Custom | Project Glems-X Honda cX 500 Custom

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Custom | Project Glems-X Honda cX 500 Custom
Custom | Project Glems-X:
Glems-X Honda
HondaCX
CX500
500
02/2015
052 roadster
Project
Glems-X
CX Racer
Klingt komisch, ist aber genau so gelaufen:
Die Initialzündung zum Honda-CX-Projekt von
­DREAM-MACHINES-Chefredakteur Heinz Christmann
war ausgerechnet eine Harley-Davidson
Text: HeinZ Christmann, guido kupper Fotos: Volker Rost
roadster
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053
iese Fotos, sie gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Diese Vorderradbremse in einem Speichenrad. Wie geil
war das denn? Ich kannte die Bremse gut. Anfang der 90er
Jahre besaß meine damalige Freundin eben jenes Motor­
rad, an dem Honda die gekapselte Doppelscheiben­bremse
in Serie verbaut hatte. CBX 550 Four hieß es, ein Reihen­
vierzylinder, in dem die neueste ­Generation von ComstarRädern und eben diese Bremse steckte, im HondaMarketing-Sprech „Inboard Ventilated Disc“ genannt.
Und jetzt fuhr eine Ironhead-Sporty aus Schweden mit
diesem gött­lichen Vorderrad auf den Fotoabzügen
vor meiner Nase herum. Ich war elektrisiert, und mir
war klar: Ich will auch ein Einzelstück mit genau
dieser Bremse in einem Speichenrad.
Allerdings verbot es sich für mich von selbst, eine
­Harley nachzubauen. Ich wollte keine Kopie, sondern
­etwas Eigenständiges auf die Räder stellen. Doch auf
­welcher Basis? War nicht das Naheliegendste, aufs Ori­
ginal, die CBX 550 F, zurückzugreifen? Diesen Gedanken
aber verwarf ich schnell wieder. Eine hübsche Drehorgel,
aber das Gegenteil von kultig. Dann passierte es: Ich ent­
sann mich eines Motorrads, das schon zu Lebzeiten eben­
so kontrovers diskutiert wie innig geliebt wurde. ­Berühmt
wurde es unter seinem Spitz­namen
Güllepumpe, mit bürgerlichem
­Namen hieß es Honda CX 500. Ich
­erinnere mich heute noch daran, dass
sich mir vor Entsetzen die Nacken­
haare aufstellten, als ich „die Gülle“
zum ersten Mal sah. 1977 war das, ich
war seinerzeit glühender Honda-Fan
und fuhr eine mächtig heißgemachte
CB 750 F mit 820-ccm-Satz und
­Yoshimura-Nocke. Und dann so was!
Hässlich! Mit wassergekühltem
V-Motor! Unsäglich! Ich war jung, ich war noch nicht so
weit. Heute bin ich es. 35 Jahre sollten ins Land gehen, bis
sich meine Sichtweise ändern würde. Eine solche ­Gülle
sollte die Basis für meinen Cafe Racer sein. Punkt.
Jeder, dem ich davon erzählte, runzelte die Stirn und
schaute mich ungläubig, ja fast ein bisschen mitleidig
an. „’Ne Gülle? Ehrlich? Warum das denn?“ Irgendwann
ließ ich diese Skepsis nur noch abprallen. Ich hatte keine
­Sekunde Selbstzweifel. Im Gegenteil, der unverhohlene
Widerstand von außen verstärkte sogar meine Gewiss­
heit. Ich wollte ja gerade nichts Landläufiges oder Hippes
b­auen. Die Chancen standen gut.
Dann die Beschaffung. Klar war: Zwei Motor­räder
­müssen her. Eine CX 500 als Basis, eine CBX 550 F wegen
der Bremse. Im Netz fand ich ein interessantes Angebot.
Zwei CX wurden da im Paket verkauft, eine noch fahrbereit,
die andere als Teileträger, und der Paketpreis stimmte.
