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UND
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WENN GOTT
BERUFT UND SEGNET
R U E D I
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S T A U B
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Impressum
© 2015 Ruedi Staub, alle Rechte vorbehalten für auszugsweise Wiedergabe
oder Fotokopie.
Umschlaggestaltung: Fabien Besson, Digitaltechnik, 1012 Lausanne
Fotos: Ruedi Staub
Satz und Druck: www.jordibelp.ch
1. Auflage: 1-3000 Januar 2015
ISBN 978-2-8399-1589-2
Buchauslieferung:
Telefon:
Fax:
E-mail:
Internet:
Postkonto:
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Christliche Ostmission (COM)
Bodengasse 14, CH-3076 Worb BE
031 838 12 12
031 839 63 44
[email protected]
www.ostmission.ch
30-6880-4
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Widmung
Ich widme dieses Buch
meiner Familie und den Freunden
der Christlichen Ostmission
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Danksagung
Herzlichen Dank all jenen die mitgebetet und mitgewirkt haben,
dass dieses Buch erscheinen kann:
für die Ermutigung durch meinen lieben Freund, Pfr. Fredy Staub,
dieses Buch zu schreiben.
Besten Dank den beiden Korrektoren:
Daniel Lippuner und Andreas Brüderlin
Für die Unterstützung durch Beatrice Käufeler
Ein grosser Dank auch an meinen Enkel, Fabien Besson,
für die Umschlaggestaltung.
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Inhalt
Einleitung .................................................................................................................................................................. 11
Prolog ............................................................................................................................................................................. 12
Eine ungewöhnliche Berufung ............................................................................................................. 15
Anfang und Kindheit ....................................................................................................................................... 19
Unser neues Heim .............................................................................................................................................. 22
Generalmobilmachung (Die Kriegsjahre 1939 bis 1945) ........................................... 27
Dramatische Begebenheiten .................................................................................................................... 32
Meine Wiedergeburt ......................................................................................................................................... 37
Das erste Mal im Welschland .................................................................................................................. 39
Meine Jünglingsjahre ..................................................................................................................................... 41
Ich finde defnitiv eine Freundin .......................................................................................................... 45
Unsere Freundschaft vertieft sich und bald darauf die erste Krise ................... 47
Meine letzten Jahre daheim und die RS ...................................................................................... 51
Meine Studienzeit am TSC ........................................................................................................................ 55
Plötzlich bin ich Student ............................................................................................................................ 57
Mein Bruder will nicht Bauer werden ........................................................................................... 61
Unsere Freundschaft vertieft sich ...................................................................................................... 63
Das zweite Studienjahr ................................................................................................................................. 65
Das dritte Studienjahr ................................................................................................................................... 69
So kann es nicht weitergehen ................................................................................................................ 72
Unsere Verlobung und «das Danach» ............................................................................................. 74
Bibelschule für meine zukünftige Frau mit Folgen ........................................................ 77
Die letzten Weihnachtsferien zu Hause
und Umzug meiner Familie ins Waadtland .............................................................................. 82
Ich werde Evangelist der EGB ............................................................................................................... 85
Unsere Hochzeit und sogleich unerwartete Schwierigkeiten ................................ 87
Die beschwerliche Geburt unserer Suzanne ........................................................................... 93
Bau im Reich Gottes und am Vereinshaus ................................................................................ 96
Eine unglaubliche Geschichte und ihre Auswirkungen ........................................... 102
Unerwartete Probleme und Schwierigkeiten ....................................................................... 106
Unsere Versetzung ins Emmental ................................................................................................... 110
Gottes Wege sind einfach wundervoll ......................................................................................... 112
Wieder am Bauen ............................................................................................................................................. 115
Unser Umzug ins Welschland nach Moudon ........................................................................ 121
Eine aussergewöhnliche Jugendarbeit ....................................................................................... 124
Eine Bücherlawine ohne Bibel und Geistliches ................................................................ 139
Der Fall von Pastor Vasile Raskol .................................................................................................... 142
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Wir reisen als Familie mit einem VW-Bus voll
Literatur hinter den eisernen Vorhang ...................................................................................... 146
Die COM wird selbstständig .................................................................................................................. 153
Menschen ergreifen massenweise die Flucht ...................................................................... 154
Die Flüchtlingshilfe der COM ............................................................................................................. 156
Die Familie unseres Schwiegersohnes geht nach Somalia .................................... 164
Der Gesundheitszustand meiner lieben Frau verschlechtert sich ................. 168
Meine Arbeit in der Gemeinde und der Jungen Kirche Schweiz ..................... 172
Bericht von Esther über ihre Zeit in Moudon .................................................................... 175
Zeugnis von Johannes Koch ................................................................................................................. 178
Schwierige Situationen in der Gemeindearbeit ................................................................ 180
Wir streben ein Sabbatjahr an ............................................................................................................ 182
Unsere Kinder werden flügge .............................................................................................................. 187
Wir dürfen ernten ............................................................................................................................................ 189
Wird unsere Annelis sterben? .............................................................................................................. 193
Unsere letzten Jahre in der Kirchgemeinde ......................................................................... 209
Eine Herzoperation wird unumgänglich ................................................................................. 211
Abschiedsgottesdienst 1999 in der Kirche St. Etienne .............................................. 214
Gott hat unseren «Alterssitz» vorausgeplant ...................................................................... 216
Ich stürze noch einmal von einem Baum ............................................................................... 221
Unvermittelt steht Krebsverdacht im Raum ........................................................................ 223
Mein 80. Geburtstag ...................................................................................................................................... 233
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Einleitung
zu Ruedi Staubs Buch
Es gibt viele Bücher, die kaum jemand wirklich liest. Und es gibt solche, die
man nicht mehr aus der Hand lässt, bis sie zu Ende gelesen sind. Ruedi Staubs
Buch gehört zu denen, die es einem schwer machen, die Lektüre zu unterbrechen. Hier reihen sich atemberaubende Begebenheiten, die unter die Haut
gehen. Attraktiv. Inspirierend. Überwältigend. Vor allem aber zeigt dieses Buch
die erfahrbare Grösse Gottes im Hier und Jetzt. Manch eine lesende Person
wird sich während der Lektüre sagen: Mensch, Gott ist grösser als ich bisher
gedacht habe.
Der Autor schliesst mit diesem Buch die Türe auf zum wunderbaren Wirken
des Allerhöchsten. Er nimmt die Leser sozusagen an der Hand und zeigt ihnen,
was Gott heute bewirken kann. Ruedi Staub ist ein glaubensstarker Mann und
er ist ein durch und durch ehrlicher Mensch. Ihm geht es nicht darum, sich
selber gross darzustellen oder gar Ehre für sich zu nehmen. Nein. Dazu ist der
Autor zu demütig. Ihm geht es darum, dass alle, die wir jetzt seine Erfahrungen
geradezu miterleben können, selber von Gottes Liebe frisch berührt, erfasst
und erfüllt werden. Dass das, was hier steht, pure Realität ist, das haben mir
immer wieder Leute bestätigt, die dank dem Engagement von Ruedi Staub wesentliche Hilfe und tiefen Glauben an Jesus Christus gefunden haben.
Ob Atheisten, Menschen anderer Religionen oder Christen verschiedenster
Couleur, jede Leserin und jeder Leser wird mit diesem Buch von Gott beschenkt. Hier legt ein Mann den Mut an den Tag, nicht an seinen Grenzen
stehen zu bleiben, sondern der grenzenlosen Liebe und der uferlosen Macht
Gottes gebührend Raum zu geben. Das steckt beim Lesen an.
Ruedi Staub, ich danke dir, dass du uns mit diesem Buch einen freudigen Wegweiser in die Hand gibst, der uns allen Grund gibt, nicht noch länger bei unseren eigenen Unmöglichkeiten stehen zu bleiben, sondern uns von Gottes Geist
verändern und erfüllen zu lassen. Der gleiche Gott, der dein Leben in vielerlei
Hinsicht so reich gemachte hat, möge alle, die dieses Buch lesen, zu neuen
Dimensionen ureigener und tief beglückender Glaubenserfahrung führen.
Fredy Staub, Eventpfarrer, Wädenswil
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Prolog
Sicher machen sich viele Menschen Gedanken über ihre Familien- und Lebensgeschichte. Wir alle wurden durch diese nachhaltig geprägt und beeinflusst. Schon mehrmals forderte man mich auf, meine Lebenserinnerungen
niederzuschreiben. Meinen Angehörigen habe ich bereits angefangen, diese
zu erzählen. Als wir 2011 am Weihnachtsfest wieder einmal alle zusammen
waren (21 Personen), wollten vor allem die Grosskinder, dass ich mit dem
Erzählen fortfahre. Wenn schon unsere Teenager ein solches Interesse an
der Schilderung meiner Chronik bekunden, habe ich mich nun entschlossen diese niederzuschreiben.
In unserer schnelllebigen Zeit ist das Wissen um die eigenen Wurzeln umso
wichtiger. In meinem Leben gibt es so viele verschiedene, interessante Facetten, welche den Leser faszinieren können. Zwecks einer gewissen Identitätswahrung verzichte ich öfter auf eine persönliche Namensnennung. Aus
dem gleichen Grund führe ich nicht alle Ortsbezeichnungen auf.
In meinem zwanzigsten Lebensjahr erfuhr ich einen tiefgreifenden Einschnitt für mein Leben. Dieser hat meine Existenz nachhaltig verändert
und beeinflusst. Ich war in diesem Alter nicht wunschlos, aber rundum
glücklich. Als engagierter Christ las ich eifrig die Bibel.
Ich hatte bereits einen Kurs für freiwillige Mitarbeiter in der Kirche erfolgreich durchlaufen. Das Mitsingen im Gemeindechor machte mir Freude,
und in der Blaukreuzmusik war ich ebenfalls aktiv tätig. Aber am meisten Befriedigung bereitete mir das Mitwirken in der Jugendgruppe und der
Sonntagsschule.
Ausserdem war ich in ein charmantes Mädchen verliebt. 1950 hatte ich
Jeanne-Marie in der französischsprachigen Schweiz kennen gelernt.
Die Mitarbeit auf dem elterlichen Bauernhof brachte mir viel Genugtuung.
Auf unserem Betrieb standen über dreihundert Obstbäume. Ich hatte bereits einen Baumwärterkurs absolviert und baute den Obstanbau ständig
aus. Damals waren das noch alles Hochstammbäume. Auch Himbeeren und
Brombeeren erweiterten unser Angebot an Früchten. Der Verkauf vollzog
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sich mehrheitlich von Haus zu Haus, direkt an Privatkunden. Dazu fuhren
wir mit dem Pferdefuhrwerk in die Randgebiete der Stadt Thun. Nur die
Äpfel lieferten wir zum Teil an die landwirtschaftliche Genossenschaft.
Unser Bauernhaus im Gürbetal
Wie bereits erwähnt, engagierte ich mich besonders in der christlichen
Gemeinde. Unser Seelsorger hatte mich schon mehrmals aufgefordert, darüber nachzudenken und zu beten, ob Gott mich nicht im vollzeitlichen
Dienst haben möchte. Aber gerade das wollte ich nicht. Mit grosser Freude
engagierte ich mich in der Gemeinde. Aber einen vollzeitlichen Kirchendienst konnte und wollte ich nicht in Erwägung ziehen.
Im Sommer 1954 erlebte ich ein einzigartiges Wunder: Ich stürze vom Gipfel des achtunggebietenden Birnbaumes acht Meter hinunter. Anstatt mir
den Rücken auf dem letzten Ast zu brechen, stehe ich unverletzt aufrecht
auf dem untersten dicken Ast.
Dreimal zwanzig Jahre später falle ich beim Apfelpflücken, nun achtzig Jahre alt geworden, wieder vom Baum. Dieser Absturz verlief weniger erfreu-
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lich als derjenige vor sechzig Jahren. Die Ambulanz transportierte mich ins
Kantonsspital, wo man einen doppelten Beckenbruch diagnostizierte.
Bald einmal wurde dieser Unfall als Chance gewertet; denn eine Blutanalyse
ergab folgendes Ergebnis: Im Bereich der Bauchspeicheldrüse und der Leber wurde ein Problem festgestellt... Obschon nicht direkt angesprochen,
stand Krebsverdacht «im Raum».
Sollte sich so der Bogen eines belangreichen Lebens schliessen? Würde
Gott nochmals gnädig eingreifen und ein Wunder wirken? Eine Bestätigung
dessen. was Jesus in Johannes 15,16 zugesagt hat: «Nicht ihr habt mich
erwählt, sondern ich euch, damit ihr euch auf den Weg macht und Frucht
bringt, die bleibt.»
Dank der Gnade Gottes durfte mein Leben segensreiche Spuren hinterlassen. Ich wurde reich gesegnet, und es ist mein Wunsch, dass mit diesem
Buch Segen- und Fruchtbringendes weiter gehen darf.
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Eine ungewöhnliche
Berufung
Im Spätsommer 1954 waren wir mit dem Pflücken der Hanselibirnen beschäftigt. Dieser Baum war der Erhabenste und Mächtigste, den wir hatten und stand auf dem Hausplatz. Zusammen mit dem Vater holten wir im
Schuppen die längste Leiter. Sie hatte vierunddreissig Sprossen. Dank dieser Megaleiter war es mir möglich, die schönsten Birnen in der Krone des
Baumes zu pflücken. Auf der letzten Sprosse stehend, mich an der Krone
festhaltend, wollte ich gerade die letzte Birne einsammeln, als das Unglück
geschah: Etwa zwei Meter unter mir brach die Leiter entzwei. Der Ast, an
dem ich mich festhielt, brach weg, ein anderer, auf den ich fiel, ebenfalls.
Rücklings stürzte ich durch den Baum hinunter. Dann geschah etwas total Unfassbares: Unversehens stehe ich aufrecht auf dem untersten Ast des
Birnbaumes.
Ich hatte weder Angst noch Panik verspürt. Ganz im Gegenteil: Es war, als
hätten mich Engel auf den Händen durch den Baum hinuntergetragen und
auf diesem Ast einfach abgestellt. Dieses spektakuläre Geschehen kann man
nicht erklären. Zumindest der Pflückkorb müsste ausgeschüttet sein, und
ich hätte Schmerzen verspüren und Schürfmerkmale davontragen müssen
– aber weder noch!
Mir widerfuhr etwas ganz anderes: Gott sprach zu mir. Noch auf dem Ast
stehend, hörte ich seine Stimme: «Weißt du, was das bedeutet? Ich habe
dich bewahrt. Ich will, dass du mir vollzeitlich dienst!» Ich erlebte einen
überglücklichen Zustand, war von einer tiefen Ruhe und einem unerklärlichen Frieden erfüllt. Mein Vater hatte ebenfalls Birnen gepflückt und alles
beobachtet. Er war, völlig sprachlos, aber überaus dankbar, dass ich vollkommen heil war!
Unsere Familie hatte die Gewohnheit, nach dem Abendessen eine Andacht
mit Gebetsgemeinschaft zu pflegen. Es war nur naheliegend, dass an diesem Abend das Geschehen beim Birnenpflücken thematisiert und besprochen wurde. Ich bezeugte, wie ich das Ganze erlebt, und wie Gott zu mir
geredet hatte. Wir waren alle tief ergriffen, am meisten mein Vater, der in
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Tränen ausbrach. Am grössten aber war die Dankbarkeit über diese wunderbare Bewahrung. Eigentlich hätte ich genau mit dem Rücken auf den
untersten Ast aufprallen müssen. Ich hätte mir das Rückgrat brechen und
eine Querschnittlähmung davontragen können!
Für unsere Familiensituation wurde das Ganze zu einer echten Herausforderung. Im vergangenen Winter hatte ich die Sanitätsrekrutenschule
durchlaufen und diese mit einem dreiwöchigen Spitalkurs im Kantonsspital von Lausanne beendigt. Auch die landwirtschaftlichen Fortbildungskurse lagen hinter mir. Es war vorgesehen, dass ich einmal den väterlichen
Betrieb übernehmen sollte. Mein Bruder, welcher das letzte Schuljahr absolvierte, hatte bereits deutlich gemacht, dass dies für ihn nicht in Frage
käme.
Für mich war der Sachverhalt jedoch eindeutig und unmissverständlich.
Gott hatte mir meine Lebensaufgabe mehr als augenfällig gemacht! Ich
nahm mit unserem Seelsorger Kontakt auf. Er war hoch erfreut über die
wunderbare Führung Gottes in meinem Leben. Seines Erachtens kam für
mich vor allem das theologische Seminar von St. Chrischona in Frage. Dort
erklärte man sich bereit, meine Aufnahme zu prüfen, obschon die Anmeldefrist längst vorbei war. Umgehend erhielt ich die Unterlagen. Diese sandte ich sofort ausgefüllt, versehen mit allen verlangten Zeugnissen, zurück.
Dass ich ja bereits eine feste Freundin hatte, verschwieg ich. Ich wollte
nicht, dass meine Aufnahme als Student dadurch gefährdet sein könnte.
Für meine Eltern, besonders den Vater, bedeutete die ganze Angelegenheit
eine gewaltige Herausforderung. Wir waren eine glückliche Familie. Ich
hatte eine ältere und eine jüngere Schwester, und der bereits erwähnte Bruder war der «Benjamin» der Familie. Wie erwähnt, wollte er auf keinen Fall
Bauer werden. Meine Eltern waren einerseits glücklich und dankbar, dass
Gott mich für die Arbeit im Reiche Gottes berufen hatte. Doch andererseits
waren die Konsequenzen für sie schwer zu akzeptieren.
Das Ganze hing mit der schwierigen Situation unseres Bauernbetriebes zusammen. Dieser umfasste nur sieben Hektaren Land und etwas Wald. Die
Hälfte des Landes war sehr steil. Trotzdem wurde der ganze Betrieb intensiv
bewirtschaftet. Bevor am Hang ein Feld gepflügt werden konnte, musste
jeweils unten eine Furche ausgehoben und die Erde nach oben auf das Feld
transportiert werden. Dies geschah, indem durch ein Drahtseil die mit Erde
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beladene Karre nach oben gezogen wurde. Dort war eine Verankerung installiert. An dieser hing eine Rolle, so dass die Pferde das Drahtseil nach
unten ziehen konnten. Dieses mühevolle Verfahren beanspruchte fast soviel
Zeit wie nachher das Pflügen des Ackers. Meistens half unsere Mutter bei
diesen Arbeiten mit.
Unumwunden erklärte mein Bruder Otto, warum er nicht «bei der Scholle
bleiben wollte»: «Ich möchte nicht, dass meine Frau sich einmal so abrackern muss wie meine Mutter».
Sollte jedoch kein Nachfolger für die Hofübernahme existieren, würden unsere Eltern den Betrieb aufgeben. Es entstand eine heikle Situation.
Dankbar durften wir alles im Gebet immer wieder vor Gott ausbreiten. Die
Worte Jesu wurden mir zunehmend wichtig:
«Bemüht euch vor allem um das Reich Gottes und lebt nach Gottes Willen! Dann wird er euch mit allem anderen versorgen.»
(Matth. 6,33)
Innerhalb kürzester Frist erhielt ich von der Missionsschule St. Chrischona positiven Bericht. Ich war angenommen und zwar als Gastschüler. Diese
müssen das Studium selber bezahlen, geniessen jedoch mehr Freiraum. Ich
sollte baldmöglichst eintreten, da der Unterricht bereits begonnen hatte.
Für die Beziehung zu meiner Freundin war dies eine segensreiche Fügung,
war es doch offensichtlich, dass sie mit ihrem zart gebauten Körper eher eine
Pastorenfrau, als eine Bäuerin sein könnte. Noch ahnten wir nicht, dass mein
bevorstehendes, vierjähriges Studium für uns beide eine nicht geringe Belastung mit sich bringen würde. Im vergangenen Jahr hatten wir uns regelmässig, möglichst einmal im Monat, getroffen. Meine Liebste hatte jeweils auch
einige Ferientage bei uns verbracht. Sie gehörte bereits ein wenig zu unserer
Familie und fühlte sich bei uns angenommen, geschätzt und glücklich.
Als Laienprediger und verantwortlicher Leiter der Brüdergemeinde in Neuenburg war mein zukünftiger Schwiegervater über diese Umstellung in unserem Leben sehr angetan. Er war schon ganz offensichtlich ein wenig stolz
auf seinen zukünftigen Schwiegersohn.
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So kam ich im September 1954 etwas verspätet auf St. Chrischona an. Trotz
einiger Schwierigkeiten zu Beginn lebte ich mich erstaunlich schnell in die
neue Situation ein. Freilich waren die Herausforderungen beträchtlich: Bezüglich meiner Schulbildung musste ich vieles nachholen. Im ersten Studienjahr hatten wir ziemlich viel Deutschunterricht. Doch schon bald erhielt
ich zu meiner Freude im Lesen und Rezitieren beste Zensuren.
Zum Glück hatten wir täglich zwei Stunden praktische Arbeit zu leisten.
Diese Abwechslung war für mich ein Vorteil. Ich konnte mich vor allem im
Obstbau betätigen. Ich schätzte es ferner, dass ich mit anderen Gastschülern
in einem Viererzimmer untergebracht war und nicht in einem Schlafsaal.
Auch hatten wir in den drei ersten Jahren sonntags frei.
Das Zusammentreffen mit meiner Freundin wurde jedoch stark beschnitten. Dafür schrieben wir uns Briefe oder telefonierten miteinander. Freilich
musste sich Jeanne-Marie die Zeit dazu stehlen. Sie war nicht nur beruflich
als Telefonistin bei der Post, sondern auch zu Hause, stark gefordert, ja
sogar überfordert. Ihre Mutter war oft erschöpft und kränklich. Als Älteste
war Jeanne-Marie für ihre acht Geschwister eine Art Ersatzmutter. Das war
eine Überforderung. Bereits litt ihre Gesundheit darunter. Besonders wenn
sie Spät-, Früh- oder Nachtdienst hatte, fehlte ihr zu Hause die nötige Ruhe.
Sie teilte nicht nur ihr Zimmer mit drei Schwestern, sondern auch noch ihr
Bett mit einer ihrer Schwestern. Ihre Familie war eben nicht auf Rosen gebettet. Ganz im Gegenteil, ihr Vater hatte auf dem kleinen Anwesen seines
Schwiegervaters unter grossen Anstrengungen ein Rebgut aufgebaut. Leider hatten sie mehrmals grosses Pech: Zweimal kam es vor, dass die Reben
nach dem Austreiben erfroren. Einmal wurde durch Hagelschlag alles vernichtet. Um seine grosse Familie ernähren zu können, arbeitete der Vater
von Jeanne-Marie zusätzlich in einem Maurergeschäft.
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Anfang und Kindheit
Ich möchte nun in meiner eigenen Familiengeschichte etwas weiter zurückblicken. Meine drei Geschwister kamen alle durch eine Hausgeburt
auf die Welt. Nur ich wurde im Spital geboren. Das hatte eine besondere
Bewandtnis. Nach der Hausgeburt meiner älteren Schwester verlor unser
Vater seine liebe Frau. Mit den Worten: «Mein armer Ernst» starb sie an
einer Embolie, in den Armen ihres Ehemannes. Für ihn war das ein ganz
schwerer Schicksalsschlag. Er half damals auf dem Belpberg seinen Eltern
auf dem väterlichen Bauernhof. Von seinen zehn Geschwistern waren die
Jüngsten noch zu Hause.
Eine jüngere Schwester seiner verstorbenen Gattin wurde die Gotte seines
Töchterchens Ruthli. Am 27. März 1933 verheiratete Ernst Staub sich dann
mit dieser Schwägerin, Emma Schweingruber, meiner zukünftigen Mutter.
Diese war im Emmental aufgewachsen und zog dann zu ihm auf den Belpberg. In der Folge konnte er den väterlichen Hof in Pacht nehmen.
Als meine Mutter mit mir schwanger wurde entschied der Vater als Konsequenz der bitteren Erfahrung bei der Geburt meiner Schwester Ruth, dass
seine Frau zur Entbindung ins Spital musste. Und so kam es, dass ich als
einziges Kind unserer Familie das Licht der Welt im Spital erblickte.
Meine Eltern und Paten anlässlich meiner Taufe
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Ich als kleiner «Knirps»
Meine Grosseltern väterlicherseits hatten sich 1891 vermählt. In der Folge
wurden ihnen 12 Kinder geschenkt, wovon eines starb. Es war für sie offensichtlich, dass sie mit ihrer grossen Familie hinter dem Tschuggenhubel auf
dem Längenberg keine reelle Zukunft haben würden. Das Heimwesen war
unglaublich abschüssig. Spasshalber wurde gesagt, dass die Äcker so steil
seien, «dass man die Kartoffeln am besten mit dem Karabiner sollte setzen
können». Wen wundert es, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit einen
Betrieb mit ebenem Land kauften. So zogen sie auf den Belpberg. Hier angekommen, bemerkten böse Zungen: «Mit so vielen Kindern und so wenig
Kühen machen die es sicher nicht lange!» Doch schon meine Grosseltern
hatten ein starkes Gottvertrauen, und dieses wurde offensichtlich belohnt:
Heute lebt auf diesem Hof bereits die fünfte Generation.
Meine Grosseltern. In der Mitte meine Schwester Ruth, vor dem Grossvater
ich und auf dem Schoss der Grossmutter Rosalie
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Weil mein Grossvater ein fortschrittlich denkender Mensch war, konnte
mein Vater, wie erwähnt, den väterlichen Hof, nach seiner Wiederverheiratung in Pacht nehmen. Das war alles andere als selbstverständlich, und er
schätzte das sehr. Er war sich jedoch bewusst, dass dieses Pachtverhältnis
befristet sein würde, wenn sein jüngster Bruder der Scholle treu bleiben
würde. Und so kam es dann auch. Nach «bernischer Gepflogenheit» stand
dem jüngsten Sohn die Übernahme des elterlichen Bauernhofes zu. Mein
jüngster Onkel war mit einer Bauerntochter aus der Nachbarschaft verlobt
und hatte vor sie zu heiraten. Seine Braut äusserte ebenfalls den Wunsch,
ihr zukünftiger Mann soll den elterlichen Betrieb übernehmen. Deshalb
machte sich mein Grossvater, zusammen mit meinen Eltern, auf die Suche
nach einer Lösung. Für sich und ihre drei Kinder brauchten meine Eltern
ein neues Heim und eine Existenzgrundlage. Im Gürbetal war ein Bauernhof zum Kauf ausgeschrieben, weil der Inhaber ganz unerwartet und sehr
jung an einem Herzschlag gestorben war. Mein Vater war eher skeptisch.
Er gab meinem Grossvater zu verstehen: «Du hast das steile Heimwesen
auf dem Tschuggenhubel gegen das Ebene auf dem Belpberg eingetauscht,
und ich soll nun wieder ein solch «stotziges» Anwesen kaufen!» Doch dieser erwiderte: «Du kannst es dann später auch machen wie ich, aber dieses
Anwesen kaufen wir jetzt.» Als Pächter besass mein Vater bereits Inventar.
Den Bauernhof jedoch musste er durch Kredite bei der Bank und einem
Darlehen bei der verwitweten Verkäuferin finanzieren.
In meiner Erinnerung blieb mir eine einzige Begebenheit vom Belpberg
erhalten. Zu Weihnachten bekam ich ein sogenanntes Dreiradvelo. Dieses
war sehr solide gebaut. Es diente nicht nur mir, sondern auch meiner jüngeren Schwester, Rosalie, welche am 1. Januar 1936 auf die Welt gekommen
war, später auch unserem Bruder und dann sogar noch den Kindern meiner
älteren Schwester Ruth.
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Unser neues Heim
So kam es, dass im Frühjahr 1938 unsere Familie in das neue Heim ins
obere Gürbetal übersiedelte. Wir nahmen auch den Verdingbub der Vorgängerfamilie, bei uns auf. Ein Jahr später kam er aus der Schule und zog
anderswohin. Dann kam Werner Rohrbach zu uns, welcher schon auf dem
Belpberg bei uns gewesen war, als Knecht in unsere Familie zurück. Er war
dann jahrelang eine wertvolle Hilfskraft. Durch uns lernte er seine spätere Frau kennen und gründete dann im Baselbiet eine eigene Familie. Wir
blieben zeitlebens in gutem Kontakt mit ihnen, und sie nahmen auch an
unseren Familiezusammenkünften teil.
Eine solche ausserordentliche Familienzusammenkunft war die
Goldene Hochzeit der Grosseltern Staub 1942 auf dem Belpberg
Meine Grosseltern mit 10 ihrer Kinder und den Grosskindern feiern ihre Goldene Hochzeit Ganz links mein Vater. Vor ihm unsere Mutter, mit Rosalie
und Otto auf den Knien, davor ich und meine Schwester Ruth, sitzend
Mitte Dezember 1938 wurde mein Bruder, der Benjamin unserer Familie
geboren. Wegen gesundheitlichen Problemen hatten meine Eltern grosse
Angst, der Säugling könnte sterben. Ihre inständigen Gebete wurden jedoch
erhört und der Säugling genas.
Das Bauernhaus im Burgiwil war alt und unpraktisch eingerichtet. Nur die
zwei unteren Stuben konnten mittels eines Sandsteinofens beheizt werden.
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Das Wasser musste man draussen vom Brunnen holen. Das war dem Vater
von Anfang an ein «Dorn im Auge». So erinnere ich mich recht gut an
die ersten baulichen Veränderungen. Der Brunnentrog stand quer vor dem
Haus und versperrte den direkten Zugang zur Tenne. Das Gras konnte nur
von hinten über eine ansteigende Terrasse eingefahren werden. Oft lösten
die Hufeisen der Pferde auf dem Beton Funken aus. Manchmal fielen dabei
den Tieren sogar die Knie ein.
So wurde als erstes neben dem Pferdestall ein grosser Aushub gemacht, und
eine hohe Stützmauer errichtet. Davor wurde ein etwa sechs Meter langer
Brunnentrog erstellt. Dadurch konnte der mit Gras beladene Wagen vor
dem Haus abgestellt und mühelos «von Hand» in die Tenne gerollt werden.
Etwas später wurde vor dem Haus und in der Scheune der Betonboden aufgebrochen, um das Wasser in die Küche zu leiten und die nötige Abwasserleitung zu erstellen. War das ein Segen für unsere Mutter! Nun hatten wir
fliessendes Wasser in der Küche, wo wir uns waschen und in einem Zuber
auch baden konnten. Als nach dem Krieg bei uns ein Pole interniert wurde,
staunte dieser über dieses Wunderwerk. Dann sagte er: «Wenn ich wieder
Hause bin, ich auch will Wasser von Wand.»
In der Küche wurde der alte Holzherd durch einen Tiba Kombiherd ersetzt.
Das ermöglichte das Hinzufügen einer Zentralheizung. War das eine Wohltat!
Der Aushub aus den jeweiligen Baugruben wurde auf eine Parzelle geführt,
auf welcher früher ein Teich war. Als dann beim Bahnhof eine Lagerhalle
errichtet wurde, konnte auch von dort die ausgebaggerte Erde zum ehemaligen Teich gebracht werden. Werner, der diese Arbeit jeweils verrichtete,
nahm eines Tages auf dem Wagen meine Schwester Rosalie mit. Unglücklicherweise fiel sie «im Mösli» vom Wagen, wobei das vordere Wagenrad
über ihren Brustkasten rollte, bevor Werner das Gefährt anhalten konnte.
Furchterfüllt liess er alles liegen und rannte mit der Kleinen auf den Armen
nach Hause.
Wie der Arzt benachrichtigt wurde, weiss ich nicht mehr. Aber Rosalie
konnte kaum mehr atmen. In Erinnerung geblieben ist mir, wie ich anfing
zu weinen. Dann hat meine Mutter gesagt: «Nicht weinen, lasst uns vielmehr beten!» Dann geschah ein Wunder. Plötzlich erbrach die Kleine Blut,
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sodass sie wieder besser atmen konnte. Der Arzt bestätigte im Nachhinein:
«Indem das Mädchen das Blut von sich geben konnte, ist es nicht erstickt.
Im Übrigen scheint sie bereits wieder wohlauf zu sein. Offensichtlich hat
sie auch keine inneren Verletzungen davongetragen.» Wir lobten und dankten Gott, dass er unsere Gebete so gnädig erhört hat! Meine Schwester ist
bis heute überzeugt, dass ihr damals das Leben ein zweites Mal geschenkt
worden ist!
Hier wird offensichtlich, welch ein Vorrecht es ist, in einer gläubigen Familie aufzuwachsen. Für unsere Familie war Gottes Zugegensein ganz selbstverständlich. Vor allem meine liebe Mutter hat uns an Hand der bebilderten
Bibel die biblischen Geschichten erzählt und erklärt.
In einer späteren Bauetappe wurde dann vor dem Wohnhaus die Terrasse
entfernt, darunter eine grosse Ausgrabung vorgenommen und eine Waschküche errichtet. Der Kies für alle Betonarbeiten wurde immer unten im Tal,
im Flussbett der Gürbe geholt. Hier befand sich ein sogenannter Sammler,
da war immer genügend Kies vorhanden. Oft half uns ein Nachbar bei diesen Bauarbeiten. Wenn ich mich recht erinnere, erhielt er einen Stundenlohn von zwei Franken fünfzig Rappen. Auch bei den Entwässerungsarbeiten im bereits erwähnten «Mösli» sowie bei denjenigen unten im Tal half
dieser Mann nachbarlich mit.
Das Anschaffen einer Waschmaschine wies deutlich auf die fortschrittliche
Gesinnung unseres Vaters hin. Das Gerät hatte eine Holzeinfassung. Im Innenraum befand sich eine Vorrichtung, welche durch einen Benzinmotor
angetrieben wurde. Als Aufsatz war eine Auswinde angebracht, durch die
das Wasser aus der Wäsche gepresst wurde.
Als die BKW die Stromstärke von 220 auf 380 Volt ausbaute, kauften wir
unverzüglich einen Elektromotor. Das war eine Erleichterung! Statt den
Benzinmotor mühsam in Gang zu setzen, was besonders im Winter schwierig war, betätigte man jetzt einfach einen Schalter!
Jetzt konnten wir auch im Brunnentrog der Waschküche baden. Das Wasser
wurde im grossen Waschhafen heiss gemacht. Das alles war viel einfacher
als auf dem Holzkochherd in der Küche und das Baden in einer Bütte.
Hier noch eine Anekdote, die mir geblieben ist: Unmittelbar unter dem Burgisteinschloss, war ein noch viel steileres Heimwesen als das unsrige. Dort
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lebte ein ehemaliger Tessiner. Die BKW erstellte dort ebenfalls eine Starkstromleitung durch seinen Besitz. Sie zahlte ihm aber dafür keine Entschädigung mit der Begründung, dass es sich ja bloss um Weideland handle.
Von da an bezahlte der geprellte Bauer die Stromrechnungen nicht mehr.
Als man ihm zuletzt drohte die Stromlieferung einzustellen, antwortete er:
«Nur zu, d’Sagi isch gfielt» Dieser Wink mit dem «Zaunpfahl» bewirkte,
dass man ihn dann doch entschädigte.
Dank dem starken Elektromotor konnten wir nun eine Hochdruckpumpe
anschaffen. Diese ermöglichte es, die Jauche auf allen Wiesen auszubringen
bis hinauf zu den höchstgelegenen Parzellen.
Wie erwähnt, war mein Vater sehr fortschrittlich gesinnt und in mancher
Hinsicht sogar ein richtiger Pionier. So war er der erste, welcher in unserem Dorf einen mit Pneus versehenen Wagen anfertigen liess. Er erklärte
dem Schmied, wie er sich diesen wünschte. Bei allen mit Eisen bereiften
Wagen waren üblicherweise die Vorderräder kleiner als die beiden hinteren.
So konnte der Schmied nicht davon überzeugt werden, vier Räder mit dem
gleichen Durchmesser zu verwenden. Die Konsequenz war, dass wir deshalb
kein Ersatzrad hatten. Dieser Wagen war enorm praktisch und hinterliess
auf den Feldern weniger Spurenschäden. Er war über vierzig Jahre lang
im Gebrauch. Logischerweise hatten dann sehr schnell alle Bauern solche
pneubereiften Gefährte anfertigen liessen.
Dann wurde unser Vater wieder beim Schmied vorstellig und beantragte
die Anfertigung eines Hundewagens, um die Milch in die Käserei zu fahren.
Dies geschah bislang mit einem recht grossen Handkarren, welcher zwei
gebogene Stangen hatte. Eine Person befand sich zwischen diesen Lenkstangen, wobei auf der Seite ein Hund beim Ziehen half. Oft zog der Hund
mehr seitwärts als noch vorne, weil er sich frei in seinem Geschirr bewegen
konnte.
Die Pionieridee meines Vaters war wie folgt: Für die Anfertigung dieses
leichten Käsereiwagens sollten zwei ausgediente Räder von einem Motorrad verwendet werden. Der Hund sollte zwischen den Stangen, an welchen
ein Geschirr fixiert war, eingespannt werden. Wenn es nicht gerade aufwärts
ging, sollte die Begleitperson auf dem Wägelchen «mitreiten» können. Die
Verwirklichung dieser Idee war so fantastisch, dass sich innerhalb von zwei
Jahren fast alle Bauern ein solches Gefährt anschafften.
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Vergessen werde ich nie die Überschwemmung, welche unser Tal 1939
heimgesucht hat. Auf dem Fluss schwamm eine Unmenge Treibholz, zum
Teil ganze Bäume. Vielerorts trat das Wasser der Gürbe über die Ufer. Am
schlimmsten war es bei der Eisenbahnbrücke, welche den Fluss überquerte.
Weil sich das Treibholz dagegen staute, überflutete das Wasser weite Teile
der angrenzenden Felder. Zwischen dem Eisenbahndamm und dem Flussufer bildete sich ein grosser See. Tagelang wurde dann dieses Wasser mit
unserer Pumpe zurück in den Fluss befördert.
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Generalmobilmachung
(Die Kriegsjahre
1939 bis 1945)
Ein Radio gab es bei uns im Jahr 1939 noch nicht, auch kein Telefon. Dringende Nachrichten, welche nicht im Anzeiger publiziert werden konnten,
wurden von einem sogenannten Kolporteur von Tür zu Tür überbracht.
Als Fünfjähriger war ich zu jung, um die Ereignisse, welche sich in unseren nördlichen Nachbarländern anbahnten, zu verstehen, Eines Morgens
kam nicht der übliche Kolporteur, um eine Mitteilung zu überbringen,
sondern der Gemeindeschreiber höchst persönlich. Er brachte keine guten
Nachrichten. Die Hiobsbotschaft hiess: Generalmobilmachung. Wir Kinder
merkten bald, dass das eine schlimme Kunde war. Die Militärsachen meines
Vaters wurden hervorgeholt. Ich entsinne mich noch, wie die Mutter, gemeinsam mit dem Vater, den Mantel zusammenrollte und wie dieser dann
um den Tornister festgeschnallt wurde. Auch die folgende Szene ist bei mir
haften geblieben und treibt mir noch heute die Tränen in die Augen: Am
folgenden Tag, als die Morgendämmerung anbrach, nahm der Vater von
uns Abschied. Es war herzzerreissend. Zusammen mit der Mutter standen
wir vor dem Haus auf der Laube. Wir weinten und winkten dem Vater so
lange nach, bis seine Gestalt im Morgengrauen verschwunden war.
Wie sollte es nun weitergehen? Zum Glück war vorerst noch Werner bei
uns. Nach Möglichkeit half uns auch der schon erwähnte Nachbar aus. Aber
es kam noch schlimmer, weil auch unsere beiden Pferde eingezogen wurden. An ihrer Stelle mussten nun Kühe als Zugtiere benutzt werden.
Letztendlich konnte der Gemeindeschreiber bewirken, dass eines der Pferde wieder zurückgeschickt wurde. In der Folge richteten wir es so ein,
dass dieses immer ein Fohlen hatte und deshalb nicht mehr Dienst leisten
musste. Unsere Mutter hat in den Kriegsjahren Unvorstellbares geleistet.
Die Regierung machte den Bauern immer mehr Auflagen. Zum Beispiel
mussten wir Raps und Flachs anpflanzen. Diese Kulturen waren uns bislang unbekannt.
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Nur hie und da kam der Vater über ein Wochenende oder für einen Urlaub
nach Hause. Er war bei der Festungswache in Andermatt eingeteilt. Die
lange Reise aus der Innerschweiz war beschwerlich und beanspruchte viel
Zeit.
Da der grosse Waffenplatz von Thun in unserer Nähe lag, wurden in unserer
Gegend öfters militärische Übungen und Manöver durchgeführt. Manchmal
gab es während der Nacht Fliegeralarm. Ausser in verdunkelten Räumen
durften keine Lichter brennen. Dann hörten wir über uns das Brummen
der überfliegenden Bomber der alliierten Streitkräfte. Eines Nachts gab
es einen Riesenknall, als im Nachbardorf Riggisberg eine tonnenschwere
Bombe explodierte. Tags darauf besuchten wir mit der Schulklasse den Unglücksort. Ein altes Haus war von einer Brandbombe getroffen vollständig
niedergebrannt. Ein anderes Haus im Dorfkern wurde ebenfalls getroffen.
Da die Hausbesitzer Sandsäcke vorbereitet hatten, konnten sie den Brand
löschen. An diesem Beispiel wurde uns veranschaulicht, wie wichtig es war,
Sandsäcke bereitzuhalten.
Zum Glück war die eintausend Kilogramm schwere Sprengbombe ausserhalb des Dorfes, in der Nähe eines Bauernhauses, explodiert. Durch
die Wucht der Detonation wurde das Ziegeldach abgedeckt und der ganze
Dachstock verschoben.
Diese Geschehnisse trugen dazu bei, dass ich zusammen mit Knaben aus
der Nachbarschaft eine Bande bildete. Oben in unserem Wald bauten wir
einen Bunker. Wir fertigten hölzerne Gewehr- und Säbelattrappen an. Von
unserem Bunker aus bekriegten wir manchmal andere Gruppierungen.
Vor allem während der Kriegsjahre kamen Leute aus der Umgebung von
Thun, Bern und sogar von Interlaken bei uns Erzeugnisse kaufen. Ich entsinne mich, wie einmal eine Familie aus Bern Kirschen pflückte. Als meine
Mutter diese Leute zum Zvieri einlud, wollte ihr etwa achtjähriger Bub die
Küche nicht betreten. «Da riecht es nicht gut», meinte er. Tatsächlich stand
auf dem Holzkochherd ein grosser Hafen, in welchem die Speisereste für
die Schweine gekocht wurden. Der Vater versuchte seinen Sprössling mit
den Worten zu ermuntern: «Komm, hier gibt es gute Kuhmilch!» Der Bub
erwiderte: «Ich mag keine Kuhmilch; ich will die Milch von Frau Moser.»
Erklärend bemerkte der Gast aus Bern: «Entschuldigen sie bitte meinen
Bub. Diese Frau Moser führt bei uns das Milchgeschäft.»
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Als Siebenjähriger musste ich zur Schule gehen. Unsere Lehrerin war die
Frau des Gemeindeschreibers. Sie unterrichtete die vier ersten Klassen der
Unterschule. Als engagierte Christin begann sie den Unterricht mit Gebet
oder liess uns ein Lied singen.
Eines Tages beauftragte man mich, unterhalb des Hauses Pflaumen aufzulesen. Doch ich holte eine Leiter, um die Früchte am Baum zu pflücken. Das
war ein verhängnisvoller Fehler. Als ich die Leiter hinaufstieg kippte diese
um. Als meine Mutter nachschaute, weil sie die Pflaumen benötigte, fand
sie mich ohnmächtig unter dem Baum liegen. Es stellte sich heraus, dass
ich beide Handgelenke gebrochen hatte. Ich entsinne mich noch heute, wie
ich aufschrie, als der Arzt die Brüche richtete und meine Arme eingipste.
Mit den eingegipsten Armen helfe ich beim pflügen
Als 45 jähriger wurde unser Vater 1943 aus dem Aktivdienst entlassen. Das
war für uns alle, insbesondere für meine Mutter, eine grosse Erleichterung.
Von da an genossen wir das Familienleben mehr denn je. Vor allem feierten
wir den Sonntag. Im Baumgarten spielten wir Baumtauschen. Doch am
meisten liebten wir das Krocket, ein englisches Rasenkugelspiel. Wir machten Spaziergänge oder fuhren mit der Kutsche aus.
Als ich etwas gösser war, säuberte ich jeweils am Samstag den Hausplatz
und manchmal auch den etwas über hundert Meter langen privaten Zufahrtsweg zu unserem Hof. Bereits am Samstagabend machten wir es uns
behaglich und genossen den Feierabend. Vater stöpselte das Butterfass und
wir bereiteten für das Mittagessen vom Sonntag alles Mögliche vor.
Der Sonntag wurde bei uns richtig heilig gehalten. Das Futter für das Vieh
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wurde schon am Samstag zubereitet. Am Montag früh wurde wiederum das
Gras von der Wiese geholt. Doch dann beanstandete man einmal im Hochsommer unser diesbezügliches Verhalten. Es wurde argumentiert: Es sei für
die Milchqualität nicht gut, wenn das Gras für die Fütterung vom Sonntag,
bereits am Vorabend zubereitet werde. Gezwungenermassen mussten wir
uns dieser Anordnung fügen und das Futter am Sonntagmorgen zubereiten.
Als an einem darauffolgenden Sonntag ein grosses Dorffest stattfand, wurde
jedoch von den meisten Bauern das Gras für den Feiertag schon am Samstag zubereitet. Da erklärte unser Vater, dass er dies in Zukunft wieder –
ohne Ausnahme – am Samstag machen würde. Als Folge davon wurden uns
einmal am voll beladenen Grasfuder in der Nacht auf den Sonntag Pneus
durchstochen.
Es kam vor, dass wir wegen unseres Glaubens bespöttelt wurden. Wenn
mich gewisse Nachbarskinder beschimpfen wollten, betitelten sie mich als
«Stündelibock». Vor allem ein Nachbar schikanierte uns über die Massen.
Mit seinem Bauernhof verband uns eine lange, gemeinsame Grenze. Einerseits markierte er diese mit einem Stacheldrahtzaun. Zum andern forderte
er mit eingeschriebenem Brief, dass wir alle grenzüberschreitenden Äste
bei den Obstbäumen und am Waldrand entfernen sollten. Er durchtrennte die Wurzeln, welche auf sein Land hinauswuchsen. Der eine der beiden
Söhne dieser Familie war gleich alt wie ich, der andere wie mein Bruder.
Immer, wenn es ihnen möglich war, kamen sie zu uns. Oft wurden sie deswegen streng bestraft. Leider wurde auch ihre Mutter geschlagen. Diese
Frau hatte wirklich ein elendes Leben!
Mit zwei Nachbarsfamilien hatten wir ein sehr gutes Verhältnis. Wir halfen einander gegenseitig. Sie waren Kleinbauern, ihr Land reichte gerade
zur Selbstversorgung. Den Broterwerb verdienten sie sich als Angestellte.
Es kam manchmal vor, dass wir ihnen mit unseren Pferden zu Diensten
stunden. Als ich wieder einmal ihr Heufuder auf ihre Bühne fuhr, gab man
mir, weil es sehr heiss war, Bier zu trinken. Dieser Nachbar arbeitete in der
Gurtenbierbrauerei. Obschon ich Durst hatte, fand ich diesen Gerstensaft
furchtbar. Aber aus Wohlerzogenheit trank ich das Glas leer. Das hatte zur
Folge, dass ich nie wieder Bier getrunken habe. Natürlich war es mir viel
lieber, wenn ich ein Trinkgeld erhielt. Ein Franken bedeutete für mich damals schon ein kleines Vermögen.
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Ich hatte, wie alle meine Geschwister, eine Sparbüchse. Wir vier Kinder
besassen bei der Ersparniskasse ein Sparheft. Allerdings waren die Möglichkeiten, dass wir etwas auf die Seite legen konnten, selten genug. Für jeden
Sechser im Schulzeugnis erhielten wir einen Franken.
Erst viele Jahre später realisierte ich, wie nachhaltig mich dies beeinflusst
hat. Meine gute Leistung wurde belohnt. Jedoch was das Glaubensleben anbelangt, musste ich dann diesbezüglich grundlegend umdenken. Ich werde
später noch auf diesen Sachverhalt zurückkommen.
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Dramatische Begebenheiten
Als neunjähriger hatte ich ein einschneidendes Erlebnis. Nach einer kalten
Winternacht im Frühjahr 1943 hatte es fast dreissig Zentimeter geschneit.
In der Pause machten wir eine Schneerolle. Als diese fast zwei Meter Durchmesser hatte, kippte sie plötzlich und begrub mich vollends unter sich. Zuerst hörte ich die Mitschüler noch nach mir rufen. Während sie versuchten,
die Schneemasse abzutragen, verlor ich das Bewusstsein. Während diesem
komaähnlichen Zustand sah ich «meinen Lebensfilm ablaufen». Dies empfand ich als beängstigend. Als die Lehrerin die Schüler in die Klasse zurückrief, wurde sie von dem Unglücksfall ins Bild gesetzt. Sofort holte sie Hilfe.
Von den Schneemassen befreit, erlangte ich langsam wieder das Bewusstsein. Drei Mitschüler bekamen den Auftrag, mich auf einem Schlitten nach
Hause zu bringen. Nahe am Ziel ging es ziemlich steil bergan. Ich schlug
vor, den restlichen Weg zu Fuss zurückzulegen. Die Mitschüler wollten aber
nichts davon wissen, obschon das Ziehen und Stossen des Schlittens für sie
mühsame Arbeit war.
Unsere Schulklasse im Winter
Während meiner Kindheits- und Jugendzeit gab es jeweils noch viel Schnee.
Dann legten wir den Schulweg auf den Skiern zurück. Wie gross war mein
Glück, als ich das erste Paar Skier mit Kandaharbindung und Metallkanten
bekam. An einem Sonntag, als das «Seelibühl»-Skirennen stattfand, durfte ich mit dem Postauto in aller Frühe auf den Gurnigel fahren. Als das
Rennen zu Ende war, nahm ich die Rennpiste selber in Angriff. Das Tempo
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wurde zusehends schneller. Ich schaffte es gerade bis ins Ziel. Zu Stoppen
vermochte ich jedoch nicht. So überschlug es mich mehrmals heftig und
ich blieb einfach liegen. Als ich hörte, wie man nach dem Rettungsschlitten
rief, rappelte ich mich mühsam auf. Zum Glück hatte ich nichts gebrochen.
Eine traurige Begebenheit ist mir besonders in Erinnerung geblieben. An
einem Sonntagmorgen kam ein kleines Mädchen, nur mit dem Nachthemd
bekleidet und seinen Kleidern unter dem Arm auf den benachbarten Bauernhof. Auf die Frage: «Was ist denn los, wo sind deine Eltern?» antwortete
die Kleine mit weinerlicher Stimme: «Die sind noch im Badezimmer.» Es
stellte sich dann folgendes heraus: Am Samstagabend kippte beim Baden
eine elektrische Lampe in die Wanne, sodass das Ehepaar infolge des elektrischen Stromschlags sofort umkam. Doch erst am Montagmorgen erschien
die Kleine auf dem Bauernhof.
In Zusammenarbeit mit unserem Gemeindeschreiber konnte mein Vater
erreichen, dass die kleine Ruth, so hiess das Mädchen, von dem Ehepaar
seines Schwagers aufgenommen und dann adoptiert wurde. Die neue Adoptivmutter war übrigens meine Gotte, und sie war kinderlos. Ruth hat sich in
der Folge sehr gut entwickelt und eine gute Ausbildung erhalten. Wir haben
bis heute einen guten Kontakt miteinander.
Jedes Jahr hatten wir am Ende eines Schuljahres, an einem Samstag, das
grosse Schlussexamen, wo wir Schüler vorzeigen mussten, was wir im Laufe des letzten Schuljahres gelernt hatten. An diesem denkwürdigen Tag
stellte der Dorfbäcker einen Stand auf und verkaufte Backwaren und Orangen. Wir Kinder durften uns jeweils für zwanzig bis dreissig Rappen ein
Gebäck kaufen. Ich entschied mich meistens für eine Cremeschnitte. Im
späteren Nachmittag verlagerte sich dann die Veranstaltung in den Saal des
Gasthofes zu Unterhaltung und Tanz. Daran nahmen wir nicht teil. Unsere
Lehrerin arrangierte für die Kinder, welche nicht in den Gasthof gingen,
interessante Feierlichkeiten und Unterhaltung im Schulhaus.
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Unsere Familie vor dem Haus im Burgiwil
Wie bereits erwähnt, pflegten wir ein intensives Familienleben. Nebst den
Gottesdienstbesuchen unternahmen wir Ausflüge zu Fuss oder mit der Kutsche. Viel Spass erlebten wir beim Krocketspiel. Auch das Baumtauschspiel
in der Hofstatt und das Versteckspiel waren von froher Geselligkeit geprägt.
Bei schlechtem Wetter spielten wir «Eile mit Weile», «Elferraus», «Quartett» und anderes mehr. Meistens waren die Eltern mit von der Partie.
Als der Krieg zu Ende war, nahmen meine Eltern Kinder aus Deutschland
auf. Auch ein Pole wurde einige Zeit bei uns beherbergt. Während den Schulferien kamen Verwandte zu uns in die Ferien. Als meine Cousine, Vreni, aus
Münsingen bei uns weilte, verübte ich einen Schabernack. Zusammen mit
meiner Schwester nahm sie in der Waschküche ein Bad. Wegen der Bundesfeier vom 1. August besass ich «Schweizerkracher». Durch das Ofenrohr
vom Waschherd liess ich einen solchen Kracher hinunterfallen. Ich hatte
nicht damit gerechnet, dass das Projektil eine solche Explosion auslösen
würde. Durch die Detonation sprang die Tür am Waschherd auf. Die beiden
Mädchen erschraken zu Tode und schrien wie am Spiess. Für diesen Ulk
bekam ich dann eine Tracht Prügel.
Meine Cousine hat mir letzthin folgende Mitteilung zugeschickt: «Dein Vater hat schon 1945 ein gut funktionierendes Überwachungssystem gehabt:
Er hat jedem Kind einen Batzen versprochen, wenn es beobachtete, dass im
Stall alle Kühe auf der gleichen Seite lagen. Das hatte zur Folge, dass wir
bei jeder Gelegenheit in den Stall sahen, und sofort erkannt hätten, wenn
etwas nicht in Ordnung war.
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Höhenpunkte waren jeweils die regelmässigen Besuche bei unseren Verwandten. Mein Vater hatte zehn und die Mutter fünf Geschwister. Die Visiten im Baselbiet, bei den Angehörigen mütterlicherseits, waren für uns
besonders attraktiv. Damals wurde von Olten aus die alte Hauensteinbahnlinie noch mit Dampflokomotiven betrieben. Diese puffenden Ungeheuer mit
ihren schrillen Pfeifen hatten es uns ganz besonders angetan.
Dass meine Eltern die Auslagen für diese Besuche auf sich nahmen, rechne ich ihnen noch heute hoch an. Wir waren nicht unbedingt arm, aber
manchmal mangelte es doch am nötigen Geld. Der Ausbau und die Modernisierung unseres Bauernbetriebes verursachten hohe Kosten. Es konnte
vorkommen, dass dann das Geld knapp wurde, um die Schuldzinsen zu begleichen.
Dies war zum Beispiel der Fall, als ein Tiba Kombikochherd angeschafft
wurde, verbunden mit dem Einbau der Zentralheizung. Zugleich wurde ein
Raum als Badezimmer ausgebaut. All das zusammen war für unsere Verhältnisse kostspielig. Aber welch eine Wohltat waren diese Innovationen!
Jetzt musste man nicht mehr das Wohnhaus verlassen, um die Toilette aufzusuchen. Diese befand sich nämlich neben dem Kuhstall, direkt über der
Jauchegrube. Und die Waschküche war im Untergeschoss beim Keller gewesen. Die Zentralheizung erleichterte der Mutter die Arbeit ganz wesentlich.
Es kam auch vor, dass wir von Pech und Unglück nicht verschont blieben.
Zweimal waren es Maikäferplagen, welche uns zusetzten. Diese waren so
schlimm, dass wir mit der Schulklasse Sammelaktionen veranstalteten.
Da in unserem Dorf eine grosse Grastrocknungsanlage existierte, wurden
die Käfer angeliefert, abgebrüht, anschliessend getrocknet und zu Futtermehl verarbeitet. Die ganze Angelegenheit hatte jedoch für unsere Region
schlimme Folgen. Die Maikäfer wurden aus einem grösseren Umkreis in
unser Dorf gebracht, um hier, wie erwähnt, verarbeitet zu werden. Bei dem
ganzen Procedere entwichen sehr viele Käfer. In der Folge hatten wir massenweise Engerlinge. Auf unseren Wiesen wurden die Wurzeln der Gräser
total abgefressen, sodass diese verdorrten. Zur Bekämpfung schnitten wir
Bretter zurecht, versahen diese mit Nägeln und einem Stiel. Damit schlugen wir auf die Wiesen ein, um die Engerlinge zu töten. Wenn jedoch die
Wurzeln mehrheitlich fehlten, füllten sich die Bretter schnell mit den übriggebliebenen Grasbüscheln.
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Wir Kinder waren dazu angehalten, unserem Alter entsprechend bei den
anfallenden, täglichen Arbeiten mitzuarbeiten. Auf unseren Wiesen hatten
sich Wühlmäuse und Maulwürfe bemerkbar gemacht. Kurzentschlossen
stellte ich ihnen Fallen, und alle staunten, dass ich in der Lage war, die Nager zu fangen. Dazu bekam ich pro Stück erst noch zwanzig Rappen. Dass
ich später als Student mit dem Fangen von Mäusen gutes Geld verdienen
würde, konnte ich zu dieser Zeit natürlich unmöglich erahnen.
Eine andere Plage erlebten wir nach dem Kauf eines trächtigen Rindes. Es
wurde eine Seuche eingeschleppt, durch welche unsere Kühe die Kälber
durch Frühgeburten verloren. Das war eine ganz schlimme Zeit! Die Eltern
verzweifelten fast wegen diesem Geschehen. Aber unser Familienzusammenhalt wurde durch diese Schwierigkeiten gefestigt. Meine Eltern hatten ein starkes Gottvertrauen. Jeden Abend, bevor sie sich zur Ruhe legten,
knieten sie vor ihren Betten nieder und beteten zusammen.
Bei uns wurde auch viel gesungen. Ab dem neunten Altersjahr lernte ich das
Harmonium spielen. Als ich später Lieder begleiten konnte, sang ich dazu
aus vollem Herzen.
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Meine Wiedergeburt
Als Dreizehnjähriger schickten die Eltern mich zum ersten Mal in ein
«Bibellesebund»-Lager nach Vennes bei Lausanne. Geleitet wurde dieses
von Ernst Aebi. Er war der Gründer dieser biblisch ausgerichteten Organisation. Seine überaus fröhliche Art hat mich sofort fasziniert.
Nach einer Morgenversammlung übergab ich mein Leben ganz bewusst
Jesus Christus. Nach der Aussprache mit Herrn Aebi und seinem anschliessenden Gebet war ich überglücklich. Ganz stark spürte ich die Nähe Gottes!
Beseelt sagte ich: «Jetzt möchte ich sterben!» Darauf bekam ich zur Antwort: «Zuerst musste Du lernen, für Jesus zu leben!» Doch meine Glückseligkeit war so gross, dass ich wünschte, geradewegs in den Himmel, zu
Jesus, meinem Heiland und Erlöser, zu gehen!
Durch dieses Bekehrungserlebnis erfuhr mein Leben eine entscheidende
Wende. Ich war mir sogleich ganz sicher, dass Gott einiges mit mir vorhatte. Unsere täglichen Andachten, morgens und abends im Familienkreis,
gewannen für mich an Bedeutung. Ich war nicht ein Heiliger geworden.
