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Arbeitgeberverband der
Versicherungsunternehmen
in Deutschland
LEITFADEN
Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung
flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze
(Flexi-II)
I.
Ziel des Flexi-II-Gesetzes ...................................................................... 2
II. Die Rechtslage bis 31.12.2008 .............................................................. 2
1. Insolvenzsicherung ............................................................................... 3
2. Altersteilzeit ........................................................................................... 3
III. Neue Regelungen im Rahmen des Flexi-II-Gesetzes........................... 5
1. Beschäftigungsfiktion während der Freistellung ................................ 5
2. Definition „Wertguthabenvereinbarung".............................................. 6
3. Verwendung von Wertguthaben ........................................................... 7
4. Führung und Verwaltung von Wertguthaben....................................... 8
5. Beschränkung der Anlage von Wertguthaben..................................... 8
6. Werterhaltungsgarantie......................................................................... 9
7. Insolvenzsicherungsmaßnahmen......................................................... 9
8. Übertragung von Wertguthaben ......................................................... 13
9. Übergangsregelung für bestehende Wertguthaben .......................... 14
10. Sonderproblem Umwandlung von Sonderzahlungen in Freizeit ...... 14
Rechtsanwältin Betina Bilobrk
April 2009
Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland
I.
2
Ziel des Flexi-II-Gesetzes
Zum 01.01.2009 ist nach einem langen und intensiven Diskussionsprozess zwischen den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Ministerien (BMAS, BMF), den Sozialversicherungsträgern sowie den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften das als Anlage 1 beigefügte Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen flexibler Arbeitszeitregelungen (Flexi-II-Gesetz) in Kraft getreten.
Das Flexi-II-Gesetz enthält zahlreiche Neuregelungen im Zusammenhang mit der Führung von
längerfristig angesparten Arbeitszeitkonten (Langzeitkonten), die im Wesentlichen das Ziel
verfolgen, angesparte Wertguthaben umfassend vor den Folgen einer Insolvenz des Arbeitgebers
zu schützen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Vorgängerregelung zur Insolvenzsicherung
von Arbeitszeitkonten, zuletzt in § 7b SGB IV a.F. geregelt, wohl aufgrund ihres unverbindlich lautenden Wortlauts und fehlender Sanktionen bei Nichtbeachtung keinen ausreichenden Schutz
gegen die Folgen einer Insolvenz geboten hat. In der Vergangenheit blieben viele Forderungen
von Arbeitnehmern nach Auszahlung ihres angesparten Guthabens bei Eintritt der Insolvenz unbefriedigt, da häufig keine Insolvenzsicherung betrieben wurde.
Daneben enthält das Flexi-II-Gesetz zahlreiche arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Neuregelungen, die generell bei der Führung von Arbeitszeitkonten zu beachten sind. In Bezug auf die Umsetzung dieser Neuregelungen sind die Ausführungen der Spitzenorganisationen
der Sozialversicherungsträger in ihrem Rundschreiben vom 31.3.2009 zu beachten. Das Rundschreiben kann mit der elektronischen Ausgabe des Allgemeinen Rundschreibens (AR) des agv
abgerufen bzw. unter www.aok-business.de in der Rubrik Service/Rundschreiben heruntergeladen werden. Ebenso ist das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zu Zeitwertkonten
zu beachten, das bislang noch nicht in seiner Endversion veröffentlicht wurde und derzeit nur als
Entwurf vorliegt (s. Anlage 2). Bei den in beiden Schreiben getroffenen Aussagen handelt es sich
um sog. „Verwaltungsanweisungen“, welche die Gerichte nicht binden; im Rahmen von Betriebsprüfungen werden die dort aufgeführten Rechtsauffassungen jedoch von den Prüfern zu Grunde
gelegt.
Aufgrund der Komplexität der Materie wird zunächst die Rechtslage bis 31.12.2008 unter Einbeziehung der Altersteilzeit kurz dargestellt (Punkt II.) – anschließend folgt eine Erläuterung der
Neuregelungen (Punkt III.).
II.
Die Rechtslage bis 31.12.2008
Erstmalig im Jahre 1998 sind durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen gesetzliche Rahmenbedingungen für den Aufbau von Arbeitszeitkonten
in § 7 Abs. 1a SGB IV a.F. geschaffen worden. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass durch
Vorarbeit aufgebaute Arbeitszeitguthaben zur Finanzierung einer anschließenden Freistellungsphase verwendet werden. Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1a SGB IV a.F. bestand sodann für
Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt fort,
wenn in diesem Zeitraum Arbeitsentgelt fällig war, das mit einer vor oder nach diesen Zeiten erbrachten Arbeitsleistung erzielt wurde. Maßgebend war zudem, dass die Freistellung auf einer
schriftlichen Abrede beruhte, das in der Freistellungsphase gezahlte Entgelt 400,00 € überstieg
und nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate monatlich
fälligen Arbeitsentgelt abwich. Die angesparten Guthaben wurden als Wertguthaben definiert.
Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland
1.
3
Insolvenzsicherung
Die Voraussetzungen, unter denen diese Wertguthaben gegen Insolvenz zu sichern waren, sind
bis zum 31.12.2008 in § 7b SGB IV a.F. geregelt gewesen. Die Vorschrift sah eine Insolvenzsicherung vor, wenn der vereinbarte Zeitraum, in dem das Wertguthaben auszugleichen ist, 27 Kalendermonate nach der ersten Gutschrift übersteigt. Das Gesetz knüpfte jedoch an die Nichtbefolgung dieser Verpflichtung keine Sanktionen, sondern enthielt lediglich einen sog. „Appell“,
Vorkehrungen zu treffen.
