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Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 365 Harmonisierung der internationalen Immobilienmärkte und Folgen für die Immobilienbewertung 1 Einführung In allen Bereichen der weltweiten Wirtschaft konnte in den letzten Jahrzehnten eine stetig wachsende Internationalisierung beobachtet werden. Diese umfasst sowohl Handels- als auch Finanzströme. Eine natürliche Konsequenz dieser Entwicklung ist die – auch durch den Wunsch nach Diversifikation getriebene – Zunahme grenzüberschreitender Immobilienanlagen. Immobilien unterscheiden sich jedoch von anderen Anlageformen durch ihre örtliche Bindung, Heterogenität und vergleichsweise hohen Transaktionskosten, die eine eingeschränkte Liquidität und Fungibilität nach sich ziehen. Die Direktanlage in Immobilien stellt daher hohe Anforderungen an den Investor. Aufgrund der Heterogenität und – im Vergleich zu Wertpapieren – geringen Handelsfrequenz bildet eine Immobilienbewertung in der Regel die Grundlage für Immobilientransaktionen. Allerdings stoßen mit dem Zusammentreffen von internationalen und lokalen Marktteilnehmern auch unterschiedliche Philosophien der Immobilienbewertung aufeinander. Divergierende Wertvorstellungen, die sich ausschließlich aus methodischen Differenzen ergeben, stellen indes ein unnötiges Hindernis für die erfolgreiche Öffnung der Immobilienmärkte dar.1 Die Untersuchung der im Folgenden vorgestellten Bewertungsphilosophien basiert auf den maßgeblichen nationalen Bewertungsstandards sowie entsprechender Sekundärliteratur. Die sich daran anschließende Analyse des Harmonisierungspotenzials stützt sich insbesondere auf eine Serie strukturierter Experteninterviews mit international führenden Wissenschaftlern, Praktikern und Entscheidungsträgern aus den betroffenen Bewertungsräumen. Philipp Naubereit 2 Grundlagen der Immobilienbewertung Ziele und Wertbegriffe Immobilienbewertungen können aus vielfältigen Anlässen mit jeweils unterschiedlichen Zielsetzungen vorgenommen werden. Daher ist die Frage, die am Anfang jeder Wertermittlung steht: Welcher Wert wird ermittelt?2 Hieraus leitet sich der zu unterlegende Wertbegriff ab. Wesentliche Wertbegriffe in der deutschen Immobilienbewertung sind u. a.3: • der Verkehrswert • der Beleihungswert • der Versicherungswert • der steuerliche Bedarfswert. Die Bezeichnungen deuten bereits auf die damit verbundenen Bewertungsanlässe hin. Im Kontext der Internationalisierung von Immobilieninvestitionen steht der Verkehrswert bzw. Marktwert im Mittelpunkt, da ein Großteil der internationalen Immobilienbewertungen einen Transaktionshintergrund hat.4 Der Marktwert bezeichnet im Wesentlichen – in seinen unterschiedlichen internationalen Ausprägungen – den Preis einer Immobilie, der im Rahmen eines typischen Verkaufs erzielt werden könnte. Ein besonderes Merkmal des Verkehrswerts ist die Vielzahl der Methoden, die zu seiner Ermittlung herangezogen werden. Bewertungsansätze Für die Bewertung von Immobilien stehen grundsätzlich drei Ansätze zur Verfügung: Nutzenorientierung, Einzelwirtschaftsgut orientierung, Vergleichsorientierung. Von Ihnen lassen sich alle in der weltweiten Praxis verwendeten Varianten ableiten; in der amerikanischen Bewertung spricht man Dr. Philipp Naubereit Real Estate Special Assignments & Research MEAG Munich Ergo AssetManagement Oskar-von-Miller-Ring 18 80333 München E-Mail: [email protected] 366 Philipp Naubereit: Harmonisierung der internationalen Immobilienmärkte und Folgen für die Immobilienbewertung Tabelle 1 Grundlegende Bewertungsansätze Ansatz Nutzenorientierung Einzelwirtschaftsgut orientierung Vergleichsorientierung Basiskriterium Hauptvarianten Zukunftsertrag Ertragswertverfahren Zukunftsüberschuss DCF-Verfahren Zukunftsrisiken APT-Verfahren Rekonstruktionswerte Substanzwertverfahren Abwicklungswerte Liquidationswert-Verfahren Marktwerte aller Wirtschafts güter Asset-Wert-Verfahren Realisierte Kaufpreise Comparative Company Approach Branchengewinn/CF Market Multiples Branchenkennziffer Vergleichswertverfahren auch von „the three approaches“.5 Einen guten Überblick über die allgemeingültigen Ansätze bietet eine Zusammenfassung von Barthel6, die der Übersicht in Tabelle 1 zugrunde liegt.7 Alle Bewertungsansätze stellen einen expliziten oder impliziten Vergleich dar, auch wenn dies nicht immer in ihrer Bezeichnung Ausdruck findet.8 Bei der Nutzenorientierung findet der Vergleich beispielsweise über die Wirtschaftlichkeit der Immobilie statt.9 Hier zeigt sich auch die besondere Herausforderung der Bewertung von Immobilien: die Suche nach geeigneten Vergleichsobjekten und -größen. Bei der transaktionsorientierten Immobilienbewertung haben sich national wie international die nutzenorientierten Verfahren – ergänzt durch Vergleichsverfahren – durchgesetzt. Sie spiegeln die wirtschaftliche Motivation der Anleger am besten wider und bieten je nach Verfahren eine direkte Schnittstelle zur Investitionsrechnung. Grenzen der Immobilienbewertung Auch wenn sich alle gegenwärtig angewandten Immobilienbewertungsverfahren in die grundlegende Kategorisierung einordnen lassen, haben sich international verschiedene Immobilienbewertungsphilosophien entwickelt. