Interview

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Interview mit Sandra Abt von der Trachten-Manufaktur AlpenHerz
Seit 2011 betreibst Du mit Deiner Kollegin Verena Krist
gemeinsam die Dirndl- und Trachtenmanufaktur
„AlpenHerz“. Sandra, wie kam es dazu?
Es war die Leidenschaft für Dirndl. Saison für Saison
sind wir damals die Trachtengeschäfte abgefahren, auf
der Suche nach etwas Ausgefallenem, das nicht noch
weitere zehn Mal im selben Zelt sitzt. Die Auswahl war
sehr begrenzt, da es zu diesem Zeitpunkt noch wenig
Designer gab. Irgendwann hat meine Freundin Verena
beschlossen, sie näht selbst eines. Sie hatte früher
hobbymäßig schneidern gelernt und so entstand das
erste Dirndl. Als das fertig war, hatte ich auch eine
Kreation im Kopf und wir versuchten es. Genäht hat
Verena damals am Abend und an den Wochenenden im
umgebauten Dachstuhl ihrer Wohnung auf nur wenigen
Quadratmetern…
Kaum vorstellbar heute! Wie ging’s dann weiter?
Mein Dirndl war fertig und schon klopfte die nächste Freundin an. So ging es weiter und weiter. Ich war damals in der Babypause und konnte mich um die jeweiligen Kreationen kümmern. Irgendwann kam dann die erste Kundin außerhalb des Freundeskreises und wir haben
gesagt: Jetzt müssen wir alles auf offizielle Beine stellen. Wir gründeten eine GbR und auch
ich lernte das Nähen. Verena bildete sich weiter fort, mit speziellen Trachtenkursen.
Inzwischen hatten wir so viele Aufträge, dass Verena ihren Job als Grafik-Designerin an den
Nagel hängte. Wir mieteten eine Wohnung in der Kemptener Innenstadt und machten unsere erste Kollektion mit zwölf Dirndln. Auch bei mir war die Belastung irgendwann zu groß.
Schließlich arbeitete ich noch Teilzeit bei BMW in München als Managerin im internationalen
Marketing und hatte ein Kind…
Ein großer Schritt, den sicheren Job hinter sich zu lassen und sich ganz dem „Hobby“ zu
verschreiben. Das war sicher nicht einfach?
Nein das war es überhaupt nicht, und vor allem auch finanziell - und es war mit viel Schweiß,
Kampf und vielen, vielen Arbeitsstunden verbunden. Ich hatte eine super Position bei BMW,
habe sehr gut verdient. Mit dieser Art von Business, sowas von Anfang an reinzuholen, ist
utopisch.
Wie seid Ihr vorgegangen? Klassisch mit Businessplan oder hat Euch eher die Leidenschaft geführt?
Ein Spagat zwischen Beidem. Ich bin studierte Betriebswirtschaftlerin und wusste, dass
ich von der Komfortzone ins kalte Wasser springen würde. Ich weiß nicht, ob ich mich das
normal getraut hätte. Doch ich hatte gerade geheiratet, ein Kind bekommen und einen
Wohnortwechsel hinter mir. Insofern hatte ich Rückenwind für diese Entscheidung, denn
dauerhaft von Kempten nach München zu pendeln war keine Option. Heute bin ich
überglücklich. Ich arbeite sicher mehr als früher, aber nur für mich. Ich kann selbst entscheiden, wann und wieviel, bin flexibel. Sonntagabende, an denen es einem schon vor Montag
graut, gibt es bei mir nicht. Anfänglich mussten wir schon sehr stark zurückstecken und
jeden Euro in das Geschäft stecken. Aber wir haben es ohne Bankkredite geschafft! Das war
immer unser Anspruch…
Respekt! Wie ging’s weiter in der Entwicklung?
Die erste Kollektion war schnell verkauft und wir wollten weitermachen - in größerer
Stückzahl und mit mehr Marketing. Den Münchener Markt hatten wir durch Freunde und
Bekannte schnell erschlossen. Nicht leicht war es allerdings, einen geeigneten Produzenten
zu finden, der auch bei kleinen Stückzahlen wirtschaftlich produziert. Durch die hochwertigen Materialien haben wir sehr hohe Stoffkosten. Letztlich haben wir jemanden gefunden,
der uns das zugetraut hat und bis heute treu ist. Inzwischen ist unsere 8 Kollektion auf dem
Markt. Wir werden immer größer und vielfältiger.
In der Tat! Mittlerweile gibt es auch eine Männer-Kollektion…
Ja, viele Herren sind überrascht, dass wir auch Westen und Janker und Hemden
anbieten. In dem Segment gibt es sehr wenige Designer und diese Nische möchten wir
weiter ausfüllen. Wir sind nun nicht mehr nur die „Dirndl-Manufaktur“ sondern inzwischen
„Trachtenmanufaktur“.
