Häusliche Gewalt - Manual für Fachleute

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Häusliche Gewalt - Manual für Fachleute
Kanton Zürich
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt
Häusliche Gewalt –
Manual für Fachleute
Ab 1. Januar 2014
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich
Kantonspolizei Zürich, Präventionsabteilung
Postfach
8021 Zürich
Tel: 044 247 31 15
Mail: [email protected]
www.ist.zh.ch
Autorinnen und Co-Leiterinnen der IST bis 31. Dez. 2013
Franziska Greber, M.A.
Psychotherapeutin ASP, Coach und Supervisorin BSO
Mail: [email protected]
Cornelia Kranich, lic. iur.
Rechtsanwältin, Mediatorin
Mail: [email protected]
Assistentin
Monika Maurer
Fotos: Franziska Greber
3. Auflage (2013)
Gemeinsam gegen Häusliche Gewalt
Vor Ihnen liegt die überarbeitete 3. Auflage des Kurzmanuals.
Seit der Erstauflage im September 2008 konnten mit dem Kooperationsgremium wichtige Strategien im Vorgehen gegen Häusliche Gewalt entwickelt werden. Die Auswertung von über 2'600 GSG-Fällen brachte Erkenntnisse, die zu mehr Differenzierungen nötigten. In einer Arbeitsgruppe zur Optimierung des Vorgehens gegen Häusliche Gewalt nach
dem Pfäffiker Tötungsdelikt im August 2011 wurden Schnittstellen angegangen und Lücken im Vorgehen, namentlich bezüglich des RiskAssessments und des Risk-Managements erkannt und benannt. Einige
neuere Studien, so auch die Auswertung des Pilotprojektes zur zeitnahen Kinderansprache durch das MMI oder die Optimus-Studie zur sexuellen Viktimisierung von Kindern und Jugendlichen, zeigten drastisch die
Notwendigkeit des koordinierten, inter- und transdisziplinären Vorgehens.
Das erste Kapitel befasst sich mit dem Phänomen Häuslicher Gewalt vor
allem aus bio-psycho-sozialer Sicht. Erkenntnisse zur Psychologie von
TäterInnen und Opfern sowie zur Dynamik Häuslicher Gewalt wurden
vertieft und weiterentwickelt. Im Fokus steht nicht mehr nur die Partnergewalt des gewalttätigen Mannes gegen seine Frau. Stärker kommt das
ganze Familiensystem in den Blick. Es wurde offenkundig, dass oft auch
Kinder und Jugendliche direkt von Gewalt betroffen sind, auch sie nicht
nur vom Vater, sondern auch von Geschwistern, von der Mutter und in
partnerschaftlichen Jugendbeziehungen. Diese Erkenntnisse müssen für
Interventionen und deren Nachhaltigkeit mitberücksichtigt werden.
Paare und Familien, in denen Gewalt vorkommt, gehen nicht zwingend
auseinander. Dies auch als Folge von zuweilen schwierigen Bindungen
und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den am Gewaltverhältnis beteiligten Familienmitgliedern. Deshalb müssen auch Massnahmen entwickelt werden, die mit Paaren und/oder Familien als System arbeiten.
Das kann nur Erfolg zeigen, wenn eine genaue Analyse der Paar- und
Familiensituation unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Tätertypen und Bindungsmuster der Opfer voraus- gegangen ist.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den kurzfristigen Schutzmöglichkeiten des Zürcher Gewaltschutzgesetzes. Seit der letzten Auflage wurde
der Einbezug der Kinder in die Kontaktverbote von der Rechtsprechung
ausdifferenziert. Gerade vor Drucklegung wurde ein Fall mitgeteilt, in
welchem eine KESB unmittelbar nach Eintreffen der polizeilichen Gefährdungsmeldung die Anhörungen durchgeführt hat und noch während
verlängertem GSG-Kontaktverbot mit einer situationsadäquaten Kindesschutzmassnahme reagierte. Damit konnte das generelle GSGKontaktverbot aufgehoben werden - ein Vorgehen, von dem wir hoffen,
dass es Schule machen möge.
Wenn Sie sich für die Kapitel über Schutzmöglichkeiten im Straf-, Zivilund Kindesrecht oder für ausländerrechtliche Fragen interessieren, finden Sie diese auf dem Stand der Bearbeitung auf der Internetadresse
www.ist.zh.ch.
Wir danken für Ihr Interesse.
Zürich, im November 2013
Franziska Greber
Cornelia Kranich
Co-Leiterinnen
Direktion der Justiz und des Innern/Generalsekretariat (bis 31.12.2013)
Ab 01.01.2014 ist die IST bei der Präventionsabteilung der KAPO ZH angegliedert.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Kanton Zürich
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt
Kapitel 1
Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache?
Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Inhaltsverzeichnis, November 2013
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1
Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache?
100
Grundlagen

101

Was ist Häusliche Gewalt? Verschiedene Definitionen
November 2013
102

Häusliche Gewalt im Kanton Zürich
November 2013
103

Formen Häuslicher Gewalt bei Erwachsenen und Minderjährigen
November 2013
104

Stalking
November 2013
105

Psychologie und Dynamik Häuslicher Gewalt
November 2013
106

Multikonstellationelle und multikontextuelle (Häusliche) Gewalt
November 2013
107

Kinder als Opfer Häuslicher Gewalt
November 2013
108

Corinna Seith 1961 - 2010

Kinder und Häusliche Gewalt - eine Herausforderung für Behörden und Fachstellen
von Corinna Seith
Dezember 2006
109

Minderjährige, die Häusliche Gewalt ausüben
November 2013
110

Gewalt in Betagtenbeziehungen und gegen pflegebedürftige Menschen
November 2013
111

Postvention und Paarberatung nach Häuslicher Gewalt
November 2013
112

Neurowissenschaftliche und forensische Aspekte in der Behandlung gefährdender Personen
November 2013
113

Verletzungen und gesundheitliche Folgen körperlicher Häuslicher Gewalt
November 2013
114

Rechtliche Interventionen bei Häuslicher Gewalt (Übersicht)
November 2013
115

Nachweis Häuslicher Gewalt
November 2013
116

Die IST im Rückblick und Heute
November 2013
Dazu: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Serviceteil im Kapitel 9
Juli 2011