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Präferenz für bestimmte Bewertungsansätze, der Art und Tiefe der verwendeten Bewertungsparameter sowie der Ermessensspielräume der Gutachter in der Anwendung. Insbesondere die Freiheit des Gutachters bei der Wertermittlung ist eng mit der Frage des wissenschaftlichen Anspruchs der Immobilienbewertung verknüpft und ein wesentlicher Bestandteil des Diskurses zwischen dem anglo-amerikanischen und dem deutschen Sachverständigenwesen, der erst kürzlich wieder neue Brisanz erhalten hat.10 Diese Grundsatzfrage wurde von Gilbertson in der Formulierung: „Appraisal or Valuation: An Art or a Science? “ auf den Punkt gebracht.11 Die Immobilienbewertung steht im Spannungsfeld zwischen den wissenschaftlichen Prinzipien des Bewertens und deren begrenzter Anwendung durch den Gutachter unter realen Bedingungen, was zwingend Spielraum für menschliches Ermessen und somit Ungenauigkeiten lässt. Besondere Herausforderungen ergeben sich aus der ökonomischen Unvollkommenheit von Immobilienmärkten, die sich vor allem in beschränkter Information ausdrückt. Hierfür lassen sich drei Gründe anführen:12 (1) eine ungenügende Zahl von Transaktionen für die Gewinnung von Marktdaten (2) eine ausreichende Anzahl von Transaktionen, deren Information jedoch nicht zugänglich ist (3) begrenzte Übertragbarkeit der Transaktionen aufgrund stark abweichender Eigenschaften. Mangels hinreichender Datengrundlage wird die professionelle Erfahrung des Gutachters gefordert; das Ergebnis entfernt sich von den wissenschaftlichen Grundsätzen und Annahmen.13 Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 3 Anglo-amerikanische und deutsche Immobilienwertermittlung Britischer Ansatz Großbritannien kann auf eine lange Historie in der Immobilienbewertung zurückblicken, die auf eine frühe Abschaffung des Feudalismus und Entwicklung ausgereifter Bodeneigentumsrechte zurückzuführen ist.14 Durch die immer noch engen politischen und wirtschaftlichen Verbindungen der Staaten des Commonwealth ist die britische Bewertungsphilosophie international weit verbreitet und wird oft neben nationalen Standards anerkannt.15 Die Übertragbarkeit der Wertermittlung ist insbesondere durch die an das britische Vorbild angelehnten Rechtssysteme und entsprechende Eigentumsrechte gewährleistet. Der maßgebliche Berufsverband für die Immobilienbewertung ist die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS). Die RICS wurde 1868 als Institution of Surveyors in London gegründet. Zurzeit ist sie in 120 Ländern vertreten und hat ca. 110 000 Mitglieder. Obwohl grundsätzlich jeder in Großbritannien als Sachverständiger tätig sein kann, wird in der Praxis der Großteil der Bewertungen von Chartered Surveyors vorgenommen.16 In Großbritannien bestehen keine den deutschen Vorschriften entsprechenden Vorgaben für die Wertermittlung von Grundstücken, was sich auf die britische Tradition des Case Law zurückführen lässt. Die Entwicklung und Etablierung von Bewertungsstandards in der Praxis erfolgt durch die Berufsverbände.17 Zu diesem Zweck gibt die RICS das „Appraisal and Valuation Manual“ (oder auch „Red Book“) heraus, das mittlerweile in der 6. Auflage erschienen ist. Es enthält eine Vielzahl von Bewertungsvorschriften, die als „Practice Statements“ bezeichnet werden. Darüber hinaus finden sich dort Anhänge zu den Practice Statements sowie erläuternde „Guidance Notes“, die in ihrer Funktion den deutschen Wertermittlungsrichtlinien nahe kommen. Da es sich nicht um gesetzlich festgelegte Richtlinien handelt, ist die Einhaltung der Vorgaben des Red Book nur für Mitglieder der RICS verbindlich; sie können jedoch bei gegebenem Anlass von ihnen abweichen. Dies steht bei genauer Betrachtung keineswegs im Gegensatz zur Situation in Deutschland, da auch die deutsche Wertermittlung grundsätzlich für jedes geeignete Verfahren 367 geöffnet ist, sofern sich dafür eine Notwendigkeit ergibt.18 Der gebräuchlichste Wertbegriff in der britischen Immobilienbewertung war bis zur 4. Auflage des Red Book der sog. „Open Market Value“ (OMV). Er ist definiert als der beste Preis, der für ein Grundstück zum Zeitpunkt der Wertermittlung erzielbar ist. Voraussetzung für die Ermittlung des OMV ist zum einen die Existenz einer zum Verkauf bereiten Person („willing seller“) und zum anderen die Einräumung eines angemessenen Zeitraums, in dem Verkaufsverhandlungen stattfinden können.19 Im Zuge der Überarbeitung des Red Book wurde in dessen 5. Auflage20 der OMV zugunsten des an den International Valuation Standards (IVS) des International Valuation Standards Committee (IVSC) orientierten und auch von der TEGoVA (The European Group of Valuers Associations) übernommenen „Market Value“ (MV)21 aufgegeben. Durch die Berücksichtigung der European Valuation Standards (EVS) als auch der IVS sucht die RICS ihren internationalen Anspruch und ihre Bedeutung auszubauen.22 Trotz der Adaption des Market Value ist die Orientierung am „besten erzielbaren Preis“ noch nicht gänzlich aus den Köpfen der britischen Sachverständigen verschwunden. Der Market Value wird dabei als der Wert einer Liegenschaft angesetzt, ohne die Kosten eines Kaufs oder Verkaufs zu berücksichtigen oder mit der Transaktion anfallende Steuern einzubeziehen.23 Die Appraisal and Valuation Standards der RICS befassen sich nicht mit Bewertungsmethoden. Gleichwohl haben sich in der britischen Bewertungspraxis fünf grundlegende Verfahren der Wertermittlung etabliert:24 (1) Comparison Method (2) Income Method (3) Investment Method (4) Profits Method (5) Residual oder Development Method. Von den aufgezählten Verfahren decken sich insbesondere die ersten drei mit den grundlegenden Ansatzpunkten der Wertermittlung und finden ihre Entsprechung in der deutschen Wertermittlung.25 Die britische Immobilienbewertung sucht in der Regel einen möglichst direkten Marktbezug bei der Wertermittlung, was wegen der aktiven 368 Philipp Naubereit: Harmonisierung der internationalen Immobilienmärkte und Folgen für die Immobilienbewertung und transparenten Immobilienmärkte gut umsetzbar ist. Dies zeigt sich an der großen Bedeutung der Comparison Method in der britischen Bewertungspraxis.26 Die Hauptanwendungsgebiete für diese Methode sind – neben der Bewertung – die Marktanalyse und die Plausibilisierung anderer Bewertungsergebnisse.27 Die Comparison Method stellt den simpelsten und direktesten Ansatz in der angelsächsischen Wertermittlung dar. Das Verfahren wurde vor Gericht bestätigt und wird von den Sachverständigen vorbehaltlos angenommen. Transaktionsbelege stellen das Fundament der meisten Wertermittlungen