In der Textilbranche herrscht starker Wettbewerb. Musstet Ihr auch Lehrgeld bezahlen?
Nachdem wir das Geschäft nicht von der Pike auf gelernt haben, gab es tatsächlich einige
Momente. Du gehst zum Beispiel auf eine Ordermesse, freust dich über eine große Order
für ein Kleid. Kaum wieder zurück gibt es den Stoffproduzenten plötzlich nicht mehr oder er
kann nicht in time liefern.
Ein Dirndl ist mehr als nur ein Dirndl, sondern eine Philosophie. Was ist Eure?
Wir bieten hochwertige Kleider aus hochwertigen Stoffen – und genau damit möchten wir uns
differenzieren. Dafür kaufen wir Nischenprodukte und arbeiten nur mit Lieferanten aus Deutschland und Österreich. Muster und Farbstellungen lassen wir einweben. So können wir später
Kleider produzieren, die es nur bei AlpenHerz gibt. Es kommt schon vor, dass ein bis zwei Saisons
später ein ähnliches Dirndl, günstig in Pakistan oder Indien produziert, beim Händler hängt.
Einerseits ehrt einen das, andererseits ärgert es einen auch.
Ist das nicht auch ein Treiber?
Schon. Wir haben zum Beispiel eine Spitzenbluse, die von ganz vielen Herstellern kopiert wird.
Jetzt hat es auch einer fast geschafft, an die Qualität der Spitze heranzukommen. Scheinbar war
unser Produkt so gut, dass es einfach eine Vorreiterrolle hatte. Bei jeder Kollektion versuchen wir,
mehrere komplett neue Komponenten einzuarbeiten. Manchmal setzen die sich gar nicht durch –
oder 1-2 Saisonen später.
Wenn man bedenkt, dass es Euer Label erst seit knapp fünf Jahren gibt…
Wir sind für die wenigen Jahre sehr weit gekommen. Es war ein laufender Prozess und du wirst
mit der Zeit immer professioneller. Da führst du ein neues Warenwirtschaftssystem ein, dann
kommt schon wieder ein neues System für die Produktion. Du stellst Mitarbeiter ein, um dich
mehr um die Kernaufgaben zu kümmern – es ist wirklich sehr abwechslungsreich! Ich bin froh,
den Background als Betriebswirtschaftlerin zu haben. Das fehlt vielen Kreativen und ab einer gewissen Größe gehst du ohne Strukturen unter.
Zu Eurem Namen: AlpenHerz. Wofür steht der?
Wir sind relativ schnell und spontan darauf gekommen. Kempten
bezeichnet man ja oft als Herz des Allgäus. Das passte schon mal. Und dann
schaust du hier einfach zum Fenster raus und siehst die Alpen. So kam’s.
Wir fanden den Namen so toll, dass wir dachten, der muss schon belegt
sein. Nur die Domain Alpenherz.de gab es nicht mehr und wir mussten sie
später kaufen. Die hatte sich nämlich jemand als Altersvorsorge reserviert – und der kam ausgerechnet aus Kempten.
Gehen wir zu Eurem Sortiment. Nach wie vor macht ihr viel Handarbeit und auch hochwertige
Hochzeitsdirndl?
Der Markt für Couture-Dirndl ist groß – hier gibt es viel potential – umso mehr Tracht nun auch als
Mode getragen wird umso mehr Kunden möchten hier aus der Masse herausstechen. Wir machen
hier naben den dirndl auch Zweiteiler mit Rock und Mieder. Die Preisrange liegt da bei etwa 1.500
bis 3.500 Euro – je nachdem wie viel Arbeitszeit in die Handarbeit einfließt. Das macht es so
exklusiv. Wir verarbeiten dafür zum Beispiel Stoffe aus Frankreich, von denen wir nur 10 Meter für
uns extra anweben lassen. Unsere Designerdirndl in den Kollektionen sind auch exklusiv – aber
naturlich keine Einzelstücke – hier haben wir über die Jahre hinweg inzwischen zwei Linien
entwickelt. Die Traditionslinie und die Style-Linie.
Und wie unterscheiden die sich?
Die Style-Dirndl sind opulent. Sie haben zum Beispiel bestickte Schürzen, auffällige Borten, glänzende Stoffe und viel Jacquard. Die Traditionslinie verhält sich eher schlicht mit viel Leinen, Baumwolle und Samt. Die hohe Qualität merkt man, wenn man die Kleider anfasst. Das sagen uns auch
immer wieder die Kunden, die erst online geschaut haben und dann ins Geschäft kommen.