901
 Wichtige Zürcher Adressen
November 2013
902
 Weiterführende Links
September 2011
903
 Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme
November 2013
904
 Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen
November 2013
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Was ist Häusliche Gewalt? Verschiedene Definitionen, November 2013
101 Was ist Häusliche Gewalt? Verschiedene Definitionen
Es gibt mehrere Definitionen des Begriffs "Häusliche Gewalt". Der Blickwinkel und das Verständnis der
Forschenden prägen die von ihnen favorisierte Definition. Die einen bevorzugen eine eher enge, die anderen eine weitere Definition. Bundesrechtlich gibt es keine Legaldefinition. In den kantonalen Polizeigesetzen finden sich vereinzelt Definitionen. Allen ist eigen, dass „häuslich“ nicht adjektivisch, also im Sinne
von „im Haus“ verstanden wird, sondern an die Beziehungskonstellation, die Partnerschaft, Beziehung
oder Verwandtschaft anknüpft. Dies ist der Grund, weshalb in unseren Publikationen „Häuslich“ im Sinne
eines Begriffes grossgeschrieben wird. Häusliche Gewalt geschieht also nicht nur im Privatbereich der
Beteiligten, sondern kann auch im öffentlichen Raum stattfinden.
In den Sozialwissenschaften wird oft die Definition von Daniela Gloor und Hanna Meier (vgl. Gloor, Meier
2004) verwendet: „Als Häusliche Gewalt bezeichnen wir Gewalt unter erwachsenen Menschen, die in
einer engen sozialen Beziehung stehen oder standen. Das bedeutet in den meisten Fällen eine Partnerschaft oder eine Verwandtschaftsbeziehung“.
Häusliche Gewalt ist, wenn man die gemäss Gewaltschutzgesetz im Kanton Zürich getroffenen Massnahmen betrachtet, zu über 90% heterosexuelle, (ex)-partnerschaftliche Gewalt von erwachsenen Män1
nern gegen erwachsene Frauen. Die meisten empirischen Studien und die daraus entwickelten Theorien,
Konzepte und Modelle beschreiben und fokussieren deshalb dieses Gewaltverhältnis.
Psychosoziale Erklärungsmodelle, auf die sich Fachpersonen in der Regel stützen, sind den häufigsten
Fällen Häuslicher Gewalt angemessen. Für einen Teil der gewaltausübenden Personen genügen diese
Erklärungsansätze aber nicht. So z.B. für Personen, deren gewalttätiges Handeln auf eine Krankheit oder
auf unfallbedingte Einschränkungen, Veränderungen oder Störungen (in Folge eines Hirntumors, einer
Hirnprellung, einer Demenz, einer unbehandelten Schizophrenie-Erkrankung etc.) zurückzuführen ist.
Auch Suchtkrankheiten können mit Gewalt einhergehen. Der Konsum von Alkohol und anderen Drogen
erhöht zwar nicht zwingend die Aggressivität, beeinträchtigt aber (ähnlich wie bestimmte Hirnfunktionsstörungen) die Selbststeuerungsfähigkeit und begünstigt Gewalt durch ihre enthemmende Wirkung. Neue
Studien gehen davon aus, dass in etwa 25% der Fälle Häuslicher Gewalt Alkohol involviert war. Ein umfassendes, mehrdimensionales und „bio-psycho-soziales“ Verständnis der komplexen Phänomene Häuslicher Gewalt ist deshalb notwendig. Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung
und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) adaptierte das von Engel 1977 (mehrheitlich in der Medizin verwendete) bio-psycho-soziale Modell zu einem multidimensionalen, holistischen Gesundheits- und Krankheitsmodell. Dass Menschen mit Hirnfunktionsstörungen, psychischen Erkrankungen
oder Suchmittelabhängigkeit gewalttätiger sind als Gesunde, darf daraus aber nicht abgeleitet werden.
Was jedoch von zentraler Bedeutung ist: Die Betroffenen – vor allem auch deren Angehörige – müssen
nach gewalttätigem Verhalten dieser Personengruppe gefragt werden. Im Hellbereich der polizeilichen
Interventionen besteht ausserdem eine Korrelation zwischen allgemeinem dissozialem Verhalten (z.B.
Verkehrsregelverstösse, Gewalt im öffentlichen Raum, etc.) und Häuslicher Gewalt.
Unter genderdifferenzierten Aspekten hält Barbara Kavemann zu Gewalterfahrungen fest: „Frauen und
Männer sind im Laufe ihres Lebens häufig Opfer von Gewalt, Männer etwas häufiger als Frauen. In beiden
Fällen sind die Gewalttäter überwiegend Männer. Männer sind häufiger als Frauen Opfer von Körperverletzung, Frauen sind deutlich häufiger als Männer Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt. Auch der Kontext des Gewalterlebens unterscheidet sich nach Geschlecht: Frauen werden häufiger Opfer durch Beziehungspartner oder Familienangehörige, Männer häufiger durch Bekannte
oder Fremde. Frauen erleiden mehr Gewalt im privaten Raum, Männer häufiger im öffentlichen Raum.
Auch die Risiken, die mit Gewalt einhergehen, sind unterschiedlich: Frauen werden häufiger als Männer
im Kontext von Häuslicher Gewalt verletzt oder getötet. Das Verletzungsrisiko für Frauen steigt, wenn die
körperliche bzw. sexuelle Gewalt von einem Beziehungspartner ausgeht. Für Männer sinkt das Verletzungsrisiko, wenn die Gewalt von ihrer Beziehungspartnerin ausgeht.“ (Kavemann 2002)
Einige Definitionen berücksichtigen zusätzlich den Aspekt der Ausnützung des Abhängigkeitsverhältnisses
durch die mächtigere Person, die im partnerschaftlichen und/oder familiären Kontext meistens vorhanden
ist.
Der Umgang mit der Begrifflichkeit zeigt nicht nur den aktuellen Wissensstand, sondern auch die gesellschaftliche Haltung gegenüber Häuslicher Gewalt. Definitionen erfassen mehr oder weniger Aspekte
Häuslicher Gewalt und/oder partnerschaftlicher bzw. familiärer Gewaltverhältnisse. Für darauf aufbauende
Beratungs-, Präventions- und Interventionskonzepte (vgl. Büchler 2008) bedeutet dies, dass wichtige Bereiche berücksichtigt werden oder eben herausfallen.
1
Vgl. Zahlen im folgenden Kapitel.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Was ist Häusliche Gewalt? Verschiedene Definitionen, November 2013
Im Informationsblatt Nr. 1 „Definition, Formen und Betroffene häuslicher Gewalt“ der Fachstelle gegen
Gewalt des eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Mann und Frau findet sich ein aktualisierter
Überblick (www.egb.admin.ch > Themen: Häusliche Gewalt).
Definition im Gewaltschutzgesetz
Der Kanton Zürich hat im Gewaltschutzgesetz (GSG) Häusliche Gewalt wie folgt definiert:
„Häusliche Gewalt liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden oder einer aufgelösten familiären
oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität verletzt
oder gefährdet wird“. Mit dieser Definition werden verschiedene familiäre und partnerschaftliche Beziehungskonstellationen erfasst:
1. Erwachsene, die Häusliche Gewalt androhen oder ausüben:
-
Häusliche Gewalt in erwachsenen (Ex-)Partnerschaften
Häusliche Gewalt von Eltern gegen ihre Kinder/Jugendlichen (Stief-, Pflege- und Adoptiveltern)
Häusliche Gewalt in Betagtenbeziehungen
Häusliche Gewalt von erwachsen Kindern gegen ihre (betagten) Eltern
Häusliche Gewalt eines erwachsenen Geschwisters gegen ein anderes minderjähriges oder erwachsenes Geschwister (Stief-, Halb-, Adoptiv- und Pflegegeschwister, Cousinen und Cousins)
2. Minderjährige, die Häusliche Gewalt androhen oder ausüben:
-
Häusliche Gewalt von Kindern/Jugendlichen gegen Eltern
Häusliche Gewalt gegen Geschwister
Häusliche Gewalt in (ex-)partnerschaftlichen Jugendbeziehungen (Gewalt gegen FreundIn)
Alle Beziehungskonstellationen müssen bei Häuslicher Gewalt gleichzeitig in Betracht gezogen werden,
damit der Opferschutz sichergestellt, Gewaltsituationen deeskaliert und auch Gefährdende oder TäterInnen zur Verantwortung gezogen und adäquat beraten, evtl. behandelt werden können.
Diese Definition impliziert auch verschiedene Arten von Gefährdeten (i.d.R. Opfer):
-
Erwachsene, die von Häuslicher Gewalt durch Erwachsene betroffen sind,
Erwachsene, die von Häuslicher Gewalt durch Minderjährige betroffen sind,
Erwachsene, die von Häuslicher Gewalt durch Erwachsene und Minderjährige betroffen sind,
Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von Häuslicher Gewalt durch Erwachsene betroffen sind,
Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von Häuslicher Gewalt durch Minderjährige betroffen sind,
Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von Häuslicher Gewalt durch Erwachsene und Minderjährige betroffen sind.
Das Wissen um die verschiedenen Gewaltkonstellationen und deren Erfragung und Erfassung hilft den in
2
der Prävention, Intervention und der Postvention gegen Häusliche Gewalt tätigen Fachpersonen und
Organisationen, früh und rasch reagieren zu können.
Häufig ist die sichtbare, eine polizeiliche Intervention auslösende Gewaltkonstellation jene unter Erwachsenen. Zum Beispiel: Der Mann übt gegen die Frau Gewalt aus. Es kann aber sein, dass in derselben
Familie noch anderweitig Gewalt ausgeübt wird, indem z. B. die Mutter die Kinder misshandelt oder unter
den Geschwistern Gewalt ausgeübt wird. In Familien, in denen es solche „multikonstellationellen“ Gewaltbeziehungen gibt, sind gefährdende Personen unter Umständen zugleich mehrfach gefährdend, oder Gefährdete möglicherweise mehrfache Opfer. Die Paar- und Familiendynamik wird durch „multikonstellationelle“ Gewaltbeziehungen entscheidend geprägt. Erschwerend ist, dass die Betroffenen selbst die ausgeübte Gewalt u. U. nicht zwingend als solche wahrnehmen, weil sie z.B. als „Erziehungsmethode“ gerechtfertigt wird. Eventuell sind ihnen Gewaltkonstellationen nicht bekannt oder sie wollen sie nicht wahrhaben,
wie dies bei sexueller Gewalt im Häuslichen Kontext oft beobachtet wird. Für polizeiliche, rechtliche
und/oder soziale Interventionen (beratende, psychotherapeutische, seelsorgerische etc.) ist es entscheidend, sämtliche Gewaltkonstellationen soweit als möglich zu erfragen und zu (er-)kennen, damit die einzuleitenden Massnahmen und entsprechenden Settings angepasst und auf die spezifische Situation ausgerichtet werden können.
2
Postvention nach Häuslicher Gewalt ist ein professionelles Beratungs- und Begleitungskonzept für Paare, (Rest)-Familien und Kinder
nach Vorfällen Häuslicher Gewalt.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Häusliche Gewalt im Kanton Zürich, November 2013
102 Häusliche Gewalt im Kanton Zürich
Forschungen zu Häuslicher Gewalt
Eine aktualisierte und übersichtliche Zusammenstellung über die internationale Forschung wurde von der
eidgenössischen Fachstelle gegen Gewalt herausgegeben. Wir verzichten deshalb an dieser Stelle auf
eine Zusammenfassung und verweisen auf das Informationsblatt Nr. 16 „Aktueller Forschungsstand zu
Opfern und Tatpersonen häuslicher Gewalt“der Fachstelle gegen Gewalt des eidgenössischen Büros für
die Gleichstellung von Mann und Frau (www.egb.admin.ch > Themen: Häusliche Gewalt).
Studien im Kanton Zürich
Die Sozialwissenschafterinnen Daniela Gloor und Hanna Meier befragten im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis
30. Juni 2003 alle eintretenden Patientinnen des Stadtspital und der Maternité Triemli. 1772 Daten von
Patientinnen, die auf Deutsch, Spanisch, Englisch oder Serbokroatisch zu Häuslicher Gewalterfahrung
erhoben wurden, konnten ausgewertet werden. Ziel dieser Studie war nicht eine repräsentative Erfassung
der Häufigkeit Häuslicher Gewalt. Die Forscherinnen interessierten die gesundheitlichen Folgen chronischer Gewalt im Vergleich zu Frauen ohne aktuelle Gewalterfahrung. Die Resultate deckten eine erschreckend hohe Gewaltbelastung auf mit deutlicher gesundheitlicher Beeinträchtigung der Gewaltopfer. Damit
wurde nachgewiesen, dass „Häusliche Gewalt eine Krankheit“ ist, die in epidemiologisch relevantem
Ausmass auftritt. Deshalb wird seit diesen Erkenntnissen im Stadtspital Triemli und in der Maternité
screeningmässig nach Häuslicher Gewalt gefragt. Dadurch werden gezielte medizinische, psychosoziale
und rechtliche Interventionen möglich.
Silvia Steiner, die als Anklägerin und Polizeichefin arbeitet, untersuchte 907 Polizeiakten der Stadtpolizei
Zürich aus den Jahren 1999 – 2001. Sie suchte nach Faktoren, die für Häusliche Gewalt wirksam sind.
Insbesondere interessierte sie der hohe Ausländeranteil. Eine der Schlussfolgerungen der Erhebung war,
dass der Migrationshintergrund kein entscheidender Faktor für Häusliche Gewalt ist, sondern dass es eine
Vielzahl von belastenden Faktoren sind, die Gewalt begünstigen.
Statistiken zu Häuslicher Gewalt
Statistisches Zahlenmaterial gibt es für die Schweiz und den Kanton Zürich wenig. Die Fachstelle Gewalt
des eidgenössischen Büros für Gleichstellung hat im Informationsblatt Nr. 9 „Zahlen zu Häuslicher Gewalt
in der Schweiz“ die greifbaren Zahlen aktualisiert zusammengestellt (www.ebg.admin.ch Thema: Häusliche Gewalt).
- Seit 2009 werden die Polizeidaten nach einheitlichen Kriterien auf eidgenössischer Ebene in der Polizeilichen Kriminalstatistik PKS zusammengefasst. Es handelt sich um eine Anzeigestatistik. Ein Auszug aus der PKS gibt Auskunft über Anzeigen wegen Häuslicher Gewalt.
- Aus der Schweizer Opferhilfestatistik können Zahlen zu Beratungen wegen Häuslicher Gewalt eruiert
werden.
- Die Schweizerische Verurteilungsstatistik SUS gibt einen umfassenden Überblick über Verurteilungen
nach Straftatbeständen. Häusliche Gewalt ist allerdings kein Straftatbestand. Einzig für einfache Körperverletzungen und Drohungen können die Verurteilungen wegen Partnergewalt gesondert ausgewiesen werden, da sie bei diesen Straftatbeständen ein Tatbestandsmerkmal ist.