dar, was auch die Funktion als Informationsquelle für andere Verfahren einschließt.28 Als Grundlage der Wertfindung wird auf den unmittelbaren Vergleich mit erzielten Preisen vergleichbarer Objekte zurückgegriffen.29 Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit dieses Verfahrens ist die Verfügbarkeit geeigneter Vergleichsobjekte. Mit zunehmenden Abweichungen bei den Vergleichsmerkmalen sinkt die Aussagekraft des Ansatzes. Unterschiede können sich beispielsweise aus der Lage des Grundstücks oder dem Zustand der Gebäude ergeben. Die notwendigen Anpassungen reduzieren den unmittelbaren Vergleich zum mittelbaren. Die Zu- bzw. Abschläge, die im Rahmen der Anpassungen vorgenommen werden, liegen zum großen Teil im Ermessensspielraum des Sachverständigen, die Objektivität und der direkte Marktbezug des Verfahrens werden auf diesem Weg kompromittiert.30 Die Income Method erfährt in Großbritannien von allen Verfahren am meisten wissenschaftliche Beachtung. Auch hier handelt es sich im Kern um einen Vergleich, bei dem die Rendite als Vergleichsgröße dient.31 Nichtsdestotrotz ist der entscheidende Werttreiber bei diesem Bewertungsansatz der von der Immobilie erwirtschaftete Zahlungsüberschuss, was die Bezeichnung Income Method insofern rechtfertigt. Ein großer Teil des Immobilienmarkts in Großbritannien wird von Immobilien gestellt, bei denen Eigentum und Nutzung nicht zusammenfallen. Für den Eigentümer wird die Immobilie zum Investitionsobjekt, bei dem das eingesetzte Kapital zur erwarteten Rendite in Bezug gesetzt wird.32 Die essentiellen Bestandteile für die Ermittlung des „Investment Value“ einer Immobilie sind ihre Nettoerträge, die sich aus der eingenommenen Miete abzüglich der beim Vermieter anfallenden Kosten ergeben, sowie ein der Immobilie angemessener Diskontierungszinssatz. In der einfachsten Form findet die Kapitalisierung des Einkommens mittels simpler Division durch den Diskontierungszinssatz statt.33 Selbst dann sind für die korrekte Anwendung des Verfahrens mehr Informationen notwendig, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre, da die Komponenten aggregierte Größen darstellen. Wichtigster Ausgangspunkt bei der Investment Method sind die gegenwärtige Miete der zu bewertenden Liegenschaft (Current Rent) sowie die bei einer Neuvermietung zu unterstellende Marktmiete (Market Rent). Während die gegenwärtige Miete vergleichsweise leicht über laufende Mietverträge bestimmt werden kann, erfordert die Bestimmung der Marktmiete einen detaillierten Vergleich mit dem lokalen Marktniveau. Mit geringer Restlaufzeit der bestehenden Mietverträge und hohem Leerstand gewinnt die Marktmiete gegenüber der gegenwärtigen Miete an Bedeutung. Bei der Diskontierung kommt vornehmlich die „All Risks Yield“ (ARY) zum Einsatz. Sie wird für gewöhnlich auf Basis einer Analyse der Renditen vergleichbarer, zeitnaher Immobilientransaktionen ermittelt. Als Alternative bietet sich die Ableitung der ARY von der Verzinsung festverzinslicher Wertpapiere an. Die Fülle schwer quantifizierbarer Adjustierungen macht diese Vorgehensweise in der Regel unpraktikabel.34 Amerikanischer Ansatz Die führende Institution für Immobilienbewertungssachverständige in den USA ist das Appraisal Institute, das die Designierungen MAI (Member Appraisal Institute) und SRA (State-Certified Real Estate Appraiser) an qualifizierte Sachverständige vergibt. 1989 wurde im U.S. Kongress der „Financial Institutions Reform, Recovery and Enforcement Act“ (FIRREA) verabschiedet. Zu den Inhalten zählte die Festlegung einer Lizenzierung bzw. Zertifizierung von Sachverständigen, um Missbrauch in der Immobilienbewertung vorzubeugen. Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 Die maßgeblichen Standards der Immobilienwertermittlung werden vom Appraisal Standards Board (ASB) der 1987 gegründeten Appraisal Foundation unter dem Titel „Uniform Standards of Professional Appraisal Practice“ (USPAP) herausgegeben. Das ASB veröffentlicht auf jährlicher Basis die aktuelle Fassung der USPAP, um Auslegung und Änderungen der Standards den Adressaten zeitnah zur Verfügung zu stellen.35 In der amerikanischen Immobilienbewertung hat sich eine einheitliche Vorgehensweise bei der Wertermittlung von Immobilien durchgesetzt, die unter dem Begriff „The Appraisal Process“ zusammengefasst wird. Der dominante Wertbegriff in der amerikanischen Immobilienbewertung ist der Market Value, für den jedoch keine einheitliche Definition vorliegt. Die zurzeit allgemein anerkannte Definition ist im FIRREA36 enthalten. Der Verzicht auf eine detaillierte Definition des Market Value in den USPAP kann durch die unterschiedlichen Anforderungen an den Wertbegriff in Abhängigkeit von der geltenden Rechtslage erklärt werden. Daher weisen die USPAP explizit darauf hin, dass die nach den rechtlichen Rahmenbedingungen vorgesehene Definition anzuwenden ist. Das gilt analog für den Gültigkeitsbereich von internationalen Standards. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden aus verschiedenen Anlässen Marktwertdefinitionen neu festlegen.37 Darüber hinaus kennt die amerikanische Immobilienbewertung noch weitere spezialisierte Wertbegriffe (Use Value, Investement Value, Going-Concern Value, Assessed Value), die hier nicht weiter vertieft werden. Die Mehrheit der Ertragsimmobilien in den USA wird auf Basis ihres Ertragspotenzials veräußert. Sie werden typischerweise als Anlage erworben, was für den Investor die Ertragskraft zur entscheidenden Determinante des Immobilienwerts macht. Der Wert wird entsprechend mit dem Income Approach ermittelt. Dieser Ansatz führt zwangsläufig zu einer zukunftsorientierten Betrachtung der Immobilie, was sich im Prinzip der „Anticipation“ in der amerikanischen Bewertung wiederfindet.38 Wie in der britischen Immobilienbewertung wird zwischen Marktmiete (Market Rent) und gegenwärtiger Vertragsmiete (Contract Rent) im Rahmen der Ermittlung des