A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee

Transcription

A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee
David A. Harris
Executive Director
Dr. Peter Struck
Bundesverteidigungsminister
A Decade of BundeswehrAmerican Jewish
Committee Cooperation
The American Jewish Committee Berlin Office
Lawrence & Lee Ramer Center for German - Jewish Relations
Mosse Palais · Leipziger Platz 15 · 10117 Berlin
Tel. (030) 22 65 94-0 · Fax (030) 22 65 94-14 · www.ajc.org
Zehnjähriges Bestehen der
Kooperation Bundeswehr –
American Jewish Committee
David A. Harris
Executive Director
American Jewish Committee
Geschäftsführer des
American Jewish Committee
A Decade of BundeswehrAmerican Jewish Committee
Cooperation
Bundesakademie für
Sicherheitspolitik
Berlin, November 22, 2004
Dr. Peter Struck
German Minister of Defense
Bundesminister für Verteidigung
Bundesrepublik Deutschland
Zehnjähriges Bestehen der
Kooperation Bundeswehr –
American Jewish Committee
Bundesakademie für
Sicherheitspolitik
Berlin, 22. November 2004
INTRODUCTION FOR SPEECHES ON THE OCCASION OF THE
BUNDESWEHR GOLDEN CROSS OF HONOR AWARD TO DAVID A. HARRIS, BERLIN, NOVEMBER 22, 2004
Ten Years AJC and German Bundeswehr
Zehn Jahre AJC und Deutsche Bundeswehr
Since its founding in 1906 by American
Jews of German origin, the American Jewish
Committee has been devoted to advancing
democracy, the rule of law, pluralism, and
mutual respect among diverse racial, religious
and national groups. Therefore, after the
crushing defeat of the Nazi regime, AJC leaders
decided it was essential to work closely on deNazification with Allied occupation authorities
and democratically minded German leaders,
convinced that the best way to prevent the
recurrence of facism was to assist in the reconstruction and strengthening of democracy in
post-World War II Germany. In the decades
that have ensued, the AJC has remained active
in its commitment to foster exchange and dialogue with government authorities and nonprofit institutions in Germany.
Seit das American Jewish Committee (AJC)
von Amerikanischen Juden deutscher Herkunft im
Jahre 1906 gegründet wurde, verpflichtete sich die
Organisation zur Stärkung von Demokratie,
Rechtstaatlichkeit, Pluralismus und gegenseitigem
Respekt zwischen unterschiedlichen ethnischen,
religiösen und nationalen Gruppen. Nach der
Zerschlagung des Nazi-Regimes war es deshalb für
das AJC klar, dass man eng mit den Alliierten und
demokratisch gesinnten Deutschen an der
Entnazifizierung arbeiten musste. Das AJC war
davon überzeugt, dass sich die Wiederkehr des
Faschismus am ehesten verhindern ließe, indem
die Organisation beim Wiederaufbau und der
Stärkung der Demokratie im Nachkriegsdeutschland half. In den nachfolgenden Jahrzehnten hat
das AJC durchgehend an dieser Einstellung festgehalten und den Austausch und Dialog mit
Regierungsmitgliedern und Nichtregierungsorganisationen in Deutschland gepflegt.
One of the most remarkable chapters in
this relationship is the link established in 1994
between the German Bundeswehr and the AJC.
Since then, hundreds of German army officers
have visited AJC offices and learned about the
U.S. and American Jewry. For their part, hundreds of AJC leaders have engaged in dialogue
with representatives of the Bundeswehr, which
is one of the most important institutions
upholding democratic ideals in Germany. In all,
literally thousands of people on both side of
the Atlantic have been touched by this unique
connection between a Jewish nongovernmental organization and the German armed forces.
Eine der bedeutendsten Partnerschaften
wurde 1994 zwischen dem AJC und der
Bundeswehr ins Leben gerufen. Seit Beginn dieses
Dialogs
besuchten
hunderte
deutscher
Bundeswehr-Offiziere das AJC-Büro in New York
und informierten sich über die USA und das amerikanische Judentum. Von Seiten des AJC haben
hunderte Vertreter den Dialog mit Repräsentanten
der Bundeswehr gesucht – einer der wichtigsten
Institutionen in der Beibehaltung und Stärkung
demokratischer Ideale in Deutschland. Insgesamt
kamen tausende Menschen auf beiden Seiten des
2
Einführung zu den Reden anlässlich der Verleihung
des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold an David A. Harris, Berlin, 22. November 2004
In New York, Washington and Berlin in
2004, the AJC and the Bundeswehr celebrated
ten years of exchange, cooperation and
friendship. During the ceremony held in Berlin
at the Federal Security Academy, AJC Executive
Director David Harris was awarded the
Bundeswehr’s Golden Cross of Honor by
German Defense Minister Peter Struck. Both
speeches, which are a testimony to the
strength of German-Jewish relations, are documented here.
Atlantiks durch diese einmalige Verbindung zwischen einer jüdischen Nichtregierungsorganisation
und dem Deutschen Militär miteinander in
Berührung.
Im Jahre 2004 feierten das AJC und die
Bundeswehr in New York, Washington und Berlin
zehn Jahre des Austauschs, der Kooperation und
Freundschaft. Während des Festakts in Berlin in
der Akademie für Sicherheitspolitik wurde der
Geschäftsführer des AJC, David Harris, mit dem
Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold ausgezeichnet. Der deutsche Verteidigungsminister Peter
Struck überreichte die Auszeichnung. In dieser
Broschüre finden Sie beide Reden, die ein Zeugnis
für die Stärke der deutsch-jüdischen Beziehungen
ablegen.
3
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by Dr. Peter Struck, German Minister of Defense
at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, November 22, 2004
Dr. Peter Struck:
Dr. Peter Struck:
A warm welcome to the
Federal Academy for Security
Policy!
Herzlich Willkommen an
der
Bundesakademie
für
Sicherheitspolitik!
I am very pleased that so
many prominent people have
come together to recognize an
important relationship.
Ich freue mich sehr, dass
heute so viele herausragende
Persönlichkeiten
zusammen
gekommen sind, um eine
bedeutende Beziehung angemessen zu würdigen.
Die 10-jährige, intensive Verbindung zwischen dem American Jewish Committee und
der Bundeswehr erfüllt uns mit Dankbarkeit.
Wir sind dankbar nicht nur wegen der
besonderen Verpflichtung Deutschlands
gegenüber dem jüdischen Volk.
Dankbar sind wir auch dafür, dass wir mit
dem American Jewish Committee einen
Partner gefunden haben, der sich so erfolgreich um Völkerverständigung und den
deutsch-jüdischen Dialog bemüht.
Ihnen ist es zu verdanken, wenn die
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr
nicht mit der Wehrmacht in Verbindung
gebracht werden – sondern als Streitkräfte in
einer Demokratie, die für die Menschenrechte
einstehen, verstanden und wahrgenommen
werden.
Dem AJC ist es auch zu verdanken, wenn
die Menschen in Deutschland mehr und mehr
Verständnis für die Kultur und Belange – nicht
nur der amerikanischen – Juden finden.
Darüber hinaus bieten Sie ein hoch willkommenes Forum für den transatlantischen
Dialog, der für Deutschland außerordentlich
wichtig ist.
Diesen Dialog weiter zu fördern und auszubauen, ist Verpflichtung und Gebot. Dieser
The intensive 10-year relationship between the American Jewish
Committee and the Bundeswehr fills us all with
gratitude.
We are grateful not only because of Germany’s special obligation to the Jewish people.
We are also grateful that we have found in
the American Jewish Committee a partner that
has worked so successfully for international
understanding and German-Jewish dialogue.
We have you to thank for the fact that
Bundeswehr soldiers are no longer thought of
in connection with the Wehrmacht, but are
understood and perceived as the armed forces
of a democracy who stand up for human rights.
It is also the AJC that is to be thanked for
the fact that people in Germany have a better
understanding of the culture and interests of
Jews, and not only American Jews.
In addition, you provide a very welcome
forum for transatlantic dialogue, which is
extraordinarily important for Germany.
It is our duty and imperative to continue
promoting and expanding this dialogue. This
dialogue is at the same time an expression of
pragmatic German policy.
Solidarity and friendship with the United
States of America and Israel are constants in
4
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von Dr. Peter Struck, Bundesminister für
Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, 22. November 2004
German foreign policy.
Dialog ist zugleich auch Ausdruck pragmatischer deutscher Politik.
Die Verbundenheit und Freundschaft mit
den Vereinigten Staaten von Amerika und mit
Israel ist für Deutschland eine Konstante seiner Außenpolitik.
Die Entscheidung der USA, sich 1945 nicht
aus Europa zurückzuziehen, sondern dauerhaft
präsent zu bleiben, führte ein Element der
Stabilität in Westeuropa ein.
Dadurch war es möglich, das Projekt der
europäischen Einigung anzugehen. Daher ist
das Zusammenwachsen Europas nach dem
Zweiten Weltkrieg sowohl eine historische
Leistung der Europäer, als auch Ergebnis weitsichtiger amerikanischer Außenpolitik.
Von Anfang an waren die transatlantischen Beziehungen, die auf gemeinsamen
Werten, Idealen und Interessen beruhen, mehr
als nur ein reines Zweckbündnis.
Europa und Nordamerika blicken auf eine
gemeinsame Kultur- und Geistesgeschichte
wie auch auf gemeinsame politische Erfahrungen zurück.
Beide haben das gleiche Verständnis von
repräsentativer Demokratie, Menschenrechten
und Rechtsstaat.
In fast 60 Jahren ist zwischen Europa und
den USA ein engmaschiges Netz von
Verbindungen entstanden. Es umspannt von
der Sicherheitspolitik über wirtschaftliche Zusammenarbeit bis hin zu den Kulturbeziehungen alle Bereiche des politischen
Lebens.
Die Reaktionen nach den Terrorangriffen
in New York und Washington zeigten es klar
und eindeutig, dass das Fundament der transatlantischen Wertegemeinschaft nach wie vor
ausgesprochen tragfähig ist.
The decision by the US not to withdraw
from Germany in 1945, but to maintain a permanent presence, introduced an element of
stability to Europe.
Because of this, it was possible to enter
into the project of European union. Thus
Europe’s coming together after World War Two
is both a historical achievement of Europeans
and the result of farsighted American foreign
policy.
From the beginning, the transatlantic relationship, based on common values, ideals and
interests, was more than a simple alliance of
necessity.
Europe and North America share a common cultural and intellectual history, as well as
common political experience.
Both have the same concepts of representative democracy, human rights and the rule of
law.
In almost 60 years, a tight web of connections has emerged between Europe and the US.
It covers all areas of political life, from security
policy to economic cooperation to cultural
relations.
The reactions to the terrorist attacks on
New York and Washington demonstrate clearly
and without doubt that the foundation of the
transatlantic community of values remains
remarkably sustainable.
However, the structure of the transatlantic
5
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by Dr. Peter Struck, German Minister of Defense
at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, November 22, 2004
community requires constant maintenance if it
is also to provide the next generation with a
secure home.
Das Gebäude der transatlantischen
Gemeinschaft braucht aber ständige Pflege,
um auch der nächsten Generation eine sichere Heimat bieten zu können.
Das Engagement lohnt sich: Es geht um
nichts weniger als die dauerhafte Verankerung
der transatlantischen Partnerschaft in den
Köpfen und Herzen einer neuen Generation
von Amerikanern und Europäern.
Nur transatlantisch sind wir in der Lage,
die Zukunft gemeinsam zu bewältigen. Nur
transatlantisches Handeln garantiert uns auch
künftig Freiheit, Frieden, Demokratie und
Wohlstand.
Es geht also um die Frage:
Wie wird das Verhältnis Europas zu
Amerika gestaltet?
The commitment will pay off: we are talking about nothing less than the permanent
anchoring of the transatlantic partnership in
the minds and hearts of a new generation of
Americans and Europeans.
Only transatlantically are we capable of
taking on the future together. Only transatlantic action will guarantee a future in freedom,
peace, democracy and prosperity.
The question, therefore, is:
How will Europe’s relationship to America
be structured?
Dies ist eine politische und strategische
Kernfrage. Klar ist, dass Rivalität und
Duplizierung von Fähigkeiten für beide Seiten
nur von Nachteil sein können.