- Dass Häusliche Gewalt tödlich sein kann, zeigt der Bericht über die vollendeten und versuchten Tötungsdelikte in der Schweiz von 2000-2004. Die Erhebung wurde auf Initiative der Fachstelle Häusliche Gewalt vom Bundesamt für Statistik BFS durchgeführt. Durchschnittlich wurden jährlich 21.8
Frauen und 3.6 Männer getötet. Jede zweite Frau lebte in Trennung. Jede fünfte Gewaltbeziehung
war der Polizei bereits bekannt.
Es ist schweizweit unbekannt, wie viele Kinder durch elterliche Beziehungsgewalt betroffen sind.
- Vom Bundesamt für Sozialversicherung werden alle zehn Jahre Zahlen zur Gewalt gegen Kinder erhoben. Die Zahlen zeigen das Erziehungsverhalten generell auf.
-
Unbekannt ist, wie viele Kindesschutzmassnahmen (freiwillig und angeordnete), d.h. Beistandschaften
wegen Häuslicher Gewalt angeordnet werden. Auch über Fremdplatzierungen in sozialpädagogische
Institutionen oder Pflegefamilien wegen Häuslicher Gewalt existieren keine Zahlen.
Zürcher Zahlen zu Kindern
Die klinischen Zürcher Kinderschutzstellen des Kinderspitals und die Fachstelle OKey in Winterthur haben
ihre veröffentlichten Zahlen nicht nach Häuslicher Gewalt aufgeschlüsselt. Unklar bleibt somit, ob die Gewalteinwirkung auf das Kind durch Dritte oder Familienangehörige erfolgte. Die Zahl der Neuanmeldungen
von Kindsmisshandlungen ist im Jahr 2010 auf 801 Kinder (2009: 703) angestiegen. Im Kinderspital ist bei
über 70% der Meldungen für die Pädiaterinnen und Pädiater der Gewaltverdacht eindeutig erhärtet
(Medienmitteilung Kinderspital 2011).
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Häusliche Gewalt im Kanton Zürich, November 2013
Die Zürcher Polizei musste 2012 insgesamt 565 (2011:477; 2010: 402) GSG-Meldungen an die Vormundschaftsbehörden machen. 2012 waren 832 Kinder betroffen (2011: 678 Kinder). Ob diese Kinder bei der
polizeilichen Intervention auch unmittelbar von physischer Gewalt betroffen waren, ist nicht bekannt.
Die Evaluation der Projekte zur zeitnahen Kinderansprache, KidsCare und KidsPunkt im Kanton Zürich,
welche vom MMI Marie Meierhofer Institut für das Kind durchgeführt wurde, lässt befürchten, dass ca.
40% der Kinder auch direkt von Gewalt betroffen sind.
Polizeizahlen und Zahlen zu angeordneten Gewaltschutzmassnahmen
Seit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes am 1. April 2007 erheben die polizeilichen Korps genauere
Zahlen, die von der IST zusammengeführt und verwaltet werden. Voraussetzung, dass Häusliche Gewalt
von der Polizei erfasst werden kann, ist eine Anzeige. Es ist bekannt, dass viele gewaltbetroffenen Personen aus Scham, Angst oder anderen Gründen den Weg zur Polizei meiden.
2012
1.) Polizeiliche Interventionen wegen familiärer
Gewalt
2011
1930
2.) Gewaltschutzrechtliche Schutzmassnahmen
1062
ohne Wegweisung (getrennt Lebende)
430
40%
348
Verlängerungsgesuche
495
47%
400
448
91%
Davon gutgeheissene Verlängerungen
822
2010
2009
2008
1666
1584
1625
883
53%
1008
64%
1065
66%
42%
358
41%
441
44%
431
40%
49%
402
46%
429
43%
445
42%
86%
344
361
90%
389
91%
403
91%
Ohne Einleitung eines Strafverfahrens
72
7%
71
9%
73
8%
96
10%
109
10%
Bussenverfahren (Übertretungen)
99
10%
102
13%
109
12%
123
12%
112
11%
Polizeirapport wegen Vergehen oder Verbrechen
888
90%
668
86%
693
86%
784
86%
841
88%
Meldungen an Vormundschaftsbehörden (/Kinder)
565
53%
477
58%
453
51%
544
54%
542
51%
Frauen als Gefährderinnen
71
7%
52
6%
45
5%
63
6%
67
6%
Minderjährige Gefährdende
6
1%
7
1%
26
3%
19
2%
32
3%
136
13%
92
11%
87
10%
94
9%
82
8%
Gewalt mit gefährlichem Gegenstand oder Waffe
3.) Polizeilich rapportierte Delikte *
Tötungsdelikte (vollendete und versuchte)
2012
2011
2010
2009
2008
6
19
10
16
6
Schwere Körperverletzungen
28
13
17
23
16
Einfache Körperverletzungen
197
217
237
332
275
Drohungen
479
469
532
715
558
* Quelle: Kriminalstatistik. Entwicklung der Kriminalität im Kanton Zürich, nach Jahren. KAPO. OK-Analyse
Von 2007 bis 2011 nahm die Anordnung der Gewaltschutzmassnahmen kontinuierlich ab. Im Jahr 2012
waren sie wieder auf dem Niveau von 2008. Im Jahr 2013 ist die Tendenz steigend. Die Schwankungen
lassen sich (noch) nicht erklären.
In der PKS, der polizeilichen Anzeigestatistik ist das Verhältnis verzeigter Männer zu verzeigten Frauen 4 zu
1, d.h. in rund 20% der Fälle werden Frauen bezichtigt, Männern Gewalt angetan zu haben. In der GSGStatistik erscheinen Frauen (nur) mit 7% als Gefährderinnen. Bei der Anzeigestatistik werden Anzeigen erfasst, die die Polizei entgegennehmen muss, ohne den Sachverhalt schon abgeklärt zu haben. Demgegenüber setzt die Anordnung einer GSG-Massnahme voraus, dass die Polizei Beweise für Gewaltausübung
oder Gewaltandrohungen hat.
Auswertung der GSG-Fälle vom 1. April 2007 – 31. Dezember 2009
Es konnten rund 2‘600 Daten von 2‘306 gefährdender Männern, bei denen zwischen dem 1. April 2007 und
dem 31. Dezember 2009 eine GSG-Massnahme angeordnet wurde, ausgewertet werden. Die Zahlen zeigen
ein beachtliches Gewaltpotential bei Häuslicher Gewalt: In 76% wurde das Opfer verletzt; in 16% wurde das
Opfer gewürgt; in 40% wurde massiv gedroht; in 25% wurde Alkohol konsumiert, in 19% wurde eine Waffe
oder ein gefährlicher Gegenstand eingesetzt.
57% dieser Männer waren schon mindestens einmal verurteilt. 12% waren schon einmal im Strafvollzug und
hatten sich nicht bewährt, sodass die bedingte Entlassung widerrufen werden musste. Dies lässt auf eine
generell hohe Gewaltbereitschaft schliessen.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Formen Häuslicher Gewalt bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013
103 Formen Häuslicher Gewalt bei Erwachsenen und Minderjährigen
Bei Häuslicher Gewalt werden verschiedene Gewaltformen unterschieden. Meistens besteht oder bestand in der (Ex-)Beziehung ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis. Alle Formen können bei Zusammen- und Getrenntlebenden auftreten.
Formen Häuslicher Gewalt unterscheiden sich je nach Beziehungskonstellation, Geschlecht und Alter. So
werden in erwachsenen Partnerschaften teilweise andere Formen von Gewalt angewendet als in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen, bei Gewalt gegen Geschwister oder gegen Eltern.
Die verschiedenen Gewaltformen können angedroht und/oder ausgeübt werden. Sie können einzeln oder
kombiniert vorkommen.
Physische Gewalt
Physische Gewalt umfasst Schlagen mit oder ohne Gegenstände, Treten, Boxen, an den Haaren Reissen, Schütteln, Stossen, Würgen, mit Gegenständen Bewerfen, tätliche Angriffe bis hin zur Tötung der
Partnerin oder des Partners.
Die physische Gewalt ist die offensichtlichste, häufigste und in der Regel nachweisbarste Form der Gewalt und deshalb justiziabel. Meistens ist sie kombiniert mit anderen Formen der Gewalt.
Sexuelle Gewalt
Sexuelle Gewalt umfasst das Herstellen einer sexualisierten Atmosphäre, Benützen einer sexualisierten
Sprache, Zeigen von Bildern mit sexuellem Inhalt, Filmen und Fotografieren von sexuellen Handlungen
(Sexting), Weiterleiten von sexualisiertem Bildmaterial auch gegen den Willen der betroffenen Person,
Bilder im Internet Publizieren, sexistisches Blossstellen gegenüber Dritten, Zwingen zu sexuellen Handlungen, Geschlechtsverkehr unter Gewaltandrohung, physischer oder psychischer Gewalt oder als Voraussetzung zur Aushändigung des Haushaltgeldes, erzwungenes Küssen, Berühren der Brüste, des Geschlechts oder des Gesässes gegen den Willen, oder die gefährdete Person mit Gewalt an die Wand zu
drücken und das Geschlecht an ihr zu reiben.
Die im Jahr 2012 zum Thema „Sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen in der Schweiz“ durch1
geführte Optimus-Studie belegte, dass sexuelle Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen häufig vorkommt – vorwiegend werden die sexuellen Übergriffe von männlichen Jugendlichen ausgeübt.
Viele verstehen unter „sexueller Gewalt“ Vergewaltigungen. Es kann wichtig sein, gegenüber einer betroffenen erwachsenen oder minderjährigen Person die sexuelle Gewalt zu konkretisieren, damit sie erkennen kann, dass Sexualpraktiken und sexualisierte Verhaltensweisen, die sie nicht billigt, nicht wünscht
oder nicht duldet, eine Verletzung ihrer sexuellen Integrität bedeuten.
Auch Frauen oder Mädchen können sexuelle Gewalt ausüben, wenn auch auf subtile Art. Die sexuellen
Übergriffe von Müttern sind etwa an Pflegehandlungen bei Kindern gebunden oder zeigen sich als verdeckte, aber sexualisierte Zärtlichkeiten. Dieses Verhalten ist eine Macht- und/oder Grenzverletzung, die
auch zu problematisieren ist.
Die Optimus-Studie zeigt, dass etwa 20% der Knaben Opfer von sexuellen Übergriffen durch Mädchen
sind.
In den letzten Jahren wurden Täter und Täterinnen, die in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen Gewalt ausüben, immer jünger.
Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen
Unter sexueller Ausbeutung werden alle Formen von sexuellen Handlungen an Kindern und Jugendlichen
verstanden, die von Erwachsenen oder Minderjährigen ausgeübt werden. In den meisten Fällen wird die
körperliche, geistige und emotionale Überlegenheit der mächtigeren Person gegenüber dem Opfer ausgenutzt. Die meisten TäterInnen stammen aus dem sozialen Nahraum der Kinder und Jugendlichen.
Handelt es sich bei den Gefährdenden um partnerschaftliche oder familiäre Bezugspersonen, ist sexuelle
Ausbeutung laut Gewaltschutzgesetz des Kantons Zürich eine Form Häuslicher Gewalt.
Psychische Gewalt
Psychische Gewalt umfasst: (schwere) Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Androhung und Ausführung von Kindsentführung, Erniedrigung, Demütigung, Missachtung, Beleidigung, Erzeugung von Schuldgefühlen, (erweiterte) Suiziddrohungen, Beschimpfungen und Einschüchterungen, Blossstellen in der
Öffentlichkeit, Unterdrückung des freien Willens und Trennungs- oder Scheidungsandrohung bei Migranten und Migrantinnen mit abgeleitetem Aufenthaltsrecht, denen die Ausweisung droht.
Die kontinuierlichen Demütigungen und Abwertungen beeinträchtigen das Selbstwertgefühl und die
Wahrnehmung der Opfer. In diesem Prozess wird zunehmend die Widerstandskraft gebrochen. Es ist
1
Optimus-Studie (2012): www.optimusstudy.org
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vergleichbar mit den Konditionierungsprozessen, die bei Sektenmitgliedern und Mitgliedern totalitärer
Gruppierungen zu beobachten sind.
Stalking (Cyberstalking)
Kontrolle, Verfolgen, Nachstellen, permanentes Telefonieren, Mailen, SMS versenden und/oder Verunglimpfungen der gestalkten Person beim Arbeitgeber oder im Internet sind eine besondere Form Häuslicher Gewalt. Die Schweiz kennt keinen Straftatbestand des Stalkings. Unter Umständen ist Stalking als
strafrechtliche Nötigung i.S. Art. 181 StGB fassbar. Polizeiliche Kontakt- und Rayonverbote können nach
GSG bei Stalking angeordnet werden. Auch privatrechtliche Verbote sind möglich (Art. 28b ZGB).
Soziale Gewalt
Soziale Gewalt umfasst Einschränkungen im sozialen Leben (z.B. Isolieren, Verhindern, Verbieten oder
Kontrollieren von Sozialkontakten; Einsperren und Verhindern oder Verbieten der Erlernung der Landessprache etc.).
Wirtschaftliche Gewalt
Wirtschaftliche Gewalt umfasst Arbeitsverbote, Zwang zur Arbeit, Beschlagnahmung des Lohnes, alleinige Verfügungsmacht über finanzielle Ressourcen und Zwang zur Mitunterzeichnung von Kleinkredit-,
Abzahlungs- und Leasingverträgen (wodurch eine Solidarhaftung entsteht, d.h. die mitunterzeichnende
Person direkt belangt werden kann).
Abgrenzungskriterien: Streit / tätlicher Konflikt Gewaltbeziehung
Beziehungssymmetrie
Streit / tätlicher Konflikt
Gewaltbeziehung i.S. GSG
 Symmetrische Beziehung
 Ungefähr gleiche Definitionsmacht
 Autonomie beider Parteien gewahrt
 Gemeinsame Beziehungsgestaltung (Bezie-
 Asymmetrische Beziehung
 Einseitige Beziehungsgestaltung
 Kontrolle des Opfers
 Macht über das Opfer
 Einseitige Definitionsmacht
 Einseitige Verfügung über Geldmittel (auch Auftreten nach
hungskultur)
aussen)
 Haushaltsarbeiten (i.d.R. nur durch Opfer zu erledigen)
 Einseitige Bestimmung über Freizeitgestaltung
 Ausgeprägte Eifersucht und Misstrauen
Art des Konflikts
Auseinandersetzung, Interessenkonflikt
Kontrollbeziehung: Herrschafts- und Machtverhältnis
Gewalt
 Heftige verbale Auseinandersetzung
 Beschädigung von Geschirr etc.
 (Einmalige) geringfügige Tätlichkeit
Meist nur einseitige Gewalt oder Gewaltandrohung. Oft
zyklisch auftretend. Verschiedene Formen der Gewalt sind
oft kumuliert
(Ohrfeigen, Boxen etc.)
Verbale Gewalt
 Demütigen, Abwerten
 Blossstellen (auch vor Dritten)
 Androhen von Gewalt gegen Sachen und Haustiere
 Androhen von Gewalt gegen Drittperson und Kinder
(z.B. auch von Kindsentführung)
 Morddrohungen (auch mit Waffen)
 (Erweiterte) Suiziddrohungen
Körperliche Gewalt
 Tätlichkeiten, Körperverletzungen
 Würgen
 Aussperren, Einsperren
Soziale Gewalt
 Kontaktverbote mit Verwandten und/oder Freundinnen
 Übermässige Kontrolle (durch Tel., SMS)
Wirtschaftliche Gewalt
 Einseitige Geldverwaltung und -verfügung
Sexuelle Gewalt
Sexuelle Ausbeutung
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Formen Häuslicher Gewalt bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013
