Kolbenschmidt Pierburg Group

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Kolbenschmidt Pierburg Group
Kolbenschmidt Pierburg Group
KS Aluminium Kolben
für Nutzfahrzeuganwendungen
Anforderungen
Designmerkmale des Kolbens
Die Entwicklung von Nutzfahrzeug- und Einbau-Dieselmotoren für die unterschiedlichsten Anwendungen ist heute sehr
stark geprägt von den Erfordernissen der globalen Emissionsgesetzgebungen und der Reibleistungsminimierung. Hohe
Zünddrücke und spezifische Leistungen moderner, direkteinspritzender aufgeladener Dieselmotoren führen zu starken mechanischen und thermischen Belastungen, denen
Aluminiumkolben mit konventionellem Werkstoff und Salzkernkühlkanal kaum mehr gewachsen sind. Abb. 1 zeigt
die Anwendungsgrenzen verschiedener Kolbenbauarten für
leichte, mittlere und schwere Nutzfahrzeuge in Abhängigkeit
der spezifischen Motorleistung.
KS Kolbenschmidt Aluminium Kolben für Dieselmotoren
zeichnen sich durch eine gesteigerte Nabenbelastbarkeit
und gerichtete Erstarrung im Gießprozess aus. Dies wird
durch die konsequente Umsetzung von einteiligen Kerninnenformen und bestmöglicher Kernkühlung ermöglicht.
Weiterhin können so die Gießwerkzeuge robust ausgeführt
werden. Durch Krümmung der Nabenstirnfläche kann bei
Verwendung eines Trapezpleuels der Augenabstand minimiert werden ohne den geforderten Spielbedarf in ausgelenktem Zustand zu unterschreiten. Dies erlaubt den Einsatz
kürzerer Bolzen und reduziert in vollem Umfang die oszillierende Masse. Eine weitere Reduzierung des Augenabstands
ermöglicht dann nur noch die Verwendung eines gestuften
Pleuels.
Für schwere Nutzfahrzeuge mit ca. 2 l Hubraum pro Zylindereinheit werden heute spezifische Motorleistungen bis ca. 35
kW/l Hubraum benötigt. Wie im Pkw werden auch für Nutzfahrzeugmotoren zukünftig verstärkt „Downsizing“-Konzepte
umgesetzt, was ein deutliches Ansteigen der thermischen Belastung des Kolbens zur Folge hat.
Bei Forderungen nach höheren Spitzendrücken von über
200 bar und Lebensdauerforderungen von 1,2 Millionen Meilen kommen der Entwicklung neuer Aluminium-Werkstoffe,
der lokalen Verbesserung der Werkstoffeigenschaften und
der Kühlungsoptimierung besondere Bedeutung zu. Durch
die stetig steigenden Emissionsanforderungen sind ständig neue Lösungsansätze zur Minimierung von Reibung und
Kraftstoffverbrauch gefragt.
Sind alle diese konstruktiven Möglichkeiten ausgeschöpft,
ist der Einsatz von Nabenbuchsen zur Belastungssteigerung sinnvoll. Abb. 2 zeigt einen modernen Dieselkolben
für schweren Nutzfahrzeugeinsatz mit Nabenbuchsen aus
Spezialmessing. Die von KS Kolbenschmidt entwickelte Feinbohrtechnologie erlaubt auch bei diesen Kolben die Herstellung der Bohrungsformen, die für eine einwandfreie Funktion
des Bolzenlagers bezüglich gleichmäßiger Pressungsverteilung und guter Schmierung erforderlich sind. Mit dieser Technologie können Aufweitungen und Ovalitäten in praktisch
allen erforderlichen Ausprägungen überlagert eingebracht
werden.