Net- 369 toertrags der Immobilie unterschieden. Die Kapitalisierung des Nettoertrags kann auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Bei der Direct Capitalization erfolgt die Diskontierung über eine repräsentative Periode mittels einer einzelnen Overall Capitalization Rate oder über die getrennte Kapitalisierung unterschiedlicher Ertragskomponenten der Liegenschaften mit individuell aus dem Markt abgeleiteten Diskontierungszinssätzen. Der Bestimmung der Kapitalisierungsraten fällt wegen ihres direkten Werteinflusses eine zentrale Rolle zu. Die unter verschiedenen Methoden bevorzugte Technik für ihre Bestimmung ist die Ableitung von Transaktionen vergleichbarer Liegenschaften (Comparable Sales). Zu den benötigten Transaktionsdaten der Vergleichsliegenschaften gehören: Preis, Ertrag, Bewirtschaftungskosten, Finanzierungskonditionen und die Marktlage zum Zeitpunkt der Veräußerung.39 Die Discounted-Cashflow-Analyse ist die zweite fundamentale Methode im Rahmen des Income Approach. Die Yield Capitalization beinhaltet mehrere Techniken für die Umwandlung einer Reihe von zukünftigen Zahlungen in ein Werturteil. Für diesen Prozess muss eine adäquate Yield, die vom Sachverständigen aus Marktdaten und den Erwartungen typischer Investoren abgeleitet wurde, verwendet werden. Der typische Betrachtungszeitraum beträgt zehn Jahre ab dem Stichtag der Wertermittlung mit einer unterstellten Veräußerung der Immobilie am Ende des Betrachtungszeitraums. Der Veräußerungserlös wird als „Terminal Value“ bezeichnet und in der Regel durch Anwendung einer Capitalization Rate auf den geschätzten Netto-Cashflow der elften Periode ermittelt. Der Sales Comparison Approach beruht auf dem Vergleich zu kürzlich veräußerten Liegenschaften. Dies entspricht den ökonomischen Prinzipien von Substitution sowie Angebot und Nachfrage insofern, als die Preise vergleichbarer Liegenschaften zum einen durch die Angebots- und Nachfragebedingungen zum Verkaufszeitpunkt, zum anderen durch die Preise für Liegenschaften mit demselben Nutzen beeinflusst werden. Der Sales Comparison Approach wird sowohl als eigenständiger Ansatz als auch zur Plausibilisierung von anderen Ansätzen eingesetzt. 370 Philipp Naubereit: Harmonisierung der internationalen Immobilienmärkte und Folgen für die Immobilienbewertung Deutscher Ansatz Anders als im angelsächsischen Sprachraum ist in Deutschland keine allgemein gebräuchliche Berufsbezeichnung für die im Bereich der Immobilienwertermittlung tätigen Personen verbreitet. Der Mangel an einem einheitlichen Berufsbild führt dazu, dass für unterschiedliche Bewertungsanlässe verschiedene Gruppen von Sachverständigen herangezogen werden. Bewertungen im Rahmen von Kreditvergaben werden beispielsweise in der Regel von bankinternen Gutachtern durchgeführt, während bei Erbauseinandersetzungen und Scheidungen häufig öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige mit der Wertermittlung beauftragt werden.40 Hierzulande stehen vier unterschiedliche Wertbegriffe im Zentrum der Immobilienbewertung, wobei dem Verkehrswert die größte Bedeutung beizumessen ist: • Verkehrswert41 • Beleihungswert • Versicherungswert • steuerlicher Grundbesitzwert. Die deutsche Wertermittlung kann grundsätzlich in normierte und nicht normierte Verfahren unterteilt werden. Bei den normierten handelt es sich um die in der Wertermittlungsverordnung (WertV) geregelten Verfahren. Hierzu zählen: • Vergleichswertverfahren (§§13–14 WertV) • Sachwertverfahren (§§15–20 WertV) • Ertragswertverfahren (§§21–25 WertV). Die WertV wurde zuletzt im Jahr 1997 novelliert, unter anderem um Auswirkungen der deutschen Einheit zu berücksichtigen. Sie wird voraussichtlich in der laufenden Legislaturperiode durch die am 1. April 2009 vom Bundeskabinett verabschiedeten ImmoWertV abgelöst werden. Das Vergleichswertverfahren kommt in der deutschen Immobilienbewertung vornehmlich bei der Wertermittlung des Bodenwerts von Grundstücken zur Anwendung. Aufgrund der restriktiven Anforderungen an Vergleichsobjekte und – anders als in britischen und amerikanischen Märkten – einem Mangel an zeitnahen Transaktionen ist die Anwendung bei bebauten Grundstücken im Allgemeinen nicht üblich.42 Das Sachwertverfahren, dessen Anwendung zur Bestimmung von Verkehrswerten mittlerweile kritisch betrachtet wird, kommt hauptsächlich bei der Ermittlung von Versicherungswerten oder zur Plausibilisierung anderer Ansätze zum Einsatz.43 Das Ertragswertverfahren bestimmt den Objektwert anhand der zu erwartenden zukünftigen Immobilienerträge. Der Wert ergibt sich hierbei aus der Summe der Barwerte aller bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eines Grundstücks nachhaltig erzielbaren Reinerträge einschließlich des Barwerts des Bodenwerts. Ähnlich wie bei der Direct Capitalization in der amerikanischen Bewertung wird auch in Deutschland der nachhaltige Nettoertrag einer repräsentativen Periode kapitalisiert. Eine wesentliche Besonderheit der deutschen Immobilienbewertung ist jedoch die separate Berücksichtigung des Bodenwerts, der am Ende der Ertragswertermittlung der baulichen Anlagen hinzuaddiert wird. Damit er nicht doppelt berücksichtigt wird, muss die Bodenwertverzinsung, die in der Regel als Produkt von Liegenschaftszinssatz und Bodenwert bemessen wird, vom Nettoertrag der Liegenschaft vor der Kapitalisierung abgezogen werden. 