Es gibt nicht nur hohe Übereinstimmung
in den Grundwerten zwischen den transatlantischen Partnern.
Es gibt auch eine Agenda zur Bewältigung
globaler Herausforderungen, die gemeinsames
Handeln zwingend erforderlich macht.
Kaum eine politische und sicherheitspolitische Herausforderung von Gewicht kann
heutzutage im nationalen Alleingang gelöst
werden.
Auch für die USA heißt dies, dass multilaterales Vorgehen zur Bewältigung globaler
Sicherheitsprobleme in aller Regel die bessere
Option darstellt. Hier bieten sich sich gerade
die europäischen Partner an.
Es heißt aber auch: Die USA als politische
und militärische Weltmacht mit besonderen
Verpflichtungen und Interessen setzen auf
This is a core political and strategic
question. It is clear that rivalries and duplication of capabilities can only be detrimental to
both sides.
Not only is there a high degree of correspondence between the basic values of the
transatlantic partners; there is also an agenda
for overcoming global challenges that urgently
requires joint action. There is hardly a political
or security challenge of any significance today
that that can be resolved by a nation working
alone.
For the USA, too, this means that multicultural action to cope with global security problems is generally the better option. Here is
where European partners come into play.
But it also means that the USA, as a major
political and military power with special obli-
6
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von Dr. Peter Struck, Bundesminister für
Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, 22. November 2004
gations and interests, relies on the support and
shared responsibility of its European partners in
managing crises and conflicts -- in Europe, but
also outside of Europe.
Unterstützung und auf Mitverantwortung der
europäischen Partner beim Management von
Krisen und Konflikten. In Europa, aber auch
außerhalb.
Die viel beachtete Studie „Transatlantic
Trends 2004“ des German Marshall Fund vom
September unterstreicht dies. Danach möchten 79 Prozent der Amerikaner, dass die
Europäische Union in internationalen
Angelegenheiten eine starke Führungsrolle
übernimmt.
Ein handlungsfähiges und zur Übernahme
von Verantwortung bereites Europa wird seinen Einfluss auf die amerikanischen Partner
besser geltend machen können.
The German Marshall Fund’s widely noted
study “Transatlantic Trends 2004” in September
underscores these facts. It shows that 79% of
all Americans want the European Union to take
a leadership role in international affairs.
A Europe that is able to act and willing to
take on responsibility would be better able to
make its influence felt on its American partner.
But conversely, this also means that a rhetorical right to be listened to and to participate cannot be separated from a willingness to
act jointly with our American partners.
Umgekehrt heißt das aber auch, dass rhetorischer Anspruch auf Gehör und Mitsprache
nicht zu trennen ist von der Bereitschaft,
gemeinsam mit den Amerikanern zu handeln.
Heute sind allein weit über 25.000 europäische Soldaten auf dem Balkan, in
Afghanistan und an anderer Stelle im Einsatz.
Die Ablösung von SFOR durch die EUOperation ALTHEA ist ein weiteres Beispiel für
eine strategische Partnerschaft zwischen
Europa und Amerika. Beide, in Gestalt von
NATO und EU, arbeiten hier eng zusammen.
Wer das Zusammenwirken von NATO und
EU organisiert, weiß: Zusammenarbeit und
Arbeitsteilung zwischen NATO und EU sind
nicht statisch.
Denn sowohl die EU als auch die NATO
befinden sich in tiefgreifenden Prozessen der
Anpassung an veränderte Bedingungen.
Die Entwicklung der Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)
kann nicht losgelöst betrachtet werden von
der NATO der Zukunft.
Die Anpassung beider Sicherheits-
Today there are well over 25,000 European
soldiers deployed in the Balkans, Afghanistan
and elsewhere.
The replacement of SFOR with the EU’s
ALTHEA operation is a further example of a
strategic partnership between Europe and
America. Both are working closely there in the
guise of NATO and the EU.
Those who have organized cooperation
between NATO and the EU know that the cooperation and the division of labor between
NATO and the EU are not static.
Both the EU and NATO are undergoing thoroughgoing processes of adaptation to changing conditions.
The development of the European Security
7
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by Dr. Peter Struck, German Minister of Defense
at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, November 22, 2004
and Defense Policy (ESDP) cannot be viewed in
isolation from the NATO of the future.
institutionen kann nur komplementär vorangetrieben werden - auf der Grundlage von
Vertrauen und Transparenz.
Unerlässlich erscheint auch ein gemeinsames strategisches Grundverständnis der
Europäer
und
ihrer
amerikanischen
Bündnispartner über die sicherheitspolitische
Agenda.
Die NATO sollte wieder stärker zum Forum
der strategischen Diskussion genutzt werden.
Hier vor allem muss der transatlantische
Dialog geführt werden.
Gleichermaßen muss die angestrebte strategische Partnerschaft zwischen NATO und EU
auch einen strategischen Austausch
über
globale Sicherheitsfragen umfassen.
Ich bin davon überzeugt, dass die neue
amerikanische Administration sich um diesen
Austausch und die Vertiefung der transatlantischen Beziehungen bemühen wird.
Neben der transatlantischen Verbindung
ist ein weiterer unverrückbarer Eckpfeiler
deutscher Außenpolitik heute und in Zukunft
das entschiedene Eintreten für das
Existenzrecht Israels.
Dies
schließt
die
entschiedene
Unterstützung für das Recht der israelischen
Bürgerinnen und Bürger ein, in sicheren
Grenzen friedlich zu leben.
Diese Position ist nicht zu relativieren und
wird auch künftig den einzigartigen Charakter
unserer Beziehungen zu Israel bestimmen.
Wir vertreten sie mit Nachdruck in allen
multilateralen
und
internationalen
Institutionen.
Sie bestimmt gleichzeitig unsere Haltung
gegenüber anderen Gesprächspartnern in der
Region.
Aus moralischer Verantwortung gegenüber Israel ist über Jahrzehnte hinweg eine
The adaptation of both security institutions can only be carried out complementarily
– on the basis of trust and transparency.
A common basic strategic understanding
between the Europeans and their American
allies on their security agenda also seems indispensable.
NATO should once again be used more frequently as a forum for strategic discussion.
This is where, above all, transatlantic dialogue
should take place.
At the same time, the desired strategic
partnership between NATO and the EU must
also include strategic exchange on global security issues.
I am convinced that the new American
administration will strive for this exchange and
will strengthen transatlantic relations.
In addition to the transatlantic connection,
a further unshakeable pillar of German foreign
policy, now and in the future, is resolute support for Israel’s right to exist.
This includes resolute support for the right
of Israeli citizens to live in peace within secure
borders.
This position cannot be qualified and will
continue in the future to determine the unique
character of our relationship with Israel.
We advocate it emphatically in all multila-
8
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von Dr. Peter Struck, Bundesminister für
Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, 22. November 2004
teral and international institutions.
konkrete und tägliche Zusammenarbeit
geworden:
In zahlreichen Politikfeldern sowie vor
allem auch in allen Fragen, die Israels
Sicherheit betreffen, ist ein Beziehungsnetz
gewachsen. Dieses Netz macht Deutschland
heute zu einem der wichtigsten Partner
Israels.
Weil wir so eng verbunden sind, verfolgen
wir die gegenwärtige Entwicklung in der
Region mit besonderer Aufmerksamkeit.
Im Zentrum stehen dabei natürlich die
Nachfolgefrage für den verstorbenen Jassir
Arafat und die Situation im Irak.
Mit Bestürzung müssen wir fortgesetzt
Bilder der Gewalt und des Terrors zur Kenntnis
nehmen. Auch deswegen, weil trotz aller Opfer
die Agenda der zu lösenden Probleme die
Gleiche bleibt.
Denn Deutschland sieht keinen anderen
Weg, als den Irak so schnell wie möglich zu
stabilisieren und den Weg zu einem verhandelten Frieden zwischen Israel und den
Palästinensern zu bereiten.
Es gibt dazu keine gangbare Alternative,
um Israel die dauerhafte Sicherheit und den
Palästinensern einen eigenen Staat zu bringen.
Auch auf diesem Weg, der auf dem
Respekt beider Seiten für das Existenzrecht
des Einen und die Würde des Anderen beruht,
wollen wir gemeinsam mit den USA vorangehen.
Denn ohne die USA wird dieser Weg nicht
gangbar sein. Er soll letztlich hinführen zu
einer dauerhaften, friedlichen Nachbarschaft
zweier Staaten und Völker.
Runde Geburtstage und Jahreszahlen sind
in der Regel Veranlassung, sich rückblickend
der erreichten Erfolge zu erinnern.
Das Jahr 2004 steht für die Erinnerung an
It also determines our attitude toward
other dialogue partners in the region.
Moral responsibility toward Israel has, over
the decades, turned into concrete, everyday
cooperation.
A network of relationships has developed
in numerous areas of policy, especially in all
questions that affect Israel’s security. This network makes Germany one of Israel’s most
important partners today.
Because we are so closely connected, we
follow current developments in the region with
particular attention.
Most important, of course, are the questions of a successor to the deceased Yasir
Arafat and the situation in Iraq.
We note with dismay the continuing images of violence and terror – in part because,
despite all the victims, the agenda of problems
to be solved remains the same.
Germany sees no other options but to stabilize Iraq as rapidly as possible and prepare the
way for a negotiated peace between Israel and
the Palestinians.
There is no realistic alternative that will
bring Israel lasting peace and the Palestinians a
state of their own.
This road, too – based on each side’s
respect for the right of existence of the one
and the dignity of the other – we wish to tra-
9
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by Dr. Peter Struck, German Minister of Defense
at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, November 22, 2004
vel together with the USA.
But without the USA, this road will not be
possible. It must ultimately lead to a lasting,
peaceful neighborliness between two states
and peoples.
Round birthdays and anniversaries are
generally an opportunity to look back on the
successes achieved.
The year 2004 recognizes ten fruitful years
of cooperation between the AJC and the
Bundeswehr.
The results of this dialogue are impressive:
• Since 1994, future young officers have
been visiting the AJC every year as part of an
educational trip. Over 300 participants have
now experienced their hospitality.
• This has also been the case since 1999 for
various classes of the Bundeswehr leadership
academy, which have been able to visit the AJC
in New York and the Holocaust Museum in
Washington.
• There have also been a number of visits
by prominent members of the AJC and talks by
David A. Harris to the leadership academy of
the army officers’ school and the Bundeswehr
universities.
The Bundeswehr maintains lively, deep and
friendly relations with our contact in Germany,
the AJC office in Berlin.
We can be especially proud of the fact that
in past years we have also undertaken concre-
10 fruchtvolle Jahre der Zusammenarbeit zwischen dem AJC und der Bundeswehr.
Die Bilanz dieses Dialogs kann sich sehen
lassen:
• Seit 1994 besuchen alljährlich die künftigen Jugendoffiziere im Rahmen ihrer Ausbildungsreise das AJC. Bislang durften schon
über
300
Teilnehmer
die
dortige
Gastfreundschaft erleben.
• Dies gilt seit 1999 auch für verschiedene Lehrgänge der Führungsakademie der
Bundeswehr, die das AJC in New York und das
Holocaust Museum in Washington besuchen
durften.
• Ferner gab es mehrere Besuche von
hochrangigen Mitgliedern des AJC und
Vorträge von David A. Harris an der
Führungsakademie, der Offizierschule des
Heeres sowie an den Universitäten der
Bundeswehr.
Zu
unserem
Ansprechpartner
in
Deutschland, dem AJC-Büro in Berlin, unterhält die Bundeswehr lebendige, tiefe und
freundschaftliche Kontakte.
Besonders stolz können wir darauf sein,
dass es in den vergangenen Jahren darüber
hinaus zu konkreten Hilfsmaßnahmen für
bedürftige Menschen kommen konnte.
Eine gemeinsame humanitäre Hilfsaktion
zwischen der Bundeswehr und dem AJC –
zusammen mit den Johannitern - zugunsten
von
moslemischen
Flüchtlingen
in
Mazedonien spricht für sich.
All dies belegt die ungewöhnlich offenen,
freundschaftlichen
und
lebendigen
Beziehungen. Sie werden von Seiten der
Bundeswehr als eine ganz besondere
Bereicherung empfunden, die wir nicht mehr
10
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von Dr. Peter Struck, Bundesminister für
Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, 22. November 2004
te relief measures for needy people.