§ 7b SGB IV a.F. hatte folgenden Wortlaut:
㤠7b Insolvenzschutz
(1) Die Vertragsparteien treffen im Rahmen ihrer Vereinbarungen nach § 7 Abs. 1a Vorkehrungen, die der Erfüllung der Wertguthaben einschließlich des auf sie entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dienen, soweit
1. ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht und
2. das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag einen Betrag in Höhe des Dreifachen der
monatlichen Bezugsgröße und der vereinbarte Zeitraum, in dem das Wertguthaben auszugleichen ist, 27 Kalendermonate nach der ersten Gutschrift übersteigt; in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung kann ein von
dem Dreifachen der monatlichen Bezugsgröße abweichender Betrag des Wertguthabens
und ein von 27 Kalendermonaten abweichender Zeitraum vereinbart werden.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung gegenüber dem Bund, einem Land oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, bei der das Insolvenzverfahren nicht zulässig ist.
(3) Der Arbeitgeber hat die Beschäftigten alsbald über die Vorkehrungen zum Insolvenzschutz in geeigneter Weise schriftlich zu unterrichten, wenn Wertguthaben die in Absatz 1
Nr. 2 genannten Voraussetzungen erfüllen.“
2.
Altersteilzeit
Altersteilzeitarbeit im Blockmodell stellt ihrem Grundwesen nach ein flexibles Arbeitszeitmodell
i.S.d. § 7 Abs. 1a SGB IV dar, bei dem ein Wertguthaben angespart wird. Eine Insolvenzsicherung war in der Vergangenheit grundsätzlich bei einer insgesamt über 4 ½ jährigen Altersteilzeit
erforderlich, da hier der Ausgleichszeitraum von 27 Kalendermonaten nach der ersten Gutschrift
überschritten wurde. Aufgrund der sanktionslosen Insolvenzsicherungsregelung in § 7b SGB IV
a.F. sind jedoch viele Unternehmen dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.
Mit dem „Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ hat der Gesetzgeber für
Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die ab 01.07.2004 angetreten wurden, eine spezielle Insolvenzsicherungsvorschrift in § 8a ATG geregelt, die im Vergleich zu § 7b SGB IV a.F. schärfere
Insolvenzsicherungsmaßnahmen vorsieht. Schuldrechtliche konzerninterne Sicherungsinstrumente, wie z.B. Patronatserklärungen und Bürgschaften, werden als ungeeignete Insolvenzsicherungsmaßnahmen deklariert. Außerdem hat der Arbeitnehmer rechtliche Möglichkeiten, eine Insolvenzsicherung herbeizuführen. § 8a ATG ist lex specialis gegenüber den Insolvenzsicherungs-
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vorschriften im SGB IV. Ein Wertguthaben aus Altersteilzeit im Blockmodell muss bereits ab der 1.
Stunde des Guthabenaufbaus gegen Insolvenz gesichert werden. § 8a ATG hat folgenden Wortlaut:
"§ 8a ATG Insolvenzsicherung
(1)
1
Führt eine Vereinbarung über die Altersteilzeitarbeit im Sinne von § 2 Abs. 2 zum Aufbau eines Wertguthabens, das den Betrag des Dreifachen des Regelarbeitsentgelts nach
§ 6 Abs. 1 einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag übersteigt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Wertguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag mit der ersten Gutschrift in geeigneter Weise gegen das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit abzusichern. 2Bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen
(§ 18 des Aktiengesetzes) begründete Einstandspflichten, insbesondere Bürgschaften,
Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte, gelten nicht als geeignete Sicherungsmittel im
Sinne des Satzes 1.
(2) Bei der Ermittlung der Höhe des zu sichernden Wertguthabens ist eine Anrechnung
der Leistungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a und b und § 4 Abs. 2 sowie der Zahlungen des Arbeitgebers zur Übernahme der Beiträge im Sinne des § 187a des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch unzulässig.
(3) 1Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform
nachzuweisen. 2Die Betriebsparteien können eine andere gleichwertige Art und Form des
Nachweises vereinbaren; Absatz 4 bleibt hiervon unberührt.
(4) 1Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach Absatz 3 nicht nach oder sind die
nachgewiesenen Maßnahmen nicht geeignet und weist er auf schriftliche Aufforderung
des Arbeitnehmers nicht innerhalb eines Monats eine geeignete Insolvenzsicherung des
bestehenden Wertguthabens in Textform nach, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass
Sicherheit in Höhe des bestehenden Wertguthabens geleistet wird. 2Die Sicherheitsleistung kann nur erfolgen durch Stellung eines tauglichen Bürgen oder Hinterlegung von
Geld oder solchen Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind. 3Die Vorschriften der §§ 233, 234 Abs. 2,
§§ 235 und 239 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.
(5) Vereinbarungen über den Insolvenzschutz, die zum Nachteil des in Altersteilzeitarbeit
beschäftigten Arbeitnehmers von den Bestimmungen dieser Vorschrift abweichen, sind
unwirksam.
(6) Die Absätze 1 bis 5 finden keine Anwendung gegenüber dem Bund, den Ländern, den
Gemeinden, Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, über deren
Vermögen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht zulässig ist, sowie solchen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert."
