Das Hooksmeer von Hooksiel
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Das Hooksmeer von Hooksiel
D Hooksiel und sein Freizeitareal sowie die Salzwiesen und der Verlauf des Hooksieler Tiefs vor den drastischen Veränderungen. Blick von Nordost: Badestrand, Hooksmeer und das Chemiewerk Ineos, in dem unter anderem PVC produziert wird. Das Hooksmeer von Hooksiel Wie vor 40 Jahren aus einer ursprünglichen Salzwiesenlandschaft ein am Reißbrett entworfenes Freizeitareal entstand. Gordon Päschel (Text und Fotos) berichtet. 26 Ostfriesland Magazin 9/2012 er Kontrast könnte schärfer kaum sein. Auf der einen Seite ein idyllisches Naherholungsgebiet rund um das Hooksmeer – 240 Hektar groß, mit grünem Wäldchen, Wanderwegen und einem der schönsten Sandstrände entlang der friesischen Festlandküste. Auf der anderen Seite eine riesige, kahl geschorene Landschaft, in dessen ganzer Leblosigkeit sich einzelne Industrieanlagen verlieren. Die Trennlinie ist scharf, sie ist deutlich sichtbar und sie verläuft exakt entlang der kommunalen Grenze zwischen dem Landkreis Friesland und der Stadt Wilhelmshaven. Hier prallen nicht nur kulturlandschaftliche Gegensätze aufeinander, sondern auch die nicht zu vereinbarenden Interessen von Industrie und Tourismus. Bis vor rund 40 Jahren gab es an dieser Stelle weder das Hooksmeer noch die Produktionsstätten der Schwerindustrie. Es gab noch nicht einmal Land. Stattdessen herrschten die Gezeiten. Vor den Toren Hooksiels schlängelten sich Priele durch Watt und weitläufige Salzwiesen. Einzig ein Hauptarm, das Hooksieler Tief, wurde schiffbar gehalten und verband den alten Hafen im Ortszentrum mit der Jade. Krabben- und Muschelfischer nutzten die Wasserstraße, um ihren Fang an Land zu bringen. Sie sorgten im Hafen nicht nur für Nachschub an frischen Meerestieren, sondern auch für schwunghaften Handel und damit für Leben. Anfang der 1970er-Jahre sollten sich die Verhältnisse jedoch grundlegend ändern. In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und dem Wasserwirtschaftsamt in Wilhelmshaven entschied die Landesregierung unter Ministerpräsident Ernst Albrecht eine in diesem Umfang noch nie da gewesene Landgewinnungsmaßnahme: die Aufspülung des mehr als 1600 Hektar großen Voslapper Grodens, einer Fläche, die der Größe der Insel Juist entspricht. Die Beamten im Wirtschaftsministerium Ostfriesland Magazin 9/2012 und im Wilhelmshavener Rathaus versprachen sich von diesem Schritt neue Industrieansiedelungen. Die klammen Kassen der Marinestadt waren schließlich dringend auf neue Gewerbesteuereinnahmen angewiesen. Außerdem – so die Hoffnung – würden mehrere tausend Arbeitsplätze geschaffen werden. Hooksiel war von den Plänen des kommunalen Nachbarn unmittelbar betroffen. Neue Deichlinien sollten das Tief und die Salzwiesen eingrenzen, der aufgespülte Sand bislang touristisch genutztes Gelände weiträumig trockenlegen. Ein hoher Blutzoll für einen kleinen Ort, dessen Haupteinnahmequellen das Seebadewesen und das damit verbundene Gästeaufkommen waren. Denn mit dem Aufblühen des Fremdenverkehrs hatte sich in Hooksiel eine touristische Infrastruktur entwickelt, die vor allem Naturfreunde und Nudisten anlockte. Hooksiel galt unter Anhängern der Freikörper-Kultur seit dem frühen 20. Jahrhundert als Mekka. Sie konnten sich auf einem Campingplatz in der Naturlandschaft ungestört bewegen. Für alle anderen Gäste wurde in den 1960erJahren entlang des Tiefs eine attraktive Badeanstalt geschaffen. Von hier aus genossen sie beim Schwimmen die Aussicht auf freie Grodenflächen. Bis heute erinnern Startblöcke und das