Heavy Duty
Medium Duty
Spezifische Leistung [kW/l]
42
Light Duty
40
Stahl
38
36
34
32
30
Aluminium mit Kühlkanal
28
26
24
Aluminium ohne Kühlkanal
22
20
0,4 0,6 0,8
1
1,2 1,4 1,6 1,8
2
2,2 2,4 2,6 2,8
3
Hubraum pro Zylinder [l]
Abb. 1: Anwendungsgrenzen verschiedener Kolbenbauarten
Abb. 2: Moderner KS Aluminumkolben mit Nabenbuchsen und
Bodeneloxal
3
Zur Bewehrung der ersten Kolbenringnut, in einzelnen Fällen
auch der zweiten Ringnut, sind alle hochbelasteten Nutzfahrzeug-Dieselkolben aus Aluminium durch einen Ringträger aus austenitischen Gusseisen ausgerüstet. Ringträger
und Aluminium Grundmaterial sind durch eine intermetallische Alfin-Schicht sicher verbunden.
Die Brennraummulde – insbesondere der Muldenrand – ist
die zweite besonders kritische Zone heutiger hochbelasteter
Dieselkolben. Die Kombination aus niederfrequenter Beanspruchung durch den Kalt/Warmbetrieb des Motors (LCF) und
der aus der Gaskraft resultierenden hochfrequenten Beanspruchung (HCF) kann zu Rissbildung am Muldenrand oder
im Muldengrund führen. Nutzfahrzeugmotoren für On- und
Off-Highway Betrieb, Baumaschinen und Marineanwendungen sind solchen Beanspruchungen durch Temperaturwechsel besonders stark ausgesetzt.
Für diese Anforderungen hat KS Kolbenschmidt auf den Gebieten Kolbenkühlung und neue Werkstoffe innovative Lösungen entwickelt.
Kolbenkühlung: DynamiKS® – besserer Wärmeübergang durch Erhöhung der Strömungsintensität
Zur effektiven Absenkung der Temperaturen besitzen Kolben
einen ringförmigen Kühlhohlraum, der über eine am Kurbelgehäuse fest installierte Düse mit Öl gefüllt wird. Das Öl
nimmt Wärme über die Kühlraumwand auf und transportiert
sie beim Verlassen des Hohlraums ab. Lage und vor allem
Form des Kühlkanals beeinflussen das Temperaturfeld maßgeblich.
KS Kolbenschmidt verwendet für die Kolbenauslegung modernste Verfahren. Dazu zählt neben der Strukturanalyse mit
finiten Elementen auch CFD (Computational Fluid Dynamics)
als Tool zur Simulation der Füllung des Kühlhohlraums und
Flüssigkeitsbewegung in seinem Inneren. Durch diese Methode werden die sonst schwer zu analysierenden Vorgänge
des Wärmeübergangs an das Kühlöl erstmals für Optimierungen zugänglich. Die ermittelten Werte sind notwendige
Randbedingungen für die möglichst exakte Vorhersage der
Temperaturverteilung im Kolben und der Wärmeflüsse im
Kolbensystem (s. Abb. 3).
Durch die Visualisierung der Kühlöldynamik über den Kolbenhub werden die für den Konstrukteur komplexen Vorgänge der Phasen Befüllung, Weitertransport im Kanal und
Entleerung verständlich aufgezeigt. Die virtuelle Erprobung
neuer Ideen wird dadurch möglich.
Als Ergebnis dieser Untersuchungen resultiert die Entwicklung des DynamiKS®-Pumpkühlkanal (Abb. 4), der die oszillierende Kolbenbewegung nutzt, um den Öldurchsatzes im
Kühlholraum zu erhöhen. Die besondere, zum Patent angemeldete gestufte Gestaltung, zwingt dem Öl während der
Oszillation eine Geschwindigkeitskomponente in Umfangs-
2890.0 deg CA
Temperatur °C
120
119
118
117
116
115
114
113
112
111
110
109
108
107
Abb. 3: CFD-Temperaturverteilung im Kühlkanalscheitel
4
Abb. 4: KS DynamiKS®- Kühlkanal
richtung auf, die wiederum den Wärmeabtransport wesentlich verbessert. Im Vergleich zum vielfach in Serie bewährten
ContureKS®-Kühlkanal mit stetig variablen Querschnitt, wird
am Muldenrand eine Temperaturabsenkung von 15 °C und in
der ersten Kolbenringnut von 10 °C erreicht (s. Abb. 5).