Sozialkontakte
 Gemeinsame oder je autonome Bestimmung
Bestimmung über soziale Kontakte:
 Verbot Freundin, Freunde, Verwandte zu treffen
 Verbot der Berufs- oder weiterer Tätigkeiten
 Verbot von Aus- und Weiterbildungen
(z.B. Besuch von Sprachkursen)
 Bestimmung über Freizeit, Ferien
Gestaltung der
wirtschaftlichen
Verhältnisse
 In gemeinsamer Absprache
 Autonomie gewahrt
 Geld wird nicht als Druckmittel eingesetzt
Wirtschaftliche Gewalt
 Demütigender Umgang mit Haushaltsgeld
 Keine situationsangepassten eigenen Mittel für Opfer
 Zwang zur Mitunterzeichnung von Kredit-, Abzahlungsund Leasingverträgen (Solidarhaftung des Opfers)
 Opfer muss eigenen Lohn abgeben
 Opfer muss eigenen Lohn ausschliesslich für den gemeinsamen Haushalt (und Kinderkosten) aufwenden
Sexualität, Intimität
 Gemeinsame Gestaltung
 Auf gegenseitigem Einverständnis beruhend
des sozialen Lebens
Sexuelle Gewalt
 Einforderung „ehelicher Pflicht“
 Sexuelle Nötigungen (bezüglich Formen der Sexualität,
z.B. mit Pornofilmen)
 Vergewaltigungen
Integritätsverletzung,
Integritätsgefährdung
Keine (oder rasch vorübergehende)
Beeinträchtigungen
Körperliche und/oder psychische Schädigungen bis zu chronischen Leiden bei regelmässiger Gewalt.
Trennungsgestaltung
 Trennung möglich
 Trennung mit Gewaltandrohung
Gewisse Streitkulturen können für die erwachsenen Familienmitglieder akzeptabel sein. Möglicherweise
ist die Situation für Kinder und Jugendliche jedoch äusserst belastend. In diesen Fällen sind
Kindesschutzmassnahmen in Betracht zu ziehen.
Körperliche, sexuelle und ein Teil der verbalen Gewalt (Drohungen etc.) sind gewaltschutzrechtlich von
Bedeutung.
Die übrigen Gewaltformen können Indizien für eine Gewaltbeziehung sein. Das Vorliegen dieser
Gewaltformen deutet auf eine gewaltschutzrechtlich relevante Beziehung hin.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Gewaltbeziehungen in Abhängigkeitsverhältnissen. Es
gibt jedoch auch Gewaltbeziehungen ohne Abhängigkeit.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Stalking, November 2013
104 Stalking
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Stalking ist ein junges Forschungsgebiet und
begann in den 1990er Jahren in den USA. Erst 2004 wurde der Begriff Stalking in den Duden
aufgenommen. „Stalking“ leitet sich vom englischen Verb „to stalk“ ab, was mit „pirschen" und "sich
anschleichen“ übersetzt werden kann. Ein Stalker oder eine Stalkerin wäre demnach ein/e PirschjägerIn.
Stalking ist ein Beziehungsdelikt, das ohne den entsprechenden Kontext nicht verstanden werden kann.
Stalking umfasst verbale Belästigungen, unerwünschte Briefe, E-Mails, Telefonanrufe oder SMS zu jeder
Tages- und Nachtzeit, Hinterlassen von Nachrichten (an Haustüre, Auto, Arbeitsplatz etc.),
Verunglimpfungen bei Arbeitgeber, Beobachten, Verfolgen und ständiger Aufenthalt an denselben Orten
wie das Opfer, Auskundschaften und Ausfragen von Drittpersonen über das Opfer (Erwachsene oder
Kinder), Bestellen von Waren auf deren Namen, Öffnen und Lesen der Post, E-Mails oder SMS,
unerwünschtes Zusenden von Blumen und Geschenken, Eindringen in Wohnräume des Opfers etc.
Stalking kann mit tätlichen Übergriffen und in schweren Fällen auch mit der Ermordung eines Opfers
enden.
Stalking ist in den meisten Fällen Trennungsgewalt und oft eine Fortsetzung von bereits bestehender
Häuslicher Gewalt. Unter Stalking wird das willentliche und wiederholte Nachstellen, Belästigen, Verfolgen
und Auflauern einer Person verstanden. Meistens wird Stalking nur im Zusammenhang mit (Ex-)
Paarbeziehungen Erwachsener thematisiert.
Die im Rahmen der IST im 2007 durchgeführte empirische Erhebung von Fachpersonen zu ihren
1
Erfahrungen bezüglich Häuslicher Gewalt Minderjähriger (Greber 2007/2008) hat gezeigt, dass Stalking
auch in (ex-) partnerschaftlichen Jugendbeziehungen und unter Geschwistern vorkommt. Stalking bei
Minderjährigen wird von Stalkenden häufig unter Einbezug von Drittpersonen und der Peergruppe
ausgeübt und kann als „erweitertes Stalking“ bezeichnet werden. Ziel ist es, das Opfer auszuspionieren,
auszufragen, zu kontrollieren und zu demütigen, um Informationen an die stalkende Person weiterzuleiten.
In einigen Fällen werden Kinder von Erwachsenen (meistens Söhne vom Vater) instrumentalisiert und es
wird ihnen sogar Sanktionskompetenz gegenüber der Schwester eingeräumt.
Stalking kann in jeder Beziehungskonstellation vorkommen. Die Vorgehensweise, der Schweregrad und
die Stalkinghandlungen unterscheiden sich nach Geschlecht und Alter der stalkenden Person, der
Beziehungskonstellation und des Kontextes. Stalking wird jedoch meistens von Männern und Knaben
verübt.
Die stalkende Person ist häufig die verlassene Person. Die Beweggründe der Stalkenden können sehr
vielfältig sein. Sie reichen von der Vorstellung, alles dranzusetzen, die Partnerin, den Partner
zurückzugewinnen, über psychische Defizite wie Verlassenheitsängste bis hin zu einer schweren
Persönlichkeitsstörung der stalkenden Person.
Mobbing durch Personengruppen
Mobbing (von englisch „mob“ Pöbel, Gesindel, Bande) kann auch von einer Personengruppe, z.B. der
Peergruppe, ausgeübt werden, die eine Person ständig und regelmäßig quält und schikaniert durch die
Verbreitung falscher Tatsachen, Verunglimpfungen und Androhung von Gewalt mit dem Ziel, das Opfer
auszugrenzen.
Mobbing oder Stalking?
Stalking kommt auch gegenüber fremden Personen vor, z.B. belästigt ein Mann eine Kioskverkäuferin.
Stalking im Rahmen von familiären und partnerschaftlichen Beziehungskonstellationen ist jedoch eine
Form Häuslicher Gewalt. Mobbing zeigt zwar ähnliche Vorgehensweisen, findet aber eher ausserhalb von
Familie und Partnerschaft statt (z.B. gegenüber ArbeitskollegInnen/MitarbeiterInnen, MitschülerInnen
usw.). Für Interventionen und Massnahmen sind diese Differenzierungen von Bedeutung.
Verbreitung und Vorkommen von Stalking
2
Eine Meta-Analyse von insgesamt 103 Studien (n=70.000) ergab, dass
- 20% aller Personen
- 24% der Frauen und
- 10% der Männer
mindestens einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit Verfolgung und Belästigung gemacht haben.
1
Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige Häusliche Gewalt ausüben. Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes (GSG) auf
minderjährige GefährderInnen im Kontext von Häuslicher Gewalt, S. 45. www.ist.zh.ch
Spitzberg, B. H. 2002. “The Tactical Topography of Stalking Victimization and Management.” Trauma, Violence & Abuse, 3(4).
2
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Stalking, November 2013
Laut dieser Studie finden 50% aller Stalkingfälle im Anschluss an eine Liebesbeziehung statt. Danach
sind:
- 75% der Opfer Frauen
- 25% der Opfer Männer
Die Stalkenden waren:
- 75% den Opfern bekannt,
- 25% waren den Opfern fremd (Spitzberg 2002).
Cyber-Stalking und Cyber-Mobbing
Über Internet, in Chatrooms und via Handys werden Verleumdungen anonym verbreitet. Beim „CyberStalking“ werden persönliche Mitteilungen und Fotos (auch Nacktfotos) ins Internet gestellt und über
Suchmaschinen zugänglich gemacht (sofern keine Zugangsbeschränkungen bestehen). Die Identität der
gestalkten Person wird missbraucht, indem Inserate (auch Sex-Sites) in deren Namen geschrieben und
angeschrieben oder Waren auf deren Namen bestellt werden. Cyber-Stalking ist für Opfer eine massive
und bedrohliche Art von Stalking, weil durch die elektronischen Medien und das Internet eine
unkontrollierbare Öffentlichkeit hergestellt wird und ausserdem damit gerechnet werden muss, dass
Veröffentlichungen über mehrere Jahre auf dem Netz zugänglich sind (Hansen 2004).
Der „Online-Enthemmungseffekt“ (Online Disinhibition Effect) und die teilweise unbekümmerte und
uninformierte Neugierde führen vor allem unter Jugendlichen zu einer starken Gefährdung bezüglich
Cyber-Stalking. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen, für die 1‘000 Kinder und Jugendliche zwischen 14
und 20 Jahren befragt wurden, zeigt, dass bereits über ein Drittel der Jugendlichen selbst Opfer von
3
Cyber-Stalking wurden.
Stalking und Mobbing werden (nicht nur bei Minderjährigen) oft zu wenig genau analysiert und verkannt.
Bei grenzverletzendem Verhalten einer Gruppe (z.B. bei einer Schulklasse) wird oft nur die Peersituation
analysiert und somit das Problem als Mobbing definiert und angegangen. Dadurch wird u.U. der
auslösende Faktor, z.B. durch einen stalkenden Ex-Freund, verkannt und es werden keine zielführenden
Massnahmen gegenüber der stalkenden Person angeordnet. Deshalb ist bei Mobbing unter Jugendlichen
zu prüfen, ob es sich um Mobbing oder Stalking handelt.
Sexting
Darunter wird das Aufnehmen, Filmen und Versenden von eigenen Nacktfotos und/oder eigener sexueller
Intimitäten verstanden. Sind die dargestellten Personen unter 16 Jahre alt, wird der Straftatbestand der
Kinderpornografie erfüllt (Art. 197 StGB). Unter 18-jährige, die den Straftatbestand erfüllen, werden
gemäss dem Jugendstrafrecht mit einem Verweis oder einer (maximal) 10 Tage dauernden
Arbeitsleistung bestraft (Art. 21, 22 JStG), sofern keine weiteren Umstände vorliegen, die eine härtere
Bestrafung notwendig machen. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Versand der Filme oder Fotos
gezielt zur Schädigung der abgebildeten Person eingesetzt wird.
Folgen für die Opfer
Stalking-Opfer leiden teilweise unter schweren Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung, körperlichen
Beeinträchtigungen, psychischen Störungen, andauernder Übelkeit, Schlafproblemen, Angstattacken,
einem posttraumatischen Belastungssyndrom, einer schweren Depression oder Suizidalität. Die Folgen
wurden lange unterschätzt. Das Ausmass traumatischer Belastungen ist laut neueren Studien
vergleichbar mit den Folgen des Verlustes des Partners oder der Partnerin oder mit den Folgen schwerer
4
Verkehrsunfälle.
3 Techniker Krankenkasse (2011): Cybermobbing – Gewalt unter Jugendlichen. Ergebnisse einer repräsentativen Forsa-Umfrage in
NRW.
4
Kamphuis, J. H., Emmelkamp, P.M.G. (2001). Traumatic distress among victims of stalking. The American Journal of Psychiatry,
158(5), 795-798.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013
105 Psychologie und Dynamik Häuslicher Gewalt
Inhaltsübersicht
1. Auslöser für Häuslicher Gewalt
2. Psychologische und dynamische Aspekte
3. Tätertypologien bei Häuslicher Gewalt
a. Angepasster, auf die Familie beschränkter Gewalttypus (family only batterer)
b. Zyklischer / Borderline Typus (borderline / dysphoric batterer)
c. Antisozialer / psychopathischer Typus (generally violent / antisocial batterer)
d. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial batterer)
4. Rückfälligkeit und Behandelbarkeit
5. „Erweiterte Gewaltdynamik: Involvierung von Angehörigen, Drittpersonen und Fachleuten
6. Täterinnen Häuslicher Gewalt in (Ex-)Paarbeziehungen
7. Gewaltdynamiken in Erwachsenenbeziehungen
a. Gewalt als spontanes Konfliktverhalten
b. Gewalt als systematisches Kontrollverhalten
c. Gewalt als Widerstand (violent resistance)
d. Gewaltspirale
8. Typologien weiblichen Opferverhaltens in heterosexuellen Paarbeziehungen
a. „Ambivalente Bindung“ und Ambivalenzkonflikt
b. „Scheinambivalenz“, Dilemma und „Überlebens-Bindungen“
9. Umgang mit ambivalenten Verhaltensmustern von Opfern in professionellen Beziehungen
Exkurs: Erkenntnisse der Bindungstheorie
10. Opferverhalten in der Gewaltspirale in chronifizierten Gewaltbeziehungen (Abhängigkeitsbeziehung oder Überlebensbindung)
11. Trennungsverhalten erwachsener weiblicher Opfer
12. Bleiben oder gehen?
Jede Intervention gegen Häusliche Gewalt dringt in ein für das Paar und/oder die Familie spezifisches
Gewaltsystem, in eine spezifische Gewaltbeziehung und in eine spezifische Phase der Gewaltbeziehung
ein. Diese drei Aspekte zu erkennen und zu unterscheiden, ist für eine wirkungsvolle, nachhaltige Prävention und Intervention zentral. Was sind die Merkmale von Gewaltsystemen, und woran erkennen wir,
in welcher Art und in welcher Phase des Gewaltmusters sich das Paar oder die Familie befinden?
In diesem Text wird auf die Dynamik Häuslicher Gewalt eingegangen, wie sie häufig in erwachsenen,
heterosexuellen und (meistens) noch bestehenden Paarbeziehungen auftritt, wobei die gefährdende Person männlich und das Opfer weiblich ist. Andere Gewaltkonstellationen (z.B. partnerschaftlichen Jugendbeziehungen, Häusliche Gewalt gegen Geschwister, Häusliche Gewalt von Eltern gegen Kinder,
Häusliche Gewalt von Kindern gegen Eltern, aber auch Häusliche Gewalt in Betagtenbeziehungen) haben
eine je eigene Dynamik ‒ dies gilt auch für Häusliche Gewalt in bi- oder homosexuellen Beziehungen.
Nachfolgend wird von einer Gewaltbeziehung ausgegangen und nicht von einer Beziehung, in welcher
bloss heftig gestritten wird. Solange gleichgestellte und gleichwertige Personen streiten, ist die Umgangsform eine Frage der partnerschaftlichen Streitkultur. Wenn einer der betroffenen Personen diese Streitkultur nicht mehr behagt, kann sie sie zur Diskussion stellen und auf eine Veränderung oder Trennung hinwirken. Da in diesen Fällen kein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis besteht, können die beiden über den