Das lauffähige Exemplar war arg runtergeritten, mit ­völlig
glatzköpfigen Reifen, seit einem Jahrzehnt nicht geputzt.
Egal, bis auf Rahmen, Schwinge und Motor würde
ich ­sowieso nichts brauchen, und Letzterer schnurrte
trotz ­seiner fast 85 000 Kilometer wie ein Kätzchen …
So ist’s fein, her damit.
Nur wenig später stand im hessischen Lampertheim
eine CBX 550 F zum Verkauf; für ganz kleines Geld, denn
der Motor lief nicht. Nun stand ich da mit drei Motor­
„Sag bloß!
Du willst ’ne
Gülle umbauen?
Warum
das denn?“
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Der Druck­
schlauch, der die
beiden Stand­
rohre verbindet,
ist keine Show.
Die Gabel der
CBX 550 F konnte
tatsächlich schon
vor 30 Jahren
­serienmäßig an
der Tanke per
Druckluft ­härter
oder weicher­
abgestimmt
­werden
Project
ProjectGlems-X:
Glems-X Honda CX 500 | Custom
Die Umrüstung auf 17-Zöller
vorne und hinten war die r­ ichtige
­Entscheidung. Die CX Racer ist damit
wunderbar handlich und sticht sehr
ziel­genau in die Ecken
Kollege Ralf
­Burkart, Lay­
outer unseres
Schwester­
magazins
­CUSTOMBIKE,
dachte sich das
CX-RacerLogo aus. Den
längs gesteppten
Sitz in der Manier
der HondaWerks­renner
der 60er Jahre
brachte ­Sattler
Ralf Künzer
­perfekt auf
den Punkt
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Custom | Project Glems-X Honda CX 500
195 Kilo fahrfertig mit randvollem Tank offenbaren gut 25 Kilo Gewichtsvorteil gegenüber der Serie. Am Antriebsstrang
wurde – mit Ausnahme der Ansaugtrichter und der Auspufftöpfe – nichts verändert. Dank der Entscheidung für 17-Zoll-­
Räder stehen jetzt auch moderne Reifen zur Wahl
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rädern, aus denen ein einziges neu ent­stehen sollte. Über
meinen Job hatte ich Monate zuvor Martin Becker kennen­
gelernt, den Inhaber und Betreiber der Custom-Schmiede
„MB Cycles“ in Heidelberg. Anfangs war auch er skeptisch
(„Was? ’Ne Güllepumpe?). Schließlich aber willigte ­Martin
ein, das Projekt handwerklich mit mir durchzuziehen.
Und das war gut so, denn Martin ist nicht nur ein kom­
pletter Motorrad-­Gearhead mit viel Sinn für Formen und
Proportionen, er ist auch wohltuend detail­versessen und
ein ­Könner am Schweißgerät. Deshalb wurde ich gar nicht
sonderlich nervös, als ich mit dem Spritfass ankam, das
ich für die CX auserkoren hatte, und Martin recht schnell
­a nmerkte: „Das muss ein gutes Stück schmaler werden.“
Seit 38 Jahren hatte der Tank in meinem Teile­f undus ge­
schlummert. Ursprünglich wollte ich Ende der Siebziger
damit eine 500er CB-Honda für Bergrennen aufbauen. Es
wurde ein Gemetzel. Martin schnitt das Fass komplett auf
und setzte es – 40 Millimeter schmaler – wieder zusam­
men. Der gesamte Tunnel wanderte auf den Schrott, um
das Pendant eines geschlachteten CX-Tanks einschweißen
Die vorderen Adapterringe
für die Radnabe fertigte eine
Firma aus Schweden
Corpus Delicti: ­Diese
kultige Doppel­
scheiben­bremse war
der Auslöser für den
kompletten Umbau.
Das Gehäuse ­w urde
mit Walnussschalen
ge­s trahlt, die innen­
liegenden ­Bleche
neu ­c admiert.