markante Gebäude des Restaurant-Cafés „Die Muschel“ an die Lage des einstigen Ausflugszieles. Mondlandschaftscharakter des Freizeitareals kurz nach Vollendung der Aufspülung sowie der noch kleine Mischwald, der lange benötigt hat, um zu seiner heutigen Pracht aufzuwachsen (oben). Das alte Naturschwimmbad: Die Gäste badeten in einem Betonbecken, in das frisches Meerwasser geführt wurde (unten). Die blauen Startblöcke zeigen, wo sich früher die Badeanstalt in Hooksiel befand. Im Hintergrund zu erkennen: Das Restaurant-Café „Die Muschel“, ein Gebäude, das durch seine markante Architektur auffällt. Durch die große Glasfront haben Besucher einen tollen Blick auf die Steganlagen der Marina und das Hooksmeer (ganz unten). „Die Natur hatte die absolute Hoheit in diesem Gebiet“, erinnert sich Dietrich Gabbey, der regelmäßig hierher kam und im Jahr 1971 mit seiner Frau und zwei Kindern nach Hooksiel zog. Schwimmend sei er durch die Salzwiesen in Landschaften vorgedrungen, die kein Mensch zu Fuß erreichen konnte. „Idylle pur“, sagt er, und es klingt noch immer wehmütig. Als streitbarer Kommunalpolitiker leistete er erbitterten Widerstand gegen die beab- 27 sichtigte Ansiedelung von Industrieunternehmen. Er bedauert, nicht früher vor Ort gewesen zu sein. Nach wie vor fragt er sich, ob es dann vielleicht möglich gewesen wäre, den massiven Eingriff zu verhindern (siehe Exkurs). Sommeralltag im alten Naturschwimmbad. Sehr schön zu erkennen ist der freie Blick über die weitläufige Grodenlandschaft. Kein Baum, kein Strauch und nur karges Grasland. Wo heute Bäume wachsen, weideten in den 1980er-Jahren die Schafe. So aber begann im April 1971 die Aufspülung, mit der die Salzwiesen vor Hooksiel unwiederbringlich verloren gingen. Von Norden und Süden her kommend zogen Arbeiter auf zwei Baustellen einen neuen, elf Kilometer langen Deich. Der holländische „Gouda“, der seinerzeit weltweit leistungsstärkste Saugbagger, pumpte in den folgenden dreieinhalb Jahren über 35 Millionen Kubikmeter Sand aus der Jade in Richtung Land. Die Kosten des Gesamtprojektes: rund 160 Millionen D-Mark. Parallel zu den Arbeiten wurden erstmals detaillierte Pläne für das neue Freizeitgelände in Hooksiel präsentiert. Das Areal sollte den Verlust der Salzwiesen nicht nur kompensieren, sondern galt unter zukunftsgewandten Touristikern als einmalige Chance. So sah der Entwurf eines Architekturbüros, das im Auftrag des Wasserwirtschaftsamtes den sogenannten Iwersen-Plan entwickelt hatte, vor, einen vier Kilometer langen Sandstrand sowie umfangreiche neue Freizeit- und Sportanlagen anzulegen. Das Hooksieler Tief sollte zu einem 60 Hektar großen Binnenmeer ausgebaggert werden, das Badebuchten, hunderte Liegeplätze und tidenunabhängige Wassersportmöglichkeiten bot. Als Puffer zu Tourismus und Industrie: Surfer und Segler im Schatten der Schlote (oben). Hooksmeer-Impression: Blick in eine der Buchten, in der sich die Steganlagen der Marina befinden (unten). den benachbarten Industrieflächen schufen die Planer am Reißbrett eine weit über 100 Hektar große bewaldete Schutzzone am südlichen Ufer des Hooksmeeres. Ähnlich wie in Reisfeldern sollte diese in Terrassen profiliert sein, zur kommunalen Grenze hin ansteigen und mit einem sechs Meter hohen Wall abschließen. Wer auf dem Hooksmeer segelte, sollte von den Produktionsstätten der Schwerindustrie möglichst wenig mitbekommen. Ehe die Modellierung des Hooksmeer-Areals begann, galt es das Gelände jedoch zunächst trockenzulegen. Der Wasserlauf des Hooksieler Tiefs zur Jade wurde am Sieltor für immer gestoppt, wodurch der historische Hafen