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Datenschutz Ethischer Umgang mit (Nutzer-)Daten als Wettbewerbsvorteil beim vernetzten Fahrzeug. Das Auto produziert künftig gewaltige Datenmengen. Wem gehören diese Daten eigentlich? Thomas R. Köhler, geschäftsführender Gesellschafter der CE21, Gesellschaft für Kommunikationsberatung, votiert für frühzeitige Aufklärung durch die Anbieterseite. Die Frage nach den Datenschutzimplikationen der beim vernetzten Fahrzeug anfallenden Daten wird in Fachkreisen bereits seit längerem diskutiert.1 Aber erst 2014 fand das Thema erstmals ein breiteres Interesse. Eine Vielzahl von Meldungen und Beiträgen in Fach- wie Mainstreampresse folgte auf den jährlich stattfindenden Verkehrsgerichtstag in Goslar, bei dem das Thema Anfang des Jahres im Rahmen eines Arbeitskreises groß angelegt diskutiert wurde. Die Arbeit dieses Gremiums endete mit einer detaillierten Empfehlung an die Politik unter dem Titel: „Wem gehören die Fahrzeugdaten?“ 2, in dem unter anderem gefordert wird, dass „...der Austausch von Daten und Informationen aus dem Fahrzeug Regeln unterworfen werden, die das informationelle Selbst bestimmungs recht durch Transparenz und Wahlfreiheit der Betroffenen (z. B. Fahrzeughalter und Fahrer) sichern.“ 1 Für einen grundlegenden Überblick siehe Köhler, T., Problemfeld Datenverschmutzung, in AutomotiveIT 10/2010, S.24-25 2deutscher-verkehrsgerichtstag.de/images/pdf/empfehlungen_52_vgt.pdf 22 DMR MARKETS • Automotive • Ausgabe 2014 Zudem wird gefordert, Halter und Fahrer gleichermaßen zu informieren: „Fahrzeughersteller und weitere Dienstleister müssen Käufer bei Vertragsabschluss in dokumentierter Form umfassend und verständlich informieren, welche Daten generiert und verarbeitet werden sowie welche Daten auf welchen Wegen und zu welchen Zwecken übermittelt werden. Änderungen dieser Inhalte sind rechtzeitig anzuzeigen. Fahrer sind geeignet im Fahrzeug zu informieren.“ Zudem sollen „… bei der freiwilligen oder vertraglich vereinbarten Datenübermittlung an Dritte …“ Fahrzeughalter und Fahrer eine Kontrollmöglichkeit und eine Art Vetorecht erhalten, auch der aus Sicht vieler Autofahrer wichtige Bereich „Zugriffsrechte der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sind unter konsequenter Beachtung grundrechtlicher und strafprozessualer Schutzziele spezifisch zu regeln“. Soweit die im Detail auf den ersten Blick etwas hilflos wirkenden Empfehlungen der Juristen an den Gesetzgeber. Auch bei der Computermesse Cebit war 2014 Fahrzeugvernetzung und die damit verbundenen Implikationen ein wesentlicher Diskussionspunkt. Am deutlichsten wurde das Thema artikuliert durch Volkswagen-Vorstandschef Martin Winterkorn. Seine Rede zur Cebit-Eröffnung ist wie folgt zitiert: „Das Auto darf nicht zur Datenkrake werden. Wir schützen unsere Kunden vor unzähligen Gefahren – vor Aquaplaning, vor dem Sekundenschlaf, vor langen und zeitraubenden Staus. Mit dem gleichen Pflichtbewusstsein werden wir unsere Kunden auch vor dem Missbrauch ihrer Daten schützen. […] Wir brauchen eine Art Selbstverpflichtung der Automobilindustrie. Der Volkswagen-Konzern steht dafür bereit.“ 3 Das sind ungewöhnlich klare Worte für den Vertreter einer Branche, die bis dato kaum Anstrengungen vorgenommen hat, das Thema Vernetzung auch mit Blick auf mögliche negative Auswirkungen zu diskutieren – im Gegenteil. Die Diskussion ist mehr als überfällig, denn der Sündenfall der Branche ist längst passiert: So hat der Navigationssystemhersteller TomTom für zahlreiche seiner Endgeräte Verkehrsdatendienste im Angebot, die auf realen Fahrdaten einzelner Nutzer basieren. Die dabei erfassten Daten gelangten (in aggregierter Form) durch eine Lizensierung an Behörden an die niederländische Polizei und werden von dieser zur Positionierung von Radarfallen genutzt.4 Autohersteller Nissan war mit seinem Sportcoupe GT-R ebenfalls bereits für Berichte in Fachmedien sowie zahlreiche Diskussionen in Fachforen gut. Für beziehungsweise