Aber mit kindlichem Verlangen lebte ich die Beziehung mit Jesus. Die persönliche tägliche Bibellese war mir wichtig. Die Sonntagsschule bedeutete
mir viel. Zusammen mit den Eltern nahm ich gerne an den Gottesdiensten
teil. Die Festanlässe in der Gemeinde waren geistliche Höhepunkte. Zusammen mit meiner älteren Schwester Ruth besuchte ich Konferenzen und
Tagungen, insbesondere diejenigen des Bibellesebundes.
Ein Jahr später durfte ich wieder an einem Bibellesebundlager in Vennes
teilnehmen. Fast wäre dies vereitelt worden. Zwei Wochen vor Lagerbeginn
verletzte ich mich am rechten/Unterarm aufgrund eines Schlags am Mähbalken unseres Motormähers. Tags darauf half ich noch beim Einbringen
des Heus. Darauf schmerzte mein Arm immer mehr, sodass ich mich hinlegen musste. Am Sonntagmorgen war der ganze Unterarm dick geschwollen
und ich hatte hohes Fieber. Als dar Arzt kam, machte er ein nachdenkliches
Gesicht und sagte: «Das sieht nicht gut aus. Ich muss dich mitnehmen und
ins Spital bringen.» Dort angekommen, wurde ich sofort operiert. Durch
das Verabreichen von Penicillin konnte eine Amputation mit knapper Not
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verhindert werden. Zwei Wochen später, konnte ich mit ärztlicher Erlaubnis, trotzdem mit ins Lager gehen. Das war ein Gnadengeschenk Gottes! Im
Lager erfuhr ich wieder eine wunderbare Zeit der Glaubensstärkung.
Leider war der Besuch der Sekundarschule bei uns nie ein Thema gewesen.
Diese befand sich in einem entfernten Nachbardorf. Der Schulweg hin und
zurück betrug gesamthaft fast zwei Stunden. Da ich den Schulunterricht
mühelos bewältigte, langweilte ich mich oft. Der Lehrer erlaubte mir, wenn
ich übrige Zeit hatte, zu lesen oder frühzeitig nach Hause zu gehen. Schon
in diesem Alter arbeitete ich gerne mit dem Rapid Motormäher. Beim Heugrasmähen am steilen Hang, überanstrengte ich mich doch einmal, sodass
ich daraufhin zwei Tage im Bett liegen musste.
Auch bei den vielen Renovationen und baulichen Veränderungen an unserem Haus half ich gerne mit und lernte diesbezüglich mancherlei, was sich
später als hilfreich erwies.
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Das erste Mal im Welschland
Da ich mich in der Schule zunehmend langweilte, beschlossen meine Eltern, dass ich das neunte Schuljahr im Welschland verbringen sollte. So
kam ich zu einem Cousin meines Vaters in die Nähe von Lausanne.
Leider wurde hier im Familienkreis nur deutsch gesprochen. So erlernte
ich die französische Sprache nur mangelhaft. Zudem pflegte ich regen Kontakt mit der Stadtmission. Hier sprach man ebenfalls nur deutsch. Meine Gastfamilie hatte selber drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne. Der
Jüngste war gleich alt wie ich. Manchmal kamen sie mit in die Stadtmission, wo ich ein geistliches Zuhause gefunden hatte. Auf dem Hof wurde
viel Gemüse angepflanzt. Jeden Samstag wurde dieses auf dem Markt in
Lausanne verkauft.
Um mein Französisch zu verbessern, verbrachte ich dann die Herbstferien
in der «La Côte», am Genfersee auf einem grossen Bauernhof. Die Gastfamilie gehörte zu der Darbistengemeinde. Jeden Tag musste ich die Viehherde
hüten. Manchmal brannten die Kühe durch, was dann streng gerügt wurde. Ich bekam furchtbar Heimweh und weinte oft. Am Sonntag besuchte
die ganze Familie den Gottesdienst, ich jedoch musste das Vieh hüten. Am
Abend konnte ich dann an ihrer Versammlung teilnehmen. Es hatte in der
Familie auch ein «Au-pair Mädchen». Dieses wollte mich dann «auf ihre
Art» trösten, was ich jedoch kategorisch ablehnte.
Meine Französischkenntnisse wurden nicht viel besser. Und die Sprache des
Rindviehs war ohnehin die gleiche wie bei uns zu Hause. Dafür las ich viel
in der Bibel. Besonders das letzte Buch der Heiligen Schrift hatte es mir angetan. Die Seiten der Offenbarung wurden noch etwas bunter. Ich benutzte
verschiedene Farben, um die Sachbereiche zu kennzeichnen, denn ich beschäftigte mich intensiv mit der Endzeit. Obschon ich vieles nicht verstand,
faszinierten mich die Berichte und Schilderungen des Johannes.
Während der Wintermonate spielten wir in meiner Gastfamilie an den Wochenenden oft «Monopoly»; samstags manchmal die halbe Nacht hindurch.
Zur Familie gehörte auch ein Melker. Er kam aus dem benachbarten Kanton Freiburg. Dieser hatte bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich.
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Manchmal erzählte er mir einiges davon. Zu Hause hatte er oft gewildert.
Eine Geschichte ist mir dabei unvergesslich geblieben: Wieder einmal hatte
er zusammen mit einem Kollegen im Vorgebirge ein Reh erlegt. Doch diesmal wurden sie vom Wildhüter entdeckt. Sie liessen das Wildbret liegen und
flohen quer durch den Wald zur Landstrasse hinunter. Unbemerkt konnten
sie auf einen Lastwagen klettern, welcher Langholz transportierte. Auf diese
Weise kamen sie ziemlich schnell nach Hause. Dort angekommen führten
sie sofort Jauche auf das Feld hinaus. Der Wildhüter war ziemlich sicher sie
erkannt zu haben. Als er jedoch im Dorf ankam, hatten die Burschen ein
Alibi und kamen ungeschoren davon.
Der gleiche Knecht stellte im nahen Wald Schlingfallen aus. Von Abenteuerlust ergriffen tat ich meinerseits das Gleiche. Als dann ein deutscher
Schäferhund mit einer Schlinge um den Hals bei seinem Besitzer auftauchte, erstattete dieser Anzeige. So wurden auch die Fallen unseres Knechtes
entdeckt. Dieser übte soviel Druck auf mich aus, dass ich die ganze Verantwortung auf mich nahm. In Lausanne kam es zu einer Gerichtsverhandlung, wo ich zu einer Busse verurteilt wurde. Der Knecht war dann immerhin bereit einen Teil der Busse zu übernehmen.
So kam ich im Frühjahr 1950 als vorbestrafter 16-jähriger Teenager aus
dem Welschland nach Hause zurück.
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Meine Jünglingsjahre
Zuerst war vorgesehen, dass ich eine Lehre als Feinmechaniker absolvieren
sollte. Doch klappte es mit der Lehrstelle nicht. Deshalb trat ich dann einen Arbeitsplatz auf einem Bauernhof in Essertines sur Rolle an. Dass dies
für mein zukünftiges Leben eine bedeutungsvolle Weichenstellung werden
sollte, konnte ich natürlich damals nicht ahnen.
Meine Meisterleute waren gläubig. Mein Arbeitgeber war zugleich Laienprediger. Das Besondere war, dass im Gebäude dieser Familie ein Versammlungssaal war. Am Sonntagmorgen fanden hier Gottesdienste und
Sonntagsschule statt und abends meistens noch eine Versammlung. Ich
besuchte auch hier die Gottesdienste der Stadtmission, welche am Sonntagnachmittag in Bière stattfanden. Der Ort war mit dem Fahrrad in etwa
einer halben Stunde zu erreichen.
Wir waren auf unserem Anwesen drei Bedienstete: zwei Deutschschweizer
und eine Deutschschweizerin. Das war zum Erlernen der französischen
Sprache wieder nicht eine optimale Situation.
Die Meisterleute mit uns drei Angestellten
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Das Aupair-Mädchen war sehr scheu, dasjenige im Nachbarhaus jedoch das
pure Gegenteil. Ihr Selbstbewusstsein beeindruckte mich. Als sie meiner
Einladung Folge leistete und zum Gottesdienst in die Stadtmission mitkam, war ich erfreut. Als wir aber dann zusammen spazieren gingen, liess
sie mit der Zeit keine Zweifel aufkommen, dass sie ganz andere Interessen
hatte. Sie lud mich ein, diese zusammen auszuleben. Als sie gewahr wurde,
dass ich dafür nicht zu haben war, bedeutete dies das Ende unserer Kameradschaft. Bald darauf ging sie eine Beziehung mit einem Ausländer ein.
Beim Kirschenpflücken passierte mir wieder ein kleiner Unfall. Als ein etwas morscher Ast brach, kippte meine Leiter und ich brach mir das linke
Handgelenk. Für einige Zeit war ich nun dazu verurteilt, all jene Arbeiten
zu verrichten, welche nur mit der rechten Hand ausgeführt werden konnten. Vor allem fiel mir jetzt das lästige, tägliche Wasserpumpen zu. Da sich
der Bauernhof auf einem Hochplateau befand, musste das Wasser für das
Wohnhaus, damals noch mit einer handbetriebenen Einrichtung, in ein
Reservoir in den Estrich hinaufgepumpt werden.
In den Sommerferien kamen dann Nichten meiner Meisterleute in die
Ferien. Mit diesen verstand ich mich sehr gut, was dem Französischerlernen zu Gute kam. Jeanne-Marie, eines dieser Mädchen gefiel mir ganz
besonders. Obwohl es sehr jung war, befreundeten wir uns zusehends. Zu
Hause hatte Jeanne-Marie es nicht gerade leicht. Sie war als Säugling zu
meinen Meisterleuten gekommen, da ihre Mutter nach der Geburt gestorben war. Weil diese an Tuberkulose erkrankte wurde ihr erklärt: «Wenn
wir diese Schwangerschaft nicht unterbrechen, werden Sie sterben.». Das
junge Paar lebte damals, zusammen mit Geschwistern auf dem elterlichen
Bauernhof, im Gros de Vaud.
Über die damaligen Geschehnisse und das, was sich in der Folge zugetragen
hat, wurde nie gesprochen. Das einzige, was wir wissen ist, dass die junge
werdende Mutter sich vehement gegen eine Abtreibung wehrte. Sie hat sich
ausdrücklich für ihr Ungeborenes entschieden. Da sie wusste, was ihr bevorstand, hat sie mit ihrer Schwägerin, welche selber kinderlos war, vereinbart,
dass diese den Säugling nach der Geburt übernehmen würde. Wegen der
fortschreitenden Krankheit wurde dann die Entbindung frühzeitig im Kantonsspital von Lausanne vorgenommen. Das Neugeborene wurde sofort von
der Mutter getrennt. Diese konnte ihr Bébé nur ein einziges Mal, hinter einer
Glasscheibe sehen. Kurz danach starb sie dann tatsächlich.
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Bei meinen Meisterleuten wurde dieser Säugling zum Sonnenschein der
Familie. Da die Pflegemutter nach mehreren Schwangerschaften, welche
nie zu einer Geburt führten, den Wunsch nach einem eigenen Kind fallen
lassen musste, war ihr dieses anvertraute Kind hoch willkommen. Ihre
Schwägerin hatte auch die Namensgebung ihres Kindes vorausbestimmt.
Es sollte den Namen der Schwägerin, Jeanne, sowie ihren eigenen, Marie,
erhalten. Deshalb hiess meine neue Kameradin: Jeanne-Marie und wurde
von ihren Pflegeltern «auf Händen getragen», um nicht zu sagen verwöhnt.
Als dann ihr Vater seine zweite Frau kennen lernte, wurde entschieden,
die damals etwa zwei Jahre alte Jeanne-Marie zurück zu holen. Dieser
Entscheid wurde für das Kleinkind zur Katastrophe. Nachdem es am neuen Ort drei Tage und zwei Nächte ununterbrochen, geweint hatte, ohne zu
schlafen, entschied die Familie zusammen mit dem Vater: Wenn das noch
eine Nacht so weiter geht, müssen wir sie zurückbringen.
Total abgekämpft und ermattet, schlief die Kleine dann doch in der folgenden Nacht ein. All das erfuhr ich natürlich erst viel später. So auch
die Tatsache, dass Jeanne-Marie als Zwölfjährige ein einziges Mal das
Grab der Mutter mit ihrem Vater zusammen besuchen konnte. Dieses war
schmucklos, ohne Grabstein, ohne Kreuz. Nur eine Plakette mit einer
Nummer bezeichnete die trostlose Stätte. Während dieses kurzen Besuchs äusserte der Vater kein einziges Wort, sondern verliess zusammen
mit dem heranwachsenden Mädchen nach kurzer Zeit den leidvollen Ort.
Jeanne-Marie hatte es zu Hause nicht schlecht, aber auch nicht wirklich
gut. Einmal schimpfte die Mutter mit ihr und sagte dann. »Wenn ich denke, was ich alles für dich mache und du bist nicht einmal meine Tochter!»
Diese Ereignisse wirkten sich in der Folge leider wie eine «Hypothek»
auf das Leben von Jeanne-Marie aus. Wahrscheinlich ist der Begriff «Hypothek» nicht zutreffend. Diese kann man jederzeit zurück bezahlen. Im
seelischen Bereich ist dies unvergleichlich komplizierter.
Als Zwölfjährige hatte Jeanne-Marie acht Halbgeschwister und wurde zu
Hause sehr gefordert. Da sie als Kleinkind, wie bereits erwähnt, bei Onkel und Tante untergebracht war, bestand zu ihnen eine enge Beziehung.
Deshalb verbrachte sie regelmässig im Sommer und Winter einige Ferientage hier.
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Bevor auf dem Bauernhof die grossen Herbstarbeiten begannen, bekam ich
zehn Tage Ferien. Mit dem Fahrrad fuhr ich den langen Weg nach Hause.
In Lausanne hatte ich einen solchen Durst, dass ich in einem Restaurant
einen ganzen Liter Süssmost trank. Zu Hause angekommen wurde mir erst
so richtig bewusst, wie schön es doch daheim ist! Allein die wunderbare
Aussicht in die Alpenwelt, welch ein Panorama! Auf der rechten Seite der
Niesen und die Stockhornkette. Links der Sigriswilergrat bis zum Hogant.
Dazwischen die drei Erhabenen: Eiger, Mönch und Jungfrau, flankiert von
einer Anzahl weiterer, schneebedeckter Gipfel. Doch die paar Tage zu Hause
waren schnell vorbei.
Ich ging eigentlich ganz gern zurück nach Essertines. Meine Meisterleute
hatten oft Besuch, auch von Missionaren. So lernte ich eine Menge Leute
kennen. Das bedeutete für mich eine grosse Bereicherung.
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Ich finde defnitiv
eine Freundin
Während der Weihnachts- und Neujahrsferien kam wieder Jeanne-Marie
zu Besuch. Da wir drei Angestellte waren, konnten nicht alle während den
Festtagen Ferien nehmen. Mir war es nur recht, während dieser Zeit da zu
bleiben. In diesen Tagen entwickelte sich die Bekanntschaft zu Jeanne-Marie schon fast zu einer festen Freundschaft. Als sie mir eines Tages, als wir
mehr als einen Kilometer vom Hof entfernt an der Arbeit waren, trotz viel
Schnee dort einen Besuch abstattete, bestärkte dies meine Zuneigung zu ihr
sehr. Für mich war nun eindeutig, dass sie mich auf jeden Fall sehr mochte. Abends beim Nachtessen sassen wir am Tisch einander gegenüber. Als
ich unter dem Tisch mit meinen Füssen diejenigen von meiner Freundin
umklammerte, liess sie dies scheinbar gerne geschehen. Für mich war vor
allem die Tatsache, dass Jeanne-Marie ein tief gläubiges Mädchen war, sehr
wichtig.
In der Folge schrieb ich meinen Eltern einen Brief, in welchem ich ihnen
mitteilte, dass ich in der Nichte meiner Meisterleute eine Freundin gefunden habe. Interessanterweise war meine Mutter darüber nicht erstaunt. Sie
war vor allem glücklich, dass es sich um ein gläubiges Mädchen handelte.
Nach dem Welschlandjahr arbeitete ich auf dem elterlichen Hof. Im Winter
absolvierte ich die landwirtschaftliche Fortbildungsschule. Ich machte auch
einen Baumwärterkurs. Zusehends engagierte ich mich in der Gemeindearbeit: Am Samstagabend in der Jugendgruppe, am darauffolgenden Morgen
als Sonntagsschullehrer. Das nötige Rüstzeug erwarb ich mir in Kursen. Ich
beteiligte mich auch an evangelistischen Strasseneinsätzen. In der Blaukreuzmusik spielte ich Trompete und als Sänger wirkte ich im Chor mit.
Wie schon erwähnt war ich ein eifriger Bibelleser. Besonders die Offenbarung hatte es mir angetan. Deshalb waren diese Seiten in meiner Bibel bunt
bemalt. Ich besuchte Vorträge, welche das Endzeitgeschehen zum Thema
hatten. Diese wurden von einem Judenchristen Namens Poljak gehalten.
Meine Freundschaft mit Jeanne-Marie bedeutete mir sehr viel, obschon sie
erst dreizehn Jahre alt war. Hie und da schrieben wir uns Briefe. Nach der
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Schule kam sie, jetzt 15-jährig, als Volontärin nach Iseltwald in die Sprachund Handelsschule. Vom ersten Tag weg litt sie dort unter starkem Heimweh. Nicht zuletzt wegen diesem Umstand schrieben wir uns nun regelmässig Briefe. Dann vereinbarten wir einen Besuch. So fuhr ich mit dem Fahrrad
an den Brienzersee. Zu meinem Leidwesen kam das Zusammentreffen aber
nicht zustande. Es wurde Jeanne-Marie nicht erlaubt, ohne Begleitung den
Campus zu verlassen und, sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass die Diakonissinnen von ihrer Freundschaft erfuhren. Allein die Briefe, welche sie
regelmässig von mir erhielt, waren verdächtig genug.
Etwas umsichtiger planten wir dann ein nächstes Treffen. Ich hatte das letzte Mal die Umgebung etwas ausgekundschaftet. So konnten wir einen geeigneten Treffpunkt vereinbaren. Doch nun wurde auch dieses Rendezvous
erschwert. Meine Eltern vereinbarten zusammen mit meinen Geschwistern
genau auf dieses Wochenende einen Besuch bei den Verwandten im Baselbiet. Ich sollte während ihrer Abwesenheit die nötigen Arbeiten ausführen.
Das hiess vor allem morgens und abends die Kühe melken. Es war offensichtlich, dass ich am Sonntagabend unmöglich zurück sein konnte
Da es für Jeanne-Marie sehr schwierig gewesen war, einen freien Sonntag zu bekommen, wollte ich unser
Zusammentreffen unbedingt beibehalten. Unverlegen engagierte ich
deshalb den gleichaltrigen Sohn
eines Nachbarn, welcher am Sonntagabend die Stallarbeiten verrichten sollte. Und so kam das erste
Zusammentreffen mit Jeanne-Marie trotz allem zustande. Wieder
mit dem Fahrrad vom Gürbetal
aus, durchs Stockental und dem
Thunersee entlang in Iseltwald angekommen, musste ich einige Zeit
am vereinbarten Ort warten, bis
meine Jeanne-Marie eintraf.
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Unsere Freundschaft
vertieft sich und bald darauf
die erste Krise
Während zwei ein halb Jahren hatte ich mich mit Fotos von Jeanne-Marie begnügen müssen. Nun kam sie leibhaftig auf mich zu. Mein Herz machte Freudensprünge. Etwas verlegen begrüssten wir uns einfach mit einem Händedruck.
Abseits anderer Leute fanden wir eine Wiese, wo wir uns unter dem wolkenlos
blauen Himmel niederliessen. Wir hatten uns so viel zu erzählen. Und bald einmal kam es dann zum ersten, unvergesslichen Kuss. Viel später offenbarte mir
mein Schatz, dass sie sich im voraus Gedanken gemacht habe, ob ich sie wohl
auf den Mund küssen werde und wie das sein würde. Freilich waren unsere
Küsse nur flüchtig. Zu schnell verflog die Zeit unseres ersten Zusammenseins
und dann hiess es bereits wieder Abschied nehmen. Doch das, was ich für dieses
kostbare Mädchen empfand, überstieg alles, was ich je für einen anderen Menschen empfunden hatte. Es war ganz einfach eine unbeschreibliche Verliebtheit.
Als meine Eltern nach ihrer Heimkehr erfuhren, dass ich Jeanne-Marie besucht
hatte, reagierten sie doch ziemlich ungehalten. Für mich war dies die Bestätigung dass ohne mein findiges Handeln meine erste Verabredung mit meinem
Schatz nicht hätte stattfinden können.
Nun schrieben wir uns regelmässig. Jeanne-Marie auf französisch, ich auf
deutsch. Die Anrede meines Lieblings lautete jeweils: «Mon cher Ruedi» der
Abschiedsgruss: «Reçois, mon cher Ruedi, affectueuses salutations et baiser,
Jeanne Marie.» Das war für mich «wohltuende Musik». Meine Briefe begannen
mit. «Meine liebste Jeanne-Marie» und endeten: «Mit herzlichen Grüssen und
Küssen, Dein Ruedi.»
Im Herbst erkrankte Jeanne-Marie. Der Arzt in Interlaken diagnostizierte Blutarmut. Die verabreichten Medikamente brachten aber keine Besserung. Am 8.
September schrieb sie mir während ihrer Zugfahrt von Interlaken nach Hause
einen Brief, in welchem sie die Hoffnung äusserte, nach zwei Wochen wieder
nach Iseltwald zurückzukehren. Daraus wurde jedoch nichts. Ihr Hausarzt war
dagegen.
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Diese Situation führte in unserer noch kurzen Beziehung zu einer ersten Krise.
Natürlich musste Jeanne-Marie zu Hause ihre Eltern betreffs unserer Freundschaft ins Bild setzen. Verständlicherweise waren diese darüber nicht gerade
erfreut. Mit Datum vom 18. Dezember 1953 erhielt ich endlich den lang ersehnten Brief von meiner geliebten Jeanne-Marie. Auf dem Briefkopf stand Vers 17
aus Jesaja 48: (Hier folgt die Übersetzung auf Deutsch)
«Ich bin der Herr, euer Gott. Ich lehre euch, was gut für euch ist,
und zeige euch den Weg, den ihr gehen sollt.»
«Lieber Ruedi,
Endlich ein Brief von mir, um Dir für all die Dinge zu danken, mit denen Du
mich überhäuft hast; weißt du, ich bin all dessen gar nicht würdig. Verzeih
mir, dass ich Dir bis jetzt nicht geantwortet habe. Heute Abend hat mich mein
Vater getadelt, dass ich Dir bis jetzt nicht geschrieben habe. Ich war in der
letzten Zeit sehr beschäftigt, da die Mutter in die Ferien ging. Ich hatte so viel
Arbeit, dass ich an nichts anderes denken konnte. Aber ich sollte nicht immer
eine Entschuldigung suchen.
Meine Eltern wissen alles, was uns betrifft. Sie haben mich deswegen nicht
gescholten. Sie finden jedoch, ich sei zu jung, um schon eine so wichtige Entscheidung zu treffen. Sie haben Angst ich könnte meine Ansicht noch ändern.
Sie finden auch, dass ich besser täte, noch einige Jahre zu warten. Wir sollten
auch nicht zu oft mit einander korrespondieren. Wenn wir uns wirklich liebten, würden wir einander auch so treu bleiben. Sollte vielleicht das Gegenteil
eintreten, ich weiss nicht, was ich dazu niederschreiben soll, aber Du wirst
das wohl verstehen.
Ich glaube auch, dass es so richtig ist und wir den weisen Rat meiner Eltern
befolgen sollten. Ich habe viel darüber gebetet und meine Eltern auch.
Ich hoffe, dass Du mich verstehst. Ich danke Dir vielmals für deine Einladung.
Ich kann sie aber nicht annehmen, denn mein Onkel und die Tante in Essertines wünschen, dass ich die Weihnachtsferien bei ihnen verbringe. So werde
ich demnächst dorthin fahren. Danach muss ich wieder zu Hause helfen.
Ich beende diesen Brief, indem ich dir frohe Weihnachten wünsche. Der Herr
segne dich. Empfange meine besten Grüsse, Jeanne-Marie»
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Natürlich hat mich dieser Brief, so kurz vor Weihnachten, schwer enttäuscht. Andererseits konnte ich die Reaktion der Eltern von Jeanne-Marie
und den daraus resultierenden Brief meiner lieben Freundin verstehen.
Doch halt! – Sie war jetzt wahrscheinlich nicht mehr meine Jeanne-Marie.
Aber so schnell würde ich nicht aufgeben, und sie wahrscheinlich auch
nicht. Stand doch auf dem Briefkopf dieser verheissungsvolle Bibelvers. Das
war für mein verwundetes Herz wie Balsam, dass meine Freundin diesen
ausgewählt hatte.
Freilich waren wir jung, Jeanne-Marie sogar sehr jung: Erst gerade sechzehnjährig! Doch welch ein Trost ist dieser Zuspruch Gottes: «Ich lehre
euch, was gut für euch ist, und zeige euch den Weg, den ihr gehen sollt.»
Ich sagte zu: «Ja, Herr, darauf will ich mich von ganzem Herzen verlassen!»
Doch niemals hätte ich zu diesem Zeitpunkt erahnen können, welch einschneidende Konsequenzen dieser Zuspruch Gottes für unser zukünftiges
Leben zur Folge haben würde. Innerhalb der nächsten neun Monate bewirkte Gott Unvorstellbares! Mit dem allerbesten Willen wäre es unmöglich gewesen, dies durch menschliches Planen oder Tun zu bewerkstelligen.
Die Eltern von Jeanne-Marie hatten uns ja den Kontakt nicht verboten.
Das war ein grosses Entgegenkommen. Wir sollten einander nur nicht zu
oft schreiben. Was aber heisst: Nicht zu oft? – insbesondere wenn man
verliebt ist?
Umso mehr engagierte ich mich in der Kirche. Ich besuchte Vorträge,
nahm an Konferenzen teil und wirkte bei Grossevangelisationen von Billy
Graham und dem Janz Team mit. Auch die jährlichen Konferenzen vom
Bibellesebund in Bern und Zürich waren jeweils Höhepunkte in meinem
geistlichen Leben.
Da Jeanne-Maries Stiefmutter (ich brauche hier absichtlich diese Bezeichnung, um daran zu erinnern, dass es sich nicht um ihre leibliche Mutter
handelt.) vor ihrer Heirat PTT-Telefonistin gewesen war, konnte sie durch
ihre Beziehungen für ihre Stieftochter eine Anstellung auf dem Hauptpostamt in Neuenburg arrangieren. Die diesbezügliche Lehre dauerte nur ein
Jahr. Bereits während dieser Zeit wurde ein guter Lohn angeboten.
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Mit Bravour bestand mein Schatz die Aufnahmeprüfungen. Leider war die
komplexe, neue Situation für Jeanne-Marie nicht nur eine Herausforderung, sondern eine Überforderung. Allein der Arbeitsweg war beträchtlich:
Zuerst gute zwanzig Minuten zu Fuss, dann noch einmal soviel Zeit mit
dem Bus. Wegen der unregelmässigen Arbeitszeit legte sie den Weg oft viermal am Tag zurück. Zudem gab es zu Hause über das Mass viel Arbeit zu
bewältigen. Nie kam sie wirklich zur Ruhe.
Mir war es ein Anliegen, der Familie meiner Freundin einen Besuch abzustatten. Wir mussten uns kennen lernen. Und tatsächlich wurde ich willkommen geheissen. Dieses Zusammentreffen wurde zu einem Meilenstein
und es herrschte ein gutes Einvernehmen. Ich begegnete hier tatsächlich
einer Grossfamilie. Nebst den Eltern mit ihren 9 Kindern umfasste sie noch
den Grossvater mütterlicherseits sowie dessen Sohn und Bruder der Mutter,
der geistig stark behindert war und deswegen nicht für sich alleine sorgen
konnte.
Die Familie meiner Freundin
Nach diesem Besuch wurden unsere Kontakte wieder etwas belebter und
zunehmend hoffnungsvoller. Ich war dankbar, dass ich in Neuenburg so gut
aufgenommen wurde. Wir schrieben uns in der Folge wieder etwas regelmässiger.
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Meine letzten Jahre
daheim und die RS
Bei uns zu Hause gab es jede Menge Arbeit. Da, wie bereits erwähnt, die eine
Hälfte des Anwesens sehr steil war, gestalteten sich hier alle Arbeiten sehr
mühevoll. Der Arbeitsaufwand war mindestens doppelt so gross wie auf der
anderen, weitgehend flachen Hälfte des bewirtschafteten Landes. Unten im
Tal besassen wir zwei Landstücke. Die Erde war hier lehmig und schwer.
Das hatte zur Folge, dass das Pflügen mit zwei Pferden unmöglich war. Entweder mussten wir bei einem Nachbarn zusätzlich ein Pferd ausleihen oder
zwei Kühe zum Mitziehen vorspannen. Hie und da liessen wir diese Felder
mit einem Traktor bearbeiten. Dieser Erdboden eignete sich bestens für das
Anpflanzen von Kohl. Nicht umsonst wurde unser Tal im Volksmund «Kabisland» genannt.
Vom Monat Juni an gab es fast ununterbrochen Früchte, Beeren und Obst
zu ernten. Es fing mit den Kirschen und Himbeeren an, dann folgten die
kleinen und grossen Pflaumen, dann Birnen, Brombeeren, zuletzt erfolgte
die Zwetschgen- und Apfelernte.
Dazu waren wir ständig mit dem Renovieren und Ausbauen des Hauses beschäftigt. Auch der Baum- und Beerenbestand wurde weiter vergrössert.
Am Samstagabend begann dann die Sabbatruhe. In der angenehmen Jahreszeit sassen wir vor dem Haus auf der Bank, in der übrigen Zeit in der
Küche um den Tisch. Wie ist mir doch dies in so angenehmer Erinnerung!
Moderne Küchengeräte gab es nicht: Alles wurde von Hand für den Sonntag
vorbereitet. Und dann wurde der Sonntag so richtig genossen. Da gab es oft
Gesellschaftsspiele oder Ausflüge und am Abend meistens eine Versammlung in der Gemeinde. Und dabei war von Stress und Hektik keine Spur.
An einem Wettbewerb der Uhrenfabrik Richard hatte ich eine «Lambretta»
(Motorroller) gewonnen. Das war für mich ein Riesengeschenk! Entsprechend gross waren der Jubel und die Dankbarkeit. Schnell machte ich die
nötigen Prüfungen. Die grössere Mobilität war mir sehr nützlich. Etwas
später erwarb ich dann auch noch den Führerausweis für das Autofahren.
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Unvergesslich ist mir in meinem Gedächtnis dieser Prüfungstag geblieben.
Da wir kein Auto besassen, musste ich die Fahrstunden alle mit einem
Fahrlehrer machen. In der Nacht auf den Prüfungstag hatte es fast zwanzig Zentimeter Neuschnee gegeben. Zum Glück waren wir etwas zu früh
in Bern, am Prüfungsort eingetroffen. So nutzte der Fahrlehrer die Zeit,
um noch einmal den theoretischen Teil der Prüfung zu repetieren. Bei den
Fragen betreffs der diversen Kreuzungen unterlief mir ein Fehler. «Oh! Damit wären Sie bereits durchgefallen», bemerkte der Fahrlehrer. «Deshalb
wiederholen wir jetzt nochmals die verschiedenen kniffligen Möglichkeiten
betreffs der Strassenkreuzungen».
Das kam mir dann tatsächlich bei dem theoretischen Examen zugute.
Dieses dauerte fast eine Stunde. Damals gab es diesbezüglich noch keine
schriftlichen Fragebogen. Alles wickelte sich mündlich ab. Wir waren sechs
Prüflinge. Einige hatten etwas Mühe. Höchste Aufmerksamkeit war gefragt,
besonders was die verschiedenen komplexen Situationen auf den Strassenkreuzungen anging. Da wurde auf der Lagezeichnung mit Fahrzeugen nur
so «hin und her jongliert». Oft wurde ich dann aufgerufen um Antwort zu
geben auf die Frage: «Was sagen Sie dazu?» Und meine Antworten waren
immer korrekt.
Die praktische Prüfung war wegen des Neuschnees problematisch. Auf einer
steilen Strasse musste ich das sogenannte «Stöcklifahren» demonstrieren.
Das hiess, vorwärts an das aufgestellte Stöckli heranfahren und so anhalten,
dass die Stossstange mit diesem in Berührungskontakt blieb. Dann hiess
es, beim Rückwärtsfahren dasselbe Manöver auszuführen. Dabei musste die
hintere Stosstange das Stöckli erneut berühren. Es durfte aber beim Wegfahren nicht umfallen. Aber oh weh! Wegen des vielen Schnees spulten die
Räder durch. Mir war bewusst: Wenn ich das Manöver unterbreche, fällt
das Hindernis um. So behielt ich diese heikle Situation bei, bis der Experte
sagte: «OK es ist gut.»
Das Parkieren und sogenannte «S-Fahren» gelang mir zwar musterhaft.
Dann aber unterlief mir auf dem Waisenhausplatz ein Fahrfehler. Zurück
im Strassenamt erwähnte der Experte meinem Fahrlehrer gegenüber meinen «Schnitzer», fügte aber an: «Trotzdem bekommt ihr Schüler den Ausweis, weil sonst alles gut klappte und er eine exzellente Theorie absolviert
hat.» Einmal mehr durfte ich die gnädige Hand Gottes erfahren und ihm
dafür aus vollem Herzen danken.
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Dass mich meine Eltern aktiv unterstützt haben, so dass ich das Autofahren, schon so früh erlernen konnte, war eindeutig von Gott geplant und für
meine Zukunft wichtig!
Im Februar des Jahres 1954 begann für mich die Rekrutenschule. Bei der
vorangehenden Aushebung hatte ich mich ganz klar dazu entschieden,
diese bei der Sanitätseinheit zu absolvieren. Als sich dann herausstellte,
dass mein Herz bei starker Beanspruchung überreagierte, «war die Sache
besiegelt» und ich wurde problemlos zur Sanität eingeteilt. Wir mussten
auch ein Formular ausfüllen und auf diesem sämtliche Krankheiten vermerken, welche wir schon gehabt hatten. Da machte ich einen Schreibfehler. Unter anderem notierte ich auch den erlittenen Keuchhusten,
schrieb aber Keuschhusten. Das löste beim zuständigen Aushebungsoffizier
ein Schmunzeln aus. Mit seiner Frage: «Was ist das für eine Krankheit?»
brachte er mich wirklich in Verlegenheit. Möglicherweise war jedoch dieser Schreibfehler irgendwie ein prophetischer Fingerzeig für spätere Tage...
Das heisst: Keusch zu leben.
Verbandtraining in der RS
Dann verbrachte ich fast vier Monate, grün eingekleidet, in Basel. Hinter
dem Kasernenareal befand sich eine evangelische Gemeinde. Bald einmal
ging ich dort ein und aus, so oft es mir möglich war. In der RS bekannte ich
mich ganz klar zu meinem Glauben, was die Kameraden respektierten. Die
Bibel war mein treuer Begleiter.
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In der erwähnten christlichen Gemeinde erhielt ich die nötige Glaubensstärkung. Auf ihrem Areal konnte ich auch meine Lambretta parkieren.
Weil ich dann zur Truppensanität eingeteilt wurde, durchlief ich noch einen dreiwöchigen Spitalkurs im Kantonsspital von Lausanne. Sowohl die
Rekrutenschule wie auch dieser Kurs waren für mich sehr interessante und
bereichernde Erfahrungen.
Hie und da machte ich während der Rekrutenschule einen Besuch in Neuenburg. Wie schon erwähnt, war meine Freundin neben der Arbeit auf dem
Telefonamt der PTT zu Hause sehr beansprucht. Mit Datum vom 12. Mai
1954 schrieb – an Stelle von Jeanne-Marie – ihr Vater auf meine Anfrage,
ob ich am nächsten Wochenende einen Besuch machen dürfe, folgendes:
«Lieber Ruedi, da Jeanne-Marie sehr beschäftigt ist, beantworte ich deinen
Brief. Es ist also abgemacht, wir erwarten Dich mit Freuden. Du kannst
nächsten Samstag zu uns kommen. In dieser Erwartung empfange, lieber
Ruedi, unsere besten Grüsse, A. Gerber.»
Unsere Freundschaft wurde nun offensichtlich entgegenkommend zugelassen. Insbesondere der Vater von Jeanne-Marie hatte erkannt, dass seiner
Tochter unsere Freundschaft gut bekam und sogar in Bezug auf ihr Wohlergehen gut für sie war.
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Meine Studienzeit
am TSC
Im August 1954, einige Wochen nach der RS, ereignete sich dann das unglaubliche, unfassbare «Birnbaumerlebnis» worüber ich zu Beginn schon
berichtet habe. Diese Berufung war so unmissverständlich und anschaulich
eindeutig, dass ich nie an ihr gezweifelt habe. Letztlich war ich gar nicht
dazu qualifiziert. Ich hatte nicht einmal die Sekundarschule besucht. Die
Frage der Qualifikation stellte sich gar nicht, weil Gott mich eindeutig berufen hatte. Doch in der Praxis führte diese Begebenheit zu einschneidenden Konsequenzen. Zum Beispiel im Verhältnis zu meiner lieben JeanneMarie. Vorerst berichtete ich ihr alles am Telefon. Sie war überrascht, hat
aber wahrscheinlich nicht alles richtig mitbekommen. Als ich sie dann bat,
mit mir dafür zu beten, dass Gott im Blick auf meine Berufung alles in die
Hand nehmen solle, unterstützte sie mich voll. Wir vereinbarten auch, dass
wir uns baldmöglichst treffen wollten.
Dieser Besuch kam dann auch zustande. Ich richtete es so ein, dass ich am
Morgen zusammen mit Jeanne-Maries Familie am Gottesdienst teilnehmen
konnte. Natürlich war mein Berufungserlebnis mit Erstaunen aufgenommen worden. Man betete auch für mich. Ganz offensichtlich wurde mein
Leben umgekrempelt.
Schon meine Mutter konnte sich Jeanne-Marie nicht als Bäuerin vorstellen. Die Eltern meiner Freundin hatten noch mehr Mühe damit, dass ihre
Tochter einmal einen Landwirt heiraten würde. Deshalb war diese Wende in
meinem Leben auch diesbezüglich wundervoll.
Als dann die Bestätigung der Missionsschule eintraf, teilte ich dies natürlich
Jeanne-Marie sofort telefonisch mit. Ich erklärte ihr auch, dass wir uns,
wenn irgend möglich, vor meinem Studienbeginn noch einmal, und zwar
hier bei mir zu Hause, treffen sollten. Denn nur hier, wäre es uns möglich,
in Ruhe alles eingehend zu besprechen und darüber zu beten. Das war für
mich sehr wichtig. Unser Leben erhielt bereits jetzt eine ganz neue Ausrichtung: Nach Gottes Ratschluss würde ich immerhin eines Tages Pfarrer sein.
Alles ereignete sich jedoch so schnell, dass wir Mühe hatten, die neue Situa-
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tion richtig einzustufen. Vor allem die daraus resultierenden Konsequenzen
zu erkennen und abzuschätzen.
Glücklicherweise konnte Jeanne-Marie noch zwei Tage frei bekommen.
Dieses Zusammensein, unmittelbar bevor ich mein Studium aufnahm, war
wertvoll. Der Zuspruch Gottes, welchen mir meine liebe Jeanne-Marie vor
neun Monaten geschickt hatte, verwirklichte sich ganz offensichtlich:
«Ich bin der Herr, euer Gott. Ich lehre euch, was gut für euch ist,
und zeige euch den Weg, den ihr gehen sollt.»
Ich war einfach überwältigt. Wie gross und wunderbar ist unser Gott! Ein
Leben als engagierter Christ ist absolut spannend, kann aber auch grosse
Herausforderungen beinhalten.
Es war mir ein wichtiges Herzensanliegen, dass meine Freundin die Konsequenzen dieser Berufung Gottes erkennen und erfassen konnte. Sie sollte
sich von Herzen freuen können, dass wir zusammen auf diesem Weg unterwegs sein durften. Natürlich war mein Liebling vorerst noch ein wenig von
den Ereignissen und der daraus resultierenden neuen Situation überfordert. Aber ganz eindeutig herrschte die Freude und Dankbarkeit vor. Dass
wir zusammen beten und unseren zukünftigen Weg in Jesu Hände legen
konnten, war befreiend.
Beim Abschied nehmen waren wir immer noch wie Träumende. Es war einfach fast zuviel auf einmal. Nun galt es auch, sich an das andere wichtige Bibelwort zu halten: «Bemüht euch um das Reich Gottes, und lebt nach
Gottes Willen. Dann wird er euch mit allem anderen versorgen.»
Wie wegweisend und zutreffend diese Zusage unseren zukünftigen Lebensweg begleiten würde, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht erahnen.
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Plötzlich bin ich Student
Aller Anfang ist schwer, sagt das Sprichwort. Das bewahrheitete sich tatsächlich auch für mich, in der Anfangsphase des Studiums. Es war eine
grosse Umstellung für mich. Als ich auf St. Chrischona eintraf, hatte das
Studienjahr bereits begonnen, und ich bekundete grosse Mühe, mich einzuleben und den Anschluss zu finden. Meine vierundzwanzig Klassenkameraden waren schon eine «eingespielte» Gruppe. Was ich diesbezüglich im
ersten Monat nach Hause geschrieben habe, weiss ich nicht mehr. Doch der
Brief, den mir meine liebe Mutter daraufhin geschrieben hat, ist sinnreich:
Burgiwil, den 4. Oktober 1954
Lieber Ruedi!
Danke Dir für Deinen Brief, und will schnell noch Deine Fragen beantworten. Du tust mir sehr leid, dass Du oft so schwer hast. Aber ich denke
immer, wenn Du doch die Gewissheit hast, dass es Dein Weg ist Prediger zu
werden, so wird Dir der Herr sicher auch die Kraft geben zu Deinen Aufgaben. Ich glaube Du lebst eben noch zu viel beim Bauern, und Du musst das
mehr und mehr ablegen können. Vertraue Dich nur ganz Deinem Heiland
an, so gibt er Dir sicher jeden Tag die nötige Kraft. Es ist sicher schwer für
Dich, aber wenn Du nun zum Dienst am Evangelium berufen bist, so heisst
es eben überwinden.
Ich habe doch schon oft für mich selber gedacht, Gottes Wege seien wunderbar! Schon dass Du die Jeanne-Marie hast kennen gelernt, und ihr beide
trotz allem zusammen gekommen seid, ist sicher nicht von ungefähr. Der
Herr meint es schon gut mit Dir, dass er Dir ein so liebes, frommes Mädchen geschenkt hat. Wenn Du hättest Bauern sollen, so hättest Du sicher
die Jeanne-Marie nicht, da das sicher zu schwer für sie wäre.
Aber Du musst Dich eben jetzt noch gedulden und Dein Herz während der
Studienzeit noch nicht zu sehr an sie hängen, denn ich habe mich schon
oft gefragt, ob dies nicht auch ein wenig ein Hindernis sei für Dich während
der Studienzeit. Ich hoffe, Du verstehst mich recht, ich meine ja nicht, dass
Du sie weniger lieben sollst, aber so wie der Heiland sagt in seinem Wort:
«Wer etwas mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.»
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Wenn Du alles tust, um Deines Heilandes Willen, so wird Dir sicher auch
das Lernen leichter. Ich glaube ja gerne, dass es oft sehr schwer ist für Dich,
Dich nur so dem Studium zu widmen, aber das geht ja vorbei. Wenn Du
dann ganz im Dienst Deines Herrn stehst, wirst Du sicher auch viel Freude
erleben. Nun will ich aufhören mit diesem Thema und hoffe, Du verstehst
mich recht.»
Was meine treu besorgte Mutter dann noch über die Arbeiten auf dem Hof
geschrieben hat, lasse ich beiseite. Hier noch ihre Grussworte zum Briefschluss:
«Will nun schliessen und bleibe in treuer Fürbitte, stets in Liebe an Dich
denkende Mutter. Herzliche Grüsse vom Vater und Deinen Geschwistern.
Deine Mutter»
Wie wohltuend und wichtig war doch dieser Brief für mich gewesen! Das
Herz einer Mutter ist wertvoll und unbezahlbar kostbar! Dass besonders
sie, auch Jeanne-Marie und weitere treue Beter hinter mir standen, gab mir
Mut und Kraft, mich vertrauensvoll dem Studium zu widmen. Und tatsächlich machte ich von Woche zu Woche Fortschritte in verschiedenen Bereichen. Nach einiger Zeit war ich voll in der Klasse integriert. Das Lernen
verlief besser. Einzig das Auswendiglernen ganzer Bibeltexte machte mir
ziemlich Mühe.
Beim Studium in meinem Zimmer
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Und schon waren die willkommenen Weihnachtsferien in Sicht. Als Gastschüler konnte ich diese ganzen Ferien zu Hause verbringen. Und es war sogar
eingeplant, dass mein Schatz während dieser Zeit einige Tage kommen würde.
Auf dem Heimweg erlebte ich mit der Lambretta einen kleinen Unfall. Die
Strasse war schneebedeckt und «glitschig». Auf einem Bahnübergang geriet
mein Vorderrad ins Schleudern, sodass ich stürzte. Als ich mich wieder aufrichtete, stellte ich erleichtert fest, dass niemand den Sturz beobachtet hatte.
Da ich mir bloss ein paar harmlose Prellungen zugezogen hatte, stellte ich
die Lambretta wieder auf die Räder, startete und fuhr schnell weiter; dankbar,
dass mir nichts Schlimmes zugestossen war.
Ich genoss diese Tage zu Hause in vollen Zügen. Natürlich ganz besonders die
drei Tage, an welchen Jeanne-Marie zu Besuch kam. Nicht allein für uns beide war dieses Zusammensein und Austauschen wichtig. Meine ganze Familie
war erfreut, meine Freundin besser kennen zu lernen. Dass besonders meine
Mutter diese schon so fest in ihr Herz geschlossen hatte und liebte, erfüllte
uns mit Freude und Dankbarkeit. Dies machte insbesondere meine Freundin
tief glücklich.
Erst später wurde uns die Tatsache bewusst, wie sehr Jeanne-Marie unter einem Defizit litt, weil sie als Kind nie liebevoll umarmt, und weder von der
Mutter noch vom Vater auf den Schoss genommen und liebkost worden war.
Das ist sicher mit ein Grund, dass sie sich so jung mit mir angefreundet hat.
Schnell flogen diese Ferien dahin und dann hiess es, sich wieder voll und ganz
dem Studium zuzuwenden.
Die Chrischona war für die Basler ein beliebtes Ausflugsziel. An den Wochenenden, besonders sonntags, zog es viele Leute auf den «Berg», wie die
Chrischona von den Einheimischen liebevoll genannt wurde.
Zuoberst auf der Hügelkuppe befindet sich die Kirche. Auf der einen Seite ist
sie von der Gärtnerei und den Ökonomiegebäuden umgeben. Auf der anderen
Seite befinden sich die Häuser, in welchen die Studenten und zum Teil auch
die Lehrkräfte untergebracht sind.
Im Hauptgebäude befanden sich die Küche, der Speisesaal, ein Andachtssaal
und vier Unterrichtsräume. Der Dachstock beherbergte früher die Gebetskämmerchen, in welche man sich zurückziehen konnte. Hier war auch ein
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schönes Viererzimmer, welches jeweils von Absolventen des letzten Studienjahres bewohnt wurde. In diesem Gebäude sind auch verschiedene sanitäre
Einrichtungen untergebracht. Im Untergeschoss waren Viererzimmer eingerichtet. Darüber befand sich eine Mehrzweckhalle. Diese diente vom Frühjahr
bis Herbst für Konferenzen, Tagungen und natürlich die jeweilige Einsegnung der «Brüder», wie wir Studenten genannt wurden. Ich war also «Bruder Staub». Zufälligerweise hiess der damalige Chrischonadirektor ebenfalls
Staub.
Das «Haus zu den Bergen» war einerseits ein Ferienheim. Andererseits befand
sich hier die Bibelschule für Töchter. Dann gab es noch ein gut besuchtes
Restaurant, die sogenannte «Kaffeehalle». Diese wurde von einem tüchtigen
Ehepaar geführt. Besonders an den Wochenenden arbeiteten dort Studenten
aushilfsweise in der Küche, im Office, am Buffet und natürlich im Service. Ich
war jedes Mal froh, wenn ich zum Service-Dienst eingeteilt wurde, denn das
jeweilige Trinkgeld durften wir unter uns aufteilen.
Nebst diesem Arbeitsbereich waren wir Studenten noch im Landwirtschaftsbetrieb, den Obstanlagen und der Gärtnerei tätig. Weitere Arbeits-Domänen
für Studenten befanden sich unter anderem in der Bäckerei, der Buchbinderei, Schusterei und der Schreinerei, für welche man während den beiden ersten Studienjahren täglich zwei Stunden, in den beiden folgenden eine Stunde
pro Tag Tätigkeiten verrichtete.
Dem Chrischonawerk war auch der ausgedehnte Komplex des Diakonissenwerkes mit der Ausbildungsstätte und dem Pflegeheim angegliedert.
Zum Glück war das Bauen auf dem ganzen Hügel untersagt worden. Trotzdem wurde dann später, nach meiner Studienzeit, ein riesiger Fernsehturm
errichtet. Da dieses Bauwerk der Allgemeinheit dienlich sein sollte, wurden
alle Einsprachen abgelehnt.
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Mein Bruder will
nicht Bauer werden
Bereits während der Weihnachtsferien 1954 hatte mein Bruder, welcher
das letzte Schuljahr besuchte, erklärt, er wolle nicht Bauer werden. Unmittelbar bevor ich nach St. Chrischona zurückkehrte gab es noch ein
diesbezügliches Gespräch. Mein Vater erklärte: «Wenn niemand von der
Familie «bei der Scholle bleibt», werden wir wahrscheinlich den Betrieb
nicht weiterführen. Wie gut konnte ich das verstehen! Meine liebe Mutter
hatte schon viele Jahre zu streng arbeiten müssen.
Weil mich diese Angelegenheit sehr beschäftigte, schrieb ich meinem
Bruder einen Brief. Ich legte ihm dar, dass wir Kinder riskierten, unser
Zuhause zu verlieren, wenn er der Landwirtschaft den Rücken kehrte. Und
das wäre doch wirklich sehr schade. Ich schrieb ihm unter anderem: «Ich
verstehe Dich, dass Du nicht möchtest, dass Deine zukünftige Frau sich
einmal so «abrackern muss» wie unsere Mutter. Aber Du weißt ja, dass
unser Vater bereits schon vor ein paar Jahren einen anderen, ebenen und
grösseren Hof erwerben wollte. Du hast ja kaum eine Ahnung, wie das sein
würde, einen solchen Betrieb bewirtschaften zu können. Ich bitte Dich,
wage wenigstens den Versuch: Geh in die welsche Schweiz und absolviere
dort auf einem Bauernhof ein landwirtschaftliches Lehrjahr. Wenn es Dir
dann wirklich nicht zusagt, kannst Du immer noch etwas anderes lernen»
Zu meiner grossen Erleichterung, war mein Bruder dazu bereit. Dann
wurde vereinbart, dass er bei meinem ehemaligen Meister, dem Onkel von
Jeanne-Marie, das landwirtschaftliche Lehrjahr absolvieren kann. Wieder
einmal lobte und dankte ich unserem Herrn für sein treues Führen. Sein
Zuspruch gilt immer wieder neu:
«Bemüht euch um das Reich Gottes und lebt nach Gottes Willen. Dann wird Gott euch mit allem anderen versorgen.» (Matth.
6,33)
Langsam neigte sich mein erstes Studienjahr dem Ende zu. Ich konnte die
ganzen Semesterferien wieder zu Hause verbringen. Mein Bruder befand
sich im Lehrjahr. Obschon meine jüngere Schwester zu Haus mithalf, war
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während den intensiven Sommer- und Herbstmonaten meine Arbeitskraft
auf dem elterlichen Hof sehr willkommen. Diese Mithilfe war ein Dank
dafür, dass die Eltern meine Ausbildung finanzierten.
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Unsere Freundschaft
vertieft sich
Bereits während der zweiten Hälfte meines ersten Studienjahres hatte sich
meine Freundschaft mit Jeanne-Marie gefestigt. Hie und da machte ich bei ihr
zu Hause einen Besuch. Mit der Lambretta holte ich sie auf dem Postamt ab
und brachte sie zu Arbeitsbeginn wieder hin. Hatte sie manchmal zwei, oder
sogar drei Tage frei, kam sie meistens zu uns nach Hause. Hier konnte sie sich
besser erholen als daheim in Hauterive.
Dann vereinbarten wir, dass Jeanne-Marie, ihre Ferien bei uns verbringen
konnte. Schon Wochen im Voraus schrieb ich meinem Schatz: «Ich vermag
meine Vorfreude auf diese
zwei Wochen nicht in
Worte zu fassen... Das werden Tage der Freude, des
Glücks, aber auch des Segens sein. An Gottes Segen ist alles gelegen. Wir
wollen dann auch die Gemeinschaft mit unserem
Herrn und Erlöser pfleJeanne-Marie, mein Schatz!
gen. Es sollen nicht nur
Tage der Freude und des
Glücks werden, sondern auch Tage der Heiligung für unser Leben und das
wird dann bleibende Freude geben...»
Mit Datum vom 20. Juni 1955 schrieb ich unter anderem: «Oh, es kommt mir
wie ein Traum vor, dass ich einen Teil der Ferien mit Dir verbringen kann.
Geht es Dir auch so? Ja das werden, so Gott will, wunderschöne Tage werden.»
Tatsächlich waren diese zwei Wochen eine reich gesegnete Zeit. Jeanne-Marie
konnte diese Tage richtig geniessen und sich auch ein wenig erholen. Das
hatte sie auch dringend nötig! Die fortwährende Überbeanspruchung und die
Tatsache, dass sie zu Hause kein eigenes Zimmer hatte, machten ihr zusehends Mühe.
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Im darauffolgenden August wurde unsere Beziehung mit einer Krise überschattet. Mein Liebling war plötzlich so launisch und unberechenbar. Sie
zog sich wie in ein «Schneckenhaus» zurück. Im Nachhinein konnte sie
sich selber nicht verstehen und litt unter echter Bekümmernis. Sie schrieb
mir: «Ich kann Dir versichern, dass diese Prüfung mir gut getan und mich
reifer gemacht hat. Meine Liebe zu Dir ist stärker geworden. Mit Gottes Hilfe will ich meine Verhaltensweise korrigieren und Dir viel mehr Zärtlichkeit
erweisen. Hilf mir bitte dabei; Ich liebe Dich so sehr...» Das Liebesdefizit,
welches Jeanne-Marie während ihrer Kindheit erleiden musste, zeitigte immer wieder negative Auswirkungen im Blick auf unsere Beziehung. Ihre
seelischen Verletzungen machten sich beharrlich bemerkbar. Einerseits
war sie anlehnungsbedürftig, aber irgendwie unzugänglich.
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Das zweite Studienjahr
Im Herbst 1955 begann mein zweites Studienjahr. Nun hiess es, sich wieder ganz der Ausbildung zu widmen. Einmal pro Woche besuchte ich den
Klavierunterricht. Oft spielte ich geistliche Lieder und begleitete sie mit
meinem Gesang. Es konnte vorkommen, dass mich Mitstudenten deswegen
neckten, was mich befremdete. Vor allem in der Klasse des letzten Studienjahres waren ein paar «modernistisch eingestellte» Brüder. Wöchentlich
hatte einer von ihnen vor der Hausgemeinde eine Predigt zu halten. Als
sich dann ein Student anmasste, in seiner Predigt die Frage zu stellen, ob in
gewissen Vorlesungen nicht manchmal «leeres Stroh gedroschen» werde,
kam es zum Skandal. Bald einmal wurde offensichtlich, dass dieser Student
von der Bibelschule verwiesen würde. Da nützte auch eine Solidaritätskundgebung vieler Mitstudenten nichts.
An einer sogenannten «Vollversammlung» erläuterte unser Ethikprofessor
Dr. Schick, dass ein solches Verhalten taktlos sei und auf keinen Fall geduldet werde. Dann fiel der schwerwiegende Satz: «Eher trennen wir uns von
Brüdern, welche sich freidenkerisch mit dem Fehlverhalten des Beschuldigten solidarisieren, als dass wir so etwas hinnehmen.» Damit war der Vorfall besiegelt und der fehlbare Student wurde entlassen. Dieses Vorkommnis
hat mich in meiner eher «fundamentalistischen» Glaubenseinstellung bestärkt und gefestigt.
Während des zweiten Studienjahres war es mir möglich, eine Reise in den
Nahen Osten zu unternehmen. Diese Studienreise, begleitet vom bekannten Theologieprofessor Zimmerli, war ein Höhepunkt während meiner Ausbildung. Zuerst ging es in den Libanon, dann in die riesige Ruinenstadt
Baalbek. Diese antike Heliopolis wurde durch hunderttausend Sklaven von
den Römern im Baakatal erbaut. Der Sonnentempel war ihr Wahrzeichen
gewesen. Die zwölf Meter hohen Säulen aus einer speziellen Sorte Marmorstein, welcher nur in Ägypten vorkommt, sind einmalig. Sie wurden
im Lande Hams zubereitet, danach über den Nil und das Mittelmeer nach
Beirut transportiert. Dann wurden sie über das Libanongebirge nach Baalbek gerollt.
Über Damaskus kamen wir nach Jordanien. Hier besuchten wir die bekanntesten biblischen Ortschaften, darunter die Altstadt Jerusalem, Bethlehem,
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Nazareth, Hebron und Beersheba. Damals gehörten diese Orte zum Königreich Jordanien. Jerusalem war durch das sogenannte Niemandsland zweigeteilt. Man konnte nur vom jordanischen Teil Jerusalems, an einem einzigen Grenzübergang, nach Israel gelangen. Ein Zurück war ausgeschlossen.
Mein Aufenthalt an jenen Stätten und Pfaden, an denen die Erzväter, die
Propheten, die Israeliten und vor allem Jesus gelebt hatten, war einzigartig, ganz einfach phantastisch! Dass ich mich im Heiligen Land, mit seiner
bewegten Geschichte befand, überwältigte mich zutiefst. Ganz besonders
herzbewegend erlebte ich den Besuch des Ölberges, des Gartens Gethsemane und natürlich die Wanderung über die Via Dolorosa nach Golgatha.
Die kompetenten, biblisch fundierten Kommentare von Professor Zimmerli
bereicherten mein theologisches Verständnis der Heiligen Schriften wesentlich. Vieles wurde hier an Ort und Stelle der biblischen Stätten viel
fassbarer und substanzieller gemacht
In der Folge konnte ich das Erlebte durch mehrere Lichtbilder-Vorträge in
verschiedenen Gemeinden sowie auf Chrischona darbieten.
Gegen Ende des zweiten Studienjahres machte ich die Bekanntschaft mit
Pfarrer Fotsch aus Zürich. Dieser hatte einen Filmverleih ins Leben gerufen. Die Möglichkeit, Filme im Reich Gottes einzusetzen, interessierte mich
sehr. Mir wurde eine komplette Filmausrüstung zur Verfügung gestellt. Voraussetzung war jedoch der Besitz eines Autos, um diese transportieren zu
können. Da Jeanne-Marie eine kleine Erbschaft erhalten hatte, stellte sie
mir dieses Geld zur Verfügung, so dass ich mir einen VW-Käfer anschaffen
konnte.
Damit begann meine Mitarbeit in der Filmmission. An den Wochenenden
hatte ich nun oft Filmvorführungen in verschiedenen Gemeinden und
kirchlichen Kreisen, wochentags sogar in Schulen. Im Kanton Bern machten mir die Behörden jedoch Schwierigkeiten bezüglich der Bewilligung.