4 Harmonisierung der Immobilienbewertung Treiber der Harmonisierung Die Haupttreiber für die fortgesetzte internationale Harmonisierung der Immobilienbewertung sind das Wachstum grenzüberschreitender Immobilientransaktionen und die gestiegenen Ansprüche an die Belastbarkeit und Vergleichbarkeit von Verkehrswerten. Diese Anforderungen erklären sich vor dem Hintergrund der voranschreitenden überregionalen Entwicklung der Kapitalanlage in Immobilien. Die Immobilie ist von einem „alternative asset“ zu einer eigenständigen und anerkannten Anlageklasse für institutionelle Investoren avanciert. In der Folge werden dieselben Maßstäbe an zur Kapitalanlage gehaltene Immobilien gestellt wie an traditionelle Anlageformen wie z. B. Aktien und Anleihen. Die Attraktivität von Immobilien leitet sich aus portfoliotheoretischer Sicht aus dem hohen Diversifikationspotenzial ab, das sich bei geringer Korrelation zu anderen Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 Anlageklassen ergibt. Durch eine internationale Streuung der Immobilienanlagen über direkte oder indirekte Anlageformen soll der Diversifikationseffekt zusätzlich gesteigert werden.44 Das deutliche Wachstum bei grenzübergreifenden Immobilientransaktionen kann als empirischer Beleg für die zunehmende Umsetzung dieser Anlagestrategie gewertet werden. Die Zunahme transnationaler Immobilieninvestitionen entspricht jedoch auch dem im Rahmen der wirtschaftlichen Globalisierung beobachtbaren Trend zur länderübergreifenden Allokation.45 Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Investitionen in anderen Industriezweigen in der Regel gleichzeitig eine Immobilieninvestition darstellen.46 Mit dem Zusammenwachsen der Immobilienmärkte treffen nicht nur Investoren unterschiedlicher Nationalität, sondern auch verschiedene Bewertungsphilosophien aufeinander. Zusammenfassend lassen sich zwei primäre Quellen für internationale Bewertungsanlässe identifizieren:47 (1) die kontinuierlich steigende Anzahl grenzüberschreitender Immobilien transaktionen (2) die mit dem Halten internationaler Immobilienbestände verbundenen Offenlegungs- und Bilanzierungspflichten.48 Die Faktoren sind zudem miteinander verknüpft, da ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Transaktionen laufende Berichtspflichten nach sich ziehen und somit einen kontinuierlichen Bedarf für interna tionale Wertermittlungen generieren. Da Immobilien in vielen Fällen nicht nur als Anlagegut, sondern gleichzeitig auch als Finanzierungssicherheit fungieren, sind belastbare Immobilienwerte über den einzelwirtschaftlichen Kontext hinaus auch von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. Die jüngste Finanz-/ Wirtschaftskrise hat eindrucksvoll den Kaskadeneffekt demonstriert, der sich aus markt- oder bewertungsinduzierten Untersicherungen von Immobilienfinanzierungen ergeben kann. Dabei handelt es sich hier um keinen Einzelfall, wie eine Studie von Hilbers, Lei und Zacho über den Zusammenhang von Immobilienmärkten und Finanzkrisen belegt.49 Abbildung 1 zeigt den Vorlauf von Wohn- wie auch Gewerbeimmobilienmärkten vor den betrachteten Finanzkrisen. 371 Abbildung 1 Durchschnittliche Immobilienpreise und Finanzkrisen 120 115 110 105 100 95 90 85 80 -10 -8 -6 Residential -4 -2 0 2 4 (Jahre vor/nach der Krise) 6 8 10 Commercial Quelle: Hilbers, P.;Lei, Q.; Zacho, L.: Real Estate Market Developments and Financial Sector Soundness. – Washington: International Monetary 2001. = IMF Working Paper, S. 28–34 (12) Bestehende Harmonisierungsansätze Immobilienbewertung ist nur eingeschränkt national gebunden, wie das Beispiel der britischen Wertermittlung zeigt, die weltweit – vornehmlich im ehemaligen Commonwealth – Anwendung findet (siehe Abb. 2). Die Immobilienwertermittlung hat eine Vielzahl an Komponenten, zu denen Bewertungsstandards, Sachverständigenwesen, Marktgepflogenheiten und Bewertungspraxis zählen. Historisch lässt sich beobachten, dass eine Harmonisierung in der Wertermittlung in der Regel auf eine wachsende wirtschaftliche Verflechtung folgt. Die ersten Annäherungen in der internationalen Immobilienbewertung fanden auf europäischer Ebene statt. Dort werden die Diskrepanzen in der Immobilienwertermittlung bereits seit Ende der 1970er Jahre thematisiert. Diese Entwicklung erscheint vor dem Hintergrund der allgemeinen europäischen Annäherung natürlich und reflektiert die wirtschaftliche und politische Integration der Mitgliedstaaten. In den Jahren 1978–1979 entstand ein Dialog zwischen kleineren Gruppen in den USA und Großbritannien – möglicherweise auch als Reaktion auf die europäische Initiative. Auch hier lässt sich die Annäherung auf die enge wirtschaftliche Verflechtung der Wirtschaften und die traditionelle Verknüpfung der Staaten zurückführen. Dies findet im überproportionalen Anteil amerikanischer Direktinvestitionen in Großbritannien wie 372 Philipp Naubereit: Harmonisierung der internationalen Immobilienmärkte und Folgen für die Immobilienbewertung Abbildung 2 Geographische Verbreitung von Bewertungsphilosophien auch umgekehrt seinen Ausdruck. Die Annäherung zwischen den USA und Großbritannien wurde unter anderem durch die gleiche Sprache und die hohe Professionalisierung der Branchen befördert. Die gemeinsame Sprache entpuppte sich jedoch stellenweise eher als Hemmnis denn als Stütze. Denn es zeigte sich rasch, dass sie nicht die unterschiedliche Terminologie ausgleichen konnte, sondern Missverständnisse provozierte. Im Wesentlichen gibt es zwei Verbände, die sich die internationale Harmonisierung in der Immobilienwertermittlung zum Ziel gesetzt haben: das International Valuations Standards Committee (IVSC) und The European Group of Valuers Associations (TEGoVA). Aufgrund des europäischen Fokus und der bisherigen Entwicklung der TEGoVA soll hier nur auf das IVSC und die von ihm entwickelten Standards eingegangen werden. Das International Valuation Standards Committee wurde 1981 gegründet. Es zählt zu den NG-Organisationen und ist als solches Mitglied der Vereinten Nationen. Das IVSC arbeitet mit verschiedenen internatio nalen Organisationen und Verbänden zusammen, um Bewertungsstandards zu harmonisieren sowie deren Übereinstimmung und Verständnis zu fördern. Über den Austausch mit dem International Accounting Standards Board, der International Federation of Accountants, der International Organization of Security Commissions und dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht versucht es zudem einheitliche Standards