Besuchsrecht - Beobachter TV

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Besuchsrecht - Beobachter TV
Besuchsrecht
Das minderjährige Kind und sein Elternteil,
der nicht mit ihm zusammen lebt, haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Kontakt. Das gilt für alle Eltern,
egal ob sie geschieden sind, getrennt leben
oder gar nie verheiratet waren. Das Recht auf
persönlichen Kontakt umfasst nicht nur das
so genannte Besuchsrecht, sondern auch
Kontakte per Telefon, Mail, SMS oder Brief.
Wochenende sowie zwei bis drei Ferienwochen
pro Jahr.
Ausübung des Besuchsrechts
Der besuchsberechtigte Elternteil bestimmt allein, was er während des Besuchsrechts mit dem
Kind unternimmt und welche Personen sie treffen. Der andere Elternteil darf ihm keine Vorschriften machen. Insbesondere ist also zu akzeptieren, wenn die neue Freundin beim Besuchsrechtswochenende dabei ist oder das Kind
seine Grosseltern sieht. Nur wenn das Kindeswohl gefährdet ist, kann die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) dem besuchsberechtigten Elternteil Weisungen erteilen.
Gesetzliche Grundlage
Massgebend sind sie Artikel 273 bis 275 ZGB.
Danach ist das Besuchsrecht nicht nur ein
Recht, sondern auch eine Verpflichtung.
Die Dauer oder den Zeitpunkt des Besuchsrechtes regelt das Gesetz nicht. In erster Linie
ist es Aufgabe der Eltern, das Besuchsrecht
miteinander abzumachen. Sie sind am besten
in der Lage, auf die individuellen Verhältnisse
wie Persönlichkeit, Bedürfnisse und Wünsche
des Kindes, Gesundheitszustand der Beteiligten, die Entfernung der Wohnorte, die Wohnverhältnisse etc. Rücksicht zu nehmen. Nur
wenn sie sich nicht einigen können, muss die
Behörde entscheiden.
Das eingeschränkte Besuchsrecht
Das Besuchsrecht gilt nicht absolut. Wird das
Wohl des Kindes durch die persönlichen Kontakte gefährdet, üben die Eltern das Besuchsrecht
pflichtwidrig aus, kümmern sie sich nicht ernsthaft um das Kind oder liegen andere wichtige
Gründe vor, kann die Behörde das Besuchsrecht
einschränken oder entziehen. Zum Beispiel kann
die Behörde für eine beschränkte Zeit ein begleitetes Besuchsrecht anordnen. Dann findet der
Kontakt unter Aufsicht einer Drittperson statt,
entweder zu Hause bei Mutter oder beim Vater
oder auch in besonderen Räumlichkeiten.
Das von der Behörde festgelegte Besuchsrecht
Können sich die Eltern nicht einigen, muss die
zuständige Behörde ein Besuchsrecht festlegen, wenn ein Elternteil das fordert. Solange
das Besuchsrecht nicht verbindlich festgelegt
ist, bestimmt der allein sorgeberechtigte oder
der allein obhutsberechtigte Elternteil, ob und
wann das Besuchsrecht stattfindet.
Das Besuchsrecht von Drittpersonen
Drittpersonen, wie zum Beispiel Grosseltern oder
Paten, kann die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ein Besuchsrecht einräumen, wenn ausserordentliche Umstände vorliegen und Besuche im Interesse des Kindes
liegen.
Die Behörden legen jeweils nur ein minimales
Besuchsrecht fest: Bei Kleinkindern in der Regel halbtägige Besuche jede zweite Woche, bei
Kindern im Vorschulalter Besuche an jedem
zweiten Sonntag, bei Schulkindern jedes zweite
Oberste Richtschnur ist das Wohl des Kindes. So
muss die Behörde jeweils verschiedene Aspekte
gegeneinander abwägen. Auf der einen Seite
steht das Bedürfnis der Drittperson, das Kind
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regelmässig zu sehen. Auf der anderen Seite
zu berücksichtigen ist das oft entgegengesetzte
Interesse von Mutter oder Vater sowie die Belastung, die ein zusätzliches Besuchsrecht für
das Kind bedeutet. Die Gerichte räumen Drittpersonen nur sehr zurückhaltend ein Besuchsrecht ein. Vielmehr wird dem besuchsberechtigten Elternteil jeweils empfohlen, dem Kind während seiner Besuchszeiten auch den Kontakt
zu seiner Familie zu ermöglichen.