Für Altersteilzeit im Blockmodell, die vor dem 01.07.2004 begonnen wurde, bleibt unbeschadet
des § 8 a ATG sowie der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen verschärften Insolvenzsicherungsvorschriften weiterhin § 7b SGB IV a.F. die maßgebliche Norm für die Insolvenzsicherung. Dies
legt die Übergangsregelung in § 15g ATG ausdrücklich fest. Dort ist geregelt, dass für diese Altfälle die Vorschriften in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden
sind. D.h., die am 1.1.2009 in Kraft getretenen Neuregelungen, die nachfolgend unter Punkt III.
dargestellt werden, sind auf diese Altfälle der Altersteilzeit nicht anzuwenden. Erfreulicherweise
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führen auch die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger in ihrem Rundschreiben
aus, dass diese Altfälle der Altersteilzeit nicht unter die neuen Vorschriften fallen (s. Seite 30).
Folgende Skizzen sollen die Rechtslage noch einmal verdeutlichen:
(1)
Altersteilzeit
ATZ-Beginn vor dem 1.7.2004
ATZ ab 1.7.2004
§ 15g ATG-> § 7b SGB IV a.F.
(2)
ATZ ab 1.1.2009
§ 8a ATG
Langzeitkonten (ohne Altersteilzeit)
Beginn und Ende bis 31.12.2008
Aufbau vor dem 1.1.2009
Aufbau ab 1.1.2009
§ 7b SGB IV a.F.
§ 7b SGB IV a.F., aber
Insolvenzsicherungspflicht für
Wertguthaben nach § 7b
SGB IV n.F. ab
1.6.2009 (§ 116 III SGB IV)
§ 7b SGB IV n.F.
III.
Neue Regelungen im Rahmen des Flexi-II-Gesetzes
Nachfolgend werden die Neuregelungen des Flexi-II-Gesetzes im Überblick erläutert. Vorbehaltlich der Übergangsregelung in § 116 SGB IV (s. Ziffer 9) gelten die neuen/geänderten Vorschriften mit Wirkung ab 1. Januar 2009.
1.
Beschäftigungsfiktion während der Freistellung
§ 7 Abs. 1a SGB IV, der während der Freistellung von der Arbeit eine Beschäftigungsfiktion
erzeugt, wird neu gefasst. Hiernach besteht eine Beschäftigung auch in Zeiten der Freistellung
von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat fort, wenn
-
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig
ist und
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen
von dem Arbeitsentgelt für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht,
in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Das Arbeitsentgelt während der Freistellungsphase gilt nach Auffassung der Sozialversicherungsträger dann noch als angemessen, wenn es im Monat mindestens 70% und maximal 130% des
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durchschnittlich gezahlten Arbeitsentgelts der unmittelbar vorausgegangenen zwölf Kalendermonate der Arbeitsphase beträgt.
2.
Definition „Wertguthabenvereinbarung"
Das Flexi-II-Gesetz enthält in § 7b SGB IV eine Definition des Begriffs „Wertguthabenvereinbarung". Diese Definition ist Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Neuregelungen. Nur dann, wenn es
sich im Einzelfall um ein Wertguthaben i.S.d. § 7b SGB IV handelt, gelten die neuen Insolvenzsicherungsvorschriften bzw. Neuregelungen im Rahmen des Flexi-II-Gesetzes.
„Wertguthabenvereinbarung nach § 7b SGB IV
Eine Wertguthabenvereinbarung liegt vor, wenn
1.
2.
3.
4.
5.
der Aufbau des Wertguthabens aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung erfolgt,
diese Vereinbarung nicht das Ziel der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder
wöchentlichen Arbeitszeit oder den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen verfolgt,
Arbeitsentgelt in das Wertguthaben eingebracht wird, um es für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung oder der Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu entnehmen,
das aus dem Wertguthaben fällige Arbeitsentgelt mit einer vor oder nach der Freistellung von der Arbeitsleistung oder der Verringerung der vertraglich vereinbarten
Arbeitszeit erbrachten Arbeitsleistung erzielt wird und
das fällige Arbeitsentgelt insgesamt 400 Euro monatlich übersteigt, es sei denn, die
Beschäftigung wurde vor der Freistellung als geringfügige Beschäftigung ausgeübt."
Im Vergleich zur Vorgängerregelung ist besonders hervorzuheben, dass das Wertguthaben negativ von sogenannten Konten zur Flexibilisierung und Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit abgegrenzt wird. Daraus folgt:
Das Flexi-II-Gesetz findet keine Anwendung auf Gleitzeitkonten.
In der Praxis wird sich insbesondere dann, wenn diese Gleitzeitkonten ein erhebliches Stundenvolumen aufweisen, die Frage nach der Abgrenzung zu Langzeitkonten stellen. Das
Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger zum Flexi-II-Gesetz vom
31.03.2009 konkretisiert den Begriff dieser sog. Flexibilisierungskonten (Gleitzeitkonten) wie folgt
(S. 17):
„Derartige Arbeitszeitregelungen verfolgen nicht das Ziel der (längerfristigen) Freistellung von der
Arbeitsleistung unter Verwendung eines aufgrund Verzichts auf durch Vor- bzw. Nacharbeit zu
beanspruchendes in Wertguthaben angesparten Arbeitsentgelts. Vielmehr erfolgt bei diesen Arbeitszeitregelungen bei schwankender Arbeitszeit regelmäßig ein Ausgleich im Arbeitszeitkonto.