innerhalb kurzer Zeit verschlickte. Auf der gegenüberliegenden Seite errichteten Arbeiter währenddessen einen neuen Außenhafen. Dazwischen entstand eine 70 Meter lange Schleuse – der neue Arbeitsplatz von Günther Heidemann. Der Schleusenwärter, der hier über 20 Jahre lang seinen Dienst versah, kann sich noch gut an die Anfänge erinnern. „Kurz vor Weihnachten 1975 haben wir die erste Probeschleusung gemacht“, erzählt er. Das Hooksmeer bestand zu dem Zeitpunkt nur aus einem kleinen Rückhaltebecken inmitten einer „surrealen Landschaft“, so Heidemann. Tausende Austernfischer bevölkerten die kilometerweite Wattfläche und suchten im Muschelschill nach Nahrung. Von der Schleuse aus konnte er bis Hooksiel gucken. Kein Baum, kein Strauch und keine Pflanze stellten sich in den Weg. Zum Schutz gegen Windund Bodenerosionen musste die Fläche indessen rasch begrünt werden. Erste Versuchspflanzungen aus dem Frühjahr 1977 aber zeigten, dass der hohe Salzgehalt zu Beginn große Probleme bereitete. Die Forstarbeiter experimentierten daraufhin mit Bodenbakterien, unterschiedlichsten Pflanzenarten und kostspieligen Düngeverfahren. Als die Maßnahmen allmählich griffen, wurden dreißig verschiedene Weidenarten getestet, Erlen, Eschen und Pappeln eingesetzt. Nach dem Willen des Wasserwirtschaftsamts sollte sich eine natürliche Landschaft entwickeln. Ein Langzeitprojekt, wie sich herausstellte, das erst im Jahr 2000 beendet wurde. Mehr als eine Million Bäume und unzählige Sträucher sind gepflanzt worden. Heute bilden sie einen einzigartigen Mischwald direkt an der Küste. Jedes Jahr im Sommer starten auf der Jaderennbahn Trabrennfahrer zu ihren Wettfahrten. Vom alten Seedeich in Hooksiel aus lässt sich das Spektakel sehr gut verfolgen (oben). 1975 wurde die Schleuse in Betrieb genommen. Die 70 Meter lange Kammer verbindet das Hooksmeer mit der Nordsee (links). 28 Ostfriesland Magazin 9/2012 Ostfriesland Magazin 9/2012 29 Die Aufnahme zeigt einen Wasserski-Start. Auch hier ist die karge Landschaft zu erkennen, die erst mühsam und mit großem Aufwand aufgeforstet werden musste und heute eine vielfältige Vegetation aufweist. Action auf der Wasserskianlage, einer der ersten kommer ziellen Anbieter, der sich am Hooksmeer angesiedelt hatte. Die Erschließung des Nord ufers schritt weitaus schneller voran. Bereits Ende der 1970er-Jahre wurden in den Buchten Steganlagen geschaffen. Segelsportler aus Hooksiel und Wilhelmshaven verlegten ihre Boote hierher. 1980 nahm ein risikofreudiger Pionier 500 000 D-Mark in die Hand und stellte Masten für eine der ersten festen Wasserskianlagen in Deutschland auf. Hans-Ott Vogt, der Sohn, der den Lift mittlerweile in der zweiten Generation betreibt, erinnert sich ebenfalls gut, wie es damals am Hooksmeer ausgesehen hat. Wenn es dunkel wurde, leuchteten in der Steppe die 1976 fertiggestellte Raffinerie und das 1981 in Betrieb genommene Chemiewerk auf, erzählt er. „Klein Chicago“, hätten sie die Industrieansiedelungen wegen ihrer Silhouette und der unzähligen Neonlichter genannt. Davon ist mittlerweile nicht mehr viel zu sehen. Hinter dem nunmehr grünen Wall der Schutzzone, der dank der Intervention von Bürgerinitiativen und der Gemeinde Wangerland nachträglich auf fast 16 Meter erhöht worden ist, verraten nur noch einzelne Schlote, was jenseits der kommunalen Grenze geschieht. Vier Jahrzehnte nach dem Beginn der Aufspülung und Landgewinnungsmaßnahmen hat das am Schreibtisch ersonnene Freizeitgelände seine ganze Pracht entwickelt. Entlang der Nordseite zwischen dem Hooksmeer und dem Badestrand befindet sich ein 8,5 Kilometer