A joint humanitarian relief operation by
the Bundeswehr and the AJC, together with the
Order of St. John, to benefit Muslim refugees in
Macedonia speaks for itself.
All this is evidence of an unusually open,
friendly and lively relationship. It is considered
by the Bundeswehr to be especially enriching,
and we could no longer do without it.
missen möchten.
Ich freue mich auf die Fortsetzung dieser
Beziehungen und möchte nun – stellvertretend für das ganze AJC – einen herausragenden Repräsentanten besonders würdigen.
LAUDATIO
Sehr geehrter Mr. Harris,
I look forward to a continuation of this
relationship and would like now to honor an
outstanding representative, representing the
entire AJC.
LAUDATIO
Mr. Harris,
For ten years you have worked actively and
successfully, both for positive transatlantic
relations between the Federal Republic of
Germany and the American Jewish population
and for good, close relations between the
American Jewish Committee and the
Bundeswehr.
In the process, you have been most interested in mutual information and the dispelling
of reservations rooted in a tragic shared history.
You have invested all your energy and a
great deal of personal commitment in this endeavor. You consider it a crucial obligation to
convey to the German people the interests of
American Jews.
Seit 10 Jahren bemühen Sie sich intensiv
und erfolgreich sowohl um positive transatlantische Beziehungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der amerikanischen jüdischen Bevölkerung als auch um
gute und enge Beziehungen des American
Jewish Committee zur Bundeswehr.
Dabei geht es Ihnen vor allem um gegenseitige Information und den Abbau von
Vorbehalten, die ihre Wurzeln in einer tragischen gemeinsamen Geschichte haben.
Dafür haben Sie sich mit all Ihrer Kraft
und hohem persönlichen Engagement eingesetzt. Den Menschen in Deutschland die
Belange der amerikanischen Juden zu vermitteln, verstehen Sie als eine zentrale Aufgabe.
Sie haben sich durch Ihre Arbeit im internationalen Bereich hohes Ansehen erworben
und sich um das Ansehen der Bundesrepublik
Deutschland bei der amerikanischen jüdischen
Bevölkerung in außergewöhnlicher Weise verdient gemacht.
Sie stehen für den deutsch-jüdischen
Dialog und haben, wie auch das American
Jewish
Committee
insgesamt,
die
Wiedervereinigung des deutschen Volkes maßgeblich befürwortet.
11
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by Dr. Peter Struck, German Minister of Defense
at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, November 22, 2004
Through your work in the international
arena, you have earned high esteem, and you
have rendered outstanding service in improving Germany’s standing among American
Jews.
You stand for German-Jewish dialogue,
and you, like the American Jewish Committee
in general, advocated the reunification of the
German people.
You have strengthened the transatlantic
pillar through activities both in the USA and in
Germany.
For example, by inviting German representatives to the American Jewish Committee’s
annual meeting. But also through your own
speeches on transatlantic dialogue in Germany.
The good contacts to the Bundeswehr that
came about through your mediation and that
of the German General Consulate in New York
have made a lasting contribution to better
understanding within the German-Jewish relationship.
Sie haben den transatlantischen Pfeiler
durch Aktivitäten sowohl in den USA als auch
in Deutschland gestärkt.
So zum Beispiel durch die Einladung zur
Teilnahme deutscher Repräsentanten bei den
Jahrestagungen des American Jewish
Committee. Aber auch durch Ihre eigenen
Vorträge zum transatlantischen Dialog in der
Bundesrepublik Deutschland.
Auch die guten Kontakte zur Bundeswehr,
die unter Ihrer Vermittlung und des deutschen
Generalkonsulats in New York zustande
kamen, tragen nachhaltig zum besseren
Verständnis innerhalb des deutsch-jüdischen
Verhältnisses bei.
Wie bereits erwähnt, hielten Sie in den
vergangenen Jahren Vorträge an verschiedenen Ausbildungsstätten der Bundeswehr und
ermöglichten Besuche deutscher Offiziere
beim American Jewish Committee und im
Holocaust Museum in den USA.
Sie sorgten dafür, dass das gegenseitige
Interesse gepflegt und intensiviert wird. Sie
haben damit dazu beigetragen, dass teilweise
immer noch vorhandene Vorbehalte gegenüber
den deutschen Streitkräften weiter abgebaut
werden.
As already mentioned, you have given lectures over the years at various Bundeswehr
educational institutions and have made it possible for German officers to visit the American
Jewish Committee and the Holocaust Museum
in the USA.
You ensured that mutual interests were
fostered and intensified. In this way, you contributed to dispelling the reservations that still
exist regarding the German armed forces.
12
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von Dr. Peter Struck, Bundesminister für
Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, Bundesakademie für Sicherheitspolitik Berlin, 22. November 2004
Mr. Harris!
Sehr geehrter Mr. Harris!
Your outstanding commitment deserves
special commendation.
Ihr herausragendes Engagement hat eine
besondere Auszeichnung verdient.
“For rendering the Bundeswehr particular
service, I award Mr. David A. Harris the
Bundeswehr Honor Cross in Gold.”
„Für besondere Verdienste um die
Bundeswehr verleihe ich Herrn David A.
Harris das Ehrenkreuz der Bundeswehr in
Gold“.
I thank you.
Ich danke Ihnen.
13
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
David Harris:
Minister of Defense Peter
Struck,
Federal
Academy
President Rudolf Adam, members of the German Parliament,
Israeli Ambassador Shimon Stein
and other distinguished diplomats,
officers
of
the
Bundeswehr and NATO armed
forces,
American
Jewish
Committee colleagues, ladies
and gentleman,
I am deeply moved by the high honor presented to me by Dr. Struck.
I would like to dedicate it to the memory
of my father, who was a thirteen-year-old boy
in this very city when the Nazis came to power,
and who spent the ensuing twelve years as
refugee, soldier in the French Foreign Legion,
concentration camp inmate, soldier in the
British Eighth Army, and espionage agent
behind enemy lines for the U.S. Office of
Strategic Services (OSS), and to my mother,
who spent seventeen months, together with
her family, fleeing the Nazis in occupied France
until they were able to board a ship from
Lisbon for New York in November 1941.
That their son could be standing here
today on such an occasion speaks volumes
about the possibilities of history. It also serves
as eloquent testimony to something they both
taught me by their example—the need to
understand and remember the past, but never
to abandon hope in the chance for a better
future.
David Harris:
Sehr
geehrter
Herr
Verteidigungsminister
Peter
Struck, sehr geehrter Herr
Präsident der Bundesakademie
Rudolf Adam, verehrte Mitglieder
des Deutschen Bundestages, sehr
geehrter Herr Botschafter des
Staates Israel Shimon Stein und
weitere verehrte Diplomaten, verehrte Offiziere der Bundeswehr
und der NATO - Streitkräfte, liebe Kollegen des
American Jewish Committee, sehr geehrte Damen
und Herren,
Ich bin tief bewegt von der hohen Ehre, die
mir Dr. Struck erwiesen hat.
Ich möchte sie dem Andenken meines Vaters
widmen, der als Dreizehnjähriger in dieser Stadt
lebte, als die Nazis an die Macht kamen, und der
die folgenden zwölf Jahre als Flüchtling, als
Soldat in der französischen Fremdenlegion, als
Insasse eines Konzentrationslagers, als Soldat der
8. britischen Armee und als Spionageagent hinter
den feindlichen Linien für den amerikanischen
Geheimdienst verbrachte; ebenso meiner Mutter,
die, zusammen mit ihrer Familie, siebzehn Monate
lang im besetzten Frankreich vor den Nazis floh
bis sie die Möglichkeit hatten, im November 1941
an Bord eines Schiffes von Lissabon nach New
York zu gehen.
Dass ihr Sohn heute hier aus diesem Anlass
stehen kann, spricht Bände über die
Möglichkeiten der Geschichte. Es ist auch ein ausdrucksvolles Zeugnis dessen, was die beiden mir
vorgelebt und beigebracht haben – die
Notwendigkeit, die Vergangenheit zu verstehen
und sich daran zu erinnern, dabei aber niemals die
14
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
Ladies and gentlemen, it is a privilege for
me to be with you today at the Federal
Academy of Security Policy to mark the tenth
anniversary of the unique relationship between
the German armed forces and the American
Jewish Committee. What an auspicious occasion this is! Allow me to pay tribute to my
founding partner in this effort, Colonel Jochen
Burgemeister, who is in the audience. I would
also like to acknowledge the presence of
General Klaus Wittman, who was a great believer in expanding our partnership.
Relations between Germany and the
Jewish world have come a very long way in the
postwar era, especially relations between
Germany and Israel.
Indeed, next year we will mark the fortieth
anniversary of the establishment of diplomatic
ties between the two countries.
The needs of statecraft required Israel rather early on to make painful but necessary
decisions regarding links with Germany that
Jews elsewhere in the world were not compelled to do.
Jews in the Diaspora could choose to ignore Germany if they wished, boycott its products
if they so desired, and avoid travel there. Israel,
on the other hand, faced with the Herculean
challenge of building a state while defending
its borders against those who sought its
destruction, could ill afford to reject out of
hand relations with West Germany, however
painful those links might have been for many
Israelis.
The special relationship forged between
Hoffnung auf eine mögliche, bessere Zukunft aufzugeben.
Meine Damen und Herren, es ist mir eine
Ehre, heute mit Ihnen zusammen in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik den zehnten
Jahrestag der besonderen Beziehungen zwischen
den deutschen Streitkräften und dem American
Jewish Committee zu feiern. Dies ist ein freudiger
Anlass. Erlauben Sie mir, meinem Gründungspartner in dieser Initiative, Herrn Oberst Jochen
Burgemeister, der heute anwesend ist, meine
Hochachtung auszusprechen. Ausserdem möchte
ich mich bei General Klaus Wittmann für seine
Anwesenheit bedanken, der immer fest an die
Ausweitung unserer Partnerschaft geglaubt hat.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und
der jüdischen Welt sind seit Kriegsende weit
gediehen, insbesondere die zwischen Deutschland
und Israel.
Tatsächlich werden wir nächstes Jahr den 40.
Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern feiern.
Die Staatsraison forderte von Israel schon
sehr frühzeitig, schmerzhafte, aber notwendige
Entscheidungen über Verbindungen zu
Deutschland zu treffen, die Juden in anderen
Teilen der Welt nicht treffen mussten.
Juden in der Diaspora konnten, wenn sie
wollten, Deutschland ignorieren, deutsche
Produkte boykottieren und vermeiden, dorthin zu
reisen. Israel dagegen, angesichts der herkulaneischen Aufgabe, einen Staat aufzubauen und
gleichzeitig die Grenzen gegen diejenigen zu verteidigen, die seine Zerstörung beabsichtigten,
konnte es sich nicht leisten, Beziehungen zu
Deutschland leichtfertig zurückzuweisen, auch
wenn diese für viele Israelis sehr schmerzhaft
waren.
Das besondere Verhältnis, dass zwischen
Berlin und Jerusalem entstanden ist, war und ist
j15
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
Berlin and Jerusalem has been a matter of
great consequence to Israel and of benefit to
both countries. We trust that this special relationship will continue to grow and develop in
the years ahead, even as the process of integration of European foreign and security policy
advances.
Diaspora Jewish groups, with one notable
exception, were several steps behind Israel in
their policy regarding Germany.
From the start, the one exception was the
American Jewish Committee. Not only did it
not lag behind, but, to the contrary, it took the
lead in its understanding of Germany’s dynamic
postwar history.
Grasping the enormity of the Shoah, the
American Jewish Committee began to follow
the wise counsel of Confucius, who said, in
another era, “Better to light a candle than to
curse the darkness.”
Germany would not suddenly disappear,
the American Jewish Committee reasoned; it
would always be a major presence in the heart
of Europe and, sooner or later, it would reemerge from the shambles of defeat and the occupation.
The only question was whether this postwar Germany would evolve in a positive or
negative direction. History had taught us that
we could ill afford to sit on the sidelines and
wait for the question to resolve itself; we had
to seek a role, however modest, in ensuring
that light prevailed over darkness.
Our contact, it must be said, began quite
für Israel von großer Bedeutung und zum Nutzen
beider Länder. Wir vertrauen darauf, dass diese
besondere Beziehung in den kommenden Jahren
weiter wachsen und gedeihen wird, ungeachtet
des Prozesses der europäischen Integration in der
Aussen- und Sicherheitspolitik.