Sie verfolgen meist das Ziel, eine produktionsbedingte Verstetigung der Arbeitszeit, möglicherweise auch über einen längeren Zeitraum, zu ermöglichen. Nur ausnahmsweise werden zusätzlich
zum geschuldeten Arbeitsentgelt Zeitguthaben in Arbeitsentgelt abgegolten.“
Weder das Gesetz noch die Spitzenorganisationen legen eine konkrete Stundenzahl fest, ab deren Überschreiten von einem Wertguthaben i.S. der neuen Vorschriften auszugehen ist. Vielmehr
führen die Spitzenorganisationen in ihrem Rundschreiben aus, dass es für die Annahme einer
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Wertguthabenvereinbarung nicht auf die beabsichtigte Höhe des anzusparenden Wertguthabens
ankomme (S. 20). Die Abgrenzung erfolgt ausschließlich anhand des „Zwecks“ des Arbeitszeitkontos und wird in der Regel nur durch Auslegung der zu Grunde liegenden betrieblichen Regelungen vorzunehmen sein.
Praxistipp:
Bei Zweifeln, ob im Betrieb angesparte Arbeitszeitkonten den Gleitzeitkonten oder
den Langzeitkonten zuzuordnen sind, empfiehlt sich eine einleitende Konkretisierung in den Betriebsvereinbarungen dahingehend, dass diese Konten ausschließlich der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit und
nicht der Ermöglichung längerfristiger Freistellungszeiträume dienen.
Zudem ist auf eine weitere Besonderheit hinzuweisen. Die Wertguthabenvereinbarung muss im
Regelfall vorsehen, dass das fällige Arbeitsentgelt regelmäßig 400,00 € monatlich übersteigt.
Bislang konnten geringfügig Beschäftigte kein Wertguthaben aufbauen. Dies ist nach neuer
Rechtslage anders. Nunmehr können die aus einem Wertguthaben zu zahlenden Arbeitsentgelte
unter 400,00 € monatlich liegen, wenn die Beschäftigung vor der Freistellung als geringfügige
Beschäftigung ausgeübt wurde.
3.
Verwendung von Wertguthaben
Das Gesetz enthält in § 7c SGB IV einen nicht abschließenden Katalog für mögliche Verwendungszwecke des Wertguthabens, die für den Arbeitgeber jedoch nicht verpflichtend sind. Bislang enthielt das Gesetz hierzu gar keine Regelungen. Als mögliche Freistellungszwecke sind
folgende gesetzlich geregelte Freistellungen genannt:
Pflegezeit, Elternzeit, Teilzeit.
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vertreten die Auffassung (S. 25), dass
Arbeitnehmer bei ab 1.1.2009 abgeschlossenen Wertguthabenvereinbarungen stets einen Anspruch auf Wertguthabenverwendung für Zeiten dieser gesetzlichen Freistellungsmöglichkeiten
hätten, es sei denn, diese Ansprüche wären in den entsprechenden betrieblichen Regelungen
ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Auffassung teilt der agv nicht. Unseres Erachtens ergeben
sich die gesetzlichen Freistellungsmöglichkeiten bereits dann nicht in zwingender Form, wenn sie
in den maßgeblichen betrieblichen Regelungen nicht positiv benannt sind. Bedauerlicherweise ist
der Wortlaut des § 7c SGB IV an dieser Stelle nicht eindeutig.
Praxishinweis:
Sollte eine Wertguthabenverwendung zu den gesetzlich benannten Zwecken nicht
im Interesse des Unternehmens liegen, wird sicherheitshalber empfohlen, in ab
dem 1.1.2009 abgeschlossenen Wertguthabenvereinbarungen ausdrücklich zu regeln, dass die Wertguthabenverwendung für gesetzliche Freistellungszwecke wie
Elternzeit, Pflegezeit und Teilzeit ausgeschlossen ist.
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Missverständlich ist zudem die Regelung in § 7c Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. c, nach der § 8 TzBfG (der
den Anspruch auf Teilzeitarbeit regelt) mit der Maßgabe gelten soll, dass die Verringerung der
Arbeitszeit auf die Dauer der Entnahme aus dem Wertguthaben befristet werden kann. Diese Regelung ließe sich zum Nachteil des Arbeitgebers dahingehend auslegen, dass der Arbeitnehmer
seinen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG befristen kann. § 8 TzBfG gewährt seinem Wortlaut nach
aber keinen Anspruch auf eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit. Unklar ist, ob der Gesetzgeber diese Rechtsfolge bezwecken wollte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei
§ 7c SGB IV um eine sozialversicherungsrechtliche Vorschrift handelt, die aus Gründen der
Transparenz nicht „durch die Hintertür“ arbeitsrechtliche Gesetze verändern darf. Nach Auffassung des agv ist die Regelung rein deklaratorisch und so zu verstehen, dass der Arbeitnehmer –
sofern der Arbeitgeber dem zustimmt – eine zeitlich befristete Teilzeitbeschäftigung mit Absparung aus dem Wertguthaben vereinbaren kann.
Als weitere Freistellungsmöglichkeiten sind im § 7c Abs. 1 Ziff. 2 SGB IV die sog. Frühpensionierung, d. h. eine Freistellung unmittelbar vor Beginn des Bezugs einer Altersrente, sowie eine Freistellung für die Teilnahme an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen genannt.
Praxishinweis:
Bei der Festlegung der Freistellungszwecke besteht kein Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da es sich hier nicht um eine Frage
der betrieblichen Lohngestaltung handelt. Die Festlegung der Freistellungszwecke
unterliegt der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers.
4.