In Basel konnte ich dann aber – dank guten Beziehungen – die Prüfung als
Film-Operateur ablegen. Dieser anerkannte Ausweis half mir, diese Schwierigkeiten auszuräumen. Dank dieser Beschäftigung konnte ich meinen Lebensunterhalt fortan selber bestreiten. Meine Mitarbeit in der Filmmission
wurde sehr geschätzt, besonders als der erste Billy-Graham Film erworben
wurde. Ich konnte erreichen, dass die Ansprache von Billy Graham, simultan per Magnettonspur, auf die Filmrolle kam.
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Freilich machte sich bei mir die zusätzliche Belastung bemerkbar. Ich war
oft übermüdet.
Doch bald waren die Sommerferien in Sicht. Zu Beginn derselben hatte
ich in Basel einen grossen Saal gemietet, um den erwähnten Billy-Graham
Film: «Menschen der Ölstadt» zu zeigen. Auf dem Gepäckträger meines
VW-Käfers hatte ich eine Art Holzkiste installiert. Auf derselben luden Plakate zu diesem Event ein. Während drei Tagen war der Wettsteinsaal Abend
für Abend mit mehr als vierhundert Personen voll besetzt, sogar überfüllt,
so dass Leute keinen Platz mehr fanden.
Die Ferien verbrachte ich wieder zu Hause. Während dieser Zeit veranstaltete ich immer wieder Filmvorführungen. Vor allem konnte ich die wissenschaftlich interessanten Moody-Filme öfters in Schulen vorführen. Die Filme beinhalteten interessante wissenschaftliche Fakten zum Beispiel über
das Universum, die Tierwelt den menschlichen Körper. Der Film: «Wenn
die Steine schreien» behandelte biblische Fakten und zeigte eindeutlich
wie authentisch und zeitnah die Bibel ist. Wenn möglich hatte ich noch
gleichentags eine öffentliche Abendveranstaltung, aber diese waren nicht
immer gut besucht. In Ütendorf, nahe bei Thun, kamen einmal gerade 7
Personen. Deshalb fing ich an, Kirchen und christliche Gemeinden einzubinden, damit dies bei der Bewerbung und Organisation der Filmanlässe
mit hand anlegten.
Trotz vielseitiger Beanspruchung nahmen Jeanne-Marie und ich jede Gelegenheit wahr, uns zu treffen, mindestens ein bis zweimal pro Monat. Meine Eltern hatten im Wohntrakt unseres Bauernhauses ein Besuchszimmer
eingerichtet.
Unsere Beziehung bedeutete nicht immer nur Sonnenschein. Meiner lieben
Jeanne-Marie wurde mehr und mehr bewusst, dass sie emotional wirklich
ein grosses Defizit aufwies. Sie hatte Mühe, mir ihre Zuneigung und Liebe zu zeigen. In ihren Briefen konnte sie sich am besten ausdrücken und
mitteilen. Verständlicherweise erwartete ich diese immer mit grosser Spannung und Vorfreude. Meistens schrieben wir uns zweimal wöchentlich.
Selbstverständlich genossen wir aber am meisten jedes Zusammensein.
Einmal unternahmen wir einen Ausflug an den Genfersee und ins Wallis.
Via Grimselpass gelangten wir zurück nach Hause. Für den VW-Käfer, welcher mir so gute Dienste erwies, war ich natürlich in solchen Momenten
besonders dankbar!
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Ausflugsfahrt mit dem VW-Käfer
Unvergesslich blieb eine zweitägige Bergwanderung auf das Hohtürli. Da
wir uns nur mit Nivea Creme eingestrichen hatten, zog sich Jeanne-Marie
einen schwerwiegenden Sonnenbrand zu. Als wir zu Hause ankamen, waren
ihr Gesicht, die Arme und Beine bereits stark angeschwollen. Die Haut war
so stark verbrannt, dass sie sich ablöste! Der Arzt sagte: «Die verwendete
Creme hat alles noch viel schlimmer gemacht.» Mit starken Schmerzen
und Fieber lag mein Liebling daraufhin eine Woche mit bandagierten Armen und Beinen im Bett. Während den drei ersten Tagen kam unser Hausarzt täglich vorbei, um nachzuschauen, wie es der Patientin erging. Nur
langsam erholte sie sich.
Bei Jeanne-Marie zu Hause, in Hauterive, war ihre Mutter wegen dieser
Situation sehr unzufrieden. Ihr fehlte natürlich die Mithilfe ihrer Tochter
während diesen Tagen.
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Das dritte Studienjahr
Bald einmal gingen meine Sommerferien zu Ende. So begab ich mich Anfangs Herbst wieder nach St. Chrischona und nahm das dritte Studienjahr
in Angriff. Zu Beginn hatte ich wieder Schwierigkeiten mit dem Lernen. Oft
waren die Nächte kurz, weil ich mich bis spät abends und bereits wieder früh
morgens mit dem Studium beschäftigte. Doch die Zeit verging relativ schnell.
Dazu kam, dass ich eine ganz neue, unerwartete Beschäftigung fand. Ich
wurde Mausefänger. Diese Nager verbreiteten sich epidemisch. Davon waren
besonders die Obstanlagen betroffen und entsprechend gefährdet. Früh morgens stellte ich die Fallen, mittags und abends sammelte ich die gefangenen
Mäuse ein. Sogar unser Direktor nahm einen Augenschein und bedankte sich
persönlich bei mir für mein diesbezügliches Engagement. Deswegen war ich
wohl in dieser Zeit der Nutzbringendste unter den Studenten. Der Nutzen
war auch auf meiner Seite: Die Gemeinde Bettingen bezahlte mir für jede
gefangene Maus 50 Rappen. Es kam vor, dass ich pro Tag bis dreissig Franken
verdienen konnte. Da drängt sich doch eine Anspielung geradezu auf: Ich fing
nicht Fische, sondern Mäuse; und eines Tages würde ich Menschen fangen.
(Vergleiche Lukas 5)
Dass ich mich sehr früh für Jesus entschieden habe, hat mein Leben nachhaltig beeinflusst und geprägt. Nun hiess es, durch eine gründliche, theologischpraktische Ausbildung persönlich in einer gesunden Spiritualität zu wachsen
und zugleich das nötige Rüstzeug zu empfangen, um in diesem Sinne eines
Tages im Reich Gottes zu wirken und Mitmenschen zu dienen. Wie ich mich
auf diese Zeit schon jetzt freute!
Immer wieder hatte ich sehr viel Arbeit. Öfters lernte ich bis gegen Mitternacht. Zum Beispiel fand ich folgende Tagebuch-Notiz vom Donnerstag, den
15. November 1957: «Am Sonntag darf ich Sonntagsschule und einen Gottesdienst halten. Noch habe ich kein Wort zu Papier gebracht. Im Kopf, da hat
sich schon einiges vorbereitet. Zuversichtlich weiss ich, dass Gott mir beistehen wird. Nächste Woche muss ich eine Predigt vor den Studenten vortragen.
Auch diese Predigt sollte noch ins Reine geschrieben werden.»
Inzwischen war es bereits Mitte November geworden. Die Zeit ging so
schnell vorbei, und das war gut so! Ich wartete mit Sehnsucht auf den Tag,
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an dem mein vollzeitlicher Dienst begann, zu dem Gott mich berufen hat:
«Christus, den Herrn der Herrlichkeit zu verkündigen. Mit aller Weisheit,
die Gott mir geben wird die Menschen zu ermahnen und zu unterweisen,
damit jeder Einzelne im Glauben durch die Verbindung mit Christus reif
und mündig werde», das würde dann, wie Paulus, dies den Kolosserchristen (Kol. 1,28) geschrieben hatte, auch für mich Verpflichtung und Auftrag
sein.»
Es war vorgesehen, dass ich nach dem Studium vollzeitlich im Werk der
Evangelischen Gesellschaft des Kantons Bern angestellt sein würde. Schon
seit 1955 war ich Mitglied dieses innerkirchlichen Missionswerkes und hatte, wie erwähnt, als Sonntagsschullehrer und in der Jugendarbeit mitgewirkt.
Für den letzten Sonntag vor Weihnachten 1957 war ein Besuch meiner
Eltern in Hauterive, bei der Familie von Jeanne-Marie, eingeplant. Meine
Weihnachtsferien begannen am Freitag davor, den 20. Dezember 1957. An
diesem Tag fuhr ich bereits zu Jeanne-Marie nach Hause. Mein Liebling
schrieb mit Datum vom 12.12. unter anderem: «Ich hoffe, dass du einen
guten Sonntag verbracht hast. Ich habe viel an dich gedacht. Ich freue mich
sehr auf den Besuch deiner Eltern am kommenden Sonntag... Noch einige
Tage und dann sind wir beisammen. Wie ich mich darauf freue! Heute ist
Montag. Du wirst sehen der Freitag ist schnell da. Meine kleinen Geschwister fragen täglich: «Kommt Ruedi heute»? So ungeduldig wirst Du erwartet! Doch die Ungeduldigste bin ich; denn ich freue mich so sehr! Ich liebe
dich je länger je mehr, mein Liebling. Meine Gedanken weilen fortwährend
bei dir.»
Für alle Beteiligten war der Besuch meiner Eltern lohnend und wertvoll.
Vor allem meine liebe Mutter konnte sich ein Bild machen, in welchen Verhältnissen ihre zukünftige Schwiegertochter zu Hause lebte.
Nach Weihnachten nahm ich den ältesten Bruder von Jeanne-Marie mit zu
uns nach Hause. So feierte er den Neujahrstag zusammen mit uns. Jedes
Jahr begingen wir den Jahresanfang mit einem Festessen. Dieses fand in der
«guten Stube» statt. Der Tisch war schön zurechtgemacht und mit reich
verziertem, altem Tafelgeschirr gedeckt. Als Vorspeise kam Lammvoressen
mit wunderbarem Zopf auf den Tisch. Als Hauptspeise eine reich ausgestattete Bernerplatte. Dazu Getränke, für die Erwachsenen Wein.
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Das gleiche Essen gab es noch ein zweites Mal im Jahr, und zwar immer,
nachdem die Ernte eingebracht war. Diese Feierlichkeit nannte man die
«Sichlete», ein Erntedankfestessen. Das war jeweils ein richtiger Höhepunkt im Jahresablauf.
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So kann es nicht
weitergehen
Leider war Jeanne-Marie fortwährend sehr müde und hatte oft Kopfschmerzen und «kränkelte». Meiner Mutter war schon lange bewusst, dass ihre zukünftige Schwiegertochter überbeansprucht war, ja sogar ausgenutzt wurde. Jeanne-Marie hatte oft Nachtschicht und zwar von 18.00 und 08.00 Uhr.
Wie bereits erwähnt teilte sie ihr Zimmer mit drei Schwestern. Auch ihr
Bett teilte sie mit einer Schwester. Ihr fehlte selbstverständlich die nötige
Ruhe tagsüber. Dazu kam, dass sie zu Hause viel mithelfen musste. Natürlich war ihre Mutter nach acht Geburten innerhalb von fünfzehn Jahren ebenfalls überfordert und oft unpässlich. Nur ganz selten beklagte sich
mein Schatz über den Zustand bei ihr zu Hause. Doch war sie manchmal
sehr traurig und unglücklich, weil sich all das auch negativ auf unsere Beziehung auswirkte. Hier ein Auszug aus einem sechsseitigen Brief:
«Oh! du bist mir in allem so kostbar und ich möchte dir auch in allen Dingen Freude bereiten. Ich weiss, du möchtest, dass einige Dinge anders wären. Zum Beispiel, dass ich dir gegenüber aufgeschlossener und zärtlicher
sein könnte. Ich verstehe dich voll und ganz. Ich möchte ja auch so sein.
Aber ich versuche es zu erklären: Wenn meine Eltern sich viel mehr um
mich gekümmert und wir ein wirkliches Familienleben, mit vorhandener
Liebe erfahren hätten, wäre ich sicher anders. Aber bei uns war es nicht
üblich, Gefühle zu zeigen. Darum habe ich mich immer mehr abgekapselt...
Das will aber nicht sagen, dass ich nicht einfühlsam sein kann. Im Gegenteil, in meinem tiefsten Sein fühle ich alles sehr wohl. Ich bin wirklich ein
sensibles Mädchen, sogar mehr als die anderen. In meinem tiefsten Inneren
haben alle kleinen und grossen Freuden, welche du mir bereitet hast, immer ein Glücksgefühl ausgelöst. Ich würde so gerne viel offener sein, habe
mir das immer gewünscht. Ich verstehe gut, dass du möchtest, dass ich
besser mitteilen könnte, was ich empfinde. Das wäre natürlich und normal.
Oh! Mein Liebling hilf mir, dass ich mich ganz öffnen kann. Ich weiss, dass
es kommen wird, langsam und sachte. Aber es braucht viel Geduld. Ich hoffe, dass du mich verstehen kannst. Jetzt war ich zu dir wirklich offenherzig
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und ich hoffe, dass du mich verstehst. Ich wiederhole es noch einmal: Mein
Wunsch ist es, dir alles, was in meinem tiefsten Herzen ist, mitzuteilen und
dir gegenüber viel zärtlicher zu sein... Ich will das, aber jetzt verstehst du,
weshalb das für mich schwierig ist ...»
Etwas später kam mein Schatz noch einmal auf diese Angelegenheit zurück.
Sie schrieb mir so offenherzig und zärtlich, dass mein Herz vor Freude und
Dankbarkeit jubelte. Dann eröffnete sie mir folgendes: «Ich habe Angst,
dass wir, wenn wir so zärtlich zueinander sind, eines Tages « zu weit gehen», und das nachher bereuen. Auch bin ich mir nicht sicher, dass ich die
Kraft hätte zu widerstehen.» Dass mein Liebes diese Gedanken im Brief und
nicht mündlich äusserte war typisch für sie. Ich war jedoch sehr dankbar,
dass sie es überhaupt mitteilen konnte. Dankerfüllt darf ich bekennen, dass
ich diesbezüglich wirklich nie das geringste Problem hatte. Niemals war
ich versucht gewesen, mit Jeanne-Marie vor der Ehe zu schlafen. Für mich
war das ein absolutes Tabu. Während unserer langen Freundschafts- und
Verlobungszeit hätte es an diesbezüglichen Gelegenheiten wirklich nicht
gefehlt. Dass ich in dieser Hinsicht nicht ein einziges Mal in Versuchung
geraten bin, erfüllt mich noch heute mit grosser Dankbarkeit. Dazu hat sicher, nebst der Bewahrung durch Gott, auch beigetragen, dass mein Schatz
mir im besagten Brief geschrieben hat, sie wolle sich in dieser Beziehung
keine Sorgen mehr machen und mir einfach ganz vertrauen.
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Unsere Verlobung
und «das Danach»
Ein Höhepunkt war die Verlobung mit Jeanne-Marie am Ostertagsonntag
1957. Es war ein herrlicher, sonnenreicher Frühlingstag. Ich war dreiundzwanzig und meine Braut neunzehn Jahre alt. Diese Feier fand bei uns zu
Hause im Burgiwil statt. Es war ein wunderbares Familienfest. Nebst den
Angehörigen meiner zukünftigen Frau, waren auch ihr Onkel und die Tante, bei denen sie als Säugling gewesen war, anwesend. Eine Cousine aus
Genf und sogar ihr Grossvater, der Vater ihrer leiblichen Mutter, sowie der
Vater ihrer Stiefmutter waren da.
Unserer Verlobung, rechts von uns meine Eltern links diejenigen von Jeanne-Marie sowie ihr Grossvater mütterlicherseits.
Nebst meiner ganzen Familie, nahmen mein Götti, sowie ein Studienfreund
an der Feier teil. In unsere goldenen Ringe hatten wir die Bibelstelle Römer
8,28-39 eingravieren lassen wo es unter anderem heisst: «Das eine aber
wissen wir: Wer Gott liebt, dem dient alles, was geschieht, zum Guten. Dies gilt für alle, die Gott nach seinem Plan und Willen zum
neuen Leben erwählt hat. Wen Gott nämlich auserwählt hat, der
ist nach seinem Willen auch dazu bestimmt, seinem Sohn ähnlich
zu werden, damit dieser der Erste ist unter vielen Brüdern und
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Schwestern. Und wen Gott dafür bestimmt hat, den hat er auch
in seine Gemeinschaft berufen; wen er aber berufen hat, den hat
er auch von seiner Schuld befreit. Und wen er von seiner Schuld
befreit hat, der hat schon im Glauben Anteil an seiner Herrlichkeit.» Unser Wunsch war es, dass dieser Text unser Leben begleiten und
bereichern möge!
Unsere Verlobung
Nun waren wir also verlobt. Doch auf St. Chrischona hatte ich der Direktion
diesbezüglich nichts mitgeteilt. Deswegen machte mir ein Freund aus der
ersten Studienklasse Vorhaltungen. So nahm ich allen Mut zusammen und
teilte dem Direktor mit, dass ich mich verlobt habe. Anstatt mich zu tadeln,
erklärte er: «Da Sie ja Gastschüler sind, stellt dies kein wirkliches Problem
dar».
Wie erwähnt, war meine liebe Mutter bezüglich des Ergehens von Jeanne-Marie besorgt. Das Wohlergehen ihrer zukünftigen Schwiegertochter
beschäftigte sie zunehmend. Ihr war bewusst geworden, dass es so nicht
weiter gehen konnte. «Da musst du unbedingt etwas unternehmen», sagte
sie eines Tages zu mir. Nach eingehenden Gesprächen sahen wir die Lösung
darin, dass Jeanne-Marie von zu Hause wegziehen soll. Am besten wäre es,
wenn sie in die deutschsprachige Schweiz versetzt würde. Dies schien auch
deshalb wünschenswert, weil sie als zukünftige Frau eines Pfarrers die deutsche Sprache, insbesondere die Mundart, beherrschen sollte.
Mit Hilfe des Hausarztes, welchem die Sachlage von Jeanne-Marie bekannt
war, und einem Gesuch bei der PTT-Direktion versuchten wir eine Lösung
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zu finden. Unerwartet rasch bahnte sich diese an: Jeanne-Marie sollte nach
Chur versetzt werden. Doch ihre Mutter stellte sich vehement gegen diese
Veränderung. Als ehemalige PTT Angestellte hatte sie gute Beziehungen.
Sie konnte bewirken, dass ihre Stieftochter vom Nachtdienst befreit und
die Versetzung rückgängig gemacht wurde. Leider war das aber keine wirkliche Entlastung. Bei Frühschicht musste Jeanne-Marie weiterhin bereits
um 06.00 Uhr die Arbeit beginnen. Die Spätschicht konnte bis 22.30 Uhr
dauern.
Bald darauf erlitt mein Liebling einen gesundheitlichen Zusammenbruch.
Der Arzt verordnete für sie vollkommene Ruhe. Da Jeanne-Marie nicht einmal schreiben durfte, diktierte sie ihrer Schwester eine kurze Mitteilung
an mich. Natürlich lag es auf der Hand, dass sie in ihrer familiären Situation nicht die nötige Ruhe hatte. Deshalb unternahm ich sofort alles, damit
Jeanne-Marie zu meinen Eltern gehen konnte. Selbstverständlich war der
Hausarzt einverstanden und erstellte die nötigen Bescheinigungen. Erstaunlicherweise erholte sich Jeanne-Marie innerhalb von drei Wochen so
gut, dass sie im Stande war, die Arbeit bei der PTT wieder aufzunehmen;
freilich vorerst nur zu 50 %. Doch wurde bald offenkundig, dass eine radikale Lösung erforderlich war. Das hatte nun auch ihre Mutter erkannt. Dank
ihren Beziehungen erwirkte sie, dass Jeanne-Marie forthin im Sekretariat
und zu normalen Bürozeiten arbeiten konnte.
Bereits während des dritten Studienjahres hatte ich einmal monatlich einen Gottesdienst in einer christkatholischen Gemeinde im Kanton Baselland zu halten. Während den letzten Semesterferien absolvierte ich dann
ein Praktikum im Jugendheim Aeschi bei Spiez. Auf verschiedenen Aussenposten im Berner Oberland hielt ich Gottesdienste und lernte sehr liebe
Leute kennen und bekam so bereits einen Vorgeschmack dessen, was mich
nach dem Studienabschluss erwartete.
Im Jugendheim war ich zeitweise damit beschäftigt, in einem alten Bauernhaus am Innenausbau zu arbeiten. Diese abwechslungsreiche Zeit ist mir
noch heute in lebhafter Erinnerung. Während den Sommerferien fanden
hier Kinderlager statt. Da zeigte ich jeweils an einem Abend den genialen
Kinderfilm mit dem Titel: «Aschki».
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Bibelschule für meine
zukünftige Frau mit Folgen
Nun bahnte sich auch für meine zukünftige Frau eine tiefgreifende Veränderung an. Sie wollte im Herbst 1957 die Bibelschule der Mennoniten, auf
dem Bienenberg bei Liestal absolvieren.
Nachdem ich mein letztes Studienjahr aufgenommen hatte, begann meine
Braut ihrerseits etwas später diese Bibelschule. Es war vorgesehen, dass sie
den deutschsprachigen Unterricht besuchen sollte. Und so kam es auch.
Doch stellte sich bald heraus, dass dies eine beachtliche Herausforderung
war. Besonders in den theologischen Fächern hatte sie zuerst wegen der
Sprache Mühe.
Nun befanden wir uns nur 30–40 Autominuten von einander entfernt.
Trotzdem sahen wir uns nicht öfter als vorher. Jeanne-Marie war stark beansprucht und hatte offensichtlich weniger Zeit, an mich zu denken und
mir zu schreiben.
Immer wieder zeitigten sich bei mir Probleme mit meinen Mandeln. Oft
waren sie entzündet und vereitert. Diesbezüglich war ich bei einem Spezialisten in Behandlung. So auch wieder einmal anfangs November 1957.
«Jetzt ist es unumgänglich», sagte der Arzt: «Ich muss die Mandeln operativ entfernen. Ich melde sie gleich im Bethesdaspital in Basel an». Am 20.
November wurde ich operiert. Durch die steten Endzündungen waren Verwachsungen entstanden, was den Eingriff erschwerte und es stark blutete.
In der folgenden Nacht konnte ich kaum schlafen. Bei der Arztvisite sagte
dann der Chirurg: «Das war keine einfache Operation. Zum Glück haben
wir vor dem Eingriff gebetet, aber jetzt wird alles gut!»
Am Sonntag kam mich Jeanne-Marie besuchen. Da mein «Götti» im Spital
arbeitete und ganz in der Nähe wohnte, konnte sie dort einkehren. Hier
konnten wir einander auch ungestört treffen. Wie köstlich waren für uns
diese Stunden! Oder waren sie dies eventuell nur für mich, frage ich mich
hinterher. Zur Wochenmitte konnte ich die Klinik verlassen. Das Bethesda
ist eine christliche Klinik. Als Chrischonastudent war für mich der Spital-
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aufenthalt gratis. Auch der Professor stellte mir keine Rechnung. Das waren
wirklich grosszügige und willkommene Geschenke!
Am 26. November fuhr ich zur Erholung für einige Tage nach Hause. Am
27. / 28. November schrieb ich meinem Schatz einen sechsseitigen Brief.
Hat vielleicht gerade dieser Brief, voller überschwänglicher Zärtlichkeit,
gespickt mit Koseworten meine Absicht und meine Erwartungen verfehlt?
Ich ahnte nicht, dass bald Schlimmes geschehen würde!
Anfangs Dezember kehrte ich gestärkt nach St. Chrischona zurück. Nebst
dem Studium warteten auch praktische Einsätze auf mich, vor allem in
Biel-Benken. Manchmal war ich hier, nachdem ich den Morgengottesdienst
abgehalten hatte, bei einer Familie Bürgin zum Essen eingeladen. Für den
ersten Adventssonntag hatte ich eine Adventsfeier organisiert. Auch die
Sonnatgsschule wirkte mit, und vor allem war auch meine Braut anwesend.
Es war ein wirklich schönes, wertvolles Fest.
Auf der Rückfahrt eröffnete mir mein Schatz «wie aus heiterem Himmel»,
dass sie die Verlobung auflösen möchte. «Was sagst du da, das ist doch nicht
dein Ernst!» rief ich. «Doch Ruedi, es ist mir ernst», antwortete meine
Braut. Ich war bestürzt, wie vom Donner gerührt. Ich lenkte das Auto auf
den Strassenrand hinaus. «Was ist denn los? Liebst du einen anderen?» –
«Nein, eigentlich nicht», – »Was heisst das, eigentlich nicht? Bist du in
einen eurer Studenten verliebt»? «Nein, aber einige sind so zuvorkommend
und unglaublich aufmerksam und liebenswürdig. Da ist vor allem ein Südamerikaner, der trägt mich geradezu auf den Händen!»
«Und ich? Trage ich dich nicht in meinem Herzen? Wie oft habe ich dir
bezeugt, dass du mein ein und alles bist! Und du, wie oft hast du mir geschrieben, dass du dich so sehr auf unsere Vermählung freust und diesen
Tag fast nicht erwarten kannst? Und jetzt das! Unmöglich, das darf doch
nicht wahr sein»! «Aber es ist einfach so, es tut mir so leid»! Ich war bestürzt, fassungslos, verletzt und unendlich traurig! Offensichtlich war da
ein Südamerikaner, ein amischer Mennonit, der Jeanne-Marie umschwärmte. Sie hatte mir berichtet wie er ihr immer den Stuhl zurechtrückte, bevor
sie sich hinsetzte usw. Ich hatte mir darüber keine weiteren Gedanken gemacht. Von Eifersucht keine Spur. Ich war mir unserer gegenseitigen Liebe
so sicher gewesen.
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Es musste doch einfach möglich sein, meine Braut Kraft meiner Liebe und
Zuneigung zurückzuholen! Aber nun hatte sie bereits den Ehering abgestreift und hielt diesen in der Hand, um ihn mir zurückzugeben! Ich war
unbeschreiblich bekümmert und seelenwund!
Ausser mir, sagte ich kurzentschlossen folgendes: « Wenn du jetzt wirklich
unsere Verlobung auflösen und mir den Ring zurückgibst und ich dir den
meinen ebenfalls geben muss, bitte ich dich auszusteigen. Aber dann musst
du selbst schauen, wie du auf den Bienenberg zurückkommst. Ich werde
dich nicht hinfahren! Nur wenn wir die Eheringe noch behalten, über unsere Beziehung beten und uns Zeit lassen, zum Nachdenken, fahre ich dich
zurück.» Ich stieg aus dem Auto, ging zur Beifahrertür, öffnete diese und
sagte: «Wenn das wirklich dein Ernst ist, und du von mir nichts mehr wissen willst, dann komm schon, steig aus!»
Und dann verliess sie tatsächlich das Auto. In meiner Frustration und Verzweiflung wolle ich wissen: «Und wie kommst du jetzt auf den Bienenberg
zurück?» Kaum hörbar gab sie zur Antwort: «Ich weiss es nicht.» Ich fuhr
fort: «Nimm doch mein Angebot an: Lass uns Zeit, zum Beten und uns
Beraten».
Was war der Grund für Jeanne-Maries anschliessende Reaktion: Die Kälte?
Unsicherheit? Schuldgefühle? Doch noch Liebe? Mein Ultimatum? – Vielleicht von allem etwas. Am meisten war es sicher die Gnade Gottes, dass
sie sich wieder ins Auto setzte. Fassungslos, aber doch ein wenig hoffend
brachte ich meine Braut zurück auf den Bienenberg. Aus dem Geleise geworfen, hatte ich sogar die Sprache verloren! Aber vielleicht war das gut so.
Was gab es da noch zu sagen?!
Umso erstaunlicher war es, dass meine Braut innerhalb weniger Tage eine
totale Kehrtwende und einen Sinneswechsel vollzog. Mein Verhalten hatte sie ebenfalls verletzt, aber wahrscheinlich trotz allem dazu beigetragen,
dass sie zur Besinnung und Ernüchterung kam. Mit Datum vom 12.12.1957
erhielt ich einen Brief von ihr, den ich gleich beantwortete. Ich schrieb:
«Meine innigstgeliebte Jeanne-Marie!
Ganz bestimmt erwartest du von mir einen Brief. Für denjenigen von dir,
den ich heute Morgen erhalten habe, danke ich dir vielmals. Zuerst wurde
ich dadurch noch verwirrter. Nun ist aber langsam eine bemerkenswerte
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Ruhe über mich gekommen. Dafür bin ich sehr dankbar! Denn ich hätte
es unmöglich mehr ausgehalten. Ich war völlig verzweifelt! Ich sah keinen
Ausweg mehr. Beinahe alle Hoffnung hatte mich verlassen. Ich fühlte nur
noch Nacht und Kälte». Der Gedanke, dass es dir ähnlich ergehen würde,
war furchtbar. Bis vor ein paar Stunden hätte ich noch nicht sagen können:
«Ich will dir vergeben und vergessen.» Aber nun kann ich es und zwar von
ganzem Herzen. Und ich glaube, auch Gott hat uns vergeben.
Nun möchte ich dich, meine liebste Jeanne-Marie, meinerseits um Verzeihung bitten. Ich weiss, dass ich dich verletzt habe. Du bist auch beleidigt,
weil ich mein Herz bei meiner Mutter ausgeschüttet habe. Aber ich konnte
nicht anders: Ich «war am Ende». Mein Innerstes war völlig zerrüttet. Es
ist mir nicht möglich, zu schildern, was für furchterregende Gedanken in
meinem Herzen Einlass finden konnten. Am Sonntag hoffte ich so sehnsüchtig auf einen Sinneswandel von dir, bis zu dem Moment wo ich dir auf
Wiedersehen gesagt habe... Wie sehr habe ich gehofft, du würdest sagen,
dass du bei mir bleiben willst. Doch da war alle Hoffnung weg und ich war
allein, allein mit der «eiskalten» Realität.
So zumute war es mir noch nie in meinem Leben! Ich schrie nachher im
Auto vor Verzweiflung und Einsamkeit... Am Telefon hast du mir dann doch
ein wenig Hoffnung gemacht. Aber gell, mein Liebstes, wir wollen jetzt
nicht mehr traurig sein. Es ist, als hätte ich dich wiedergefunden. Ich habe
vor allem etwas gefunden in dir: Offenheit. Diese Offenheit, die aus deinem
Brief strahlt, ist etwas vom Grössten für mich im ganzen Brief. Wie glücklich bin ich, dass du mit mir über alles sprechen willst. Ja, meine liebste
Jeanne-Marie, wir werden einander sehr viel zu sagen haben. Hoffentlich
ist unsere Liebe durch diese Bekümmernis gewachsen und reifer geworden!
Dir, von dieser Liebe die Fülle sendend, umarme ich dich ganz innigst zart
und sende dir viele warme Küsse,
Dein Ruedi, der dich ganz fest liebt, wieder glücklich ist und viel an dich
denkt.»
Hier noch ein Text, den ich meiner Braut mit diesem Brief geschickt habe:
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Ich will den Herrn loben alle Zeit. Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.
Meine Seele soll sich rühmen des Herrn. Preise mit mir den Herrn.
Lasst uns miteinander Seinen Namen erhöhen!
Da ich den Herrn suchte, antwortete er mir und errettete mich aus
aller meiner Furcht.
Welche auf Ihn sehen, die werden erquickt, und ihr Angesicht wird
nicht zu Schanden.
Der Engel des Herrn lagert sich um die her, so Ihn fürchten, und
hilft ihnen aus.
Schmecket und sehet wie freundlich der Herr ist. Wohl dem, der
auf Ihn traut!
Fürchtet den Herrn, ihr Seine Heiligen, denn die Ihn fürchten,
haben keinen Mangel an irgendeinem Gut. (Psalm 34,1-11)
Vier Tage später schrieb ich noch einmal und legte dem Brief eine Karte bei,
auf der betende Hände abgebildet waren mit dem Bibelwort aus Jakobus 1,6,
wo stand: Zweifle nicht! Der Brief begann mit:
«Meine innigst geliebte Jeanne-Marie,
Als ich dieses erste Wort der Anrede – Meine – schrieb, durchströmte mich
ein so glückseliges Gefühl; denn ich weiss: Du bist ganz neu MEIN. Du
kannst dir gar nicht vorstellen, was dieses eine Wort für mich bedeutet,
mein Liebes ...»
Es war ganz einfach erstaunlich und ein Gnadengeschenk Gottes, dass wir
uns innerhalb so kurzer Zeit wiederbekommen und unser Verlöbnis erneuern konnten!
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Die letzten Weihnachtsferien
zu Hause und Umzug meiner
Familie ins Waadtland
Nun vereinbarten wir, die zwei Wochen Weihnachtsferien bei uns zu Hause
zu verbringen. Zugleich würden dies die letzten Wochen sein, zusammen
mit meinen Eltern, im trauten Heim, im Gürbetal, wo ich meine Kindheit
und Jugendzeit zugebracht hatte.
Unser Zuhause im Winter mit dem «legendären» Birnbaum
Bereits im vergangenen Herbst hatten sich meine Eltern den lang gehegten
Wunsch erfüllt und im Waadtland einen Hof gekauft. Damit verwirklichte sich ebenfalls der Traum für meinen Bruder, einmal ein eben gelegenes
Heimwesen zu bewirtschaften. So würde unsere Familie nach dreissig Jahren wieder umziehen.
Die Weihnachtsferien waren für uns eine gesegnete Zeit. Das sich Mitteilen
und Aussprechen tat gut. Sich geistlich neu auszurichten, war ebenfalls
segenbringend. Bereits zeichnete sich für unsere Zukunft eine Lösung ab.
Im Kanton Bern musste bei der Evangelischen Gesellschaft eine Stelle neu
besetzt werden. Der gegenwärtige Amtsinhaber war verwitwet und wurde
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im Frühjahr pensioniert. Da ich bereits in Aeschi ein Praktikum absolviert
hatte, stand meiner künftigen Anstellung nichts im Wege. Bereits vor meiner Einsegnung im Juli 1958, würde ich den vollzeitlichen Dienst als Evangelist in Schwarzenburg aufnehmen.
Im März war dann noch der Umzug meiner Eltern auf den neuen Hof im
Waadtland anstehend. Da mein Bruder die Rekrutenschule absolvierte, übernahm ich die erste «Züglete». Mit dem bereits angeschafften Traktor sollte
ich das Inventar, das heisst, vor allem die landwirtschaftlichen Gerätschaften,
nach Cuarnens, unserem neuen Bauerndorf, in der Nähe von Cossonay transportieren.
So wurde bei uns zu Hause diesbezüglich alles vorbereitet. Wie abgemacht
fuhr ich am entsprechenden Wochenende nach Hause. Am Montagmorgen
sollte es losgehen. Dann fielen über Nacht fast zwanzig Zentimeter Schnee.
Als ich den vollbeladenen neuen Pneuwagen von der Einfahrt herunterfuhr,
kam das Gefährt ins Rutschen. Dabei kippte der Wagen seitlich um. Das war
eine Bescherung! Alles musste neu beladen werden! Wir versuchten vergeblich jemanden zu finden, der mich begleiten könnte. Direkt am Traktor war
ein vollbepackter Anhänger und hinter diesem der wieder beladene Pneuwagen angehängt.
Mit reichlicher Verspätung machte ich mich dann alleine auf den langen Weg.
Bereits im Nachbardorf gab es wieder Probleme. Die Räder des Traktors drehten auf der ansteigenden, schneebedeckten Strasse durch. So musste ich den
Wagen abhängen und zuerst mit dem Anhänger diese Strasse hinauffahren.
Anschliessend galt es den Pneuwagen zu holen, das Ganze wieder zusammenzuhängen, um dann den Weg fortzusetzen. Nachmittags wiederholte sich das
Ganze noch einmal auf der Strasse von Moudon nach Sottens. Als ich das zweite Gefährt nachholte, kam der Traktor wieder hoffnungslos ins Schleudern.
Zum Glück hielt ein Lastwagen an. Der Chauffeur half mir dann weiter. Im
Dorf Sottens koppelte ich alles wieder zusammen und fuhr weiter. Aber oh
weh! Beim Dorfausgang schleuderte der Traktor aufs Neue. Nun war ich wirklich beinahe am Ende mit meiner Fassung. Da kam mir ein Bauer zu Hilfe. Mit
seinem Traktor half er mein Gefährt auf die Anhöhe hinaufzufahren.
Spät abends nach acht Uhr kam ich endlich doch noch wohlbehalten und
dankbar in Cuarnens an. Hier pflanzte ich noch eine Trauerweide, welche ich
zu Hause – zusammen mit meinem Bruder – im vergangenen Sommer aus
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dem Fluss gefischt hatte. Diese steht noch heute als stumme Zeugin und als
Erinnerungssymbol vor dem Haus.
Einige Zeit später vollzog sich dann der endgültige Umzug unserer Familie
ins Waadtland. Für die Eltern war diese Umstellung eine grosse Herausforderung. Die französische Sprache war ihnen fremd. Doch fühlten sie sich gut
aufgenommen und lebten sich erstaunlich schnell ein. Nie hätte ich gedacht,
dass sich mein Vater, mit seinen bald sechzig Jahren, noch so gut auf die neue
Situation umstellen könnte. Bald machte ihm das Traktorfahren richtig Spass.
Initiativ wie immer, entschied er sich zum Bau einer Optigal Poulethalle.
Jahre später wurde sogar eine zweite erstellt. (Pro Halle werden innert ca.
40 Tagen jeweils 2500 Poulets gemästet)
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Ich werde Evangelist
der EGB
Nachdem ich im Sommer 1957 in Aeschi ein Praktikum absolviert hatte,
war es beschlossene Sache, dass ich nach dem Studienabschluss als Evangelist in diesem Werk angestellt würde. Es war vorgesehen, dass ich das
verwaiste Arbeitsfeld im Schwarzenburgerland übernehmen sollte.
So zog ich direkt nach dem Studienabschluss in das bereits verlassene alte
Vereinshaus meines Vorgängers. Von ihm konnte ich auch eine Anzahl
christliche und theologische Literatur übernehmen. Bereits während meiner Ausbildung hatte ich mir eine stattliche theologische Büchersammlung
angeschafft. Ich war sogar im Besitz der wertvollen sogenannten «Schatzkammer Davids» von Spurgeon. (das ist eine geschätzte Auslegung der Psalmen). Die neuste Ausgabe der RGG (Religion in Geschichte und Gegenwart)
hatte ich zum Subskriptionspreis während dem Studium erstanden. Die
letzte Lieferung war noch ausstehend. Die Bücher waren im Moment mein
ansehnlichster Besitz. Daneben besass ich nur noch ein Bett, einen Tisch
und ein paar Sessel.
Das Vereinshaus war wirklich alt und verfügte nicht einmal über ein Badezimmer. Unverzüglich unternahm ich die nötigen Vorkehrungen, um ein
solches einzurichten. Nebst der örtlichen Hauptgemeinde hatte ich sechs
weitere Versammlungsorte zu betreuen. Im Vereinshaus kam der Kirchenchor jede Woche zur Probe zusammen. Am Sonntagmorgen war jeweils
Sonntagsschule. Auf dem Aussenposten in Mittelhäusern dirigierte ich den
gemischten Chor, was zu Beginn für mich eine echte Herausforderung war.
Im Juli fand dann meine Ordination auf St. Chrischona statt. An dieser nahmen natürlich meine Braut und meine Eltern teil. Jeanne-Marie hatte nach
dem Abschluss ihrer Bibelschule in Basel eine Haushalt-Stelle angetreten,
um die deutsche Sprache zu vervollkommnen und zusätzlich etwas zu verdienen. Während der letzten Jahre hatte sie nebst der Aussteuer bereits
einiges für den Haushalt angeschafft. Nun galt es, die Möblierung unserer Wohnung ins Auge zu fassen. In Thun konnten wir diesbezüglich alles
Nötige günstig einkaufen und auch bar bezahlen. Nur für einen Bürotisch
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reichte es nicht mehr. Als der Firmeninhaber, für den ich bei den Mitstudenten günstige Occasionschreibmaschinen vermittelt hatte, dies erfuhr,
sagte er: «Ich stelle ihnen einen Schreibtisch mit beidseitigen, vollausziehbaren Schubladen zur Verfügung. Sie können ihn bezahlen, wann immer
es ihnen in der Zukunft möglich ist.» Dieses Möbelstück schätze ich noch
heute sehr.
Einmal möbliert sah die Wohnung nun viel «heimeliger» aus. Es fehlte nur
noch die Hauptsache, das Herzstück: Meine zukünftige Gattin. Die letzten
Wochen vor unserer Hochzeit verbrachte meine Braut bei ihr zu Hause.
Sie nähte die Vorhänge für unser Heim, liess sich von der Schneiderin den
Hochzeitsrock anfertigen und viel anders mehr.
Unsere Hochzeit war für Samstag, den sechsten September 1958, in der
Kirche Riggisberg geplant. Die Trauung sollte mein Unterweisungspfarrer,
Ernst Hoffman, der jetzt Dozent auf Chrischona war, vornehmen. Gemäss
meinem Empfinden war er während meiner vierjährigen Ausbildungszeit
einer unserer besten Lehrer auf St. Chrischona.
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Unsere Hochzeit und
sogleich unerwartete
Schwierigkeiten
Endlich war es so weit: Unsere Hochzeit stand unmittelbar bevor, sie rückte jeden Tag näher. Wir wollten unsere gegenseitige Liebe mit unseren
Eheversprechen in der Kirche krönen. Damit würde sich die Tür zu einer
völlig neuen, gemeinsamen Wanderung öffnen. Uns war bewusst, dass die
Zukunft viele Ungewissheiten bereithielt. Wir durften uns jedoch auf Jesus,
den Emanuel (Gott mit uns) verlassen. Er würde der Dritte in unserem
Ehebund sein!
Die letzten paar Tage vor der Hochzeit kam Jeanne-Marie nach Schwarzenburg, um bei den Vorbereitungen mitzuhelfen. Sie brachte die ganze
Aussteuer, Hausrat und die genähten Vorhänge mit. Meine Braut hatte sich
bei einer lieben Witwe, welche im Nachbarhaus wohnte, einquartiert.
Wir als Hochzeitspaar
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Mit den Trauzeugen
Der Hochzeitstag zog frisch und klar ins Land und war von strahlendem
Sonnenschein begleitet. Das Wetter war wie gemacht, für diesen denkwürdigen Tag. Die Trauung war um 11 Uhr festgesetzt. In ihrem aus St.gallischer Stickerei gefertigten Hochzeitskleid sah Jeanne-Marie zauberhaft aus! Die festlich geschmückte Kirche war voll besetzt. Nebst unseren
Verwandten und Bekannten waren viele Gemeindeglieder anwesend. Nun
war das Mädchen, welches ich seit Jahren geliebt habe meine Gattin. Das
war einfach wunderbar! Nach der Trauung erwartete uns im Gemeindesaal
ein Mittagessen. Mit einem Autocar machten wir dann eine Ausfahrt in die
herrliche Bergwelt. Abends wurde der Hochzeitsgesellschaft, während einem ausgiebigen Nachtessen, ein buntes Programm dargeboten.
Am folgenden Tag reisten wir in die Hochzeitsferien. Diese verbrachten
wir im Unterengadin. In einem kleinen Bergdorf hatten wir eine Ferienwohnung gemietet. Mehr konnten wir uns nicht leisten. Doch genossen
wir diese Tage in vollen Zügen. Im Nationalpark beobachteten wir Tiere
und erfreuten uns an der schönen Natur. Ausflüge ins Appenzellerland, ins
Rheintal und an (oder besser mit einem Mietboot auf) den Bodensee waren
Höhepunkte unserer Flitterwochen. Wir genossen unser Glück der Zweisamkeit in vollen Zügen.
Nach meiner offiziellen Amtseinsetzung, war ich nun Evangelist der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Bern (EGB). Seit meiner Kindheit war
ich in diesem innerkirchlichen Gemeinschaftswerk durch meine Familie
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integriert. Bereits meine Grosseltern waren engagierte Mitglieder und meine Eltern besuchten regelmässig die Gottesdienste, Bibelstunden und Festanlässe der Evangelischen Gesellschaft. Ein reger Kontakt hatte sie mit den
jeweiligen Evangelisten verbunden, welche bei uns ein- und ausgegangen
waren.
Für meine liebe Frau war der Start in der neuen Gemeinde alles andere als
einfach. Einerseits wurde sie als «Welsche» nicht von allen Gemeindegliedern herzlich aufgenommen. Andererseits kamen extreme, gesundheitliche
Schwierigkeiten hinzu. Unmittelbar nach unsrer Hochzeit wurde JeanneMarie schon schwanger. Wir hatten uns auf das Beachten der Fieberkurve
verlassen, um eine sofortige Schwangerschaft zu verhindern. Leider ohne
Erfolg.
Da unser Hausarzt in den Ferien weilte, kam seine Intervention fast zu
spät. Seit Tagen, ja sogar Wochen hatte Jeanne-Marie sämtliche Nahrung
erbrochen. Die Situation wurde so schlimm, dass sie ins Spital eingeliefert
werden musste, wo man sie künstlich ernährte.
Unmittelbar kam ein weiteres, grosses Problem auf uns zu: Durch den
Krankenkassenwechsel ergab sich damals noch eine dreimonatige Karenzzeit. Das hiess, dass die neue Kasse während den ersten drei Monaten keine Kosten übernahm. Da der Schwangerschaftsbeginn während dieser Zeit
stattgefunden hatte, mussten wir alle anfallenden Kosten, inklusive derjenigen der Geburt, selber bezahlen.
Mein Monatsgehalt betrug gerade 432.- Franken. Allerdings wurden uns für
die Wohnung, nebst den Nebenkosten nur 300.– Franken im Jahr belastet.
Der selbstlose Einsatz und die Unterstützung unseres Hausarztes waren für
uns von unschätzbarem Wert! Er unternahm alles, damit meine Frau möglichst bald wieder zurück nach Hause kommen konnte. Danach wurden die
täglichen Infusionen in unserem Schlafzimmer ausgeführt! Manchmal kam
der Arzt selber, meistens aber seine Assistentin. Unser Hausarzt kam uns
derart entgegen, dass wir zuletzt nur die Medikamente bezahlen mussten!
So bewahrheitete sich das Sprichwort für uns, insbesondere für meine liebe
Frau: «Aller Anfang ist schwer!» Jedoch durften wir die Liebe und Fürsorge
unseres himmlischen Vaters hautnah erfahren.
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Meine Bemühungen, eine Jugendgruppe zu gründen, waren bald einmal
erfolgreich. Sogar Jugendliche ausserhalb unserer Gemeinde machten
mit. Am Sonntagmorgen hielt ich jeweils Sonntagsschule, nachmittags
und abends Gottesdienste. Insgesamt waren sieben Predigtorte zu bedienen. Ferner wurde natürlich mein Mitwirken im Kirchenchor erwartet. Ein
erster, kleiner Höhepunkt war das Erntedankfest. Das Vereinshaus war alt.
Es stand auf einer Anhöhe und war nur durch einen Fussweg zugänglich!
Trotzdem war die Anteilnahme am erwähnten Anlass gross. Das war für
mich sehr ermutigend. Dann rückte bereits die Advents- und Weihnachtszeit heran. Diese war sehr arbeitsintensiv. An allen sieben Predigtorten fanden Feiern statt.
Leider wurde dieser besondere Zeitabschnitt infolge des Gesundheitszustandes meiner Gattin überschattet.
Nicht nur bei uns in der Gemeinde, sondern auch auswärts, sogar in Schulen und Ferienlagern, veranstaltete ich Filmvorträge. Darunter befanden
sich vor allem Billy Graham- sowie Dokumentarfilme vom Moody-Bibelinstitut.
Leider verbesserte sich der Zustand von Jeanne-Marie nicht. Der Arzt hatte
sich so geäussert, dass die zweite Schwangerschaftshälfte sicher besser verlaufen würde. Stattdessen verschlimmerte sich der Zustand meiner Frau
zusehends. Am Samstag, den 8. Januar erklärte der Arzt bei seiner Visite:
«Leider muss ich die Patientin ins Spital nach Bern einweisen.» Ich entgegnete: «Aber bitte nicht heute, morgen ist ihr Geburtstag. Das kann doch
wohl bis am Montag warten.» Doch er antwortete: «So leid es mir tut, aber
ich kann die Verantwortung für ein Zuwarten nicht übernehmen. Ich lasse
euch eine Stunde Zeit, dann teilt mir eure Entscheidung mit.»
Das war hart, sogar sehr hart! Wir beteten und weinten zusammen. Bald
wurde uns klar: Wenn der Arzt die Verantwortung des Zuwartens nicht
übernehmen konnte, konnten wir es natürlich auch nicht. Dies teilte ich
dann dem Arzt mit. Dieser erwiderte: «Ich werde ihre Frau ins Zieglerspital
einweisen. Meines Erachtens leidet sie an einer Gallenblasenentzündung.
Ich verfasse einen Bericht, den sie in einer halben Stunde abholen können.
Eigentlich müsste ich ihre Gattin ins Frauenspital einweisen. Doch hier
würde man sie bis nach der Entbindung behalten.» Unser Hausarzt war
wirklich unbezahlbar! Im Spital bestätigte sich dann bald seine Diagnose in
Bezug auf die Gallenblasenentzündung.
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Zu meiner intensiven Arbeit in der Gemeinde kamen nun noch die Besuche
im Spital hinzu. Glücklicherweise wurde ich in dieser Zeit öfters von Gemeindegliedern zum Essen eingeladen.
Nach langen drei Wochen hatte sich der Zustand meiner lieben Frau so weit
stabilisiert, dass sie probeweise nach Hause kommen konnte. Das Spitalärzteteam hatte eine Medikation zusammengestellt, welche dies erlauben
sollte. Jeanne-Marie wurde jedoch mit der Auflage entlassen, dass der Hausarzt die weitere Kontrolle und Verantwortung voll übernehmen würde. Dieser war mit dieser vorgeschlagenen Betreuung einverstanden. Erfüllt von
Dankbarkeit, holte ich meine Frau nach Hause.
Diese beschwerliche Zeit machte aus unserer Ehe eine wirkliche Schicksalsgemeinschaft. Freilich wurde unser Glaube schwer geprüft. Aber wir
durften uns an die Bibelstelle aus Römer 8,31-39, welche in unseren Eheringen eingraviert war verlassen. Gottes Wort gilt und trügt nicht! Wichtig
ist, dass wir durchhalten und Gott vertrauen würden. Er führt uns auf dem
rechten Weg um seines Namens Willen.
Hie und da kam uns meine Mutter ein paar Tage zu Hilfe. Im Garten vor
dem Haus säte sie bereits anfangs März Karotten aus. Meinerseits war ich
gefordert, für Jung und Alt Gottes Wort auszusäen und in der Gemeinde
mein Bestes zu geben.
Schwer belasteten uns die Spital- und Medikamentenrechnungen. Wir hatten das Geld dafür nicht. Da sagte mir ein Kollege, dass für solche Fälle
ein Fond existiere. In einem Schreiben schilderte ich unsere Situation und
sandte den Brief nach Bern an die zuständige Behörde. Bald darauf wurde
ich vom Präsidenten zu einem Gespräch eingeladen. Dieser erklärte mir,
das Hauptkomitee sei der Ansicht, dass mir meine Eltern beistehen sollten.
«Diese haben mir schon mein Studium bezahlt und sind nun durch den
Kauf des Bauernhofes im Waadtland stark verschuldet», erklärte ich. «Das
habe ich mir gedacht», antwortete der Präsident. «Wir können ihnen ein
zinsfreies Darlehen gewähren. Ich denke jedoch, dass ihnen ein geschenkter Geldbetrag dienlicher ist.» Dann öffnete er seinen Geldbeutel und überreichte mir drei Hunderternoten. Diese freundliche Geste habe ich nie vergessen!
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In dieser schwierigen Zeit, in welcher wir nicht wussten, wie wir all die
Rechnungen bezahlen sollten, machte ich ein Versprechen: «Wenn ich in
der Zukunft einmal Tausend Franken sparen kann, werde ich diese ganz
sicher nicht zur Bank bringen. Eher werde ich mir dazu das Zehnfache leihen und damit etwas unternehmen. Davon konnte aber vorerst keine Rede
sein: Im Moment hatte ich nicht einmal das Geld, um den Schreibtisch zu
bezahlen. Doch ich war überzeugt, dass mir auch diese Schwierigkeiten
zum Besten dienen sollten.
Umso mehr klammerten wir uns an Gottes Versprechen in der Bibel und
waren zuversichtlich, dass Gott uns nicht im Stich lassen würde. Sein Wort
ist verlässlich, und was er zusagt, gilt, wie zum Beispiel: «Bemüht euch
um das Reich Gottes und lebt nach seinem Willen. Dann wird Gott
euch mit allem anderen versorgen.» (Matth.6,33) Und Gott, unser
himmlischer Vater, war wirklich treu. Er hat uns versorgt; nicht auf einmal,
aber immer und immer wieder. Wir konnten nur staunen…
Nach der Heimkehr von Jeanne-Marie besserte sich ihr Zustand ein wenig.
Sie konnte sogar den antiken Stubenwagen, welchen sie von zu Hause leihweise erhalten hatte, für das erwartete Bébé vorbereiten.
Nebst der intensiven Gemeindearbeit engagierte ich mich bei der Mitarbeit
für die vorgesehene Grossevangelisation mit Billy Graham in Bern.
Zudem planten wir den Bau eines neuen Gemeindesaales mit Garderobe
und Toiletten. Gleichzeitig würde man eine Autozufahrt sowie einen Parkplatz errichten.
Herr Architekt Binggeli wurde beauftragt, das ganze Vorhaben auszuarbeiten und uns dann zu unterbreiten. Hinter dem Wohntrakt sollte das alte
Gebäude abgerissen und ein neuer Saal mit Garderobe, WC Anlagen und
einer Autogarage gebaut werden. Zudem sollte für uns endlich ein richtiges
Badezimmer eingebaut werden.
Meinerseits war ich gefordert, nebst dem Bauvorhaben für Jung und Alt
Gottes Wort auszusäen. In der Gemeinde mein Bestes zu geben, befriedigte
mich sehr.
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Die beschwerliche Geburt
unserer Suzanne
Aber zuvor würde unser Kind zur Welt kommen. Als sich dann im Sommer 1959 die ersten Wehen einstellten, brachte ich meine Frau zur Entbindung ins örtliche Krankenhaus. Nun begann ein langwieriges Warten. Der
Muttermund wollte sich einfach nicht öffnen. Leider hatte unser Hausarzt
als Allgemeinpraktiker keinen Einfluss auf diese Situation. Dies war dem
Chirurg des Spitals, einem älteren Herrn, vorbehalten. Dass wir weder ihn
noch er uns kannte, verschlimmerte die Situation erheblich. Die Hebamme
verabreichte Medikamente, welche jedoch nicht wirkten. Nachdem ich zwei
Tage und eine Nacht bei meiner Frau ausgeharrt hatte, schickte man mich
für die zweite Nacht nach Hause. «Sobald die Geburt ansteht, rufen wir
sie an», erklärte man mir. Nur widerwillig verliess ich das Krankenhaus.
Nach einer unruhig verbrachten Nacht kam am nächsten Tag endlich der
sehnsuchtsvoll erwartete Anruf. Man hatte nun doch den Chirurg konsultiert, um wenn möglich einen Kaiserschnitt vorzunehmen. Es stellte sich
jedoch heraus, dass es dafür zu spät war. Der Geburtsvorgang war bereits zu
weit fortgeschritten. Als dann die Herztöne des Kindes immer schwächer
wurden, unternahm man schnell drastische Massnahmen: Eine sogenannte
Zangengeburt. Und endlich erblickte unser Kind nach 52 Stunden am 6.
Juni 1959 das Licht der Welt. Oder vielleicht doch nicht?! Sein Hals war mit
der Nabelschnur umwickelt und das Neugeborene, ein Mädchen, gab kein
Lebenszeichen von sich. Nur ganz kurz konnten wir einen Blick auf unser
Neugeborenes werfen, dann brachte man es weg. Noch heute sehe ich unser
Bébé vor mir: Es war ganz weiss mit schwarzen Haaren auf seinem runden
Köpfchen.
Meine liebe Frau und ich hatten sofort realisiert, dass es grosse Schwierigkeiten gab. Wir konnten nur beten. Inständig erflehten wir, im Namen
Jesu, um Gottes Gnade und sein herzliches Erbarmen mit uns. Ich konnte
mir einfach nicht vorstellen, dass nach all den Mühsalen, Problemen und
Schwierigkeiten der mit Liebe und Hingabe vorbereitete Stubenwagen zu
Hause leer bleiben sollte. Das würden wir – vor allem meine liebe Gattin –
kaum verkraften können. Gott hatte doch zugesagt, dass er uns mit allem
versorgen würde! Und dann geschah das gewaltige Wunder: Das Kind lebte!
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Unser Glück und unsere Freude waren unbeschreiblich. Voller Dankbarkeit
erkannten wir, dass uns unser kleines Mädchen ein zweites Mal geschenkt
worden war.
Schon lange im Voraus hatten wir den Namen des Kindes festgelegt. Würde
es ein Mädchen sein, sollte es Suzanne heissen; ein biblischer Name. Aus
dem Hebräischen «shoshan» übersetzt bedeutet er «Lilie». In wunderbarer
Weise hatte Gott sich in seiner Liebe unser herzlich erbarmt und uns durch
unsere Erstgeborene beschenkt! Dieses kleine Geschöpf, die Veranschaulichung unserer ehelichen Liebe, Fleisch und Blut von uns Eltern ausgegangen, war unbezahlbar kostbar: Wir konnten dies alles kaum fassen. Es war
ganz einfach wunderbar!
Jeanne-Marie mit der neugeborenen
Suzanne auf dem Balkon
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Wir machten in unserem Bezirkskrankenhaus noch eine zusätzliche, negative Erfahrung: Leider schoss die Muttermilch nicht sofort ein und das
Bébé hatte Mühe zu trinken. Anstatt der Mutter und dem Neugeborenen
die nötige Hilfe und Unterstützung zu gewähren, wurde der Milchfluss kurzerhand abgestellt. Natürlich beinhaltete das für uns zusätzliche finanzielle
Auslagen. Die Rechnungen häuften sich zusehends. Wo sollten wir das Geld
hernehmen um alles zu bezahlen? Wir mussten um zusätzliche Zahlungsfristen nachsuchen und Geld borgen.
Jedoch wog das Erleben mit unserem Bébé alles Negative bei weitem auf.
Mindestens einmal pro Monat fuhren wir ins Waadtland zu meinen Eltern.
Der kleinen Suzanne behagten diese Fahrten scheinbar. Insbesondere meine Mutter genoss die Zeit zusammen mit ihrem Grosskind sehr. Suzanne
war nicht gerade ein einfaches Baby. Sie weinte viel, besonders nachts.
Vom Hof meiner Eltern konnten wir jeweils wertvolle Erzeugnisse, Kartoffeln, Gemüse, Früchte und sogar Fleischprodukte mitnehmen.
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Bau im Reich Gottes
und am Vereinshaus
Ein Höhepunkt im Jahr war die Grossevangelisation mit Billy Graham in
Bern. Als ich an einem Abend dahin fuhr, war im gegenüber liegenden, benachbarten «Freiburgischen» ein Grossbrand im Gang. Ich hielt das Auto
an, stieg aus und schaute dem Spektakel eine Weile zu. Ein grosser, abgelegener Bauernhof stand im Vollbrand. Scheinbar war die Feuerwehr machtlos, weil kein Wasser vorhanden war.
In diesem Moment konnte ich bei Weitem nicht erahnen, dass dieses Geschehnis für uns noch weitreichende Folgen haben würde. Ich werde später
darauf zurückkommen.
Nach der Evangelisation erhielt ich zwei Adressen von Personen aus unserer Umgebung zugeschickt, welche ihr Leben Jesus anvertraut hatten. In
der Folge besuchte ich diese. Doch waren diese Folgegespräche leider nicht
sehr fruchtbar. Sie wollten sich nicht engagieren und zogen sich zurück.