Apropos Geschäft: Neben dem Laden in Kempten und Eurem Online-Shop, vertreibt Ihr Eure
Kollektionen auch im Einzelhandel, z.B. bei Oberpollinger in München, Ludwig Beck oder auch
bei Breuninger in Stuttgart. Kauft denn auch außerhalb des Südens jemand Dirndl?
Tracht ist Fashion! Heute gibt es auch in Düsseldorf, Hamburg, Berlin oder in der Schweiz
Oktoberfeste. Die Leute wollen dort standesgemäß gekleidet sein. Das hat nichts mit Verkleidung
zu tun. Natürlich gibt es regionale Unterschiede. Im Süden dominiert im Moment wieder mehr das
Traditionelle – nach dem Motto: Weniger ist mehr. Wer hingegen in Düsseldorf ein Dirndl anzieht,
der möchte mit großer Wahrscheinlichkeit etwas Auffälliges, Verspieltes und Besonderes - ein
Abendkleid eben. Darüber hinaus ist die Dirndlwahl sehr anlassbezogen: Wenn ich zum Almauftrieb bei Käfer gehe, ziehe ich mich anders an, als wenn ich nur am Nachmittag in ein Wies’n-Zelt
gehe. Auf Hochzeiten habe ich etwas Auffälliges an, in dem ich mich beim Maibaumaufstellen
unwohl fühlen würde…
Tracht ist heute also Lifestyle?
Absolut – und es ist schön zu sehen, dass auch immer mehr Männer ihr Outfit anpassen und nicht
nur die Lederhosen anziehen. Sie stimmen das Einstecktuch mit Westen und Schuhen farblich ab
und erweitern ihre Grundausstattung. Sie haben heute oft mehrere Janker und Sakkos im Schrank.
Trends für 2016?
Es gibt regionale Unterschiede. In München geht der Trend zur Tradition. Es gibt neue Schnitte,
hochgeschlossene Schnitte, die wären vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen.
In deinem Beruf hast Du viel mit bekannten Persönlichkeiten zu tun. Wer trägt denn heute
AlpenHerz?
Die Liste wird immer länger. Bei den Männern ist Sven Hannawald unser Testimonial. Wir
haben aber auch schon Frank Rossin eingekleidet und Hugo Egon Balder war plötzlich in
unserem Laden gestanden. Ansonsten viele Rennfahrer, Schauspieler und Produzenten. Bei
den Frauen wären es zum Beispiel Sabine Lisicki, Simone Thomalla, Franziska Knuppe, Christine
Theiss, Gitta Saxx, Caroline Beil, Monica Ivancan oder Valentina Pahde von GZSZ und viele mehr...
Unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Sparten! Darauf zielt unser Ansatz ab. Mein
Kleiderschrank ist auch vielfältig: Mal ist mir nach Sportklamotten, mal nach dem kleinen Schwarzen, mal nach Jeans mit Bluse. Auch bei uns findet jeder, was er sucht. Witzigerweise sind die
meisten genau von diesem Gesamtportfolio beeindruckt. Sie schicken uns tolle Fotos und auch
Dankesmails, dass sie unsere Marke tragen dürfen. Das ist das größte Kompliment.
Wie sieht deine Trachtensaison aus. Was sind die schönsten Anlässe für Tracht?
Los geht es mit dem Filserball in München, dann das Frühlingsfest und die Nacht der Tracht. Das
ist ein schöner Auftakt in die Trachtensaison. Dann kommen die Waldfeste am Tegernsee, wo man
tatsächlich ein traditionelles Dirndl tragen sollte. Sonst fällt es auf. Weiter geht es in Kitzbühel mit
der Almrausch-Party, wo wir der Ausstatter der Promis sind und heuer mit einem neuen Händler
auch ein Event planen. Mitten im August steht dann die Allgäuer Festwoche in Kempten an.
Danach läuft es steil auf die Wies’n und den Wasen zu.
Ich nehme an, Du hast ganz viele beste Freundinnen so kurz vor der Wiesn?
Ganz viele, ja! Wobei das auch ein Lernprozess ist. Wir leihen nichts aus und ich kann auch nicht
plötzlich zehn Schneiderinnen aus dem Nirwana zaubern. Man sollte sich lieber rechtzeitig melden. Bei Maßanfertigungen lassen wir Stoffe produzieren. Das allein dauert vier bis sechs Wochen.
Und bei den Kollektionen ist irgendwann auch die Auswahl an Größen nicht mehr da.