Verbleib in der Beziehung selbst entscheiden. Voraussetzung ist aber, dass keine der Personen in ihrem
Leben bedroht wird – auch die Kinder nicht – und dass sie bei einer Trennung keine gravierenden Folgen
befürchtet werden müssen.
1.
Auslöser für Häusliche Gewalt
Oft sind wesentliche Veränderungen der Lebensumstände für die Herstellung der Kontrolle mitverursachend. In Lebensphasen, die mit grossen Veränderungen einhergehen, wie z.B. Heirat, der Bezug einer
gemeinsamen Wohnung, Schwangerschaft und Geburt eines Kindes, Auszug eines Kindes, muss das
Paar oder die Familie einen neuen Umgang mit Nähe und Distanz in der Beziehung finden. Die damit verbundene Verunsicherung und der befürchtete Kontrollverlust können sich u.a. in krankhafter Eifersucht
und einem massivem Kontrollbedürfnis zeigen. In der Konsequenz wird die abhängige Person für „NichtGehorsam“ oder „Nicht-Unterwerfung“ bestraft, d.h. ihr wird Gewalt angedroht oder angetan. Ist eine von
Gewalt betroffene erwachsene oder minderjährige Person, ein Paar oder eine Familie sozial isoliert, sind
die Beziehungen von einer starken Abhängigkeit geprägt und stehen Lebensveränderungen an, sind
mögliche Gewaltentwicklungen genau zu beachten und auch zu erfragen. Deshalb muss der Kontext der
Gewalt erfragt werden, um die Beziehung und die erforderlichen Interventionen richtig einschätzen zu
können.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013
2. Psychologische und dynamische Aspekte
In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass sich eine partnerschaftliche Gewaltbeziehung Erwachsener durch ein vom Täter hergestelltes Macht-, Abhängigkeits- und Kontrollmuster und ein negatives
Frauenbild auszeichnet. Aktuelle Forschungen zeigen ein erweitertes Bild der Psychologie, Dynamik und
Interdependenz von Gewaltbeziehungen. Die Differenzierung verschiedener Tätertypologien und Opferverhalten stellen Fragen in Bezug auf deren Zusammenwirken, das sich in der jeweiligen Paar- und Familiendynamik in einem bestimmten Kontext ausdrückt. Daraus ergeben sich auch Auswirkung auf Kinder,
weitere Angehörige und Fachpersonen.
Verschiedene Autorinnen und Autoren sind der Meinung, dass gewalttätige Männer keine spezifischen,
psychopathologischen Merkmale aufweisen und keine Besonderheiten im alltäglichen Sozialverhalten zeigen. Andere äussern Bedenken, dass die Suche nach Persönlichkeitsmerkmalen und -qualifikationen, wie
sie in der angloamerikanischen Forschung angestrebt wird, weniger zur Aufklärung, sondern zur Verschiebung eines gesellschaftlichen Problems auf die individuell-psychologische Ebene beiträgt. Neue
Studien (so auch die Evaluation des Gewaltschutzgesetzes des Kantons Zürich) zeigen jedoch deutlich,
dass wir als Gesellschaft und Fachleute herausgefordert sind, den genannten Kritiken Rechnung tragen
und uns diesen Forschungsresultaten zu stellen, um differenzierte und wirksame Vorgehensweisen gegen
(Häusliche) Gewalt zu entwickeln – sei dies bei der Prävention, dem unmittelbaren Risiko- oder dem folgenden Bedrohungsmanagement.
Die Frage zielführender Interventionen gegen Häusliche Gewalt wird hier mit dem Fokus auf psychologische und dynamische Aspekte auf dem Hintergrund eines erweiterten Verständnisses Häuslicher Gewalt
gestellt. Im Folgenden steht männliche Partnergewalt in heterosexuellen Erwachsenenbeziehungen im
Zentrum, weil wir aus der Forschung darüber am meisten wissen.
3. Tätertypologien bei Häuslicher Gewalt
In bisher über 20 Studien wurden unterschiedliche Tätertypologien entwickelt (z.B. Holtzworth-Munroe et
1
2
al., 1994/2003; Dixon et al., 2003 ). Die meisten Studien unterscheiden 3-4 unterschiedliche Typen Häuslicher Gewalttäter.
a. Angepasster, auf die Familie beschränkter Gewalttypus (family only batterer)
Er charakterisiert sich wie folgt:
- Gewaltanwendung ist situativ bedingt, aus dem Moment heraus
- Geringe Frequenz und Schwere der physischen Gewalt
- Zeigt wenig soziale Kompetenz in der Beziehung
- Ist wenig belastbar
- Kann Emotionen nur schlecht ausdrücken
- Vermeidet Konflikte und weicht ihnen aus
- Drogen- und Alkoholproblematiken sind eher selten
- Zeigt Reue
- Hat einen Leidensdruck
b. Zyklischer / Borderline Typus (borderline / dysphoric batterer)
- Setzt Gewalt als Macht- und Kontrollmittel ein (Eifersucht, Wut etc.)
- Täter ist abhängig von Beziehungen
- Ambivalentes Verhalten gegenüber Partnerin
- Emotional instabile Person
- Gefühle von Angst und Depression
- Manchmal Alkohol- und Drogenproblematik
- Spricht gut auf Behandlungen an
- Fokus auf Aufarbeitung eigener biografischer Gewaltbelastungen, z.B. Traumatherapie, ist vorrangig.
c.
Antisozialer / psychopathischer Typus (generally violent / antisocial batterer)
- Allgemein gewalttätiges und dissoziales Verhalten
- Hohes Gewaltniveau in verschiedenen Kontexten (im privaten wie im öffentlichen Raum)
- Gewalt in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen (gegenüber Familienmitgliedern wie gegenüber Drittpersonen)
- Oft zahlreiche Vorstrafen (Verkehrsdelikte; Gewalt- und Sexualdelikte)
1
Holtzworth-Munroe, A.; Meehan, J. C.; Herron, K., Rehman, U.; & Stuart, G. L. (2003): Do subtypes of maritally violent men continue
to differ over time? Journal of Consulting and Clinical Psychology, 71, 728−740.
Holtzworth-Munroe, A., & Stuart, G. L. (1994). Typologies of male batterers: Three subtypes and the differences among them. Psychological Bulletin, 116, 476−497.
2
Dixon, L.; Browne, K, (2003): The heterogeneity of spouse abuse: A review. Aggression and Violent Behavior. 8.1.107-130.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013
-
Impulsiv
Macht- und Kontrolltaktiken
Feindselige Einstellung gegenüber Frauen, „Macho-Einstellung“
Rigide Vorstellungen von Sexualität
Psychopatische Persönlichkeit
Charmant
Hoch manipulativ mit Hang zur Grandiosität
Geringe soziale Fertigkeiten und Kompetenzen
Häufig Alkohol oder Drogenprobleme
Zeigt wenig oder keine Reue
übernimmt keine Eigenverantwortung (Schuld sind die anderen)
Kein Leidensdruck
d. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial batterer)
- Mittel bis stark ausgeprägte Gewalt
- Gewalttätiges Verhalten in unterschiedlichen Kontexten (im privaten wie im öffentlichen Raum)
- Hält sich eher nicht an Regeln und Normen
- Steuerungsfähigkeit vorhanden (könnte auch auf Gewalt verzichten)
- Mischung aus Typ „familiy only batterer“ und Typ „generally violent / antisocial batterer)
- Mittelgradig ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitseigenschaften
Bei den beiden letzten Tätertypen ist eine multikonstellationelle und multikontextuelle (Häusliche) Gewalt
zu prüfen.
Unterschiedliche Verhaltensmerkmale nach Tätertypen
Angepasster, auf die
Familie beschränkter
Gewalttypus
(family only batterer)
Zyklischer / Borderline Typus
(dysphoric / borderline batterer)
Antisozialer / psychopathischer Typus
(generally violent / antisocial
batterer)
tief
mittelgradig - schwer
mittelgradig - schwer
tief
mittelgradig - schwer
mittelgradig – schwer
Ausserfamiliäre Gewalt
tief
tief - mittelgradig
hoch
Strafrechtliche Auffälligkeit
tief
tief - mittelgradig
hoch
Keine; passiv / abhängig
Borderline oder
schizoid
Antisozial/psychopathisch
tief - mittelgradig
mittelgradig
stark
tief bis mittelgradig
schwer
tief
mittelgradig
stark
mittelgradig
Dimension
Schweregrad der
ehelichen Gewalt
Psychischer und sexueller
Missbrauch
Gewalt generell
Psychopathologie,
Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung
Alkohol- ; Drogenkonsum
Depressionen
Wut (Impulskontrollstörung)
Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST
Der mittelgradig antisoziale Typus ist auf dieser und den folgenden Tabellen nicht aufgeführt, kann aber zwischen dem Typus a) und c)
eingegliedert werden.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013
Verhalten der Normalbevölkerung im Vergleich mit Tätertypen
Typus ohne Gewalttätigkeit
Gewalttätiger Typus
Nicht gewalttätig
Nicht belastet
Nicht gewalttätig
Belastet
Angepasster,
auf die Familie
beschränkter
Gewalttypus
(family only
batterer)
Tief
tief
tief
mittelmässig
stark
Elterliche Gewalt
Selten
selten
selten –
mittelmässig
mittelmässig
mittelmässig –
stark
Kindsmissbrauch /
Vernachlässigung
Selten
selten
selten –
mittelmässig
mittelmässig häufig
häufig
Anschluss an sozial
auffällige Peergruppen
Selten
selten
selten
selten –
mittelmässig
häufig
In der ehelichen
Beziehung
Hoch
mässig
mässig-gering
gering
gering
Ausserhalb der Ehe
Hoch
hoch
hoch –
mittelgradig
mittelgradig
gering
Frauenfeindlichkeit
Keine
keine
keine
mittelgradig –
hoch
hoch
Gewaltbefürwortende
Haltung
keine
keine
tief
mittelgradig
hoch
Variable
Genetische Ursachen
Zyklischer /
BorderlineTypus
(dysphoric /
borderline
batterer)
Antisozialer /
psychopathischer
Typus (generally
violent / antisocial batterer)
Kindheitserfahrungen
Soziale Kompetenz
Haltung, Einstellung
Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST
4. Rückfälligkeit und Behandelbarkeit
Das Modell der Tätertypologie erlaubt summarische Aussagen zur Wahrscheinlichkeit der Rückfälligkeit,
zur Behandelbarkeit sowie zum Erfolg von Behandlungen und Programmen.
Rückfälligkeit, Beziehungsverlauf
erneute Gewalttätigkeit
Inhaftierungen
Trennung, Scheidung
häufig
>
selten
>
>
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Erfolg von Behandlungen, Therapien,
und Programmen
gut
Paar- und Familientherapie, Mediation
Depressions- und Trauma-Behandlung
Forensische oder sozialtherapeutische
Behandlungen und Programme (Sucht,
Gewalt, Impulskontrolle etc.)
1.
Angepasster, auf die Familie beschränkter
Gewalttypus (family only batterer)
2.
Zyklischer / Borderline Typus (borderline /
dysphoric batterer)
Antisozialer / psychopathischer Typus (generally violent / antisocial batterer)
Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial batterer)
3.
4.
>
schlecht
>
>
>
>
>
>
>
>
Zusammenfassend lässt sich sagen:
-
Beim angepassten, auf die Familie beschränkten Gewalttypus (family only batterer) kann eine
Paar- oder Familientherapie erfolgreich sein.
Für den zyklischen / Borderlinetypus (borderline / dysphoric batterer) ist ein Beratungsangebot
oder eine Psychotherapie im Einzelsetting sinnvoll.
Der antisoziale / psychopathische Typus (generally violent / antisocial batterer) ist für Beratungsangebote schwer erreichbar. Konfrontierende Beratungen können eskalierend wirken. Eine TäterOpfer-Begegnung ist zu vermeiden, was eine Paarbehandlung ausschliesst.
Beim mittelgradig antisozialen Typus (low level antisocial batterer) muss geprüft werden, welche
Angebote und Settings hilfreich sind und wieweit konfrontierende Beratungen eskalierend wirken
können.
Bei allen Tätertypen und den daraus folgenden unterschiedlichen Gewaltdynamiken stellen sich vor allem
folgende Fragen:
-
Bei welcher Art Täter ist welche Massnahme hilfreich und wirkt deeskalierend für alle einzelnen
Beteiligten bzw. für das System?
Gibt es Aussagen mit Bezug auf die Gefährlichkeit der einzelnen Typen (kurz- wie mittelfristig)?
Wie kann kurzfristig eine Eskalation verhindert werden je nach Typ?
Wie sind bei den unterschiedlichen Tätertypen die Gewaltphantasien zu bewerten (Robertz, F.,
2011)
Mit was für einem Verhalten muss bei einem Trennungsentscheid gerechnet werden? Sind flankierende Massnahmen notwendig?
Bei welcher Art Täter ist welche Massnahme ungünstig oder gar gefährlich und wirkt möglicherweise eskalierend für einzelne Beteiligte bzw. das System?
Welche strafjustiziellen Interventionen (Ersatzmassnahmen, Weisungen oder Massnahmen) sind
geeignet? Wie wird die spezifische Gewaltdynamik gemindert? Wie kann der Opferschutz sichergestellt werden?
Was gilt es mit Bezug auf Ausgestaltung der Elternrechte, namentlich der Regelung der Besuchsrechte, bei den einzelnen Tätertypen zu berücksichtigen?
Was sind angepasste Ziele der Behandlung, Beratung und Psychotherapie sowohl aus medizinisch-therapeutischer wie forensischer Sicht?
Können/müssen auch Ziele in der Behandlung, den Auflagen etc. mitberücksichtigt werden, die
sich auf einen öffentlichen Kontext beziehen (z.B. Gewalt gegen Dritte, im Strassenverkehr etc.)?
Wie kann die Nachhaltigkeit der Auflagen und des Opferschutzes gewährleistet und überprüft
werden?
Das zeigt, dass generalisierte Massnahmeempfehlungen (Lernprogramm für alle; Paar- und Familientherapie ist in Gewaltbeziehungen ungeeignet etc.) der Problemstellung nicht gerecht werden. Analysen der
Psychologie von Täter und Opfer erlauben Rückschlüsse auf die Beziehungsdynamik und helfen situationsadäquate Massnahmen anzuordnen bzw. zu entwickeln.
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Immer gilt es zu beachten bzw. zu erheben, ob TäterInnen und/oder Opfer in der Familie gegen ein anderes Familienmitglied (z.B. die Mutter gegen das Kind) oder im ausserhäuslichen Kontext Gewalt ausübt
(z.B. das jugendliche Opfer gegen Dritte). Mit anderen Worten: Es gilt abzuklären, ob innerhalb der Familie mehrere Gewaltverhältnisse vorliegen (multi-konstellationell) und ob auch im öffentlichen Raum Gewalt
ausgeübt wird (multikontextuell).