Führung und Verwaltung von Wertguthaben
Künftig sind Wertguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gem. § 7d Abs. 1 SGB IV zwingend als Arbeitsentgeltguthaben zu führen. Arbeitszeitguthaben sind in Arbeitsentgelt umzurechnen. Nach alter Gesetzeslage
konnten Wertguthaben auch in „Zeit" geführt werden. Dies ist nach neuem Recht grundsätzlich
nicht mehr möglich.
Nach § 116 Abs. 1 SGB IV, der Übergangsregelung zum Flexi-II-Gesetz, können jedoch bereits
bestehende Wertguthaben, die am 01.01.2009 in Zeit geführt wurden, weiterhin als Zeitguthaben
geführt werden. Gleiches gilt für neue Wertguthabenvereinbarungen, wenn sie auf der Grundlage
früherer Vereinbarungen, z. B. entsprechender Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, abgeschlossen werden und dort eine Führung als Zeitguthaben vorgesehen ist.
Gemäß § 7d Abs. 2 SGB IV haben Arbeitgeber die Beschäftigten mindestens einmal jährlich in
Textform über die Höhe ihres im Wertguthaben enthaltenen Arbeitsentgeltguthabens zu unterrichten.
5.
Beschränkung der Anlage von Wertguthaben
Das Gesetz enthält in § 7d Abs. 3 SGB IV Restriktionen zur Anlage der Wertguthaben. Das Gesetz verweist auf die strengen Anlagevorschriften der Sozialversicherungsträger in den §§ 80 ff.
SGB IV mit der Maßgabe, dass eine Anlage in Aktien oder in Aktienfonds bis zu einer Höhe von
20 % zulässig sei. Ein höherer Anlageteil in Aktien oder Aktienfonds soll nur durch Tarifvertrag,
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aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung zulässig sein. Eine weitere Ausnahme besteht dann, wenn das Langzeitkonto ausschließlich den Zweck verfolgt, Arbeitnehmer vor
Bezug der Altersrente freizustellen. Positiv zu bewerten ist, dass die Spitzenorganisationen auf
Drängen der Arbeitgeberverbände eine Aussage in ihrem Rundschreiben dahingehend getroffen
haben, dass die §§ 80 ff. SGB IV lediglich entsprechende Anwendung finden (S. 25). Aus diesem Grund dürfte nunmehr auch eine Anlage der Wertguthaben in Lebensversicherungsprodukte
unbedenklich sein, da die Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) sich nicht mit
den §§ 80 ff. SGB IV decken, inhaltlich jedoch die gleiche Zielrichtung verfolgen.
Die Anlagebeschränkung hat lediglich Wirkung für seit 1. Januar 2009 angesparte Wertguthaben
sowie bereits am 31. Dezember 2008 bestehende Wertguthaben, für die Neuanlageentscheidungen getroffen werden.
6.
Werterhaltungsgarantie
Gem. § 7d Abs. 3 SGB IV ist der Arbeitgeber verpflichtet, zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme
des Wertguthabens einen Rückfluss mindestens in Höhe des angelegten Betrages zu gewährleisten. Diese „Werterhaltungsgarantie“, gegen die wir uns über die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vehement zur Wehr gesetzt hatten, schränkt die Rendite- und Entwicklungschancen beim Aufbau von Langzeitkonten unangemessen ein. Akzeptabel ist sie dort,
wo – wie bei der betrieblichen Altersvorsorge – klar erkennbar ist, zu welchem Zeitpunkt die Vertragsparteien mit einer den Werterhalt auslösenden Auflösung des Wertguthabens rechnen müssen. Das Gesetz sieht jedoch bedauerlicherweise einen zu jedem beliebigen Zeitpunkt garantierten Werterhalt vor – folglich auch bei kurzfristig möglichen Freistellungen wie Pflegezeit und Teilzeit. Erwirtschaftete Erträge werden nicht von der Werterhaltungsgarantie erfasst.
Auch das Bundesministerium der Finanzen hat in seinem Entwurf eines Schreibens zu der lohnund einkommenssteuerlichen Behandlung sowie Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Zeitwertkonten-Modellen die Werterhaltungsgarantie während der gesamten Auszahlungsphase zur Voraussetzung der steuerlichen Anerkennung gemacht.
Die Spitzenorganisationen stellen zudem in ihrem Rundschreiben klar, dass die Anlagebeschränkung (Ziffer 5) und die Werterhaltungsgarantie arbeitsrechtlichen Schutzcharakter haben. Die
Nichtbefolgung dieser Regelungen könne bei Untergang des Wertguthabens Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Jedenfalls seien sozialversicherungsrechtliche Sanktionsregelungen
nicht vorgesehen. Die Sozialversicherungsträger können keine Aussagen über die ausreichende
Qualifikation bestimmter Anlagemodelle treffen, zumal die für Sozialversicherungsträger geltenden Anlagevorschriften nur entsprechende Anwendung finden.
7.
Insolvenzsicherungsmaßnahmen
In § 7e SGB IV sind die vom Arbeitgeber zu treffenden Insolvenzsicherungsmaßnahmen sowie
die Sanktionen für den Fall einer Nichtbefolgung dieser Verpflichtungen geregelt. Hiernach hat der
Arbeitgeber das Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrages – also auch der Arbeitgeberanteile - gegen das Risiko der Insolvenz vollständig abzusichern. Die Einzahlung des Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist
laut Rundschreiben der Spitzenorganisationen auch für Wertguthaben zu entrichten, die vor dem
01.01.2009 aufgebaut wurden (S. 28).