in der bilanzorientierten Bewertung zu etablieren. Ein wesentlicher Erfolg des IVSC war die Verabschiedung des International Valuation Standard 1 – Market Value Basis of Valua tion. Hiermit wurde eine global einheitliche Marktwertdefinition geschaffen, die durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der TEGoVA auch in den European Valuation Standards (EVS) Einzug hielt. Weitere Bedeutung kommt der verabschiedeten Definition durch die Adaption des Market Value durch die RICS zugunsten des Open Market Value in der 5. Auflage des Red Book zu. Der vom IVSC verfolgte Harmonisierungsansatz entspricht der anglo-amerikanischen Bewertungsphilosophie und zielt auf eine Standardisierung der Wertdefinitionen und Konzepte ab. Eine detaillierte und formalisierte Festlegung der Bewertungsmethodologie, wie sie in der deutschen Wertermittlung gegeben ist, wird nicht angestrebt. Aktueller Stand der Harmonisierung Die Wertermittlung kennt drei fundamentale Ansätze. Sie sind in Abhängigkeit vom Wertermittlungsauftrag unterschiedlich geeignet, ein Werturteil zu treffen. Durch den Rückgriff auf mehrere Ansätze ergeben sich ein umfassenderes Wertverständnis und eine interne Kontrolle des Bewertungspro- Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 373 Tabelle 2 Gegenüberstellung der Bewertungsphilosophien Merkmal Großbritannien USA Deutschland Festlegung der Standards Primäre Wertdefinition Bewertungsansätze (nach Präferenz) RICS Market Value Comparison M. Income Method Cost Method gering nein Appraisal Foundation Market Value Income Approach Sales Comparison Cost Approach mittel nein Gesetzgeber Verkehrswert (~Market Value) Ertragswertverf. Sachwertverf. Vergleichswertv.53 hoch teilweise Formalisierung der Methoden Standardisierte Parameter zesses.50 Es überrascht daher nicht, dass die drei grundlegenden Ansätze der Wertermittlung in allen untersuchten Bewertungsphilosophien vertreten sind. Die nationalen Ausprägungen und Schwerpunkte der jeweiligen Ansätze können als Spiegel der wirtschaftlichen Usancen und der historischen Entwicklung der Professionen gewertet werden.51 Die starke Formalisierung der deutschen Immobilienbewertung steht demnach im Einklang mit der für Deutschland typischen Regulierungsdichte, während die angloamerikanische Immobilienbewertung in ihrem Verzicht auf die Vorgabe von Methoden dem Vertrauen auf die Selbstregulierung der Marktteilnehmer und Verbände entspricht.52 Tabelle 2 gibt einen Überblick der wesentlichen Merkmale der Bewertungsphilosophien. Die bestehenden Harmonisierungsansätze haben unter dem Druck der zusammenwachsenden Märkte bereits erste Erfolge erzielt. Der länderübergreifend gebräuchliche transaktionsorientierte Marktwert stimmt inhaltlich sowohl bei der angelsächsischen, amerikanischen und deutschen Immobilienwertermittlung als auch mit den Standards des IVSC und der TEGoVA überein.54 Auch unter Vernachlässigung der bestehenden Harmonisierungsbestrebungen zeigen sich bereits grundlegende Kongruenzen bei den verschiedenen nationalen Bewertungsphilosophien. Das globale Primat des Marktwerts als Zielgröße der Wertermittlung kann als Schlüsselelement kompatibler Wertermittlungen gesehen werden. Hierbei stehen Wertbegriff und Wertermittlungsmethode in eindeutigem Zusammenhang; jedoch kann nicht von einer „Untrennbarkeit“55 gesprochen werden, die im Widerspruch zu der in der Bewertungspraxis anerkannten Methodenpluralität steht. Analog zu einem evolutorischen Prozess setzen sich die besser geeigneten Ansätze im Markt durch, unabhängig von der Regulierungsform.56 Dabei steht die Immobilienbewertung in ei- nem koevolutorischen Zusammenhang mit dem Markt. Die zentrale Rolle des Marktes und sein Einfluss auf den Kontext der Immobilienbewertung werden aus Abbildung 3 ersichtlich. Mit der globalen Präferenz für transaktionsorientierte Wertdefinitionen liegt der Kern der Bewertungsaufgabe in der Abbildung der Entscheidungslogik des relevanten Immobilienmarkts. Dabei können sich trotz der weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung der internationalen Marktwertdefinitionen signifikante Unterschiede bei den Bewertungsergebnissen ergeben, in Abhängigkeit von den Präferenzen der örtlichen Marktteilnehmer. Eine realistische Immobilienbewertung überträgt die im Markt beobachteten Präferenzen adäquat auf das Bewertungsobjekt. Der Marktwert ergibt sich damit gemäß der unterlegten Wertdefinition als „zu erwartender Preis“ bei einer fiktiven Transaktion. Dabei ist es unerheblich, ob das angewandte Marktkalkül ökonomisch valide ist, da eine risikoAbbildung 3 Erweiterter Kontext der Immobilienbewertung Quelle: Naubereit, P.: Harmonisierung internationaler Immobilienbewertungsansätze. Köln 2009, S. 220 374 Philipp Naubereit: Harmonisierung der internationalen Immobilienmärkte und Folgen für die Immobilienbewertung freie Arbitrage nicht möglich ist. Während einer Immobilienblase muss der Marktwert folglich der Entwicklung folgen, da zu diesem Zeitpunkt in einer Transaktion ein entsprechender Preis zu erzielen wäre.57 Eine Harmonisierung der Immobilienbewertung kann also nur im Einklang mit dem Zusammenwachsen der internationalen Immobilienmärkte und der Präferenzen der Marktteilnehmer erfolgreich sein. Ein im Harmonisierungsdiskurs bisher weitgehend vernachlässigter Aspekt sind die Bewertungsparameter. Hier bieten sich teilweise unabhängig von den verschiedenen Bewertungsmethoden Möglichkeiten zu einer nationalen und internationalen Standardisierung. Hierzu zählen in Abhängigkeit vom Bewertungsansatz u. a.: signifikanter Unterschied zur ewigen Kapitalisierung. Eine wesentliche Voraussetzung für eine internationale Standardisierung der Bewertungsparameter liegt in der Überwindung der terminologischen Barrieren zwischen den Bewertungsphilosophien. Parallel zur qualitativen Standardisierung der Bewertungsparameter muss eine länder- und sprachübergreifende Vereinheitlichung