Themenwechsel. Du bist privat mit einem DTM-Rennfahrer verheiratet und warst viel
unterwegs. Gibt es denn Orte, wo du dich besonders wohl gefühlt hast?
Schwierig zu sagen, denn bei den Rennen spielt sich 80 Prozent rund um die Rennstrecke ab.
Ab und zu hat man schon mal einen Abend frei und erkundet die Stadt. Heute könnte ich das gar
nicht mehr einrichten. Mir gefallen viele Orte, Homebase ist für mich nach wie vor Kempten und
das Allgäu, mit kurzem Weg nach München. Hier kommen wir runter, hier ist es ruhig. Meine zweite Heimat ist Mallorca – viele denken ich bin viel öfters dort als ich es tatsächlich bin, weil ich dort
auch am liebsten „poste“. Aber durch die Ferienzeit mit unserer Tochter und die Trachtensaison im
Sommer ist es inzwischen sehr eingeschränkt für mich. Allerdings wir dort auch oft gearbeitet –
dort habe ich auch schon eine Modenschau bei 33 Grad im Nikki-Beach veranstaltet.
Was macht Mallorca für dich aus?
Die Anbindung ist sensationell. Ich habe hier 20 Minuten zum Flughafen nach Memmingen, mit
Handgepäck bin ich in weniger als drei Stunden von Haus zu Haus. Wir haben dort einen großen
Bekanntenkreis, meine Tochter viele Freunde. Ansonsten natürlich auch die Abwechslung: romantische Buchten, Berglandschaften, Strände, tolle Restaurants und vor allem Jahreszeiten.
Was würdest Du jemanden empfehlen, der dort das erste Mal hinreist?
Das hängt vom Typ und der Jahreszeit ab: Im Frühjahr sollte man wandern gehen. Auch die
Mandelblüte ist wunderschön. Man muss sich einfach ein paar Ecken raussuchen, wo man sie findet. In der Region rund um Andratx kann man tolle Quadtouren unternehmen. Und: Radfahren auf
Mallorca… Im Hochsommer sind wir viel mit dem Boot unterwegs und in den Strandclubs.
Zum Beispiel?
Im Südwesten, zu einem Sundowner im Roxy Beach. Dann natürlich Nikki Beach oder Cap Falco
Beach zwischen Palma Nova und Sol de Mallorca. Richtig schön ist es auch in Portals Vells, besser
bekannt als Dreifingerbucht. Da gibt es zwei Strandlokale. Ein gehobenes und ein anderes: In dem
sind wir. Plastikstühle, Plastiktische, wo nur mal kurz drüber gewischt wird. Das geht eigentlich gar
nicht. Aber alle gehen hin, weil es dort einfach sensationellen Fisch gibt. Du isst gut, sitzt wunderschön direkt am Strand und siehst die Boote vor dir und das blaue Wasser…
Und wo gibt’s die beste Paella Mallorcas?
Auch dort! Wirklich!
Hast du vielleicht noch einen Restauranttipp?
Im Sommer bin ich gern im Coast in Port Adriano. Man sitzt toll, das Interieur ist schön und die
Fusion Kitchen sehr gut. In Porto Portals mag ich da Lila (mit Blick über die Bucht), das Ritzi und
natürlich Lucy Wang direkt im Hafen. Der Koch kocht übrigens im Winter im Lucy Wang in
Innsbruck und außerdem noch im Beachhouse direkt neben Nikki Beach. Erst kürzlich habe ich
das neue Restaurant „Can Punta“ in Portixol von meiner Freundin Sonja Kirchberger besucht und
war begeistert.
Und was richtig Uriges, Inseltypisches?
Da ist man in Palma nicht verkehrt. In der Stadtmitte gibt es eine Menge Tapas-Bars, da läuft man
einfach rein. Ansonsten noch C’an Pedro in Genova - alles sehr familiär und rustikal.
Fliegen wir zurück nach München. Hier hast du auch lange gelebt. Deine Highlights der Stadt?
Das ändert sich und verlagert sich mit der Zeit. Aktuell gehe ich gerne ins BLB München – die
Burger&Lobster Bank direkt hinterm Bayerischen Hof. Ansonsten ins Koi und ins Hugos. Im
Sommer kann man toll draußen sitzen, als Warm Up zum Weiterziehen. Da geht’s dann manchmal
noch ins Heart. Nachmittags bin ich gern im Brenners und auch in Schumanns Tagesbar. Ein
absoluter Klassiker für mich schon seit 15 Jahren: Das Cafe Glockenspiel mitten am Marienplatz
zum Frühstück mit Blick auf das Rathaus.
Dem pflichte ich bei!
Liebe Sandra, vielen Dank für dieses informative Gespräch und die vielen Tipps.