langes Wander- und Radwegenetz, eingefasst in dichte Vegetation. Für Reiter gibt es 3,5 Kilometer Reitwege. In Buchten am Ufer haben sich eine Werft und ein Surfclub angesiedelt, ein Landesleistungszentrum für Segler ist entstanden. Mit rund 400 Liegeplätzen beherbergt das Hooksmeer eine der größten Marinas entlang der niedersächsischen Nordseeküste. Dort, wo früher die Badeanstalt und der Campingplatz lagen, befinden sich heute Fußball- und Tennisplätze sowie die Trabrennbahn des Hooksieler Rennvereins. Jedes Jahr locken Pferderennen tausende Besucher an. Vom alten Seedeich aus können sie zusehen, wie die Gespanne um das vor ihnen liegende Oval kreisen. Ein paar hundert Meter weiter nördlich wurde außerhalb des neuen Hauptdeiches der Campingplatz als einer der größten seiner Art in Europa neu aufgebaut. „Das Hooksmeer ist ein Riesenjuwel“, sind sich Hans-Ott Vogt und Günther Heidemann einig. Selbst Dietrich Gabbey sagt inzwischen, dass eine „einmalige Oase“ geschaffen wurde und unter den gegebenen Umständen „das Beste draus gemacht“ worden sei. Dennoch teilen die drei auch die Meinung, dass bei der Planung eine Reihe vermeidbarer Fehler begangen wurden. Als Beispiel führen sie permanente Probleme bei der Umwälzung an. Denn das Binnengewässer muss mit großem Aufwand über die Schleuse mit Frischwasser versorgt werden. Andernfalls droht es umzukippen. Im alten Hafen, der ohne seine Fischerflotte ohnehin viel Atmosphäre eingebüßt hat, ist es immer wieder zu Geruchsbelästigungen gekommen. Nur mit großem Aufwand und dem Einströmen von Sauerstoff wird vermieden, dass es im Hafenbecken unangenehm riecht. Den größten Ärger aber bereitet den Hooksielern und ihren Gästen bis heute, dass die Industrie, die nie im gewünschten Umfang auf dem Voslapper Groden angesiedelt werden konnte, so dicht an den Sielort heran gebaut wurde. Da in einem festgeschriebenen Radius keine Hotels oder andere Übernachtungsmöglichkeiten errichtet werden dürfen, ist der Tourismus in seinen Entfaltungsmöglichkeiten dauerhaft beschränkt. Zudem unterliegt auch die Nutzung der Schutzzone strengen Auflagen. Angesichts der riesigen brachliegenden Flächen auf dem Voslapper Groden ist es für viele Hooksieler schwer nachzuvollziehen, dass entlang der kommunalen Grenze kein klügerer Kompromiss mit der Stadt Wilhelmshaven gefunden werden konnte. Dieser hätte ein besseres Miteinander von Tourismus und Industrie ohne nennenswerte Nachteile für beide Seiten erlaubt, sind sich viele sicher. Südterrasse beim Wasserskilift am Rande des Hooksmeeres. Pionier am Hooksmeer: Hans-Ott Vogt (links und oben links) hat den Wasserskilift von seinem Vater, der ihn 1980 aufgebaut hatte, übernommen. Er kann sich noch gut daran erinnern, wie es früher hier ausgesehen hat, als noch keine Bäume den Blick auf die Industrieanlagen verstellten. 30 Ostfriesland Magazin 9/2012 Ostfriesland Magazin 9/2012 31 Dietrich Gabbey und der Dietrich‘s Berg, von dem aus man einen schönen Blick auf die Bucht und Marina hat. „Man hat eingesehen, dass man Hooksiel richtig weh getan hat.“ Blick über die Pferderennbahn und das Hoocksmeer bis zum Jade-Weser-Port nach Wilhelmshaven (im Hintergrund). Jedes Jahr locken Pferderennen tausende Besucher an. Vom alten Seedeich aus können sie zusehen, wie die Gespanne um das vor ihnen liegende Oval kreisen. 