Jüdische Gruppen in der Diaspora waren in
ihrer Politik gegenüber Deutschland etliche
Schritte hinter Israel zurück – mit einer bemerkenswerten Ausnahme.
Diese Ausnahme war das American Jewish
Committee, das nicht nur nicht hinterherhinkte,
sondern, ganz im Gegenteil, die führende Rolle im
Verständnis der dynamischen Nachkriegsentwicklung Deutschlands übernahm.
Im Bewusstsein der Ungeheuerlichkeit der
Shoah begann das American Jewish Committee,
den weisen Rat des Konfuzius zu befolgen, der
einst sagte: „Es ist besser, eine Kerze anzuzünden,
als die Dunkelheit zu verfluchen.“
Hintergrund war die Überlegung, dass
Deutschland nicht plötzlich verschwinden, sondern weiterhin einen großen Raum im Herzen
Europas einnehmen und früher oder später aus
den Trümmern der Niederlage und der Besatzung
wieder neu entstehen würde.
Die einzige Frage dabei war, ob dieses
Nachkriegsdeutschland sich in eine positive oder
negative Richtung entwickeln würde. Die
Geschichte hatte uns gelehrt, dass wir uns nicht
erlauben durften, abseits zu stehen und darauf zu
warten, dass diese Frage sich von alleine beantwortet; wir mussten eine, wenn auch bescheidene
Rolle übernehmen, um sicher zu stellen, dass das
Licht die Oberhand über die Dunkelheit gewinnt.
Tatsache ist, dass der Kontakt zunächst sehr
zaghaft war. Wir Juden hatten Bedenken und,
ehrlich gesagt, zeigten nur wenige Deutsche
Interesse. Aber über die Jahrzehnte entwickelte er
sich in einem beträchtlichen Maß. Tausende, tat-
16
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
tentatively. We Jews were apprehensive, and,
truth be told, few Germans were interested.
But it has grown dramatically over the span of
decades. Thousands, actually tens of thousands,
of people in Germany and the United States
have been directly touched. And a high point in
the relationship came for us in 1998, when we
opened our office in Berlin, today headed by
Deidre Berger.
For me personally, given my family history,
the opportunity once again to plant Jewish
roots in the soil of Berlin was one of the more
moving moments of my life.
Yet, even as the comfort of light has, over
time, replaced the terror of darkness, the past
remains with us. The wounds have not fully
healed, nor are they likely to anytime soon. The
ghosts and shadows and cries of anguish continue to torment us. The questions, ultimately
unanswerable perhaps, nevertheless persist.
The perfected industrialization of genocide
still awakens us from our deepest sleep, fiftynine years after the machinery was silenced.
Besides we Jews, who else today agonizes
so much over the history of the Third Reich,
sees the films, reads the accounts and memoirs,
seeks out the survivors, visits the fields of
ashes, the museums, and memorials, and
attempts to connect this information to the
contemporary world?
The answer, I believe, is that the struggle
persists here in Germany more than anywhere
else. This remains the case, even as we have left
behind the twentieth century, and even after a
new generation of German political leaders,
sächlich sogar Zehntausende von Menschen in
Deutschland und den Vereinigten Staaten sind
unmittelbar davon berührt worden. Ein
Höhepunkt der Beziehungen war für uns das Jahr
1998, als wir unser Büro in Berlin eröffneten, dass
derzeit von Deidre Berger geleitet wird.
Für mich persönlich war, vor dem Hintergrund
meiner Familiengeschichte, die Möglichkeit, noch
einmal jüdische Wurzeln in Berliner Boden wachsen zu lassen, ein sehr bewegender Moment meines Lebens.
Dennoch bleibt uns, auch wenn im Laufe der
Zeit der Trost des Lichts an die Stelle des
Schreckens der Dunkelheit getreten ist, die Vergangenheit gegenwärtig. Die Wunden sind nicht
völlig verheilt und werden wohl auch in naher
Zukunft nicht heilen. Die Geister und Schatten
und Schreie der Qual werden uns weiterhin aufwühlen. Die vielleicht niemals endgültig zu beantwortenden Fragen bleiben bestehen.
Die perfektionierte Industrialisierung des
Völkermords lässt uns heute noch, neunundfünfzig Jahre nachdem die Maschinerie zum
Schweigen gebracht wurde, aus tiefstem Schlaf
aufschrecken.
Wer, abgesehen von uns Juden, ringt heutzutage noch so sehr mit der Geschichte des Dritten
Reiches; wer sieht die Filme, liest die Berichte und
Memoiren, sucht nach Überlebenden, besucht die
Orte, wo die Asche der Toten verstreut ist, die
Museen und Gedenkstätten, und versucht, diese
Informationen mit der heutigen Welt zu verknüpfen?
Ich glaube, die Antwort lautet, dass dieses
Ringen hier in Deutschland stärker fortbesteht als
irgendwo sonst. Dies ist heute noch so, auch
nachdem wir das zwanzigste Jahrhundert hinter
uns gelassen haben und selbst, nachdem eine
neue Generation von führenden Politikern, die
größtenteils nach dem Krieg geboren wurden, die
17
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
largely born after the war, has assumed the
mantle of national responsibility.
Not so among all Germans, to be sure.
There are those who feel the time has long
since come to close the history books, and even
those who find false comfort in the writings of
relativists who seek to challenge the singularity of the Nazi crimes.
But I have met an impressive number of
Germans—in schools and universities, in churches and clubs, in the government and military—for whom the intellectual and emotional
struggle goes on, for whom it is not yet possible to turn the page and put the past fully
behind them.
For them and for us, the result is to bring
us closer together. We might come at the issues
from very different starting points, but, in fact,
we are drawn nearer to one another than
might at first seem obvious.
There is, then, much that we can do, that
we should do together.
Let me suggest that our common agenda
today, as Germans and as Jews, comprises at
least four parts: (a) preserving memory; (b)
building a world respectful of democracy and
human rights; (c) serving as an early warning
system against extremism and xenophobia; and
(d) standing firm against those in the international system who flout the rule of law and
threaten the precepts of peaceful coexistence
and conflict resolution.
Why preserve memory? The answer is really very simple—or is it? It is to ensure that those
nationale Verantwortung angenommen hat.
Dies gilt sicher nicht für alle Deutschen. Es
gibt diejenigen, die meinen, es sei schon lange an
der Zeit, die Geschichtsbücher zu schließen, und
sogar solche, die in falscher Bequemlichkeit auf
das Geschreibsel von Relativisten verweisen, die
die Einzigartigkeit der Naziverbrechen leugnen
wollen.
Aber ich habe auch eine beeindruckende
Zahl von Deutschen kennen gelernt – in Schulen
und Universitäten, in Kirchen und Vereinen, in
Regierungs- und Militärkreisen – für die die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit andauert,
für die es noch nicht möglich ist, das Kapitel
abzuschließen und die Vergangenheit komplett
hinter sich zu lassen.
Für sie und für uns ist Annäherung die logische Folge. Wir mögen von sehr unterschiedlichen
Startpunkten aus an die Themen herangehen, aber
tatsächlich nähern wir uns einander weiter an, als
es zunächst den Anschein haben mag.
Es gibt also vieles, was wir tun können und
wir sollten es gemeinsam tun.
Meiner Ansicht nach umfassen unsere
gemeinsamen Aufgaben als Deutsche und Juden
heutzutage mindestens vier Bereiche: (a) die
Erinnerung wachzuhalten; (b) eine Welt zu schaffen, in der Demokratie und Menschenrechte
gewahrt werden; (c) als Frühwarnsystem gegen
Extremismus und Fremdenhass zu dienen; und (d)
hart zu bleiben gegenüber denjenigen, die im internationalen System Recht und Gesetz verspotten und die eine Bedrohung für friedliches Zusammenleben und Konfliktlösung sind.
Warum müssen wir die Erinnerung wach halten? Die Antwort ist eindeutig, oder nicht? Es
muss sein, damit diejenigen, die in den Flammen
der Shoah umgekommen sind, nicht umsonst
gestorben sind. Es geht also um sie, aber, um die
18
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
who were consumed in the flames of the Shoah
did not die in vain. It is about them, but also,
truthfully, it is about us.
Unless we are somehow able to understand
how a demented, antihuman ideology could
take root in an otherwise advanced nation’s
soil, leading so many to participate so energetically in genocidal policies without parallel in
human history, what world will await our children and grandchildren?
And this brings me to our second joint
responsibility: building a world respectful of
democracy and human rights.
In this endlessly complex world, one thing
is abundantly clear from even a brief glance at
history, and it offers the ray of hope we so
desperately need.
It is the simple, irrefutable fact that democratic nations do not, as a matter of habit,
declare war on other democratic nations; they
resolve their differences peacefully.
Democratic nations don’t deliberately starve their populations as an instrument of state
terror, as the Soviet Union did in Ukraine, with
devastating results, in the 1930s, or as North
Korea has done more recently.
They don’t use poison gas against their
own citizens, murdering them by the thousands, as was the case against the Kurds in
Saddam Hussein’s Iraq.
They don’t assassinate dissidents, or imprison journalists who expose the failings of the
state, or silence protesting students, as has
Wahrheit zu sagen, es geht auch um uns.
Wenn wir nicht irgendwie verstehen können,
wie eine so irrsinnige, unmenschliche Ideologie in
einer ansonsten weit entwickelten Gesellschaft
auf fruchtbaren Boden fallen konnte und so viele
Menschen dazu bringen konnte, sich tatkräftig an
einer Politik des Völkermords zu beteiligen, der in
der Geschichte der Menschheit ohnegleichen ist,
was für eine Welt haben dann unsere Kinder und
Enkel zu erwarten?
Und dies bringt mich zu unserer zweiten,
gemeinsamen Verantwortung: eine Welt zu schaffen, die Demokratie und Menschenrechte respektiert.
In dieser unendlichen komplexen Welt ist
eine Sache schon nach kurzem Blick auf die
Geschichte völlig klar und bietet uns den
Hoffnungsschimmer, den wir so dringend brauchen.
Es ist die einfache, unwiderlegbare Tatsache,
dass es bei demokratische Staaten nicht üblich ist,
anderen demokratischen Staaten den Krieg zu
erklären; sie legen ihre Differenzen mit friedlichen
Mitteln bei.
Demokratische Staaten lassen ihre
Bevölkerung nicht vorsätzlich verhungern als
Mittel der staatlichen Gewalt, wie es die Sowjetunion in den 1930er Jahren mit verheerenden
Folgen in der Ukraine tat, oder wie Nordkorea in
der jüngeren Vergangenheit ebenfalls.
Sie setzten kein Giftgas gegen die eigene
Bevölkerung ein und ermorden dadurch Tausende,
wie es den Kurden in Saddam Hussein`s Irak
erging.
Sie ermorden keine Dissidenten, sie sperren
keine Journalisten ein, die die Fehler eines Staates
öffentlich anprangern, und sie bringen keine protestierenden Studenten zum Schweigen, wie es in
Iran geschehen ist.
Sie unterdrücken nicht die Frauen, indem sie
19
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
been the case in Iran.
They don't subjugate women, denying
them education, employment, and even health
care, as we witnessed in Afghanistan under
Taliban rule.
They don’t indoctrinate their children from
the earliest grades to despise and distrust people of other faiths, as the Saudi school system
systematically does.
They don’t limit access to the Internet out
of fear of the impact of unauthorized sources
of information, as Syria has done.
And they don’t seek to murderously suppress religious or ethnic minorities, as has
taken place on a massive scale in the Sudan
against Christians and Animists, or as has
occurred in the Darfur region, where widespread murder and rape have gone unchecked.
By nature, democracies may be imperfect,
but, as Winston Churchill famously said in the
House of Commons in 1947, “Democracy is the
worst form of government, except for all those
other forms that have been tried from time to
time.”
Democracies are a permanent work in progress and, yes, let’s admit it, many remain deeply flawed.
Some democracies have been associated
with slavery, colonialism, racism, antiSemitism, costly military misadventures, and
abuse of political power and legal authority.
And some democracies have not been
ihnen Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung
vorenthalten, wie man es in Afghanistan beobachten konnte, als die Taliban an der Macht
waren.