seit Modelljahr 2010 etwa gilt, dass bereits die Verweigerung des Zugriffs auf „Black Box Data“ durch den Kunden Nissan das Recht gibt, jede Garantieleistung zu verweigern.5 Die Gewährleistung entfällt nach der gleichen Quelle übrigens auch beim Befahren einer Rennstrecke, was bei einem Sportwagen doch etwas verwundert. Da seit 2007 bereits bekannt ist, dass der GT-R die GPS-Positionen von Rennstrecken erkennen kann und in der Version für den japanischen Markt etwa automatisch die Höchstgeschwindigkeitslimitierung aufhebt 6 – also eine Form von „Geofencing“ betreibt – ist davon auszugehen, dass der ein oder andere Nutzer, der das „Kleingedruckte“ nicht gelesen hat, beim Werkstattbesuch eine Überraschung erleben wird. Nissan ist kein Einzelfall. Auch Elektroautohersteller Tesla nutzt aktiv die Fahrdaten seiner Kunden. Dies wurde einer breiten Öffentlichkeit in den USA bekannt als – nach einem aus Sicht des Unternehmens unerfreulichen – Testbericht in der NewYork Times der zuständige Redakteur mit detaillierten Fahrdaten konfrontiert wurde.7 Auch ist Tesla aufgefallen durch das aus Sicht zahlreicher Kunden zu ihren Ungunsten erfolgte Ändern von Produkteigenschaften nach dem Kauf (Verringerung der Tieferlegung) durch ein verpflichtendes „over-the-air“-Update.8 Insbesondere in Deutschland stößt ein derartiger Umgang mit Kundendaten auf Befremden: So gaben 72 Prozent der Befragten einer repräsentativen Allensbach-Untersuchung im Auftrag der T-Systems 2013 an, sich Sorgen über den Missbrauch von persönlichen Daten durch Unternehmen zu machen, 63 Prozent sind besorgt, dass der Staat die Bürger zu sehr überwacht.9 Belastbare Zahlen zu den möglichen Auswirkungen beim Autokauf liegen noch nicht vor. Dennoch ist davon auszugehen, dass das Kaufverhalten von den zunehmend von den Massenmedien aufgegriffenen Fällen und der daraus entstehenden Diskussion zumindest mittelfristig beeinflusst wird. Es ist den OEMs, Zulieferern, und Dienstleistungspartnern, beispielsweise im Rahmen von Pay-as-You-Drive (PAYD), zu raten, derartige Besorgnisse frühzeitig aktiv zu adressieren beziehungsweise zu den relevanten Produkteigenschaften klar Stellung beziehen. Eine von Herrn Winterkorn angeregte Selbstverpflichtung der deutschen Automobilhersteller kann dabei ein wesentliches Mittel sein, indem sie das Kundenvertrauen stärkt, ohne die Gefahr einer weiteren Verunsicherung des Verbrauchers beim Vergleich unterschiedlicher „Erklärungen“ einzelner Hersteller. Gleichzeitig können die OEMs vom Vertrauensbonus in Sachen Datensicherheit und Datenschutz, den deutsche Anbieter in Sachen IT und Telekommunikation spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden genießen, profitieren. In jedem Fall tun die Anbieter gut daran, das Thema frühzeitig aktiv zu adressieren um nicht zum getriebenen von immer neuen in den Medien aufgegriffenen Fällen zu werden. Thomas R. Köhler ist geschäftsführender Gesellschafter der CE21, Gesellschaft für Kommunikationsberatung in München, und Autor zahlreicher Bücher zu Fragen der Vernetzung. Zuletzt von ihm erschienen ist „Die digitale Transformation des Automobils“ (Media Manufaktur Verlag 4/2014). Das Thema „Datenschutzrisiken vernetzte Fahrzeuge“ behandelte er erstmals in seinem 2010 erschienen Buch „Die Internetfalle“ (FAZ-Buch Frankfurt, Neuauflage 2012). 3 zitiert nach www.springerprofessional.de/winterkorn-das-auto-darf-nichtzur-datenkrake-werden/4996122.html 7www.nytimes.com/2013/02/24/automobiles/after-a-charging-system-test-adebate-erupts-online.html 4www.nrc.nl/nieuws/2011/04/27/tomtom-speelt-gegevens-door-aan-politie/ 8http://insideevs.com/report-new-tesla-model-s-update-disables-airsuspension-lowering-at-highway-speed/ 5www.jalopnik.com/5201918/2010-gt-r-warranty-voided-for-denyingnissan-access-to-your-black-box-data/all 9www.telekom.com/medien/konzern/198366 6www.engadget.com/2007/12/22/nissan-gt-r-disables-speed-limiter-on-racetracks-via-gps/ 23 DMR MARKETS • Automotive • Ausgabe 2014