Auch für diese komplizierte Kanalform kann die bewährte
Salzkerntechnologie verwendet werden. Der Herstellprozess
der Salzkerne als auch die Gießprozesse wurden optimiert.
Neue Werkstoffe
Temperatur
Muldenrand
Temperatur
1. Kolbenringnut
Trotz Einsatz von Stahlkolben für die höchsten Leistungsklassen besteht nach wie vor der Wunsch nach Erweiterung
des Einsatzbereichs für Aluminiumkolben. Dazu wurde in
den vergangenen Jahren die neue KS-Legierung V4 zum Serieneinsatz gebracht. Sie erfüllt im Besonderen die oben genannten Anforderungen nach höherer thermomechanischer
Belastbarkeit (TMF). Die gezielt entwickelte Legierungszusammensetzung sowie die den spezifischen thermischen
und mechanischen Kolbenbelastungen angepasste, prozessgesteuerte Gefügestruktur führen zu deutlichen Verbesserungen im kritischen Temperaturbereich oberhalb von
300 °C. Abb. 6 zeigt die mit dieser Legierung im Vergleich zu
der bei KS Kolbenschmidt bewährten Legierung KS 1295+
erzielten Verbesserungen im speziellen TMF Werkstofftest
mit vollständiger Dehnungsbehinderung. Bei Muldenrandtemperaturen von 400 °C wird die thermische Belastbarkeit
(TMF) um 86 % gesteigert.
Abb. 5: Temperaturreduzierung mit DynamiKS®-Kühlkanal
Aktuell entwickelt KS Kolbenschmidt einen neuen Aluminiumwerkstoff speziell für Dieselanwendungen zur nochmaligen Steigerung der thermisch- und mechanischen Belastbarkeit.
Abb. 6: TMF-Ergebnisse V4
Max. Temperatur [°C]
Lokales Muldenrandumschmelzen
Für den Rissentstehungsmechanismus am Muldenrand ist
aufgrund der unterschiedlichen Wärmeausdehnung der verschiedenen Gefügebestandteile einer Aluminiumlegierung
die Gefügefeinheit von hoher Bedeutung. Trotz ständiger
Weiterentwicklung der Gießtechnologie gibt es bei einer
Gusslegierung dafür nur schwer unterschreitbare Grenzen.
Zur Lösung dieses Problems hat KS Kolbenschmidt ein auf
den gegossenen Rohling anwendbares Umschmelzverfahren entwickelt.
Abb. 7: Medium-Duty Dieselkolben nach lokalem Muldenrandumschmelzen und vor der Fertigbearbeitung
5
99
Ausfallwahrscheinlichkeit [%]
Dabei wird der hoch belastete Bereich nach Vorbearbeitung
der Brennraummulde im Kolbenboden kontrolliert umgeschmolzen und anschließend die Muldenkontur sowie Kompressionsfläche fertigbearbeitet. Abb. 7 zeigt einen Schliff
durch den Kolben mit umgeschmolzenem Muldenrand vor
der Fertigbearbeitung. Die so entstandene feine, im Umschmelzbereich homogene Gefügestruktur verbessert die
thermischen Ermüdungseigenschaften des kritischen Bereichs um bis zu 200 %, wie in Abb. 8 zu sehen ist. Weitere
Vorteile sind die im Vergleich zum Gießen höhere Prozessstabilität und die verbesserte Oberflächengüte nach der Bearbeitung.
95
90
80
70
60
50
40
30
20
10
5
KS 1295+ Umgeschmolzen
1
Das Umschmelzverfahren ist eine maßgeschneiderte Lösung, mit der sich Zuverlässigkeit und Qualität des Dieselkolbens deutlich erhöhen lassen. Ergebnisse aus Motorversuchen bei KS Kolbenschmidt und bei Kunden haben das
Potenzial der Technologie bestätigt.