Sie indoktrinieren nicht ihre Kinder bereits im
Grundschulalter dahingehend, dass sie Menschen
anderen Glaubens verachten und ihnen misstrauen, wie es das saudische Schulsystem systematisch tut.
Sie beschränken nicht den Zugang zum
Internet, aus Angst vor den Auswirkungen, die
nicht staatlich autorisierte Informationsquellen
haben könnten, wie es in Syrien der Fall ist.
Und sie versuchen nicht, religiöse oder ethnische Minderheiten gewaltsam zu unterdrücken,
wie es in großem Umfang im Sudan gegen Christen und Animisten sowie in der Region um Darfur
geschehen ist, wo vielfach ungehindert gemordet
und verwaltigt wird.
Von ihrem Wesen her sind Demokratien vielleicht nicht perfekt, aber Winston Churchill sagte
schon 1947 im britischen Unterhaus den berühmt
gewordenen Satz „Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle
anderen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden
sind.“
Demokratien sind ein ständiges Bemühen und
zugegebenermaßen bleiben viele von ihnen
unvollkommen.
Mit einigen Demokratien verbindet man
Sklaverei, Kolonialismus, Rassismus, Antisemitismus, kostspielige, fehlgeschlagene, militärische
Abenteuer sowie Missbrauch politischer Macht
oder des Rechts und seiner Institutionen.
Und einige Demokratien waren nicht gegen
Gewalt geschützt, die sich gegen sie selbst richtete. Gerade heute jährt sich zum 41. Mal der Tag,
an dem John F. Kennedy ermordet wurde, der
amerikanische Politiker, der auf dem Höhepunkt
des Kalten Krieges untrennbar mit dieser Stadt
20
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
immune to violence themselves. Indeed, today
we mark the forty-first anniversary of the
assassination of President John F. Kennedy, an
American leader inextricably linked with this
city at the height of the Cold War.
But one notable strength of a democratic
system lies in the fact that when things go off
track, corrective mechanisms are triggered.
Democracy has formed the cornerstone of
the Federal Republic since 1949. Democracy is
the common denominator of the twenty-five
members of the European Union. The newest
EU members knew full well that the price for
admission included an unquestionably democratic system of governance. Earlier, Greece,
Portugal, and Spain made the successful transition to democracy; others, no doubt, will follow suit.
This spread of democracy in Europe allows
us to believe that the bloody wars of the past
will not be repeated, at least not on the territory of the European Union. Given the scope
and magnitude of conflict over the centuries
on European soil, that is no small feat. Indeed,
I believe European integration to be the single
most ambitious and successful peace project in
modern history, and I applaud Germany’s role
as one of the EU’s six founding members.
National rivalries are now played out on
the football field, not the battlefield. This is
something worth celebrating, regardless of the
outcome of the match, though you might not
agree that it’s almost beside the point who
wins and who loses.
Our governments are answerable to the
verbunden war.
Eine der bemerkenswerten Stärken eines
demokratischen Systems jedoch ist die Tatsache,
dass, wenn etwas aus dem Ruder läuft, Mechanismen zur Korrektur ausgelöst werden.
Demokratie ist seit 1949 der Eckpfeiler der
Bundesrepublik. Demokratie ist der gemeinsame
Nenner der fünfundzwanzig Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union. Die jüngsten EU-Mitglieder
wussten genau, dass eine der Voraussetzugen für
die Aufnahme eine eindeutig demokratische
Regierungsform war. Vor Jahren haben Griechenland, Spanien und Portugal erfolgreich den Übergang zur Demokratie gemeistert; weitere Länder
werden zweifellos diesem Beispiel folgen.
Die weit verbreitete Demokratie in Europa
stützt unsere Überzeugung, dass die blutigen
Kriege der Vergangenheit sich nicht wiederholen
werden, zumindest nicht auf dem Gebiet der
Europäischen Union. Angesichts des Ausmaßes
und der Schwere der Konflikte, die jahrhundertelang auf europäischem Boden ausgetragen wurden, ist dies eine große Leistung. Ich glaube in der
Tat, dass die europäische Integration das ehrgeizigste und erfolgreichste Friedensprojekt der jüngeren Geschichte ist, und ich möchte die Rolle
Deutschlands als eines der sechs Gründungsmitglieder der EU dabei besonders hervorheben.
Rivalitäten zwischen den Ländern werden
heute auf dem Fußballfeld ausgetragen, nicht auf
dem Schlachtfeld. Dies ist ein Anlass zum Feiern,
unabhängig vom Ausgang des Spiels, obwohl Sie
mir vielleicht nicht zustimmen werden, dass es
fast unerheblich ist, wer gewinnt und wer verliert.
Unsere Regierungen sind dem Volk gegenüber
verantwortlich, nicht umgekehrt. Die Rechte des
Einzelnen bilden die Grundlage unserer
Gesellschaften, nicht die Überhöhung des Staates.
Präsident Adam, Sie haben aus einer Rede
zitiert, die ich vor einigen Jahren gehalten habe
21
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
people, not the reverse. It is the rights of the
individual, not the exaltation of the state,
which forms the foundation of our societies.
President Adam, you quoted from a speech
of mine just a couple of years ago in which I
described myself as a committed transatlanticist, and thus a potentially endangered species.
I am pleased to tell you that, for my part,
nothing has changed. I remain absolutely stubborn and steadfast in my views.
I fully realize that, until just a short time
ago, being a committed transatlanticist was a
rather unexceptional thing; most people I knew
on both sides of the Atlantic were, to varying
degrees, in the same club. Now, however, in
some places, it could get me in big trouble.
Call me hopelessly, irredeemably naïve, but
as a son of America and grandson of Europe, I
remain convinced that Americans and
Europeans are joined at the hip by common
foundational values and, yes, common existential threats, and thus by a common agenda.
Our shared values emanate from the very
building blocks of our respective societies:
democracy, the rule of law, and respect for the
dignity of the individual.
The ties that link this precious fraternity of
kindred nations, including, of course, Israel,
must never be permitted to fray, for they represent the best—indeed, I would argue the only—
hope for the ultimate realization of a genuinely peaceful and prosperous world.
Europe and the United States may face
battles over Airbus versus Boeing, or over cur-
und in der ich mich selbst als engagierten Transatlantiker beschrieben habe, und somit als gefährdete, vom Aussterben bedrohte Art. Ich freue
mich, Ihnen sagen zu können, dass sich von meiner Seite aus nichts geändert hat. Ich bleibe
standhaft und unerschütterlich in meinen
Ansichten.
Mir ist deutlich bewusst, dass bis vor kurzem
ein engagierter Transatlantiker nichts Aussergewöhnliches war; die meisten Leute, die ich diesund jenseits des Atlantiks kannte, dachten, in
unterschiedlich starker Ausprägung, ebenso wie
ich. Heutzutage allerdings, könnte diese Ansicht
mich mancherorts in Schwierigkeiten bringen.
Nennen Sie mich hoffnungslos, unverbesserlich naiv, aber als Sohn Amerikas und Enkel
Europas bleibe ich davon überzeugt, dass
Amerikaner und Europäer untrennbar miteinander
verwachsen sind; durch ihre gemeinsamen Grundwerte und auch durch gemeinsame existentielle
Bedrohungen und deswegen auch durch einen
gemeinsamen Handlungsbedarf.
Unsere gemeinsamen Werte ergeben sich aus
den Bausteinen der jeweiligen Gesellschaften:
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Respekt für
die Würde des Einzelnen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass die Bande, die
unsere verwandten Nationen - Israel natürlich
eingeschlossen - in Brüderlichkeit miteinander
verknüpfen, sich abnutzen, denn sie bedeuten die
größte – ich würde sogar sagen die einzige –
Hoffnung, eine wahrhaft friedliche und gedeihende Welt zu schaffen.
Europa und die Vereinigten Staaten mögen
sich streiten über Airbus gegen Boeing oder über
Währungskurse; sie mögen unterschiedlicher
Meinung sein über die Erderwärmung, gentechnisch veränderte Lebensmittel oder die Todesstrafe; sie mögen über die Rollen der NATO und
der neuen europäischen Verteidigungsinitiative
22
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
rency values; disputes over global warming,
genetically modified foods, or the death penalty; tensions over the respective roles of NATO
and the new European defense initiative; and
differences over concepts of preemptive military action and unilateralism versus multilateralism.
I don’t for a moment minimize these challenges, far from it, especially after the experience and mutual disappointments of recent
years.
Yet, no matter how serious, these divisive
issues must never be allowed to overshadow
the commonalities that link us as nations, as
peoples, and as societies. We must stand together. Our fates are intertwined because our
overarching vision and values are intertwined.
Our foes despise precisely what unites us—a
bedrock commitment to open, democratic, and
pluralistic societies.
It means for us never losing sight of the larger
picture of Europe and America as the likeliest
of strategic allies, as we are today in
Afghanistan, to cite but one example.
It means never succumbing to the notion
that Europeans and Americans may still live in
the same solar system but no longer on the
same planet.
It means resisting the temptation to declare that all Americans have gravitated irreversibly toward Hobbes, hard power, unilateralism,
and the tug of faith, while all Europeans have
been hypnotized by Kant, soft power, multilateralism, and secularism.
unterschiedliche Ansichten haben und uneins sein
über Konzepte zu militärischen Präventivmaßnahmen oder Unilateralismus versus Multilateralismus.
Ich möchte diese schwierigen Fragen keinesfalls bagatellisieren, erst recht nicht nach den
Erfahrungen und gegenseitigen Enttäuschungen
der letzten Jahre.
Dennoch dürfen diese strittigen Punkte, und
seien sie noch so ernst, niemals die
Gemeinsamkeiten überschatten, die uns als
Staaten, als Völker, und als Gesellschaften verbinden. Wir müssen zusammen stehen. Unsere
Schicksale sind miteinander verbunden, weil
unsere Vision von der Welt und unsere Werte miteinander verbunden sind. Unsere Widersacher
verachten genau das, was uns vereint – unseren
bedingungsloser Einsatz für eine offene, demokratische und pluralistische Gesellschaft.
Das bedeutet, dass wir das große Bild von
Europa und Amerika als den geeignetsten strategischen Verbündeten, wie sie derzeit, um nur ein
Beispiel zu nennen, in Afghanistan aktiv sind, nie
aus den Augen verlieren dürfen.
Das bedeutet, niemals der falschen
Vorstellung zu erliegen, dass Europäer und
Amerikaner zwar noch im gleichen Sonnensystem,
aber nicht mehr auf dem gleichen Planeten leben
würden.
Das bedeutet, der Versuchung zu widerstehen, zu behaupten, dass alle Amerikaner sich
unwiederstehlich angezogen fühlen von Hobbes,
militärischer Macht, Unilateralismus und der Kraft
des Glaubens, während alle Europäer von Kant,
diplomatischer Macht, Multilateralismus und
Säkularismus hypnotisiert sind.
Das bedeutet auch, uns den unvermeidbaren
schwierigen Fragen zu stellen, in denen wir vielleicht nie ganz einer Meinung sein werden, diese
jedoch immer in einer Art und Weise zu diskutie-
23
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
And it also means facing the inevitable
tough issues where we may not necessarily find
a complete convergence of views, but always
discussing them in ways that befit friends and
allies.
We look to our partners in Berlin to emphasize
on this side of the ocean the vital significance—and contemporary relevance—of the transatlantic partnership.
You can be assured that, on the other side
of the Atlantic, the voice of the American
Jewish Committee will continue to be heard, as
it has been consistently, in support of the partnership and, more broadly, of an active and
enlightened American role in world affairs.
Democracy is a strategic necessity, not a
tactical option. It represents the best chance
we have to transform the conduct of interstate relations and human behavior, the best
opportunity to ensure that the Bundeswehr,
NATO, or a European Rapid Reaction Force will
always be underemployed, not overemployed.
Please note that I did not say unemployed, just
underemployed.
Our third common agenda item is to serve
as an early warning system. This is an essential
element of what militaries do to guard against
armed threats to the security of a nation.
By virtue of our historical experiences and
rather acute understanding of human nature,
Jews and Germans today can serve as an early
warning system when challenges to a spirit of
tolerance and mutual respect occur, when
extremist political parties seek to infiltrate the
political mainstream, and when the prospect of
ren, wie es unter Freunden und Verbündeten
üblich ist.