32 Ostfriesland Magazin 9/2012 Luftfoto: Martin Stromann D ass die Pläne der Landesregierung und der Stadt Wilhelmshaven zur industriellen Erschließung des Voslapper Grodens Widerstand in Hooksiel provozieren würden, war abzusehen. Zu einschneidend waren die Veränderungen, zu groß die Abhängigkeit des Sielortes vom Tourismus. Angesichts der Dimensionen des Projekts erstaunt es daher, dass es lange dauerte, ehe sich eine Bürgerinitiative formierte, die zum Kampf gegen die geplanten Industrieansiedlungen aufrief. „Vielen war offensichtlich lange Zeit nicht klar, wer da auf der Südseite als Nutzer auftauchen würde“, sagt Dietrich Gabbey, der sich an die Spitze der Gegenbewegung setzte. Als Vorsitzender des Initiativausschusses, in dem sich Mitte der 1970er-Jahre Hooksieler Vereine und Organisationen zusammenschlossen, und später als Ratsmitglied und Bürgermeister der Gemeinde Wangerland verfolgte er argwöhnisch die Aktivitäten des kommunalen Nachbarn. „Da wurde der Industrie ohne Rücksicht auf die Menschen und die weitere Entwicklung in Hooksiel alles ermöglicht, was sie wollte“, ärgert er sich. In einer Zeit, in der es weder Planfeststellungsverfahren noch Umweltverträglichkeitsstudien gab, hatten Industrielle in Wilhelmshaven nahezu freie Hand. „Ganz bewusst“, kritisiert Gabbey, sei man mit den ersten Ansiedlungen bis an das Grenzgebiet gegangen. Für reichlich Zündstoff sorgte auch der damalige Oberstadtdirektor Wilhelmshavens, Dr. Gerhard Eickmeyer, mit einer unbedachten Äußerung: „Wenn ICI kommt, ist Hooksiel in drei Jahren als Fremdenverkehrsort tot“, meinte er lapidar zum beabsichtigten Bau eines Chemiewerkes und beschwor spätestens dadurch massiven Gegenwind auf Seiten des Wangerlands herauf. Das Thema erreichte den Rat der Gemeinde, in den Dietrich Gabbey bei der Wahl 1976 auf Anhieb gewählt worden war. Trotz Beschwichtigungsversuchen sowohl des eigenen Bürgermeisters als auch des Gemeindedirektors bildete sich eine fraktionsübergreifende Mehrheit, die eine Klage gegen die Bebauungspläne der Stadt Wilhelmshaven anstrengte. Es kam zu unzähligen Anhörungen, Verhandlungen und Schlichtungsversuchen, im Zuge derer sich die Hooksieler schließlich teure Zugeständnisse des Landes und der Industrie unternehmen erstritten. Die Klage wurde daraufhin zurückgezogen. Im Gegenzug verpflichteten sich das Land Niedersachsen und ICI zu umfassenden Kompensationsmaßnahmen. Der Schutzwall, der die Industrieanlagen vom Hooksmeer trennte, musste nachträglich auf fast 16 Meter erhöht und das gesamte Areal aufwendig aufgeforstet werden. Hooksiel erhielt zudem ein neues Hallenwellenbad und großzügige Mittel für Landschaftsgestaltungsmaßnahmen. „Da bin ich heute noch stolz drauf“, sagt Gabbey mit Genugtuung. „Man hat eingesehen, dass man Hooksiel richtig wehgetan hat.“ Ostfriesland Magazin 9/2012 Die Beziehungen zwischen Wilhelmshaven und dem Wangerland haben in dieser Zeit auf Jahre hinaus schweren Schaden genommen, zumal die erhofften Steuereinnahmen nie im gewünschten Umfang erzielt werden konnten. Statt der ursprünglich versprochenen 2000 Arbeitsplätze fanden bei ICI nur rund 400 Menschen eine Anstellung, viele davon kamen als Fachkräfte von außerhalb. Die Raffinerie ist seit 2011 zum wiederholten Male stillgelegt und dient heute nur noch als Tanklager. Auf weitere Ansiedlungen auf dem Voslapper Groden wartet Wilhelmshaven bislang vergeblich. In Hooksiel haben die Natur und Zeit unterdessen geholfen, die Wunden in der Landschaft weitgehend zu schließen. Aus der anfänglich nahezu farblosen Sandwüste hat sich im Laufe der Jahre ein farbenfrohes und prachtvolles Naherholungsgebiet entwickelt. Dietrich Gabbey kommt mittlerweile gerne hierher. Ab und an steigt er dann auf einen kleinen Rodelhügel, von dem aus er einen schönen Blick auf das Hooksmeer hat. Der Hügel hat einen Namen: Er heißt Dietrich‘s Berg. 33