Bei Augarten

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Bei Augarten
„Wir sind der Maybach für den Tisch.“
Claudia Uth, Director Marketing & Sales Wiener Porzellanmanufaktur Augarten
Text von Rainer Seebacher
mutet hätten: auf Facebook. Am Anfang der Social-WebNeubelebung. Mit Produkten der Wiener Porzellanma­
Marketingaktion stand die Zerstörung. Ein Sprayer namens
nufaktur Augarten pflegten Erben bisher nicht lange zu
„Netragua“ drohte Ende letzten Jahres, auf einer eigens ein­
­fackeln. Egal ob Kaffeeservice mit Wiener Rose, Art-Déco­
gerichteten Facebook-Fanpage namens „Paint the City“ ein
Vase in Schwarz und Gold oder auch Prinz Eugen zu
historisches Gebäude in Wien zu besprayen, weil es in der
Pferde. Für das „alte Geschirr“ von der Omi
Donaumetropole zu wenig Platz für Graffiti-Künstler gebe.
oder der Tante gab es in der Regel nur
Aus Worten wurden Taten. Netragua lieferte den Videobe­
zwei Verwertungsmöglichkeiten:
weis von der „Verschönerung“ des Augartenschlosses auf
­Dorotheum oder Ebay. Dabei ver­
hängte das Dorotheum bisweilen YouTube. Die Aufregung war groß – das Beweisvideo wurde
sogar einige Male von der Videoplattform entfernt.
sogar einen Aufnahmestopp.
Gewinner. Diese Urne ist ­eines von drei Projekten,
Dieser Verwertungsweg muss der
welche beim Design-Wett­bewerb überzeugten.
Schloss im Sprayer-Look
Porzellanmanufaktur, die im Jahre
Für all jene, die Netragua nicht schon längst als verkehrt
1712 gegründet wurde und nun im
­Eigentum von Erhard Grossnigg steht, ­geschriebenen „Augarten“ entlarvt hatten, lieferte Uth einige
Tage später auf der Website www.augartenbrennt.at die
freilich die Tränen in die Augen trei­
Auflösung: Die zuvor als illegal wirkende Sprayaktion ent­
ben. Denn welche Zukunft soll dass
puppte sich als Auftakt für einen Wettbewerb unter Graffitimitten in Wien hergestellte weiße
Künstlern. Auf der Website konnten sich Künstler Templates
Gold haben, wenn die jüngere Gene­
von weißen Porzellanformen herunterladen und diese dann
ration darin nur noch die vielen bun­
virtuell gestalten. „Wir hatten 120 Einreichungen“, freut
ten Euroscheine sieht, die man dafür
sich Uth. Aus diesen wurden per Public-Voting die besten
bekommt. „Augarten ist eine Marke
zehn gewählt. Eine Fachjury hatte dann die Aufgabe, aus
gewesen, die die Altersgruppe 50 bis
diesen zehn ­Arbeiten die besten drei herauszufiltern. Die
60+ angesprochen hat“, bestätigt
drei Sieger ­(Simon Wittrich, Martin Hochmeister und Isabelle
Claudia Uth, Director Marketing &
Ess) f­ertigten dann von ihrem Entwurf unter Anleitung von
­Sales von Augarten. Aber anstatt zu
Augarten-Porzellan-Mitarbeitern je drei Exemplare ihrer
weinen, lächelt sie. Denn die Beto­
­Gewinnerprojekte per Hand an – getreu dem Augarten-­
nung liegt auf „hat“. Schließlich ist
Credo „Manu factum est“: Ein Stück wird vom Dorotheum
mit dieser Positionierung Schluss, die
versteigert, eines kommt in das eigene Augarten-Porzellan­Marke befindet sich auf einem Weg,
Museum und „für die drei dritten Stücke überlegen wir uns
der zur Jugend führt. Uth: „Wir sind
noch eine Verwendung“, meint Uth. Ein Teil des Erlöses aus
­gerade dabei, die Marke neu zu positio­
der Versteigerung kommt der Levin Statzer Foundation zu­
nieren und zu entstauben.“ Und das auf
gute – einer nach einem verunglückten Sprayer benannten
eine ziemlich ungewöhnliche Art.