Wir vertrauen darauf, dass unsere Partner in
Berlin auf dieser Seite des Ozeans die erhebliche
Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft –
gerade auch in der gegenwärtigen Lage – betonen.
Seien Sie gewiss, dass auf der anderen Seite
des Atlantiks die Stimme des American Jewish
Committee nach wie vor deutlich hörbar sein
wird, um diese Partnerschaft zu unterstützen und,
darüber hinaus, eine aktive und aufgeklärte Rolle
Amerikas im Weltgeschehen zu fördern.
Demokratie
ist
eine
strategische
Notwendigkeit, keine taktische Option. Sie ist die
beste, verfügbare Möglichkeit zur Veränderung
von zwischenstaatlichen Beziehungen und
menschlichem Verhalten; die beste Möglichkeit,
sicherzustellen, dass die Bundeswehr, die NATO
oder eine europäische schnelle Eingreiftruppe
immer unterbeschäftigt sein werden. Bitte beachten Sie, dass ich nicht unbeschäftigt, sondern nur
unterbeschäftigt sagte.
Der dritte Punkt auf unserer gemeinsamen
Tagesordnung ist, als Frühwarnsystem zu dienen.
Dies ist ein wesentlicher Bestandteil dessen, was
Soldaten tun, um Bedrohungen der Sicherheit
eines Landes vorzubeugen.
Auf Grund unserer historischen Erfahrungen
und des ziemlich genauen Verständnisses der
menschlichen Natur können Juden und Deutsche
heute ein solches Frühwarnsystem sein, wenn der
Geist von Toleranz und gegenseitigem Respekt
verletzt wird, wenn extremistische politische
Parteien danach streben, die politische Mitte zu
infiltrieren und wenn die Gefahr von „ethnischen
Säuberungen“ oder Völkermord erkennbar wird.
Wir wissen aus der Vergangenheit, dass wir
Drohungen, die geäussert werden, nicht ignorieren dürfen. Adolf Hitler legte seine Pläne ziemlich
24
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
ethnic cleansing or genocide looms.
We know from the past that menacing
words and threats cannot be ignored. Adolf
Hitler quite revealingly laid out his plans when
he wrote Mein Kampf while in the Landsberg
fortress, but how many took him and his book
seriously?
We know that demagogues may test the
waters to see how far they think they can go,
just as Hitler first moved into Sudetenland,
then paused, and just as he gradually imposed
restrictions on Germany’s Jews over the span of
years.
More recently, we saw Saddam Hussein
confidently conclude that the world would
look the other way while he seized Kuwait in
1990, and Slobodan Milosevic similarly assume
that his international critics did not have the
stomach to translate words of condemnation
into a tough-minded plan of action against his
thuggish rule.
And most recently, there has been the unfolding tragedy in Darfur—murder, rape, pillage,
and dislocation—while the Sudanese government and the Janjaweed militia leaders concluded that the world simply didn’t have the will
to confront yet another colossal man-made
human tragedy.
We have witnessed a range of responses to
such catastrophic events, including denial,
appeasement, and silence. History should have
taught us the devastating consequences of a
failure of will and resolve. Inaction, for whatever reason, only invites more acts of evil. And
remember, in particular, Churchill’s definition
offen dar, als er in der Festung Landsberg „Mein
Kampf“ schrieb, aber wie viele Menschen nahmen
ihn und sein Buch ernst?
Wir wissen, dass Demagogen gerne testen,
wie weit sie wohl gehen können, genau wie Hitler,
als er ins Sudetenland einmarschierte und dann
zunächst innehielt; genauso, als er im Laufe der
Jahre den Juden in Deutschland immer stärkere
Beschränkungen auferlegte.
In jüngerer Zeit erlebten wir, dass Saddam
Hussein darauf vertraute, dass die Welt wegschauen würde, als er 1990 Kuweit überfiel und
Slobodan Milosevic annahm, dass seine Kritiker
den Worten der Verurteilung nicht die nötigen,
harten Taten gegen sein brutales Regime folgen
lassen würden.
Noch aktueller ist die Krise in Darfur – Mord,
Vergewaltigung, Plünderung und Vertreibung, –
während die sudanesische Regierung und die
Führung der Janjaweed-Milizen meinten, dass die
Welt nicht gewillt sei, sich einer weiteren, von
Menschen verursachten, humanitären Tragödie
entgegen zu stellen.
Wir haben eine Reihe unterschiedlicher
Reaktionen auf solche katastrophalen Ereignisse
erlebt, darunter Verleugnung, Beschwichtigung
und Schweigen. Die Geschichte sollte uns gelehrt
haben, wie verheerend sich ein Mangel an Wille
und Entschlossenheit auswirkt. Untätigkeit, aus
welchem Grunde auch immer, ist lediglich eine
Einladung zu weiteren Übeltaten. Denken Sie an
Churchill`s Definition von einem Beschwichtiger
als „jemandem, der ein Krokodil füttert, in der
Hoffnung dass es einen zuletzt frisst.“
In solchen Situationen gibt es keine moralische Neutralität. Niemand kann sich der
Verantwortung entziehen und argumentieren,
dies sei allein das Problem des anderen oder, wie
wir manchmal hören, dass Wirtschaft vor Moral
kommt.
25
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
of an appeaser as “one who feeds a crocodile,
hoping he will eat him last.”
There is no such thing as moral neutrality
in these situations. No one can be let off the
hook and permitted to argue that it is someone else’s problem alone or, as we sometimes
hear, that economics trumps morality.
Nor, in the final analysis, can there be any
Faustian bargains or backroom deals. Tempting
though these have been to some nations, the
record shows that not only do they not work,
but they almost always backfire.
In the face of manifestations of hatred,
whether as governments, nongovernmental
organizations, or individuals, our opposition
must be loud and clear, and our presence felt.
This is all the more important for us these days
as anti-Semitism has been given new life in the
extremist precincts of right and left and in vast
swaths of the Islamic world.
That is precisely why, in 1999, when
Milosevic began driving Kosovar Muslims out
of their homes in a policy of ethnic cleansing,
we at the American Jewish Committee felt it
important to set an example by our actions—
words alone are insufficient at such moments—
in a region where hatreds have a tragically long
life span.
We raised funds from our members to help
the refugees. Before disbursing the money,
however, we visited several refugee camps in
Macedonia and a field hospital run by the Israel
Defense Forces to assess the situation on the
ground.
Genauso wenig darf es letzten Endes faustische Pakte oder Hinterzimmergeschäfte geben.
Einige Länder sind dieser Versuchung erlegen,
aber die Erfahrung zeigt, dass sie nicht nur nicht
funktionieren, sondern fast immer nach hinten los
gehen.
Dort, wo sich Hass zeigt, gleichgültig ob er
sich durch Regierungen, Nicht-RegierungsOrganisationen oder durch Einzelne manifestiert,
dort muss unser Widerstand laut und deutlich
werden und unsere Gegenwart spürbar sein. Dies
ist umso bedeutender für uns, als in der jetzigen
Zeit der Antisemitismus bei den extremen
Rechten und Linken sowie in weiten Teilen der
islamischen Welt zu neuem Leben erwacht ist.
Dies ist der Grund, warum wir beim American
Jewish Committee, als Milosevic 1999 damit
begann, in einer Politik der „ethnischen
Säuberung“, Moslems aus ihrer Heimat, dem
Kosovo, zu vertreiben, es für wichtig erachteten,
durch unsere Taten ein Beispiel zu geben – Worte
allein reichen in solchen Momenten nicht aus – in
einer Region, wo der Hass eine tragisch lange
Lebensdauer hat.
Wir baten unsere Mitglieder um Spenden, um
den Flüchtlingen zu helfen. Vor der Auszahlung
der Gelder jedoch besuchten wir mehrere
Flüchtlingslager in Mazedonien und ein von den
israelischen Verteidigungskräften geführtes
Feldlazarett, um uns ein Bild von der Lage vor Ort
zu machen.
Wir waren tief bewegt von dem, was wir
sahen. Das israelische Feldlazarett wurde hervorragend geführt. Es ist ein Zeichen der Hoffnung,
dass heute eine Reihe von moslemischen Kindern
im Kosovo israelische Namen tragen, aus
Dankbarkeit den Ärzten und Pflegern gegenüber,
die ihnen halfen, auf die Welt zu kommen.
Unter den vier Flüchtlingslagern, die wir
besuchten, beeindruckte uns eines besonders. Es
26
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
We were deeply touched by what we saw.
The Israeli field hospital was superbly run.
Today, as a sign of hope, there are a number of
Kosovar Muslim children with Israeli names, in
gratitude to the doctors and nurses who helped
bring them into this world.
Of the four refugee camps we visited, one
in particular impressed us. It was a German
military operation. There was a special effort to
provide a measure of dignity to the refugees by
serving hot meals and building wooden floors
for the tents; these amenities existed nowhere
else. It may not sound like a lot, but, believe
me, it was. And we were also moved by the
medical assistance being provided by Die
Johanniter, the German humanitarian organization.
When we returned to the States, we contacted
our friends in Germany and proposed a joint
humanitarian operation to assist the refugees.
The response was immediate and enthusiastic.
The result was a pioneering effort, jointly sponsored by the American Jewish Committee and
Die Johanniter, with cargo planes provided by
the Bundeswehr, to bring relief supplies to
thousands of refugees.
Our goals were three, and I believe we accomplished all of them:
1. To assist people in need, in this case Muslims,
who were victims of intolerance, and thereby
to underscore the sacred notion of one human
family.
2. To send a symbolic message that history
could move forward and enhance the human
handelte sich um eine Initiative der deutschen
Armee. Dort gab es besondere Anstrengungen,
den Flüchtlingen ein gewisses Maß an Würde
zukommen zu lassen, indem warme Mahlzeiten
serviert und die Zelte mit Holzböden versehen
wurden; solche Annehmlichkeiten gab es sonst
nirgendwo. Das mag jetzt nicht nach etwas
Besonderem klingen, aber, glauben Sie mir, das
war es. Auch die hervorragende medizinische
Versorgung durch die deutsche Hilfsorganisation
Die Johanniter beeindruckte uns sehr.
Als wir in die USA zurückkehrten, nahmen wir
Kontakt zu unseren Freunden in Deutschland auf
und schlugen eine gemeinsame Hilfsaktion zur
Unterstützung der Flüchtlinge vor. Die Reaktion
war prompt und überschwänglich.
Das Ergebnis war eine Pioniertat, gemeinsam
getragen durch das American Jewish Committee
und Die Johanniter, mit Frachtmaschinen, die von
der Bundeswehr bereit gestellt wurden, um
Tausende von Flüchtlingen mit Hilfsgütern zu versorgen.
Wir hatten drei Ziele und haben, so glaube
ich, alle drei erreicht:
1. Menschen in Not, in diesem Fall Moslems, die
Opfer von Intoleranz waren, zu helfen und
dadurch die göttliche Vorstellung von einer einzigen menschlichen Familie zu unterstreichen.
2. Mit dem Beispiel unseres deutsch-jüdischen
Projektes die symbolische Botschaft auszusenden,
dass Geschichte und die Beziehungen der
Menschen untereinander sich weiter entwickeln
können.
3. Unserer Überzeugung praktischen Ausdruck zu
verleihen,
dass
die
deutsch-jüdischen
Beziehungen soweit gereift sind, dass wir in
27
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
condition, using our German-Jewish project as
an example.
Zeiten humanitärer Krisen gemeinsam handeln
können.
3. And to give shape and form to our belief
that the German-Jewish relationship was at a
sufficiently mature stage that we could act
together in times of humanitarian crisis.
Und dies bringt mich zum vierten und
abschließenden Punkt auf unserer gemeinsamen
Tagesordnung.
Es gibt, wie Sie genau wissen, Gefahren für
das internationale System, denen gegenüber wir
wachsam bleiben müssen.
Lassen Sie mich nur einige von denen erwähnen,
die heute in diesem Zusammenhang besonders
relevant sind. Ich lasse dabei für den Moment so
grundlegende Herausforderungen beiseite wie
demographische
Trends;
ökologische
Bedrohungen wie die Erderwärmung, die
Erschöpfung der Wasserreserven, den Verlust der
Wälder und die Versteppung; ebenso die wachsende Schere zwischen reichen und armen
Ländern und die Verbreitung von ansteckenden
Krankheiten.