KS 1295+
0
5000
10000
15000
20000
25000
30000
Zyklenzahl bis zum makroskopischen Anriss
Abb. 8: Vergleich von Ergebnissen des Thermoschockversuchs am
Muldenrand: Gussstruktur mit/ohne Muldenrandumschmelzung
Kavitation
ZOT
41 %
100 %
Mit den bei KS Kolbenschmidt eingesetzten Entwicklungstools wird das Risiko für Kavitation minimiert. Die Bewegungssimulation berechnet die Anregung der Zylinderlaufbuchse durch die Kolbensekundärdynamik für die kritischen
Betriebspunkte des Motors. Leitgröße bei der Betrachtung
der simulierten Schwingungsanregung ist die Geschwindigkeit (Schwingschnelle) mit der der Zylinder auf die Anregung
durch den Kolben reagiert. Abb. 9 zeigt links einen Zylinder
mit Kavitationsschäden und rechts daneben den Zylinder
nach erfolgreicher Optimierung des Kolbensystems. Letztendlich war die Reduzierung der Schwingschnelle um 60 %
durch Änderung der Kolbenquerbewegung der Schlüssel
zum Erfolg.
Zylinderanregung
Die Schädigung der Außenseite der Zylinderbüchse durch
Auftreten von Kavitation im Kühlmittel ist als Folge der
Schwingungsanregung durch den Kolben bei entsprechender Gestaltung von Zylinderbuchse und Kühlraum möglich
und muss verhindert werden. Die kolbenseitige Anregung ist
durch die Führung des Kolbens d. h. Laufspielgestaltung und
Schaftelastizität sowie die richtige Wahl der Kolbenbolzendesachsierung beeinflussbar.
ZOT
Abb. 9: Reduzierung der Zylinderanregung zur Vermeidung von
Kavitation
6
-70 – 80 %
Reibung
Der Kolbenschaft für Dieselmotoren mit Guss- oder Stahlzylinderlaufflächen wird bei KS Kolbenschmidt in der Regel mit
einer LofriKS® 2-Beschichtung versehen. LofriKS® 2 hilft insbesondere beim Einlauf neuer Motoren die Fresssicherheit
zu erhöhen, Schaftverschleiß zu minimieren und durch die
Schaffung günstiger hydrodynamischer Verhältnisse die Reibung lebenslang zu reduzieren. Durch steigende Zünddrücke und damit höhere Seitenkräfte am Kolbenhemd nimmt
auch die tribologische Beanspruchung der Kolbenschaftbeschichtung zu. Zur Lösung dieser anspruchsvollen Aufgabe
benutzen die Kolbenschmidt-Ingenieure die aktuellsten
Forschungsergebnisse der Nanotechnologie. Die Kolbenschmidt eigene Entwicklung NanofriKS® zeichnet sich durch
einen um über 50 % reduzierten Trockenreibungskoeffizienten bei gleichzeitg um bis zu 80 % reduziertem Verschleiß
aus (Abb. 9). KS Kolbenschmidt hat mit dieser Entwicklung
als erster Kolbenhersteller die Nanotechnologie in Serie gebracht und unterstreicht damit die führende Rolle im Bereich der Beschichtungstechnologie.
Verschleiß
NanofriKS® –
Reduzierung von Reibung und Verschleiß
-40 – 60 %
LofriKS® 2
NanofriKS®
Abb. 10: Reibungsreduzierung durch NanofriKS®-Beschichtung
Zusammenfassung
KS Kolbenschmidt hat mit gezielten Neuentwicklungen auf
den Gebieten Design, Werkstoffe, Beschichtungen und den
notwendigen Herstellprozessen die richtigen Antworten auf
die zukünftigen Anforderungen der Nutzfahrzeug Dieselmotoren gefunden. Laufende Serienentwicklungen und die starke Nachfrage des Marktes weltweit bestätigen dies.
Ausblick
Viele Gründe sprechen auch nach wie vor für die Nutzung
von Aluminium-Legierungen in Kolben für Dieselmotoren:
geringes Gewicht, hohe Wärmeleitfähigkeit, kostengünstige
Herstellung, hohe Zuverlässigkeit und sehr gute Recyclingeigenschaften. Schwerpunkte werden auch künftig die verbesserte Kühlung für höhere Leistungsdichten, die Entwicklung
neuer Werkstoffe sowie reduzierte Reibung in Verbindung
mit der neuartigen und bereits bei Ottokolben in Serie befindlichen NanofriKS®-Schaftbeschichtung sein.
7
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