Das Mitspracherecht des Kindes
Es ist die Aufgabe der Eltern, ein für ihr Kind
angemessenes Besuchsrecht festzulegen. Den
Kindern darf ein solcher Entscheid nicht zugemutet werden, egal wie alt sie sind. Damit sind
sie nämlich überfordert. Es steht auch nirgends
im Gesetz, dass Kinder ab dem zwölften Geburtstag selber entscheiden können. Richtig ist,
dass Eltern und Behörden die Meinung des
Kindes berücksichtigen müssen. Das Kind hat
ein Anhörungs- und Mitspracherecht, nicht aber
ein Entscheidungsrecht oder gar eine Entscheidungspflicht. Spricht sich ein Kind ab etwa
zwölf Jahren bei der Anhörung allerdings unmissverständlich gegen ein Besuchsrecht aus,
wird meist kein Besuchsrecht mehr festgelegt.
Das Besuchsrecht nachholen
Die Eltern sollen in erster Linie selber abmachen, ob und wann ein ausgefallenes Besuchsrecht nachgeholt wird. Solche Details werden in
der Regel weder im Trennungs- oder Scheidungsurteil noch im Unterhaltsvertrag vorsorglich festgelegt. Auch das Gesetz schweigt: Weder gibt es ein Nachholgebot noch ein Nachholverbot. Ein Teil der Rechtslehre findet, dass
ausgefallene Besuchstage stets nachzuholen
sind. Nach herrschender Rechtslehre und Gerichtspraxis dagegen gilt Folgendes:
Das Besuchsrecht wird nicht nachgeholt:
 wenn der Grund für das Ausfallen der
Besuchstage beim Elternteil liegt, dem
das Besuchsrecht zusteht. Beispiele:
bei eigener Krankheit, geschäftliche
Abwesenheit, Ferien.
 wenn die Ursache für das Ausfallen der
Besuchstage bei keinem der Elternteile
liegt. Beispiele: Krankheit des Kindes,
Schullager, Kommunion des Kindes.
Das Besuchsrecht wird nachgeholt:

wenn der Grund für das Ausfallen der
Besuchstage beim Elternteil liegt, bei
dem das Kind wohnt. Beispiele: Verwandtenbesuche, Ferien.

wenn Besuchstage hintereinander oder
wiederholt ausfallen und kein Elternteil
die Ursachen dafür zu vertreten hat. Beispiel: Am Besuchsrechtswochenende ist
das Kind im Schullager, und am nächsten
Besuchsrechtswochenende findet seine
Kommunion statt.
Von den obigen Richtlinien kann in begründeten
Einzelfällen auch abgewichen werden. Oberste
Richtschnur ist das Kindeswohl.
Die Kosten
Grundsätzlich hat der Besuchsberechtigte die
Kinder auf seine Kosten abzuholen und zurückzubringen sowie die an den Besuchstagen anfallenden Kosten zusätzlich zu den Alimenten zu
tragen. In Ausnahmefällen kann im Trennungoder Scheidungsurteil oder im Unterhaltsvertrag
etwas anderes verfügt respektive vereinbart worden sein. Zieht ein Elternteil mit dem Kind nach
der Festlegung des Besuchsrechtes so weit weg,
dass die Transportkosten für den besuchsberechtigten Elternteil erheblich steigen, muss der
weggezogene Elternteil je nach finanzieller Situation die Mehrkosten übernehmen.
Besuchsrecht und Unterhaltspflicht sind voneinander unabhängig. Auch bei einem längeren
Ferienaufenthalt der Kinder dürfen die Alimente
nicht gekürzt werden. Werden die Kinderalimente
nicht oder nur schleppend bezahlt, ist das Besuchsrecht trotzdem einzuhalten. Und umgekehrt
werden die Alimente nicht erhöht, wenn das Besuchsrecht nicht wahrgenommen wird. Die
Rechtslehre vertritt immerhin die Meinung, dass
die Kinderalimente erhöht werden sollen, wenn
sie wegen eines überdurchschnittlich häufigen
Besuchsrechts von Anfang an tiefer angesetzt
worden sind.