Über die folgenden Entwicklungen bin ich in
besonderem Maße besorgt:
Das Streben Irans nach der Entwicklung von
Atomwaffen und den Mitteln, diese mit noch größerer Reichweite und Präzision einzusetzen, steht
auf meiner Liste an erster Stelle.
Einige Zeit lang dachten viele im Westen,
dass der Iran einen neuen Weg eingeschlagen
habe, dass das Auftreten von Präsident
Mohammad Khatami auf der politischen Bühne
das Gleichgewicht der politischen Kräfte im Land
in Richtung der sogenannten Gemäßigten verschoben habe.
Mitterweile ist völlig klar, dass, so sehr sich
einige eine solche Verbesserung der inneren Lage
gewünscht hatten, diese nicht eingetreten ist. Im
Gegenteil halten die Fundamentalisten die Zügel
der Macht fest in ihren Händen. Sie sind entschlossen, ihren Kampf zu führen gegen die von
ihnen ausgemachten Feinde innerhalb und
And this brings me to the fourth and final part
of our common agenda.
There are, as you well know, dangers to the
international system to which we must remain
alert.
Let me mention briefly just a few of those most
pertinent to our discussion today, leaving aside
for now such consequential matters as demographic trends; ecological threats, including
global warming, the depletion of water resources, deforestation, and desertification; growing
gaps between rich and poor nations; and the
spread of infectious diseases.
I am particularly concerned about several
developments.
Iran’s quest to develop nuclear weapons and
the means to deliver them with ever greater
range and precision ranks at the top of my list.
For a while, many in the West thought that Iran
had turned a corner, that the arrival of
President Mohammad Khatami on the scene
had shifted the balance of domestic power in
the direction of the so-called moderates.
It is now abundantly clear that, much as some
had hoped for an improvement in the internal
situation, it has not occurred. To the contrary,
28
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
the fundamentalists firmly hold the reins of
power. They are determined to wage their
struggle against perceived enemies within the
country and beyond, including, of course,
Israel, or the “Zionist entity” as they call it, and
also against the West more generally, although
sometimes their policy in this regard is subtly
cloaked.
Temporary or short-term agreements may
at times seem useful—and I recognize the efforts by Britain, France, and Germany in this
regard—but painful experience, yours and ours,
has taught us that countries like Iran or, for
that matter, North Korea, cannot necessarily be
expected to keep their word and fulfill their
commitments.
The United States, by dint of its size, power,
and global reach, brings a great deal to the
table. So does the European Union.
We must find and sustain a common approach
to Iran. I believe this to be the preeminent test
of the transatlantic relationship in the months
ahead. If we can, not only does it increase our
chance of success in halting Iran’s nuclear program, but it also proves the resilience of the
relationship. Conversely, working on separate
tracks or, heaven forbid, at cross-purposes, we
only embolden what in the final analysis are
our common enemies.
Let’s face reality. Since 9/11 but even before,
we have been confronted with a global threat.
There are those who choose to believe the threat is exaggerated, or is only episodic, or derives
from our own behavior, especially American (or
Israeli). They assert that a change in American
(or Israeli) attitudes is the needed antidote.
ausserhalb des Landes, dabei natürlich Israel oder
das „zionistische Gebilde“, wie sie es nennen, eingeschlossen; ebenso der Westen allgemein, wobei
die Politik Irans in dieser Hinsicht manchmal
geschickt verschleiert wird.
Zeitweilige oder kurzfristige Abkommen können zuweilen nützlich sein – und ich erkenne die
Bemühungen an, die Großbritannien, Frankreich
und Deutschland in dieser Hinsicht unternommen
haben – aber schmerzhafte Erfahrungen, Ihre und
unsere, haben uns gelehrt, dass man von Ländern
wie dem Iran oder auch Nordkorea nicht unbedingt erwarten kann, dass sie Wort halten und
ihre Verpflichtungen erfüllen.
Die Vereinigten Staaten legen aufgrund ihrer
Größe, Macht und weltweiten Ausstrahlung ein
großes Gewicht in die Waagschale. Gleiches gilt
für die Europäische Union.
Wir müssen eine gemeinsame Haltung zum
Iran entwickeln und aufrecht erhalten. Meiner
Überzeugung nach ist dies der vorrangige
Prüfstein für die transatlantischen Beziehungen in
den kommenden Monaten. Wenn wir das schaffen, wird es nicht nur unsere Chancen erhöhen,
das Atomprogramm im Iran erfolgreich zu stoppen, sondern es wird auch die Festigkeit unserer
Beziehungen beweisen. Umgekehrt würde ein
unterschiedliches oder, Gott behüte, ein gegeneinander gerichtetes Handeln nur die gemeinsamen Feinde ermutigen.
Sehen wir der Realität ins Auge. Nicht erst
seit dem 11. September sehen wir uns einer weltweiten Bedrohung ausgesetzt. Einige glauben,
dass die Bedrohung übertrieben werde oder nur
eine vorübergehende Erscheinung sei oder aus
unserem eigenen Verhalten herrühre, inbesondere
dem Amerikas (oder Israels). Diejenigen, die
behaupten, eine Änderung der amerikanischen
(oder israelischen) Haltung sei das notwendige
Gegenmittel, täuschen sich gewaltig.
29
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
They are deluding themselves.
Let’s call the threat by its real name. Take
your pick—Islamism, Islamo-fascism, jihadism,
radical Islam, or militant Islam. It is not—I repeat, it is not—a war against Islam per se. In fact,
it is a war to defend Islam against those who
would kidnap its good name.
In other words, we are faced with an ideology, fueled by a combustible mix of theology,
politics, self-righteousness, and fury, which has
an airtight worldview and hasn’t been shy to
express it. Just as we fought fascism, Nazism,
and communism in the twentieth century,
today we are locked in a struggle with yet
another variant of totalitarian thinking in possession of “absolute truth.” Our semantic effort
to cloak the true nature of the struggle by deliberately avoiding naming its source, lest we
risk offending anyone, is misguided, if not
downright disingenuous.
No, this is not a war or, if you prefer, a
campaign against terrorism. Rather, it is
against those who, in the name of their fanatical beliefs, employ terrorism to advance their
aims, as well as those who give them succor
and sanctuary. Terrorism is their weapon of
choice, but if they had potent armies, is there
any doubt those would be employed as well?
The organizational nature of the enemy greatly complicates matters. Its geographic dispersal; the nature of the weapon of choice—i.e.,
terrorism; the wide-ranging support structure
of mosques, madrassas, front organizations,
satellite technology, encryption programs and
the Internet; readily available funds from the
Persian Gulf (thanks in large measure to our
Nennen wir die Bedrohung bei ihrem richtigen Namen. Treffen Sie Ihre Wahl – Islamismus,
islamischer Faschismus, Heiliger Krieg, radikaler
Islam oder militanter Islam. Es ist nicht – und ich
wiederhole das, es ist nicht – ein Krieg gegen den
Islam an sich. Tatsächlich ist es ein Krieg, um den
Islam gegen diejenigen zu verteidigen, die seinen
Namen missbrauchen.
Mit anderen Worten: wir sind mit einer
Ideologie konfrontiert, die von einer explosiven
Mischung aus Theologie, Politik, Selbstgerechtigkeit und Wut geschürt wird, die eine hermetisch verschlossene Weltsicht hat und sich
nicht scheut, diese zu vertreten. So wie wir im 20.
Jahrhundert den Faschismus, den Nazismus und
den Kommunismus bekämpft haben, befinden wir
uns heute in einem Kampf gegen eine weitere
Variante des totalitären Denkens im Besitz der
„absoluten Wahrheit“. Unsere sprachlichen
Bemühungen, die wahre Natur dieses Kampfes zu
verschleiern, indem man, aus Furcht jemanden zu
beleidigen, vermeidet, den Ursprung beim Namen
zu nennen, sind fehlgeleitet, wenn nicht sogar
ausgesprochen unaufrichtig.
Nein, es handelt sich hier nicht um einen
Krieg oder Feldzug gegen den Terrorismus.
Vielmehr ist es ein Krieg gegen diejenigen, die im
Namen ihres fanatischen Glaubens Terrorismus
benutzen, um ihre Ziele voran zu treiben; und
gegen diejenigen, die ihnen Hilfe und
Unterschlupf gewähren. Terrorismus ist die Waffe
ihrer Wahl, aber wenn sie schlagkräftige Truppen
hätten, wer würde bezweifeln, dass sie diese
ebenfalls einsetzen würden?
Die Organisationsform des Gegners erschwert
die Situation erheblich. Die geographische Zersplitterung; die Art der Waffe – also der
Terrorismus; die weitverzweigte Struktur der
Unterstützung durch Moscheen, Madrassas,
Frontorganisationen, Satellitentechnologie, Ver-
30
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
hopeless addiction to the region’s energy
resources); and the openness of democratic
societies all mean that there is no one central
address for us to target, no V-E or V-J day to
signal when a formal end to hostilities is declared, and no Iron Curtain to raise or Berlin Wall
to demolish as signifying victory.
We in the West have an attention-span problem that will be severely tested. We dare not
be found wanting. Passivity is not an option.
The stakes are far too high. Bear in mind the
path of death and destruction to date. Imagine
the frightening possibilities ahead, including
the potential use of biological or chemical
agents or even, one day, nuclear weapons,
which Osama bin Laden has declared must be
acquired as a “religious duty.”
Remember also that this enemy insists that its
love of death through so-called martyrdom
matches our passion for life. In 1997, for
instance, bin Laden declared: “Being killed for
Allah’s cause is a great honor achieved only by
the elite of the nation. We love this kind of
death for Allah’s cause as much as you like to
live.” And recall that for our adversaries, everything and everyone is fair game—the more carnage the better. After all, spreading fear and
anxiety is the name of the game. The traditional military field of combat has been extended
to include every conceivable civilian venue.
At the same time, we need to encourage and
empower the forces of moderate Islam—and,
yes, they do exist—to assert themselves more
forcefully in the battle for title to their religion.
We must strengthen their hand through political support and social and economic development programs.
schlüsselungsprogramme und das Internet; auf
Abruf verfügbare Gelder aus dem persischen Golf
(zum großen Teil dank unserer hoffnungslosen
Abhängigkeit von den Energiereserven der
Region); und die Offenheit von demokratischen
Gesellschaften bedeuten, dass es kein fest umrissenes Ziel für uns gibt, keinen Siegestag wie in
Europa oder Japan, mit dem wir den Krieg formell
beenden könnten, weder einen Eisernen Vorhang,
den man heben noch eine Berliner Mauer, die man
einreissen könnte, um den Sieg zu verdeutlichen.
Unsere im Westen nicht sehr gut entwickelte
Fähigkeit zur langfristigen Aufmerksamkeit wird
auf eine harte Probe gestellt werden. Dabei dürfen
wir keine Schwäche zeigen. Passivität können wir
uns nicht erlauben. Es steht zuviel auf dem Spiel.
Denken Sie an den langen Weg des Todes und der
Zerstörung bis heute. Stellen Sie sich die schrecklichen Möglichkeiten vor, darin eingeschlossen die
Nutzung von biologischen oder chemischen
Kampfmitteln oder sogar eines Tages von Atomwaffen, deren Erwerb, wie Osama Bin Laden
erklärte, eine „religiöse Pflicht“ sei.
Bedenken sie auch, dass diese Feinde darauf
bestehen, dass ihre Liebe zum Tod durch sogenanntes Märtyrertum gleichzusetzen sei mit
unserer Leidenschaft für das Leben. 1997 erklärte
Bin Laden beispielsweise „Für die Sache Allahs
getötet zu werden ist eine große Ehre, die nur die
Elite eines Landes erreicht. Wir lieben diesen Tod
für Allahs Sache genauso wie ihr das Leben liebt.“
Und denken Sie daran, dass für unsere Gegner
alles und jeder Freiwild ist – je größer das Blutbad,
umso besser. Schließlich ist die Verbreitung von
Angst und Schrecken das, worum es geht. Das traditionelle militärische Schlachtfeld wurde
erweitert und umfasst nun jeden nur vorstellbaren
zivilen Schauplatz.