5. „Erweiterte Gewaltdynamik": Involvierung von Angehörigen, Drittpersonen und Fachleuten
Am Beispiel „Fall Pfäffikon“ wurde deutlich, dass Täter, bei denen Machtansprüche, Rigidität und Impulsivität als ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale zusammenkommen, Veränderungen im familiären System
als existenzbedrohenden Angriff auf ihre Person erleben können, d.h. gar als Zerfall ihrer Identität. Mit
einer Abnahme der für sie bedeutsamen Macht wegen eigener Krankheit, Erwachsenwerden der Kinder,
Berufstätigkeit, Trennungsabsichten der Frau etc. wird der Täter jedes Mittel einsetzen, um im System
wieder den ursprünglichen und ihm vertrauten Zustand herzustellen. Das geht oft mit einer Zunahme und
Schwere der Gewalt einher. Weiter werden zunehmend Drittpersonen (Kinder, Verwandte oder auch
Fachpersonen) in die „erweiterte“ Gewaltandrohung und/oder -ausübung einbezogen. Diese sollen stellvertretend die Aufgaben übernehmen, zu denen der Täter selbst nicht mehr in der Lage ist; sie werden
instrumentalisiert, Frauen von der Trennung abzuhalten, die Strafanzeige zurückzuziehen und eine Desinteresseerklärung abzugeben. Tun sie dies nicht, droht eine gefährliche Eskalation.
Das Erkennen einer „erweiterten Gewaltdynamik“ ist vor allem für die Gefährlichkeitseinschätzung und
das Bedrohungsmanagement von Bedeutung.
6. Täterinnen Häuslicher Gewalt in (Ex-)Paarbeziehungen
Es gibt Studien, die zum Schluss kommen, dass Frauen in heterosexuellen, erwachsenen Paarbeziehungen gleich häufig gewalttätig sind wie Männer und Männer ebenso oft Opfer Häuslicher Gewalt werden
3
wie Frauen (Straus 1979) . Diese Zahlen werden immer wieder zitiert. Diese Studien unterscheiden bei
der Auswahl der Indikatoren jedoch kaum zwischen Aggression, Streit- und Gewalt. Auch Straus wies
darauf hin, dass eine solche Interpretation ohne weitere Untersuchungen nicht zulässig sei. Untersuchungen, welche die Art, den Schweregrad und den Kontext von Gewalt mit einbeziehen, belegen, dass Gewalt von Frauen weniger häufig und weniger folgenschwer ist, als Gewalt von Männern, und dass sie sehr
4
selten der systematischen Kontrolle über den Partner dient. Gewalt von Frauen ist dennoch in keiner
Weise zu verharmlosen oder zu verdrängen.
Sind Täterinnen partnerschaftlicher Gewalt auch Mütter von Kleinkindern, kann es in seltenen Fällen vorkommen, dass die Polizei gegen das Opfer, also den Partner und Vater der Kinder, eine Wegweisung
anordnet. Zu Grunde liegen diesen Massnahmen pragmatische Probleme, z.B. wenn der Vater (oder Angehörige) die Obhut kurzfristig nicht übernehmen können und die Kinder bei der Mutter nicht einem akuten Gewaltrisiko ausgesetzt sind. Für diese unhaltbare Situation männlicher Opfer, müssen andere Vorgehensweisen gesucht werden.
Die Anzeigestatistik zeigt immerhin, dass 20% der Personen, die der Gewalt in Paarbeziehungen beschuldigt werden, Frauen sind. Auch bei Minderjährigen wurde durch die Optimus-Studie sichtbar, dass
8% der männlichen Jugendliche sexuelle Übergriffe mit Körperkontakt und 20% ohne Körperkontakt erleben. Weibliche Täterinnen und männliche Opfer – Minderjährige und Erwachsene ‒ sind deshalb ein noch
zu beforschendes Thema. Wollen wir als Gesellschaft Schutz und Sicherheit gewährleisten, sind alle Opfer gleichermassen ernst zu nehmen und alle TäterInnen gleichermassen in die Verantwortung zu ziehen.
Auch die Auseinandersetzung mit Häuslicher Gewalt in lesbischen Paarbeziehungen ist ein erst langsam
beachtetes Thema. Die anderen Formen und Vorgehensweisen, z.B. Drohung mit einem Outing im sozialen Nahraum, zeigen, dass Differenzierungen auch hier notwendig sind. Gemäss einer der wenigen Stu5
dien zu Gewalt in lesbischen Paarbeziehungen wird in diesen Paarbeziehungen die Gewalt häufig gegenseitig ausgeübt, d.h., dass Drohungen und Tätlichkeiten seltener nur von einer Person ausgehen, als
in heterosexuellen Beziehungen (wobei dort kaum nach gegenseitiger Gewalt gesucht wird). Es ist auch
davon auszugehen, dass nur ein kleiner Teil der Betroffenen sich an eine Beratungsstelle wendet. Die
Frauenberatungsstelle bif hat im Kanton Zürich für diese Frauen eine Anlaufstelle geschaffen:
www.SieundSie.ch. Untersuchungen im angloamerikanischen Raum stellen fest, dass von einem grund-
3
Straus, M. A. (1979). Measuring Intrafamily Conflict and Violence: The Conflict Tactics (CT) scales. Journal of Marriage and the Family. Nr. 1, S. 82. http://abctcouples.org/Straus1979.pdf
4
Schröttle M.: Kritische Anmerkungen zur These der Gendersymmetrie bei Gewalt in Paarbeziehungen. In: Gender, Heft 1/2010, S.
133-151.
Kavemann, B. (2009): Täterinnen – die Gewaltausübung von Frauen im privaten Raum im Kontext der feministischen Diskussion über
Gewalt im Geschlechterverhältnis. www.zar.nomos.de/fileadmin/nk/doc/Aufsatz_NK_09_02.pdf
5
Ohms, Constance (2009): Gewalt und Aggression von Frauen – am Beispiel der häuslichen Gewalt in Liebesbeziehungen von Frauen.
In: Bewährungshilfe: Soziales – Strafrecht – Kriminalpolitik, 56 (1), S. 33-44.
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sätzlich ähnlichen Vorkommen Häuslicher Gewalt in homosexuellen Beziehungen ausgegangen werden
6
kann.
7. Gewaltdynamiken in Erwachsenenbeziehungen
Bei Häuslicher Gewalt in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen werden folgende Formen unterschieden: Gewalt als spontanes Konfliktverhalten, Gewalt als systematisches Kontrollverhalten und
Gewalt als Widerstand ('Violent Resistance').
Die unterschiedlichen Dynamiken der Gewaltspiralen werden von den Opfern und den gewaltausübenden
Personen oft nicht erkannt, wenn sie von Aussenstehenden nicht darauf aufmerksam gemacht werden.
Diese Dynamik zu erkennen, hilft vor allem den Opfern und den involvierten Fachpersonen zu verstehen,
weshalb es für abhängige Opfer so schwer ist, sich aus einer Gewaltbeziehung zu lösen.
a. Gewalt als spontanes Konfliktverhalten
Um Gewalt als spontanes Konfliktverhalten handelt es sich, wenn
- einzelne Gewalthandlungen in Form eskalierender Konflikte oder Konfliktserien stattfinden;
- die Eskalationen keine eindeutigen Wiederholungsmuster im Ablauf zeigen.
Auch ein einzelner Gewaltvorfall kann in seiner Wirkung für die Opfer (Erwachsene und Kinder) massiv
verunsichernde und schädigende Folgen haben. Zu dieser Kategorie gehören auch Personen, die sich
aufgrund einer psychischen Erkrankung schubweise aggressiv und gewalttätig verhalten. In diesen Fällen
muss eine gewaltschutzrechtliche Schutzmassnahme u.U. mit einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung
nach Art. 397a ff ZGB kombiniert werden.
b. Gewalt als systematisches Kontrollverhalten
Die amerikanische Psychologin Leonore Walker prägte bereits 1979 den Begriff Gewaltspirale („cycle of
violence“) und beschrieb damit die ganz eigene Dynamik einer spezifischen Form von Gewalt als systematisches Kontrollverhalten.
Bei Gewalt als systematisches Kontrollverhalten wird davon ausgegangen, dass es sich um
- ein asymmetrisches Geschlechter- oder Beziehungsverhältnis mit einem deutlichen Machtgefälle
handelt;
- Kontrolle und Beherrschung in der Partnerschaft oder in der familiären Beziehung ausgeübt werden;
- frauenfeindliche oder andere menschenverachtende, entwertende, erniedrigende und demütigende Einstellungen seitens der gefährdenden Person festzustellen sind.
c. Gewalt als Widerstand (Violent resistance)
Johnson (2005) beschreibt ein weiteres Gewaltmuster: einen gewaltförmigen Widerstand, eine gewalttätige Reaktion im Sinne von Angriff und Vergeltung. Erfasst werden hier vor allem Gewalthandlungen von
Frauen gegen ihre Männer, unter denen sie jahrelang gelitten haben.
d. Gewaltspirale
Täterverhalten in Gewaltspirale (mit Abhängigkeit des Opfers)
SPANNUNGS-AUFBAU
Intervention manchmal mit,
manchmal ohne Wirkung
„HONEYMOON-PHASE“
VERSÖHNUNG
Wenig Chancen für eine
wirksame Intervention
GEWALT
SPANNUNGS-ENTLADUNG
Grösstmögliche Chance für
wirksame Interventionen
„Rad der Gewalt“ von Leonore Walker (1983) 7
6
Ohms, C. (2006): Broken rainbow. Gewalt gegen Lesben und häusliche Gewalt in lesbischen Zusammenhängen-Auswertung der
Erhebungsbögen der Lesbenberatungsstellen und Lesbentelefone, S. 44. http://www.brokenrainbow.de/material/BR_Bundeserhebung_02_04.pdf
7
Walker, L. (1983): The battered women syndrom study. In: Finkelhor, G.; Hotaling (Hrsg.). The dark side of families. Beverly Hills.
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Das Aussageverhalten und die Bereitschaft der Opfer, sich an rechtlichen Verfahren zu beteiligen, ist stark
davon abhängig, in welcher Phase sich die Paardynamik befindet. Die Übergänge der einzelnen Phasen
sind fliessend. In der Phase des Spannungsaufbaus und unmittelbar nach einer Gewalterfahrung ist die
gefährdete Person am kooperativsten.
1. Phase: Spannungsaufbau
In der ersten Phase kommt es seitens der gewaltausübenden Person zunächst zu verbaler Gewalt wie
Beschimpfungen, Entwertungen, Beschuldigungen, Blossstellungen. Mit äusseren Faktoren wie z.B.
Stress an der Arbeit werden diese Übergriffe gerechtfertigt. Die Opfer (Frauen und Kinder) versuchen
Gewalteskalationen durch Anpassungsleistungen zu verhindern. Sie versuchen „alles recht zu machen“.
Trotzdem kommt es zur Gewalt.
2. Phase: Gewalt
Es kommt zur Gewaltanwendung durch den Täter. Viele Opfer fühlen sich hilflos, weil sie auf die Art, den
Zeitpunkt oder die Schwere der Gewalttat keinen Einfluss haben. In dieser akuten Situation bestehen aber
oft die besten Chancen für eine wirkungsvolle Intervention von aussen, weil viele Gefährdete in diesem
Moment gegenüber Hilfsangeboten offen sind.
3. Phase: „Honeymoon-Phase“
Nach einem Spannungsaufbau und dem Gewaltausbruch folgt die „Honeymoon-Phase“. Der Gefährder
bereut seine Tat. Er verhält sich gegenüber der Frau aufmerksam und liebevoll, umwirbt sie mit Geschenken, beteuert ihr seine Liebe und in überzeugender Weise das Ende der Gewalt. Viele Frauen berichten auch von einer aussergewöhnlichen sexuellen Nähe und Intimität in dieser Phase. Diese Friedensangebote, Liebesbeteuerungen, Selbstverbesserungs- und Veränderungsvorschläge kommen der gefährdeten Frau entgegen. Sie sehnt das Ende der Gewalt herbei. In dieser Phase sind Frauen bereit, die Gewalt zu vergeben und einen Teil der Schuld auf sich zu nehmen. In ihrer Abhängigkeit können sie sich ein
Leben ohne ihren Mann kaum vorstellen, insbesondere wenn gemeinsame Kinder da sind. Die häufig
unmittelbar nach dem Gewaltausbruch vorhandene Motivation, sich vom gewaltausübenden Mann zu
trennen, wird durch die erneute Zuwendung und die Hoffnung auf Besserung unterlaufen. Die ursprüngliche Trennungsmotivation verliert an Bedeutung.
Das Opfer beginnt sich zunehmend mit dem Gefährder zu solidarisieren. Hilfe von aussen wird kategorisch abgelehnt. Oft brechen die Frauen in dieser Phase auch die Beratung oder Therapie ab, vor allem,
wenn die beratende Person den teilweise plötzlichen Haltungswandel nicht als solchen erkennt oder damit
nicht umgehen kann. In Gerichtsverfahren zeigt sich diese Phase in bagatellisierendem, entlastendem
Aussageverhalten. Die Opfer machen vom gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, geben
Desinteresseerklärungen ab bzw. ziehen eingeleitete Zivilverfahren zurück.
8. Typologien weiblichen Opferverhaltens in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen
a) „Ambivalente Bindung“ und Ambivalenzkonflikt
Lange dienten Abhängigkeit und Ambivalenz als hinreichende Erklärungen für den Verbleib der Frauen in
der Gewaltbeziehung. Was ist aber mit Ambivalenz gemeint?
Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler verwendete den Begriff der Ambivalenz erstmals1910 in einem
8
Vortrag in Bern. Bleuler definierte Ambivalenz als Nebeneinander von
1. widersprüchlichen Gefühlen: „affektive Ambivalenz“
2. widersprüchlichen Wünschen: „voluntäre Ambivalenz“ oder „Ambitendenz“
3. widersprüchlichen Beurteilungen: „intellektuelle Ambivalenz“
Ambivalenz ist eine im Menschen selber begründete Unentschiedenheit und innere Zerrissenheit, wobei
diese sehr unterschiedliche Ursachen hat. Ambivalenz, so zeigt sich heute, ist nicht der einzige Grund für
das Verbleiben in einer Gewaltbeziehung.
Befinden sich Frauen in einer „Ambivalenten Bindung“ verfügen sie kaum über eigene Ressourcen und
9
zeigen häufig starke Abhängigkeit und tiefen Selbstwert.
8
Bleuler, E.: Ambivalenz. In: Festgabe zur Einweihung der Neubauten der Universität Zürich 18. IV. 1914. In: Festgabe der medizinischen Fakultät. Zürich: Schulthess & Co 1914, S. 95-106.
9
Vgl. Helfferich, C. et al. (2005): Wissenschaftliche Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem
Platzverweis bei häuslicher Gewalt. Abschlussbericht. Freiburg.
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Die Ambivalenz der weiblichen Opfer zum gewaltausübenden Partner zeigt sich u. a. in der inneren Zerrissenheit. Diese kann sich auf zwei Arten äussern. Zum einen entschuldigen sie die gewaltausübende
Person, wollen ihr helfen und bemitleiden sie. Zum andern glauben sie, die Gewalt aushalten zu müssen,
um weitere Opfer, z.B. die Kinder oder weitere Angehörige zu schützen. Für sie sind es Stresssituationen