Anders als noch im Entwurf des Schreibens der Spitzenorganisationen, nach dem der Arbeitgeberanteil nur in dem Umfang gegen Insolvenz zu sichern sein sollte, in dem dieser im Störfall zu
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zahlen wäre, ist nunmehr der gesamte Arbeitgeberanteil gegen Insolvenz zu sichern. Auslöser
dieser Änderung ist das BMAS. Nach dessen gegenüber den Sozialversicherungsträgern geäußerten Rechtsauffassung führt die Insolvenz des Arbeitgebers nicht zwingend zum Störfall. Vielmehr solle die Insolvenzsicherung gerade in diesem Fall die Abwicklung des Wertguthabens soweit als noch möglich sicherstellen. Dies erfordere, dass der komplette Gesamtsozialversicherungsbeitrag gegen Insolvenz gesichert werden muss.
Für Wertguthabenvereinbarungen, die vor dem 31. Dezember 2008 geschlossen und für die noch
keine ausreichenden Insolvenzsicherungsmaßnahmen getroffen worden sind, ist ein ausreichender Insolvenzschutz bis spätestens 31. Mai 2009 nachzuholen.
a.
Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Insolvenzsicherung
Eines Insolvenzschutzes bedarf es zudem nur, soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nach dem
SGB III nicht besteht und das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags einen Betrag in Höhe der monatlichen Bezugsgröße
übersteigt. Die Insolvenzsicherungspflicht von Langzeitkonten tritt folglich bereits ab einem Wertguthaben von 2.520,00 € (West) bzw. 2.235,00 € (Ost) ein. Der bisherige zeitliche Schwellenwert
von 27 Monaten ist gestrichen und der finanzielle Schwellenwert von der dreifachen monatlichen
Bezugsgröße auf die einfache monatliche Bezugsgröße reduziert worden.
b.
Art des Insolvenzschutzes
In § 7e Abs. 2 SGB IV ist geregelt, dass das Wertguthaben unter Ausschluss der Rückführung
durch einen Dritten geführt werden muss, der im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers für die Erfüllung der Ansprüche einsteht. Die Vertragsparteien können jedoch ein anderes, einem Treuhandverhältnis gleichwertiges, Sicherungsmittel vereinbaren, insbesondere ein Versicherungsmodell oder ein schuldrechtliches Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodell mit ausreichender
Sicherung gegen Kündigung. Der Gesetzgeber hat in § 7e SGB IV keinen konkreten Katalog geeigneter Sicherungsmaßnahmen vorgeschrieben. Aus der Gesetzesbegründung wird jedoch deutlich, dass das Wertguthaben so gesichert sein soll, dass es im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers
nicht in die Insolvenzmasse fällt und der Arbeitnehmer sich mit der Quote eines einfachen Insolvenzgläubigers zufrieden geben muss.
In § 7e Abs. 3 SGB IV hat der Gesetzgeber jedoch geregelt, dass bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen begründete Einstandspflichten, insbesondere Bürgschaften,
Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte keine geeigneten Absicherungsmittel darstellen. Kapitallebensversicherungen, die innerhalb des Konzerns abgeschlossen werden, fallen nach Auffassung des agv nicht unter diese explizite negative Beschränkung. Lebensversicherungen können
schuldrechtlichen konzerninternen Sicherungsinstrumenten in Bezug auf deren Insolvenzfestigkeit
nicht gleichgestellt werden. Nachdem der agv diesen Punkt, insbesondere den pauschalen Wortlaut des Gesetzes schon seit Inkrafttreten des § 8 a ATG immer wieder über die BDA kritisiert
hatte, sind wir sehr erfreut, dass die Spitzenorganisationen sich in ihrem Rundschreiben unserer
Auffassung angeschlossen haben (S. 28).
Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland
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Praxishinweis:
Kommerziell angebotene Sicherungsinstrumente fallen nicht unter das Verbot der
konzerninternen Absicherung. Die Nutzung einer Rückdeckungsversicherung aus
den Versicherungsprodukten einer Versicherungsgesellschaft ist auch für die Insolvenzsicherung der Wertguthaben eigener Beschäftigter möglich.
Gem. § 7e Abs. 4 SGB IV hat der Arbeitgeber den Beschäftigten unverzüglich über die Vorkehrungen zum Insolvenzschutz in geeigneter Weise schriftlich zu unterrichten.
c.
Drohende Sanktionen bei fehlender Insolvenzsicherung
Der Arbeitnehmer kann gem. § 7e Abs. 5 SGB IV die Wertguthabenvereinbarung mit sofortiger
Wirkung kündigen, sofern der Beschäftigte den Arbeitgeber schriftlich aufgefordert hat, seinen
gesetzlichen Verpflichtungen zum Insolvenzschutz nachzukommen und der Arbeitgeber dem Beschäftigten nicht innerhalb von zwei Monaten die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Insolvenzsicherung des Wertguthabens nachweist. Als Konsequenz wäre das Wertguthaben nach Maßgabe
des § 23b Abs. 2 SGB IV aufzulösen. In diesem Fall wäre das Wertguthaben an den Mitarbeiter
auszuzahlen. Das Wertguthaben würde sofort sowohl der Beitragspflicht zur Sozialversicherung
als auch der Steuerpflicht unterliegen. Sollte der Arbeitnehmer durch die Kündigung des Wertguthabens einen Schaden erleiden, ist eine Haftung des Arbeitgebers wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten nicht ausgeschlossen.
Neu ist zudem, dass künftig der Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung
festzustellen hat, ob der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen zur Insolvenzsicherung nachkommt.