Einen riesigen Schritt auf diesem Weg, an sozialen Einrichtung. Uth: „Wir wollten nicht irgendeine
Charity-Kiste machen – das sollte schon stimmig sein.“
dessen Ziel steht, dass die um die Dreißigjäh­
Die ungewöhnliche Aktion hat Augarten Porzellan ge­
rigen die Marke Augarten Porzellan cool finden
meinsam mit einer Gruppe Kreativer wie Butterfly & Bunny­
und auch kaufen sollen, hat man erst kürzlich
rabbits, Predl von Pretz, Crunchtime und der Agentur 4E7
gewagt. Und zwar dort, wo es nur wenige ver­
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Bestseller 3|4 2010
porzellanmanufaktur augarten (5)
Bei Augarten
regiert der Staubwedel
branding
von Alexander Schön­
burg umgesetzt. Zusätzlich
zum Wettbewerb lud Augarten
dann Mitte März Sprayer dazu ein, wäh­
rend vier Tagen auf ausgewählten Wänden des Schlosses
Augarten zu zeigen, was „Kunst mit der Dose“ so alles sein
kann. Und so zieren derzeit Graffittis völlig unterschiedli­
cher Stilrichtungen einige Innenwände des altehrwürdigen
Schlosses. Uth dazu: „Augarten hat sich schon immer mit
zeitgenössischen Künstlern beschäftigt“ – und verweist auf
aktuelle Zeitgenossen wie Gundi Dietz und Gottfried Palatin
sowie Marco Dessi und Katharina Ilieff. Die Kunstwerke der
Sprayer sind im Schloss Augarten allerdings nicht von
­Dauer – denn das Schloss wird gerade umgebaut.
Elefant im Porzellanladen
Doch hätte diese virale Aktion „Augarten brennt“ auch
nicht auch voll in die Hosen gehen können, zumal man
sich ja nicht von Anfang an als Augarten Porzellan dekla­
riert hatte? Uth: „Auch wenn das passiert wäre – die Marke
Augarten Porzellan ist so stark, dass sie auch das ausgehal­
ten hätte.“ Und so hat man bei dieser Aktion nur gewon­
nen – schließlich setzt sich nun ein Publikum mit Augarten
Porzellan auseinander, das man über traditionelle
­Marketingkanäle nie erreicht hätte.
Werbung so wie man sie kennt, gab es von Augarten
Porzellan in jüngster Zeit ohnehin nicht – was auch am
knapp bemessenen Werbebudget liegt. „Wir haben weder
eine Werbe- noch eine PR-Agentur“, meint Uth. Die Zusam­
menarbeit mit Schönburg hätte sich durch Zufall ergeben.
Inserate gibt’s zwar – allerdings werden auch die Plattfor­
men dafür sehr genau ausgesucht. „Wir haben etwa im
Handgefertigt.
Im Schloss Augarten
kann man den
Meistern des Porzellans
beim Arbeiten zusehen.
Traditionell. Die Wiener Rose gehört zu den beliebtesten
­Motiven der Augarten-Kundschaft. Ob sich das nach
der Verjüngung der Marke wohl ändern wird?
schwulen Hochzeitsguide oder auch im Magazin FAQ
­inseriert.“ Das Sujet stammt von einer Augarten-PorzellanGruppe. Allerdings ist der Ausschnitt so gewählt, dass man
nur einen Chinesen sieht, der einer anderen Figur direkt
zwischen die Beine blickt. „292 Jahre alt und noch immer
faltenlos“ ist da zu lesen. Wer hätte das von Augarten er­
wartet? Ungewöhnliches bieten auch die Augarten-Shops in
Wien, Linz und Salzburg. „Wir haben die Schaufenster mit
Porzellanscherben gefüllt und darüber unsere Porzellanele­
fanten laufen lassen“, bringt Uth ein Beispiel. Sie misst der
Gestaltung der Shops und der Schaufenster einen immens
hohen Wert bei. „Der Betrachter muss sich in die einzelnen
Stücke verlieben können und deshalb muss man sehr
­reduziert inszenieren.“
Augarten bleibt im Schrank
Ein äußerst wichtiges Ziel der Kommunikation ist es aller­
dings, dass Interessierte in den zweiten Wiener Gemeinde­
bezirk kommen, um den 23 Mitarbeitern von Augarten
­Porzellan über die Schulter zu blicken. Täglich gibt es
­Führungen durch die Manufaktur und auch Malkurse wer­
den angeboten. Erst vorort verstehen viele, dass sämtliche
Stücke tatsächlich von Hand gefertigt werden. Und zwar je­
des einzelne. „Die Besucher der Manufaktur sind unsere
wichtigsten Markenbotschafter“, sagt Claudia Uth. Denn
wenn einem bewusst wird, welchen Wert das Kaffeeservice
mit Wiener Rose, die Art-Déco-Vase in Schwarz und Gold
oder Prinz Eugen zu Pferde tatsächlich haben, wird man es
sich gut überlegen, es zwecks Monetarisierung per Doro­
theum oder Ebay der Versteigerung preis zu geben.
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