Ich besuchte gerne Gemeindeglieder, sowohl bei ihnen zu Hause als auch
im Spital. Damals wurden dem Seelsorger vom Spital noch die Namen der
eingewiesenen Patienten aus seinem Einzugsgebiet mitgeteilt. Doch einmal
erlebte ich eine böse Enttäuschung. Als ich im Krankenhaus eine freidenkerische Lehrerin besuchte, wurde diese unwillig und wies mir die Tür. Dieses
desavouierende, negative Erlebnis habe ich nie vergessen.
Nun zur Renovation unseres Vereinshauses: An einer Sitzung stellte der Architekt das ganze Vorhaben vor. Es war sicher von Vorteil, dass Herr Binggeli ein engagierter Mann in der Kirche war. Seine Vorschläge und Konzepte
waren gut überlegt und praktisch. Hinter dem Wohnhaustrakt sollte das
alte Gebäude abgerissen werden. Ein neuer Predigtsaal mit Eintrittsraum,
Garderobe, WC-Anlagen und einer Autogarage wurde projektiert.
Gleichzeitig sollte für uns auch ein richtiges Badezimmer eingerichtet werden. Zudem würde von der hinteren Gasse eine Zufahrtsstrasse mit Parkplatz entstehen. Das ganze Vorhaben fand eindeutige Zustimmung.
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An dieser Sitzung wurde noch ein weiteres Traktandum behandelt: Da die
Gemeinde keine Abendmahlsgeräte besass, sollten solche angeschafft werden. Es wurde lange diskutiert, ob man nur einen oder zwei Kelche kaufen
wolle. Da legte der Architekt kurzerhand zwei Hundertfrankenscheine auf
den Tisch und sagte: «Möge ihnen damit der Kauf von zwei Kelchen ermöglicht werden.»
Meinerseits war ich gefordert, für Jung und Alt Gottes Wort zu verkündigen, diesbezüglich in der Gemeinde mein Bestes zu geben.
Am Um- und Ausbau beteiligten sich viele Gemeindeglieder, je nach ihren
Möglichkeiten. Persönlich setzte ich mich ebenfalls voll ein. Die Saat, welche mein Vater all die Jahre bei den vielen Renovations- und Umbauarbeiten, auf unserem Hof in mein Leben hinein gesät hatte, war nicht umsonst
gewesen. Hier konnte ich das Erlernte zum ersten Mal voll einsetzen. Dann
ging eines Nachts ein starkes Gewitter nieder. Das Dach war notdürftig mit
einer Blache abgedeckt worden und wir erlebten einen starken Wassereinbruch. Die Wohnstube wurde überflutet und unser Teppich und die Polstergruppe stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Dach war von Gemeindegliedern provisorisch und unsachgemäss abgedeckt worden. Deshalb gab
es keine Versicherung, um den Schaden zu vergüten. Dafür erhielten wir
einen neuen Stubenboden.
Ein Höhepunkt war dann die
Einweihung des umgebauten
Vereinshauses und des neuen Saals. Hier ein Auszug aus
dem Bericht, der damals in den
«Brosamen» erschienen ist:
Am 13. September 1959 versammelte sich eine festliche
Der Ausbau vom Vereinshaus in
Gemeinde zur Feier der EinSchwarzenburg
weihung des Um- und Erweiterungsbaues auf dem «Märitplatz». Nach der Begrüssungsrede übergab der Ortsprediger Staub Architekt
Binggeli das Wort. Dieser schilderte auf interessante Weise, wie das Ganze
begonnen hatte... Er lobte die vorzügliche Zusammenarbeit: «Der ganze
Bau hätte niemals in dieser Weise durchgeführt werden können, wenn sich
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nicht viele Glieder der Gemeinde mit derart selbstlosem Dienst beteiligt
hätten... Das meiste Bauholz war geschenkt und -von den Bauern gefällt
– zur Säge und dann zum Vereinshaus transportiert worden. Der ganze
Aushub, die Kanalisations- und die Dachdeckerarbeiten und anderes mehr,
geschahen durch freiwillige Einsatz.» Dann gab Architekt Binggeli noch
seiner Hoffnung Ausdruck, dass dieser Saal seiner Bestimmung als Ort der
Begegnung mit Gott dienen möge...
Alt Inspektor Keller überbrachte die Grüsse des Hauptkomitees und gratulierte herzlich zum neuen Saal: «Wenn man den Zugang und den Saal von
vorher kannte, muss man sagen: Siehe es ist alles neu geworden!» Dann
gab er der Hoffnung Ausdruck, dass das auch für die Gemeinde zutreffen
möge.»
Die Feier war umrahmt von den Vorträgen dreier Chöre, des Posaunenchors, der Jugendgruppe, der Sonntagsschule sowie durch Klavierstücke
von Haydn und Bach, gespielt von Frau Staub. Nach dem Schlusswort von
Evangelist Staub schloss Pfr. Furer die gediegene Feier mit Gebet und Segen ab.
.
Eine grosse Erleichterung brachte vor allem die neue Zufahrtsstrasse; nicht
nur für die Automoblisten sondern auch für die Fussgänger. Selbstverständlich wurde auch der der Parkplatz sehr geschätzt, kamen doch immer mehr
Gemeindeglieder mit dem Auto zu den Veranstaltungen.
Nach dem Ausbau mit der neuer Anfahrtsstrasse
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In der Sonntagsschule bereiteten wir eine besondere Weihnachtsfeier mit
einem Krippenspiel und viel gesanglichen Einlagen vor. Zwei talentierte
Mädchen sangen Solo- und Duettbeiträge. Da viele Kinder die Sonntagsschule besuchten, nutzten wir diese Gelegenheiten, um den Dorfbewohnern die Heilsbotschaft zu verkündigen.
Die Bibelstunden in Schwarzenburg und in Mittelhäusern wurden ausschliesslich von den treuen Gemeindegliedern besucht. Leider kamen die
Hausbesuche infolge der grossen Arbeitsbelastung insbesondere während
den Bauarbeiten zu kurz.
Wir waren dankbar, dass Nachbarskinder sich mit grosser Freude und Hingabe um unsere kleine Suzanne kümmerten. Im Familienkreis sprachen
wir nur französisch. Doch die Nachbarskinder redeten nur Berndeutsch. Als
Suzanne anfing zu sprechen, machte sie interessanterweise nie ein sprachliches Durcheinander. Entweder sprach sie nur deutsch oder dann nur französisch. Begann sie einen Satz auf Deutsch und wusste nicht mehr weiter,
begann sie von vorne und sagte alles auf Französisch.
Während der Wintermonate führten wir jeweils eine Evangelisationswoche
durch. Nachmittags wurden Bibelstunden und abends evangelistische Vorträge gehalten. Mit attraktiven Themen und entsprechenden Einladungszetteln versuchten wir Aussenstehende zu erreichen. Vor allem profitierten
die Gemeindeglieder von diesen Veranstaltungen. Deshalb stand meistens
die persönliche Glaubensentfaltung und Heiligung im Zentrum dieser Vorträge. Zusätzlich zu diesen Veranstaltungen führte ich persönlich an manchen Orten der Evangelischen Gesellschaft Evangelisationswochen durch,
zuweilen auch in Kombination mit evangelistischen Filmvorführungen.
Im März 1960 wurde Jeanne-Marie aufs Neue schwanger, was nicht hätte
eintreten sollen. Die Therapeuten hatten geraten mindesten während zwei
bis drei Jahren auf weiteren Familienzuwachs zu verzichten. Natürlich waren wir zuerst über diese unvorhergesehene Situation nicht erfreut. Prompt
gab es aufs neue Komplikationen. Das leidige Erbrechen war wieder heftig.
Der Arzt verordnete sofort Infusionen. Diese frühzeitige Massnahme zeitigte gute Resultate, sodass die Schwangerschaft langsam erträglicher wurde.
An den freien Tagen fuhren wir immer wieder zu meinen Eltern nach Cuarnens. Die Fahrt dauerte bloss etwas mehr als eine gute Stunde. Wie bereits
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erwähnt, wurden wir hier richtig verwöhnt. Auch unsere kleine Suzanne
genoss diese Besuche und sogar die Reise dorthin.
Im Spätherbst 1960 war es dann soweit: Eines Nachts setzten bei meiner
Frau die Wehen ein. Schnell machten wir uns auf den Weg nach Bern, wo
wir bereits im Frauenspital vorangemeldet waren. Die Schrecken der ersten
Geburt waren noch nicht vergessen. Dieses Mal wollten wir nichts riskieren. Deshalb hatten wir in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt beschlossen,
zur Entbindung nach Bern ins Frauenspital zu gehen.
Noch bei Nacht, frühmorgens betraten wir das Spital. Die Enttäuschung
war riesengross, als man mir erklärte, dass ich nicht bei meiner Frau bleiben könne. «Da sie auf der allgemeinen Abteilung angemeldet sind, ist das
nicht möglich», erklärte man uns. «Am besten gehen sie nach Hause. Sobald die Geburt stattgefunden hat, werden wir sie benachrichtigen.»
Dass im Jahr 1960 im Frauenspital von Bern noch solche Zustände herrschten, hatte folgenden Grund: Die einzelnen Betten im Gebärsaal waren nur
durch Trennwände abgeschirmt. Logischerweise konnten deshalb die Väter
nicht anwesend sein.
Am Abend war es so weit. Unser zweites Kind erblickte das Licht der Welt.
Wie ich es mir von ganzem Herzen gewünscht hatte, war es ein Knabe. Er
bekam den Namen Philippe. Das bedeutet: der Freund. Es war der Name
eines der zwölf Apostel, sowie eines treuen Mitarbeiters von Paulus. Es war
unser Herzenswunsch, dass aus dem Knaben ein wirklicher Freund und
Gefolgsmann Jesu heranwachsen sollte.
Leider setzte man sich auch hier im Frauenspital nicht besonders ein, damit die Mutter ihr Neugeborenes stillen konnte. So bekam auch der kleine
Philipp nur Schoppennahrung. Nach zehn Tagen konnte ich meine Lieben
nach Hause holen. Nun waren wir schon eine recht grosse Familie.
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Jeanne-Marie mit dem kleinen Philippe
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Eine unglaubliche Geschichte
und ihre Auswirkungen
Im Frühjahr 1960 wurde für uns eine sehr bedeutungsvolle Angelegenheit eingeleitet. Eine Bauernfamilie, welche sich im Waadtland nicht wohl
fühlte, war auf der Suche nach einem Bauernhof in der deutschsprachigen
Schweiz. Das wurde mir von meinem Bruder mitgeteilt. Kurz davor hatte ich erfahren, dass das Gut mit dem abgebrannten Bauernhaus im Freiburgerland noch immer zum Verkauf ausgeschrieben war. Dies teilte ich
sodann meinem Bruder mit. Ich liess ihm die Adresse sowie eine genaue
Wegbeschreibung zukommen.
Einige Tage später erfuhr ich folgendes: Zusammen mit ihrem Sohn hatte
diese Familie dann den Hof besichtigt. Genauer ausgedrückt hatte der Vater zusammen mit dem Sohn diese Besichtigung durchgeführt. Die Mutter blieb im Auto und erklärte: «Niemals werde ich hierherkommen.» Ihr
Ehemann und der Sohn waren sehr enttäuscht. Diese hätten den Hof gerne
ohne wenn und aber gekauft und auch die etwas speziellen Bedingungen
akzeptiert, was bedeutete: dass der Pächter noch ein Jahr verbleiben und die
Gebäude sofort erbaut werden mussten.
Von meinem Bruder erfuhr ich dann die Details: Der Betrieb wurde von
einem Pächter bewirtschaftet. Die Besitzer waren zwei verschwägerte Familien. Die eine wollte ein Bauerhaus nach Bernerart errichten, die andere
eine moderne Siedlung. Darüber waren sie so zerstritten, dass ihnen ein
Vermittler empfahl, das Gut zu verkaufen.
Der Pächter wohnte seit zwei Jahren in einer von der Gemeinde aufgestellten Militärbaracke. Das Vieh wurde in einem Notstall versorgt und das Getreide und die Futtervorräte behelfsweise untergebracht. Der Pächter hatte
vor, den Hof nach einem Jahr zu verlassen, weil er auf diesen Termin eine
andere Pacht antreten konnte!
Die Gemeindebehörden hatten die Besitzer ultimativ aufgefordert, unverzüglich die neuen Gebäude zu errichten; denn die Wohnbaracke würde nur
noch bis Ende Jahr zur Verfügung gestellt.
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Der Betrieb umfasste dreiundzwanzig Hektaren an einem Stück. Davon
waren sieben Hektaren Wald. Der Kaufpreis war auf 230 000.– Franken angesetzt. Die Brandversicherung würde an einen Neubau 129 000.– Franken
ausbezahlen.
Unverzüglich teilte ich diese Sachlage Herrn Architekt Binggeli mit und
sagte zu ihm: «Ich denke, Sie sollten diesen Hof kaufen.» Er erwiderte, er
würde sich das überlegen.
Kurze Zeit später kontaktierte er mich wieder und erklärte: «Ich habe mir
die Situation wegen dem abgebrannten Bauernhof überdacht. Ich besitze
bereits ein Bauerngut, habe aber nur eine Tochter. – Sie selber müssen dieses Anwesen kaufen!» Darauf erwiderte ich: «Leider ist das mir nicht möglich.» – «Das kann man möglich machen. Ich helfe ihnen dabei», erklärte
der Architekt.
Das war der Beginn einer unglaublichen Geschichte. Innerhalb zweier Jahre setzten sich da viele Mosaiksteinchen zusammen, und mir wurde das
Ergebnis präsentiert! Einfach unglaublich aber doch wahr! Gottes Verheissung erfüllte sich buchstäblich: «Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes
und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.» (Lutherübersetzung)
Nach zwei Wochen war alles unter Dach und Fach: Wir waren die neuen
Besitzer des vor fast zwei Jahren abgebrannten Heimwesens. Zwei Banken
im Kanton Freiburg hatten sich darum beworben, die nötigen Geldmittel
zur Verfügung zu stellen. Logischerweise habe ich die Reformierte Bank des
Sensebezirks berücksichtigt.
Unwillkürlich musste ich daran denken, dass ich vor knapp zwei Jahren gesagt habe. «Wenn ich einmal eintausend Franken besitze, werde ich dieses
Geld nicht bei einer Bank anlegen. Ich werde eher zehntausend Franken
dazu borgen und damit etwas unternehmen.» Nur besass ich noch keine
eintausend Franken, hatte aber mehr als zweihunderttausend Franken
Schulden.
Nach dem Kauf wurde sofort mit den Aufräumarbeiten der Brandruine begonnen. Da lag noch viel Metall und Schutt herum. So auch die Transmission, welche den Brand ausgelöst hatte.
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Jugendliche unserer JG trugen Mauerreste ab und reinigten, gegen Entgelt,
Backsteine, zur Wiederverwertung. Gelegentlich legte auch der Pächter
Hand an.
Drei verschiedene Bewerber wollten unbedingt die Projektierung des Neubaus übernehmen. Innert kurzer Zeit wurden mir diverse Vorschläge unterbreitet. Einer vom landwirtschaftlichen Fachkreis in Brugg, ein zweiter
von Architekt Binggeli und einer von dessen gleichnamigen Neffen, einem
Hoch- und Tiefbauingenieur. Dieser letzte Vorschlag war der bestgeplante
und weitaus Interessanteste. In vorzüglicher Weise wurde die topographische Beschaffenheit des Geländes ausgenutzt. Zugleich war die Raumplanung hervorragend.
Da wo vorher das grosse Bauernhaus stand, sollte jetzt die neue, sechsunddreissig Meter lange, Scheune erstellt werden. So berücksichtigte ich diese
Pläne von Ingenieur Binggeli. Sein Onkel, ein bewährter Architekt, entwarf
das Wohnhaus. Dieses sollte auf einer kleinen Anhöhe oberhalb des Oekonomiegebäudes gebaut werden.
In einer Sägerei im benachbarten Dorf wurde das gesamte Bauholz zugerüstet. Der Bruder meines Vaters, der zugleich mein Pate war, übernahm
alle Zimmereiarbeiten. Beim Ökonomiegebäude betrugen diese ungefähr
75% des Bauwerkes.
Es würde zu weit führen, Details niederzuschreiben oder die vielen Führungen, Segnungen und Bewahrungen Gottes zu erwähnen. Ein Erlebnis
muss jedoch berücksichtigt werden. Umständehalber sollte ich selber den
voll beladenen Holzwagen der Sägerei mit dem Traktor des Pächters zur
Baustelle transportieren.
Ein Junge aus der Jugendgruppe begleitet mich, um die Bremsen am Holzwagen zu betätigen. Auf der abschüssigen Strasse gegen die Sense hinunter,
rief ich dem Jungen zu: «Du musst stärker bremsen!» Doch schon kam das
ganze Gefährt ins Rutschen. Dabei überquerte der Traktor die Strasse und
überschlug sich am gegenüberliegenden Strassenbord waldeinwärts. Ich
wurde weggeschleudert, und dann kam, Gott sei Dank! alles zum Stehen.
Kurz darauf erschien die Holzermannschaft von der landwirtschaftlichen
Genossenschaft mit ihrem grossen Traktor. Dank ihrem selbstlosen Einsatz,
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konnte der Schaden schnell behoben werden. Nachdem der Traktor wieder
auf den Rädern stand, wurde das Ganze zurück auf die Strasse gezogen.
Dann begleiteten sie den Transport, hinten mit ihrem Traktor als Bremskraft, bis zur Sensebrücke hinunter.
Hätte der Transport zwanzig Meter später zu rutschen begonnen, wären wir
etwa hundert Meter in die Tiefe gestürzt. Diese wundervolle, ja geradezu
himmlische Bewahrung werde ich niemals vergessen!
Der Neubau, besonders derjenige des Ökonomiegebäudes, kam unglaublich
schnell voran, und im August konnte das getrocknete Futter und Stroh bereits in die neue Scheune eingelagert werden!
Diese ganze, abenteuerlich Angelegenheit blieb natürlich nicht verborgen.
Manche Bauern bereuten es, dass nicht sie selbst den Kauf getätigt hatten.
Auch in unserer Gemeinde gab es natürlich viel Gerede, Kritik und Neider. Gerade diejenigen, welche sich nie Gedanken darüber gemacht hatten,
wie wir wohl mit den ausserordentlichen Auslagen zurechtkämen, erregten
sich am meisten.
Vor Anbruch des Winters fällte dann ein Team im zugehörigen Wald unseres
Bauernhofes überfällige Tannen, sodass wir noch vor Weihnachten 115 m3
Holz verkaufen konnten
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Unerwartete Probleme
und Schwierigkeiten
Unmittelbar nach dem Jahreswechsel 1961/1962 vollzog sich eine wetterbedingte Katastrophe. In der Nacht auf den zweiten Januar regnete es stark.
Da die Temperaturen in den Niederungen stark fielen, gefror der Regen.
Besonders im Tannenwald bildeten sich auf den Ästen starke Vereisungen.
Die Eiszapfen wurden bis zu dreissig Zentimeter lang. Dann ging der Regen
in Schnee über. Durch diese zentnerschweren Lasten fingen vor allem die
grössten Tannen an zu ächzen und hielten dem Druck nicht mehr stand.
Bei etwa der Hälfte der jüngeren Tannen brachen die Wipfel weg. Fast zwei
Drittel des Waldes wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen oder zerstört.
Diese verheerende Verwüstung unseres Waldes hatte zur Folge, dass wir
«über die Bücher mussten», wie man so schön sagt. Es war vorgesehen
gewesen, dass der Wald jährliche Einnahmen einbringen würde. Nun aber
mussten wir, was die Situation des Waldes betrifft, mit massiven Unkosten
rechnen. Wieder kam die Verheissung Gottes zum Tragen, welche mir mein
Schatz vor Jahren auf den Briefkopf geschrieben hatte: «Ich bin der Herr
euer Gott. Ich lehre euch, was gut für euch ist, und zeige euch den Weg,
den ihr gehen sollt.» Damals befanden wir uns wirklich in einer heiklen und
schwierigen Situation!
Doch wir nahmen diese misslichen Umstände als gottgegeben an. Das
Sprichwort erfüllte sich auch gerade in dieser heiklen Situation: «Der
Mensch denkt und Gott lenkt»!
Nach reiflichem Abwägen und Gebet entschlossen wir uns, den Bauernhof
zu verkaufen. Dank meinem Götti und der Firma Binggeli konnten wir die
abgebrannten Gebäude sehr günstig neu erbauen. Der Verkauf, sogar mit
Gewinn, sollte ohne weiteres möglich sein. So machten wir ein kleines Inserat im «Schweizer Bauer».
Plötzlich gab es noch andere zusätzliche Schwierigkeiten: Nun wurden die
Neider aktiv und intervenierten beim Komitee in Bern. Unerwartet bekam
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ich eine Vorladung vom Präsidenten der Evangelischen Gesellschaft des Kt.
Bern. Auch da wurde der Wunsch geäussert, dass ich den Hof wieder verkaufen soll: «Aber das sei ausdrücklich vermerkt nur unter dem Beistand
des Präsidenten der EGB!»
Im selben Schreiben wurde auch erwähnt, dass ich damit rechnen müsse,
von Schwarzenburg versetzt zu werden. Des weitern wurde beanstandet,
dass ich vor dem Kauf nicht das Komitee informiert hatte. Ich habe mich
dann in einem Brief dafür entschuldigt und erwähnt, dass ich eine Versetzung ohne weiteres akzeptieren würde; denn unter den Mitgliedern der
Gemeinde gab es ebenfalls Missgunst. Das hat uns echt Mühe bereitet, weil
man sich wenig Gedanken gemacht und darum bekümmert hat, wie wir
wohl finanziell zurechtkamen.
Beim Gespräch mit dem Präsidenten wurde mir eröffnet, dass es nicht angebracht sei, wenn ich beim Verkauf einen grösseren Gewinn erzielen würde; denn das könnte als Spekulation gewertet werden.
Man hatte auch schon einen Interessenten für den Hof zur Hand. Ich war
verblüfft, ja vor den Kopf gestossen. Vor knapp zwei Jahren war man nicht
einmal bereit gewesen, uns aus dem Spezialfond eine Unterstützung zu gewähren, und jetzt das...!
Ich war nicht bereit, sofort auf diesen «Kuhhandel» einzuwilligen. Ungern
gewährte man mir ein paar Tage Bedenkzeit.
Kaum zu Hause angekommen, erkannte meine liebe Frau sofort, dass ich
enttäuscht und niedergeschlagen war. Kaum hatte ich ihr alles erzählt, erging es ihr noch schlimmer als mir. Zudem hatte sie Angst um unsere Zukunft. Es machte uns jedoch getrost, dass wir alles Gott, unserem Herrn,
der weiss, was gut für uns ist und uns den Weg zeigt, den wir gehen sollen,
anbefehlen durften. Ich besprach mich auch mit meinen Eltern und meinem Paten.
Sie befanden, dass ich infolge Einwirkung höherer Gewalt den Bauernhof
verkaufen müsse. Wenn ich dabei einen Gewinn erzielen sollte, wäre dies
sicher nicht sündhaft. Dies teilte ich dem Präsidenten in Bern mit und wies
darauf hin, dass die Baukosten dank meinem Götti und der Firma Binggeli
sehr niedrig gewesen waren.
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Der Präsident war über meine Entscheidung nicht erfreut. Wir hatten zuletzt jedoch ein recht gutes Gespräch. Er akzeptierte unsere Entscheidung
und meine diesbezüglichen Anmerkungen. Er empfahl uns allerdings, den
Hof zu einem angemessenen Preis zu veräussern.
Daraufhin erhielten wir noch folgende schriftliche Bestätigung: «Betrifft:
Verkauf ihres landw. Heimwesens... Das Komitee wurde durch den Präsidenten über den Verlauf der Verhandlungen in Kenntnis gesetzt.
Wir geben Ihnen nun Freiheit, so weiter zu handeln, wie Sie es vor Gott und
Menschen verantworten können.
Nach dem Verkauf erwarten wir einen entsprechenden, schriftlichen Bericht.
Mit freundlichen Grüssen zeichnen Namens des Komitees ...»
Und das geschah dann auch so. Wir hatten einen potentiellen Käufer, welcher seinen am Zürichsee gelegen Hof verkauft hatte. Bei der ersten Besichtigung war das Land noch schneebedeckt. Der Interessent war mit dem
Kaufpreis von 420 000.– Franken sofort einverstanden.
Angesichts des neuen, modernen und weiträumigen Oekonomiegebäudes
sowie dem schönen Zweifamilienhaus, vor welchem sogar ein Teich mit
Springbrunnen angelegt worden war, konnte dieser Preis als sehr günstig
eingestuft werden. Es würde zu weit führen, all die Details zu erwähnen,
weshalb wir trotzdem einen, für unsere Verhältnisse, beträchtlichen Gewinn erzielen konnten.
Nachdem der Schnee weggeschmolzen war, kamen die Käufer ein zweites
Mal zu einer weiteren Besichtigung. Sie waren begeistert. Noch gleichentags wurde bei einem Notar der Verkauf stipuliert.
Wir waren dankbar und überglücklich! Und wir erkannten in diesem ganzen Geschehen einmal mehr die Gnade und gütige Führung Gottes. Unser
Herr wusste wirklich, was gut für uns war und er hatte uns den Weg gewiesen, den wir gehen sollten.
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Wir durften auch erleben, dass es in der Gemeinde nicht wenige gab, welche sich mit und für uns freuten. Interessanterweise waren dies vor allem
die ganz einfachen und anspruchslosen Mitchristen. Vor allem die jüngere
Generation war diesbezüglich recht loyal. Dank der intensiven Arbeit in den
Jugendgruppen hatte sich die Gemeinde wesentlich verjüngt. Ein weiterer
Grund dafür war, dass ich mich für den Aus- und Umbau des Vereinshauses
voll eingesetzt und dabei viel Herzblut investiert hatte.
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Unsere Versetzung
ins Emmental
Im Frühjahr 1962 wurde uns mitgeteilt, dass das Komitee beschlossen
habe, uns nach Sumiswald zu versetzen. Was uns bereits andeutungsweise mitgeteilt worden war, kam nun zum Vollzug. Obschon wir viele, uns
liebgewordene Mitchristen verlassen mussten, waren wir andererseits über
diese Lösung dankbar und erfreut.
Was wir zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht wussten, war der Umstand,
dass in Sumiswald bauliche Veränderungen am Vereinshaus anstanden.
Wahrscheinlich waren meine diesbezüglichen Erfahrungen und Kenntnisse
für den Entscheid dieser Versetzung ausschlaggebend gewesen.
Am wenigsten angetan war meine liebe Frau von dieser Sachlage. Sie hatte
bereits zur Genüge erlebt, was es bedeutet, wenn ein Haus um- und ausgebaut wird. Glücklicherweise wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht, dass
wir diesbezüglich vom «Regen in die Traufe» geraten würden.
Beim Umzug halfen uns treue Gemeindeglieder, sowohl in Schwarzenburg
wie in Sumiswald. Hier im Emmental war die Wohnung viel geräumiger
und umfangreicher.
Die neue Gemeinde in Sumiswald und Umgebung war bedeutend grösser
als die vorige. Wir wurden herzlich aufgenommen. Das Engagement vieler
Mitglieder war bemerkenswert. Sechs Predigtorte waren hier zu bedienen.
Ebenfalls wurde erwartet, dass ich den gemischten Chor dirigiere. Auch
eine lebendige Jugendgruppe existierte bereits. Die Gemeindearbeit bereitete mir grosse Genugtuung. Es gab viele treue und engagierte Gemeindeglieder.
Im Sommer leiteten wir zusammen mit einem in diesem Bereich bereits
erfahrenen Evangelistenehepaar ein Kindersommerlager in Aeschi. Das war
für uns ein neues, bereicherndes Erlebnis. In der Folge leitete ich gemeinsam mit meiner Frau mehrere solche Ferienlager in Aeschi und Wengen.
Einmal hatten wir in Wengen fast nur Stadtkinder in einem solchen La-
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ger. Es war uns nicht möglich, diese am ersten Abend einigermassen zu
beruhigen. So ordnete ich an, dass alle wieder aufstehen und angekleidet
vor dem Ferienheim erscheinen mussten. Anschliessend machten wir einen Schnell-Lauf bergab und bergauf, um die Kinder müde zu machen.
Tags darauf gingen wir zu Fuss nach Lauterbrunnen zum Staubbachfall.
Anschliessend bis hinauf auf die Wengernalp. Dabei trafen wir sogar auf ein
Rudel Gämsen. Da fragte ein Kind: «Ist das immer noch ein Strafmarsch?»
Zurück in Wengen waren wir Leiter wirklich erschlagen, wahrscheinlich
mehr als die Kinder!
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Gottes Wege sind
einfach wundervoll
Wieder einmal musste ich den Coiffeur aufsuchen. Da bereits ein Kunde
bedient wurde, nahm ich eine Zeitung und blätterte diese durch. Da fiel mein
Augenmerk auf ein kleines Inserat. In Yvonand, am Neuenburgersee, war ein
Haus zu verkaufen. Da meine Eltern vor Jahren daselbst fast einen Bauernhof
gekauft hätten, war mir der Ort nicht unbekannt.
Ich erkundigte mich beim Friseur, ob ich das Inserat mitnehmen dürfte. Er
sah sich die Zeitung an und sagte dann: «Die ist ja bereits drei Tag alt, sie
können das ganze Blatt haben.»
Zu Hause angekommen, nahm ich sofort Kontakt mit der angegebenen Anschrift auf. Kurzerhand vereinbarten wir eine Besichtigung des Objektes. Und
das war ja nun wirklich ein Ding! Es handelte sich um ein etwas verwahrlostes
Fischerhaus direkt am See. Von diesem war das Objekt nur durch einen öffentlichen Weg getrennt. Zum Haus gehörte ein ebenfalls etwas vernachlässigter
Garten von 1‘300 m2. Wir waren total begeistert.
Etwas später teilte uns der Vermittler mit, dass der Besitzer des Fischerhauses
beim Verkauf seiner Liegenschaft noch seine Geschwister ausbezahlen muss
und deshalb der Verkaufspreis nun um zwanzig tausend Franken erhöht worden sei. Trotz dieser Sachlage erklärten wir uns bereit, den Kauf zu tätigen.
Wie sehr Gott bereits zu diesem Zeitpunkt alles in die Hand genommen hatte,
konnten wir später nur voller Dankbarkeit erkennen und seine Treue rühmen.
Der Herr ist wirklich zuverlässig und hoch erhaben. Mit Paulus kann ich nur
rühmen und bekennen: «Wie gross ist doch Gott! Wie unendlich sein
Reichtum, seine Weisheit, wie tief seine Gedanken! Wie unbegreiflich für uns seine Entscheidungen und seine Pläne,» Römer 11,33.
Nicht lange danach wurden wir noch Besitzer von zwei Rusticostadel im Tessin. So blieb ich meinem einmal gefassten Grundsatz treu, eher Geld zu borgen, als dieses bei einer Bank anzulegen.
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In Yvonand ergaben sich interessanterweise Parallelen zu Schwarzenburg.
Wie bei der Firma Binggeli waren auch hier zwei Brüder liiert. Der eine war
Architekt, der andere hatte das Baugeschäft. Das heruntergekommene Fischerhaus bestand aus dem Parterre und dem ersten Stock. Als uns der Architekt die ersten Planskizzen und die entsprechende Kostenberechnung vorlegte, beunruhigte uns der Kostenpunkt. Uns wurde sofort bewusst, dass dieser
Betrag ausserhalb unserer Möglichkeiten lag. Von unserem geringen Lohn
konnten wir unmöglich etwas für Bankzinsen erübrigen.
Das Fischerhaus in Yvonand beim Kauf 1962
Das Haus ist ausgebaut
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Darauf reagierte der Architekt mit einem interessanten Vorschlag: «Wenn
es so ist, dass das Ganze nach einem Ausbau selbsttragend sein muss, kann
man aus diesem Gebäude mit etwas Mehraufwand ein Dreifamilienhaus
machen.» Nach diesem Vorschlag wurde sodann das Ganze Unternehmen
geplant und ausgeführt.
Da der Erdboden im Garten sehr sandig war, konnten von Baugruben in der
Nähe insgesamt achtzig Lastwagen vollbeladen mit guter Erde auf unser
Gelände transportiert werden.
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Wieder am Bauen
Das Vereinshaus in Sumiswald war 1920 stattlich und solide erbaut worden.
Nun aber drängte sich eine Totalrenovation geradezu auf. Man konnte wohl
mit dem Auto zum Haus fahren. Es gab aber keinen Parkplatz und keine
Garage. Hinter dem Haus war ein hölzerner Anbau mit Treppenaufgang zur
Wohnung. Hier befanden sich auch die Toiletten. Dieser Bereich war nicht
beheizbar. Ansonsten wurden die diversen Öfen mit Holz und Kohle beheizt.
Bereits gab es Planskizzen betreffs einer vorgesehenen Sanierung des Anwesens.
Nach wie vor waren das Zufahrts- Parkplatz- und Garageproblem ungelöst.
Die Ausfahrt direkt auf die Hauptstrasse war unübersichtlich und gefahrvoll.
Deshalb musste beim Anlegen eines Parkplatzes zugleich die Errichtung einer anderen Zufahrt ins Auge gefasst werden. Nebenan war eine unbebaute
Parzelle. Deren Besitzer wollten davon nichts veräussern. Anders verhielt es
sich mit zwei Nachbarn hinter dem Vereinshaus. Diese hatten ein offenes
Ohr für unser Anliegen. So konnte für Zufahrtsstrasse und Parkplatz das
nötige Land gekauft werden. Das war nicht bloss ein Glücksfall, sondern eine
gnädige Führung Gottes!
Der Predigtsaal war in zwei Hälften geteilt. In der Mitte ruhte der obere Stock
auf zwei massiven Eichensäulen. Diese wollte ich unbedingt weghaben. Als
ich dieses Anliegen bei der nächsten Sitzung vorbrachte, war der Architekt
nicht glücklich darüber. «Das wird sie aber sehr teuer zu stehen kommen.
Das Gewicht auf diesen Säulen ist gewaltig. Ich kann mich dazu nicht äussern. Das ist Sache eines spezialisierten Ingenieurs», erklärte er. In dieser
heiklen Angelegenheit kam uns ein gläubiger Mechaniker zu Hilfe, welcher
in der Nachbargemeinde eine Werkstätte betrieb.
Was danach geschah, ist so aussergewöhnlich, dass einiges davon nicht unerwähnt bleiben soll:
Der erwähnte Mechaniker demontierte den Zylinder einer grossen hydraulischen Presse. Mit dieser einfachen Lösung konnte das beträchtliche Gewicht
auf diesen Säulen genau festgestellt werden. Die ermittelte Last erforderte
zwei Doppel-T-Dynträger von 30 cm Durchmesser. Von dem Werkstattbesit-
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zer erhielt ich die Adresse von einer Alteisenfirma in Rothrist. Hier fand ich
zwei Dynbalken, wie wir sie benötigten. Und sie hatten genau die richtige
Länge. Dies war sicher kein Zufall, sondern wieder ein Geschenk unseres
treuen Herrn.
Und das ist noch nicht alles. Auf den gewünschten Termin lieferte die Firma aus Rothrist die Dynträger. Wir hatten alles vorbereitet: Nachdem das
Gesamtgewicht, welches auf den beiden Säulen ruhte, genügend abgestützt
war, entfernten wir diese Eichenstützen. Mit dem mobilen Kran auf dem
Lastwagen wurden die Tragbalken durch ein Loch in der Aussenwand des
Hauses auf dem vorbereiteten Stützgestell quer durch den Saal gerollt. Als
alles definitiv eingesetzt war, und die Dynbalken voll belastet waren, funktionierten sogar alle Türen oben in der Wohnung wieder einwandfrei.
Als die neue Zufahrtsstrasse errichtet war, wurde der aus Holz bestehende
Anbau hinter dem Haus abgerissen. Die Treppe wurde vor dem Haus provisorisch am Balkon angebracht. Nun konnte man den Wohnbereich nur noch
über diese Treppe und danach durch das Wohnzimmer erreichen.
Hinter dem Haus wurde ein massiver Anbau erstellt. Im Parterre mit Eingang zum Saal entstanden eine Garderobe, WC-Anlage, Garage und Treppenhaus. Im ersten und zweiten Stock wurden Toiletten, Badezimmer und drei
Gästezimmer eingerichtet.
Fast gleichzeitig wurde unser Haus am Neuenburgersee ausgebaut. So
konnten wir uns öfters dorthin zurückziehen, wenn wir ein bis zwei Tage
frei hatten. Während der Sommerzeit genossen wir das Baden im See. Da das
Haus einem Berufsfischer gehört hatte, konnten wir den kleinen Privathafen
nun unsererseits mieten und benutzen. Wir kauften sodann ein Ruder- und
ein Motorboot.
Es wurde uns so richtig bewusst, wie getreulich Gott für uns gesorgt hatte.
Seine Weisheit und Pläne sind unerforschlich, aber wunderbar! Wir konnten
nur dankbar darüber staunen, wie sich seine Zusagen genau erfüllten.
Nachdem das Haus fertig ausgebaut war, fanden wir für die zwei Wohnungen im ersten Stock Dauermieter. Dadurch wurde dieser Besitz finanziell
selbsttragend.
Die Gemeindearbeit bereitete mir viel Freude und Genugtuung. Die Leute
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im Emmental waren überaus liebenswürdige und treue Gottesdienstbesucher.
Ein Wermutstropfen gab es leider dennoch. Ein Mitglied vom Hauptkomitee, welches hier in der Nähe von Sumiswald wohnte, machte mir zunehmend das Leben schwer. Doch standen fast alle Gemeindeglieder treu
hinter mir und unterstützten mich. Ein verlässlicher Bruder, welcher ein
Verantwortungsträger war, intervenierte in Bern. Leider bewirkte dies keine
erkennbaren, positiven Auswirkungen.
Wir erlebten viel Akzeptanz und Unterstützung in der Gemeinde, und es
entstanden nette Freundschaften. Der massive Einsatz meinerseits während der langen Aus- und Umbauphase hat sicher viel dazu beigetragen. Andererseits löste dieser Erfolg scheinbar bei meinem Widersacher Neid und
Eifersucht aus. Schmerzhaft sollte ich die Realität des geflügelten Wortes
noch bitter erfahren: «Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht,
was Leiden schafft.»
Glücklicherweise profitierten wir als Familie von den jeweils freien Tagen.
Wir machten Ausflüge im schönen, hügelreichen Emmental und manchmal auch an den Neuenburgersee. Unsere beiden Kinder genossen dies in
vollen Zügen. Insbesondere Suzanne, die vor Lebensfreude und Unternehmungslust nur so strotzte.
Als grosse Herausforderung erlebte ich als junger Seelsorger die Betreuung
eines an Krebs erkrankten Mannes. Dem unheilbar Leidenden, von Schmerzen gekennzeichneten Bauer beizustehen, ging fast über mein Vermögen.
Ich musste erleben, dass wir trotz dem Fach «Seelsorge» diesbezüglich nur
mangelhaft vorbereitet wurden. Die Begleitung des Kranken war das Eine,
andererseits benötigte die schwer geprüfte Gattin mit ihren Kindern ebenfalls dringend Unterstützung.
In unserem Chor hatte es talentierte Sänger. Deshalb entschlossen wir uns,
die Kantate von Emil Ruh: «Die Gotteskinder» einzuüben, um diese dann
an einem besonderen Gesanggottesdienst vorzutragen. Das beinhaltete freilich eine beachtliche Herausforderung, besonders für mich als Dirigent.
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In diese Zeit fiel die dritte Schwangerschaft meiner lieben Gattin. Diese hatten wir bewusst geplant. Eine Frau aus unserer Gemeinde war Hebamme
und begleitete Jeanne-Marie während dieser Zeit. Zu Beginn mussten wieder Infusionen verabreicht werden. Am 17. März 1964 kam im Bezirksspital
Sumiswald unser drittes Kind zur Welt. Hier konnte ich natürlich bei der
Geburt dabei sein. Welch ein gewaltiges Wunder ist es doch, wenn so ein
kleines, gesundes Menschlein das Licht der Welt erblickt und sogleich den
ersten Schrei von sich gibt! Ich hatte mir ein zweites Mädchen gewünscht,
und es war ein Mädchen! Es bekam den Namen Annelise. Abgeleitet von
den beiden biblischen Namen Anne und Elisabeth. Nach hebräischer Überlieferung war Anne die Mutter von Maria und kann mit Anmut und Gnade
umschrieben werden. Elisabeth war die Mutter Johannes des Täufers und
bedeutet: Die von Gott Gesandte. Die kleine, schwarzhaarige Annelise war
wirklich anmutig ein Gnadengeschenk unseres himmlischen Vaters. Dank
der Güte Gottes bekamen wir dieses dritte Wunschkind.
Infolge unserer Finanzlage war es uns
möglich, Mitchristen unter die Arme
zu greifen. Einem Mitevangelisten lieh
ich auf dessen Anfrage ein kurzfristiges, zinsfreies Darlehen. Für ein treues Versammlungsmitglied übernahm
ich eine Bürgschaft für ihr Wohnhaus,
welches sie zum Kauf angeboten hatten. Da der Kauf nur so getätigt werden
konnte, ging ich dieses Risiko ein. Und
es hat sich gelohnt. Diese Leute waren
so liebenswürdig und unendlich dankbar.
Unsere Familie anlässlich der
Taufe von Annelise
Nach fast zwei Jahren Um-, Renovations- und Erweiterungsbauzeit, fand
am Sonntag, den 12. April 1964 die
Gedenk- und Renovationsfeier unseres
Vereinshauses statt. Dieses war überaus
praktisch eingerichtete worden und
präsentierte sich in neuem Schmuck.
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Das ausgebaute und renovierte Vereinshaus Sumiswald
Hier ein paar Auszüge aus dem entsprechenden Bericht in den Brosamen:
«Es brauchte viel Hoffnung und Glaubensmut, als die «Sumiswaldner» vor
zwei Jahren das Erneuerungswerk an die Hand nahmen. Unter der tüchtigen, umsichtigen Bauleitung unseres Ortsevangelisten R. Staub wiederholte sich, was in Haggai 1,14 steht: «Und der Herr erweckte den Geist des
ganzen Volkes, dass sie kamen und arbeiteten am Hause des Herrn
Zebaoth, ihres Gottes.»
Das sei gleich vorweg mit freudigem und dankbarem Herzen bezeugt: Dieses Werk hätte niemals auf solch gründliche und vielseitige Weise durchgeführt werden können, wenn nicht die Leute vom Arbeitsfeld Sumiswald
und darüber hinaus sich mit so viel selbstlosem Dienst beteiligt hätten...
Nebst der Wohnung wurde auch der Saal einer gründlichen Renovation unterzogen. Die starken Eichensäulen hat man entfernt und zwei Eisenbalken eingezogen. Dadurch wurde der Saal stützenfrei. Die alte Trennwand
hat einer Harmonikawand weichen müssen...
Der neuen Ölzentralheizung sind ausser dem Saal 17 weitere Räume angeschlossen... Die gesamten Auslagen, inklusive Landkäufe belaufen sich auf
fast 100 000 Fr. Zirka die Hälfte ist durch Spenden, der Rest durch private
Darlehen gedeckt. Fast 40 000 Fr. konnten durch freiwillige Mitarbeit eingespart werden.
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Dankbar bezeugen wir mit dem Psalmsänger: «Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen.»
Unsere Gemeindeglieder besuchten treu die Gottesdienste und Bibelstunden. Immer mehr Jugendliche kamen in die Jugendgruppe. Einige übernahmen diesbezüglich Verantwortung und halfen in der Leitung mit. Ich
wurde sogar eingeladen in der Kirche von Lützelflüh einen Gottesdienst zu
halten. Von der Kanzel aus zu predigen, wo einst der landesweit bekannte
Pfarrer Jeremias Gotthelf gewirkt hatte, war schon etwas ganz Besonderes!
Leider gefielen meinen Widersachern meine Beliebtheit und der Erfolg
nicht. Sie versuchten meine Position zu untergraben und mich in Misskredit zu bringen. Zuerst ward ich dessen nicht inne. Doch im Hauptkomitee
wurde ich scheinbar zusehends diskreditiert. Das führte dazu, dass mich
unser Inspektor Pfarrer Lutz, ein verantwortliches Vorstandsmitglied unserer Gemeinde aufsuchte. Davon wusste ich vorerst nichts. Ich verzichte
darauf hier Näheres festzuhalten.
Doch meinem himmlischen Vater, der ins Verborgene sieht, entging all das
nicht. Ich kann nur mit Paulus bezeugen: «Wie gross ist doch Gott! Wie
unendlich sein Reichtum, seine Weisheit, wie tief seine Gedanken!
Wie unbegreiflich für uns seine Entscheidungen und seine Pläne!
Denn wer könnte jemals Gottes Absichten erkennen?»
(Römer 11,33f)
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Unser Umzug ins
Welschland nach Moudon
Als ich ganz unerwartet aus dem Welschland einen Telefonanruf erhielt,
war ich total überrascht. Ein mir bekannter Kollege, welcher in Moudon
Pfarrer war, ersuchte mich, sein Nachfolger zu werden. Weil seine Kinder
das Schulalter erreicht hatten, wollte er in die Deutschschweiz zurückkehren. Darauf war ich wirklich nicht vorbereitet. Deshalb benötigte ich unbedingt eine Bedenkzeit.
Das Wichtigste für uns war, Gottes Willen zu erfahren und von ihm geleitet
zu werden. So prüften wir diese Frage eingehend und beteten darüber. Was
war Gottes Wille und Absicht betreffs dieser Anfrage?
Für meine liebe Jeanne-Marie bedeutete eine Rückkehr in die französischsprachige Schweiz eine Erleichterung. Da meine eigene Familie seit sieben
Jahren im Waadtland lebte, wäre es auch für mich in gewisser Hinsicht eine
Heimkehr. Ferner ist Moudon keine dreissig Autominuten vom Neuenburgersee entfernt.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, wie stark ich hier in Sumiswald angefeindet wurde. Aber Gott wusste es! Inzwischen war die Pfarrei in Moudon
bereits verwaist. Nun ging es recht schnell. Das erste Zusammentreffen mit
dem Kirchgemeinderat liess mich aufhorchen. Es hatte mit der vorherigen Pfarrfamilie Probleme gegeben. Weil das Gemeindegebiet 57 politische
Gemeinden umfasst, gab es drei Kirchenkreise. Jeder Kreis hatte seinen
eigenen Kirchenrat. Der Rat vom Kreis Oron hatte sich mit demjenigen
von Moudon überworfen. Ich erklärte. «Bevor ich eine Zusage erteile, muss
dieses Problem gelöst werden.» Daraufhin trafen wir uns mit Vertretern
von Moudon und dem Kreisrat von Oron. Letztendlich geschah Versöhnung
und ich erklärte mich bereit, die Berufung anzunehmen.
Doch nun machte der Synodalrat Schwierigkeiten. Weil ich nicht ein akademisches Studium einer kantonalen theologischen Fakultät absolviert
hatte, machte nun der Synodalrat besondere Auflagen. Zuerst sollte ich ein
Praktikumsjahr ableisten und erst dann wählbar sein. Ich gab zur Antwort:
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«Ich befinde mich in ungekündigter Anstellung. Sie haben mich berufen.
Wenn ich nach sieben Jahren Gemeindearbeit nicht wählbar bin, ziehe ich
meine Kandidatur zurück.» Das hatte zur Folge, dass ich im Broyetal einen
Gottesdienst halten musste, an welchem eine Delegation der kantonalen
Behörden anwesend war. Danach erklärte man dem Kirchgemeinderat:
«Wählt ihn so bald als möglich.»
Und das geschah dann auch: Anfangs1965 wurde ich im Broyetal mit 155
Stimmen ohne jeglichen Vorbehalt als neuer Pfarrer gewählt
Am 25. Januar reichte ich dem Hauptkomitee in Bern meine Kündigung
auf den 1. Mai 1965 ein. Kurz darauf wurde mir bewusst, wie unendlich
dankbar ich über diese wunderbare Führung Gottes sein durfte. Inspektor
Pfr. Lutz machte mir einen Besuch. Er bedauerte meinen Schritt, sagte aber
zugleich: «Für Dich ist das die beste Lösung, ich bin froh für Dich!» Er gratulierte mir und gab mir seinen Segen für die Zukunft.
Ganz anders sahen das die meisten Gemeindeglieder. Vielen war bewusst
geworden, was sich hinter den Kulissen abgespielt hatte. Unser Bezirkspräsident war über meine Kündigung betroffen und traurig. «Nun haben deine Gegenspieler und dir feindlich gesinnte Menschen ihr Ziel erreicht. Ich
weiss, dass ein Mitglied des Hauptkomitees bereits mit deiner Anstellung als
Evangelist nicht einverstanden war», erklärte er mir.
Mehr möchte ich darüber nicht schreiben, obschon ich einige diesbezüglich Briefe und Dokumente besitze. Letztlich hatte Gott den Überblick. Er
hat uns wunderbar geführt und alles wohl gemacht! Darüber waren wir froh
und sehr dankbar. In dieser Dimension zu erleben, wie aussergewöhnlich es
ist, wenn Gott beruft und segnet war einfach einzigartig!
Im Broyetal wurden wir auf das sehnlichste erwartet. Die Gemeinde befand
sich nun bereits seit Monaten ohne Pfarrer. Infolge akuten Pfarrmangels
hatten die deutschsprachigen Gemeinden grösste Mühe Seelsorger zu finden. Das hing damit zusammen, dass die Pfarreien ausgedehnte Gebiete
zu betreuen hatten. Zur Kirchgemeinde des Oberen Broyetales gehörten
mehr als 60 politische Gemeinden, und es waren total neun Predigtorte zu
bedienen.
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Obschon das Pfarrhaus sechs Zimmer hatte, konnten wir unseren Bechstein-Flügel nicht platzieren. Besonders die Zimmer im Parterre waren
sehr klein. So stellten wir das Klavier vorerst bei meinen Eltern ein.
Für unsere Kinder war der Umzug recht herausfordernd. Suzanne fand im
Kindergarten schnell Anschluss. Philipp dagegen tat sich schwer. Vorher
hatte er in der Nachbarschaft liebe Spielgefährten gehabt. Diese vermisste
er nun.
Unsere Familie 1965 in Moudon
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Eine aussergewöhnliche
Jugendarbeit
Nur ungern hatte ich die blühende Jugendarbeit im Emmental verlassen.
Aber hier im Broyetal war die Arbeit unter den Jugendlichen noch viel
umfangreicher. Allein in unsere Gegend kamen jährlich über hundert Jugendliche, um die Sprache zu erlernen. Diese Welschlandgänger, wie wir sie
nannten, zu sammeln und zu begleiten war eine der Hauptaufgaben unserer Kirchgemeinde. Zum Glück waren bereits junge Leute da, welche mir in
dieser Arbeit zur Seite standen. Bei besonderen Gelegenheiten betonte ich:
«Jedes Jahr legt Gott mir ein Missionsfeld vor die Füsse, sodass ich nicht
nach Afrika oder Asien ausreisen muss, um zu missionieren.»
Nach der Gründung einer weiteren regionalen JK-Gruppe hatten wir nun
insgesamt vier JK’s, (JK.= Abkürzung für Junge Kirche). Je eine in Moudon,
Oron, Mézières und Thierrens.
Ein Handicap war der Umstand, dass die Kirchgemeinde keine eigenen
Räumlichkeiten besass. Dieser Zustand war auf die Länge unhaltbar. Dann
wurde uns im Stadtzentrum ein Gebäude zum Kauf angeboten. Kurzentschlossen erwarb die Gemeinde dieses grosse Gebäude. Darin wurde in der
Folge ein Predigtsaal eingerichtet. Im Untergeschoss wurden die schönen,
gewölbten Keller für die Jugendarbeit ausgestaltet. Bei diesen Arbeiten halfen die Gemeindeglieder tüchtig mit und ich selbstverständlich ebenfalls.
Von den Hauptleitungen neben dem Haus erneuerte ich die Wasser- und
Gasleitungen ins Gebäude hinein und von da weg durch das ganze Haus.
Dreimal pro Woche war ich abends in der JK engagiert. Einmal im Monat
versammelten sich alle Jugendlichen im Predigtsaal der Kirchgemeinde.
Meistens zeigte ich dann einen evangelistischen Film. Danach wurden die
Anwesenden eingeladen, ihr Leben Jesus Christus anzuvertrauen. Nach der
Vorführung des Filmes: «Das Kreuz und die Messerhelden» vertrauten damals über zwanzig Jugendliche ihr Leben Jesus an. Das war überwältigend!
Besonders wenn junge Menschen von der Sinnlosigkeit des Lebens zur Gotteskindschaft finden, beginnt für sie ein ganz neues Leben.
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Als ich eines Tages in die Drogerie ging, wurde ich von einer Mitarbeiterin
bedient, welche augenscheinlich Deutschschweizerin war. Wir kamen ins
Gespräch, und ich lud sie in unsere Jugendgruppe ein. Kurz darauf erlebte sie eine glasklare Bekehrung. Sie war katholisch aufgewachsen. Einmal
mehr erlebte ich, dass Menschen aus dem Katholizismus eine offensichtlichere Erkenntnis darüber haben, was Busse beinhaltet. Gabi tat nicht nur
Busse, sondern fing gleich an, ihr Leben grundlegend in Ordnung zu bringen. Hier ihr Zeugnis:
Zeugnis von Gaby Carrasco-Lenz
Mit 21 Jahren zog ich in die Westschweiz nach Moudon, wo ich als Drogistin arbeitete.
Pfarrer Ruedi Staub tätigte seinen Einkauf in der Drogerie und lud mich
in die Jugendgruppe ein. Als ich das erste Mal hinging, erzählte ein ehemaliger Drogenabhängiger, wie Jesus ihn von Abhängigkeit befreite und sein
Leben veränderte.
Ich bin katholisch aufgewachsen und hörte in der Kirche jeweils die Geschichten von Jesu Geburt bis zur Kreuzigung, und dies alle Jahre wieder.
Das Kreuz, mit dem gekreuzigten Heiland, welches vorne hing, festigte
meinen Eindruck, es mit einem toten Gott zu tun zu haben. Auch eine
spätere Suche (während den Teenager-Jahren), den Sinn des Lebens in Religiosität zu finden, brachte nicht ein befriedigendes Resultat. So versuchte
ich Liebe und Sinn in einer Freundschaft zu finden.
Das in der Jugendgruppe gehörte Zeugnis berührte mich stark, und ich begann etwas davon zu spüren, dass wir es mit einem lebendigen Gott zu tun
haben. Von diesem Zeitpunkt an durfte ich regelmässig zu Jeanne-Marie
gehen, wo ich das erste Mal von meinen schwierigen Kindheitserlebnissen
erzählen konnte. Sie hörte mir ruhig zu, und am Schluss betete sie jeweils.
An einem Montagmorgen im Juni 1987 erzählte mir Ruedi von Adam und
Eva und der Ursünde und fragte mich, ob ich Jesus in mein Leben einladen
möchte. Mir wurde bewusst, dass ich ein Sünder bin und Gottes Vergebung
benötige. In einem Gebet übergab ich sogleich Jesus mein Leben. Ich fühlte
mich, als ob eine riesige Last von mir weggenommen wurde und hätte vor
Freude tanzen und jubeln können.
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Nachdem ich meinem damaligen Freund von meinen Erlebnissen mit Jesus erzählt hatte, dieser es jedoch nicht nachvollziehen konnte, wusste ich
in meinem Herzen, dass ich diese Beziehung beenden musste.
In der Deutschschweizer Kirchgemeinde wurde ich herzlich aufgenommen
und fand somit eine Familie.
Dankbar bin ich für die Zeit, die Jeanne-Marie in mich investiert hat. Ich
erlebte Seelsorge, sprach Vergebung aus und erlebte Heilung von Verletzungen aus meiner Kindheit. Öfters durfte ich bei Staubs essen und auch
mal mitfahren zu einem Ausflug auf den Neuenburgersee mit dem Segelschiff.
Ich freute mich in der Jugendgruppe mithelfen zu dürfen, indem ich Jugendliche aus den umliegenden Dörfern abholte und sich dann neue
Freundschaften mit Kolleginnen entwickelten. Durch all die wertvollen
Menschen, die in der Kirchgemeinde mitarbeiteten, durfte ich Jüngerschaft
erleben und freute mich u. a. auf die Bibelabende.
Zusätzlich besuchte ich ab und zu Veranstaltungen von «Jugend mit einer
Mission» und hörte von der Jüngerschaftsschule. Ruedi und Jeanne-Marie
ermutigten mich, eine solche Schule zu besuchen.
Nach mehr als zwei Jahren verabschiedete ich mich von den mir liebgewordenen Menschen aus Moudon. Ich hatte mich für eine halbjährige Haushaltsschule angemeldet. Zuvor jedoch flog ich nach Portugal für einen
dreimonatigen Missionseinsatz, zu dem ich durch Ruedi’s Anfrage bei der
Christlichen Ostmission, kam.
An meinem 24. Geburtstag reiste ich zu einem neuen Abenteuer nach Togo,
wo ich eine Jüngerschaftsschule von Jugend mit einer Mission besuchte.
Den anschliessenden dreimonatigen Einsatz machte ich im Nachbarland
Benin. Ich erlebte eine sehr gesegnete Zeit und immer wieder Gottes Bewahrung. Mein Vertrauen in Gott ist durch viele Erlebnisse stark gewachsen. Was mich besonders berührte, war Gottes Fürsorge und sein Vaterherz
näher kennenzulernen.
Zurück in meiner Heimat fand ich bald eine Arbeitsstelle. Mein Ziel war es,
Geld zu verdienen, um eine Bibelschule zu besuchen. Da mein Herz weiter
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für Afrika schlug, entschloss ich mich, diese in französischer Sprache zu
absolvieren. Familie Staub empfahl mir zwei Adressen, worauf ich mich für
die Schule von IBETO entschied.
Gleich zu Beginn der Bibelschule hat mich Gott von einer Erschöpfungsdepression geheilt, die ich sechs Monate zuvor erlitten hatte durch Überforderung an der damaligen Arbeitsstelle. Als mir der Prediger die Hände auf
die Stirn hielt, spürte ich, wie Wärme mich durchflutete, Kraft und Freude
wieder in mein Leben zurückkamen. Nach dem ersten Schuljahr erhielt ich
die Anfrage einer Familie, für einen einmonatigen Missionseinsatz nach
Indien zu fliegen, und sie bezahlten mir die Reise. Zwischendurch arbeitete
ich auch, und bevor das nächste Schuljahr losging, erlebte ich das Wunder,
dass das Stipendium ausbezahlt wurde, das ich Monate zuvor beantragt
hatte. Wieder erlebte ich, wie mein himmlischer Daddy für mich sorgte.
Gottes Wort wurde mir in dieser Zeit lieb, und wir erlebten, wie Gottes Geist
uns berührte. Wir hatten eine gute Gemeinschaft mit allen Studenten; besonders wertvoll war die Zeit mit meiner afrikanischen Freundin.
Nachdem ich vier Tage vor Schulschluss eine Absage bekommen hatte
von einer Projektarbeit in Westafrika, war es naheliegend, wieder in den
Kanton Thurgau zurückzukehren. Traurigen Herzens nahm ich Abschied,
jedoch getröstet mit einem Liedtext: mein Gott sorgt für alle meine Bedürfnisse. Und so war es in der Tat. Im Gottesdienst am Pfingstsonntag fragte
mich eine Kollegin, ob ich mit ihr die Wohnung teilen möchte, und am
darauffolgenden Tag hatte ich eine Arbeitsstelle im Altersheim.