Probleme bei der Ausübung des Besuchsrechts
Die behördlich festgelegte Regelung ist für alle
Beteiligten verbindlich. Beide Eltern sind verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Verhältnis
des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt
oder die Erziehungsaufgaben erschwert. Dies
beinhaltet auch die Pflicht, das Kind zu motivie-
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ren, den Kontakt zum andern Elternteil aufrechtzuerhalten. Streiten sich die Eltern, sind
die Kinder die Leidtragenden.
Bei Problemen können Sie ein Jugendsekretariat oder eine Familienberatungsstelle um Hilfe
und Vermittlung bitten. Ist eine Lösung auf diesem Weg nicht möglich, kann die Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde (KESB) am Wohnort des Kindes den Vater, die Mutter oder beide Eltern ermahnen oder Weisungen erteilen allenfalls unter Androhung der Bestrafung wegen Ungehorsams - oder einen Beistand zur
Begleitung des Besuchsrechts einsetzen. Die
Behörde hat dabei in erster Linie das Wohl des
Kindes im Auge zu behalten. Es geht nicht darum, einem Elternteil zu seinem Recht zu verhelfen. Weigert sich ein Elternteil beharrlich,
das Besuchsrecht des anderen zu respektieren, kann die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) meistens nichts mehr
ausrichten. Auch wenn ein Gericht der Mutter
oder dem Vater befiehlt, das Besuchsrecht zu
ermöglichen, ist der Kontakt damit noch nicht
garantiert. Dank des gerichtlichen Befehls
könnte der besuchsrechtsberechtigte Elternteil
das Kind von der Polizei holen lassen. Die Polizei wendet aber mit Rücksicht auf das Kind
keine Gewalt an. Bleiben Türen verschlossen
oder weigert sich das Kind beharrlich mitzukommen, ist in der Praxis nichts zu machen.
Bei Kindern ab ca. zwölf Jahren ist das Besuchsrecht gerichtlich nicht mehr durchsetzbar,
wenn es sich ernsthaft weigert, mit einem Elternteil Kontakt zu haben. Jüngere Kinder können noch nicht für sich selber entscheiden. Sie
haben aber ein Anhörungsrecht. Und auch bei
jüngeren Kindern verzichtet man in der Regel
darauf, sie mit Polizeigewalt abzuholen.
vers diskutiert wird. Solche Theorien helfen in
der Praxis ohnehin nicht weiter. Wurde das Kind
– bewusst oder unbewusst – negativ beeinflusst,
so dass es sich ganz vom Vater oder der Mutter
abwendet, bleibt zum Schutze der Kinderseele
oft nichts anderes übrig, als diesen Zustand
einstweilen einfach zu akzeptieren.
Zuständige Behörden
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
(KESB) am Wohnsitz des Kindes ist zuständig:
bei unverheirateten Eltern für alle Fragen rund
um das Besuchsrecht – egal ob beide Elternteile
sich einig sind oder nicht. Bei Ehe- oder ExEheleuten, wenn es nur um die Neuregelung des
Besuchsrechtes geht - egal ob beide Elternteile
einverstanden sind oder nicht.
Das Gericht am Wohnsitz von Mutter oder Vater
ist zuständig bei Ehe- oder Ex-Eheleuten, wenn
es gleichzeitig mit dem Besuchsrecht die elterliche Sorge und/oder Unterhaltsfragen festzulegen
hat, weil sich die Eheleute nicht einigen können.
Will der nicht sorgeberechtigte Elternteil sein
Besuchsrecht zwangsweise durchsetzen, ist
die Situation für alle Beteiligten äusserst
schwierig. Rasche Lösungen gibt es in einem
solchen Konflikt nicht. Unter Umständen lässt
sich die Situation durch eine Familienbegleitung oder Mediation eher verbessern als via
Behörden.
Oft steht der Vorwurf im Raum, die Kinder seien vom sorgeberechtigten Elternteil negativ
beeinflusst worden. Dazu gibt es die Theorie
über das so genannte PAS (Parental Alienation
Syndrome), das unter Fachleuten aber kontro Beobachter-Beratungszentrum
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