des Täters, die zur Gewalt führen (Geldprobleme, Probleme am Arbeitsplatz, Erwerbslosigkeit, Konsum
oder Abusus von Alkohol und/oder anderen Suchtmitteln). Ihre eigene Gefährdung steht im Hintergrund
und wird erst durch Nachfragen zum Thema.
Der Ambivalenzkonflikt kann sich auch in der Art, wie sich das Opfer mit der Situation arrangiert hat, zeigen. Diese Opfer meinen, die Gewalt zu Recht zu erfahren oder erleben sie als zur Ehe oder Partnerschaft gehörend. Sie fühlen sich ausgeliefert und haben die negativen Beschuldigungen und Zuschreibungen verinnerlicht. Sie haben oft bereits in der Kindheit und Jugend Gewalterfahrungen gemacht und
glauben, dass eine Trennung ihnen nichts bringe, dass sich der nächste Partner wieder genau gleich verhalten würde. In solchen Verhältnissen kann die Gewalt im alltäglichen Zusammenleben zur Normalität
werden. Es kommt zu einer Gewöhnung an die Gewaltbeziehung. Diese Opfer chronischer Gewalt leiden
oft unter psychosomatischen und schweren psychischen Symptomen. Die Dynamiken der Gewaltspiralen
charakterisieren diese Beziehungen.
Die Bindung an den Partner ist in diesen Gewaltbeziehungen von einem starken Machtgefälle geprägt,
welches seitens der Gewalt ausübenden Person immer wieder hergestellt und aufrecht gehalten wird. Oft
tritt das Kontrollverhalten in der Beziehung schon sehr früh auf. Es hilft der gefährdenden Person Verunsicherungen zu kompensieren. In Lebensphasen, die einen neuen Umgang mit Nähe und Distanz erfordern,
wie bei Schwangerschaften, Geburt eines Kindes, Krankheit, verstärkt sich dieses Kontrollmuster. Es zeigt
sich z.B. in krankhafter Eifersucht. Der abhängigen Person wird misstraut, ihr werden Fremdbeziehungen
oder andere unlautere Absichten unterstellt, die durch die Androhung oder Ausübung von Gewalt unterbunden werden.
Charakteristisch für Gewalt betroffene Personen in ambivalenten Bindungen ist ausserdem, dass sie:
1. sich häufig nicht als Opfer sehen, obwohl sie traumatisiert sind;
2. „in der Vergangenheit gefangen“ sind;
3. instabile Wünsche und Hoffnungen äussern (d.h. hin- und hergerissen sind);
4. sich selbst beschuldigen unter Entlastung der gewaltausübenden Person.
Im Aussageverhalten der Opfer wird das Geschehen bagatellisiert und der Gefährder in Schutz genommen. Die Aussagen sind oft widersprüchlich. Das ambivalente Verhalten führt auch zur Abgabe von Desinteresseerklärungen und Klagerückzügen.
b) „Schein-Ambivalenz“, Dilemma und „Überlebens-Bindungen“
10
Dieses Gewalt-Muster weist vordergründig zwar ähnliche Merkmale wie das ambivalente auf, deshalb
kann man auch von „Scheinambivalenz“ sprechen. Scheinambivalente Opfer befinden sich jedoch nicht in
11
einer Ambivalenz zum Täter, sondern, nach Rossegger (2010 ), in einem Dilemma, d.h. in einer Entscheidungssituation, bei der sich zwar mehrere Handlungsmöglichkeiten gleichzeitig anbieten, sich aber
dennoch gegenseitig ausschliessen. Frau kann es also gar nicht richtig oder gut machen. Beide Möglichkeiten führen zu einem unerwünschten Resultat. In einem komplexen Dilemma ist es schwierig, die richtige Strategie zu finden. Diese Ausweglosigkeit wird als paradox empfunden. Im Gegensatz zu den ambivalenten und abhängigen Opfern verfügen diese Frauen über genügend Ressourcen, die eine Trennung
möglich machen würden. Was hält sie dennoch in der Gewaltbeziehung?
Opfer Häuslicher Gewalt, die in einer existenziellen Dilemma-Situation bleiben, befinden sich in einer
„Überlebens-Bindung“. Bei der „Überlebens-Bindungen“ ist die Handlungsfähigkeit der Frauen nicht durch
Abhängigkeit zum Gefährder eingeschränkt, sondern diese Opfer glauben, dass nur das Festhalten an der
Gewaltbeziehung ihr Überleben und möglicherweise auch das anderer Personen, z.B. der Kinder, sichert.
Keine der angedachten Lösungen schützt sie vor der Gewalt – d.h. weder in der Beziehung verharren,
noch den Täter verlassen. Den Partner verlassen heisst möglicherweise: Existenzverlust, Stigmatisierung,
Vernachlässigung der Rechte der Frauen und Kinder, Zerbrechen der familiären Strukturen, fehlende
Coping-Strategien, Depressionen, bedrohliche Reaktion des (Ex-) Partners und aus der Gemeinschaft,
Angst vor Rache, Morddrohungen, Drohungen mit (erweitertem) Suizid oder mit Kindsentführung.
Diese Mütter binden oft auch ihre Kinder in das Angst-Muster mit ein. Sie unterbinden und/oder verbieten
ihnen, Hilfe und Unterstützung von aussen zu holen oder anzunehmen, die Polizei zu rufen, Aussagen
gegenüber Fachpersonen oder vor Gericht zu machen, und dies mit dem Ziel, weitere Gewalteskalationen
10
Greber, F. (2011): Häusliche Gewalt – Erkennen und Handeln. Referat, gehalten an der HfH Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich.
11
Rossegger, A. (2010): Referat, gehalten bei der IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich.
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zu verhindern und das Überleben zu sichern. Schweigen und Verharren ist in ihrem Sinne paradoxerweise
auch Kindesschutz. Auch die Mütter selbst suchen keine Hilfe.
Der Gewaltzyklus der „Überlebens-Bindung“ kann sich auch nach einer Trennung oder der Auflösung
eines gemeinsamen Haushaltes fortsetzen, vor allem wenn väterliche Besuchs- und Ferienrechte elterliche Kontakte notwendig machen. Oft sind es diese Situationen, bei denen die verschiedenen Formen der
Gewalt eskalieren. Dennoch fühlen sich diese Mütter gegenüber ihren Kindern schuldig. Sie wollen ihnen
den Kontakt zum Vater auch unter diesen erschwerten Bedingungen ermöglichen und nehmen verschiedenste Formen der Demütigung, des Leidens, auch der wirtschaftlichen Abhängigkeit in Kauf. Das asymmetrische Abhängigkeitsverhältnis wird dadurch gestärkt und gefestigt. Die Gewalt kann sich weiter perpetuieren.
Vordergründig zeigen diese Opfer in ihrem Verhalten gegenüber dem Täter und auch gegenüber helfenden Personen sehr viel Ähnlichkeit mit Frauen in ambivalenten Bindungen. Bei der Scheinambivalenz
verfügen die Opfer jedoch über genügend Ressourcen. In diesen Gewalt-Beziehungen ist die Handlungsfähigkeit gewaltbetroffener Frauen also weder durch Ambivalenz noch durch Abhängigkeit zum Gefährder
oder Täter eingeschränkt. Eine Überlebensbindung weist möglicherweise auf eine pathologische Tätertypologie hin, was für ein wirksames Risiko- und Bedrohungsmanagement von zentraler Bedeutung ist.
Menschen in „Überlebens-Bindungen“ sind eine Hochrisiko-Gruppe und erfordern in jeder Hinsicht eine
vorsichtige und möglicherweise auch andere Art der Intervention.
Für Opfer in Dilemma-Situationen muss vor allem der Schutz und die Sicherheit gewährleistet werden,
damit die Opfer Entscheidung umsetzen können, ohne ihr Leben oder das ihrer Kinder zu gefährden. Auch
psychologische Unterstützung muss dieses Ziel verfolgen, welches nur in enger Zusammenarbeit mit Polizei und Gerichten möglich ist.
9. Umgang mit ambivalenten Verhaltensmustern von Opfern in professionellen Beziehungen
Opfer übertragen ihre in Abhängigkeitsverhältnissen gemachten guten und schlechten Erfahrungen auch
auf Fachpersonen. Gegenüber Fachpersonen, seien dies Staatsanwälte, Richterinnen oder Sozialarbeitende, sehen sie sich erneut in einer (professionell und strukturell begründeten) Abhängigkeit. Wieder stehen sie einer Person gegenüber, die nur das Beste will. In gewisser Hinsicht befürchten sie in Beratungen
oder bei Befragungen eine Wiederholung ihrer negativen Erfahrungen.
Doch je länger eine destruktive Beziehungssituation in der Vergangenheit als ausweglos erlebt wurde,
desto schwieriger wird es, Beziehungen zu anderen Menschen als verlässlich und hilfreich wahrzunehmen. Die Erfahrung, nicht respektiert und geschützt worden zu sein, gibt ihnen aus ihrer subjektiven Perspektive ausreichende Gründe, in einer erneuten Abhängigkeit nicht von etwas Besserem auszugehen.
Sie sind deshalb gegenüber Fachpersonen oft grundsätzlich skeptisch: „Nun soll ich plötzlich glauben,
dass man mir hilft und mich beschützt?“
Auch Fachpersonen werden in den Sog des immanenten Widerspruchs der Gewaltbeziehungen hineingezogen. Soll in einer akuten Gewaltbeziehung auf die Äusserungen des Opfers abgestellt werden, das sich
aus allen ergriffenen Massnahmen zurückziehen will? Oder muss die Zerrissenheit, die aus der ambivalenten Bindung und den entsprechenden Phasen der Gewaltbeziehung entsteht, stärker gewichtet werden, um das Opfer (und allfällige Kinder) vor weiterer Gewalt zu schützen?
Die Ambivalenz und das Misstrauen von Opfern einerseits und die Forderung nach Hilfe andererseits,
stellen Fachpersonen vor eine grosse Herausforderung. Sie gehen davon aus, dass Gewaltbetroffene ein
Hilfsangebot annehmen, um dann mit entsprechender Unterstützung kontinuierlich daran zu arbeiten, ihre
Situation zu verändern und zu verbessern. Tatsache ist aber, dass die Hilfestellung, Beratung und Begleitung von den Gewaltbetroffenen in gewissen Phasen der Gewaltbeziehung abgelehnt wird und eingeleitete Verfahren zurückgezogen bzw. zur Einstellung gebracht werden.
Dennoch und trotz dieser Ambivalenz und Zerrissenheit der Opfer, können mit der Zeit durch eine konsequente Hilfestellung Sicherheit und Klarheit wachsen, die zu einem späteren Zeitpunkt Veränderungen
ermöglichen. Voraussetzung sind Kenntnisse der Fachleute über die Mechanismen, Dynamiken, Zusammenhänge und Wirkungen von Interventionen bei Häuslicher Gewalt.
Die meisten Gefährdenden kehren nach einer polizeilichen Intervention wieder in ihr Umfeld zurück, ohne
dass sich in der Gewaltbeziehung etwas verändert hätte. Viele Fachpersonen können sich eine Begleitung
des Paares aus unterschiedlichen Gründen nicht vorstellen oder die Organisationen haben einen (nur auf
Opfer oder Täter) ausgerichteten Fokus. Manche Paare wünschen sich dennoch eine Paarberatung. Diese sollte nur von ausgebildeten und in Häuslicher Gewalt spezialisierten Fachpersonen durchgeführt werden. Das gilt auch für Familienberatung nach multikonstellationeller Häuslicher Gewalt. Schutz und Sicherheit stehen in jedem Fall im Zentrum.
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Exkurs: Erkenntnisse der Bindungstheorie
In jeder partnerschaftlichen oder anderen Beziehung treffen das Bindungsverhalten der verschiedenen
Personen aufeinander und führen zu einer spezifischen Interaktion. Dies trifft auch in Gewaltbeziehungen
12
zu. Das Bindungsverhalten von Tätern Häuslicher Gewalt wurde verschiedentlich erforscht. .
Unterschiedliche Verhaltensmerkmale nach Tätertypen
Dimension
Angepasster, auf die
Familie beschränkter
Gewalttypus
(family only batterer)
Zyklischer / BorderlineTypus
(dysphoric / borderline
batterer)
Antisozialer / psychopathischer Typus
(generally violent / antisocial batterer)
Bindungsfähigkeit
Stabil
instabil
ablehnend
Abhängigkeit
mittelmässig
tief
mittelmässig
Empathie
Hoch
mittelmässig
mittelmässig
Impulsivität
gering
gering
gering – mittelgradig
Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST
Familiäre Belastungen wie Delinquenz eines Elternteils, fortgesetzte Streitereien, Häusliche Gewalt oder
psychische Krankheiten der Eltern oder eines Elternteils können einen Einfluss auf die Entstehung von
Verhaltens- bzw. Bindungsstörungen im Kindes- und Jugendalter haben.
13
Die Bindungstheorie wurde vom englischen Psychoanalytiker John Bowlby entwickelt. Unter Bindung
versteht man „… die besondere Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern oder anderen Personen, die es
beständig betreuen. Unter Bindung (attachment) versteht man ein «gefühlsgetragenes» Band zwischen
14
Eltern und Kind, welches die beiden über Raum und Zeit hinweg verbindet."
• Bindungsbedürfnisse sind biologische Grundbedürfnisse
• Bindungspersonen dienen als externe Hilfe bei Verunsicherung oder Angst
Menschen machen nicht nur in der Kindheit, sondern auch in ihrem weiteren Leben unterschiedliche gute
und schlechte Erfahrungen in der Begegnung mit anderen Menschen. Das Zusammenwirken dieser Erfah15
rungen prägt das Bindungsmuster. Als Fachpersonen (z.B. LehrerIn , BeraterIn) haben wir die Möglichkeit, Kindern, die in Gewaltbeziehungen leben, andere Bindungserfahrungen zu vermitteln. Aus Bindungserfahrungen entstehen bleibende oder neue Bindungsmuster. Wie können sich bestimmte Bindungserfahrungen auf ein späteres Bindungsverhalten in Gewaltbeziehungen auswirken?
Es können vier grobe Bindungserfahrungen
16
unterschieden werden:
1. Sichere Bindung: Menschen mit einer «sicheren Bindungserfahrung» zeigen meistens einen
angemessenen Umgang mit Gefühlen und Kompromissbereitschaft. Sie sind beziehungsbezogen und selbstverantwortlich. Eine positive Sicht ihrer Selbst und anderer, Vertrauen zu Bezugspersonen und ein gelungener Umgang mit Trennungserlebnissen charakterisiert sie.
Kinder solcher Bezugspersonen wissen, dass sie sich in jeder Situation an diese wenden können und dort Trost, Unterstützung und Geborgenheit finden. Sie bleiben – trotz Notsituation –
beziehungsbezogen und behalten grundsätzlich das Vertrauen zu Bezugspersonen. Von diesen fühlen sie sich wahr- und ernstgenommen. Mit einer (gut begleiteten) Trennung können
sie umgehen. Möglicherweise sind auch nach einer Trennung beide Eltern in gutem Kontakt
mit dem Kind.