An einem Missionskongress in Holland lernte ich meinen jetzigen Mann
César kennen. Nachdem Gott unsere Beziehung immer wieder bestätigte,
heirateten wir nach eineinhalb Jahren. Gott schenkte uns drei Wunschkinder. Zuerst dachten wir nach Italien zu gehen, um dort Gott zu dienen. Die
Türen waren jedoch «verschlossen». Gott hat César viel Gunst geschenkt an
den jeweiligen Arbeitsstellen und dazu auch Ideen im technischen Bereich.
Vor vier Jahren gründeten wir unsere erste kleine Firma und machten gemeinsame Erfahrungen im Bereich der Geschäftswelt. Seither sind andere
Firmen dazugekommen, und wir haben uns entschlossen, das Abenteuer in
die selbständige Arbeit mit Gottes Hilfe zu wagen. Unser Wunsch ist, Gott
zu dienen gemeinsam als Familie und in den für uns vorbereiteten Wegen
zu gehen. Wir sehen unsere Berufung in der Wirtschaft /Business, wo immer möglich wir Menschen mit Gottes Liebe erreichen möchten.
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Zuletzt möchte ich hinzufügen, liebe Jeanne-Marie, lieber Ruedi, dass ich
von Herzen dankbar bin, für all die Zeit und Gebete, die Ihr in mich investiert habt. Ihr habt mir zu einer guten Wiedergeburt verholfen und mir den
Raum gegeben, im Glauben zu wachsen. Ich freue mich, die gute Frucht zu
sehen, die Ihr beide und Menschen der Deutschschweizer Kirchgemeinde
in Moudon hervorgebracht haben, in vielen Menschen, die die Jugendgruppe besucht haben.
Eine 20-jährige Mitarbeiterin war wesentlich daran beteiligt, dass ich als
Pfarrer anfing die Jugendlichen aufzurufen sich persönlich für Jesus zu
entscheiden. Diese junge Frau teilte mir in einem Brief, nachdem sie in die
Deutschschweiz zurückgekehrt war, folgendes mit:
«Sie haben uns den Weg in die Nachfolge Jesu klar beschrieben, aber wie
man auf diesen Weg kommt, zu wenig fassbar gemacht. Erst hier zu Hause
erhielt ich klare Antwort, wie ich mich für Jesus entscheiden kann.»
Ich dachte: «So etwas darf sich nicht wiederholen! Fortan sollen die jungen Leute mehrmals im Jahr die Möglichkeit erhalten, sich für Jesus zu
entscheiden.» – Nur der Himmel kennt all diejenigen beim Namen, welche
diesen Schritt in all den Jahren vollzogen haben. Dank Gottes Gnade sind
es viele! Einige haben in der Folge Bibelschulen besucht und wirken in der
Mission und ihren Gemeinden mit.
Dann gab es eine kleine Erweckung unter Jugendlichen aus unserer Gemeinde. Als dann ein junger Mann eine klare Wiedergeburt erlebte und von
da weg nicht mehr an den Wochenenden an Festivitäten mit Tanz u.a.m.
teilnahm, war das Aufsehen gross. Einem anderen Jungen, der in die JK
kam, erklärte der Vater: «Wenn du weiterhin zu diesem «Stündelipfarrer»
gehst, werde ich dafür sorgen, dass du einmal unseren Hof nicht bewirtschaften kannst. Derselbe Vater kam sogar, um seine Tochter, welche nach
einem Gottesdienst mit mir ein Gespräch führte, aus dieser Seelsorge nach
Hause zu holen. Bei diesen Kindern wirkte sich diese Handlungsweise ihres
Vaters in der Folge negativ aus.
Die oben erwähnten Väter gaben ihre Mitgliedschaft im Kirchenchor auf in
der Hoffnung, dass dieser dadurch nicht weiter bestehen würde. Dank der
Fürsorge Gottes wurden jedoch die Austritte durch Eintritte wettgemacht.
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Jedes Jahr machten wir einen Gemeindeausflug. Eine besondere Reise war
diejenige mit dem «roten Pfeil» der SBB. Diese Zugkomposition war einen
ganzen Tag nur mit uns unterwegs. Das war ein besonderer Höhepunkt im
Gemeindealltag.
Im Nachbarort Lucens befand sich ein grosses Töchter-Institut. Hier unterrichtete ich jeweils eine Konfirmandenklasse. Diese 15jährigen Mädchen
waren manchmal sehr schwierige Teenager. Oft hatten sie bereits zu Hause
und in der Schule Probleme bereitet. Deshalb wurden sie für das letzte,
neunte Schuljahr ins Institut geschickt. Da diese 15jährigen noch nicht
konfirmiert waren, hatte ich sie zu unterrichten. Das war meistens ein mühevolles Unterfangen. Dank des guten Einvernehmens mit der Institutdirektion konnten wir jeweils den Konfirmandenunterricht mit einem einwöchigen Konfirmandenlager in unserm Haus am Neuenburgersee beginnen.
Das ergab stets einen guten Einstieg ins Unterrichtsjahr. Da haben meine
Frau und ich so manches erlebt. Zum Beispiel wollte sich die Tochter eines
Architekten nicht konfirmieren lassen. Nachdem ich ihr und dem Vater klar
gemacht hatte, dass die Tochter autonom entscheiden dürfe, wurde ihr die
Entscheidung freigestellt. Nun wollte sie doch konfirmiert werden und war
wirklich bereit diesen Schritt zu vollziehen.
Jährlich organisierten wir Konzerte mit zum Teil bekannten Singgruppen
und Bands, wie den «Stars of figth», den «International Singers», den «Shelomith» und anderen mehr. Diese Konzerte fanden in grossen öffentlichen
Sälen statt, meistens in Lucens. Hier füllten schon die 150 Mädchen aus
dem Institut den halben Saal.
Wir veranstalteten Evangelisationswochen mit den «Janz Ambassadors»
und später mit dem bekannten «Event-Pfarrer» Fredy Staub. Das waren
immer Höhepunkte in unserer Gemeindearbeit. Zusammen mit einigen
Gemeindegliedern war uns klar geworden, dass wir unbedingt einen Gebetskreis benötigten. Das Problem war nur, dass es keinen freien Abend
mehr gab, an welchen alle Interessierten teilnehmen konnten. So kamen
wir morgens früh vor Arbeitsbeginn zusammen, und zwar um 05.30 Uhr.
Sonntags hatte ich meistens drei Gottesdienste zu halten, einmal im Monat sogar deren vier. Für die Vorbereitungen mussten oft auch die Nachtstunden herbeigezogen werden. In der Folge erlitt ich einen Herzanfall mit
einem Zirkulationskolaps. Die Auswirkung war ein Gehörverlust von 27 %
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auf beiden Ohren. Fazit: Einige Wochen Urlaub und Erholungskur in den
Bergen.
Dankbar war ich, dass nicht eintraf, was der Spezialist befürchtete: Eine zunehmende Schädigung des Gehörs. Dann verdeutlichte mir der Arzt: «Wenn
Sie Ihre Lebensweise nicht ändern, werden die Folgen verheerend sein. Sie
sollten sich mindestens als Ausgleich mit einem Hobby beschäftigen.»
Nachdem ich das Patent erworben hatte, ging ich zum Fischfang an unseren Fluss: Die Broye. Da ich mich langweilte, ergab ich mich dann zugleich
dem Lesen. Der Arzt billigte das nicht. Da riet mir ein Kirchgemeinderat,
Bienen zu halten. In der Nähe konnte ich ein Bienenhaus kaufen und dieses
auf einem Grundstück des erwähnten Ratsmitgliedes aufstellen.
Dieser Ausgleich wurde tatsächlich segensreich. Die Beschäftigung mit
den Immen war eine heilbringende Ablenkung. Ein Kirchgänger meinte
dann: «Vielleicht heilen die Bienenstiche diejenigen der Leute.» Und das tat
wirklich Not: Denn ich wurde wieder angefeindet, und wie! Es kam soweit,
dass ich in einem anonymen Brief aufgefordert wurde, die Kirchgemeinde
zu verlassen. Mit dem Brief wurde mir sogar das Inserat einer Stellenausschreibung zugeschickt, wo ich mich bewerben sollte.
Dann bekam ich eine Anfrage von einem Pfarrkollegen aus Lausanne. Da
er selber in die Deutschschweiz zurückkehrte, hätte ich seine Stelle in
Lausanne einnehmen können. Wir waren bereit, dies zu prüfen. Da unsere
Suzanne im kommenden Jahr in Lausanne in die Handelsschule, und Philippe ein Jahr später ins Gymnasium gehen würden, war dies schon deshalb
naheliegend.
Wir legten dann folgendes fest: Wenn ich mit meiner Ausbildung ohne
weiteres wählbar bin, soll das unser Weg sein. Als ich dies meinem direkt
vorgesetzten Pfarrkollegen unterbreitete, sagte er: «Dieses Kriterium wird
kein Hindernis sein. Das heisst, sie können ihre Koffer packen.» Er hatte
jedoch die Rechnung «ohne den Wirt gemacht». Die kirchlichen Behörden
stellten fest, dass ich nicht Mitglied des «Waadtländer-Pfarrkollegiums» bin
und deshalb auch nicht wählbar sei. Das hat meinen vorgesetzten Pfarrkollegen sehr enttäuscht. Er sagte: «Aber jetzt unternehmen wir alles, damit
sie offiziell in unser Pfarrerkollegium integriert werden.»
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So wurden Schritte eingeleitet, damit ich die nötigen Prüfungen ablegen
und die «Aggregation» absolvieren konnte. Das kam mir dann später zugute, worüber ich sehr dankbar war. So blieben wir in Moudon, was mir dann
auch die Mitarbeit in der Christlichen Ostmission ermöglicht hat.
Ab dem nächsten Kapitel folgt als Zwischenstück diese Schilderung.
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Mein Engagement in der
Christlichen Ostmission
Da ich genau die Hälfte meines Lebens, 40 Jahre in der Christlichen Ostmission (COM), auch als Vizepräsident im Vorstand mitwirken durfte, möchte
ich hier einiges vom Erleben in dieser speziellen Missionsarbeit festhalten;
denn auch hier wird offensichtlich, dass Gott berufen und gesegnet hat!
Als sich mein Mitwirken in der COM ausweitete, reduzierte ich meine Arbeit
in der Kirchgemeinde einige Zeit um 20 %.
Es war 1972, als ich eines Tages von einem Missionsbeauftragten aus Holland
Besuch bekam. Die amerikanische Missionsgesellschaft «Underground Evangelism» wollte in der Schweiz Fuss fassen und suchte Mitglieder, um einen Vorstand zu bilden. Mein Engagement für die verfolgten Christen in Ostdeutschland im Besonderen und «hinter dem Eisernen Vorhang» im Allgemeinen
bewirkte diese Anfrage.
Nach Absprache mit dem Kirchgemeinderat erteilte ich meine Zusage. So kam
es, dass ich Mitbegründer der Christlichen Ostmission (COM) in der Schweiz
wurde.
In der Folge entfaltete sich mein persönlicher Einsatz in dieser Missionsarbeit
zusehends. Im Vorstand versah ich den Posten des Vizepräsidenten und wirkte in verschiedenen Projekten mit. Aus diesem Engagement entstanden in der
Kirchgemeinde Probleme. Es wurde sogar gemunkelt: «Der Pfarrer verdient
wahrscheinlich in der Ostmission mehr als bei uns.» Dabei gab es nicht einmal
ein Sitzungsgeld, und ich bezahlte auch alle Reisen selber. Rückhalt erfuhr ich
vor allem vom Präsidenten des Kirchgemeinderates. Dieser erklärte: «Seit dem
Mitwirken unseres Pfarrers in der Ostmission sind auch seine Predigten gehaltvoller geworden. Das heisst, nicht nur er, sondern auch wir profitieren davon.»
Um die Gemüter etwas zu beruhigen, wurde dann mein Arbeitspensum in der
Kirchgemeinde auf 80% reduziert, das heisst: Ich verzichtete auf 20 % meines
Gehaltes. So hatte ich mehr Freiraum, mich in der Christlichen Ostmission voll
und mit Nachdruck einzusetzen.
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Als die COM im Jahre 1973 in der Schweiz ihre Arbeit begann, wurden
Hunderttausende von Mitchristen hinter dem Eisernen Vorhang verfolgt.
Unzählige waren bereits umgekommen, eine Vielzahl wurde grausam tyrannisiert und gefoltert. Zahlreiche schmachteten in Gefängnissen, psychiatrischen Kliniken und Zwangslagern.
Durch den bereits erwähnten, mehrtägigen Aufenthalt in Ostberlin und
Ostdeutschland war ich für die Anliegen der verfolgten Christen hinter
dem Eisernen Vorhang sensibilisiert worden. Drei Studienkollegen von mir
dienten in der DDR als Pfarrer. Ferner wirkte ich damals in der evangelischen Filmmission mit und präsentierte den Film «Frage 7», welcher die
Lage der verfolgten Christen authentisch schildert.
Wie intensiv sich allerdings in Zukunft zeitweise mein persönlicher Einsatz
in dieser «Ostmission» gestalten würde, vermochte ich zu diesem Zeitpunkt
freilich nicht einzuschätzen. In der Folge führten mich verschiedene Reisen nach Jugoslawien, Rumänien, Ungarn, Thailand und Kambodscha, wo
die Roten Khmer Furchtbares angerichtet hatten. Später musste ich mehrmals nach Somalia und Portugal reisen. Aber bevor ich über diese, zum Teil
dramatischen Erlebnisse berichte, will ich ganz von vorne beginnen.
Vorerst ging es darum, die Christen bei uns in der Schweiz darüber zu informieren, was unsere Glaubensgeschwister hinter dem Eisernen Vorhang
erleiden mussten. Zahlreiche Zeugnisse erreichten uns fortwährend. Den
Christen in der Sowjetunion und den Ostblockstaaten war es ein wichtiges Anliegen, ihre Mitchristen im Westen darüber zu informieren, was ihnen widerfuhr. Unsere Aufgabe war es, diese Berichte den Gläubigen in der
Schweiz weiterzugeben und ihr Mitempfinden zu wecken. Diese Anteilnahme sollte sie zur Fürbitte und Solidarität durch tätige Hilfe bewegen. Durch
diese brüderliche Verbindung sollten die verfolgten Gläubigen in den kommunistisch regierten Ländern ermutigt werden und erleben, dass im Geist
eine Verbundenheit über Grenzen hinweg möglich ist, welche weder durch
psychische noch leibliche Gewalt unterbunden werden kann. So sollten sie
den Wirklichkeitssinn der Paulusworte erfahren: «Wenn ein Glied leidet, so
leiden alle Glieder mit!» (1.Kor.12,26) Kirchen und Mitchristen für diese
Solidarität empfänglich zu machen und zur Unterstützung dieser Bedürftigen aufzurufen, war schon in der Anfangszeit der COM unser Bestreben und
ist es bis heute geblieben.
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Bereits seit 1960 wurde die Aufmerksamkeit der westlichen Welt öfters auf
Aïda Skripnikova, eine junge Russin, aus Leningrad gelenkt. Diese war wegen ihres Glaubens grossen Leiden ausgesetzt. Sie musste Spott, Belästigungen, Benachteiligungen bei der Ausbildung, Verlust des Arbeitsplatzes,
gesellschaftlichen Druck durch Freunde oder Nachbarn und schliesslich
sogar Gefängnisstrafen erdulden; einmal 2 Jahre von 1965 bis 1966 und
dann wieder drei Jahre von 1968 bis 1971. Das erste Mal wurde Aïda verhaftet, weil sie als junges Mädchen das nachstehende, von ihr selbst verfasste
Gedicht verteilt hatte:
EIN GLÜCKLICHES NEUES JAHR!
Ein Neujahrswunsch
Unsere Jahre fliegen vorüber
Eins nach dem anderen, unbeachtet.
Kummer und Traurigkeit verschwinden,
sie werden vom Leben mit fortgetragen.
Diese Welt, diese Erde ist so flüchtig,
alles kommt zu einem Ende.
Das Leben ist wichtig. Seid nicht sorglos!
Welche Antwort könnt ihr unserem Schöpfer geben?
Was erwartet dich, mein Freund, jenseits des Grabes?
Beantworte diese Frage, solange das Licht da ist.
Morgen vielleicht schon wirst du vor Gott stehen
und ihm Antwort geben müssen auf alles.
Denke gut darüber nach,
denn du bist nicht für alle Ewigkeit auf dieser Erde.
Morgen vielleicht schon wirst du für immer
alle deine Verbindungen mit dieser Welt abbrechen!
SUCHE DEN HERRN, SOLANGE ER ZU FINDEN IST!
Zu ihrer Verteidigung sagte Aïda vor Gericht: «Gläubige können nicht versprechen, ein Gesetz zu erfüllen, das ihnen verbietet, von Gott zu sprechen;
ein Gesetz, das Eltern verbietet, ihre Kinder gläubig zu erziehen; ein Gesetz,
das ihnen befiehlt, ihre Kinder Atheisten werden zu lassen.» Als Aida gefragt
wurde: «Erkennen Sie nicht, dass diejenigen, die Bibeln in die Sowjetunion
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bringen, nur versuchen uns zu schaden?» antwortete sie: «Ich wäre als erste
bereit, Bibeln beispielsweise nach Schweden zu bringen, sofern es in Russland Bibeln gäbe, in Schweden jedoch nicht.» – Bevor Aïda ihre Rede vor
Gericht beendet hatte, sprach sie von Freiheit: «Ich bin keine Heldin. Ich
liebe die Freiheit und wäre jetzt nur zu gerne frei, zusammen mit meiner
Familie und meinen Freunden. Aber ich kann Freiheit nicht um jeden Preis
kaufen... Was könnte mir Freiheit bedeuten, wenn ich Gott nicht meinen
Vater nennen darf?»
Auf die spätere Frage, was für sie im Gefängnis am schwersten gewesen war,
antwortete Aïda: «Zunächst war es für mich sehr hart, von meinen Freunden
getrennt zu sein. Zweitens war es für mich schwer, von der Welt abgeschnitten zu sein, nirgends hingehen zu können. Jedoch das Schlimmste war,
ohne das Evangelium leben zu müssen. Ich hatte um eine Bibel gebeten,
aber man gab mir keine. Eine christliche Schwester brachte mir eines Tages
das Markusevangelium mit... Wärter entdeckten dieses bei mir... Ich erhielt
dafür zehn Tage Einzelhaft in der kalten Arrestzelle des Gefängnisses ...»
«Obwohl die Verhältnisse im Gefängnis sehr hart waren», erklärte Aïda ein
anderes Mal, «bewahrte ich mir die Hoffnung. Ich fühlte keinen Kummer,
mein Geist war nicht durch Angst niedergedrückt. Es gelang mir, diese
drei Jahre durchzustehen, indem ich mir die Worte aus Matthäus 11,30 vor
Augen hielt: Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. Obwohl
ich diese Worte aus der Bibel schon vor meiner Verhaftung kannte, ist mir
erst jetzt klar geworden, wie wahr und wichtig sie sind. Die Last Christi ist
wahrlich leicht zu tragen. Ich habe dies im wahrsten Sinn des Wortes oft
im Gefängnis erlebt. Während dieser ganzen Zeit hatte ich einen treuen
Freund – den auferstandenen Herrn Jesus Christus, welcher das Joch an
meiner Seite mittrug.»
Aida drückte ihre Dankbarkeit für Pakete und Grüsse, die ihr ins Gefängnis
geschickt wurden, so aus: «All diese Anteilnahme... Ich habe sie nicht nur
auf mich, sondern auf uns alle bezogen. Das Schönste an der Sache ist, dass
Gläubige nicht voneinander getrennt werden können. Alle, die dem Herrn
angehören, sind ein Leib, wo immer sie sind und in jeder Lage.»
In einer Antwort an den atheistischen Journalisten V.I. Kuzin, kommt Aïdas
Anteilnahme für die Verlorenen klar zum Ausdruck: «Die Ankunft Christi
steht sicher bald bevor, aber viele werden in das ewige Leben hinüberwech-
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seln, bevor Jesus wiederkommt. Wir dürfen nicht ruhig mit ansehen, wie
Menschen einen Weg wählen, der in die Vernichtung führt. Es ist unsere
Pflicht, diesen Menschen den rechten Weg aufzuzeigen.»
Bereits im Herbst 1974 war die Christliche Ostmission im Besitz eines ausgezeichneten 35 Minuten dauernden, farbigen Dokumentarfilmes mit dem
Titel: «Nach Russland mit Liebe». Dieses kostbare Hilfsmittel kam in vielen christlichen Kirchen, Institutionen, ja sogar in Schulen, zum Einsatz.
In der Folge solcher Veranstaltungen konnten wir unseren Freundeskreis
fortwährend ausbauen. Ab 1977 stand uns ein weiterer Film mit dem Titel
«Christus für China» zur Verfügung.
Rückblickend grenzt es fast an ein Wunder, dass wir damals, in relativ kurzer Zeit, einige tausend Freunde gewinnen konnten, welche grosses Interesse für die Anliegen der verfolgten Christen bekundeten. Viele zu Herzen
gehende Berichte aus der Sowjetunion und anderen Ostblockstaaten bewegten sowohl Gemeinden, wie auch einzelne Christen, für das Anliegen
der verfolgten Mitchristen zu spenden, ja sogar Opfer zu bringen, aber vor
allem für sie zu beten.
Der Unterschied zwischen Kollekte und Opfer
Bei speziellen Gelegenheiten, darunter auch in einer Predigt, habe ich mir
erlaubt, folgende Anekdote zu erwähnen: «Kennen sie den Unterschied
zwischen einer Kollekte und einem Opfer? Es war an einem Sonntag, am
Mittagstisch. Hansli liess sein Kotelett unberührt im Teller liegen. Als
sein Vater dies bemerkte, ermahnte er seinen Bub: «Hansli, iss das Fleisch
zusammen mit dem Gemüse und den Kartoffeln.» Als diese Ermahnung
nichts bewirkte und das Kotelett weiter in Hansli’s Teller verblieb, sagte
der Vater: «Gut, wenn du es nicht essen willst, nehme ich es dir weg.» Nach
dieser Androhung verzehrte der Knabe sein Fleisch. Nach dem Essen nahm
er den übriggebliebenen Knochen, begab sich in den Hinterhof hinaus, rief
den Hund, warf diesem den Knochen zu und sagte betrübt: «Schau Barri,
ich hatte dir für heute ein Opfer versprochen, aber leider ist es jetzt wieder
nur eine Kollekte!»
Viele Familien, deren Väter in Gefängnissen und Zwangslagern festgehalten
wurden, waren auf Unterstützung angewiesen, um überleben zu können.
Oft wurden die Kinder den Eltern weggenommen und in staatliche Heime
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gebracht. Unvorstellbar, das Herzeleid und die Seelennot dieser völlig entrechteten Christen nachzuempfinden!
Am 1.September 1973 schrieb eine solche leidgeprüfte Mutter folgenden
Brief an L. I. Breschnew:
«Durch den Beschluss des atheistischen Gerichts wurden mir, als einer
christlichen Mutter, die Elternrechte entzogen. Diese ungesetzliche Handlung wurde am 8. Juni 1973 von den gerichtlichen Organen in Perm gutgeheissen.
Zur gleichen Zeit versicherten Sie, Lenoid Iljitsch Breschnev, der Öffentlichkeit, besonders der USA und Westeuropa, Ihre friedliebende Politik und
humane Einstellung, gegenüber gläubigen Christen. Und doch werden in
unserem Land die weinenden Kinder ihren Eltern weggenommen, weil sie
religiös erzogen werden. Die Kinder strecken ihre Hände aus, klammern
sich an ihren Eltern fest und wollen nicht von ihnen getrennt werden. Aber
die herzlosen, gottlosen Menschen ergreifen sie, trennen sie von den Eltern,
werfen sie in die Polizeiwagen und bringen sie in unbekannte Richtung weg.
Am 1. August um zwölf Uhr fuhr vor unserem Haus ein Wagen mit Polizisten und zwei Frauen aus dem Volksgericht vor. Diese betraten unsere Wohnung und erklärten: «Man hat ihnen die Elternrechte entzogen; wir sind
gekommen, ihre Kinder wegzunehmen.» Die Kinder liefen weinend zu mir
und klammerten sich an mir fest, wobei sie wiederholten: «Unsere Mami ist
lieb, wir wollen bei ihr bleiben!»
Die Polizisten und die Frauen überlegten, ob sie zuerst mich festnehmen
und fortbringen sollten und erst nachher die Kinder. Sie versuchten die Kinder zu überreden, indem sie ihnen alles versprachen, was ein Kinderherz
begehrt. Doch alles nützte nichts; die Kinder fuhren fort zu weinen und
hielten mich fest. Also wandte man physische Gewalt an... Man packte uns
alle zusammen in den Polizeiwagen und brachte uns zur Polizeiwache. Dort
nahm man mir die Kinder weg und erklärte mir, ich brauche sie nicht zu
suchen, niemand würde mir sagen, wo sie untergebracht seien. Das alles
dauerte bis 15.30 Uhr.
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Auf diese Weise wurde ich von meinen Kindern dem 8jährigen Sascha und
dem 6jährigen Wassja, getrennt. Meine Tochter Tamara befand sich noch
in der Schule und wurde mir nicht fortgenommen. Durch die oben erwähnten ungesetzlichen Handlungen ist jedoch dann auch meiner Tochter die
Möglichkeit, zu Hause zu leben und die Schule zu besuchen, genommen
worden.
Da die KpdSU in unserem Land die leitende Partei ist, der alle staatlichen,
öffentlichen und gerichtlichen Organe untergeordnet sind, hängt auch die
Fortnahme meiner Kinder wegen ihres Gottesglaubens, direkt vom ZK der
UpdSU und persönlich von Ihnen ab. Ich bitte Sie, der Staatsanwaltschaft
in Perm die Weisung zu erteilen, ihren Entscheid zu widerrufen.»
Hochachtungsvoll Z. P. Radygina
Dieser Bericht ist ein Beispiel für das, was damals unzählbare Christen hinter dem Eisernen Vorhang erlebt und durchgemacht haben.
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Eine Bücherlawine ohne
Bibel und Geistliches
In der damaligen Sowjetunion herrschte ein grosser Mangel an Bibeln,
Gesangbüchern und christlicher Literatur. In China und den Ostblockstaaten war die diesbezügliche Situation nicht besser. 1972 wurden in der
Sowjetunion 1 458 885 000 Bücher gedruckt. Diese astronomische Zahl
beinhaltete 80 531 Titel. Doch darunter befanden sich weder Bibeln, noch
christliche Bücher, obschon ein grosser Bedarf vorhanden war. Deshalb
schrieben Christen Bibelteile, Traktate, Bücher und Lieder von Hand,
oder mit Schreibmaschinen ab. So entstand in der Sowjetunion der Begriff: «Samisdat», was übersetzt bedeutet: «Es verlegt sich selbst.»
Die Christliche Ostmission beteiligte sich an Ort und Stelle, am Erwerb
von Schreib- und Kohlepapier. Um nicht aufzufallen, musste dieses Material meist in kleinen Mengen mühsam zusammengekauft werden, was
oft durch Gemeindeglieder geschah.
Das Angebot des «Samisdat» schwoll mächtig an. Werke berühmter
Schriftsteller – zum Beispiel von Solschenizyn – tauchten als Manuskripte auf und wurden teuer erworben, entweder durch Tausch oder mit Geld.
Immer mehr Menschen beteiligten sich am Abschreiben von Manuskripten, für die sich kein Verleger fand, um sie zu veröffentlichen. Manche
wurden handschriftlich abgeschrieben. Aber zumeist geschah dies mittels Schreibmaschinen, was 6-8 Kopien auf einmal ergab. Ein Heft von
150 Seiten mit dem Titel «Wetsche» (Deutsch, Volksversammlung) kam
ebenfalls so zur Veröffentlichung. Ganze Ketten von Schriften entstanden so und breiteten sich mehr und mehr über die ganze Sowjetunion
aus.
Auf diese Weise wurden auch biblische Bücher, das Neue Testament, ja
ganze Bibeln und viel christliche Literatur in Umlauf gebracht. Für eine
Bibel, gewisse theologische Werke oder Bücher von Solschenizyn wurden
umgerechnet Beträge zwischen Fr. 500.– und 1200.– bezahlt. Deshalb unterstützten wir das Vervielfältigen dieser begehrten Schriften so gut dies
möglich war. Es wurden auch immer mehr sogenannte «Untergrunddru-
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ckereien» eingerichtet. Leider wurden solche mehrmals entdeckt, was
jeweils für die Beteiligten furchtbare Konsequenzen zur Folge hatte.
Nachdem einer unserer Kuriere in einer Kirche hinter dem Eisernen Vorhang neue schöne Taschenbibeln verteilt hatte, kam dann ein ganz einfach
gekleidetes Mütterchen auf ihn zu und streckte ihm ein völlig abgegriffenes
Buch entgegen. Bevor sie es ihm übergab küsste sie dieses ein letztes Mal
ehrfurchtsvoll. Es handelte sich um diese hier abgebildete Bibel
Diese Bibel war jahrelang das einzige Exemplar der Gemeinde
Diese wertvolle Bibel wurde immer wieder von Hand zu Hand weitergereicht. Völlig verschlissen und abgegriffen wurde sie durch mehrmaliges,
neues Binden, den Gläubigen erhalten. Das überwältigende Glück dieser
Christen, welche die neuen Bibeln an ihre Herzen drückten, war jeweils
unbeschreiblich. Diese glaubensstarken Menschen, denen das Wort Gottes
jahrelang vorenthalten wurde, lieben dieses Buch, wie man es hierzulande
kaum antrifft. Von diesem akuten Mangel an Bibeln war mehr und mehr
der ganze Ostblock betroffen. Das hatte zur Folge, dass wir inständig gebeten wurden, Bibeln und christliche Literatur zu drucken. Immer wieder erreichten uns Zeugnisse von Gläubigen, welche Bibelteile, manchmal sogar
die ganze Bibel und Gesangbücher von Hand abschrieben. Das Drucken, der
gewünschten Bibeln und Literatur, war hierzulande einfach zu bewerkstel-
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ligen. Die Kostendeckung und vor allem der Transport stellten jedoch eine
gewaltige Herausforderung dar.
Durch vertrauenswürdige Spezialisten wurden für die Ostmission grosse
Autos und Campingbusse umgebaut. Hohlräume wurden zugänglich gemacht und im ganzen unteren Teil jeweils ein Doppelboden eingebaut. Und
so begann ein ausgedehnter, langjähriger Kurierdienst. Die Autos waren
auf Privatadressen im Westen immatrikuliert. So fuhr zum Beispiel auch
ein Bus, welcher auf den Namen einer Familie aus meiner Kirchgemeinde
angemeldet war, jahrelang in den Osten.
In diesen ersten Jahren gab es kaum eine Vorstandssitzung, an welcher
nicht über die Finanzierung von Literaturdruck und den Transport dieser
Bibeln und Bücher hinter den Eisernen Vorhang diskutiert wurde. Wir erhielten sehr viele gezielte Anfragen. Nebst Neuen Testamenten, Bibeln und
Kinderbibeln, waren auch Singbücher gefragt oder Buchtitel von Watchmen Nee, Billy Graham und Wilhelm Busch.
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Der Fall von Pastor
Vasile Raskol
Während des Jahres 1976 legten unsere Bibelkuriere 800 000 km zurück,
um Gottes Wort und christliche Literatur in die kommunistischen Länder
zu transportieren. Dort streckten Tausende ihre Hände verlangend nach
dieser geistlichen Nahrung aus und waren überglücklich, diese zu erhalten.
Einer der Pastoren, welcher von uns viel Literatur, vor allem Bibeln, empfangen hatte, war der Rumäne Vasile Raskol. Eines Tages stellte man ihm
eine hinterhältige Falle. Ein speziell ausgebildeter Spitzel brachte es fertig,
die Hürden der Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Als Vasilie Raskol
ihm beim Zusammentreffen die gewünschte Bibel übergab, kamen aus
dem Hinterhalt Polizisten und verhafteten ihn. Sein Verbrechen: Besitz
und Weitergabe von Bibeln. Am 23. Juli 1974 fand in Bukarest sein Prozess
statt. Ob man das, was sich da ereignete, als Gerichtsverfahren bezeichnen
kann, sei dahingestellt. Pastor Raskol wurde angeklagt, das Gesetz nach §3,
Art. 90 und 94 – Verbreitung von Schriften ausländischer Druckereien ohne
Genehmigung – übertreten zu haben. Während des Verfahrens, das nicht
länger als 30 Minuten dauerte, wiederholte Raskol, der einen vom Staat bestellten Verteidiger ablehnte, dass es sich hierbei nur um Bibeln gehandelt
habe. Aber man ging darauf überhaupt nicht ein. Der Gerichtsvorsitzende
wollte seine Aussagen nicht schreiben lassen und erlaubte auch sonst kein
Gespräch über das Thema «Religion». Der Angeklagte hatte keine Erlaubnis zum Sprechen. Ausser einer direkten Antwort auf die gestellten Fragen
waren keine Äusserungen erlaubt.
Über 30 Gläubige warteten stundenlang im Gerichtssaal auf eine öffentliche
Urteilsverkündung. Diese Gemeindeglieder hatten sich vorher wie folgt abgesprochen: Bei einer Schuldspruch ihres Pastors würden sie sich gemeinsam des gleichen Vergehens schuldig bekennen!
Es fand jedoch keine öffentliche Urteilsverkündigung statt. Die Strafzuerkennung lautete: Zwei Jahre Gefängnis für Vasile Raskol und die Beschlagnahmung des Autos. Der Verurteilte wurde direkt in die Haftanstalt überführt. Ein Vertrauensmann konnte für uns folgende Details in Erfahrung
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bringen, die sich mit unseren eigenen Informationen deckten: Einige Zeit
vor der Verhaftung rief jemand bei Raskol zu Hause an und identifizierte
sich arglistig als ein geistlicher Bruder, dessen Name dem Pastor bekannt
war. Dieser fragte nach «Material» (versteckte Wortbedeutung für Bibeln).
Etwas später wurde dann auch noch der Kodename «Brot» als spezielles
Kennwort verwendet. Darauf vereinbarte der Pastor einen Treffpunkt zur
Übergabe des Gewünschten. Am vereinbarten Ort tauchte jedoch die Polizei
auf und verhaftete Vasile. Das Auto und die darin gefundenen Bibeln wurden beschlagnahmt.
Das war das erste ganz grosse Fiasko für unser Missionswerk. Wir mussten
diesbezüglich auch viel Kritik – auch kirchlicherseits – hinnehmen. Man
machte uns indirekt für diese Verhaftung verantwortlich. Vor allem wurde immer wieder der Vorwurf erhoben, unsere Aktivitäten seien zum Teil
illegal.
1975 Massenprotestaktion in Bern
Natürlich belastete uns nicht nur das Schicksal von Vasile Raskol, sondern
auch die umfassende Not seiner Brüder und Schwestern im Glauben. Diese
Sachlage hatte zur Folge, dass wir uns entschlossen, in Bern, unserer Bundeshauptstadt, eine Massenkundgebung, verbunden mit einem Schweigemarsch, zu organisieren. Zu diesem Zweck wurde ein Organisationskomitee
Namens «Osthilfe Schweiz» ins Leben gerufen. Die Solidaritätskundgebung
für den inhaftierten Pastor Raskol wurde auf Samstag, den 18. Januar 1975
geplant. Das Programm beinhaltete: Besammlung auf dem Münsterplatz
mit Gedenkgottesdienst, anschliessend ein Schweigemarsch zur rumänischen Botschaft, wo eine Bittschrift überreichen werden sollte.
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1975 Gedenkgottesdienst auf dem Münsterplatz in Bern
1975 Schweigemarsch zur rumänischen Botschaft
Persönlich erhielt ich den Auftrag, auf dem Münsterplatz eine Ansprache zu
halten, welche simultan ins Französische übersetzt werden sollte. Für diese
Aufgabe konnte ich einen jungen, zweisprachigen Mann gewinnen, welcher
an der Fakultät in Lausanne Theologie studierte. Die Vorbereitungen für
diesen Grossanlass liefen auf Hochtouren.
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In der Woche vor dem 18. Januar musste ich feststellen, dass mein Telefon abgehört wurde. Als ich mich deswegen an unseren Stadtpräsidenten
wandte, meinte dieser sarkastisch: «Wenn man sich dermassen exponiert,
wie Sie das tun, müssen Sie sich über solche Konsequenzen nicht verwundern.» Ich traute meinen Ohren nicht, als ich dies in unserer demokratischfreiheitsliebenden Schweiz als Antwort entgegen nehmen musste. Darauf
tätigte ich alle wichtigen Telefonate, diesen Anlass betreffend, von einer
öffentlichen Telefonkabine aus. Am Freitagabend, den 17. Januar, war die
örtliche Telefonzentrale bis tief in die Nacht hinein hell erleuchtet, was sehr
ungewöhnlich war. Von meiner Telefonkabine aus konnte ich feststellen,
dass mehrere Personen im angrenzenden Gebäude hektisch beschäftigt waren. Ich kann nicht beweisen, dass da Abhör-Agenten am Werk waren. Die
Aussage des Stadtpräsidenten ist jedenfalls bedeutungsvoll!
Die Geschichte von Vasile Raskol verdeutlicht uns, wie gut wir es hier in der
Schweiz haben. Bibeln, christliche Gesangbücher und Literatur stehen uns
massenweise zur Verfügung. Profitieren wir von dieser Situation? Wird unser Glaube dadurch gestärkt und unser Christsein auferbaut? Sind wir dank
der völligen Religionsfreiheit schon zu reifen Christen herangewachsen?
Oder erliegen wir der Behaglichkeit? Führt diese Freiheit zu einer Vernachlässigung des persönlichen Wachstums im Glauben und unserer Heiligung?
Wie steht es um unser persönliches Christsein in Tat und Wahrheit? Ähneln
wir eher dem Leviten oder dem Samariter (siehe Lukas 10)? Das sind sehr
ernste Fragen!
Der Auftrag Jesu, hinauszugehen in die ganze Welt, wird durch keinen Eisernen Vorhang aufgehoben! Unendlich viele unserer Glaubensgeschwister
sind verwundet und verlassen wie der überfallene Pilger im Gleichnis des
Samariters. Sie sind auf unser entschiedenes, solidarisches Handeln angewiesen!
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Wir reisen als Familie mit
einem VW-Bus voll Literatur
hinter den eisernen Vorhang
Eine fortwährende, grosse Herausforderung für unsere Mission war der
Kurierdienst. Einige Privatpersonen stellten sich immer wieder für diesen
heiklen Dienst zur Verfügung. Neben der gedruckten Literatur waren die
verfolgten Christen noch auf viel anderes angewiesen. Dazu gehörten lebenswichtige Medikamente, Nahrungsmittel, Bargeld und anderes mehr. Bargeld
konnte einfach versteckt werden, war aber eine sehr riskante Sache. Ein bewährter Weg führte via Jugoslawien hinter den eisernen Vorhang. Die Grenzkontrollen waren hier weniger streng als in anderen Balkanstaaten. Durch
Vertrauenspersonen gelangte «das Material» zum Teil mit Lastwagen und internationalen Transporten in die angrenzenden Länder und die Sowjetunion.
Schliesslich entschlossen wir uns als Familie, ebenfalls einen solchen Transport durchzuführen. Zudem sollten wir in Rumänien einen Sonderauftrag
erledigen: Wir wollten abklären, ob an der rumänischen Grenze nach den
Ereignissen des Schweigemarsches, meine Identität sofort erkannt würde.
So planten wir unsere Ostreise, welche in den Sommerferien stattfinden sollte. Ich war für diese Aufgabe von einem Sachverständigen eingeführt und
vorbereitet worden. Ein wichtiger Bestandteil dieses speziellen Unternehmens war das Gebet. Nur durch Gottes Schutz und Bewahrung konnte diese
riskante Aufgabe gelingen. Mit unseren drei Kindern, Suzanne, Philippe und
Annelise fuhren wir in das Zentrum der Ostmission nach Deutschland. Von
hier aus starteten wir mit dem voll beladenen Campingbus Richtung Jugoslawien. Wir wählten für die Einreise einen Grenzposten auf einer Passhöhe.
Im Schneckentempo krochen wir mit dem schwer beladenen Camper auf der
österreichischen Seite den Berg hinauf. Hinten im Bus, über den Dutzenden
Bibeln und Büchern, lagen als Tarnung nur unsere Schlafsäcke, Koffer und
Nahrungsmittel. Am Zollposten gebärdeten wir uns als aufgestellte Familie,
welche sich riesig auf die Ferienzeit freut. Zu unser aller Erleichterung passierten wir den Grenzposten problemlos. Im Landesinnern wurden die Strassen zusehends schlechter. Die Schlaglöcher setzten nicht nur dem überladenen Fahrzeug, sondern auch uns zu.
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Unterwegs übernachteten wir in einer Herberge; denn im Bus hatten wir
zu wenig Platz dazu. Anderntags erreichten wir gegen Abend unser Ziel:
Die Kreisstadt Subotica im damaligen Jugoslawien. Nun galt es – gemäss
unseren Aufzeichnungen – die Kontaktperson Pastor Stefan aufzusuchen.
Als wir uns in seinem Stadtviertel befanden, stellten wir das Fahrzeug – gemäss den erhaltenen Instruktionen – auf einem öffentlichen Parkplatz ab.
Zu Fuss begab ich mich auf die Suche nach dem erwähnten Pastor. Ohne
grosse Schwierigkeiten konnte ich sein Haus finden. Die Begrüssung war
überaus herzlich.
Nun konnte ich die übrigen Familienmitglieder nachholen. Anschliessend
wurde unser Campingbus an einem sicheren Ort parkiert. Nach Mitternacht
sollte dann die Übergabe der Bibeln und Bücher irgendwo draussen auf dem
Land stattfinden. Das Wetter war uns gewogen: Es war stark bewölkt, die
Nacht pechschwarz. So fuhr ich spät nachts unter der Leitung des Pastors
den Camper zur Stadt hinaus. Zuletzt ging es durch einen Feldweg an den
vorgesehenen Ort, wo das ganze Material umgeladen wurde. Wie erleichtert
und dankbar waren wir, dass alles so problemlos erledigt werden konnte!
Bruder Stefan hatte verschiedene Möglichkeiten, die Bibeln in der jeweiligen Landessprache und andere christliche Literatur nach Rumänien und
bis nach Russland weiterzuleiten. Er hatte Freunde unter Bus- und Lastwagenlenkern, welche bereit waren, die Literatur zu transportieren.
Er selber brachte viele Güter vor allem nach Rumänien. Unter dem Boden
seines Autos versteckte er die Literatur und brachte diese so über die Grenze. Einmal, so erzählte uns der Pastor, kniete ein Grenzpolizist neben dem
Auto nieder, um dieses von unten zu inspizieren. Bruder Stefan klatschte mit den Händen und rief ganz erregt: «Oh, das ist beschämend, das ist
wirklich beschämend!» Der Polizist blickte hoch und fragte: «Warum, was
ist los?» – «Das ist doch wirklich beschämend für unsere Nation, dass Sie
ihre schöne Uniform beschmutzen, indem sie in dieser dreckigen Strasse
niederknien.» Ruckartig erhob sich der Getadelte, wischte mit den Händen
den Schmutz von seiner Hose und forderte Bruder Stefan auf: «Fahren Sie
weiter!»
Öfters erlebte Bruder Stefan solche Bewahrungen. Er war ein Mann des Gebets. Immer bevor er mit dem Auto losfuhr, betet er. Er liess sich vom Geist
Gottes leiten, besonders im Blick auf die Frage, welchen Grenzübergang er
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benutzen sollte. Eines Nachts, als wieder ein Grenzpolizist neben dem Auto
niederkniete, erfasste ein Windstoss dessen Mütze. Der Beamte erhob sich,
rannte seiner Kopfbedeckung nach und rief: «Fahren sie los!»
Am Sonntag erlebten wir in Subotica in der Gemeinde von Pfarrer Stefan
einen ergreifenden Gottesdienst. Es waren erstaunlich viel Jugendliche anwesend. Die drei älteren der vier Kinder von Familie Stefan wirkten aktiv in
der Musik- und Gesangsgruppe mit. Am Abend fand noch ein Gottesdienst
in einem Vorort statt. Hier waren überwiegend ältere Leute anwesend. Anfangs Woche nahmen wir in einem kleinen Dorf auf dem Lande ausserhalb
Subotica an einer Bibelstunde teil. Dieser Anlass fand in einer Wohnstube
statt. Dicht zusammengedrängt erlebte die Gemeinde Auferbauung und Gemeinschaft. Der Grossteil der Anwesenden waren auch hier ältere Leute.
Bevor wir uns von der Pfarrfamilie von Bruder Stefan verabschiedeten, beteten wir zusammen um Gottes Schutz und Bewahrung im Hinblick auf
unseren weiteren Auftrag. Dann machten wir uns in Richtung Rumänien
auf den Weg. Im Campingbus befand sich nun nur noch unser Reisegepäck, Proviant und einige Geschenkartikel. Von diesem Gesichtspunkt gesehen sollte der Grenzübertritt eigentlich keine Schwierigkeiten bereiten.
Die Weiterreise nach Rumänien würde unserer Mission Aufschluss auf die
Frage geben, ob ich bei den dortigen Behörden registriert bin und wie man
sich in diesem Fall uns gegenüber als Familie verhalten würde. Ich war
diesbezüglich so gut wie nur möglich vorbereitet worden. Aber oh weh! Es
sollte schlimmer werden, als wir angenommen hatten. Bei der Grenzkontrolle in Rumänien dauerte es bloss ein paar Minuten bis man mich erkannt,
beziehungsweise identifiziert hatte. In der Folge wurde unser Campingbus
genau, bis ins Kleinste, von einer Grenzpolizistin untersucht. Ihr Verhalten
war frostig geworden. Als im Gepäck Schokolade zum Vorschein kam, sagte
ich zu ihr: «Gerne geben wir Ihnen eine Tafel.» – «Legen Sie diese dort auf
den Tisch!» Plötzlich hielt sie eine Bibel in der Hand. «Was ist das für ein
Buch?» – «Das ist eine Bibel.» Gab ich zur Antwort. «Haben sie noch andere dabei?» wollte sie nun wissen. «Ja, wir alle haben eine Bibel. Das Lesen
darin ist in unserer Familie Brauchtum.»
Als die Kontrolle zu Ende war, konnten wir endlich alles wieder einpacken.
Danach wurden wir aufgefordert, mit dem Bus unter den Wachtturm zu
fahren. Da standen über uns Polizisten mit ihren Maschinenpistolen im Anschlag. Plötzlich kam eine Limousine angefahren, aus welcher offensicht-
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lich hohe Polizeibeamte ausstiegen. Nun galt es ruhig Blut zu bewahren.
Langsam verstrich die Zeit. Diese füllten wir im Campingbus mit Familienspielen aus. Zum Glück waren wir gut vorbereitet worden. Es galt jetzt
Gelassenheit an den Tag zu legen und vor allem, keine Fragen zu stellen.
Denn Letzteres hätte Ihnen Anlass gegeben, ihrerseits Fragen an uns zu
richten. Es wurde ganz offensichtlich, dass sie sich nicht blossstellen wollten. Es sollte nicht offenbar werden, dass sie ganz genau wussten, wer ich
war. Spätestens nach unserer Grossdemonstration auf dem Bundesplatz in
Bern und dem Umzug von über 2000 Personen zur rumänischen Botschaft,
wo wir uns für die Freilassung von Pastor Vasile Raskol eingesetzt hatten,
war ich also bei ihnen bekannt und registriert. Doch endlich, nach Stunden des Wartens, konnten wir weiterfahren. Doch mussten wir eine Wegbeschreibung inklusive der gebuchten Hotels angeben.
Auch diesbezüglich hatte man mich vorbereitet. Tatsächlich fuhr hinter
uns ein neutral aussehendes Auto. Als wir dann Benzin tankten, merkten
wir, dass ebenfalls ein Auto der Sicherheitspolizei vor uns fuhr. Das Ganze
wirkte irgendwie tragisch komisch, denn wir wurden ja nicht beschützt,
sondern bespitzelt!
Als wir in der Stadt Oradea ankamen, ging das Schauspiel weiter. Wir parkten den Bus auf dem Hotelplatz, in welchem wir übernachten wollten. Nach
dem Einchecken begaben wir uns in ein Restaurant zum Nachtessen; im
Hotel waren uns die angegebenen Preise zu teuer. Offensichtlich waren wir
auch hier von privat gekleideten Polizeispitzeln umgeben, was das Personal
sofort bemerkte. Entsprechend reserviert war die Bedienung, ja sogar kühl
und ablehnend.
Zusammen mit meiner Frau verbrachten wir die Nacht im Hotel. Die Kinder schliefen im Bus auf dem Hotelparkplatz im Bus. Dieser wurde sicher
bestens bewacht ...
Nach dem gemeinsamen Frühstück verliessen wir die Stadt. Ich hatte den
Kindern jedoch gesagt: «Wenn ihr euren Freunden und Kameraden Karten
schicken wollt, müsst ihr dies von hier aus tun, damit diese vor unserer
Rückkehr zu Hause ankommen. Bereits am Vorabend hatte ich bei der Einfahrt in die Stadt ein grosses Postgebäude entdeckt. Nun befanden wir uns
auf der gegenüberliegenden Strassenseite, wo wir gut parkieren konnten.
Ich nahm die Karten in Empfang, um sie zur Post zu tragen. Etwa hundert
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Meter vor unserem Parkplatz konnte ich die baumbepflanzte Strasse überqueren. Zwischen den Baumreihen befanden sich zwei Tramgeleise. Auf
dem Rückweg vom Postamt erkannte ich weiter vorne ebenfalls einen Zebrastreifen. Als ich auf diesen zuging, nahte sich plötzlich auf der Anlage der
Tramgeleise ein mir bereits gut bekanntes Fahrzeug, das in meiner Nähe
anhielt. Er war wohl enttäuscht, als er erkennen musste, dass wir auch hier
keine Kontakte zu Einheimischen pflegten.
In der Folge wurden wir wieder eskortiert. Wie lange konnten wir nicht
erkennen. Gegen Mittag verliessen wir die Landstrasse und machten auf
einem Hügel Mittagsrast. Während des Mittagessens konnten wir jedenfalls
nichts mehr von unseren Verfolgern wahrnehmen. Als wir uns jedoch spät
nachmittags, unserem nächsten Übernachtungsort, Cluj, näherten, erkannten wir einen Beobachtungsposten, welcher mit einem Feldstecher ausgerüstet, unsere Ankunft registrierte.
Auch hier fanden wir das gebuchte Hotel mühelos und bezogen zwei grosse Zimmer. Wir scherzten darüber, dass unsere Gespräche sicher abgehört
wurden und fragten uns, ob sie wohl unser französisch verstehen konnten
und ob wir uns deshalb besser auf Berndeutsch unterhalten sollten. Anderntags nahmen wir den Weg Richtung Ungarn unter die Räder. In Budapest wollten wir Christen besuchen und Ostern verbringen.
Kaum waren wir an der Grenze angekommen, wurde uns klar, dass man
über unsere Identität informiert war. Nachdem man uns die Pässe abgenommen hatte, hiess es wieder Geduld haben und warten! Endlich konnten
wir weiter fahren. Jemand heftete uns ein ziemlich grosses Dokument auf
die Windschutzscheibe und sagte: «Sie fahren jetzt im Schritttempo zur
ungarischen Grenzkontrolle. Dort bekommen Sie dann auch ihre Reisepässe zurück.» Noch nie haben wir so etwas erlebt! Auch haben wir von
niemandem gehört, dass ihnen so etwas widerfahren war. Aber was soll’s:
Wir waren ja darauf vorbereitet worden, dass wir uns einfach immer ruhig
verhalten und keine Fragen stellen sollten.
Der Weg, bis zur ungarischen Grenzkontrolle, war erstaunlich weit. Endlich angekommen, merkten wir sofort, dass man uns mit Misstrauen empfing und dass wir unerwünscht waren. Suzanne, welche einen eigenen Pass
hatte, musste mit uns das Gebäude betreten. Die beiden jüngeren Kinder
durften den Campingbus nicht verlassen. Hier wurde das Warten dann rich-
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tig zur Nervenprobe. Ohne Erklärung oder irgendwelche Auskunft wurden
wir stundenlang aufgehalten. Als der Tag bereits zur Neige ging, erhielten
wir unsere Pässe zurück und konnten endlich weiterfahren. Philippe und
Annelise fanden wir verzweifelt und in Tränen aufgelöst im Bus vor.
Es wurde offensichtlich, dass wir unseren nächsten Übernachtungsort nicht
mehr erreichen konnten. So hielten wir bei einem Restaurant an, um etwas
zu essen. Freundlicherweise gab man uns dann hier ein Hotel zum Übernachten an. Dankbar machten wir uns auf den Weg. Aber oh weh! Das Hotel
war schon ausgebucht. Doch auch da half man uns weiter und wirklich: Wir
fanden dann ein Gasthaus, wo noch freie Zimmer vorhanden waren.
Anderntags fanden wir nach viel Fragen und Suchen endlich unsere Gastfamilie. Ich hatte die Tochter bei uns in der Schweiz bei einem Missionskongress kennengelernt. Hier wurden wir herzlich aufgenommen. Offensichtlich lebte die Familie mit vielen Einschränkungen, obschon die Situation in
Ungarn etwas besser zu sein schien als in Jugoslawien und Rumänien. Wie
schon bei der Familie von Pastor Stefan, brachten wir auch hier Geschenke
mit: Kaffee, Lebensmittel und Schokolade. Am Ostersonntag erlebten wir
in einer grossen Kirche von Budapest einen eindrucksvollen Gottesdienst
mit viel Musik und Gesang. Das darauf folgende Mittagessen bei unserer
Gastfamilie werden wir nie vergessen. Sie hatten sich alle erdenkliche Mühe
gemacht, uns zu verwöhnen. Was sich da jedoch im Fleischtopf befand, befremdete uns. Nebst etwas Pouletfleisch, hatte es vor allem Pouletfüsse und
ganze Köpfe von dem Federvieh darin. Da wurde uns so recht bewusst, was
im sogenannten «kommunistischen Paradies» alltäglich war. Wie unendlich gut hatten wir es doch bei uns in der lieben Schweiz! Wir konnten jetzt
auch besser verstehen, was es für diese Leute bedeutete, einen Garten zu
unterhalten, wo alles nur Erdenkliche angepflanzt wurde.
Erfüllt von Dankbarkeit, mit vielen verschiedenen Eindrücken, kamen wir
schliesslich wieder in der Schweiz an.
Dank dem Einsatz einer grossen Anzahl von Leuten diesseits und jenseits
des Eisernen Vorhangs konnten Tausende Bibeln weit hinter die verschlossenen Grenzen gebracht werden, wo der Mangel am grössten war. Dass wir
als Familie ein Rädchen in diesem «Getriebe» sein durften, erfüllt uns mit
Dank und Freude! Jedes Jahr reisten Millionen Touristen aus dem Westen
in die kommunistischen Länder. Dank dieser Sachlage war es uns möglich,
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unseren Glaubensgeschwistern grosse Mengen christlicher Literatur, Gesangbücher und Bibeln zu bringen.
Das Druckprogramm der Ostmission weltweit beinhaltete 1971, als das
Werk in der Schweiz Fuss fasste: 145 000 Bibeln, 305 000 Neue Testamente,
730 000 Evangelien, 35 000 Gesangbücher und 20 000 Konkordanzen. Dadurch erhielten jährlich Hunderttausende diese ersehnte, geistliche Nahrung.
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Die COM wird selbstständig
In den ersten Jahren wuchs unser Missionswerk zusehends. Dank verschiedener Werbeaktionen wurde unser Freundeskreis immer grösser. Bereits
1974 konnten wir, im Vergleich mit dem Vorjahr, die Hilfe fast verdoppeln.
Darüber war auch unser Partner «Underground Evangelism International»
erfreut. Durch diese Organisation war ja die Ostmission in der Schweiz gegründet worden. Fast an allen Sitzungen nahmen ein bis zwei verantwortliche Führungskräfte aus Amerika teil. Damit verbunden entstanden auch
erhebliche Spesen. Allerdings wurden diese hauptsächlich von den Amerikanern getragen. Alle Sitzungen mussten zweisprachig deutsch/englisch
durchgeführt werden, was mühsam und viel Zeit in Anspruch nahm.
Als dann unser internationaler Missionsdirektor sich mit der HMK, insbesondere deren Begründer namens Wurmbrand, zerstritt, nahm unser
Unbehagen zu. Der Versuch der Amerikaner, unseren Missionsleiter zu
bestechen, machte das Mass endgültig voll. So beschlossen wir, uns als
Missionswerk zu verselbständigen, beziehungsweise uns vom Mutterwerk
«Underground Evangelism International» zu trennen. Da hatten wir aber
«die Rechnung ohne den Wirt gemacht»! Wie das in Amerika so üblich ist,
machte unser Partner vom Vetorecht Gebrauch. Und tatsächlich war dieses
in den Statuten so verankert. Doch hatten wir Schweizer, zum Glück noch
eine «Joker-Karte». Das war die Generalversammlung! In den Statuten dieses Gremiums hiess es in einem Paragraphen: «Die Generalversammlung
wählt die Mitglieder des Vorstandes. Sie ist ebenfalls befugt, ein Mitglied
vom Vorstand der COM auszuschliessen.» An einer ausserordentlichen Generalversammlung wurde dann von dieser Regelung Gebrauch gemacht.
In der Folge wurde die COM auch rechtlich ein rein schweizerisches Missionswerk. Darüber waren wir überaus froh und dankbar! In keinem anderen Land konnte eine solch unkomplizierte Trennung vom amerikanischen
Mutterwerk erfolgen.
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Menschen ergreifen
massenweise die Flucht
1975 wurden wir unversehens mit der Tatsache konfrontiert, dass die «Roten Khmer» in Kambodscha an die Macht gelangten. Sie errichteten ein
Horrorregime ohnegleichen. Leute mit einer guten Ausbildung, zum Beispiel Ärzte, Lehrer, usw. wurden prinzipiell als Regimegegner eingestuft.
Viele wurden umgebracht, andere als Landarbeiter in den Kolchosen eingesetzt. Hunderttausende flohen, vor allem nach Thailand. Bald stellten wir
uns der grossen Herausforderung, diesen Menschen vor Ort zu helfen. Wir
erachteten diese Lösung als die Beste. Wenn diese Menschen als Flüchtlinge
bis in den Westen gekommen wären, hätte das viele zusätzliche Schwierigkeiten und Probleme zur Folge gehabt. Das Erstellen von Zeltlagern so
wie das Versorgen der Flüchtlinge an Ort und Stelle gestalteten sich viel
kostengünstiger als hierzulande.
Khao Idang mit im Lager gefertigtem Wasserkrug
So engagierten wir uns vor allem in einem der grössten je erbauten Flüchtlingslager «Khao Idang». 300 000 Flüchtlinge lebten in diesem riesigen Lager in Thailand, unweit der kambodschanischen Grenze. Nie habe ich ein
Flüchtlingslager angetroffen, das nur annähernd so gut organisiert war wie
dieses. Dank unserer Hilfe funktionierte ein Postservice für Lagerinsassen.
Wir unterstützten eine grosse, im Lager errichtete, Seifenfabrik sowie eine
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Fischfarm und anderes mehr. Wir verteilten christliche Literatur und beteiligten uns an der Übersetzung der Bibel in die Khmersprache. Die einheimischen Christen hatten uns ans Herz gelegt, wie wichtig gerade die Übersetzung des Alten Testamentes sei, damit das Neue Testament verständlicher
werde.
Nachdem die ersten Bibeln gedruckt waren, hatte ich das grosse Vorrecht,
diese Exemplare persönlich nach Khao Idang zu bringen. Nie werde ich
die Freude und Dankbarkeit der Christen im Lager vergessen, als sie diese
Bibeln in den Händen hielten. Kein Fotoapparat hätte die tiefen Empfindungen dieses Augenblicks einfangen können!