Gleichzeitig müssen wir die Kräfte des gemäßigten Islam – denn diese gibt es auch - fördern
31
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
To illustrate, in nuclear-armed Pakistan, a
country of incalculable importance in this
equation, an estimated one million youngsters
are currently studying in Saudi-funded
madrassas. Their daily educational fare is the
Koran, jihad, and martyrdom, we are told. But
many of the youngsters are sent to these
indoctrination centers only because they offer
a hot meal at lunch and a roof over the children’s heads, which too many state schools
apparently do not. This must be addressed and
corrected.
Easier said than done, I fully realize, and, to
boot, the line between extremism and moderation is not always easily or neatly drawn. The
world of Islam and the Arab culture in particular are still so alien, so impenetrable to most
outsiders, that we must tread with great caution, avoiding the certitudes that too often
have caused us to stumble in the region, yet
not with such caution that we effectively paralyze ourselves.
Then there is Iraq.
Whatever one’s starting point on the war itself,
it is absolutely essential, I firmly believe, that
the United States and its coalition partners
press ahead in their current complex and dangerous mission.
If even a modicum of success is achieved in
bringing about greater security and political
stability, the positive repercussions will be felt
far beyond Iraq’s borders.
If not, the negative consequences will reverberate for generations to come and, make no
mistake about it, impact on all of us. No one
und unterstützen, damit sie sich stärker durchsetzen können in ihrem Kampf um den Anspruch auf
ihre Religion. Wir müssen ihre Hand stärken durch
politische
Unterstützung
sowie
durch
Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen
Entwicklung.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: im
Atomwaffenland Pakistan, das in dieser Gleichung
eine unkalkulierbare Größe ist, werden schätzungsweise eine Million Kinder in von den Saudis
finanzierten Koranschulen unterrichtet. Uns wird
gesagt, dass ihr täglicher Lehrplan aus Koran,
Dschihad und Märtyrertum besteht. Aber viele
dieser Kinder werden nur in diese Indoktrinierungsanstalten gschickt, weil sie dort eine warme
Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf erhalten,
was in den meisten staatlichen Schulen nicht der
Fall ist. Hier müssen wir eingreifen und korrigieren.
All das ist leichter gesagt als getan - dessen
bin ich mir bewusst, und obendrein ist die
Trennlinie zwischen Extremismus und gemäßigten
Kräften nicht immer leicht oder sauber zu ziehen.
Die Welt des Islam und insbesondere die arabische
Kultur sind immer noch so fremd, so undurchdringlich für die Außenwelt, dass wir mit großer
Vorsicht zu Werke gehen und dabei eine zu große
Bestimmtheit vermeiden müssen, die uns schon
zu oft in dieser Region hat straucheln lassen;
andererseits dürfen wir uns nicht durch übertriebene Vorsicht lähmen lassen.
Ein weiterer Punkt ist der Irak.
Welchen Standpunkt auch immer man zu
Beginn des Krieges vertreten hat, ich bin der festen Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten und
die Partner in der Koalition unbedingt mit ihrer
gegenwärtigen, schwierigen und gefährlichen
Mission fortfahren müssen.
Jeder noch so kleine Erfolg bei der Schaffung
32
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
should underestimate what is involved here.
And no one should take any perverse pleasure
in observing the daily challenges faced by
American forces and their partners.
And last but by no means least, there is the
possible dawning of a new era in the Middle
East. With the passing of Yasir Arafat, a potentially brighter new chapter will be written,
though judging from the attendance at the
Cairo funeral service and the statements of
some political leaders and editorial writers, it
would seem that the world lost a second
Mother Teresa.
It is far too soon to predict the chapter’s contents, but, in theory at least, it could usher in a
new, more moderate and pragmatic Palestinian
leadership, committed to peace with Israel and
determined to move the negotiating process
forward.
We should not, however, fall into the trap of
unrealistic expectations. The new team must
emerge, establish its authority, and persuade
Israel and the world of its determination to
reverse Arafat’s corrupt, dictatorial, duplicitous
legacy and unblinkingly confront the twin evils
of terrorism and incitement.
If so, it will find an eager and willing partner in
Jerusalem. Prime Minister Sharon has already
confounded his critics by accepting the principle of a two-state solution, calling for withdrawal of Jewish settlements from Gaza and the
northern West Bank, and implicitly acknowledging the logic of territorial separation on the
West Bank by the construction of the security
fence.
But Israel must not be pushed farther and
von größerer Sicherheit und politischer Stabilität
wird ein positives Echo noch weit jenseits der
Grenzen des Irak auslösen.
Bei einem Misserfolg werden die negativen
Konsequenzen in zukünftigen Generationen nachhallen und - täuschen Sie sich nicht - Auswirkungen auf uns alle haben. Niemand sollte unterschätzen, worum es hier geht. Und niemand sollte Schadenfreude empfinden angesichts der täglichen Herausforderungen für die amerikanischen
Streitkräfte und ihre Partner.
Zu guter Letzt, aber dadurch keinesfalls weniger bedeutend, sei der mögliche Anbruch einer
neuen Ära im Nahen Osten genannt. Mit dem Tod
von Yassir Arafat kann ein neues, vielleicht helleres Kapitel aufgeschlagen werden, obwohl es,
nach der Zahl der Trauergäste bei der Trauerfeier
in Kairo und nach den Stellungnahmen mancher
Politiker und Journalisten zu urteilen, den
Anschein hatte, als habe die Welt eine zweite
Mutter Theresa verloren.
Es ist viel zu früh, den Inhalt des Kapitels vorherzusagen, aber zumindest theoretisch könnte es
eine neue, gemäßigtere und pragmatische
Führung der Palästinenser geben, die sich für
Frieden mit Israel engagiert und den Verhandlungsprozess entschlossen voranbringt.
Dennoch sollten wir nicht unrealistische
Erwartungen hegen. Die neue Führung muss sich
zunächst formieren, dann ihre Autorität beweisen
und Israel und die Welt davon überzeugen, dass
sie entschlossen ist, Arafat`s Vermächtnis aus
Korruption, Diktatur und Doppelzüngigkeit grundlegend zu widerrufen und die beiden miteinander
verbundenen Übel Terrorismus und Aufwiegelung
unerschrocken zu bekämpfen.
Wenn sie dies tut, wird sie in Jerusalem einen
eifrigen und willigen Partner finden.
Premierminister Sharon hat bereits seine Kritiker
irritiert, indem er das Prinzip der Zwei-Staaten-
33
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
faster than it can responsibly go by the international community to satisfy the desire of
those outside the region who seek a rapid solution.
No one—I repeat, no one—seeks peace for Israel
more than the people of Israel, who have been
denied that peace for fifty-six years.
No nation, faced with repeated wars for its very
survival, has been more forthcoming in its willingness to compromise territorially for peace
than Israel. And when else in history have the
defeated nations, i.e., Israel’s enemies, sought
to set the terms for peace?
Peace cannot be built absent a credible negotiating partner. Peace cannot be built on empty
promises. And peace cannot be built by simply
talking about Israel’s “legitimate security concerns,” but not actively understanding and
addressing those concerns, which begin with
the basic proposition that the country is no larger than Wales or, put another way, is twothirds the size of Belgium. Unlike Wales and
Belgium, though, Israel’s neighborhood is, shall
we say, rather rough and tumble, and thus its
margin for error is small to nil.
In other words, let no one ever seek to place
Israel’s security on the altar of political or
diplomatic expediency.
Ladies and gentlemen, together, I hope, we
will do all that we can to ensure Israel’s security in the context of a Middle East where peace
one day replaces war, where prosperity replaces
poverty, and where harmony replaces hatred. It
will not be easy, but the objective is worth the
struggle, and the alternative is simply too
Lösung akzeptiert, den Rückzug jüdischen Siedler
aus dem Gazastreifen und dem nördlichen
Westjordanland angeordnet und durch die
Errichtung des Sicherheitszaunes die territoriale
Trennung im Westjordanland stillschweigend
anerkannt hat.
Israel darf jedoch nicht von der internationalen Gemeinschaft zu weiteren und schnelleren
Schritten, die es nicht verantworten kann,
gedrängt werden, nur um den Wunsch derer von
ausserhalb der Region zu befriedigen, die eine
schnelle Lösung fordern.
Niemand – ich betone, niemand – strebt
mehr nach Frieden für Israel als das israelische
Volk, dem man diesen Frieden seit sechsundfünfzig Jahren vorenthält.
Kein Land, das wiederholt Krieg führen musste, um seine Existenz zu sichern, hat je eine solche Bereitschaft zum Entgegenkommen gezeigt,
den Verzicht auf Land als Ausgleich für Frieden
angeboten, wie Israel. Und haben jemals zuvor in
der Geschichte die besiegten Nationen versucht,
die Bedingungen für den Frieden zu diktieren, wie
in diesem Fall die Feinde Israels?
Frieden kann man nicht ohne einen glaubwürdigen Verhandlungspartner schaffen. Frieden
kann nicht auf leeren Versprechungen basieren.
Und Frieden kann man nicht erreichen, indem
man zwar von „legitimen Sicherheitsinteressen
Israels“ spricht, aber nicht wirklich versteht und
sich nicht damit beschäftigt, worin diese bestehen. Es beginnt mit der grundsätzlichen Tatsache,
dass das Land nicht größer ist als Wales, oder,
anders gesagt, nur zwei Drittel der Fläche von
Belgien umfasst. Anders als bei Wales oder
Belgien allerdings, ist die Nachbarschaft, sagen
wir, ziemlich rauh und wild, so dass der Spielraum
für Fehler gegen Null geht.
Mit anderen Worten, niemand darf je danach
streben, Israels Sicherheit auf dem Altar der poli-
34
Zehnjähriges Bestehen der Kooperation Bundeswehr – American Jewish Committee von David A. Harris,
geschäftsführer des American Jewish Committee, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 22. November 2004
frightening to contemplate.
In sum, we, Germans and Jews, have a full
plate and a daunting agenda. But I am persuaded that our efforts can make a profoundly
positive difference.
Our shared experience in the second half
of the twentieth century, and during the past
decade of cooperation between the German
armed forces and the American Jewish
Committee that we mark today, offers a glimmer of hope, perhaps even a metaphor for
hope. It reveals what can be if only we dare to
dream dreams and have the courage and determination to match.
For our part, we at the American Jewish
Committee eagerly look forward to our next
decade of collaboration.
tischen oder diplomatischen Zweckdienlichkeit zu
opfern.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir
alle gemeinsam tun werden, was in unserer Macht
steht, um Israels Sicherheit zu garantieren in
einem Nahen Osten, wo eines Tages Frieden
herrscht statt Krieg, wo es Wohlstand statt Armut
gibt und wo Harmonie statt Hass regiert. Dies
wird nicht leicht zu erreichen sein, aber das Ziel
lohnt die Anstrengungen und die Alternative ist
einfach zu furchterregend, um sie in Erwägung zu
ziehen.
Insgesamt haben wir, Deutsche und Juden,
eine fast beängstigende Fülle von Herausforderungen auf der Tagesordnung. Aber ich bin
überzeugt, dass wir mit unseren Bemühungen die
Dinge wesentlich zum Guten verändern können.
Unsere gemeinsamen Erfahrungen in der 2.
Hälfte des 20. Jahrhunderts und während der vergangenen zehn Jahre der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und American Jewish
Committee, die wir heute feiern, sind ein
Hoffnungsschimmer, vielleicht sogar ein bildlicher
Ausdruck dieser Hoffnung. Es zeigt sich, was möglich ist, wenn wir es wagen, Träume zu träumen
und den Mut und die Entschlossenheit haben,
diese auch umzusetzen.
Wir vom American Jewish Committee schauen mit freudiger Erwartung auf das nächste
Jahrzehnt unserer Zusammenarbeit.
35
A Decade of Bundeswehr-American Jewish Committee Cooperation by David A. Harris, Executive Director of the
American Jewish Committee at the Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, November 22, 2004
36
David A. Harris
Executive Director
Dr. Peter Struck
Bundesverteidigungsminister
A Decade of BundeswehrAmerican Jewish
Committee Cooperation
The American Jewish Committee Berlin Office
Lawrence & Lee Ramer Center for German - Jewish Relations
Mosse Palais · Leipziger Platz 15 · 10117 Berlin
Tel. (030) 22 65 94-0 · Fax (030) 22 65 94-14 · www.ajc.org
Zehnjähriges Bestehen der
Kooperation Bundeswehr –
American Jewish Committee