­Hebelei samt
­Einstellschräubchen
sind übrigens Hondas
früher ­Versuch eines
Anti-DampingSystems. Funk­
tioniert aber nicht
wirklich
zu können. Glaubt mir: Diese beiden Baugruppen waren
wahrlich nicht füreinander bestimmt. Martin, sein WIGGerät und eine ­ganze Flasche Schutzgas aber duldeten
keinen Widerstand. So wuchs um den von mir gesetzten
Grundstein, die innen­belüftete Bremse der CBX 550 F,
allmählich ein ganzes Motorrad. Gut Ding will Wei­
le h­aben. Fast drei Jahre ­gingen ins Land, bis Lackierer
­Michael Schönen seine Farb­eimer virtuos über der Gülle­
pumpe ausschütten konnte.
Dann kam der Tag, an dem sie komplettiert vor mir
stand. Ein schöner Tag, ein Tag mit schlechtem Wetter im
kalten Dezember. Die ROADSTER-Heftproduktion stand
an, und als sich das Wetter an einem erstaunlich warmen
­Januartag gnädig zeigte, musste alles hopplahopp gehen.
Ein paar läppische Meter zur Tankstelle und zurück
­blieben mir, bevor sich Kollege Kupper das Recht des
ersten Ritts herausnahm. Ich war aufgeregt. Ich glaube,
er war es auch. Doch hört selbst:
„Eine Güllepumpe war damals meine Erste, hat mich
entjungfert. Von der Ästhe­tik von Heinz’ Renner war die –
auch ein 79er Baujahr und zu hundert Prozent Serie –
­a llerdings Licht­jahre entfernt. Die neue sportliche Diät-­
Linie dynamisiert, wie eine Industrieskulptur ragt der
500er Twin aus den Rahmenrohren. Ich sitze gebeugt auf
dünnem Polster, der Lenker liegt vergleichsweise tief, wird
aber aus lässig a­ ngewinkelten Ellenbogen leicht erreicht.
Als der 80-Grad-V-Twin blubbernd erwacht, reißt er mich
hinein in diesen Zeittunnel und spuckt mich Ende der 80er
Jahre wieder aus. Regelrecht schizophren war ich damals:
Ich habe dieses Motorrad geliebt – und ich habe mich dafür
geschämt. Angesichts des neuen Looks flammt die alte
Liebe wieder auf – und Heinz muss sich sicher nicht schä­
men. Der V-Twin, sein lässiges und doch völlig gewalt­
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Glems-X Honda
HondaCX
CX500
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Das Design des jetzt schmaleren
Tanks korres­pondiert perfekt mit
den beiden im 80-Grad-Winkel
hervorragenden ­Zylinderköpfen
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Technische Daten
Honda CX Racer
Basis: Honda CX 500, Bj. 1979
Umbauarbeiten: MB Cycles, Martin
Becker, Heidelberg
Leistung: 37 kW (50 PS) bei 8 500/min
Drehmoment: 46 Nm bei 7 000/min
Motor und Getriebe
Zweizylinder-V-Motor, wassergekühlt,
Zylinderwinkel 80 Grad, vier Ventile
pro Zylinder, ohv, Hubraum 496 ccm,
Fünfganggetriebe, Kardanwelle.
Modifikationen
Ansaugtrichter. Krümmer original,
umgeschweißt, Hitzeschutzband, End­
töpfe Louis „Universal“, kurz. Motor
und Vergaser mit Trockeneis gestrahlt,
Deckel mit Schrumpflack gepulvert von
Metal Skin Works
Fahrwerk
Rahmen und Schwinge: original, ­ge­
strahlt und lackiert. Telegabel: Honda
CBX 550 F, 40 mm gekürzt, lackiert.
Gabelfedern: Wirth progressiv by Louis.