Ein anderer Höhepunkt dieses Besuches war ein Zusammentreffen mit
Prinz Sihanuk in Kambodscha selber. Dies war nur unter strengem, militärischem Schutz möglich. Es war dem Prinzen wichtig, sich ganz persönlich
für unsere wertvolle Hilfe zu bedanken.
1979 hatten bloss 150 Christen und drei Pastoren das Horrorregime von Pol
Pot überlebt. Dieser hatte es fertig gebracht während des Krieges zwischen
1975 und 1979 drei Millionen Landsleute umzubringen und alles Christliche zu eliminieren. Dieser Völkermord war einer der Schlimmsten, den
es je gab. Zum Beispiel wurden Menschen auf Lastwagen verfrachtet und
dann einfach in Flüsse gekippt. Andere wurden in Talmulden zusammen
getrieben und anschliessend mit Maschinengewehrsalven niedergemäht.
Doch bewahrheitet sich hier einmal mehr der Denkspruch: «Das Blut der
Märtyrer ist der Same der Kirche.» Heute, im Jahr 2014, gibt es in Kambodscha mehr als 7000 Kirchen. Im ganzen Land kann man frei evangelisieren.
Die Menschen dürsten geradezu nach der Heilsbotschaft.
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Die Flüchtlingshilfe
der COM
Die Drachensaat des Kommunismus erfasste leider immer mehr Staaten.
Leider breitete sich dieser Flächenbrand auch auf Afrika aus: Mozambique,
der Kongo und Angola wurden zuerst betroffen. Mehr als zwei Millionen
Menschen flohen vor allem nach Portugal.
Damit das Hauptaugenmerk der COM, nämlich den verfolgten Christen in
Liebe zu dienen und sie mit Bibeln uam. zu versorgen, nicht beeinträchtigt
würde, gründeten wir den Bereich «Flüchtlingshilfe». So entstand neben
der bewährten Zeitschrift «Christus dem Osten» diejenige der «Flüchtlingshilfe».
Das Flüchtlingselend in Portugal liess uns nicht gleichgültig. Zuerst half
der Staat diesen Menschen, doch bald fehlten diesem die finanziellen Mittel. Durch unsere Patenschaften profitierten bald einmal mehrere hundert
Familien von einer monatlichen Unterstützung. Was der Prophet Jesaja
dem alttestamentlichen Gottesvolk im Auftrag Gottes verkündete, galt es
nun unsererseits als Christen umzusetzen: «Gebt den Hungrigen zu essen,
nehmt Obdachlose auf. Wenn ihr einem begegnet, der in Lumpen herumläuft, so gebt ihm Kleider! Helft, wo ihr könnt, und verschliesst eure Augen
nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen!» (Jesaja 58,7)
Als die Patenkinder ins Erwachsenenalter kamen, halfen wir ihnen, im
Erwerbsleben Fuss zu fassen. Für Mädchen gründeten wir eine Haushaltungsschule. Dabei war uns die geistliche Betreuung ebenso wichtig wie die
Ausbildung! In der Nähe von Lissabon, in Mafra und in der Algarve befanden
sich unsere Zentren. Vor Ort arbeiteten wir mit lokalen, christlichen Gemeinden zusammen. Jedes Mal, wenn sich Menschen für ein Leben in der
Nachfolge Jesu entschieden, freuten wir uns zusammen mit den Engeln von
ganzem Herzen! (Siehe Lukas 15,10)
Ein weiteres Flüchtlingsdrama wurde dann in Äthiopien ausgelöst, als hier
die Kommunisten an die Macht kamen. Ähnlich wie in Kambodscha wurden vor allem die intellektuellen Kreise in Mitleidenschaft gezogen. Weil
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sich die Studenten erhoben und demonstrierten, wurden sie besonders ins
Visier genommen. Sie flüchteten zu Tausenden ins benachbarte Hargeisa
in Somalia. Bald war dieses arme afrikanische Land überfordert, und die
Flüchtlinge litten sehr. So griffen wir möglichst schnell ein und errichteten
in Hargeisa – in Zusammenarbeit mit «Jugend mit einer Mission, (JMEM)»
– ein Zentrum für Nothilfe.
Es wurde uns gestattet, in Hargeisa, der zweitgrössten Stadt des Landes,
die verlassene anglikanische Kirche zu benutzen, wo fortan jeden Sonntag
Gottesdienst gefeiert wurde. Mit dem Kinderarzt Dr. Toni Grosshauser und
seiner Frau Annemie als Leiter, hatten wir «das grosse Los gezogen». Ihre
hervorragende, fachliche Kompetenz ihr Glaube und ihre Weisheit kamen
der ganzen Arbeit zugute.
In dieser Kirche fanden jeden Sonntag unsere Gottesdienste statt.
Doch es gab auch Schwierigkeiten. Manchmal wurden unsere Fahrzeuge
und Häuser mit Steinen beworfen. Einmal wurde ich Zeuge, wie in einer
Koranschule die Knaben systematisch zu aggressivem Handeln erzogen
wurden. Nachdem ich ein fortwährendes Wehklagen vernommen hatte,
stieg ich auf einen Baum. Im Innenhof bildeten die Knaben einen Kreis.
Einer hatte die Augen verbunden. Der Reihe nach schlugen seine Kollegen ihn mit Ruten und Stecken auf den nackten Rücken. Wer am stärksten
zuschlug, war der Held. Damit der Gepeinigte diesen nicht identifizieren
konnte, hatte man ihm die Augen verbunden. Nach diesem Erleben konnte
ich die Aggressivität der Buben besser nachvollziehen.
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Das Hauptgewicht unseres Einsatzes war auf das Betreuen der Waisen ausgerichtet. Wir engagierten uns im Knabenwaisenhaus der Stadt Hargeisa.
Hier lebten 150 Waisen! Unser Augenmerk richtete sich zunehmend auf
das gravierende Problem der Säuglingswaisen. Oft wurden Neugeborene
einfach «ausgesetzt». Bevor wir uns dieser hilflosen Geschöpfe annahmen,
wurden diese «Findlinge» jeweils ins städtische Spital gebracht, wo leider
die meisten starben. Das beschäftigte unseren Pädiater, Dr. Grosshauser,
sehr. Als dieser dort einmal einen Säugling antraf, der bereits vom Tod gekennzeichnet war, nahm er dieses Mädchen kurzerhand zu sich nach Hause, wo es schnell genas und anschliessend in seiner Familie blieb. Später
konnten sie dieses Kind adoptieren.
Im nahen Flüchtlingslager wurden Kranke behandelt und versorgt. Die Situation war sehr prekär. Vor allem fehlte es an hygienischen Einrichtungen.
Toiletten waren kaum vorhanden. Als dann die Regenzeit einsetzte, kam
es zur Katastrophe: Eine Cholera-Epidemie brach aus! Dank unserem Arzt
besassen wir als einzige Hilfsorganisation entsprechende Medikamente.
Bald waren alle unsere Mitarbeiter/Innen im Einsatz. Im Schnellverfahren
wurden sie angeleitet, die nötigen Impfungen zu tätigen. Die JMEM-Leute,
unsere verantwortlichen Farmer, sowie die Handwerker waren von früh bis
spät im Einsatz. Tausenden konnte geholfen werden. Sehr wichtig war auch
das Verabreichen von Flüssigkeit, denn die Opfer waren schnell dehydriert.
Leider starben an der Seuche trotzdem viele Menschen.
Säuglingswaisen werden total vernachlässigt
Bei einem meiner Missionsbesuche in Hargeisa nahm mich Dr. Grosshauser mit ins Spital. Es war ihm wichtig, mir die trostlose Situation der
Säuglingswaisen vor Ort zu zeigen. Was ich da bei unserem unerwarteten
Besuch antraf, war haarsträubend: Die Bébés lagen zum Teil in kistenähnlichen Behältern, in ihren Exkrementen. Ganze Fliegenschwärme wurden
dadurch angezogen.
Nun eilten schnell zwei Frauen herbei. Diese nahmen die Säuglinge, badeten sie kurzerhand in einer Metallwanne gefüllt mit Wasser, welches jedoch
offensichtlich seit längerer Zeit nicht durch frisches ersetzt worden war...
«Jetzt kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn ein Säugling eine ansteckende Krankheit hat...», sagte Dr. Grosshauser zu mir.
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Er erklärte mir auch, dass für eine Somalierin das Versorgen eines fremden
Kindes unter ihrer Würde steht. Offensichtlich war dieses Traditionsdenken
leider sogar bei den Krankenschwestern stärker als ihr berufliches Ethos!
Wie dem auch sei, Toni Grosshauser hatte erreicht, dass ich diese unhaltbare Situation zu Hause im Vorstand der Mission thematisieren würde.
Tatsächlich beschlossen daraufhin die Verantwortlichen der COM, in Hargeisa ein Säuglingswaisenheim einzurichten. Dank JMEM hatten wir diesbezüglich genügend gut ausgebildetes Personal. In einem gemieteten Haus
wurde diese Arbeit unverzüglich aufgenommen. In der Folge wurden dann
in diesem Arbeitsbereich somalische Krankenschwestern zusätzlich als Säuglingsschwestern ausgebildet.
Diese sollten vor allem erkennen, wie wertvoll jedes
Menschenleben ist. Auch
wurde ihnen erklärt, welche
Auswirkungen Zuneigung
und Liebe auf diese SäuglinVon uns betreute Waisenkinder in Hargeisa ge haben.
Letztendlich war ein weiteres Ergebnis dieser Arbeit die Tatsache, dass somalische Familien ein Waisenkind adoptieren wollten. Deshalb schufen die
Behörden dazu die Gesetzgebung.
Hier noch die herzergreifende Geschichte eines Säuglings: Das Neugeborene wurde am Stadtrand ausgesetzt und mit Steinen zugedeckt. Als unsere
Leute da vorbeikamen, vernahmen sie ein Wimmern. Kurzerhand entfernten sie die Steine und brachten das kleine Wesen ins Waisenhaus. Noch
einige Zeit blieb das Köpfchen des kleinen Mädchens, welches den Namen
Lül bekam, leider verformt. Doch es erholte sich gut und gedieh in der
Folge prächtig.
Eines Tages, als ich mich wieder in Somalia befand, erkrankten mehrere
Kinder im Waisenhaus an Hirnhautentzündung. Das war ein grosses Problem! Eindringlich beteten wir um Heilung. Durch das wunderbare Eingreifen Gottes wurden fünf sofort geheilt. Nur die kleine Lül blieb krank. «Diese
ist bereits vom Tod gekennzeichnet», erklärte Annemie. «Nein, ganz sicher
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nicht!», gab ich zur Antwort. «Sie wurde doch nicht unter dem Steinhaufen
gefunden, um jetzt zu sterben.» Zu zweit begaben wir uns noch einmal ins
Waisenhaus und beteten speziell mit Lül. Anderntags war auch sie wohlauf.
Die FH der COM legt in Hargeisa ein Farmgelände an und bildet
junge Männer aus
Wir legten am Flussufer ein Farmgelände an, auf welchem Gemüse und
Fruchtbäume angepflanzt wurden. Der Wassermangel war für uns eine
grosse Herausforderung. In den Trockenzeiten war dieses Problem am
grössten. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse wurden dann sehr teuer.
Im Anfang behalfen wir uns, indem wir im Flussbett Wasserlöcher gruben.
Während der Trockenzeit versiegten mit der Zeit auch diese. Dann erstellten wir quer durch den Flusslauf einen recht tiefen Kanal und errichteten
eine Sickerleitung, durch welche das Grundwasser neben den Flusslauf geleitet wurde. Hier floss dieses in ein Becken und wurde anschliessend in
ein Reservoir auf dem Dach des Farmhauses gepumpt. Einmal erwärmt,
leitete man dieses wertvolle Nass auf das Gelände. Nebst Gemüse, Tomaten,
Maniok, Kartoffeln, Melonen u.a.m. wurden vor allem Papayas und Orangen
sowie weitere Früchte angebaut. Nebst der Selbstversorgung kamen diese
wertvollen Esswaren dem Waisenhaus zugute.
Unser Augenmerk richtete sich mehr und mehr auf die Knaben im Waisenhaus. Manche legten auf der Farm und in unseren Werkstätten Hand an.
Ein besonders aufgeweckter Jüngling half in der Ambulanz mit. Nachdem
er sein Leben bewusst Jesus anvertraut hatte, kam er auch zu den Gottesdiensten. Später wurde er in Kenia zum Pfarrer ausgebildet und dient heute
in Äthiopien als Seelsorger. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass die jungen
Männer nicht bloss Hilfsarbeiter sein wollten. Sie verlangten nach mehr.
Deshalb beschlossen wir, Ausbildungsprogramme anzubieten. Es stellte
sich heraus, dass nur die Regierung, beziehungsweise das entsprechende
Ministerium in Mogadishu dafür zuständig war. Am wichtigsten schien uns
die Ausbildung von Farmern. Das war jedoch problematisch: Sich an der
Erde die Hände zu beschmutzen, war den Leuten, vor allem den Männern
zuwider. Offensichtlich waren es vor allem die Frauen, welche die Garten
und Feldarbeit zu verrichten hatten.
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Beim nächsten Besuch in Mogadishu waren wir beim Innenminister angemeldet. Dieser hatte jedoch keine Zeit für uns. An seiner Stelle sollten
wir vom ranghöchsten General namens Ismail, welcher für den Norden
Somalias zuständig war, empfangen werden. Nachdem wir alle Sicherheitskontrollen hinter uns hatten, warteten wir in einem Empfangszimmer auf
diesen General. Endlich teilte man uns mit, dass er uns erst nachmittags
empfangen könne.
Nach einigen Besorgungen in der Hauptstadt und einem Mittagessen in
einem Zweitklasshotel, wo es im Reis sogar Mäusekot hatte, kehrten wir
zum Büro des Generals zurück. Er war wieder nicht da. Nun erteilte Dr.
Grosshauser mir eine interessante Lektion: «Damit musst du leben können.
Früher waren hier die Kolonialisten die Herren. Heute haben die Einheimischen das Sagen. Das demonstrieren sie uns auf ihre Weise. Wenn alles
gut geht, können wir damit rechnen, dass es morgen klappt!» Unangenehm
berührt sagte ich: «Hör mal, Toni, das lasse ich mir nicht gefallen! Ich reise
so weit aus der Schweiz hierher, um dann meine Zeit so zu vergeuden. Das
kann es doch nicht sein!» – «Du wirst es lernen müssen», entgegnete er.
Dazu hatte ich keine Zeit! «Bitte Toni, erklär jetzt dem Adjutanten des Generals, dass ich den weiten Weg aus der Schweiz angereist bin und dass wir
den General unbedingt noch heute sprechen wollen.» Er tat dies und siehe
da: Der General lenkte ein. Er war bereit, uns in seiner Villa zu empfangen.
Als wir dort ankamen, hiess es, der General sei gerade am Nachmittagsgebet. «Aua, das trifft sich aber schlecht», meinte Dr. Grosshauser. Was mir
mehr und mehr auffiel, ist folgendes: Bei jeder sich bietenden Gelegenheit
bezeugen die Muslime uns Christen gegenüber demonstrativ ihren Glauben. In dieser Hinsicht können wir Christen wirklich von ihnen lernen;
denn wir neigen eher dazu, unseren Glauben zu verstecken.
In der Folge hatten wir schliesslich ein sehr gutes Gespräch mit dem General. Die Regierung hatte jedoch ganz andere Pläne als wir. Sie wollte ihrerseits unbedingt Ausbildungsprogramme im Bereich Mechaniker, Elektriker,
Metallbearbeitung, Schweisser, Spengler, und Automechaniker. Der Farmbereich interessierte sie kaum. Die Erde bearbeiten und zu pflanzen, obliegt
hier zu Lande den Frauen. Jedoch zeigte der General wenig Verständnis
dafür, dass ich als Delegierter und Vizepräsident unserer Missionsleitung
nicht befugt war, diesbezüglich eigenmächtige Entscheidungen zu treffen.
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Er hatte jedoch ein gewisses Verständnis für die Tatsache, dass wir nicht
ohne weiteres in all diesen von ihm erwähnten Bereichen, Ausbildner zur
Verfügung haben. Er beharrte darauf, dass wir mit der Schweiz Rücksprache nehmen und uns dann wieder treffen sollten.
Nachdem das geschehen war, kam es zu einer weiteren, diesmal unproblematischen Zusammenkunft mit General. Wir einigten uns dann darauf, im
Farmbereich 7 und als Automechaniker und Mechaniker-Schweisser je 5
Jünglinge aus dem Waisenhaus auszubilden.
Am kommenden Morgen sollte es in aller Frühe mit dem alten Fokkerflugzeug zurück in den Norden gehen. Da wir bei einem Missionar logiert
hatten, war dieser bereit, uns zum Flughafen zu fahren. Als wir da ankamen
sagte dieser: «Da stimmt etwas nicht! Warum brennen keine Lichter?» Am
ersten Kontrollposten erklärte man uns, dass die Fokkermaschine in Hargeisa mit zerbrochener Frontscheibe auf die Reparatur warte und dass eine
Boeing startklar sei, in welcher Monteure aus Deutschland nach Berbera
geflogen werden sollten, um diese Reparatur auszuführen. Von dort aus
musste diese Maschine einen Ersatzflug in den Jemen erledigen. «Das trifft
sich gut. So können wir wenigstens bis nach Berbera mitfliegen», erklärte
ich. «Das ist leider nicht möglich», erwiderte ein Offizier.
Mir war sofort klar geworden, dass dies die einzige Möglichkeit war, um
selber, wie vorgesehen, in die Schweiz zurückkehren zu können.
Nach einigem Hin und Her wurde von «oben herab» grünes Licht gegeben,
und wir konnten als einzige Passagiere in der Boeing nach Berbera mitfliegen. Von dort ging es dann mit dem Linienbus weiter nach Hargeisa, wo wir
abgekämpft und ermattet, jedoch erfüllt mit Dankbarkeit, ankamen.
Einige Wochen später wurde Dr. Grosshauser in einen Unfall verwickelt. In
einer Kleinstadt hatte am Strassenrand ein Bus angehalten. Als unser Missionsleiter diesen überholte sprang ein Mann vor dem Bus über die Strasse
direkt vor sein Auto. Der Zusammenprall war unausweichlich und folgenschwer. Unser Arzt wurde der fahrlässigen Körperverletzung angeklagt und
riskierte sogar eine Gefängnisstrafe. Das hat ihn schwer bekümmert. Um
der Gerichtsverhandlung beizuwohnen und Dr. Grosshauser zu unterstützen, musste ich «Hals über Kopf» nach Somalia reisen. Das Gerichtsverfahren war mühsam und langwierig. Letztlich lautete das Verdikt: 2 Jahre
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Gefängnis! Jedoch in Anbetracht unserer karitativen Arbeit wurde die Strafe
auf Bewährung ausgesetzt.
Das war für unseren Missionsleiter hart. Er war zutiefst verunsichert und
gab zu Bedenken: «Wenn mir noch einmal etwas zustösst, komme ich ins
Gefängnis.» Deshalb mussten wir einen neuen Missionsleiter suchen, was
nicht einfach war.
Doch unerwartet schnell fanden wir einen qualifizierten Fachmann in der
Person von Paul Stähli. Für seine Frau bedeutete dies eine gewaltige Umstellung und eine grosse Herausforderung, hatten sie doch bereits drei Kinder, und sie erwarteten das Vierte.
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Die Familie unseres
Schwiegersohnes geht
nach Somalia
Einige Zeit später reisten dann unsere Tochter Suzanne, zusammen mit
ihrem Mann und ihren beiden, kleinen Kindern Christelle und Fabien nach
Somalia. Unser Schwiegersohn sollte hier als diplomierter Lehrmeister das
Ausbildungsprogramm im Bereich Automechanik leiten. In England hatten
sie sich während Monaten auf diesen Einsatz vorbereitet. Zwei junge Bauern befanden sich bereits vor Ort und bildeten schon Farmer aus. Weitere
Mitarbeiter hatten damit begonnen, Burschen im Bereich Metallbearbeitung, Schweissen und Elektroinstallation auszubilden.
Die Familie unseres Schwiegersohnes lebte sich schnell und mühelos ein.
Sie bewohnten ein schönes Haus, am Hang, mit Aussicht auf die Stadt. Trotz
des heissen Klimas gefiel es ihnen ausgezeichnet. Für eine ausländische Familie ist es üblich, eine Haushalthilfe zu haben. Dies erlaubte unserer Tochter sich in der Administration zu engagieren. Ihre Angestellte verstand sich
sehr gut mit den beiden Kindern. Doch gab es Probleme, wenn in gewissen
Nahrungsmitteln Schweinefleisch vorhanden war. Dann versagte sich die
Angestellte etwas anzufassen, was damit in Berührung gekommen war und
verweigerte auch das Abwaschen dieser Gegenstände.
Unsere Missionsstation wurde zum Teil von der Schweiz aus versorgt. Besonders das technische Material, die benötigten Maschinen und Werkzeuge
wurden per Container über Djibouti nach Hargeisa geschickt. Bei diesen
Gelegenheiten versorgten wir unsere Leute vor Ort gleichzeitig mit Lebensmitteln, welche im Land nicht erzeugt wurden oder erhältlich waren.
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Hilfsgüter aus der Schweiz kommen in Hargeisa an
Ich selber und all unsere Leute reisten ebenfalls immer über Djibouti nach
Somalia. Einige Zeit machte uns die Air France einen Missionsrabatt. Dann
folgte die Swissair ebenfalls diesem Beispiel. Das hatte jedoch zur Folge,
dass wir in Dschidda, (Saudi – Arabien) zwischenlanden und von hier aus
mit der Aethiopischen Fluggesellschaft weiterfliegen mussten. In Djibouti
konnten wir dann immer bei der Rotmeermission übernachten. Zweimal
wöchentlich flog die Djibouti-Air nach Hargeisa.
Ganz unerwartet brach in Somalia ein blutiger Bürgerkrieg aus. Da sich
der Norden selbständig machen wollte, war die Stadt Hargeisa mit einer
Million Einwohnern bald hart umkämpft. Hinter dem Haus, welches die Familie unserer Tochter bewohnte, hatten sich die Aufständischen verschanzt,
sodass sie im Haus eingeschlossen waren. Zusammengepfercht hielten sie
sich Tag und Nacht im Vorratsraum auf, wo es noch am sichersten war.
Dann konnten sie endlich ins Missionszentrum flüchten. Doch war hier die
Situation vor allem für die Kinder eher schlechter. Immer wieder kam es
vor, dass Frauen während der Bombardierungen ausrasteten und schrien.
Logischerweise fingen dann die Kinder ebenfalls an zu schreien.
Leider konnten wir keinen direkten Kontakt mehr zu unseren Lieben herstellen. Dann endlich nach tagelangem Warten konnten wir über UNHCR
und das Rote Kreuz in Genf einiges erfahren. Tatsächlich war die Lage sehr
ernst. Später wurde uns mitgeteilt, dass man alle Vorkehrungen traf um die
Ausländer zu evakuieren.
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Nach zehn Tagen erreichte uns dann die Nachricht, dass alle Mitarbeiter/
Innen unsere Mission durch das Rote Kreuz mit Kleinflugzeugen auf einen
Militärflugplatz in den Süden evakuiert worden seien. Wie gefährlich sich
diese Operation gestaltet hatte, verdeutlicht die Tatsache, dass die Flugzeuge beschossen wurden, obschon sie als Rotkreuzflugzeuge gekennzeichnet
waren. Aus diesem Grund flogen sie dann knapp über dem Erdboden, um
ein möglichst kleines Ziel abzugeben. Unsere Dankbarkeit und Freude über
die erfolgreiche Rettungsaktion war gross!
Ausser einem kleinen Koffer mit den nötigsten Sachen, besonders für die
Kinder, mussten sie alles zurücklassen. Das war sehr schmerzlich. Vor allem die vielen Fotos und Andenken werden sie immer vermissen.
Unsere Angehörigen entschieden sich dann, nicht direkt in die Schweiz zurückzukehren. Sie flogen zur Erholung nach Kenia in eine Missionsbasis
von JMEM. Besonders Christelle, meine Enkelin war traumatisiert. Es war
ihnen wichtig, dass die Kinder noch auf dem afrikanischen Kontinent einigermassen zur Normalität zurückfinden konnten.
Wohlbehalten zurück in der Schweiz, hatte besonders unser Schwiegersohn Mühe, diese unglücklichen Erlebnisse einzustufen und zu verkraften.
Glücklicherweise konnte die Familie ein Einfamilienhaus beziehen. Dank
Gottes Gnade fand unser Sohn Philipp für seinen Schwager eine geeignete
Stelle bei Edi-Press. Mit viel Herzblut und Fleiss arbeitete sich Bernard sodann in dieser Firma bis ins Kader hoch. Als Ausgleich zu der übergrossen
beruflichen Herausforderung ergab er sich dem Bergsteigen.
Im Sommer 2000 wurde ihm dies zum Verhängnis. Bernard verunglückte
im Wallis beim Bergsteigen sehr schwer. Per Helikopter wurde er ins Kantonsspital von Sitten eingeliefert und sogleich ins künstliche Koma versetzt. Nebst Knochenbrüchen hatte er eine gravierende Kopfverletzung erlitten. Diese stellte das grösste Problem dar. Ging man doch davon aus, dass
dadurch das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen war. Sobald sein Zustand es
zuliess, wurde er ins CHUV nach Lausanne geflogen, da man hier für seine
spezielle Behandlung besser ausgerüstet war.
Während die Knochenbrüche langsam heilten, erlitt das Gehirn einen
bleibenden Schaden. Das war wie ein «Schlag in die Magengrube»! Dieses
Unglück traf die ganze Familie in grossem Mass. Es war wie wenn unsere
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Tochter Suzanne ihren wohlbekannten Mann und die Kinder ihren vertrauten Vater verloren hätten. Während die älteren Grosskinder bereits in
einem persönlich erstarkten Glauben standen, geriet der Jüngste in eine
Krise. Er verstand Gott und die Welt nicht mehr, fing an zu rebellieren und
entwickelte ein nervöses Muskelzucken. Natürlich belastete das die Familie zusätzlich. Glücklicherweise erfuhr unsere Tochter durch uns, sowie in
ihrer Gemeinde fachkundige Seelsorge, Hilfe und wertvolle Unterstützung,
so dass sie unter der schweren Last nicht zusammenbrach. Letztendlich
wendete sich all das Schwere in Segen. Heute stehen alle, auch der Jüngste, in einer intensiven Beziehung zu Jesus Christus. Sogar der Schwiegersohn fand durch diese Prüfungszeit zu einem engeren Kontakt mit Gott.
Obschon er nur noch zu 50% arbeitsfähig ist und seine Kaderstellung im
Betrieb verloren hat, hat er sich geistlich entfaltet. So werden schwere Zeiten oft zu Segenszeiten!
Mit dem nächsten Kapitel nehme ich die Erzählung meiner Familiengeschichte wieder auf.
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Der Gesundheitszustand
meiner lieben Frau
verschlechtert sich
Leider vermehrten sich bei meiner Gattin die gesundheitlichen Schwierigkeiten. Als erstes stellte Jeanne-Marie in der Brust einen Knoten fest. Nach
den Untersuchungen beim Gynäkologen stellte sich heraus, dass der Tumor
krebsartig war. Natürlich sollte sie möglichst bald operiert werden. JeanneMarie wollte jedoch bis zum Ende jener Woche eine Bedenkzeit haben, welche sie mit viel Gebet verbrachte. Die Gebete wurden erhört: am Sonntag war
der Knoten verschwunden. Der Gynäkologe bestätigte dies kommentarlos!
Aber immer wieder musste sie sich wegen anderen Gebrechen Operationen
unterziehen. Nach einem sehr schwierigen Eingriff wegen eines Zwerchfelldurchbruches erklärte uns ein Arzt: «Wir haben es hier wahrscheinlich mit
problematischen Verkettungen zu tun, welche durch Operationen nicht behoben werden können. Wir beseitigen die Auswirkungen, jedoch nicht die
Ursache. Ich rate Ihnen deshalb zu einer Psychotherapie.» Das schockierte
uns doch ein wenig. Aber was sollten wir sonst machen. All unsere jetzigen
Gebete um Heilung blieben unerhört. Und so willigten wir ein. Nachdem der
Arzt gleich einen Psychiater in Lausanne vorgeschlagen hatte, begab sich
Jeanne-Marie zu einer wöchentlichen «Sitzung» dorthin.
Es wurde nun offensichtlich, dass meine Frau mit einer schwerwiegenden
Lebenshypothek belastet war. Hie und da gingen wir zu zweit und manchmal
auch ich alleine zu diesem Arzt. Er war Katholik und verstand sein Handwerk ausgezeichnet. Doch war dies für uns eine sehr schwierige Zeit. Meine Frau durchlief eine Zeitspanne der Selbst- und Identitätsfindung. Unser
Ehe- und Familienleben wurde einer harten Prüfungszeit unterzogen.
Als der Psychiater meiner Frau nach sieben Jahren Behandlung sagte: «Nun
kommen wir ans Ende der Therapie», war sie wie «vor den Kopf gestossen».
Sie war der Ansicht, dass ihr Wohlbefinden alles andere als wunschgemäss
war. Daraufhin besuchten wir zusammen ein Seminar von dem Psychiater
Dr. Margies über «Innere Heilung». Eines seiner bemerkenswerten Bücher
trägt den Titel: «Inneres Heilwerden an Stelle von Psychotherapie». Das war
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Seelsorge erster Güte! Nach der Lektion über «Das Vergeben» zog JeanneMarie sich zum Gebet in die Einsamkeit eines Waldes zurück. Unter Tränen
erlitt sie einen Schmerzensausbruch und vergab ihrer Familie, besonders
ihrer Mutter alles, worunter sie gelitten hatte. Das war vor allem ein Willensakt. Die Gefühlswallungen waren so heftig, dass sie manches richtig aus sich
herausschrie. Doch war das für sie unendlich befreiend und heilbringend!
Einige Tage später kam ein Telefonanruf ihrer Mutter, den ich entgegen
nahm. Sie war wie verwandelt, ganz anders als üblich. Sonst lautete ihre
jeweilige knappe Frage: «Ist Jeanne-Marie da?» Diesmal plauderte sie vorerst ein wenig mit mir, um erst danach nach meiner Frau zu fragen. Zusammen hatten sie dann ein tiefgreifendes Gespräch. In dieser Aussprache
bat Jeanne-Marie die Mutter um Verzeihung für alles, was sie nicht richtig
gemacht hatte.
Von da weg entwickelte sich zwischen den beiden eine harmonische Beziehung, sodass ihre Stiefmutter mit Jeanne-Marie eine herzlichere Beziehung
aufbauen konnte als mit ihren eigenen Töchtern.
Ein Glück und grosser Gewinn war für uns das Haus am Neuenburgersee.
Wir genossen den grossen Park und den nahen See in vollen Zügen! Nie können wir unserem himmlischen Vater genug dafür danken, dass er im Blick
auf dieses Haus am See alles so wunderbar geführt und uns demzufolge so
reich gesegnet hat!
Unser Haus am Neuenburgersee mit dem Park
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Im Winter fuhren wir oft zusammen in das nahe gelegene Skigebiet «Les
Paccots», später auch nach Pay d’Enhaut nach Rougemont oder ins Wallis
nach Les Croset. Diese Ausflüge genossen unsere Kinder in vollen Zügen.
Wenn ich schon relativ wenig Zeit für sie zu Verfügung hatte, erlebten wir
diese Stunden umso intensiver. Da hatten die Kinder mich ganz für sich
und ich war bewusst und voll für sie da. Bis heute sind ihnen diese kostbaren Zeiten in bester Erinnerung. Unsere drei Sprösslinge bereiteten uns
immer wieder viel Freude!
Als fünfzehnjährige verliebte sich unsere Älteste recht heftig in einen Klassenkollegen. Sie sprach ganz offen mit uns über diese Situation. Doch waren weder er noch seine Familie gläubig. Um ihn kennen zu lernen, sollte er
mit uns zusammen einen Samstag in Yvonand verbringen. Unser vorbehaltloses Einverständnis erstaunte die Beiden offensichtlich. Der Unterschied
unserer Familienverhältnisse und die Art und Weise, wie wir miteinander
umgingen, trugen wesentlich dazu bei, dass unsere Suzanne diese Freundschaft in den folgenden Tagen beendete. Hätten wir den Besuch des Burschen nicht akzeptiert, wäre diese Episode anders abgelaufen.
An Suzannes Konfirmation mit den Paten
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Einen Sommer lang wurden die Rusticos im Tessin umgebaut. Meine Eltern
waren damals zeitweise vor Ort. Ein Cousin und ein ehemaliger Bursche
aus der Jugendgruppe von Schwarzenburg führten zusammen mit dem örtlichen Maurergeschäft die Arbeiten aus. So entstand ein wirkliches Bijou
von Ferienhaus. Auf der Doppelgarage erstellten wir ein Schwimmbad mit
40 m3 Fassungsvermögen.
Als in den 1980iger Jahren die massiven Zinsaufschläge kamen, verkauften
wir dieses Haus, was wir dann in der Folge immer bereut haben. Doch sagte
ich mir damals: Wir wollen wachsam sein und vor allem niemals bankrott
gehen. Lieber später eine Veräusserung beklagen als eine Zwangsversteigerung erleiden!
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Meine Arbeit in der
Gemeinde und der Jungen
Kirche Schweiz
Unsere Gottesdienste und auch die Bibelstunden wurden zunehmend gut
besucht. Vor allem die Folge mit dem Thema: «Die Wirkungen des Heiligen
Geistes» erlebte ein erfreuliches Echo. Die Gemeinde- und Jugendarbeit
bereitete mir grosse Befriedigung.
Bei einem Coiffeur, welcher Deutschweizer war, liess ich mir die Haare
schneiden. Er war bereits ein älterer Herr. Sodann lud ich ihn zum Gottesdienst ein. Und tatsächlich kam er. Daraufhin erklärte er: «Es hat mir
ausgezeichnet gefallen. Insbesondere weil ihr für Jesus die Bezeichnung
«Heiland» verwendet habt. Diese Benennung habe ich seit meiner Kindheit
nicht mehr gehört und das hat mir so gefallen und gut getan!» Bis zu seinem Tod, welcher bald darauf erfolgte, kam er nun in die Gemeinde.
Öfters kamen Welschlandgänger früher am Sonntag aus der Deutschschweiz zurück, um am Abendgottesdienst teilnehmen zu können. Sie wurden danach jeweils von anderen Gottesdienstbesuchern zu ihren Familien
gefahren.
Mein grosser Einsatz in der Jugendarbeit blieb nicht verborgen. Man ernannte mich zum Bundesobmann der «JK-Westschweiz». Durch diese
Funktion wurde ich automatisch Mitglied im «Vorstand der Jungen Kirche
Schweiz». Diese kirchliche Jugendorganisation machte eine schwerwiegende Krise durch. Grundlegende evangelische Glaubenselemente wurden über
Bord geworfen. Der Titel des gedruckten Monatsblattes der «JK Schweiz»
wurde von «Junge Kirche» in «Kontakt» umbenannt. Substanziell erlitt die
Zeitschrift eine markante Einbusse und verlor zusehends Abonnenten. Der
Leitspruch der «JK-Schweiz»: «Es ist in keinem andern Heil und kein
anderer Name ist den Menschen gegeben darin sie sollen selig werden» (Apgesch.4,12) wurde gestrichen und meine Bedenken und Einwände
übergangen.
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Doch konnten meine Frau und ich zusammen, während dreizehn Jahren
jedes Jahr für die «JK-Schweiz» ein «Provencelager» in Südfrankreich mit
dem Thema «Wir im Land der Hugenotten» durchführen. Sogar in Kenia
leiteten wir ein Jugendlager mit über zwanzig Teilnehmenden. Da fanden
immer wieder Jugendliche zum lebendigen Glauben an ihren Erlöser, Jesus
Christus.
Als sich dann zwei Mädchen einer angesehenen Professorenfamilie aus Zürich in einem unserer Lager bekehrten, kam es zum Eklat: Ich wurde ins
JK-Sekretariat nach Zürich zitiert, wo man mir klar machte, dass ein solch
«extremes Auftreten» mit einer «offenen JK-Arbeit» nicht vereinbar sei.
Das nächste Lager, welches schon angekündigt war, wurde gestrichen und
wir als Leiter für immer suspendiert. Leider ging es dann ziemlich schnell
bergab mit der Organisation «JK Schweiz» und dann wurde die totale Auflösung beschlossen. Seither gibt es in der Landeskirche bedauerlicherweise
keine offizielle Jugendarbeit mehr.
Dafür erlebten wir in unserer Kirchgemeinde viel Rückhalt. Der Kirchgemeinderat unterstützte uns, und auch die Gemeinde stand hinter unserer evangelistisch ausgerichteten Arbeit. Jedes Jahr übergaben mehrere Mädchen und Jünglinge ihr Leben bewusst Jesus Christus. Mehrmals
wurden gefährdete Jugendliche aufgenommen, sowohl von Familien aus
der Gemeinde, wie von uns selber. Ein 15-jähriges Mädchen, welches noch
den Konfirmandenunterricht besuchte, fand bei uns Unterschlupf. Wegen
schlechten Betragens musste es seine Stelle verlassen. Bis zu seiner Konfirmation lebte sie dann bei uns. Leider hatte sie auf unsere Suzanne einen
schlechten Einfluss. Negativ dazu beigetragen hat die «Bravo Zeitschrift»,
welche dieses Mädchen abonniert hatte.
Einmal klingelte morgens nach fünf Uhr inständig die Hausglocke. Als ich
öffnete, stand ein junger Mann da. Es war ein ehemaliger Teilnehmer aus
einem Provencelager. Abends zuvor war er aus der psychiatrischen Klinik
in Münsingen davongelaufen. In seinem Kopf hatte sich der Gedanke fixiert:
«Jetzt gehe ich nach Moudon zu Staubs.» Fast die halbe Strecke hatte er in
der sternklaren, kalten Nacht zu Fuss zurückgelegt.
Dann schilderte er seine Geschichte: «Mein Vater ist Tierarzt. Er wollte
mich zwingen in seine Fußstapfen zu treten. Ich sträubte mich vehement
dagegen. Bereits als Jugendlicher musste ich ihm manchmal assistieren,
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wenn Tiere eingeschläfert wurden. Das war einer der Gründe für meine Abneigung, diesen Beruf zu erlernen. Ich wollte Käser werden, was meinem
Vater gar nicht zusagte. Als der Druck immer grösser wurde, bekam ich
Depressionen und wurde in die psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort gab
man mir sehr viele Medikamente. Wenn ich Schwierigkeiten machte, verabreichte man mir eine Spritze. Dann war ich zwei bis drei Tage KO. Ich gehe
auf keinen Fall in die Klinik nach Münsingen zurück, lieber sterbe ich.»
Uns wurde klar, dass wir diesem jungen Mann unbedingt helfen mussten.
Aber wie? Er wollte auf keinen Fall, dass seine Eltern benachrichtigt wurden. Doch genau das musste geschehen. Wir versuchten ihm dies klar zu
machen. Dann schlugen wir ihm vor, dass wir zuvor für ihn einen sicheren
Platz suchen, wo er gut aufgehoben und von uns betreut werden könnte.
Damit war er einverstanden. Die Familie eines Kirchgemeinderates war bereit, ihn bei sich aufzunehmen. Nun konnten wir seine Angehörigen informieren. Die Eltern kamen ihn umgehend besuchen. Bei einer eingehenden
Aussprache sahen diese ein, dass ihr Sohn vorerst wieder zu sich selber
finden musste und in der Gastfamilie sehr gut aufgehoben war. Er sollte
auch den von ihm gewünschten Beruf erlernen können. So nahm diese Angelegenheit einen guten Ausgang.
Eine 20jährige Tochter erlitt als Haushaltlehrtochter gravierende Probleme. Sie sollte ins Spital eingewiesen werden. Wir entschlossen uns diese
gefährdete Person in unsere Familie aufzunehmen. Die intensive, seelsorgerliche Betreuung führte letztlich dazu, dass sie nach einem Jahr wieder
eine Stelle annehmen konnte. Hier ihr Zeugnis:
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Bericht von Esther über
ihre Zeit in Moudon
Im Herbst 1988, ich war damals knapp 20 Jahre alt, stiess ich in einer christlichen Zeitschrift auf ein Inserat der Deutschsprachigen Kirchgemeinde des
Oberen Broyetales.
Gesucht wurden junge Erwachsene, die bereit wären, nebenberuflich in der
Arbeit unter den jungen Welschlandgängern mitzuwirken. Voll guten Willens, Gott zur Verfügung zu stehen, reiste ich tatsächlich bald darauf in die
Westschweiz nach Moudon.
Meine ersten Eindrücke kann ich nur mit «Erstaunen» umschreiben. Das
Studio im ersten Stock des Kirchgemeindehauses an der rue Grenade 14 war
nur sehr spärlich möbliert. Kein Problem – Pfarrer Staub verschwand und
schleppte kurze Zeit später höchstpersönlich Möbel herbei, die er irgendwo
aufgetrieben hatte. Dass mir auch kurzerhand das «Du» angeboten wurde,
war für mich ebenfalls neu, kam ich doch aus landeskirchlichen Kreisen, in
denen das gar nicht üblich war. Wenig später, Ruedi war wegen einer bevorstehenden Zeltevangelisation sehr beschäftigt, drückte er mir die Schlüssel
seines Kombis in die Hand und bat mich, etwas für ihn zu erledigen.
Zwar mit Führerschein, aber ohne jegliche Fahrpraxis, kam ich doch sehr
ins Schwitzen, wollte ihn jedoch nicht enttäuschen. Gott sei Dank ging alles gut. Wie oft habe ich in den darauffolgenden Jahren beim Autofahren
gebetet – oft mit drei bis vier Teenagern in nicht unbedingt zuverlässigen
Autos… Doch Gott hat mich nie im Stich gelassen. An zwei bis drei Abenden
pro Woche trafen sich Jugendgruppen an verschiedenen Orten. Immer wieder staunte ich, wie gut der doch schon etwas ergraute Pfarrer Staub bei den
Jugendlichen ankam. Seine Begeisterung für Jesus und sein Engagement
waren spürbar echt und mitreissend.
Die kleine Kirchgemeinde war sehr offen und sympathisch. Am wöchentlichen Chorabend wurden schöne Lieder gesungen, und die Atmosphäre war
herzlich und familiär.
Auch die wöchentliche Bibelstunde im Pfarrhaus war interessant, und ich
habe viel gelernt.
Es war für mich selbstverständlich, an allen Aktivitäten teilzunehmen. Dass
ich mich damit kräftemässig völlig überforderte, wurde mir erst Jahre später richtig klar.
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Abends oft spät ins Bett und morgens jeweils früh aus den Federn, um den
Arbeiterbus nach Henniez an meine Arbeitsstelle zu nehmen. Ich war als
Praktikantin im Vertriebssekretariat einer Maschinenfabrik angestellt.
Weil ich viel zu wenig Arbeit bekam, waren die Tage zermürbend und zogen sich unendlich lange hin. Ich traute mich nicht, für mich selber aufzukommen. Die Flinte einfach ins Korn zu werfen, kam auch nicht in Frage.
Meine Familie wohnte am andern Ende der Schweiz, und so sahen wir uns
nicht sehr oft.
Als die acht Monate Praktikum vorbei waren, dachte ich, nun würde es
besser werden.
Das Gegenteil war jedoch der Fall. Kaum hatte ich meine neue Stelle in
einem bäuerlichen Haushalt angetreten, ging gar nichts mehr. Die junge
Bäuerin war hell entsetzt, weil ich nur noch weinen konnte. In dieser Situation nahmen mich Ruedi und Jeanne-Marie ohne Zögern bei sich auf.
Die beiden Eheleute, vor allem die zarte Jeanne-Marie, waren mit viel Liebe, Geduld und Gebet für mich da. Sie integrierten mich auch herzlich
in ihre eigene Familie mit den erwachsenen Kindern, Schwiegerkindern
und Grosskindern. Sehr langsam besserte sich meine Verfassung. Ein Jahr
später stieg ich mit Zittern und Zagen wieder ins Berufsleben ein, als Sekretärin in einer Maschinenfabrik in Moudon. Die guten Patrons, Monsieur
und Madame Thonney, haben mir von Anfang an grosses Vertrauen entgegengebracht. Dadurch konnte auch mein Vertrauen in meine eigenen
Fähigkeiten wieder wachsen. Das war ein Geschenk von Gott, der genau
wusste, was ich brauchte, um beruflich wieder Fuss fassen zu können.
Auch als ich später erneut ins Kirchgemeindehaus zog, diesmal in ein
schönes Studio oben im Haus, blieben Ruedi und Jeanne-Marie meine engen Vertrauten in den verschiedenen Fragen und den Aufs uns Abs im Leben eines jungen Erwachsenen.
Im Kirchgemeindehaus wohnten nun mehrere junge Christen, die alle in
der Gemeindearbeit mithalfen. Wir erlebten viele schöne und gesegnete
Stunden in Jugendgruppen, Hauskreis u.a. Als sich dann Anfang 1995 beruflich für mich eine Türe bei der Schweizer Allianz Mission in Winterthur öffnete, haben mir Ruedi und Jeanne-Marie Mut gemacht und mich
ziehen lassen. Trotz der räumlichen Distanz ist die innere Verbundenheit
geblieben und umschliesst inzwischen auch meinen Mann und unsere beiden Kinder. Mit grosser Dankbarkeit denke ich an diese beiden besonderen
Menschen zurück und danke Gott von Herzen! Esther Esenwein-Sommer
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Trauung von Esther und Andreas Esenwein.
Das waren immer Höhepunkte im kirchlichen Alltag.
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Zeugnis von
Johannes Koch
Hier ein weiterer Erlebnisbericht von einem jungen Mann. Bei der Kontaktaufnahme mit mir befand er sich in einem desolaten Zustand, war drogenabhängig gewesen und hoch verschuldet.
Die beste Lösung für ihn war, möglichst weit weg von seinen unguten Kollegen zu kommen.
Lassen wir ihn darüber selber berichten:
Meine Zeiten, die ich in und um Moudon verbracht habe, waren immer auch
im näheren, Zusammenhang zu Ruedi Staub und seiner Frau Jeanne-Marie.
Das erste Mal begegnete ich Ruedi, als ich zu einem Informations- und Vorbereitungsgespräch nach Moudon reiste. Es handelte sich dabei um einen
Einsatz bei der Christlichen Ostmission in Somalia. Gerade hatte ich mein
Landwirtschaftslehrjahr abgeschlossen. Zuvor hatte ich einige turbulente
Jahre erlebt. Durch Drogenkonsum und damit verbundener Kriminalität
hatte ich als Jugendlicher keine realen Ziele mehr vor Augen – kam ins Gefängnis und in die Psychiatrie, wo ich eine zweijährige Therapie durchmachen musste. Während dieser Zeit erlebte ich eine persönliche Begegnung
mit Jesus. Es wurde mir gleichsam ein zweites, neues Leben geschenkt!
Durch die erste Begegnung mit Ruedi Staub, welcher auch im Leitungsteam
der COM tätig war, wurde ich sehr ermutigt, mich auf das «Abenteuer Somalia» einzulassen. Mein Bruder Siegfried war bereits seit zwei Jahren dort
tätig. Und so kam es, dass ich ein halbes Jahr in Somalia mit ihm zusammen arbeiten und viele wertvolle Erfahrungen machen durfte. Zurück in
der Schweiz vollendete ich meine Ausbildung als Landwirt. Nach Abschluss
der Fähigkeitsprüfung kam ich wieder ins Broyetal, wo mir Ruedi Staub
eine gute Stelle in Villars-le-Comte vermittelte.
Regelmässig besuchte ich die Gottesdienste in Moudon und erlebte im
«Zentrum» der Kirchgemeinde eine herzliche Gemeinschaft. Die lebensnahen und praktischen Botschaften von Pfarrer Staub ermutigten mich, in
meinem Glaubensleben weitere Schritte zu tun. Beim Mitwirken in der Jugendarbeit hatte ich Gelegenheit, über mein Erleben in der Jesusnachfolge
Zeugnis zu geben.
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Staubs hatten immer ein offenes Herz für die Jugendlichen. Sie schenkten
uns Jungen viel Zeit, sei es zu Hause an ihrem Mittagtisch, an Vorträgen,
Jugendstunden, Filmabenden, Segelbootsfahrten auf dem Neuenburgersee
usw. Viel «Action» und Humor war bei Ruedi selbstverständlich. Seine direkte aber doch respektvolle Art machte uns offen, uns unsererseits mitzuteilen. Durch seelsorgerliche Gespräche und Gebet erfuhr ich tiefgreifende
Veränderung. Dazu schenkte mir Gott viel Freude und neue Kraft.
Heute, viele Jahre später, bin ich immer noch voller Dankbarkeit über die
wertvollen Zeiten die ich in Moudon und Umgebung verbringen durfte. Der
Kontakt ist nie abgebrochen. So war Pfarrer Staub Jahre später bereit, unsere Trauung vorzunehmen. Zusammen mit meiner lieben Frau Margrit
haben wir fünf Kinder und wohnen in meinem Elternhaus in Mastrils (Kt.
Graubünden). Vor kurzem haben uns Ruedi und Jeanne-Marie besucht. Sie
lernten unsere Kinder kennen, und wir haben Erinnerungen ausgetauscht.
Es war ein wirkliches Vergnügen!
Als ehemaliger Welschlandgänger bin ich voller Dankbarkeit
Johannes Koch
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Schwierige Situationen in der
Gemeindearbeit
Nebst solch individuellen Geschichten gab es in der Gemeindearbeit ebenfalls Ereignisse, welche mir viel abverlangten. Zum Beispiel unverständliche,
schwierige Todesfälle welche mich manchmal an den Rand des Belastbaren
brachten. Einmal war es der Sohn einer Bauernfamilie, welcher tödlich verunglückte. Am Sonntag zuvor hatte er uns zusammen mit seiner Braut besucht.
Diese kam aus Deutschland und hatte sich in unserer Gemeinde bekehrt. Zusammen sprachen wir über ihre bevorstehende Hochzeit. Die beiden engagierten, jungen Christen waren so glücklich und freudestrahlend. Zuversichtlich und hoffnungsvoll blickten sie in ihre verheissungsvolle Zukunft.
Nun hatte ich die zentnerschwere Aufgabe, der Braut den Tod ihres Verlobten
mitzuteilen. Wie ich an ihrem Arbeitsplatz erschien, wich alle Farbe aus ihrem
Gesicht. Kreidebleich geworden, befielen sie sogleich die schlimmsten Vorahnungen. Sicher war mir die Bürde des Unfassbaren ins Gesicht geschrieben.
Sodann brach sie unter der Wucht der Unglücksbotschaft zusammen. Natürlich wirft ein solches Drama Fragen auf: Wo war Gott? Warum hat er diesen
Schicksalsschlag nicht verhindert? Ich weiss es nicht. Doch eines ist sicher:
Jesus leidet mit. Er selber ist beim Tod seines Freundes, Lazarus in Tränen
ausgebrochen.
Nie werde ich die Trauerfeier dieses jungen Mannes vergessen. Da er zusammen mit seiner Braut in der Jungen Kirche mitgewirkt hatte, wirkte die Jugendgruppe bei der Bestattungsfeier in der Kirche und am Grab mit. Sogar die
leidgeprüfte Braut sang die Lieder der JK-Gruppe mit. Für die vielen Jugendlichen war das Geschehen eine Herausforderung sich zu hinterfragen: Wo stehe
ich? Wäre ich bereit gewesen zu sterben?
Im Hinblick auf den festen Glauben des Verstorbenen durfte ich eine Botschaft
voller Hoffnung und Zuversicht verkündigen: Das Leben von Ueli ist nicht
einfach ausgelöscht worden. Er ist freilich unerwartet früh ins ewige Leben
hinüber gegangen. Denn Jesus ist die Auferstehung und das Leben. Wer an
ihn glaubt wird ewig leben. Ergreifend war der Moment, als sie dann als letzte
Geste einen Brief in die Grabesgruft fallen liess.
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Der Vater des Verstorbenen, der damals Kirchgemeinderatspräsident war,
-sagte später zu mir: «Getrost macht mich das Wissen, dass unser Ueli bereit war zu sterben!» – «Kannst du mir das etwas näher ausdeuten?» fragte
ich nach. – «Ueli stand als überzeugtes Kind Gottes fest im Glauben, deshalb weiss ich das! Niemand in unserer Familie war wie er vorbereitet zu
sterben», war seine Antwort.
Eine andere Bauernfamile, welche ihren einzigen Sohn durch einen tragischen Traktorunfall verloren hatte, begleitete ich ebenfalls während und
nach diesem Schicksalsschlag.
Wirksam konnte ich eine junge Bäuerin begleiten, deren Mann ebenfalls
sehr tragisch mit dem Traktor tödlich verunglückte. Vom Bauernhaus aus
war sie Zeugin des Unfallgeschehens gewesen. Sie war hochschwanger, was
das leidvolle Ereignis noch viel schwieriger machte. Da die junge Witwe die
Pacht nicht fortführen konnte, gab es Leute, welche ihre Situation schamlos ausnützen wollten. Es war mir vergönnt hilfreich einzugreifen, sodass
letztlich eine gute Lösung zustande kam.
Diese und weitere Begebenheiten führten dazu, dass bei uns der Wunsch
nach einem Sabbatjahr aufkam. 1985, nach zwanzig Jahren Tätigkeit in
der gleichen Kirchgemeinde wurde dieses Begehren vom Kirchgemeinderat wohlwollend aufgenommen. Wie wunderbar gross und gnädig ist doch
unser himmlischer Vater. Er hatte in seiner weisen Vorsehung schon alles
eingeplant.
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Wir streben ein
Sabbatjahr an
Ein Studentenpaar an der FETA in Basel wollte sich vermählen und war
bereit, danach bei uns ein Praktikumsjahr zu absolvieren. Genau inmitten
dieser Zeit konnten meine Frau und ich in Lausanne bei JMEM eine Seelsorgeschule von Bruce und Barbara Thompson besuchen. Da stand vorab
das Erleben der persönlichen Seelsorge im Vordergrund. Das Thema: Das
Senkblei Gottes, war vielversprechend. Selber Seelsorge zu erfahren und
bis ins tiefste Menschsein Heilwerdung zu erleben, ist aussergewöhnlich
heilsam. Es wurde gelehrt, die Bitte im «Unser Vater», «Vergib uns unsere
Schulden, wie wir unseren Schuldigern vergeben» richtig zu erfassen und
umzusetzen. Schade, dass wir diese Schulung nicht am Anfang unserer Tätigkeit erfahren haben. In der Folge konnte ich oft, zusammen mit meiner
Frau viel zielgerichteter Seelsorge anbieten.
Da Suzanne im Kirchgemeindezentrum wohnte, Annelise einen Auslandaufenthalt machte und Philippe auch ausgezogen war, konnte das junge
Studentenehepaar bei uns im Pfarrhaus wohnen.
In dieser Zeit waren wir durch einen komplexen und überaus schwierigen
Seelsorgefall in Beschlag genommen. Eine Familie aus unserer Gemeinde
hatte eine junge Frau aus ihrer Bekanntschaft bei sich aufgenommen. Da
diese psychische Schwierigkeiten hatte, wurde ich zu Hilfe gerufen. Während unserem Gespräch vertraute diese Frau ihr Leben ganz bewusst Jesus
Christus an. Innerhalb erstaunlich kurzer Zeit las sie die ganze Bibel durch.
Jedoch nahmen die seelischen Probleme ein Ausmass an, welches die Gastfamilie total überforderte. Deshalb entschlossen wir uns, diese Frau im
Pfarrhaus aufzunehmen. Was sich dann in der Folge zugetragen hat, will
ich hier, wenn überhaupt, nur bruchstückweise festhalten.
Es stellte sich nämlich heraus, dass die Frau direkt aus einem internationalen Satanistenzentrum zu unserer befreundeten Familie in die Schweiz zurückgekommen war. Sie war nicht nur unvorstellbar belastet, sondern zeitweise besessen. Wenn das der Fall war, hatte sie keine Kontrolle mehr über
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sich, wusste jeweils im Nachhinein überhaupt nicht, was sich zugetragen
hatte. Gelinde gesagt, waren wir total überfordert. Es ereigneten sich unvorstellbare Dinge. Zum Glück hatten wir unseren Gebetskreis. Dieser war
öfters fast Tag und Nacht involviert. Dann standen uns bekannte Seelsorger
als «Spezialisten» bei. Ein Gebetskreis aus der welschen Nachbargemeinde
unterstützte uns ebenfalls.
Ich musste mich für diesen krassen Fall informieren, orientieren und zurechtfinden. Die Bücher von Doreen Irvin: «Die Königin der schwarzen
Hexe», von Mikel Warnke: «Der Agent Satans» und von Blumhart: «Der
Befreiungskampf in Möttlingen» waren mir eine grosse Hilfe.
Wer sich über das, was sich in der Finsterniswelt zuträgt, informieren will,
sei auf diese Literatur verwiesen. Dass wir es mit den schlimmsten Finsternismächten zu tun bekamen, wie Paulus es schon vor fast zweitausend
Jahren den Epheserchristen geschrieben hat, erlebten wir hautnah: «Denn
wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit
Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in
der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter
dem Himmel.» (Epheser 6,12, Luther)
Was wir bis zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war die Tatsache, dass
sich sogar in unserem kleinen Provinzstädtchen, jeweils Freitagnacht ein
Satanistenkreis versammelte. Ein Pfarrerkollege fragte mich eines Tages:
«Weißt Du etwas davon, dass es in Moudon einen Satanistenkreis gibt.»
Nachdem ich bejaht hatte, wollte ich wissen, warum er mir diese Frage
stellte. Da sagte er: «Zwei Konfirmanden haben mich gefragt: «Herr Pfarrer
wenn wir zu Gott beten passiert nichts, aber wenn wir zum Satan beten,
dann schon!» Beim persönlichen Gespräch mit den Betroffenen stellte sich
heraus, dass die beiden diesen Satanistenkreis besucht hatten.
Im Nachhinein wurde uns bewusst, dass wir auf diesem Gebiet, unerfahren
wie wir waren, viel zu wenig beschirmt und geschützt waren. Das heisst,
wir hatten zu wenig Fürbitter hinter, vor und neben uns. Dankbar dürfen
wir jedoch bekennen, dass Gott unendlich gnädig und treu mit uns war. Er
hat uns von allen Seiten umgeben und seine schützende Hand über uns
gehalten. (siehe Psalm 139,5).
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Hier zwei, drei Beispiele: Punkt für Punkt kam alles zum Tragen, was sich im
Satanistenzentrum, in den «Schwarzen Messen» im Beisein der «Luminatis»
und oft auch «Luzifers» zugetragen hatte. Diese monströsen, spiritistischen
Sitzungen hatten es wirklich in sich. Diese Frau besass unglaubliche übernatürliche Fähigkeiten. Sie konnte zum Beispiel Gespräche, von unseren Gebetskreispartner geführt, gleichsam «abhören». Das galt auch für das, was wir im
Pfarrhaus redeten. So hatten wir keine wirkliche Privatsphäre mehr. Bis sie bereit war, sich von diesen «Bevollmächtigungen» bewusst loszusagen, brauchte
es viel Gebet.
In einer «Schwarzen Messe» tranken die Beteiligten «hochgiftiges Zeug», ohne
dass es für sie Konsequenzen hatte. Eines Nachts wurde dieses Gift in ihrem
Körper plötzlich aktiv. Wir beteten inständig zu Gott. Undefinierbare Substanzen und Gegenstände kamen aus ihrem Körper. Dann brach ihr Kreislauf zusammen: Kein Puls und keine Atmung mehr! Obwohl es weit über Mitternacht
war, telefonierte ich dem Verantwortlichen, des schon erwähnten welschen
Gebetskreises. Auf meine Schilderung meinte er: «Und du hast nicht den Notfallarzt angerufen?» – Natürlich nicht! Deshalb rufe ich ja dich an!» gab ich zur
Antwort. – «Hast du noch alle Sinnen beieinander» fragte er zurück.
