von Auf- und Umbruchstimmung
geprägt. Fast überall bestimmen Baustellen
die Szenerie, schießen Glaspaläste aus dem
Boden. Ins Auge fällt zudem eine Schienentrasse, die sich durch die Stadt schlängelt.
Auf ihr verläuft die neue Straßenbahn, die
kürzlich eröffnet wurde und die das tägliche Verkehrschaos reduzieren soll. Es ist ein
Prestigeprojekt, das seinesgleichen auf dem
Kontinent sucht. Zugleich stellt es neben
dem Wohnungsbau das sichtbarste Zeichen eines Wachstums- und Transformationsplans, den die autoritär herrschende Regierung dem zu den ärmsten Nationen der
Welt zählenden Land verordnet hat.
„Bis zum Jahr 2025 soll Äthiopien ein
Middle-Income-Country werden“, sagt
Dennoch zieht es ihn wieder zurück in
seine Heimat, um dort seinen Traum von
der eigenen Brauerei zu verwirklichen.
Aber es sollte nach der Rückkehr im Jahr
1983 über 20 Jahre dauern, bis er seinen
Plan in die Tat umsetzen kann, Bier nach
deutschem Reinheitsgebot herzustellen –
die äthiopische Bürokratie und die Schwierigkeit, Investoren zu finden, lassen grüßen.
Tempi passati. Mittlerweile ist das Beer Garden Inn eine beliebte Adresse bei Einheimischen und Ausländern und eine Art kultureller Schmelztiegel. „Drei Viertel unserer
Gäste sind Äthiopier“, sagt Tejiwe, „der
Rest Deutsche und sonstige Europäer, Chinesen und Amerikaner.“
So mancher Vertreter des internationalen Publikums dürfte auch in einem der 32
Zimmer des Hotels absteigen, das Tochter
Ariane Addisitu Tejiwe managt. Die 40-Jährige besitzt die äthiopische und die deutsche Staatsbürgerschaft und hat ihre Ausbildung auf einer Hotelfachschule ebenfalls in Deutschland absolviert.
Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange in Sachen Kompetenz made in
Germany, denn seit ein paar Monaten ist
Richard Pohl Küchenchef im Beer Garden
Inn, das neben dem Biergarten noch über
ein Restaurant verfügt. Dort verfolgt der
29-jährige gebürtige Dresdner ambitio-
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Banshebi Tejiwe und Tochter
Ariane Addisitu Tejiwe neben
den fränkischen Braukesseln
im Beer Garden Inn.
Links: Die Churchill Road.
nierte Ziele: „Ich koche internationalen
Standard mit regionalen Produkten“, beschreibt er seinen Anspruch, neben Brathähnchen & Co. auch Haute Cuisine zu
bieten. Kein leichtes Unterfangen: „Äthiopier sind damit zufrieden, jeden Tag das
Gleiche zu essen“, sagt Pohl, der auf ein junges, aufgeschlossenes sowie internationales
Publikum setzt.
Bleibt noch die Frage, wieso es einen
deutschen Koch nach Addis Abeba verschlägt. Schließlich ist Pohl jemand, der im
renommierten Restaurant des Weinguts
Schloss Vollrads in Oestrich-Winkel gelernt, anschließend in großen Frankfurter
Hotels sowie im Interconti Berchtesgaden
gearbeitet hat. „Meine Eltern arbeiten seit
sieben Jahren an der deutschen Botschaftsschule“, sagt Pohl, der seinerseits über mehrere Urlaube auf den Geschmack gekommen war. Oder wie er es ausdrückt: „Land
und Mentalität haben mir einfach gefallen.“ Vielleicht nicht die schlechteste Entscheidung, schließlich gilt Addis Abeba als
Boomtown und als heimliche Hauptstadt
Afrikas.
Klaus Späne
KÜCHE, KIRCHE,
KATHEDRALE
Küchenchef Richard Pohl
(r.) verfolgt im Beer
Garden Inn ambitionierte
Ziele.
Erst seit kurzem rollt
die Straßenbahn (l.).
Die achteckige St.
Georg’s Kathedrale (ganz
links) ist ein beliebter
Pilgerort.
Fotos: Späne/Pohl
Fenster | Türen | Rollladen
Rolladen
INFO
Anreise: Ab Frankfurt gibt es
tägliche Flugverbindungen nach
Addis Abeba – entweder mit Lufthansa via Jeddah oder ohne
Zwischenstopp mit Ethiopian Airlines. Hin-und Rückflug: ab 670 €.
Ausgehen: Traditionelle äthiopische
Küche mit folkloristischem Tanz
und Musik bietet das Restaurant
Habesha 2000. Nationale Küche mit
Live Musik und traditionellen
Tänzen gibt es zudem im Yod
Abyssinia. Empfehlenswert ist auch
das Taitu Hotels, Äthiopiens erste
Herberge und eine gute Adresse für
Freunde der Landesküche.
Für Kaffee-Liebhaber: Der Tomoca
Coffee Shop. Der Familienbetrieb
existiert seit 1953 und ist das wohl
bekannteste Café der Stadt.
Infos: Generalkonsul Äthiopiens,
Eschersheimer Landstraße 105-107,
Frankfurt, Tel. 069/97 26 96 0.