Federbeine: Kawasaki ZR 750, zerlegt,
neu lackiert. Räder: vorn TTS 3.50 x 17”,
36 Speichen, hinten TTS 4.00 x 17”, 40
Speichen. Bereifung: Avon Roadrider
vorn 120/70V17, hinten 140/70-17.
Bremsen: vorn gekapselte Doppel­
scheibenbremse aus Honda CBX 550 F
(mit Walnussschalen gestrahlt
von Z-Schmiede); hinten originale
Trommel
loses Vorwärtsspülen bei niedriger Drehzahl, sein her­
vorragendes Getriebe, sein fein pulsierender Swing: ein
Charaktertyp. Mit den 195 Kilo vollgetankt, die unterm
Strich übrig blieben, hat er keine Mühe. Das auf 17 Zoll
geschrumpfte Vorderrad, nun
belastet mit rund 51 Prozent der
Maschinenmasse, führt die CX
leicht und präzise, leichtfüßig
agiert sie um ihr 500-ccm-Gravi­
tationszentrum, läuft flüssig und
wie selbstverständlich. Ich las­
se sie rollen, scheue mich, den
­betagten Motor zu drehen.
Und komme ins ­Grübeln, was
meine eigenen, noch sehr diffusen Umbaugedanken
­angeht (siehe ­Editorial). Vielleicht doch eine CX? Mit
ihr zu swingen ist ein bisschen wie heimkommen.
Im Schongang wird der Twin nicht dauerhaft laufen:
Für kommenden September haben wir einen Start beim
Cafe Racer Sprint am Glemseck ­geplant – was dem CXProjekt im Übrigen seinen Spitz­namen eingebracht hat.
Wer rennt, will ge­w innen. Heinz grübelt gerade über der
Option eines 650er-Motors, wie ihn das Schwestermodell
Silver Wing im Rahmen trug. Und einen 650er-Turbo­
motor gab es da ja auch noch …
Umbauwütige, die die Fotos und die Nennung der
Hardware-Quellen allein unbefriedigt zurücklassen, mö­
gen beruhigt sein: In den drei folgenden Ausgaben wer­
den wir das Making-of in epischer Breite nachzeichnen.
Freut euch auf tiefe Einblicke in die Welt (und die Ab­
gründe) des handwerklich geprägten Customizings.
Passende
Accessoires sind die
i-Tüpfelchen fürs
Gesamtbild
Accessoires
Tank: Basis 70er Jahre ES-Motor­­rad­zubehör, stark modifiziert. ­
Tank­deckel: Custom Chrome Europe.
Fender vorn: Stahl, MB Cycles­.
Len­ker: LSL Sport Match. Gasgriff mit
innenliegendem Zug: Müller Motorcycle.
Bremspumpe vorn: Magura Radial
Typ 195. Fußrasten: LSL Aluminium
gerändelt. Lam­pen­maske: Speed-point.
Scheibenhalter, Scheibe und CarbonTrägerplatte für Elektrik: Christopher
Rieger. Instrument: „T&T Multi­funktion“
von Louis. Batterie: Lithium Ultrabatt
UB200Lite, Acewell Technologies. Kenn­
zeichenhalter: Rizoma. GfK-Sitz­höcker:
Fight Machines. Sitzpolster: Sattlerei
Ralf Künzer. CX-Racer-Logo: Ralf
Burkart. Lackierung: Firma Lackmuss,
Michael Schönen. Alle Schweiß-,
Schleif- und Anpassungsarbeiten:
MB Cycles
Kontakte
mbcycles.de, lackmuss.com,
wheelspoint.de, louis.de, lsl.eu,
m-motorcycle.de, metal-skin-works.de,
sattlerei-ralf-kuenzer.de, acewell.de,
magura.com, z-schmiede.de,
fight-machines.de, speed-point.com
Das Tanklogo ist ein originales HondaErsatzteil. Die Benzinstandsanzeige ist
eines der Markenzeichen von MB Cycles
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