Aber auch in dieser Hinsicht hatte Gott vorausgesorgt. Im schon erwähnten
Buch von Blumhart, hatte ich gelesen, dass sich damals in Möttlingen genau
das Gleiche zugetragen hatte. Der erfahrene Blumhart machte dann in Anlehnung an Epheser 6 geltend, dass vor allem in solch Extremsituationen nur
Jesus zuständig sein kann und nicht «Fleisch und Blut»!
Und so harrten wir im Gebet über eine lange Stunde aus und dann setzte die
Atmung und Herztätigkeit wieder ein. Ein Loben und Danken folgte auf dieses
Wunder.
Dann wurden wir von einem Arzt, in dessen Behandlung die Frau gewesen war,
eingeklagt. Der Anklagepunkt war happig: «Entzug der ärztlichen Betreuung.»
Wir mussten vor dem Friedensrichter erscheinen. Die Anhörung verlief zu unseren Gunsten. Doch wurde die Klage weitergezogen. Vor dem Bezirksgericht
wurde die Sachlage komplizierter. Unsere Betreute musste persönlich und alleine Red und Antwort stehen. Dank Diakonissinnen in St. Loup, welche uns
unterstützten, konnten wir mit einem Psychiater in Neuenburg Kontakt aufnehmen. Die Hilfe dieses Arztes war genau das, was wir benötigten. Dass mich
die zuständigen Richter in Moudon persönlich kannten, war ebenfalls hilfreich.
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Dank viel Gebet, Gottes Treue und Fürsorge nahm auch dieser schwerwiegende
Angriff ein gutes Ende!
Über drei Jahre war diese Frau mit Ausnahme von zwei kurzen Unterbrüchen, damit wir uns etwas erholen konnten, bei uns im Pfarrhaus. Wir haben in dieser Zeit auch Fehler gemacht, aber daraus viel gelernt. Ich hatte
einmal in einem Buch gelesen, wie Dr. Tournier einen Hilfesuchenden, welcher in Satanismus verstrickt gewesen war, abgewiesen hat, mit der Begründung: «Ich bin im Moment nicht in der Lage, mich den unausweichlichen, damit verbundenen Attacken Satans auszusetzen.» Damals hatte ich
mit diesem Verhalten ehrlich gesagt Mühe. Heute würde ich, zusammen
mit Gebetspartnern, ebenfalls ernsthaft prüfen, ob ein diesbezügliches Engagement Gottes Willen entspricht: «Durch Erfahrung wird man klug!»
Später nahmen die Eltern meines Pfarrvertreters diese Frau zu sich. Dann
hat ein Sohn dieser Familie, welcher Jus studierte Monique geheiratet.
Während unserem Sabbatjahr besuchten wir verschiedene Missionsarbeiten und unsere Verwandten in Tansania. Das waren bereichernde Erlebnisse. Die Missionare waren sogenannte Werkmissionare. Das heisst, dass sie
für ihre Bedürfnisse weitgehend selber aufkamen. Die Einen unterhielten
eine Auto- und Schreinerwerkstatt sowie eine einfache Herberge. Sonntags
evangelisierten sie in ihrer Umgebung. Mit einer Musikgruppe wurde jeweils auf dem Dorfplatz aufgespielt, damit sich die Leute versammelten.
Nach der Wortverkündigung wurde eine Person mit einem Bücherstand
zurückgelassen. Gegen einen symbolischen Betrag konnten die Besucher
Bücher und Bibeln kaufen. Abends wurden diese Leute wieder «eingesammelt». Eine Woche nach diesem Erlebnis brach bei mir die Malaria aus,
sodass ich einige schlimme Tage erlebte.
Eine andere Missionsarbeit bestand darin, den Einheimischen in Landwirtschaft und Gemüseanbau beizustehen. Diese Leute wurden ebenfalls darin
unterwiesen, wie sie für die Trockenzeit Vorräte anlegen konnten. Die Resultate waren sehr bemerkenswert!
Bei unseren Verwandten war die Kaffeeernte in vollem Gang. Jeden Morgen
stellten sich zwei- bis dreihundert Personen, vor allem Frauen ein. Viele
dieser Frauen trugen ein Kind auf dem Rücken. Manche waren über drei
Stunden gelaufen um hier Kaffee zu ernten. Der höchstmögliche Tagesverdienst betrug fünf bis zehn Franken. Für diese Leute war das viel Geld!
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Ein anderer Missionar, ein Engländer, importierte Kühe von Europa, welche richtig viel Milch gaben und lernte die Leute Gemüse und Fruchtbäume
anpflanzen. Er zeigte den Einheimischen, wie man in guten Zeiten Vorräte
anlegen kann, um diese dann in den mageren Epochen zur Verfügung zu
haben.
Nach sieben Wochen kehrten wir mit vielen Eindrücken und Erlebnissen
reich beschenkt in unsere wohlbehütete und schöne Schweiz zurück.
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Unsere Kinder
werden flügge
Wie schnell die Zeit vergeht konnten wir an unseren heranwachsenden Kindern erkennen. Nach der Konfirmation ging Suzanne in die Handelsschule
und half in der Jugendarbeit mit. Ein Jahr später begann Philippe seine Ausbildung. Alsdann waren die beiden ausschlaggebend an der Gründung einer
französischsprachigen Jugendarbeit beteiligt. Im Untergeschoss unseres
Kirchgemeindezentrums richteten sie eine Kaffeebar ein. Sie nannten sich
Bethelgruppe. Der Name Bethel = Gotteshaus war sinngebend. Hier fanden
in der Folge viele Jugendliche zum lebendigen Glauben an Jesus Christus.
Unsere beiden Töchter lernten durch diese Gruppe ihre Ehemänner kennen, welche hier zum Glauben gefunden hatten. Doch beim Freund unserer
Jüngsten gab es Schwierigkeiten. Seine Eltern taten sich schwer mit der
Tatsache, dass seine Freundin eine Gläubige und erst noch die Tochter eines Pfarrers war. Der Druck auf ihn nahm stets zu. Dann erklärte er seinen
Eltern: «Von Annelise könnt ihr mich nicht wegbringen! Eher verzichte ich
auf Hof und meine Familie, aber niemals auf meinen Schatz!» Als unsere
Tochter dann die landwirtschaftliche Haushaltungsschule absolvierte und
anschliessend die Lehrmeisterinnenprüfung absolvierte, wurde sie akzeptiert und hatte in der Folge ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Schwiegereltern. Übrigens fand ihre Diplomarbeit zum damals zeitgemässen Thema:
«Die aktuellen Schweinepreise sind eine Schweinerei» grosse Beachtung.
Unsere Suzanne arbeitete einige Zeit in Worb im Büro der Ostmission. Da
reifte bei ihr der Entschluss, eines Tages in die Mission zu gehen. Ihr Verlobter hegte denselben Wunsch. Als diplomierter Automechaniker machte
er die Meisterprüfung. Dann heirateten sie. Vorerst blieben sie noch in der
Schweiz, um etwas Geld zu verdienen. Dann bereiteten sie sich für den Missionsdienst vor, worüber ich bereits berichtet habe.
Unsere Familie vergrösserte sich zusehends. Nachdem sich unser Sohn Philipp verheiratet hatte, erblickten bei ihnen zwei Knaben, Sébastien 1989
und David 1991 das Licht der Welt. Später kam dann noch ein Mädchen,
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welches Carolline genannt wurde, hinzu. Auch bei unserer Jüngsten Annelise wurden zwei Kinder, Audric 1991 und Coraline 1992, geboren, dann
noch Malika und Antonin. Vor allem die Familien unserer Töchter wirken
zusammen mit ihren Kindern aktiv in ihren Kirchen mit. Darüber sind wir
glücklich und dankbar! In unserem Haus in Yvonand kamen wir oft zusammen und genossen als Grossfamilie die Gemeinschaft mit- und untereinander!
Unsere Familie am Neuenburgersee in Yvonand
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Wir dürfen ernten
Es war uns vergönnt, nicht nur zu säen und zu erleben wie das Saatgut
gedieh, wir durften sogar ernten. Das ist eine ganz besondere Gnade für
einen Diener Gottes. Durch die Seelsorgeschule erhielt mein Dienst neue
Impulse. Die Themen der persönlichen Heiligung, des geistlichen Wachstums und des Glaubensgehorsams wurden thematisiert. Dabei wurde das
Wirken des Heiligen Geistes in den Vordergrund gestellt. Die Gottesdienste
gestalteten sich lebendiger und publikumsnaher. Die Laienmitarbeit wurde
auch in den Gottesdiensten praktiziert.
Nachdem der bekannte Theologieprofessor Keller aus Le Mont mit einer
Schar Jugendlicher bei uns einen Lobpreisgottesdienst gestaltet hatte, begannen wir in der Folge die Gottesdienste in Moudon mit einer Anbetungsund Lobpreiszeit. Diese neuen Lieder kamen besonders bei den Jugendlichen gut an. In der Folge machten diese oft die Hälfte der ungefähr dreissig
bis vierzig Gottesdienstbesucher aus. Jedoch sangen wir immer auch Lieder
aus dem Kirchengesangbuch.
Ganz unerwartet erreichte mich eine Berufung aus der Kirchgemeinde
Nyon. Von der Kantonsgrenze Genf bis Nyon hatte die Bevölkerung stark
zugenommen. Deshalb wurde dort eine zusätzliche Pfarrerstelle beschlossen. Wir waren bereit, diese Anfrage zu prüfen. Schon über fünfundzwanzig
Jahre befanden wir uns hier im Broyetal. Es war offensichtlich: Wenn wir
noch in eine andere Kirchgemeinde wechseln wollten, war dies der richtige
Zeitpunkt. Andernfalls würden wir bis zu unserer Pensionierung in Moudon
verbleiben.
Nachdem wir uns mit dem Kirchgemeinderat und den Pfarrern in Nyon
getroffen hatten, erhofften diese unsere Zusage. Obschon unsere Kinder
längst ausgeflogen waren, besprachen wir diese Angelegenheit auch mit ihnen. Suzanne sagte: «Papa, Du hast Zeit Deines Lebens die deutsche Sprache gepflegt und Deinen Sprachschatz erweitert. Überlege es Dir gut, bevor
Du in eine französischsprachige Kirchgemeinde wechselst.»
Natürlich mussten wir jetzt auch unseren Kirchgemeinderat über unsere
Absicht informieren. Dieser zeigte sich sehr betroffen. «Warum wollt ihr
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uns verlassen? Gefällt es euch nicht mehr bei uns?» – «Doch, doch! Wir
haben es so gut wie nie zuvor und sind hier sehr glücklich!» – «Weshalb
wollt ihr dann weggehen?» – «Es ist so: Entweder wechseln wir jetzt noch
in eine andere Kirchgemeinde, oder wir verbleiben endgültig hier in Moudon.» Dass sie sich Letzteres von ganzem Herzen wünschten, berührte
uns zutiefst.
Da war jedoch noch ein weiteres Argument zu berücksichtigen. Ich ging
bereits auf die Sechzig zu. Die ausgeprägte und grosse Jugendarbeit sollte
vielleicht doch von einem jüngeren Seelsorger wahrgenommen werden.
Dieses Argument konnte nicht banalisiert werden. «Wenn ich hier in Moudon bleiben soll, schlage ich vor, dass die Kirchgemeinde einen Jugendarbeiter/in anstellt. Da gab ein Ratsmitglied zu bedenken: «Unser Pfarrer hat
diese Arbeit so lange eigenständig gemacht. Wird er es verkraften, diese
Verantwortung zu teilen, beziehungsweise abzugeben?»
Letztendlich erklärte ich mich bereit, unter der Bedingung in der Kirchgemeinde zu bleiben, dass für die Jugendarbeit eine Halbzeitstelle ins
Leben gerufen wird. Sofort wurde dieses Anliegen aufgenommen. Innert
erstaunlich kurzer Zeit fanden wir in Beatrice Käufeler eine reife Persönlichkeit für diese Arbeit. Leider sagte sie nur für ein Jahr zu, weil sie danach in die Mission gehen wollte. Sie war ein Geschenk des Himmels, eine
wirkliche Perle. Die Zusammenarbeit mit ihr war fantastisch! Der Gewinn
für die Jugendlichen war vielumfassend. Beatrice wohnte in unserem
Kirchgemeindezentrum, und dieses wurde nun ein richtiges Jugend- und
Seelsorgezentrum, wo die jungen Leute, besonders an den Wochenenden,
aus- und eingingen. Letztlich blieb Beatrice drei Jahre bei uns.
Als erste (entlöhnte) Jugendarbeiterin hat sie sich mit viel Herzblut für die
Welschlandgänger engagiert. Hier ein Bericht von Bea, wie sie liebevoll
von vielen genannt wurde:
«Ich habe die Zeit in Moudon unter den Jugendlichen sehr genossen. Viele
Gespräche und bewegende, aber auch lustige Momente sind mir noch in
Erinnerung. Die Abhängigkeit von Gott in dieser Arbeit war mir oft bewusst und hat meine Beziehung zu ihm geprägt. Ich habe sicher viel gelernt. Auch die Zentrumsgemeinschaft hat Spuren in meinem Leben hinterlassen. Ich fühlte mich dort wohlig eingebettet. Hier fand ich Freunde,
welche schon ein paar Jahre vor mir im Zentrum in Moudon wohnten.
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Die Welschlandgänger stehen oft in einer entscheidenden Phase ihres Lebens. Für sie ist ein Treffpunkt mit anderen Jugendlichen, die im gleichen
Boot sitzen, sehr wichtig. Lebensfragen wie «wer bin ich, warum lebe ich,
wo ist mein Platz auf dieser Welt, Freundschaften leben etc» sind Themen,
die in Jugendgruppen thematisiert und diskutiert werden. Sie bleiben mit
ihren Fragen nicht allein, finden Begleitung und ein kleines Daheim. Auch
ihre Welschlandprobleme können dort besprochen werden. Viele hören zum
ersten Mal von Jesus und entscheiden sich für ein Leben mit ihm. Auch die
vielen spassigen Momente an Sonntagen oder Ausflügen sind nicht zu vergessen. Eine gute Ergänzung zu ihrem manchmal nicht einfachen Alltag.
Würde die Jugendarbeit dort fehlen, würden sich viele Jugendliche im
Welschland verloren fühlen, und etliche würden nie von Jesus hören, der
ihnen echtes Leben schenken will.»
Dieser Bericht macht offensichtlich, dass ich durch die Schaffung einer
Halbzeitstelle für unsere Jugendarbeit entlastet wurde. Abwechslungsweise
begab ich mich zur Kontaktpflege monatlich in eine der drei Gruppen.
Mit der Zeit vergrösserte sich unsere Familie mehr und mehr, bis wir elf
Grosskinder hatten. Bei den beiden Töchtern gab es je vier und beim Sohn
drei Nachkommen. Das elfte Grosskind war im Oktober bei unserer Jüngsten
zur Welt gekommen, und bei ihr feierten wir im selben Jahr 1996 gemeinsam Weihnachten. Da hier vor ein paar Jahren der Dachstock ausgebaut
worden war, gab es reichlich Platz für die dreiundzwanzig Anwesenden. Für
alle, besonders jedoch für uns Grosseltern war diese Feier ein Freuden- und
Dankesfest. Im Vergleich, wie Joseph und Maria vor fast zweitausend Jahren
das Geburtstagsfest Jesu, des Sohnes Gottes, erfahren haben, hatten wir es
so unendlich gut! Sie erlebten entsetzlich bange Tage und Stunden. Kaum
hatten sich die Ereignisse durch den Besuch der Hirten und der Weisen
etwas begütigt, mussten sie nach Ägypten fliehen. Unvorstellbar, was diese
junge Familie durchgemacht hat. Geächtet und verfolgt mussten Joseph
und Maria mit dem Säugling Jesus die unvorstellbar beschwerliche Reise
durch die judäasche Wüste und das Sinaigebiet unter die Füsse nehmen,
um sich in Ägypten in Sicherheit zu bringen.
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Eisiger Winter am Neuenburgersee. Jeanne-Marie mit den zwei älteren
Kindern von unserer Tochter Annelise.
Glücklicherweise konnten wir zu diesem Zeitpunkt des Freudenerlebens
und der Beseligung nicht ahnen, dass uns Allerschwierigstes und Bedrängendes unmittelbar bevorstand.
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Wird unsere
Annelis sterben?
Am Stephanstag 1996 fühlte sich Annelise zuerst unwohl, dann ging es ihr
rapide schlechter, und sie bekam unausstehliche Schmerzen im Bauchbereich. Bereits war sie nicht mehr in der Lage, sich in eine Arztpraxis
zu begeben. Unglücklicherweise war der Hausarzt in den Ferien. So kam
schliesslich ein Stellvertreter zu ihr. Im Familienkreis ihres Ehemannes
hatten sie am Vorabend Weihnachten gefeiert. Der Schwager von Anneliese,
welcher im angrenzenden Frankreich ein Speiserestaurant betrieb, hatte
ein köstliches Essen zubereitet. Als Vorspeise hatte es Austern gegeben. Waren wohl diese Schalentiere der Grund der heftigen Unterleibschmerzen?
Auf jeden Fall verabreichte der Arzt unserer Tochter eine krampflösende
und schmerzlindernde Spritze. Doch ihr Zustand verschlimmerte sich zusehends. So kam der Arzt abends noch einmal, um ihr eine weitere Injektion
zu machen. Die nachfolgende Nacht wurde zum Albtraum. Erstaunlicherweise hatte Annelise bis dahin kein Fieber. Das war sicher auch der Grund
dafür, dass der Hausarzt, der jetzt erreicht werden konnte, vorerst seine
Patienten in der Arztpraxis versorgte und erst mittags zu unserer Tochter
kam. Beunruhigt durch den Zustand der Patientin, ordnete er die sofortige
Einlieferung per Ambulanz ins Kantonsspital Lausanne (CHUV) an. Es sei
dem geneigten Leser an dieser Stelle geraten, diese Abkürzung, CHUV, für
das örtliche Kantonsspital zu verinnerlichen, da es bis zum Schluss meines
Berichtes eine bedeutsame Rolle im eigenen Leben (und dem meiner Angehörigen) einnehmen wird.
Zu diesem Zeitpunkt wurden wir Eltern von unserem Schwiegersohn
über die dramatischen Ereignisse informiert. Die Mitteilung, dass sie beim
Weihnachtsessen als Vorspeise ein Austerngericht serviert hatten, machte
es naheliegend anzunehmen, dass es sich bei Anneliese um eine Lebensmittelvergiftung handeln musste. Aber wir hätten es eigentlich besser wissen
müssen. Einem profilierten Gastwirt, wie ihr Schwager es war, konnte ein
solcher Fehler nun wirklich nicht passieren!
Sofort holten wir die zwei älteren Enkelkinder Audric (fünfeinhalb Jahre),
und Coraline (viereinhalb Jahre), und begaben uns zusammen ins CHUV
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nach Lausanne. Vor vier Monaten hatte die Familie ihr viertes Kind bekommen. Wie glücklich war Audric, dass er nach den beiden Schwestern
nun noch ein Brüderchen hatte. Seine Mama und das Bébé im Spital zu
besuchen, war damals für ihn ein überwältigendes Erlebnis gewesen. Voller
Enthusiasmus berichtete er im Auto über diese Erinnerungen: «Ich freue
mich, dass wir Mama im Spital besuchen können. Wie schade, dass wir
nicht dran gedacht haben, ihr etwas zu bringen.» In diesem Moment hatten
wir noch keine Ahnung, dass er seine Mutter nicht würde sehen können. Im
Spital erklärt man uns: «Frau Delessert wird im Moment noch immer operiert. In einem uns zugewiesenen Aufenthaltsraum warteten wir. Bei einer
Nachfrage nach etwa einer Stunde hiess es, sie würde noch immer operiert.
Die Ungewissheit und das zermürbende Warten machen uns zu schaffen.
Immer wieder schickten wir Stossgebete zum Himmel empor. Die Kinder
wurden zusehends ungeduldig. Endlich konnte ich den Arzt sprechen, welcher die Spitalaufnahme unserer Tochter vorgenommen hatte. Er erklärte:
«Ihre Tochter wurde bei uns in einem katastrophalen Zustand eingeliefert.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich die Operation in die Länge
zieht. Aber der Chirurg wird, sobald es ihm möglich ist, mit Ihnen sprechen.»
So ging ich mit den Grosskindern für einige Zeit nach unten in die Cafeteria, wo wir uns etwas stärkten. Spätnachmittags konnte ich mich endlich
kurz mit dem Chirurg unterhalten, welcher Anneliese operiert hatte. Seine
Ausführungen waren knapp: «Die weitere Behandlung hat jetzt ein Gynäkologe übernommen. Wir können im Moment nicht sagen, wie lange dies
noch dauern wird. Haben Sie bitte noch etwas Geduld.»
Um diese Jahreszeit ist es nach 17 Uhr dunkel. Endlich konnte meine Frau
unsere Tochter kurz besuchen. Auf das, was sie antraf, war sie überhaupt
nicht vorbereitet. Anneliese befand sich bereits auf der Intensivstation in einem sogenannten Glaskomplex. Das heisst, ausser der Rückwand waren die
Wände aus Glas. Meine liebe Frau hatte bereits zu diesem Zeitpunkt Mühe,
unsere Annelise wiederzuerkennen. Man hatte sie in ein künstliches Koma
versetzt. Der ganze Körper war stark aufgedunsen. Überall befanden sich
Apparate, welche mit dem Körper der Patientin durch Schläuche, Kanülen
und Kabel verbunden waren. Die ganze Situation brach Jeanne-Marie fast
das Herz. Was war da eigentlich los?
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Bevor wir das Spital verliessen, kam der Anästhesist und fragte mich, ob
es uns möglich wäre, uns am darauffolgenden Tag um 9 Uhr zusammen
mit dem Mann von Frau Delessert zu einem Gespräch einzufinden, was wir
natürlich bejahten. Wir wussten nicht, was das zu bedeuten hatte und erhielten auch keine nähere Auskunft. Das war es also: Abwarten, nicht mehr,
aber auch nicht weniger.
Wir brachten die Grosskinder zum Schwiegersohn zurück und berichteten
kurz, was wir erlebt hatten. Zum Glück wohnten die Eltern von Serge nebenan. So kümmerten sie sich nun vor allem um die Grosskinder. Anneliese
hatte den drei Monate alten Antonin bis zum Spitaleintritt gestillt. So vieles
war plötzlich auf den Kopf gestellt und erforderte ein Umdisponieren.
Wir umarmten unseren Schwiegersohn und verabredeten uns auf den kommenden Morgen. Zu Hause angekommen, benachrichtigten wir Verwandte
und Bekannte, die Mitglieder des Gebetskreises und von JMEM über die
Ereignisse und ersuchten diese, für Anneliese zu beten.
Am folgenden Tag traf ich zusammen mit dem Schwiegersohn pünktlich
um neun Uhr im CHUV ein. Eine Dame begleitete uns in ein Sprechzimmer.
Nach einiger Zeit erschienen der Chirurg und der Anästhesist. «Die Patientin befindet sich im Moment in einem stabilen Zustand», begann der Chirurg seine Erläuterungen. «Aber leider müssen wir einräumen, dass sie sich
in einer kritischen Situation befindet. Unser Team hat alles unternommen,
was ihm möglich war.» Diese Nachricht war für mich und meinen Schwiegersohn schmerzlich und hart. Wir wollten wissen, was Annelies hatte; an
was sie litt. «Das können wir noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Dazu
benötigen wir die Resultate der Analysen. Vor allem warten wir auf diese
Ergebnisse, um eine genaue Diagnose zu erstellen. Wahrscheinlich handelt
es sich um eine Septisemie, eine akute Blutvergiftung. Als die Patientin bei
uns ankam, funktionierte nur noch ihr Herz. Die Atmung war bereits eingeschränkt, der Bauchraum stark vereitert. Um die Patientin optimal betreuen zu können, haben wir sie in ein künstliches Koma versetzt. Zum Glück
ist sie jung und kräftig.» Dann wandte sich der Anästhesist an uns: «Am
besten ist es, wenn Sie im engen Familienkreis die Besuche organisieren:
Höchstens eine bis zwei Personen aufs Mal. Wenn möglich in regelmässigen
Abständen, ungefähr alle drei bis vier Stunden. Die Besuche können rund
um die Uhr stattfinden.» – Natürlich waren wir bereit, diesen Rotationsplan zu organisieren. – «Die Besucher sollten sich möglichst positiv mit
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der Patientin unterhalten und ihr Mut zusprechen», erklärte der Chirurg.
«Es ist wichtig mit ihr zu sprechen. Erwarten Sie jedoch nicht, dass sie
sich später daran erinnert. Von Bedeutung ist, dass sie ihre Anwesenheit
wahrnimmt und hilfreichen Zuspruch erfährt. Haben Sie noch Fragen?»
Hatte ich: «Was wurde eigentlich operiert?» – «Wir fanden im Bauchraum
viel Eiter, zirka einen Deziliter. Das wies auf eine starke Infektion hin. Trotz
aller Bemühungen fand ich den Infektionsherd nicht. Deshalb übernahm
dann der Gynäkologe die weitere Operation.»
Erst viel später wurde dann folgendes offenkundig: Bereits der Chirurg ahnte, dass die Eileiter die Verursacher der Beschwerden sein könnten. Und so
war es tatsächlich auch. Für ihn war das weitere Vorgehen offensichtlich:
«Diese müssen entfernt werden»! sagte er zum Gynäkologen. Dieser entgegnete: «Dazu haben wir aber keine Befugnis», und weigerte sich dies zu
tun. «Sie wissen genau so gut wie ich, dass dies dringend ist, wenn wir die
Patientin retten wollen. Deshalb entscheide ich, dass dies geschehen muss
und übernehme die Verantwortung», erklärte der Arzt. Noch heute sind wir
diesem Chirurgen sehr dankbar für seine dezidierte und weise Entschlossenheit.
Dann wandte sich der Anästhesist uns zu und sprach «Ich gebe Ihnen hier
meine Karte mit meiner Handy-Nummer. Sie können mich Tag und Nacht
erreichen. Erschrecken sie nicht darüber, dass der Körper der Patientin
stark aufgedunsen ist. Das rührt daher, dass ihre Nieren nicht funktionieren. Wir müssen der Patientin hohe Dosen Adrenalin und andere Medikamente verabreichen. Die Dialyse vermag im Moment das Ausscheiden der
Flüssigkeit nicht voll zu bewältigen.»
Mit bestem Dank für alles verabschiedeten wir uns. Auf der Intensivstation
begegneten wir zum ersten Mal Anneliese. Allein ihr Anblick verschlug uns
die Sprache. Ihr Aussehen war furchtbar. Automatisch kamen mir die Tränen. War das wirklich meine Tochter, die Frau von Serge, in diesem Bett?
Ich konnte es fast nicht glauben. Sie war dermassen entstellt! Reglos, mit
geschlossenen Augen lag sie im Bett. Das Gesicht, zur Unkenntlichkeit defiguriert, hatte die Form des Mondes. Auch ihr Körper war kugelrund. Das
Spitalbett war umgeben von Monitoren, Geräten, Flaschen und Drähten.
Überall hatte es Schläuche, Kanülen und medizinische Utensilien. Ein Beatmungsgerät pumpte unentwegt Luft in ihre Lungen. Es war einfach herzzerreissend! Serge erlitt einen Schock. Wie versteinert blieb er vor dem Bett
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stehen. Schmerz und Kummer zerbrachen ihn innerlich und blockierten
sogar das Fliessen der Tränen. Eisige Angst wollte auch mein Herz umklammern. Anneliese erschien mir so ausgestorben. Trotzdem kam tief in mir
die Gewissheit auf, dass meine Tochter durchkommen würde. Von diesem
Moment an war diese Glaubenszuversicht fast unerschütterlich. Es war wie
wenn Jesus mich umarmte und mit diesem Vertrauen beschenkte. In diesem Moment erahnte ich nicht, was da noch alles auf uns zukommen und
uns schwer zusetzen würde.
Langsam erholte ich mich etwas vom ersten Erschrecken. Was hatte der
Arzt gesagt? Redet mit der Patientin, sprecht ihr Mut zu. So gut es mir
möglich war, fasste ich mich, legte meine Hand auf den Oberarm meiner
Tochter und sprach sie an: «Anneliese, wir sind hier, Serge und dein Papa.
Wir sind so dankbar, dass man dir hier im CHUV hilft. Du bist in guten
Händen. Du bist stark und wirst kämpfen. Diesmal nicht wie im Kunstturnen, aber hier zusammen mit dem Spitalpersonal. Viele Menschen, die dich
kennen und lieb haben, beten für dich. Vor allem sollst du wissen, dass es
dem kleinen Antonin gut geht. Es wird alles gut werden. Mach dir nur keine
Sorgen. Viele Menschen beten für dich. Und das wollen wir jetzt auch tun:
«Lieber, himmlischer Vater, wir bitten Dich, im Namen Jesu, für Anneliese. Jesus, du hast am Kreuz auch für ihre Krankheit bezahlt. Durch deine
Wunden erfahren wir Heilung. Bitte, Jesus, mach unsere Anneliese wieder
ganz gesund! Amen.»
Nun lag auch die Hand von Serge auf seiner Gattin. Er war schmerzbewegt.
Trotzdem versuchte er nun seinerseits, so gut wie es ihm möglich war, seine
liebe Frau zu ermuntern. Er versicherte ihr, dass sie zu Hause gut zu Ranke
kämen, dass es den Kindern und vor allem dem kleinen Antonin gut ginge.
– Oder war das schon zu viel Zusage? Wer konnte schon erahnen, was der
Säugling wirklich durchmachte? Musste er nicht die zärtlichen Liebkosungen und die wohltuende Stimme seiner Mama vermissen? Und erst recht die
Mutterbrust. Der Schnuller war sicher ein kläglicher Ersatz, um zu seiner
Nahrung zu kommen. Mit letzten Liebkosungen und beschwerten Herzen
verabschiedeten wir uns…
Darauf wurde Annelies von ihrem Bruder besucht. Philipp war schon immer sehr sensibel gewesen. Der Anblick seiner Schwester und die ganze
Situation setzten ihm derart zu, dass er fassungslos in Tränen ausbrach. Das
Ganze war einfach zu viel für ihn. Er war total überfordert. Das von Maschi-
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nen und Monitoren umstellte Bett trug dazu bei, dass er ausser Stande war,
seine zur Unkenntlichkeit entstellte Schwester aufzumuntern. Vorderhand
mussten wir ihn also aus dem Terminplan der Besucher streichen.
Gleichentags um 15 Uhr wurde unsere Tochter Suzanne als Besucherin erwartet. Obschon auf die Situation vorbereitet, war auch sie beim Anblick
ihrer Schwester bestürzt. Doch ihr gelang es sichtlich gut, ihre Schwester
aufzumuntern und zu ermutigen. Leider hatte der Chefarzt keine ermutigenden Neuigkeiten für Suzanne. Trotz aller Bemühungen hatte sich der
Zustand der Patientin deutlich verschlechtert. Nun war auch das Herz betroffen. Die definitive Diagnose lautete: Séptisémie, Streptocoque, categorie
virulente, Bacterie mortelle. (Blutvergiftung, Bakterien, Kategorie ansteckend, übertragend, tödlich) Deshalb durften wir Besucher fortan das Krankenzimmer nur mit Plastikmantel und Gesichtsmaske betreten.
Bestürzt durch diesen negativen Bericht benachrichtigte uns Susanne sofort. Diese schlechten Nachrichten erschreckten uns zutiefst. Nun wussten
wir, dass das Leben unserer lieben Anneliese an einem seidenen Faden hing.
Grosse Sorge und Angst machten sich breit. Meiner lieben Frau zerriss es
fast das Herz. Sie fühlte sich an, wie wenn man ihr ein Schwert durch ihr
Herz gestossen hatte. Brandungen von Schmerz und Kummer überrollten
uns.
Wir benachrichtigten alle Gebetsverantwortlichen, welche ihrerseits diese
Informationen an weitere Gebetsfreunde und –kreise weiterleiteten. Zudem
wurde die Gebetsunterstützung erweitert, sodass bereits in den USA und
Asien für Annelise gebetet wurde. Wir waren uns bewusst, dass nur noch
Jesus, unser göttlicher Arzt, helfen konnte. Inständig flehten wir um sein
herzliches Erbarmen, Retten, Helfen und Heilen!
Unser Schwiegersohn befand sich nun zeitweise bei uns im Pfarrhaus und
nahm auch verschiedentlich die Mahlzeiten bei uns ein. Die vier Kinder
waren bei seinen Eltern gut aufgehoben und betreut.
Später erfuhren wir, dass sehr viele Ärzte und Pflegende des CHUV über
diesen Fall auf der Intensivstation informiert waren. Der Chefchirurg hatte
über die Weihnachtstage Pikettdienst und hätte seinen Angehörigen über
Neujahr in die Ferien nachfolgen sollen. Wegen unserer Tochter blieb er
jedoch die ganze Zeit im Spital. Desgleichen war der verantwortliche An-
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ästhesist rund um die Uhr anwesend. Die aufopfernde Hingabe dieser Ärzte
und Pflegenden werden wir nie vergessen! Wir erfuhren, dass das Ärzteteam
zur Erkenntnis gelangt war, dass sie auch die Gebärmutter entfernen mussten. Doch der Zustand der Patientin verschlechterte sich so schnell, dass
man nur eine Auskratzung durchführen konnte.
Am selben Abend wollte der Kirchgemeindepfarrer noch sein Gemeindeglied besuchen. Doch er wurde mit der schonungslosen Tatsache konfrontiert, dass die Patientin im Sterben liege und sich bereits der interne Spitalpfarrer bei ihr befände. Mit den Worten: «In der gegenwärtigen Phase ist ein
Besuch ihrerseits leider nicht möglich», wurde er verabschiedet.
Zu guter Letzt traf an diesem 28. Dezember um 22 Uhr die Schwiegermutter zusammen mit einem Onkel von Annelise bei der Anmeldung auf der
Intensivstation ein. Die Stationsschwester durfte ihr jedoch kein Besuchsrecht einräumen, sondern erkundigte sich mit folgenden schockierenden
Worten nach dem Ehemann der Patientin: «Wenn er seine Frau noch lebend antreffen will, muss er sofort kommen. Benachrichtigen sie ihn umgehend. Im Moment können sie selber die Patientin sowieso nicht sehen.»
Diese glasharte Eröffnung traf die Besucher völlig unvorbereitet. Serge hatte durch den erfahrenen Schock seine Angehörigen nicht wirklich über die
ganze Tragik der komplexen Situation informieren können. So erwiderte
seine Mutter: «Was ist denn hier los? Sie können doch meine Schwiegertochter nicht einfach sterben lassen. Wissen sie nicht, dass zu Hause vier
Kinder sie mehr als nötig haben?»
«Doch das wissen wir sehr wohl! Wir haben unser Möglichstes getan. Holen
sie jetzt den Mann der Patientin.»
Bei uns im Pfarrhaus läutete zirka um 23 Uhr das Telefon. Da wir einen Apparat im Schlafzimmer haben, konnte ich den Anruf sofort entgegen nehmen. Mit schluchzender Stimme meldet sich die Schwiegermutter unser
Tochter: «Ruedi, wir befinden uns im CHUV. Es ist unglaublich, die lassen
uns nicht zu Annelise. Sie sagen sie können nichts mehr für sie tun. Sie
liege im Sterben, und ihr Mann müsse sofort kommen. Kannst Du Serge
bitte sofort holen?»
Das war es also: Weder unsere Tochter noch die Ärzte haben es geschafft.
Sollte das wirklich das Ende sein? Abschiednehmen war doch gleich zu set-
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zen mit Ende. Vor allem wollten die Ärzte die Erlaubnis erlangen, die HerzLungenmaschine abzustellen und das bedeutete unwiederbringlich den Tod.
Ich konnte einfach nicht glauben, dass dies der Schlusspunkt sein sollte. Ich
wollte vielmehr ein Komma setzen und dann weiter beten: «Herr, du Allmächtiger erbarme dich unser, greif ein, rette unsere Annelise!»
Erstaunlicherweise brachte mich diese «Hiobsbotschaft» nicht total aus der
Fassung, aber innerlich drohte meine Seele in Flammen aufzugehen. Trotzdem gelang es mir merklich gefasst zu sagen: «Nein, ich werde Serge nicht
holen!» – «Doch, du musst! Oder glaubst du etwa nicht was die hier sagen?»
Das glaubte ich eigentlich schon, nur wollte ich nicht akzeptieren, dass es
aus sein sollte und Anneliese endgültig verloren war! Deshalb gab ich zur
Antwort: «Ich werde auf der Intensivstation anrufen. Bist du in einer Telefonkabine, dann gib mir bitte die Nummer. Ich rufe dich nachher wieder an.» Ich
musste mich innerlich fassen, um nicht zu zerbrechen. Natürlich war meine
liebe Frau ebenfalls aufgewacht. Sofort hatte sie realisiert, dass dieser Anruf
sehr schlechte Nachrichten beinhaltete. Wir nahmen uns in die Arme. Einen
Moment lang wurden unsere Körper vom Schluchzen nur so geschüttelt. Sie
hatten es also nicht geschafft, Annelies zu retten... Doch unser Entschluss
stand fest: Wir würden nicht aufgeben und klammerten uns an unseren göttlichen Retter, welcher zur Rechten der Majestät Gottes thront und für uns
eintritt! Ich konnte und wollte einfach nicht glauben, dass dies der Schlusspunkt sein sollte. Ich wollte vielmehr glauben und weiter beten: «Herr, du
Allmächtiger erbarme dich unser, greif ein, rette unsere Annelise»!
Es klappte auf Anhieb, mit der direkten Telefonnummer und ich konnte den
Anästhesisten sogleich erreichen. Das Telefongespräch verlief wie folgt: «Hier
spricht der Vater von Annelise. Ich habe soeben einen Anruf von Frau Delessert erhalten. Steht es wirklich so schlimm um unsere Tochter?» – «Leider ja,
wir haben alles nur Denkbare unternommen; bedauerlicherweise ohne den
erhofften Erfolg. Unsere Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Es tut mir sehr
leid, das sagen zu müssen.» – «Man hat der Schwiegermutter meiner Tochter
gesagt, wenn der Mann der Patientin seine Frau noch lebend sehen wolle,
müsse er sofort kommen. Sie will, dass ich ihn hole. Das werde ich aber nicht
tun. Vielmehr werden wir, und viele mit uns weiter beten.» – «Machen sie
das, und beten sie auch für uns», antwortete der Arzt. «Ja, das werden wir
gerne tun.» Ich war nicht bereit, meinen Schwiegersohn zu holen, nur um
endgültig von Annelise Abschied zu nehmen. Das durfte doch einfach nicht
Wirklichkeit werden!
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Sogleich nahm ich wieder Kontakt mit der Schwiegermutter unserer Tochter auf, welche in einer Telefonkabine des Spitals gewartet hatte: «Hier bin
ich wieder, ich habe mit dem Arzt gesprochen. Er hat mir die unheilvolle
Situation bestätigt.» – «Siehst du, holst du jetzt Serge?» – «Nein, werde ich
nicht, und das habe ich ebenfalls dem Arzt gesagt. Wir sind nicht bereit dem
Tod diese Ehre zu erweisen. Vielmehr beten wir weiter. Ich komme dann
Morgen zu euch, um alles zu besprechen» Mit diesen Worten beende ich
das Telefongespräch.
Ohne Annelise gesehen zu haben, mussten die späten Besucher nach Hause
zurückkehren.
Noch heute erstaunt mich mein damaliges, spontanes Verhalten. Ich wurde
ganz eindeutig so geführt. Trotz des scheinbar ausweglosen Sachverhalts
erfüllten mich eine erstaunliche Ruhe und ein tiefer Friede. Ich hatte einfach die Überzeugung: Annelise wird nicht sterben. Jesus hat uns zugesagt:
«Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.»
(Lukas 18,27)
Mir war sofort bewusst: Wenn ich Serge, den Mann unserer Tochter hole,
ist der letzte Hoffnungsanker weg. Dann ist kein Lichtblick mehr, nur noch
Dunkelheit… In dieser Situation war Glaube der zweiten Reichweite gefragt. Der Glaube der ersten Dimension betet um vorbeugende Massnahmen: Um Schutz, Bewahrung, Heilung usw. Aber es gibt noch eine zweite
Dimension: Der Glaube, dass Gott Dinge rückgängig machen, Wunder wirken kann. Der Glaube, dass Gott Unmögliches möglich macht, Unwiderrufliches widerrufen kann. Die Überzeugung, dass es mit Annelise nicht aus
und vorbei ist, war für mich wie ein himmlisches Geschenk. Gott ist viel
grösser als unsere grössten Probleme!
Sofort telefonierte ich unseren Kindern und einigen Freunden. Kurz informierte ich sie über die dramatische Sachlage. Ich rief alle auf, mehr denn je
zuversichtlich – im Namen Jesu – für Anneliese zu beten. Ein befreundetes
Ehepaar hat in der Folge die ganze Nacht durchgebetet. Um 4 Uhr morgens
sagte die Frau zu ihrem Mann: «Jetzt ist Annelise gerettet!» Und so war es
tatsächlich auch. Solche Glaubensgeschwister zu haben ist von unschätzbarem Wert und mit Gold nicht aufzuwiegen!
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In einer solchen Situationen kommt die biblische Definition des Glaubens,
wie sie im Hebräerbrief steht voll zum tragen: «Der Glaube ist eine gewisse
Zuversicht des, das man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht
sieht», (Kap.11,1).
Später hatten wir von einem uns bekannten Arzt erfahren, dass das Ärzteteam an diesem verhängnisvollen Abend des 28. Dezembers die Patientin als
unrettbar verloren erachtet hatte und die Lungen- Herzmaschine abstellen
wollte. Das war mit ein Grund, weshalb Serge unbedingt herkommen sollte;
denn ohne seine Einwilligung durfte dies nicht geschehen.
Am frühen Morgen des darauffolgenden Tages begaben wir Eltern uns ins
CHUV. Der Körper von Anneliese war noch mehr aufgebläht. Das war die Folge der Überdosen Medikamente, welche man ihr verabreicht hatte. Mit zärtlichen Worten begrüssten wir sie. Dann übernahm mich ein Weinkrampf und
ich musste den Raum verlassen, um mich wieder zu fassen. Das Ärzte- und
Pflegeteam war sichtlich überrascht, dass die Patientin die Nacht überlebt
hatte. Sie machten jedoch kein Hehl daraus, dass der Zustand der Patientin
nach wie vor mehr als besorgniserregend war. Für uns war ganz einfach wesentlich, dass Annelies noch lebte, gleichsam «auferstanden». Darüber gaben wir Gott die Ehre und dankten ihm von ganzem Herzen. Anschliessend
kam Serge zu seiner Frau. Es war offensichtlich, dass er immer noch unter
Schockeinwirkung stand. Fassungslosigkeit und Entsetzen hatten sich seiner bemächtigt. Noch vor Wochenfrist waren sie eine überglückliche, reich
gesegnete Familie gewesen und jetzt dieser Schicksalsschlag. Warum? War
Gott plötzlich unerkennbar, weit weg … oder doch vielmehr ganz nahe?
Zu Hause angekommen, begab ich mich zu den Schwiegereltern von Anneliese. Ich erklärte ihnen, wie bereits oben geschildert, warum ich Serge
nicht geholt habe: «Hätte ich das getan, wäre Annelies jetzt nicht mehr am
Leben», sagte ich unvermittelt. «Es hätte bedeutet, dass wir sie aufgegeben
haben und gekommen sind, um endgültig von ihr Abschied zu nehmen. Das
Ärzteteam war zur Erkenntnis gelangt, dass die Patientin unrettbar verloren ist. Deshalb wollten sie die Einwilligung haben, die Herz- Lungenmaschine abstellen zu können.» Natürlich waren auch sie überglücklich, dass
ihre Schwiegertochter noch am Leben war.
Bis auf weiteres durften nur die nächsten Angehörigen Annelise besuchen.
Langsam stabilisierte sich ihr Zustand etwas. Als am 30. Dezember wieder
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unsere Susanne bei ihr war, nahm sie eine Ärztin beiseite und erklärte ihr:
«Leider gibt es neue Schwierigkeiten: Die Extremitäten der Patientin nekrotisieren sich zusehends. Das heisst, ihre Finger und Zehen sterben ab.
Dadurch entsteht eine erneute Infektionsgefahr. Dieses Risiko können wir
nicht eingehen und müssen deshalb eine Amputation ins Auge fassen».
Umgehend wurden wir durch unsere Tochter über diese erneute, fatale Entwicklung benachrichtigt. Unverzüglich informierten wir alle Mitbeter über
diese prekäre Situation. Ein Schwager, welcher Jurist war, rief mich an und
sagte: «Wisst ihr, dass eine solche Amputation nur mit dem Einverständnis der Angehörigen vorgenommen werden darf?» Wir waren dankbar für
diese Information und begaben uns sofort ins Spital. Hier wurde uns der
Sachverhalt noch einmal dargelegt. Dann konnten wir die Hände und Füsse unserer Tochter ansehen. Tatsächlich waren die Finger und Zehen ganz
blauschwarz und aufgeschwollen. Die Ärztin erläuterte uns die Situation:
«Im Moment haben wir die Infektionsgefahr unter Kontrolle. Aber diese
neurotisierten Glieder sind tatsächlich bedrohlich. Eine neuerliche Infektion würde die Patientin nicht verkraften. Sie erhält schon das Maximum an
Antibiotika und Medikamenten. Eine Auswirkung davon ist der Umstand,
dass die Extremitäten zu wenig durchblutet werden.»
Wir bekamen Zeit zum Nachdenken und beurteilten diese Situation. Ich
sagte zu meiner Frau: «Anneliese hat überlebt. Soll sie nun ohne Finger
und Zehen weiter leben müssen? Wenn es nicht anders geht, ist es jedenfalls
besser, dass sie ihrer Familie so erhalten bleibt als gar nicht.» Darauf erwiderte meine Frau: «Aber stell dir das vor, ohne Finger und ohne Zehen! Sie,
die so aktiv ist, mit verstümmelten Händen und ohne Zehen an den Füssen
kann sie auch nie mehr richtig laufen.»
Dann fragten wir die Ärztin: «Ist es nicht möglich, noch zuzuwarten?» –
«Also gut, bis morgen früh, wenn sich der Zustand nicht verschlechtert,
dann sehen wir weiter.»
Wir waren vorerst erleichtert. In der Gewissheit, dass viele Beter auch dieses zusätzliche Anliegen flehend vor Gott bringen würden, gingen wir nach
Hause. Sodann orientierten wir das weit gefächerte Gebetsnetz über die
neue Situation unserer lieben Tochter. Das geschah, indem die Hauptverantwortlichen Mitbeteiligte orientierten und diese wiederum weitere Mitbetende.
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Am kommenden Morgen begaben wir uns wieder ins CHUV. Als wir unser
Auto im Parkhaus des Spitals abstellten, kamen wir durch die hintere Halle ins Innere des Spitalkomplexes. Hier stand in altfranzösisch der Denkspruch an der Wand: «J’ai penser, mais Dieu garrit!» (Ich habe verbunden,
aber Gott heilt) Dieser bedenkenswerte Text tröstete uns jedes Mal, wenn
wir hier eintraten.
Der nekrotische Zustand der Finger und Zehen war stabil geblieben, und so
sah man vorläufig von einer Amputation ab. Gott sei Dank! Immer wieder
sprachen wir Annelies Mut zu, beteten mit ihr und versuchten durch Streicheleinheiten unsere Anwesenheit anzuzeigen. Da sie ihrerseits nicht die
geringste Reaktion zeigte, war dies gar nicht so einfach.
Das Ärzteteam und das Pflegepersonal waren unglaublich zuvorkommend
und in jeder Hinsicht mitfühlend! Das linderte ein wenig unseren Schmerz.
Am meisten halfen uns jedoch der Glaube und das Gottvertrauen. Bibeltexte
wie: Psalm 23 oder Römer 8 und andere mehr stärken uns. – Wie kommen
eigentlich Menschen in ähnlichen Situationen über die Runden, welche
keine Beziehung zum Himmel haben? Ich war überzeugt, dass nach Psalm
91 nebst uns auch Engel bei Annelise anwesend waren. Dieser Sachverhalt
wird im Neuen Testament bestätigt: «Engel sind Wesen, die Gott dienen,
und er sendet sie aus, damit sie allen helfen, denen er Rettung schenken
will.» (Hebräer 1,14)
Der Zustand der Patientin blieb weiterhin stabil. Inzwischen war es bereits
Sylvester geworden. Wie jedes Jahr begaben wir uns an diesem Tag in mein
ehemaliges Elternhaus, wo wir jeweils – zusammen mit den Angehörigen
meines Bruders – den Jahreswechsel feierlich begingen. Diesmal benützten wir diese Gelegenheit auch, um gemeinsam für unsere Annelise zu
beten. Eine kleine Kontroverse entstand dadurch, dass ich Gott nicht nur
für das Überleben unserer Tochter dankte, sondern auch die Überzeugung
ausdrückte, dass Jesus sie völlig heilen würde. Nach jener schicksalhaften
Nacht war ich in diesem unerschütterlichen Glauben bestärkt worden.
An diesem ganz speziellen Sylvester begab ich mich um elf Uhr nachts zusammen mit meiner Frau ins CHUV. Als es gegen Mitternacht zuging, sagte
das Pflegepersonal: «Wir lassen sie jetzt mit ihrer Tochter allein. Wenn nötig können sie uns jederzeit herbeirufen». Diese Zuvorkommenheit schätzten wir sehr und nutzten diese Zeit zum Singen, Beten und Bibellesen.
Gottes Wort vermittelt uns so viel Zuspruch und Trost. Zum Beispiel die
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Verheissungsworte aus Jesaja 43: «So spricht der Herr: Hab keine Angst,
denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du
gehörst zu mir. Wenn du durch tiefes Wasser oder reissende Ströme gehen
musst, so bin ich bei dir: Du wirst nicht ertrinken. Und wenn du ins Feuer
gerätst, bleibst du unversehrt. Keine Flamme wird dich verbrennen. Denn
ich, der Herr, bin dein Gott. Ich bin dein Retter. Habt keine Angst, denn ich
der Herr, bin bei euch! Bleibt nicht bei der Vergangenheit stehen. Schaut
nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr
es noch nicht gemerkt?» Eine knappe Stunde lang war das Krankenzimmer
zum Andachtsraum geworden. Wir lobpriesen Gott und dankten ihm, dass
Anneliese dank seiner gnadenreichen Fürsorge lebte!
Das war keineswegs unser Verdienst, sondern vollumfänglich Gottes Gnadengeschenk. Ich möchte hier ausdrücklich festhalten, dass Gott nicht heilen muss und man ihn dazu auch nicht zwingen kann.
Zu Beginn des neuen Jahres beschlossen die Ärzte, Anneliese nicht länger
im künstlichen Koma zu belassen. Doch nach dem Absetzen der diesbezüglichen Medikamente, wollte die Patientin nicht aufwachen. Erst durch
das Verabreichen besonderer Arzneimittel wurde sie langsam wach. Wie sie
das erste Mal die Augen öffnete, war gerade ihr Mann bei ihr. Unverzüglich
benachrichtigte er uns über dieses freudige Ereignis. Schnell begaben wir
uns ins CHUV. Dieses Erlebnis, unsere liebe Annelise nach zwei Wochen
wieder im Dasein zu erleben, werden wir nie vergessen. Freilich war sie
noch immer fast zur Unkenntlichkeit entstellt. Schon kurz nach der herzlichen Begrüssung richtete sie folgende Frage an mich: «Papa, was hat ein
Schäfchen für eine Bedeutung?» Nach meiner Rückfrage, warum sie mir
diese Frage stellte erklärt sie: «Während dieser ganzen Zeit lag immer ein
weisses Schäfchen bei mir. Oft kamen Schlangen, – nein es waren Drachen.
Sie sperrten ihr Maul weit auf, und aus ihrem Rachen kam furchterregendes Gebrüll. Aber sie konnten sich mir nicht nähern, weil das Schäfchen da
war und mich beschützte.»
«Das ist ganz offensichtlich», antwortete ich, «das Schäfchen ist das Sinnbild für Jesus. Er hat als Lamm Gottes am Kreuz auf Golgatha, für uns sein
wunderbares Erlösungswerk vollbracht. Die Anwesenheit dieses Schäfchens
hat dich vor den Angriffen dieser Bestien beschützt und bewahrt.»
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Obschon der Körper von Anneliese noch immer aufgebläht war und ihr
Kopf dem Vollmond glich, strahlte ihr Angesicht Frieden aus. Dann sagte
sie: «Ich habe noch andere Sachen erlebt, das erzähle ich euch später. Und
ich werde dann auch in der Kirche darüber berichten.» Nach dieser Erklärung versank sie wieder, für einen Moment, in die Bewusstlosigkeit.
Wir aber waren von einer riesigen Freude und tiefen Dankbarkeit erfüllt.
Ich dachte an die Worte im Foyer das CHUV: «Ich habe verbunden, aber
Gott hat geheilt!» Vor allem hatte Jesus Anneliese unter seinen Schirm und
Schutz genommen. Ihm sei Lob, Ehre und Dank für seine Gnade und Treue!
Für uns war es ganz eindeutig ein gnadenreiches Wunder Gottes, dass unsere Tochter noch am Leben war.
Freilich gab es noch weitere Schwierigkeiten und Probleme. Die Folgen
der Unmengen verabreichter Medikamente wurden augenfällig. Sie verlor
alle Zehennägel und Teile der Zehen. Dass sich die Finger erstaunlich gut
erholten, machte uns dankbar. Am Hinterkopf musste sie im wahrsten Sinne des Wortes Haare lassen, sie verlor ein Stück der Kopfhaut mitsamt den
Haaren. Etwas später bahnte sich ein grösseres Problem an: ihr Augenlicht
war nicht mehr in Ordnung. Ein zugezogener Spezialist der Augenklinik
war alarmiert und sie bekam teure Medikamente verschrieben.
Nachdem wir die erfreulichen Nachrichten voller Dankbarkeit dem grossen
Beterkreis mitgeteilt hatten, war dies ein neuerlicher Anlass, um Fürbitte
nachzufragen. Und unser himmlischer Vater hat im Namen Jesu auch in
dieser Sache gnädig eingegriffen. – Denn, als sie später bereits wieder zu
Hause war, wurde bei einer Nachuntersuchung festgestellt, dass die Augen
wieder vollkommen in Ordnung waren, und sie konnte die Medikamente
zurück in die Apotheke bringen.
Bei einem weiteren Besuch im Spital sprach ich Annelies darauf an, dass sie
mir zugesagt hat, über weitere Sachen, welche sie im komatösen Zustand
erlebt hatte, zu berichten. «Ah ja, als ich im Koma lag, haben die Schwestern plötzlich diese schwarze Decke über mich gelegt. Es war genau diese
Decke, die jeweils in der Kirche über den Sarg gebreitet wird. Aber ich war
nicht tot! Ich war wirklich nicht tot! Ich lebte noch und trotzdem haben sie
mich mit dieser Decke zugedeckt.»
Einerseits machte mich diese Enthüllung betroffen, andererseits faszinierte
sie mich! Da war sie nun: Die Bestätigung dessen, was sich an jenem schick-
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salhaften Abend abgespielte hatte, als das Ärzteteam die Patientin aufgegeben hatten! Dabei ist es überaus interessant, dass Anneliese diese Tatsache
voll registriert hatte: Man hatte sie mit dem schwarzen Sargtuch bedeckt.
Im Klartext: Das Pflegepersonal hatte sich am Bett der Patientin darüber
besprochen, dass sie nichts mehr tun konnten… Für mich steht es eindeutig fest: Hätte ich an jenem verhängnisvollen Abend unseren Schwiegersohn geholt, um Abschied zu nehmen, wäre Anneliese definitiv zugedeckt
worden und läge heute begraben auf dem Friedhof.
Wir können nur mit David dankbar bekennen: «Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln... Er führt mich auf rechter Strasse um seines Namens willen. Und geht es auch durch dunkle Täler, fürchte ich mich nicht,
denn du, Herr, bist bei mir.» (Psalm 23, 1+3-4)
Wir waren dazu aufgefordert worden, bei unseren Besuchen die Patientin
zu ermutigen und sie mit unserem Sprechen aufbauend zu unterstützen.
Scheinbar haben die Ärzte, nachdem sie die Kranke aufgegeben hatten, dieses Prinzip ihrerseits missachtet. Auf jeden Fall wird hier offenbar, wie viele
Schwerkranke auch im Unterbewusstsein Dinge wahrnehmen, sogar wenn
sie in tiefer Bewusstlosigkeit, im Koma, liegen!
Ganz langsam erholte sich Anneliese. Und dann war es endlich soweit, dass
sie nach zehn Tagen von der Intensivstation auf die Überwachungsstation
verlegt werden konnte. Nun durften die Kinder endlich ihre Mutter besuchen. Nur mit knapper Not vermochte diese ihre Freuden- und Glückstränen zu unterdrücken. War das ein denkwürdiges Wiedersehen! «Kommst
du jetzt bald nach Hause? Hast du immer noch Schmerzen?» und noch
vieles mehr wollten die Kinder wissen.
Nach einem Monat, am 27. Januar, war es endlich so weit, dass unsere Tochter das Spital verlassen konnte. Das Ärzteteam empfahl ihr eindringlich,
umgehend psychologische Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Das
war jedoch nicht nötig. Anneliese hatte während dieser schweren Krankheit in geistlicher Hinsicht so Wunderbares erlebt, dass sie aus dieser sehr
schwierigen Zeit im Glauben gestärkt hervorging. So kam sie, Dank der
Gnade Gottes, mit der jetzigen Situation gut zurecht.
Allerdings stellte sich bald einmal heraus, dass sie beim Gehen Probleme
hatte. So musste sie deshalb während längerer Zeit therapeutisch betreut
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werden und eine Physiotherapie in Anspruch nehmen. Leider zeitigte dies
keine merklichen Fortschritte. Dann stellten Spezialisten fest, dass in beiden Fersenbeinen fast die Hälfte des Knochens nekrotisiert, das heisst abgestorben war.
Als Folge davon litt sie unter anhaltenden Schmerzen. Aber sie war eine
Kämpferin und liess sich nicht leicht unterkriegen. Es wurde auch der Verdacht geäussert, dass sie damit rechnen müsse, eines Tages ihr Leben im
Rollstuhl zu verbringen. Stattdessen fuhr sie sogar bald wieder Fahrrad und
sogar Ski. Das ist ein weiteres Wunder der Gnade und Fürsorge Gottes! Ihm
sei Lob, Ehre und Dank für diesen unaussprechlichen Gnadenerweis!
Die Schmerzen werden sie wahrscheinlich ihr Leben lang begleiten. Sie
sind gleichzeitig ein steter Appell, niemals zu vergessen, wie viel Gutes und
herzliches Erbarmen der Allmächtige ihr im Namen Jesu erwiesen hat. So
bedarf sie weiterhin des Schutzes und der steten Anwesenheit des Lammes
Gottes!
Übrigens hat Annelise ihr Versprechen eingelöst, indem sie in unserer
Kirchgemeinde ein ergreifendes Zeugnis gegeben hat. Viele Gemeindeglieder waren einerseits tief bewegt und andererseits hocherfreut und dankbar,
dass ihre Gebete an diesem wunderbaren Geschehen mit beteiligt waren.
Der bekannte Liederdichter und Sänger Adrien Snell, mit dem Annelise befreundet ist, machte mit ihr ein Interview über ihre Krankheit und ihre
übernatürliche Heilung. Diese Reportage wurde dann im holländischen
Fernsehen ausgestrahlt.