der Bewertungsterminologie erfolgen. Für Sachverständige und Bewertungsadressaten müssen die der Wertermittlung unterlegten Parameter und Methoden eindeutig und transparent zuordbar sein. Dies könnte in Form eines von den wesentlichen Bewertungsverbänden anerkannten Bewertungsglossars realisiert werden. • Flächenmaße • Brutto- und Nettomieten 5 Ausblick • Preisdefinitionen Die Aufgabe der zentralen Koordinierung der Harmonisierung sowie der Gewährleistung hochwertiger Standards kann zu diesem Zeitpunkt effektiv nur vom International Valuation Standards Committee (IVSC) übernommen werden. Hierfür spricht neben der erfolgreichen internationalen Etablierung die Kooperation mit dem International Accounting Standards Board, die über die Rechnungslegung den notwendigen effektiven Verbreitungskanal für internationale Wertermittlungsstandards bietet. Institutionelle Hemmnisse werden durch breite internationale Partizipation in den Gremien des IVSC vermieden. Jedoch besteht die Gefahr, dass einzelne Parteien größeren Einfluss nehmen wollen, um ihre Bewertungsstandards stärker einzubringen. Gerade die Behandlung nationaler Besonderheiten kann große Herausforderungen stellen. • Betriebskosten. Für die betrachten Bewertungsphilosophien bestehen substanzielle und nutzbare Schnittstellen zwischen den zentralen Bewertungsparametern. Es ist zudem beachtenswert, dass viele Bewertungsparameter oft noch nicht auf nationaler Ebene standardisiert wurden, was bei einer internatio nalen Harmonisierung als Spielraum genutzt werden könnte. Eine besondere Herausforderung kann sich ergeben, wenn bestimmte Parameter in anderen Ländern grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Ein Beispiel ist die getrennte Behandlung des Bodenwerts bei der Ertragswertermittlung von Immobilien in Deutschland58, die allerdings von Japan und einigen weiteren Ländern geteilt wird.59 Im angelsächsischen Raum hingegen findet die Berücksichtigung des Bodenwertbeitrags zum Ertrag nur indirekt im Zins statt,60 was eine geringe Transparenz und eingeschränkte Plausibilität nach sich zieht. Es lässt sich jedoch zeigen, dass die Konzepte nur bei endlichen Restnutzungsdauern voneinander abweichen.61 Im Unterschied zur anglo-amerikanischen Praxis erfolgt die Kapitalisierung im deutschen Ertragswertverfahren nur über die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen. Bei den in der Bewertungspraxis üblicherweise angesetzten Restnutzungsdauern ergibt sich jedoch kein Eine weiterführende Harmonisierung in der internationalen Immobilienbewertung sollte aufgrund der Präferenz für die freie Methodenwahl in der anglo-amerikanischen Bewertungsphilosophie das hohe Standardisierungspotenzial der Bewertungsparameter nutzen. Länderübergreifende Standards für die Definition und den Ansatz von Bewertungsparametern können die Transparenz und grenzübergreifende Vergleichbarkeit von Immobilienwerten deutlich verbessern. Mit diesem Schritt sollte auch die immer wieder aufkeimende vergleichende Informationen zur Raumentwicklung Heft 5/6.2010 375 Diskussion um nationale Bewertungsstandards in den Hintergrund treten. Bereits ohne eine Harmonisierung der Methoden lassen sich keine signifikanten Unterschiede in der Bewertungsgenauigkeit feststellen62, auch wenn dies mit nationalen Interessen teilweise anders interpretiert wird. Der Prozess der Harmonisierung der Immobilienbewertung hat – wenn auch zunächst unbemerkt – bereits vor geraumer Zeit be- gonnen. Die Aufgabe besteht somit nicht in der Initiierung, sondern der Koordinierung und Optimierung der Harmonisierung. In Anbetracht des wirtschaftlichen Gewichts der Assetklasse Immobilie und den potenziellen Gefahren schwacher Immobilienbewertungen besteht ein kollektiver Anreiz, zuverlässige internationale Standards zu schaffen und umzusetzen. Anmerkungen (1) Dies schließt jedoch nicht abweichende ökonomische Einschätzungen ein, die sich beispielsweise aus unterschiedlichen Erwartungen und Risikoeinschätzungen der Marktteilnehmer ergeben können. (2) Vgl. Phillips, L.: The Appraisal of Real Estate. – Chicago 2001, S. 20 (3) Vgl. Kleiber, W.; Simon, J.; Schröter, K.: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. – Köln 2007, S. 109–114 (4) Vgl. Gelbtuch, H.C.; Mackmin, D.; Milgrim, M.R.: Real Estate Valuation in Global Markets. – Chicago 1997, S. 29–31; Lind, H.: The definition of market value – Criteria for judging proposed definitions and an analysis of three controversial components. Journal of Property Valuation & Investment 16 (1998) 2, S. 159–174 (5) Vgl. Phillips, L.: The Appraisal, a.a.O., S. 62 (6) Vgl. Barthel, C.W.: Unternehmenswert: Die vergleichsorientierten Bewertungsverfahren – Vergleichswert schlägt Ertragswert. Der Betrieb 49 (1996) 4, S. 149–163 (152) (7) Vgl. Phillips, L.: The Appraisal, a.a.O., S. 62 (8) Kleiber, S.: Verkehrswertermittlung, a.a.O., S. 902 (9) Vgl. Fisher, J.D.; Martin, R.S.: Income Property Valuation – London 1994, S. 145 (10) Vgl. Morgan, J.F.W.: Deutsche Wertermittlungsrichtlinien verbesserungsfähig – Die Berufsorganisationen haben hier bislang versagt. Immobilien Zeitung 13.8.1998, S. 4; Katzung, N.: Bewerter im Kulturkampf. Immobilien Zeitung 3.12.2009, S. 1 (11) Vgl. Gilbertson, B.G.: Appraisal or Valuation: An Art or a Science. Real Estate Issues 26.3 (Okt. 2001). S. 86–88 (12) Vgl. Peto, R.: Market information management for better valuations – Part II – data availability and application. Journal of Property Valuation & Investment 15 (1997) 5, S. 411–422, (413) (13) Vgl. Johnson, T.; Davies, K.; Shapiro, E.: Modern Methods of Valuation – of Land, Houses and Buildings. – London 2000, S. 204 f.; Gilbertson, B.G.: Appraisal or Valuation, a.a.O., S. 86 (14) Vgl. Morgan, J.F.W.: The Natural History of Professionalisation and its Relevance to Valuation Methodology and Practice in the United Kingdom and Germany. – Reading 1998, S. 393 (15) Vgl. Morgan, J.F.W.: The natural history of professionalisation and its effects on valuation theory and practice in the UK and Germany. Journal of Property Valuation & Investment 16 (1998)2, S. 185–206 (191) (16) Vgl. Mackmin, D.: The United Kingdom. In: Real Estate Valuation in Global Markets. Hrsg.: H.C. v. Gelbtuch, D. Mackmin, M.R. Milgrim. – Chicago 1997, S. 21–41 (27) (17) Vgl. Thomas, M.: Income Approach versus Ertragswertverfahren (Teil 2). Grundstücksmarkt u. Grundstückswert 6 (1995) 2, S. 82–90 (36) (18) Vgl. Kleiber, W.: WertR 02 : Wertermittlungsrichtlinien 2002. – Köln 2003, S. 197 (19) Vgl. Mackmin, D.: The United Kingdom, a.a.O., S. 29 f. (20) Die momentan aktuelle 6. Auflage erschien 2007. (21) Vgl. RICS: Appraisal and Valuation Manual, PS 3.2; Definition im Original: „The estimated amount for which a property should exchange on the date of valuation between a willing buyer and a willing seller in an arm’s-length transaction after proper marketing wherein the parties had each acted knowledgeably, prudently and without compulsion.“ (22) Vgl. Schulte, K.-W.: IAS/IFRS Immobilienbewertung und -rechnungslegung: Es wird internationaler. Immobilien Zeitung, 22.12.2003, S. 10 (23) Vgl. RICS: Appraisal and Valuation Manual, PS 3.3 (24) Mackmin, D.: The United Kingdom, a.a.O., S. 33 (25) Vgl. Tabelle 1 (26) Vgl. Baum, A.; Mackmin, D.; Nunnington, N.: The Income Approach to Property Valuation. – London 2002, S. 41 (27) Vgl. White, D. u. a.: Internationale Bewertungsverfahren für das Investment in Immobilien. – Wiesbaden 1999, S. 85 (28) Vgl. Crosby, N.: United Kingdom. In: European Valuation Practice: Theory and Techniques. Hrsg.: A. Adair u. a. – London 1996, S. 265– 306 (276 f.) (29) Vgl. Johnson, T.: Modern Methods, a.a.O., S. 14 (30) Vgl. Leopoldsberger, G.: Immobilienbewertung, a.a.O., S. 499 (31) Vgl. Crosby, N.: United Kingdom, a.a.O., S. 278 (32) Vgl. Johnson, T.: Modern Methods, a.a.O., S. 13 f. (33) Vgl. Baum, A.; Mackmin, D.; Nunnington, N.: The Income Approach to Property Valuation. – London 2002, S. 44 f. (34) Vgl. Leopoldsberger, G.: Immobilienbewertung, a.a.O., S. 502 (35) Phillips, L.: The Appraisal, a.a.O., S. 22 (36) Vgl. „Appraisal Standards for Federally Related Transactions“, Federal Register, Vol. 55, No. 165, August 24, 1990, Rules and Regulations, Sections 34, 43 376 Philipp Naubereit: Harmonisierung der internationalen Immobilienmärkte und Folgen für die Immobilienbewertung (37) Phillips, L.: The Appraisal, a.a.O., S. 22 (38) Vgl. Gelbtuch, H.C.: The United States. In: Real Estate Valuation in Global Markets. Hrsg.: H.C. Gelbtuch, D. Mackmin, M.R. Milgrim, Michael R. – Chicago 1997, S. 1–19 (11) (39) Vgl. Fisher, J.D.: Income Property Valuation, a.a.O., S. 149 (40) Vgl. Leopoldsberger, G.: Immobilienbewertung, a.a.O., S. 453–528 (45) Vgl. Edge, J.A.: The Globalization of Real Estate Appraisal : A European Perspective. The Appraisal Journal 69 (2001)1, S. 84–94 (84) (46) Unter der realistischen Einschätzung, dass Immobilien notwendiger Produktionsfaktor der meisten Formen von Wertschöpfung sind (47) Steuerliche Bewertungen grenzüberschreitend gehaltener Immobilien sind hier nicht einzubeziehen, da in diesem Fall in der Regel Bewertungsadressat (steuererhebende Entität) und Objekt im gleichen Land liegen. (41) Der Verkehrswert wird in §194 Baugesetzbuch (BauGB) definiert: „Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“ (48) Insbesondere für Immobilienfonds, Versicherungen und nach IAS/IFRS bilanzierende Konzerne (42) Vgl. Keunecke, K.P.: Immobilienbewertung. – Berlin 1994, S. 57 (51) Vgl. Morgan, J.F.W.: History of Professionalisation, a.a.O., S. 1 f. (43) Vgl. Zimmermann, P.: Der Pflegefall Sachwertverfahren – geht es ihm nun eigentlich besser? Der Sachverständige 30 (2003)10, S. 284–292 (289 f.) (52) Vgl. Simon, J.: Europäische Standards für die Immobilienbewertung. Grundstücksmarkt u. Grundstückswert 11 (2000) 3, S. 134–141 (136) (44) Vgl. Wilson, P.; Zurbruegg, R.: International Diversification of Real Estate Assets – Is it Worth It? Evidence from the Literature. – Sydney: University of Technology, School of Finance und Economics 2003. = Working Paper Series 126, S. 28 f. (http://econpapers.repec.org/ RePEc:uts:wpaper:126) (49) Vgl. Hilbers, P.;Lei, Q.; Zacho, L.: Real Estate Market Developments and Financial Sector Soundness. – Washington: International Monetary 2001. = IMF Working Paper, S. 28–34 (50) Vgl. Phillips, L.: The Appraisal, a.a.O., S. 62 (53) Das Vergleichswertverfahren kommt wegen der hohen geforderten Merkmalsübereinstimmungen in der Regel nur zur Bestimmung des Bodenwerts zum Einsatz. (54) Vgl. Kleiber, W.: Was sind eigentlich die sog. Internationalen Bewertungsverfahren? Grundstücksmarkt u. Grundstückswert 15 (2004) 4, S. 193–207 (193); wobei Verkehrs- und Marktwert synonym verwendet werden. (55) Vgl. Baumunk, H.: Immobilien und Immobilienbewertung im Zeitalter der Globalisierung. – Dresden 2004, S. 183 (56) Auch in gesetzlich regulierten Märkten wird der Gesetzgeber langfristig auf Marktusancen reagieren müssen. (57) Das unterscheidet den Marktwert beispielsweise vom Beleihungswert, der stärker an den nachhaltigen Wertkomponenten orientiert ist. (58) Vgl. Zurhorst, J.: Internationale Bewertungsverfahren: Es ist höchste Zeit für einheitliche Standards: Methodische Unterschiede können zu abweichenden Bewertungsergebnissen führen. Immobilien Zeitung, 4.11.1999, S. 12 (59) Vgl. Mackmin, D.: Valuation of real estate in global markets. Property Management 17 (1999) 4, S. 353–367 (363) (60) Vgl. Siegesmund, R.: Angelsächsisch ist nicht international – Deutsche Sachverständige kontra britische Bewerter. Immobilien Zeitung, 13.1.2000, S. 8. (61) Vgl. Naubereit, P.: Standard Ground Value in the Context of the Harmonization of Property Valuation. The Appraisal Journal 76 (2008) 3, S. 211–218 (213) (62) Vgl. RICS: Valuation and Sale Price Report 2008 – London 2008, S. 10 ff.