Stellt der Träger der Rentenversicherung fest, dass
−
keine Insolvenzschutzregelung getroffen wurde oder
−
die Sicherungsmittel ungeeignet sind oder in ihrem Umfang das Wertguthaben um mehr
als 30 % unterschreiten oder
−
der Arbeitgeber den im Wertguthaben enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrag außer Acht gelassen hat,
so weist der Träger der Rentenversicherung in dem Verwaltungsakt nach § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV den in dem Wertguthaben enthaltenen und vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag aus. In diesem Fall ist der Arbeitgeber zur sofortigen Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages verpflichtet, es sei denn, er weist dem Träger der Rentenversicherung innerhalb von zwei Monaten nach der Feststellung nach, dass er seinen Insolvenzsicherungsverpflichtungen ausreichend nachgekommen ist. Gelingt ihm diese sog. „Heilung“ nicht,
ist die Wertguthabenvereinbarung als von Anfang an als unwirksam anzusehen. Das Wertguthaben wäre in diesem Fall im Rahmen eines Störfalls aufzulösen.
Für Wertguthabenvereinbarungen nach § 7b SGB IV, die vor dem 31.12.2008 geschlossen sind
und bei denen keine Vorkehrungen für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers vereinbart sind,
gelten die soeben dargestellten Sanktionen mit Wirkung ab dem 01.06.2009 (s. § 116 Abs. 3
SGB IV).
Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland
d.
12
Durchgriffshaftung auf organschaftliche Vertreter
Kommt es wegen eines nicht geeigneten oder nicht ausreichenden Insolvenzschutzes zu einer
Verringerung oder einem Verlust des Wertguthabens, haftet der Arbeitgeber für den entstandenen
Schaden. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, haften daneben auch die organschaftlichen Vertreter gesamtschuldnerisch für den Schaden. Erstmalig statuiert das Gesetz somit eine Durchgriffshaftung auf die hinter der Gesellschaft
agierenden Organe. § 7e Abs. 7 SGB IV stellt haftungsrechtlich betrachtet ein absolutes „Novum“
dar. Bislang war eine Durchgriffshaftung auf die Organe juristischer Personen nur in besonders
gravierenden Missbrauchsfällen (Entzug des Gesellschaftsvermögens durch die Organe) bzw. bei
vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durch die Organe gem. § 826 BGB denkbar. Die organschaftlichen Vertreter haften als Gesamtschuldner mit ihrem persönlichen Vermögen neben der
juristischen Person/Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit. Eine haftungsrechtliche Besonderheit
besteht zudem in der Umkehr der Beweislast zu Gunsten der Arbeitnehmer. Das Verschulden des
organschaftlichen Vertreters für den Schaden muss nicht – wie dies nach allgemein zivilrechtlichen Maßstäben der Fall wäre – der Arbeitnehmer beweisen, sondern der organschaftliche Vertreter kann sich nur dann entlasten, wenn er nachweist, dass ihn an dem Verlust des Wertguthabens kein Verschulden trifft.
e.
Wechsel des Insolvenzschutzes
Nach § 7e Abs. 8 SGB IV ist eine Beendigung, Auflösung oder Kündigung der Vorkehrungen zum
Insolvenzschutz vor der bestimmungsgemäßen Auflösung des Wertguthabens unzulässig, es sei
denn, die Vorkehrungen werden mit Zustimmung des Beschäftigten durch einen mindestens
gleichwertigen Insolvenzschutz abgelöst.
Diese Regelung greift unverhältnismäßig in die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers ein und
verursacht einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber, wenn aus finanziellen
oder sonstigen Gründen eine Veränderung des Insolvenzschutzes geboten ist. Zudem ist zu berücksichtigten, dass der einzelne Arbeitnehmer in der Regel nicht die Sachkunde besitzen wird,
zu beurteilen, inwieweit eine alternative gleichwertige Sicherung gegeben ist und daher die Gefahr besteht, dass er bereits aus diesem Grund sein Einverständnis verweigert bzw. generell aus
unsachlichen Gründen (z.B. Verärgerung über den Arbeitgeber) der Änderung nicht zustimmt.
Praxishinweis:
Der Arbeitgeber sollte bereits zu Beginn der Wertguthabenvereinbarung vertraglich
mit dem Arbeitnehmer eine Regelung dahingehend treffen, dass das Zustimmungsrecht des Arbeitnehmers nach § 7e Abs. 8 SGB IV auf den Betriebsrat
übergeht. In diesem Fall muss der Arbeitgeber nicht in jedem Einzelfall eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer herbeiführen, sondern dessen Rechte werden,
wie in vielen anderen Angelegenheiten auch, von dem Betriebsrat wahrgenommen. Diese Verfahrensweise bietet sich an, wenn ein kooperatives Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gegeben ist.
Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland
8.
Übertragung von Wertguthaben
a.
Übertragung auf einen neuen Arbeitgeber
13
Bei einem Wechsel des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer künftig gem. § 7f SGB IV sein Wertguthaben auf den neuen Arbeitgeber übertragen, wenn dieser mit dem Beschäftigten eine Wertguthabenvereinbarung abgeschlossen hat und dieser Übertragung zustimmt. Der Arbeitnehmer
muss die Übertragung beim alten Arbeitgeber schriftlich verlangen. Diese nunmehr gesetzlich
statuierte Verfahrensweise war bisher auch vertraglich vereinbar.
b.
Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung
Neu in § 7f SGB IV (in der Fassung ab 01.07.2009) geregelt ist die Möglichkeit, Wertguthaben auf
die Deutsche Rentenversicherung Bund zu übertragen. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Beschäftige vom bisherigen Arbeitgeber verlangen, dass das Wertguthaben auf
die Deutsche Rentenversicherung übertragen wird. Voraussetzung ist, dass das Wertguthaben
einschließlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages einen Betrag in Höhe des Sechsfachen
der monatlichen Bezugsgröße [zu übertragendes Mindestwertguthaben damit in 2009:
15.120,00 € (West); 12.810,00 € (Ost)] übersteigt. Die Rückübertragung ist in diesem Fall ausgeschlossen. Die Deutsche Rentenversicherung verwaltet Wertguthaben getrennt von ihrem sonstigen Vermögen treuhänderisch und hat dabei die Anlagevorschriften der §§ 80 ff. SGB IV zu beachten. Der hierdurch entstehende Verwaltungsaufwand wird aus den Wertguthaben finanziert.
Eine strikte Bindung des Arbeitnehmers an früher vereinbarte Verwendungszwecke beim alten
Arbeitgeber besteht gegenüber der Deutschen Rentenversicherung nicht. Vielmehr kann der Arbeitnehmer das Wertguthaben auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses, z.B. für Überbrückungszeiten bis zur (abschlagsfreien) Rente, in Anspruch nehmen.
c
Überführung von Wertguthaben in die betriebliche Altersversorgung
Für die Fälle, in denen das gebildete Wertguthaben nicht vereinbarungsgemäß für eine Freistellung von der Arbeitsleistung oder die Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit in Anspruch genommen wird oder nicht mehr für solche Zeiten wegen vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verwendet werden kann (Störfälle), gilt ein besonderes Verfahren für
die Berechnung und Zuordnung der Sozialversicherungsbeiträge (§ 23b Abs. 2 und 2a SGB IV).
Die Möglichkeit, eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass in einigen sog. Störfällen Wertguthaben beitragsfrei in die betriebliche Altersversorgung (BAV) überführt werden, entfällt bedauerlicherweise zukünftig. Der Hintergrund dafür ist, dass nach Auffassung des Gesetzgebers diese
Gestaltungsvariante (zu) exzessiv ausgenutzt wurde und sich quasi zu einem sechsten Durchführungsweg der BAV entwickelt hätte. Die Möglichkeit, Wertguthaben in die betriebliche
Altersversorgung umzubuchen, war ein praktikabler Weg, Störfälle interessengerecht abzuwickeln. Diese Möglichkeit besteht nun gem. § 23b Abs. 3a SGB IV nur noch für individuelle Wertguthabenvereinbarungen, die vor dem 14.11.2008 geschlossen worden sind (s. Rundschreiben
der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger, Seite 45). Die Verwendung des Wertguthabens für die betriebliche Altersversorgung muss in diesen Fällen allerdings bereits bei Abschluss der Wertguthabenvereinbarung vorgesehen worden sein oder im Zusammenhang mit
einer später (jedoch vor dem 14.11.2008) abgeschlossenen betrieblichen Altersversorgung erfolgt
sein.
Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland
9.
14
Übergangsregelung für bestehende Wertguthaben
§ 116 SGB IV regelt, inwieweit die eben dargestellten Neuregelungen auf bestehende Wertguthaben Anwendung finden, die vor dem 1.1.2009 aufgebaut wurden. Für diese Wertguthaben ist gemäß § 116 Abs. 3 SGB IV ein den Kriterien des § 7e Abs. 1 und 2 SGB IV entsprechender Insolvenzschutz bis spätestens 31.05.2009 nachzuholen.
10.
Sonderproblem Umwandlung von Sonderzahlungen in Freizeit
Der Tarifvertrag PVT enthält in den §§ 3 Ziff. 3 und 13 Ziff. 9, jeweils letzter Absatz, eine Regelung, wonach Sonderzahlungen auf Basis einer individualvertraglichen Vereinbarung oder einer
freiwilligen Betriebsvereinbarung in Freizeit abgegolten werden können.
Werden diese in ein Arbeitszeitguthaben umgewandelten Sonderzahlungen nun nicht unmittelbar
verbraucht, sondern als Arbeitszeitguthaben „gespeichert“, so stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber diesbezüglich zu einer Insolvenzsicherung verpflichtet ist.
Die Entscheidung ist anhand der oben unter III. 2 dargestellten Definition des „Wertguthabens“
gemäß § 7b SGB IV zu treffen. Danach handelt es sich u.a. nicht um Wertguthaben, wenn die
(schriftliche) Vereinbarung der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen dient. Dies, sowie die
obige allgemein anerkannte Aussage, dass das Flexi-II-Gesetz keine Auswirkungen auf Gleitzeitkonten entfaltet, führt dazu, dass jedenfalls dann, wenn das durch die Umwandlung der Sonderzahlungen in Arbeitszeit entstandene Zeitguthaben nicht auf einem separaten Konto verbucht
wird, sondern direkt auf dem Gleitzeitkonto oder maximal auf einem Unterkonto des Gleitzeitkontos, das Flexi-II-Gesetz nicht anzuwenden ist.
Praxistipp:
Verbuchen Sie das durch die Umwandlung von Sonderzahlungen in Arbeitszeit
entstandene Guthaben auf dem Gleitzeitkonto oder einem Unterkonto des Gleitzeitkontos.
Treffen Sie in der Vereinbarung eine ausdrückliche Regelung, wonach das aufgrund der Umwandlung der Sonderzahlungen entstandene Arbeitszeitguthaben
ausschließlich der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit und nicht der Ermöglichung längerfristiger Freistellungszeiträume dient.