In der Folge war es interessant mitzuerleben, wie eindrücklich unsere
Annelise zusammen mit ihrem Mann ihr Ehe- und Familienleben fortan
gestalteten. Bis in den Alltag hinein hat ihr Dasein eine ganz neue, ausgeprägte und vertiefte Dimension erfahren. Froh, schlicht und dankbar bezeugt sie und lebt in Wort und Handlung das Wunder ihrer übernatürlichen
Heilung. Und ihr Leben sieht entsprechend aus.
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Unsere letzten Jahre in
der Kirchgemeinde
Viel Freude und Beglückung erlebten wir mit unseren 11 Grosskindern. Mit
dieser strahlenden Kinderschar waren wir wirklich reich gesegnete Grosseltern.
Unsere 11 Grosskinder, welch ein Gottessegen!
Wie gut war es doch, dass wir im Broyetal geblieben waren. Wir wurden
während der schwierigen Zeit mit Annelise massiv unterstützt und begleitet. Besonders wertvoll war für uns der Gebetskreis. Wir erlebten wahre
Gemeinschaft, mitfühlende Liebe, wurden getröstet und erfuhren herzliche
Verbundenheit. (siehe Philipper 2,1-5)
Nachdem unsere Jugendmitarbeiterin Beatrice Käufeler nach drei Jahren
ihren Wunsch in die Mission zu gehen, verwirklichte, fanden wir sogleich
einen Ersatz. Kathrin Hiltbrunner, welche aus der Mission in Übersee zurück in die Schweiz kam, wurde unsere neue Jugendmitarbeiterin. Im Gegensatz zu ihrer eher stillen Vorgängerin war sie eine überaus dynamische,
temperamentvolle Person.
Etwas später begann sie dann an der Bibelschule «Emmaus» ihre theologische Ausbildung. An dieser Ausbildungsstätte kann man ein Studienjahr
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aufsplitten und zu je fünfzig Prozent in zwei Jahren absolvieren. Diese Lösung war für sie und uns optimal.
In Zusammenarbeit mit der Ostmission organisierte sie ein jährliches Arbeitseinsatzlager für Jugendliche in Portugal. Das Interesse war erstaunlich
gross. Meistens nahmen vierzig oder sogar mehr junge Leute daran teil.
Lorianne, die zweitjüngste Tochter von Suzanne und Bernard, verspürte
den Ruf Gottes, sich für den Missionsdienst vorzubereiten. Zuerst nahm
sie sich vor Ärztin zu werden. Die Ausbildung schien ihr jedoch zu lang. So
ging sie nach dem Maturitätsabschluss nach Mexiko City und erlernte bei
einer Pfarrerfamilie die spanische Sprache. In dieser grossen Gemeinde ist
sie geistlich reifer geworden und hat mit Gott viel erlebt. Dann entschied
sie sich für die Krankenschwesterlehre und schloss im Herbst 2013 in Genf
die Ausbildung als Hebamme ab.
Wir waren wirklich froh und dankbar, dass wir in Moudon geblieben sind.
Einmal mehr erfuhren wir durch die Gemeinde viel Rückhalt und Unterstützung und noch einige segensreiche Jahre! Im wahrsten Sinne des Wortes durfte ich erleben, dass die ausgesäte Saat viel Frucht hervorbrachte.
Säuglinge die ich getauft oder eingesegnet habe sowie Konfirmanden sind
herangewachsen und heute wertvolle Pfeiler und Mitarbeiter, nicht nur in
unserer Kirchgemeinde, sondern auch in anderen, zum Teil französischsprachigen Gemeinden. Sogenannte Welschlandgänger, welche bei im
Glauben gewachsen sind oder sich bekehrt haben, leben heute verstreut in
der ganzen Schweiz.
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Eine Herzoperation wird
unumgänglich
Dann, 1997, während eines Ferienaufenthaltes am Meer, erlebte ich eine
ganz spezielle Bewahrung. Beim Schwimmen hatte ich einen Schwächeanfall. Ich konnte gerade noch um Hilfe schreien. Ein Rettungsschwimmer
kam mir noch rechtzeitig zu Hilfe.
Wieder zu Hause, stellte der Arzt ein Herzproblem fest und schickte mich
zu einer Spezialuntersuchung ins CHUV. Man stellte fest, dass meine
Aortaherzklappe schadhaft war. Ich sollte so schnell wie möglich operiert
werden. Und so befand ich mich meinerseits ganz unerwartet im Kantonsspital. Die lädierte Herzklappe musste durch eine künstliche aus Karbon
ersetzt werden. Um dies zu bewerkstelligen wurde das Brustbein entzwei
gesägt, damit die Auswechslung vorgenommen werden konnte. Die Operation verlief zufriedenstellend, doch hatte ich danach furchtbare Schmerzen. Erst in der zweiten Nacht erkundigte sich die Nachtschwester: «Hat
Ihnen niemand gesagt, dass Sie Anspruch haben auf zusätzliche Morphiumabgabe?» Das hatte man leider nicht! Als ich dann diese erhielt, ging es
bedeutend besser.
Durch diesen Spitalaufenthalt war ich nun plötzlich selbst der Patient und
erhielt Besuche. Bislang war ich immer derjenige gewesen, welcher Besuche machte. Diese Lektion erweiterte meinen Horizont. Immer wenn an
der Krankenzimmertür Klopfzeichen ertönten, schaute ich erwartungsvoll
hin. Wenn dann keine mir bekannte Person auftauchte, war ich enttäuscht.
Das CHUV hat eigene Spitalseelsorger angestellt. So kam auch ein mir bekannter Pfarrerkollege und besuchte mich. Es war derselbe, welcher vor
Jahren bei Annelise weilte, als die Ärzte nichts mehr für sie tun konnten.
Sofort kam der Kollege «zur Sache»: «Wie geht es Dir? Ihr habt ja wirklich
viel durchgemacht! Zuerst Deine Tochter, dann Dein Schwiegersohn und
nun Du persönlich. Wie kommst Du damit zurecht? Wie verkraftest Du das
alles? Wenn Du Dich darüber mit mir austauschen möchtest, lass es mich
wissen. Dann vereinbaren wir einen Termin.» Ich war doch etwas überrumpelt und antwortete: «Danke vielmals für Dein Feingefühl. Eigentlich
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geht es mir erstaunlich gut:» Beim Abschiednehmen hakte mein Besucher
nochmals nach: «Auf jeden Fall nehme ich mir gerne Zeit für ein Gespräch
mit Dir.»
Nun war ich tatsächlich herausgefordert. Ich wurde nachdenklich, hörte in
mich hinein und musste letztlich eingestehen, dass mein Innerstes, meine
Seele, emotional angeschlagen war. Bislang hatte ich ganz einfach negative
Gefühle nicht zugelassen. Beim «in-mich-gehen» musste ich eingestehen,
dass bei mir durchaus negative Empfindungen und eine in Mitleidenschaft
geratene Sensibilität vorhanden waren. Doch hatte ich diese verdrängt. Der
Spitalseelsorger hat mich genau da «abgeholt» wo ich festgefahren war.
Nicht umsonst hat der sprichwörtlich weise König Salomo gesagt: «Wie
goldene Äpfel auf einer silbernen Schale, so ist ein rechtes Wort zur rechten
Zeit. Auf die Ermahnung eines weisen Menschen zu hören, ist so wertvoll
wie der schönste Schmuck aus Gold.» (Sprüche 25,11f)
Dieser Sachverhalt führte dazu, dass ich dankbar auf das Angebot des Spitalseelsorgers einging. Daraufhin hatten wir zusammen ein wertvolles Gespräch, welches für mich befreiend und heilend wirkte. Das war wirkungsvolle Seelsorge!
Am Sonntag kam mich unser Sohn, zusammen mit seiner Gattin und ihrer dreijährigen Caroline, besuchen. Nach meinem Versuch, anschaulich
zu schildern, was die Ärzte bei mir gemacht hatten, wurde meine Enkelin
ganz nachdenklich und fragte unmittelbar: «Grandpapa, als der Doktor dein
Herz aufmachte; hat er da auch Jesus darin gefunden?» Die Plötzlichkeit
dieser kindlichen Frage hat mich doch etwas überrascht! Dann versuchte
ich zu erklären, dass Jesus zwar schon in meinem Herzen ist: dass man ihn
aber nicht sehen kann. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Antwort meine
Enkelin zufriedengestellt hat.
Bestimmt meinte Jesus gerade auch dieses kindliche Erfassen wesentlicher
Dinge, als er seine Jünger mit den Worten zurechtwies: «Wenn ihr nicht
umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich
hineinkommen. Wer sich selbst so klein macht wie ein Kind, der wird im
Himmelreich der Grösste sein.» (Matth.18,4) Der kindliche Glaube hat keine Hemmungen. Es liegt im kindlichen Naturell, ungetrübte Herzensfröhlichkeit zu empfinden.
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Unwillkürlich musste ich da an den Coiffeur denken, welcher durch meine
Formulierung «Heiland» tief berührt worden war. So wie es für unsere Erde
nur eine Sonne gibt, so gibt es für uns Menschen nur einen Heiland und
Erlöser: Jesus Christus!
Meine persönliche Spitalerfahrung hatte zur Folge, dass meine Krankenbesuche mehr Tiefgang bekamen. So kann ein kurzes, persönliches Erleben
sogar mehr bewirken als ein Studium mit reiner Theorie!
Wir zwei sind wirklich gesegnet und glücklich
Die letzten Jahre vor meiner Pensionierung waren in jeder Hinsicht segensreich. Dankbar darüber, dass wir das Broyetal nicht verlassen hatten,
genossen wir diese friedliche Zeit in vollen Zügen.
Nun galt es, sich auf den sogenannten Ruhestand vorzubreiten. Der Kanton
Waadt organisierte in diesem Zusammenhang ein vorbereitendes Seminar,
welches ich zusammen mit meiner Frau mit grossem Gewinn besuchte.
Sodann begannen die Vorkehrungen für unsere Verabschiedung. Nach einundvierzig Jahren Reichgottesarbeit, davon vierunddreissig Jahre im Oberen Broyetal, hiess es nun, vom vollzeitlichen Dienst Abschied zu nehmen.
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Abschiedsgottesdienst 1999 in
der Kirche St. Etienne
Meine Abschiedspredigt in Moudon
Die lobpreisende Gemeinde
Abschiedsworte vom Gemeinderat
Mit der Bläsergruppe
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Jugendgruppe
In der Stadtkirche St. Etienne fand unter der Mitwirkung einer Musikgruppe, des Kirchenchores, der Jugendgruppe, einer ad hoc gebildeten Bläsergruppe, sowie mehrerer Redner ein feierlicher Abschiedsgottesdienst statt.
Sodann war jedermann zu einem Festmahl eingeladen, welches im grossen
Saal des Hotels «La Douane» stattfand. Hier gingen die Feierlichkeiten den
ganzen Nachmittag über weiter. Das unvergessliche Geschehen dieses Ehrentages wurde durch eine Videokamera festgehalten.
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Gott hat unseren «Alterssitz»
vorausgeplant
Bereits 1987 konnten wir durch Gottes wunderbare Führung in JouxtensMézery, einem Vorort von Lausanne, ein altes Haus kaufen. Gott hatte uns
diesen Besitz tatsächlich «reserviert»! Gottes Wege sind einfach wunderbar!
Einmal mehr durften wir seine Gnade und Treue erleben.
Die Besitzer mochten sich nicht länger mit ihrem Mieter abmühen, welcher
den Mietzins nicht mehr bezahlte. Sie hatten Kenntnis, dass wir an einem
Kauf ihres Besitztums interessiert waren. Sie kannten nur meinen Namen
und wussten, dass ich Pfarrer bin. Über Bekannte konnten sie unsere Adresse ausfindig machen und nahmen Kontakt mit uns auf. Wir waren hoch
erfreut und dankbar für diese Fügung! Dieses Wohnhaus liegt auf einer Anhöhe mit Ausblick auf den Genfersee, die Savoyeralpen und den Jura. Nach
Konsultation auf dem Grundbuchamt und der Gemeindekanzlei vollzogen
wir den Kauf und die notarielle Überschreibung, ohne das Haus je besichtigt
zu haben. Wir wollten damit vermeiden, dass der Verkauf der Liegenschaft
publik wurde und sich automatisch weitere Käufer für das Objekt interessieren könnten. Wir wussten, dass das Haus alt war und deshalb eine Totalrenovation anstehen würde. Von grösserer Tragweite war das Problem mit
dem Mieter, einem alleinstehenden, etwa dreissigjährigen Mann. Er weigerte sich, die Wohnung zu verlassen. Uns hat er nur die erste Monatsmiete
bezahlt. Nach einem Jahr wollten wir unbedingt mit der Renovation beginnen. Doch die zuständigen Instanzen machten uns wenig Hoffnung, trotz
der unhaltbaren Umstände, den Mieter loszuwerden. – «Versuchen Sie, sich
irgendwie mit ihm zu arrangieren», rieten sie uns. Diesem Rat folgend verfasste ich ein Schreiben und sprach bei diesem Mann vor: «Wir möchten das
Haus unbedingt renovieren. Deshalb schlage ich Ihnen folgendes vor: Wenn
sie dieses Dokument unterschreiben und die Wohnung auf den 1. Mai verlassen, verzichten wir auf den ausstehenden Zins von 13 Monaten.» – «Das
muss ich mir überlegen» antwortete er. – «Gut ich gebe Ihnen eine Stunde
Bedenkzeit. Um elf Uhr bin ich wieder da und Sie auch!» Und welch ein
Wunder: Der junge Mann hat dann tatsächlich unterschrieben! Doch Ende
April liess nichts erkennen, dass er den Auszug vorbereitete. Als ich ihn
darauf ansprach, erklärte er: «Ich habe mich bei meinem Anwalt erkundigt:
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Ich bleibe»! – «Das sollten Sie nicht tun, sonst wird eine Zwangsräumung
vorgenommen», gab ich zur Antwort. Am 1. Mai war er spurlos verschwunden und hinterliess eine Menge Unrat im Haus. Was soll’s; wir waren froh
und dankbar, dass er weg war! Speziell war der Umstand, dass uns drei Wochen später die Polizei kontaktierte und wissen wollte, wo dieser Mann nun
wohne. Selbstverständlich hatten wir keine Ahnung!
In der Folge konnten wir das Haus endlich aus- und umbauen. Einige Zeit
wohnte unser Annelies im Parterre. Dann residierte die Familie unseres
Sohnes darin. Nachdem sie Berufs wegen in die Ostschweiz gezogen waren,
logierte noch eine Missionarsfamilie darinnen, bis wir dann selber im Frühjahr 1999 einzogen.
Das war unser Zuhause von 1999- 2015 in Jouxtens
Leider litt meine liebe Frau immer mehr an den Folgen einer Fibromyalgie,
einer Muskelkrankheit. Wir beteten viel um Heilung, auch im Gebetskreis.
Doch die Schmerzen wurden immer schlimmer, zuletzt fast unerträglich –
trotz der Medikamente. Mitchristen gaben uns zu verstehen, dass es auch
Gottes Wille sein könnte, dass wir die Situation akzeptieren sollten, anstatt
weiter um Heilung zu beten. Wir hatten jedoch die Überzeugung, dass wir
auf Grund von Lukas 18,1-8 im Gebet ausharren und nicht müde werden
sollten. Oft betete ich: «Herr Jesus, nur dank dem Beispiel, welches du uns
im Evangelium (Lukas 18) vor Augen geführt hast, schöpfe ich immer wieder Mut und flehe um Heilung für Jeanne-Marie.» Dann liessen seit dem
Herbst 2012 die extremen Schmerzen langsam nach. Trotzdem fühlte sich
meine Frau oft unwohl und hatte Probleme mit ihrem Herzen. Dennoch
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möchte ich allen Kranken und Leidenden die Worte Jesu in Erinnerung
rufen: «Sollte Gott nicht auch retten seine Auserwählten, die zu ihm Tag
und Nacht rufen?» Daraufhin sagte unser Herr weiter: «Die Frage ist: Wird
der Menschensohn, wenn er wiederkommt auf der Erde überhaupt noch
Menschen finden, die diesen Glauben haben?» (Lukas 18,7–8). Wir jedenfalls möchten zu diesen Menschen gehören, die diesen Glauben haben, bewahren und verfechten!
Auch nach meiner Pensionierung im Frühjahr 1999 war ich weiterhin sehr
aktiv. Mich einfach zur Ruhe zu setzen, widerstrebte meinem Charakter.
Natürlich genoss ich es sehr, nicht mehr unter Zeitdruck zu stehen und
etwas mehr Musse zu haben. Das Motto galt nun: Was ich heute nicht erledigen kann, wartet bis morgen.
Ich habe gelesen, dass im Alter die meisten Menschen aufhören in der Gegenwart zu leben, um ausschliesslich aus der Erinnerung zu leben. Das
möchte ich jedoch nicht.
Wir hatten vor einigen Jahren in der Raiffeisenbank fünfzigtausend Franken Geld angelegt. Diese Summe hatte sich mehr als verdoppelt und wurde
nun ausbezahlt. Die Frage war: «Was sollen wir damit machen? Verschenken, damit das Reich Gottes gefördert wird?»
Ich sagte mir: «Du bist noch munter, kräftig und gesund, also kannst Du
Deine Gaben weiter einsetzen und noch etwas unternehmen.» Letztlich
verschenkten wir den dritten Teil und den Rest investierten wir in den Kauf
eines alten Chalets in Rossinière. In der Folge haben wir dieses Haus während fünf Jahren total restauriert. In dieser Zeit hatte ich also eine ausgiebige Beschäftigung. Hier konnte ich meine diesbezüglichen Kenntnisse und
Erfahrungen voll einsetzen.
Dann beschlossen wir dieses Haus zu verkaufen. Eine Immobilienfirma
unternahm alles Mögliche um den Verkauf zu tätigen. Obschon der Preis
mehrmals ermässigt wurde fand sich kein Käufer. Ganz offensichtlich hatte
Gott andere Pläne und wir beteten, dass uns diese offenbart würden. Tatsächlich kamen dann unser Schwiegersohn, der Mann unserer Tochter, Annelies, und erklärte, dass sie das Chalet gerne übernehmen würden. Diese
Lösung war wirklich ideal, denn so blieb das Haus im Familienbesitz.
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Ich werde auch immer wieder für Vertretungsdienste angefragt. Dankerfüllt halte ich im Durchschnitt einmal monatlich irgendwo im Kanton
Waadt einen Gottesdienst. Regelmässig in Montreux, Vevey, Aigle, Apples,
der Stadtmission Lausanne und meiner ehemaligen Gemeinde in Moudon,
ganz nach dem Motto von König David: «Vor der ganzen Gemeinde erzähle
ich voll Freude, dass auf deine Zusagen Verlass ist. Nichts kann mich abhalten, davon zu reden – das weißt du, Herr! Deine Gerechtigkeit verberge
ich nicht in meinem Herzen. Vor der ganzen Gemeinde rede ich von deiner
Treue und Hilfe; ich erzähle, wie ich deine Liebe und Zuverlässigkeit erfahren habe», Psalm 40,10f.
Im vergangen Frühjahr 2013 haben wir die Kirchgemeinde gewechselt.
In Jouxtens fühlten wir uns nie wirklich heimisch. Wir wollten jedoch an
unserem Wohnort mit den Gemeindegliedern zusammenhalten. Oft waren
wir kaum ein Dutzend Anwesende und der Gesang mühselig, ausgenommen wenn die Lieder bekannt waren. Als sich dann unser Pfarrerehepaar
für die Segnung von Homosexuellen entschied, gaben wir den Austritt und
schlossen uns der evangelisch geprägten Kirchgemeinde in Le Mont an. Wie
seinerzeit in Moudon beginnen hier die Gottesdienste mit Lobpreis- und
Anbetungsliedern. Jeden Sonntag können die Gottesdienstbesucher das
Fürbittegebet in Anspruch nehmen.
Mit Freude wirke ich bis heute auch noch aktiv in der Christlichen Ostmission mit. Jedoch hatte ich mich entschlossen nach vierzigjähriger Mitarbeit
auf den 1. Januar 2014 als Mitglied des Stiftungsrates zurückzutreten.
Im Herbst 2013 fand in Worb eine eindrückliche Jubiläumsfeier: «40 Jahre
Christliche Ostmission» statt. Als Einziger im Vorstand Verbliebener, der
bereits bei der Gründung dabei war, durfte ich die Festansprache halten.
Gott, der Vater aller Gnade hat dieses Werk all die Jahre reich gesegnet. Unzählige bedrängte Christen und um des Glaubens Willen Verfolgte erfuhren
in diesen 40 Jahren Solidarität der Gläubigen aus der Schweiz. Beispielsweise konnten auch in diesem Jahr wieder gegen 90 000 Weihnachtspakete
in Ost-Europa verteilt werden. 60 000 Familien wurden regelmässig mit Lebensmitteln versorgt. Zwei signifikante Beispiele für viele!
Wir konnten auch immer wieder als Ehepaar schöne Ferien verbringen,
jeweils im Frühjahr im Walliser Bade- und Kurort Ovronnaz. Eine ganz
besonders gesegnete Zeit erlebten wir im Herbst 2011 in Israel. Nach ei-
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ner eindrücklichen Bibelfreizeit am Toten Meer mit Barbara Schneider und
ihrem Team fuhren wir per Bus nach Eilat ans Rote Meer und verbrachten
hier noch wunderschöne Badeferien.
Seit meiner Pensionierung spiele ich jeweils vom September bis März zweimal wöchentlich Curling. Dieser Sport bereichert während des Winterhalbjahres meinen Alltag nachhaltig und bereitet mir grosse Genugtuung.
Im Moment kann ich in zwei Kirchen meine langjährigen Erfahrungen einbringen. Die eine sucht dringend grössere Gebäude, um ihre Gottesdienste
und Veranstaltungen abhalten zu können. Die andere Gemeinde benötigt
Räumlichkeiten für die Kinder- und Jugendarbeit. Die Jugendlichen möchten eine Kaffeebar betreiben, um so zu evangelisieren. Ich vertraue Gott,
dass er alles in seiner Hand hält und dass sich die richtigen Türen öffnen
werden.
So glücklich auch noch im Alter!
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Ich stürze noch einmal
von einem Baum
Hier wollte ich eigentlich meine Geschichte abschliessen. Doch die nachfolgenden Ereignisse sollen nicht unerwähnt bleiben. Sie runden meine
Lebensgeschichte in einzigartiger Weise ab.
Am Montag, den 2. September 2013, unmittelbar nach der Jubiläumsfeier
der Ostmission, erlitt ich einen schwerwiegenden Unfall. Es geschah beim
Apfelpflücken: Vergleichbar wie vor sechzig Jahren, wollte ich eine letzte
Frucht pflücken. Diese befand sich am Ast hinter mir. Ich ergriff den Apfel
und zugleich machte die Leiter einen kleinen Ruck in den Baum hinein, sodass ich rückwärts hinunterfiel. Nach dem Aufprall auf dem Boden war mir
sofort klar, dass etwas gebrochen sein musste. Diesmal hatten mich keine
Engel aufgefangen. Wie sich später herausstellen sollte, war jedoch bei Gott
alles eingeplant. Ich konnte mich kaum bewegen. Einen Moment blieb ich
ruhig liegen. So schrie ich um Hilfe. Nach einiger Zeit kam eine Frau auf
mich zu, etwas später auch meine Gattin. Per Natel wurde der Unfalldienst
benachrichtigt. Mit der Ambulanz transportierte man mich ins CHUV (Universitätsspital) nach Lausanne. Hier wurde ein doppelter Beckenbruch diagnostiziert.
Nun war die Situation eingetreten, auf die hin mich unsere Kinder bereits
vor zwei Jahren angesprochen hatten: « Papa, du solltest dir Gedanken darüber machen, wie schwierig es für unsere Mutter wäre, wenn dir etwas
zustossen würde. Wie sollte sie mit dem grossen Haus, jetzt wo ihr Gesundheitszustand zu wünschen übrig lässt, zurechtkommen. Denke rechtzeitig
darüber nach, eine Lösung zu finden, indem ihr euch entscheidet in eine
Wohnung mit «betreutem Wohnen» umzuziehen.»
Damals konnte ich mich mit diesem Vorschlag nicht anfreunden. Allein der
Gedanke, unseren Wohnsitz, mit der herrlichen Aussicht auf den Genfersee,
die Alpen und den Jura zu verlassen befremdete mich. Jetzt musste ich an
die biblische Belehrung denken, dass es auf dieser Erde keine Stadt gibt, wo
wir für immer zu Hause sein können. Deshalb sollen wir uns auf die Stadt
ausrichten, die im Himmel für uns erbaut ist. (Siehe Hebr. 13,14)
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Nun hatte ich Gelegenheit mir diesbezüglich Gedanken zu machen. Bald
einmal wurde mir klar: Nun ist dieser Zeitpult da, wo wir uns für das «betreute Wohnen» entscheiden müssen. Nach Absprache im Familienkreis
kontaktieren unsere Kinder verschiedene diesbezügliche Institutionen.
Am zweiten Tag meines Spitalaufenthaltes wurde festgestellt, dass ich sehr
viel Blut verloren habe, und ich bekam innert 15 Stunden drei Liter Blut
verabreicht. In der Folge verursachten mir die Blutergüsse starke Schmerzen. Mit Morphium versuchte man diese zu lindern.
Telefonisch informierte ich verwandte und befreundete Personen über
meine Lage und erbat ihre Gebetsunterstützung. Die Gebetskette unserer
Kirche wurde ebenfalls aktiv. In den kommenden Wochen rief mich mein
Freund und Glaubensbruder Fredy Staub fast täglich an, um mich zu unterstützen und zu ermutigen. Diese Anteilnahme bedeutete mir viel und war
eine wertvolle Hilfe!
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Unvermittelt steht
Krebsverdacht im Raum
Ganz unerwartet wurde bei der ersten Blutanalyse festgestellt, dass im Bereich meiner Bauchspeicheldrüse und der Leber ein Problem vorhanden
sein musste. Eine Untersuchung jagte die nächste. Das Ultraschallgerät
liess erkennen, dass die Flüssigkeit der beiden Organe zurückgestaut wurde. Weder der Scanner, das MRI noch das Ergebnis der Minikameras ergaben einen schlüssigen Befund und erlaubten eine eindeutige Diagnose.
Meiner lieben Jeanne-Marie, welche schon einige Zeit unter ausgeprägter
Vergesslichkeit litt, konnte abwechslungsweise bei unseren Kindern unterkommen. Täglich brachte eines der Kinder meine Gattin ins CHUV. Uns
beiden machte diese unerwartete Situation schwer zu schaffen. Ich wurde
überaus feinnervig und verletzlich.
Nachdem ich mit Krückstöcken einigermassen laufen konnte, wollte ich
nach Hause. Diesem Wunsch wurde entsprochen, obschon ich eine Woche
später zu einer weiteren Untersuchung ins CHUV zurück musste. Per Biopsie wollte man dem verborgenen Problem auf die Spur kommen. Diese
Untersuchung war ambulant und fand am 2. Dezember statt. In der darauffolgenden Nacht stellten sich starke Schmerzen ein, und ich musste
wieder notfallmässig ins CHUV eingeliefert werden, wo eine Bankeratitis
festgestellt wurde, (als Folge der Biopsie hatte sich die Bauchspeicheldrüse
entzündet). Die Schmerzen steigerten sich ins Unerträgliche, und ich litt
auch psychisch. Doch viele liebe Menschen beteten für mich. Ich war kaum
mehr in der Lage richtig zu beten, deshalb waren für mich die Gebete der
Mitchristen besonders wertvoll!
Ich pflegte die Gewohnheit in schlaflosen Stunden im Stillen geistliche Lieder zu singen. Das tat ich auch jetzt. Zum Beispiel:
Sollt ich meinem Gott nicht singen?
Sollt ich ihm nicht dankbar sein?
Denn ich seh in allen Dingen,
wie so gut er’s mit mir meint.
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Ist doch nichts als lauter Lieben,
das sein treues Herz bewegt,
das ohne Ende hebt und trägt,
die in seinem Dienst sich üben.
Alles Ding währt seine Zeit,
Gottes Lieb in Ewigkeit.
Weil denn weder Ziel noch Ende
Sich in Gottes Liebe findt,
ei so heb ich meine Hände
zu dir, Vater, als dein Kind;
bitte wollst mir Gnade geben,
dich aus aller meiner Macht
zu umfangen Tag und Nacht
hier in meinem ganzen Leben,
bis ich dich nach dieser Zeit
lob und lieb in Ewigkeit
(Erste und letzte Strophe vom Lied 724 KGB)
Dies zu praktizieren tut so gut und ist heilsam!
Leider hat mir im Spital niemand erklärt, dass eine Bankeratitis solch heftige Schmerzen verursacht. Erst meine Schwiegertochter sagte mir dann,
dass sie im Internet bestätigt fand, dass diese Körperqualen mit denjenigen
einer Geburt vergleichbar seien. Ich erwiderte darauf: «Aber eine Geburt
dauert nicht so lang und man hat als Ergebnis ein Kindlein.»
Nach einer Woche resultierte endlich das Ergebnis der Biopsien. Alle Befunde waren negativ. Der zuständige Arzt erklärte: «Nach meiner Erkenntnis
muss ein Tumor vorhanden sein. Da dieser noch klein ist, haben wir ihn
nicht orten können. Das heisst, wir sind mit der Biopsie nicht auf ihn gestossen. Nachdem ihre Pankreatitis ausgeheilt ist, was ungefähr nach einem
Monat der Fall sein wird, machen wir mit einem Ultraschallgerät eine Spezialuntersuchung. Da wir im Innern der Organe mit der Minikamera nicht
fündig geworden sind, wollen wir versuchen, mit diesem Gerät den Tumor
an der Aussenseite der Organe zu entdecken.»
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Nach zehn Tagen konnte ich das Spital verlassen, litt aber immer noch unter sehr starken Schmerzen und musste auch zu Hause Morphiumtabletten
einnehmen. Am 10. Dezember sollte dann die Ultraschalluntersuchung gemacht und am 17. Dezember ein Gespräch mit dem zuständigen Chirurg
stattfinden.
Glücklicherweise hatten unsere Kinder vereinbart, dass mich eines von
ihnen zu dieser wichtigen Konsultation begleiten soll. So war Philipp am
17. Dezember dann mit von der Partie. Bezug nehmend auf die Ultraschalluntersuchung erklärte der Chirurg, dass sich auf dem Kopf meiner Bauchspeicheldrüse ein Tumor befände. «Dieser muss so bald wie möglich entfernt
werden: Das erfordert eine grosse Operation», sagte er.
Anhand einer Grafik zeigte er, was dies bedeutete: «Wir müssen den Tumor
mit 2/3 der Bauchspeicheldrüse, die Gallenblase, je 1/3 der Leber und des
Magens sowie einen Teil des Dünndarmes entfernen. Sodann wird mit einem
Stück Darm die Verbindung zur Leber und der Bauchspeicheldrüse wieder
hergestellt und der Magen mit dem Dünndarm verbunden. Diese Intervention dauert 6 bis 8 Stunden. Spitalaufenthalt , wenn alles normal verläuft, 10
bis 14 Tage. Die Operation ist für den kommenden 8. Januar 2014 vorgesehen. Bereits am Vortag müssen sie sich ins CHUV begeben. Vorgängig findet
am 19. Dezember um 10.45 Uhr eine vorbereitende Besprechung statt.»
Vorerst sprachlos, wollte ich dann wissen, warum eine solch gravierende
Operation notwendig sei und es keine Alternative gäbe. Ich machte geltend,
dass es nicht erwiesen sei, dass ich Krebs habe. «In ihrem Alter ist das jedoch meistens der Fall. Deshalb ist dieser Eingriff die logische Konsequenz,
damit Sie noch einige Jahre möglichst unbeschwert weiterleben können.»
Der Chirurg erkannte, dass meine Skepsis nicht vom Tisch war und sagte
dann: «Gut, ich werde das Ganze noch einmal mit Spezialisten besprechen
und auch das MRI noch einmal durchgehen. Ich gebe Ihnen heute Abend
definitiven Bescheid.»
Ich war am Boden zerstört. Als nach meinem Unfall bei der Routineanalyse
das Problem aufgetaucht war, sagte ich mir: «Ich kann nur dankbar sein,
dass sich dieser Unfall ereignet hat! Dass etwas mit der Bauchspeicheldrüse
nicht in Ordnung ist, konnte nur deshalb erkannt werden. Eine diesbezügliche Früherkennung ist das Beste was mir widerfahren konnte!» Letztlich
sollte dies nun keinen Vorteil bringen!
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Zu Hause angekommen informierte ich per E-Mail Verwandte, Bekannte
und Freunde über diese Situation und erbat ihre Gebetsunterstützung. Natürlich besprach ich diese komplexe Situation ebenfalls mit meinen Angehörigen und meinem Freund, Fredy Staub. Dieser war bestürzt und sagte:
«Da kann nur das Gebet weiterhelfen!»
Ich besprach mich auch mit meinen Hausarzt. Dieser war über die Vorgehensweise des CHUV sehr erstaunt. Bereits hatten mir mehrere Personen
nahegelegt eine zweite Meinung einzuholen. Mein Arzt war sofort damit
einverstanden und gab mir sogleich eine Adresse. Er meinte auch: «Auf
jeden Fall wird bei einer Operation eine Gewebeentnahme gemacht und
unmittelbar analisiert um festzustellen ob der Tumor krebsartig ist.»
Am Abend erklärte mir der Chirurg vom CHUV am Telefon, dass die vorgeschlagene Operation unumgänglich sei. Bezug nehmend auf die Äusserung meines Hausarztes, wollte ich wissen, ob bei einem solchen Eingriff
zuallererst eine Gewebeanalyse vorgenommen werde? «Nein, das wäre viel
zu riskant! Den Tumor dürfen wir auf keinen Fall antasten!» – «Aber mein
Hausarzt hat gesagt das würde so gemacht», erwiderte ich. «Ihr Hausarzt ist
Allgemeinpraktiker, ich bin Chirurg!» entgegnete dieser und verabschiedet
sich mit dem Hinweis: «Wir sehen uns also am kommenden Donnerstag!»
Da konnte wirklich nur noch das Gebet weiter helfen, wie Fredy Staub gesagt hatte. So begab ich mich am 19. Dezember mit gemischten Gefühlen
ins Kantonsspital. Nebst dem Chirurgen, Dr. Halkic, war auch sein Assistent, Dr. Melloul anwesend. Zuerst erläuterte Dr. Halkic im Detail, was diese Intervention bedeutet und welche Risiken sie beinhaltet. Dann ergriff
Dr. Melloul das Wort und sagte: «Diese Operation ist vergleichbar mit dem
Mount Everest…» – Was sollte das heissen? Dass sie gigantisch, furchterregend sei!? Natürlich hat mich dieser Vergleich zusätzlich verunsichert
und beunruhigt. So entgegnete ich: «Und sie wollen diese grosse Operation unbedingt durchführen, obwohl nicht wirklich feststeht, dass dieser
Tumor krebsartig ist?» – «Also gut», erwiderte der Arzt, dann machen wir
noch einen letzten, zusätzlichen Test. Dabei wird ihnen Nuklearsubstanz in
die Blutbahn verabreicht. Das ermöglicht in der Folge festzustellen ob der
Tumor krebsartig ist oder nicht. Da die Zeit drängt, werden wir versuchen
noch vor Weihnachten einen diesbezüglichen Termin zu vereinbaren.» Ich
war erleichtert und überaus dankbar!
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Dann bekam ich zwei Termine: Am 23. Dezember sollte der Test stattfinden und am 24. dann eine beratende Besprechung. Das von unserer neuen
Kirchgemeinde angebotene Fürbittegebet nahm ich am Sonntag, den 15.
Dezember nun dankend in Anspruch. Es wurde unter Handauflegung und
einer Ölsalbung mit mir gebetet und eine Woche später für die beiden anstehenden Konsultationen Gottes gnädiges Wirken erfleht.
Am Samstag, den 21. Dezember feierten wir im Familienkreis mit unseren
Kindern, Schwieger- und Grosskindern die Weihnachtsfeier. Zusammen
mit den Ehepartnern und Freunden der Grosskinder waren wir 27 Personen. Familienzusammenkünfte sind immer Höhepunkte für uns! Wir freuten uns über das Zusammensein und feierten die Geburt unseres Erlösers
und Heilandes mit dankbarem Herzen. Das Gedenken an die prophetischen
Zusagen, dass Jesus unsere Krankheiten mit ans Kreuz genommen hat und
wir durch seine Wunden Heilung erfahren dürfen, war besonders Mut machend.
Als ich am 23. Dezember im CHUV ankam, verspürte ich ein wenig Weihnachtsstimmung. Man empfing mich sehr freundlich, ja geradezu liebevoll.
Liebenswürdig wies man mich an: «sie können sich hier umziehen und
dieses Hemd anlegen. Die Socken und Schuhe können sie für den Test anbehalten. Vorgängig kommt ein Arzt und erklärt ihnen die Behandlung.»
Nach einiger Zeit erschien ein relativ junger Arzt und erläuterte mir das
Verfahren. Mit den Worten: «Ich sehe sie nach dem Test noch einmal», begleitete er mich in den Untersuchungsraum. Nach der Injektion der Nuklearsubstanz musste ich eine Stunde warten: Dann wurde die komplizierte
Maschine aktiviert. Immer wieder wurde sie über den Bauchraum gefahren.
.
Als alles vorüber war, sagte man mir: «Sie können sich jetzt in dem Raum,
wo sich ihre Kleider befindet wieder anziehen und dort auf den Arzt warten.»
Dieser kam dann und erklärte freudig: « Nach meiner Erkenntnis ist der Tumor nicht krebsartig. Weiteres erfahren Sie Morgen bei der vorgesehenen
Konsultation.» Mit den Worten: «Ich wünsche ihnen eine frohe Weihnachten!» verabschiedete er sich.
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Dankerfüllt trat ich den Heimweg an, wo ich sogleich alle Mitbeter benachrichtigte. Den diesbezüglichen E-Mail betitelte ich mit dem Slogan: «Das
schönste Weihnachtsgeschenk meines Lebens!»
Am 24. Dezember erschien dann Dr. Halkic zur Konsultation: Er kam direkt
zur Sache und sagte: «Bei der gestrigen Untersuchung wurde kein Krebs
diagnostiziert. Deshalb wird die Operation vorläufig nicht stattfinden. Auch
die Konsultation mit dem Anästhesisten am 27. Dezember ist annulliert.
Am 6. Februar machen wir dann ein MRI um festzustellen, wie sich der Tumor verhält. Am 11. Februar findet dann eine diesbezügliche Konsultation
statt. Unsere Administration wird Ihnen diese Termine schriftlich bestätigen.»
Ohne einen weiteren Kommentar abzugeben, verabschiedete sich der
Arzt, und ich trat frohgemut, mit dankerfülltem Herzen den Heimweg an.
Zusammen mit Jeanne-Marie und unseren Kindern dankten wir unserm
himmlischen Vater und priesen den Namen Jesu, unseres göttlichen Arztes!
Dieses ganze Erleben liess unsere Ehe neu erblühen. Wir waren unendlich dankbar einander zu haben. Fast täglich bezeugte meine liebe JeanneMarie, wie unendlich dankbar sie sei, dass ich jetzt zu Hause sein darf statt
im Spital. Immer wieder hatte ich Gelegenheit, Mitmenschen über mein
Erleben Zeugnis abzulegen.
Gewohnheitsmässig und dankerfüllt verbrachten wir die Jahreswende in
meinem ehemaligen Elternhaus in Cuarnens mit der Familie meines Bruders. Am Sonntag, den 5. Januar konnte ich im Gottesdienst der Stadtmission, zur Ehre Gottes, kurz über meine Erlebnisse berichten. Bereits am
Sonntag den 29. Dezember durfte ich in unserer Kirchgemeinde in Le Mont
ein diesbezügliches Zeugnis geben.
Ich fühlte mich auch wieder fit genug um das Curlingspiel aufzunehmen.
Diese mir liebgewordene Abwechslung hatte ich vermisst. Die Freudenbezeugungen meiner Kollegen über mein Erscheinen waren ergreifend.
Am 21. Januar war ein Termin bei meinem Hausarzt angesagt. Er hatte von
Dr. Halkic einen ausführlichen Rapport erhalten, den er mir vorlas. Wesentliches wusste ich bereits. Mein Arzt hob dann vor allem die Wichtigkeit der
MRI Untersuchung vom 8. Februar hervor: «Es ist so: Wenn das MRI zeigt,
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dass sich der Tumor verändert oder vergrössert hat, ist diese grosse Operation unumgänglich. Es gibt leider dazu keine Alternative, und ich muss zugestehen, dass in ihrem Alter dies bedauerlicherweise so abläuft.» Somit war
dieses angsteinflössende Szenario vom «Mt. Everest» wieder auf dem Tisch!
Zu Hause angekommen informierte ich sogleich alle Mitbeter. Nach der
Schilderung der neusten Situation schrieb ich abschliessend: «Nach der
MRI-Untersuchung vom 6. Februar wird am 11. Februar in der vorgesehenen Konsultation verhandelt und entschieden, ob die grosse Operation
doch gemacht werden muss. Ich bin guter Zuversicht, dass Jesus mich heilt
und dieser Eingriff, welcher mit vielen Risiken verbunden ist, nicht gemacht werden muss. Habt ganz herzlichen Dank, dass ihr mit uns vor dem
Thron Gottes dafür einsteht, dass ich übernatürlich geheilt werde. Mit ganz
herzlichen Grüssen und Segenwünschen, Ruedi Staub.»
Die Rückmeldungen auf diesen Appell waren sehr ermutigend. Wie trostund wertvoll es doch ist, wenn Glaubensgeschwister hinter uns stehen!
Nebst der «Gebetskette» in der Kirchgemeinde, beteten vor allem meine
Angehörigen, Verwandten und Bekannten, mit und für uns.
Am 6. Februar wurde das MRI gemacht. Eine gute Stunde lang fuhr diese
lärmerzeugende Maschine immer und immer wieder über meinen Bauch.
Da kein Arzt anwesend war, erhielt ich keine Informationen. Man sagte mir:
«Unser Chirurg, welcher die Untersuchung veranlasst hat, wird sie am Donnerstag, den 11. Februar über die Ergebnisse informieren. Also wieder warten, aber «nicht Tee trinken», sondern vertrauen und weiter beten! Bereits
in den vergangnen Tagen hatte mich die Begriffsbestimmung des Glaubens
aus Hebräer 11 Vers 1 begleitet: «Es ist aber der Glaube eine gewisse
Zuversicht des, das man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das
man nicht sieht.» Bezüglich des Nichtzweifelns wurde ich zusehends angefochten. Ich machte die Erfahrung, dass es einfacher ist, die Glaubenszuversicht zu bewahren, als sich gegen das «Nichtzweifeln» zu erwehren.
Wie bereits erwähnt, sang ich in schlaflosen Nachtstunden im Geist immer
wieder Glaubenslieder, rezitierte Bibelworte und betete. Vielmals auch das
«Unser Vatergebet».
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Dann war endlich der 11. Februar 2014 da. Jeanne-Marie kam mit ins CHUV
zu dieser wichtigen Konsultation. Sie konnte unmöglich zu Hause bleiben
und den Bescheid abwarten. Bei der Anmeldung im Spital begab sich die
erste, kleine Überraschung: Nicht einer der involvierten Chirurgen würde
mich über die Resultate informieren, sondern ein Dr. Petermann. Ich sagte
zu meiner Frau: «Das ist schon ein günstiges Zeichen.» – «Warum sagst
du das»? wollte sie wissen. «Bei einem negativen Bescheid wäre bestimmt
einer der Chirurgen persönlich gekommen», antwortete ich.
Nach der Begrüssung begeleitet uns Dr. Petermann in sein Sprechzimmer
und setzte sich vor den Bildschirm. « Da ich nicht direkt mit ihrem Fall zu
tun hatte, muss ich mich noch ein wenig zurechtfinden.» Dann brachte
man ihm ein A4 Blatt, welches er nun studierte. Zögerlich fing er an zu
erklären: «Irgendwie scheint bei ihnen alles in Ordnung zu sein. Auf jeden
Fall ist nichts Bösartiges mehr zu erkennen. Freilich müssen das die Sachverständigen noch ansehen und begutachten. Morgen haben wir ein Kolloquium, da wird ihr Fall eingehend besprochen. Sie erhalten dann anschliessend Bericht. Ganz bestimmt dürfen sie erleichtert sein. Wir werden ihnen
für eine Analyse jetzt noch Blut entnehmen und später ein weiteres MRI
oder einen Test mit der Minikamera und dem Ultraschallgerät machen.»
Dankbar und voll freudiger Zuversicht erklärte ich: «Sehen sie, Herr Doktor, was der berühmte Chirurg Ambroise vor 500 Jahren bezeugt hat: Ich
habe verbunden, Gott heilt! Bewahrheitet sich heute noch!»
Nach einer kurzen Zeit des Wartens kam eine Krankenschwester und holte
mich zur Blutentnahme. Kaum waren wir im Labor, sagte sie mit einem
strahlenden Lächeln: «Sie haben ja wirklich gute Nachrichten erhalten!» –
«Und wie»! erwiderte ich. «Sogar überwältigend guten Bescheid!» – «Also
dann erzählen sie uns, was geschehen ist? Den ganzen Tag wurden wir mit
lauter schlechten Nachrichten konfrontiert. Nur zu gerne hören wir einmal
Erfreuliches!» So hatte ich, ohne mein Dazutun, Gelegenheit, den beiden
anwesenden Damen meine Erlebnisse zu schildern. Mit dem Hinweis auf
das Zitat vom Chirurg Ambrosie, sagte ich abschliessend: «Sehen sie, das
passiert tatsächlich, ich habe es soeben bestätigt bekommen, Gott hat mich
geheilt!» Sichtlich bewegt stimmten die Damen mir freudig zu.
Begreiflicherweise war Jeanne-Marie überglücklich und endlich beruhigt
in Bezug auf die Situation ihres Mannes. Freudentränen perlten aus ihren
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strahlenden Augen. Dankerfüllt begaben wir uns nach Hause, wo ich sofort
unsere Kinder und alle Mitbeter benachrichtigte.
Umgehend antworteten meine drei Kinder voller Jubel und Dankbarkeit.
Hier die Rückäusserung von Susanne: «Oh danke Herr für dieses erfreuliche Wunder. Ich bin so dankbar für Euch zwei! Gestern, während meiner
stillen Zeit erfüllte im Blick auf Papa ein tiefer Friede mein Herz. Die Bestätigung der Heilung ermutigt mich. Herzliche Grüsse Suzanne».
Die folgende Antwort kommentiert viele weitere treffend: Lieber Ruedi, das
ist ja ganz wunderbar!! Wir freuen uns von Herzen für und mit euch und
loben und danken Gott. Das ist ein grosses Wunder von Gott, und wir sind
so dankbar, dass dir die riesige Operation erspart bleibt! Alles Liebe für euch
beide und herzliche Grüsse, Esther und Familie.
Dann erhielt ich noch folgende telefonische Nachricht von Dr. Petermann:
Ihr Fall wurde im Kolloquium besprochen und analisiert. Das MRI zeitigt
nach unserer jetzigen Erkenntnis nichts Verdächtiges. Das heisst, dass vom
Tumor nichts zu erkennen ist. Wir werden jedoch im März eine weitere Untersuchung mit Minikamera und Ultraschallgerät veranlassen. Sie erhalten
eine diesbezügliche, schriftliche Order. Diese traf etwas später ein. Am 25.
März soll die Endoskopie-Untersuchung stattfinden und am 1. April dann
ein Gespräch mit den Spezialisten folgen.
Dank Vermittlung meines Hausarztes erhielt ich eine Kopie des Rapportes
vom CHUV betreffs der letzten Untersuchungsergebnisse. Erstaunlicherweise war jetzt die Rede von einer Läsion, das heisst: einer Beschädigung.
Weiter hiess es wörtlich: «Am 06.02.2014 profitierte Herr Staub von einem neuerlichen MRI. Dieses zeigte, dass die Gefässerweiterungen «intraund extra-hépatiques» verschwunden sind und keine Anomalie weder am
Wirsung-Kanal noch am Kopf der Bauchspeicheldrüse zu erkennen sind...
Tatsächlich stimmt das MRI beruhigend. Aber die Läsion (wieder diese Formulierung) wurde durch die Ultraschall-Endoskopie besser erkannt. Die
Durchführung der PET-CT liess erkennen, dass der Tumor verschwunden
ist. Nach eingehender Diskussion haben wir uns entschieden am 25. 3. 2014
eine Endoskopie inklusive Ultraschall zu machen. Nachfolgend haben wir
am 1. 4. 2014 eine Konsultation mit Herrn Staub.»
In den letzten Tagen hatte ich wieder Tag und Nacht Bauchschmerzen. Dieser Umstand wollte mich beängstigen. Sollte der Tumor diese Schmerzen
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verursachen? Also weg mit allen Befürchtungen. Wenn Jesus heilt, macht
er ganze Sache. Daran hielt ich mich fest.
Ruedi und Jean-Marie im Amphitheater in Rom
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Mein 80. Geburtstag
Moses, der Mann Gottes, bezeugt im 90. Psalm: «Unser Leben dauert siebzig, vielleicht sogar achtzig Jahre … Wie schnell eilen die Jahre vorüber!
Wie rasch fliegen sie davon»! Moses wurde sogar 120 Jahr alt. So alt werde
ich bestimmt nicht. Wenn mir jedoch, nach allem, was ich in den letzten
Monaten erlebt habe, noch einige zusätzlichen Jahre geschenkt werden,
möchte ich diese zu seiner Ehre nutzen. Zum Beispiel für unsere Kinder
und Grosskinder sowie Mitmenschen segenbringend aktiv sein. Bezeugen,
dass die Lebenszeit so schön und bereichernd ist, wenn Jesus im Zentrum
steht.
Zudem möchte ich mich der Zweisamkeit mit meiner lieben Jeanne-Marie
weiterhin erfreuen und zusammen mit ihr noch eine erfüllende Zeit verbringen. Das Mädchen, welches ich vor 55 Jahren geheiratet habe, liebe ich
immer noch von ganzem Herzen. Das habe ich Jeanne-Marie heute Morgen
nach dem Erwachen auch gesagt. Welch ein Geschenk, zusammen mit ihr
den wunderschönen Frühling des Jahres 2014, die Schöpfung Gottes, zu geniessen. Uns gemeinsam zu freuen, dass die Sonne jeden Tag aufgeht. Gott
schenke, dass uns je länger je mehr klein das Kleine und das Grosse gross
erscheinen! Zum Beispiel, dass auf Karfreitag der Ostersonntag folgt. Ins
Auge fassen, dass unser ganz grosses Ostern näher gerückt ist. Uns ganz bewusst auf den Himmel ausrichten. Wie die Bibel es ausdrückt: «Sehnsüchtig auf die Stadt warten, die im Himmel für uns erbaut ist.» (Hebräer 13,14)
In diesem Sinn möchte ich den 80. Geburtstag feiern. Der Lehrtext aus
den Losungen ist selbstredend: «Jesus sprach zu dem Blinden: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich wurde er sehend
und folgte ihm nach und pries Gott», Lukas 18,42f. Und die Losung
bekräftigt: «Die dein Heil lieben, lass allewege sagen: Hoch gelobt
sei Gott!» Psalm 70,5. Bereits heute habe ich «Geburtstagspost» erhalten.
Eine Cousine schrieb mir, indem sie Bezug nahm auf diese Texte: «Mit deiner Geburtstagslosung grüsse ich dich ganz besonders, da sie zu dir passt.»
So bete ich: «Gott schenke mir in deiner Güte und Gnade, dass dem so sein
darf»!
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Der gestrige 80. Geburtstag bereitete mir grosse Freude und Genugtuung.
Ich erhielt viel Korrespondenz, elektronische und schriftliche, sowie Telefonate. Meine Schwester Rosalie schrieb unter anderem: «In unserem Alter
zerbrechen immer mehr bisherige Möglichkeiten, aber in stillen Wassern
lässt es sich auch leben. Es wird eben ruhiger, tiefgründiger und wohl auch
friedlicher, besonders im Blick auf die näher kommende Ewigkeit und Herrlichkeit! Die gesundheitlichen Schwierigkeiten nehmen freilich zu, aber Jesus ist ja bei uns.»
Der Tag selber war ausgefüllt: Vormittags beim Curling lief es zuerst
schlecht. Nach zwei Ends führte die gegnerische Partei mit 7 zu 0. Danach
konnten wir aufholen, sodass die Partie mit einem 8 zu 8 unentschieden
endete. Das Curlingspiel bereitet mir viel Freude und grosse Befriedigung!
Nachmittags genossen wir als Ehepaar die Zweisamkeit und machten auf
den Jurahöhen einen ausgiebigen Spaziergang im Schnee. Zuletzt beschlossen wir den Tag zusammen mit unseren Kindern bei einem auserlesenen
Nachtessen in einem idyllischen Restaurant. Je länger je mehr geniessen
wir das Zusammensein und die Gemeinschaft mit unseren Lieben!
Die eigentliche grosse Feier mit Angehörigen, Verwandten und Bekannten
findet, so Gott will, am Sonntag, den 4. Mai, im Gemeindesaal hier in Jouxtens statt. Mein Freund, Fredy Staub, wird die Andacht, welche simultan ins
französische übersetzt wird, halten. Wir erwarten ungefähr 45 Personen.
Zwei Berufsmusiker werden uns mit ihren Darbietungen entzücken. Auf
der Einladung habe ich den vierten Vers aus Jesaja 46 vorangestellt: «Ich
will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich der Herr,
habe es bisher getan, und ich werde euch auch in Zukunft tragen
und retten.» Diesen Ausweis der Fürsorge und Gnade Gottes durfte ich in
all den Jahren in reichem Mass erfahren. Gott hat es bisher getan, und wie!
Er wird es auch in Zukunft tun. Seine Verheissung gilt!
Gestern wurde im CHUV die «Endoskopie haute» inklusive Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Als diese beendet war, sagte man mir, dass der
Arzt mich noch sprechen möchte. Das war ein positives Zeichen, hatte ich
doch bereits zur Genüge folgende Erfahrung gemacht: War der Bericht eher
negativ, hiess es jeweils: «Ihr Hausarzt bekommt von uns die Resultate und
wird sie informieren». Waren die Befunde positiv, teilte man diese bereitwillig direkt mit. Und genau das bestätigte sich einmal mehr. Als der für die
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Untersuchung zuständige Spezialarzt kam, erklärte er, dass sich alles zum
Besten gewendet hatte: «Die Entzündung ist zurückgegangen; vom Tumor
ist nichts mehr zu erkennen». Welch ein Geschenk der Gnade und Liebe
Gottes, meines himmlischen Vaters! Zusammen mit Jeanne-Marie können
wir nur jubeln und Jesus lobpreisen, der noch heute Wunder vollbringt!
Am kommenden 1. April fand noch die Konsultation mit Dr. Petermann im
CHUV statt. Dieser durfte ich gelassen entgegensehen.
Heute fand diese Konsultation statt. Erstaunlicherweise erschien der Chirurg, Dr. Melloul, persönlich. Offensichtlich war er beeindruckt und erfreut,
mir die positiven Ergebnisse der Endoskopie zu bestätigen. Meinerseits
nutzte ich die Gelegenheit, dem Arzt dafür zu danken, dass er am 17. Dezember auf meine Vorbehalte eingegangen war. Dank der von ihm angeordneten, zusätzlichen Untersuchung, wurde die grosse Operation nicht wie
vorgesehen am 8. Januar ausgeführt. Erstaunlicherweise räumte er dann
ein: «Es kommt hie und da vor, dass nach einem solchen Eingriff festgestellt wird, dass keine Krebszellen vorhanden sind.» Dann entschied er, dass
in zwei Monaten eine weitere Kontrolluntersuchung stattfinden soll. Beglückt und dankerfüllt begab ich mich nach Hause, um sogleich den Mitbetern die guten Nachrichten zu übermitteln.
Bereits durfte ich in verschiedenen Kirchen, bis in den Kanton Graubünden, von meinem Erleben mit Gott und vor allem der wundervollen Heilung
Zeugnis geben. Sogar zweimal auch in unserer Kirchgemeinde in Le Mont.
Es ist wunderbar zu erleben, wie Gott beruft und gnadenreich segnet! Ich
möchte vor allem meinem Herrn und Erlöser, Jesus Christus, alle Ehre geben. Hat er doch Unvorstellbares auf sich genommen und erniedrigende
Folterqualen erduldet und damit unsere Schmerzen mit ans Kreuz genommen, so dass wir durch seine Verwundungen Erlösung und Heilung erfahren. So hatte es der Prophet Jesaja mehr als 600 Jahre zuvor prophezeit:
«Es waren unsere Krankheit, die er auf sich nahm; er erlitt die
Schmerzen, die wir hätten ertragen müssen… Doch er wurde blutig geschlagen, weil wir Gott die Treue gebrochen hatten; wegen
unserer Sünden wurde er durchbohrt. Er wurde für uns bestraft
– und wir? Wir haben nun Frieden mit Gott! Durch seine Wunden
sind wir geheilt», (Jesaja 53,4+5b).
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Auf die Frage, warum bei uns in der westlichen Welt relativ wenig aussergewöhnliche Wunder geschehen, habe ich die Antwort nicht. Ich möchte
jedoch anführen, dass dank der Medizin Gott noch und noch Wunder wirkt.
Es tut mir jedoch sehr leid um die Vielen, welche enttäuscht sind, weil ihre
Gebete nicht, oder nicht so erhört wurden, wie sie erhofft haben.
Nichts desto weniger möchte ich allen Lesern Mut machen, es dem Fallbeispiel, wie Jesus es in Lukas 18 schildert, nachzutun: Ja nicht ablassen und
aufgeben! Vielmehr wie die Witwe: Bitten, rufen, flehen, bis Gott antwortet.
In diesem Sinne beten Jeanne-Marie und ich täglich, morgens und abends,
namentlich für mehrere Personen. Mit einigen von ihnen pflegen wir auch
regen Kontakt.
Natürlich anerkennen wir die Souveränität Gottes. Er kann auch anders
antworten als wir hoffen und erwarten. Sein Wille soll geschehen: Wie im
Himmel so auch bei uns auf Erden!
Zuletzt möchte ich festhalten, dass es, wie die Bibel ausdrücklich bezeugt:
Hier auf dieser Erde keine Stadt gibt, in der wir für immer zu Hause sein
können, deshalb sollen wir sehnsüchtig auf die Stadt warten, die im Himmel für uns erbaut ist. (Siehe Hebräer 13,14).
Deshalb wollen wir in diesem Sinn die uns verbleibende Zeit nutzen, im
Reich Gottes nach unseren Möglichkeiten wirken und uns von ganzem Herzen auf den Himmel freuen! Dort warten unvorstellbare Herrlichkeiten auf
alle Erlösten. (Offenb. 21+22).
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Jeanne-Marie und Ruedi
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Grossfamilie Staub anlässlich der Weihnachtsfeier 2014
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So viele Menschen sind enttäuscht, entmutigt und wissen nicht mehr weiter. Dafür gibt es eine Lösung: Jesus Christus! Er ruft: «Kommet her zu
mir, die ihr unter eurer Last leidet! Ich werde euch Ruhe geben.» (Matthäus
11,28) Das hat Saulus von Tarsus hautnah erfahren und später als Apostel
Paulus bezeugt: «Nur Jesus kann den Menschen Rettung bringen! Nichts
und niemand sonst auf der ganzen Welt rettet sie!» (Apgesch. 4,12)
Kommen Sie zu Jesus. Setzen Sie Ihre ganze Hoffnung auf ihn. Er ruft auch
Ihnen zu: Komm! Folgen Sie seinem Ruf und Sie werden reich gesegnet
werden. Es ist ganz unkomplizert das Geschenk der Erlösung anzunehmen.
Vertrauen Sie einfach Ihr Leben Gott an. Er wird Ihnen Frieden und Glückseligkeit schenken!
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