2. Unsicher-ambivalente Bindung: Menschen mit einer «unsicher-ambivalenten Bindungserfahrung» haben möglicherweise einen übersteigerten Gefühlsausdruck, sind wenig kompromissbereit und emotional abhängig. Im Umgang mit Belastungen sind sie wenig selbstverantwortlich.
Für ihre Kinder sind solche Bindungspersonen wenig berechenbar, manchmal einfühlsam und
manchmal nicht. Heftige, widersprüchliche und instabile Gefühlsausdrücke und Verhaltensweisen lassen das Kind mit seinen Bedürfnissen alleine. Auf diese Unberechenbarkeit reagieren viele Kinder mit Ängstlichkeit, übermässiger Anhänglichkeit und mit Ärger.
12
Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994). a.a.O.
Bowlby, J. (1969) Attachment and Loss. Vol. 1. Attachment. New York: Basic Books.
14
Grossmann, K.; Grossmann, K. E. (2004): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit (Attachment. The composition of psychological security). Stuttgart, Klett-Cotta. S. 81.
15
Häusliche Gewalt: Was tun in der Schule? Ein Leitfaden für die Praxis (2011). www.ist.zh.ch
16
Bowlby, J. (1995): Bindung: Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, G.; Zimmermann, P.
(Hrsg.): Die Bindungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.
Ainsworth, M. et al. (1978): Patterns of Attachment. A psychological study of the strange situation. New York: Hilsdale.
13
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3. Unsicher-vermeidende Bindung: Menschen mit einer «unsicher-vermeidenden Bindungserfahrung» führen oft keinen Austausch über (negative) Gefühle, passen sich an äussere Erwartungen an, haben eine Pseudo-Unabhängigkeit und einen selbstbezogenen Umgang mit Belastungen, in dem sie z.B. keine Hilfe holen.
Kinder solcher Bezugspersonen haben gelernt, sich bei Verunsicherung und Sorgen nicht an
sie zu wenden. Sie haben die Erfahrung gemacht, zurückgewiesen oder missverstanden zu
werden. Sie entwickeln eine Vorstellung von sich selbst als nicht liebenswert und von den Bezugspersonen als nicht zugänglich. Weil diese erwachsenen Opfer für sich keine Hilfe holen,
müssen oft auch die Kinder eigene Lösungen finden oder sind auf Drittpersonen (z.B. Peergruppe, NachbarInnen oder Fachpersonen) angewiesen. Eine proaktive Beratung ist besonders bei diesen Kindern hilfreich.
4. Hochunsichere Bindung: Menschen mit einer «hochunsicheren Bindungserfahrung» fehlen
häufig Bewältigungsstrategien. Sie können sich schlecht an veränderte Situationen anpassen;
kontrollierende Strategien sind die Folge. Furcht zeigt sich als durchgängige Beziehungserfahrung und es besteht ein Konflikt zwischen Bedürfnis nach Sicherheit durch Beziehung und der
Furcht vor ihr. Erwachsene mit hochunsicheren Bindungserfahrungen suchen häufig einen
«erwachsenen Kontakt» zu ihren Kindern.
Kinder in Gewaltbeziehungen (kindliche Opfer Häuslicher Gewalt) stellen eine Risikogruppe
dar. Mütter mit hochunsicheren Bindungserfahrungen suchen einen „erwachsenen Kontakt“ zu
ihren Kindern. Dieser wird von Kindern oft als „gestohlene Kindheit“ erlebt. Die unterschiedlichen Gefühle der Erwachsenen werden oft auf die Kinder übertragen. Ein gelungener Umgang mit Nähe und Distanz kann auch für sie eine Herausforderung werden. Diesen Kindern
fällt es schwerer, Hilfe zu holen und anzunehmen.
Bindungsstörungen
Karl Heinz Brisch
17
unterscheidet acht Arten von Bindungsstörungen bei Kindern:
1. Keine Anzeichen von Bindungsverhalten
Diese Kinder wenden sich auch Bedrohungssituationen nicht an ihre Bezugspersonen. Auf Trennungen reagieren sie kaum. Dieses Verhalten sieht man häufig bei Säuglingen und Kleinkindern
als Folge auf zahlreiche Beziehungsabbrüche und -wechsel.
2. Undifferenziertes Bindungsverhalten
Diese Kinder verhalten sich freundlich gegenüber allen Bezugspersonen und machen keinen Unterschied, wie gut oder schlecht sie diese kennen. In Stresssituationen suchen sie Trost, wenden
sich aber auch absolut fremden Personen zu. Dieses Verhalten steht oft im Zusammenhang mit
Vernachlässigung der Kinder.
3. Übersteigertes Bindungsverhalten
Diese Kinder sind nur in absoluter Nähe zur Bezugsperson ruhig und ausgeglichen. In neuen Situationen reagieren sie überängstlich. Diese Bindungsstörung beobachtet man oft bei Kindern, deren Mütter unter einer Angststörung mit extremen Verlustängsten leiden. Die Kinder müssen für
sie eine sichere Basis sein, damit sich die Mütter psychisch stabilisieren können.
4. Gehemmtes Bindungsverhalten
Diese Kinder fallen durch eine übermässige Anpassung auf. Sie haben massive körperliche Misshandlungen erlebt und einen Erziehungsstil, der durch Gewaltandrohungen geprägt ist. In ihrem
familiären Umfeld nehmen sie ihre Bindungswünsche eher zurück. Es fällt ihnen leichter, ihre Gefühle gegenüber fremden Personen auszudrücken.
5. Aggressives Bindungsverhalten
Dieses Familienklima wird durch spannungsgeladene Verhaltensweisen geprägt, d.h. durch verbale und non-verbale Formen der Aggression. Bowlby hat darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung von primären (existenziellen) Beziehungswünschen und die daraus entstehende Angst
und Frustration der Kinder bei diesen zu Aggressionen führen kann.
6. Bindungsverhalten mit Rollenumkehr
Charakteristisch bei dieser Art von Bindungsstörung ist, dass die Kinder die Rolle der Bezugsperson übernehmen („Parentifizierung“). Das Kind erscheint gegenüber der Bezugsperson als überfürsorglich und übernimmt für diese die Verantwortung. Nicht zu verwechseln mit Kindern mit einer
sicheren Bindung, die mit ihrem empathischen und sozialen Verhalten auch Bedürfnisse ihrer Be-
17
Brisch, K.H. (2009): Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 102-111.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013
zugspersonen wahrnehmen.
7. Bindungsstörung mit Suchtverhalten
Frühe Vernachlässigung und übermässiger Stress kann bei Kindern suchtartige Verhaltensweisen
fördern, welches als Ersatz für die „sehsüchtige Suche“ nach feinfühligen Bezugspersonen steht.
8. Psychosomatische Symptomatik
In Folge emotionaler und körperlicher Verwahrlosung kann es gar zu einer Wachstumsretardierung kommen. Häufig suchen Mütter solcher Kinder als erste Unterstützung bei der Kinderärztin/dem Kinderarzt.
Alle Bindungsstörungen verweisen auf die Wichtigkeit verlässlicher, stabiler und unterstützender Bezugspersonen. Verschiedene Studien zeigen, dass die Auswirkungen von Dauerstress, Angst und Erfahrungen
von Gewalt der Mütter bereits während der Schwangerschaft, sich auf das ungeborene Kind auswirken
können. Häufig fällt es diesen Babys auch später schwer, sich selber zu beruhigen und sie werden
Schreibabys. Im schlimmsten Fall wird das Kind in der bereits belasteten Familiensituation von Vater oder
Mutter geschüttelt, damit es endlich „Ruhe gibt“, was zu bleibenden Schäden des Gehirns oder sogar zum
Tod des Babys führen kann. Auf Häusliche und andere Formen von Gewalt sensibilisierte Mütterberaterinnen und KinderärztInnen haben die Möglichkeit, eine solche Gefährdung früh zu erkennen und zu intervenieren.
10. Opferverhalten in der Gewaltspirale in chronifizierter Gewaltbeziehung (Abhängigkeitsbeziehung oder Überlebensbindung)
AUSWEICHEN, SCHLICHTEN
WÄHREND DEM SPANNUNGS-AUFBAU
„ALLES IST OK-PHASE“
VERLEUGNEN,
WÄHREND TÄTER BETEUERT,
ES NIE MEHR ZU TUN
ERSTARREN
WÄHREND GEWALT
Greber, F. (2011)
Gewaltspirale in Überlebensbindungen 18
Diese Opfer versuchen die Situation so gut als möglich zu kontrollieren, um den Täter zu beruhigen oder
und deeskalierend zu wirken. Gelingt es nicht und übt er dennoch Gewalt aus, erstarren sie zum Selbstschutz. Nach der Gewalt verleugnen sie vor allem gegenüber Drittpersonen die Vorfälle, welches sich in
einer „alles ist OK-Phase“ äussert, die das Ziel hat, jede Art von Intervention zu verhindern.
Resilienz
Resilienz ist die Widerstandskraft eines Menschen gegenüber Belastungen und bestimmt sich aus dem
Verhältnis zwischen den Risikofaktoren, denen er ausgesetzt ist, und den Schutzfaktoren, über die er
verfügt. Dabei spielen sowohl personale als auch soziale Ressourcen (innerhalb und ausserhalb der Familie) eine wichtige Rolle. Resiliente Kinder hatten gemäss Untersuchungen mindestens eine fürsorgliche,
wertschätzende und verfügbare Bezugsperson, so dass sie trotz widriger Umstände ein sicheres Bindungsmuster entwickeln konnten.
Resiliente Menschen haben vergangene Erfahrungen von Selbstwirksamkeit (Handlungskompetenz) und
in der Gegenwart realistische Hoffnungen und Vorstellungen, Ereignisse beeinflussen zu können. Weiter
verfügen sie über die Fähigkeit, Unterstützung und Hilfe zu mobilisieren. Nicht alle Opfer reagieren also
gleich.
Resilienz ist auf drei Ebenen begründet:
• der genetischen Disposition des Individuums
• der Bindungserfahrung, die der Mensch mit anderen Menschen gemacht hat und macht
• Sozialisationsbedingungen, d.h. dem Umfeld und der Umwelt, welche auf Menschen einwirken
18
Greber, F. (2011) a.a.O.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013
11. Trennungsverhalten erwachsener weiblicher Opfer
19
Cornelia Helfferich unterscheidet vier Typen weiblichen Opferverhaltens bei Häuslicher Gewalt, die sich
nach Abhängigkeitstypus unterscheiden. Verhaltensmuster können sich im Lauf einer Gewaltbeziehung
20
ändern.
1. Rasche Trennung
2. Fortgeschrittene Trennung
3. Neue Chance
4. Ambivalente Bindung
21
5. Überlebensbindung
Den ersten drei Mustern ist gemeinsam, dass die gefährdete Person noch über genügend Autonomie und
eigene Ressourcen verfügt, um über ihren Verbleib in der Beziehung bzw. die Trennung zu entscheiden –
dies auch ohne am Leben bedroht zu werden. Es ist wichtig, auch diese Opfer in akuter Gewaltsituation zu
schützen. Danach sind sie meist selbst in der Lage, allfällige weitere Schritte mit oder ohne Fachpersonen
einzuleiten. Eine Intervention in solchen Gewaltbeziehungen verläuft meistens relativ unproblematisch.
Beratungsangebote und Psychotherapie wirken unterstützend. Bei der „raschen Trennung“ und der „fortgeschrittenen Trennung“ ist der Trennungswille des Opfers so gefestigt, dass die Trennung der Beziehung
und die entsprechenden rechtlichen Verfahren rasch durchgeführt werden können. Bei der „neuen Chance“ fordert das Opfer klare Beweise für eine Veränderung des Verhaltens. Beratungsangebote und Psychotherapie stützen das Opfer in seinen Forderungen. Gleichzeitig kann auch die Möglichkeit einer Trennung geprüft werden, wenn sich die Beziehung nicht gewaltfrei entwickelt. Lernprogramme, die als strafrechtliche Weisungen angeordnet werden, sind dabei hilfreich und unterstützend. Ambivalente Opfer
brauchen oft langjährige beraterische und psychotherapeutische Begleitung, um das notwendige Selbstvertrauen zu entwickeln, auch alleine klar zu kommen. Erst daraus wächst eine Haltung in Bezug auf eine
mögliche Trennung oder einen Verbleib in der Beziehung. Viele Frauen brechen die Begleitungen mehrfach ab, nehmen sie aber später wieder auf. Der Prozess vollzieht sich in diesen Sinne in Etappen. Zu
ergänzen sind die verschiedenen Trennungsverhalten mit denjenigen Frauen, die sich in einer Überlebensbindung befinden. Diesen Opfern ist mit dem Herstellen von Schutz und Sicherheit der nötige Dienst
erwiesen, damit sie die für sie passenden Lösungen überhaupt in Betracht ziehen können. Beratungen
und Psychotherapie haben in diesen Fällen häufig die Funktion, den Zugang zu Information herzustellen
oder die Frauen im Umgang mit den unveränderbaren Gewaltbeziehungen zu begleiten, was auch für
Fachpersonen eine schwierige Herausforderung ist.
Eine sicher gebundene Frau verhält sich z.B. je nach Tätertyp anders – einerseits im Umgang mit einer
möglichen Trennung und andererseits in Bezug auf den Schutz der Kinder. Denkbar sind verschiedene
Möglichkeiten:
− sie trennt sich nach dem Gewaltvorfall
− sie schützt ihre Kinder
−
−
−
−
−
-
sie bleibt in der Beziehung und gibt dem Täter eine neue Chance, wenn es ein z.B. Zyklischer /
Borderline Typus ist, der in eine Therapie geht und die Gewalt beendet
sie schützt ihre Kinder
sie trennt sich nicht
sie verbleibt in der Gewaltbeziehung, obwohl die Gewalt nicht beendet wird und der Täter keine
Hilfe annimmt
sie ist möglicherweise in einem antisozialen / psychopathischen Tätertypen, befindet sich in einem
Dilemma und einer Überlebensbindung und ist hoch gefährdet
paradoxerweise schützt aber diese Mutter in ihrem Erleben ihre Kinder, in dem sie in der Gewaltbeziehung bleibt, diese „einsteckt“ aus Angst und mangels Alternative.
22
Dass sich die Opfer in der Trennung-Situation sehr unterschiedlich verhalten , d.h. sich entweder rasch
trennen, dem Täter eine neue Chance geben, wenn eine Trennung bereits ansteht, diese beenden oder
eben in der Gewaltbeziehung verbleiben, hat also auch mit der Dynamik der Gewaltbeziehung (d.h. mit
der Gefährlichkeit des Täters) zu tun. Überlebens-Bindungen machen Trennungen für die Opfer besonders schwer oder verunmöglichen sie gar.
Je nach Gewaltmuster ändern aber auch die Kinder ihr Verhalten. Die Gewaltmuster erkennen die Kinder
19
Vgl. Helfferich, C. (2006): Muster von Gewaltbeziehungen. Ein Beitrag zur hermeneutischen Diagnostik von Gewaltbeziehungen.
„Tötungsdelikte und schwere Gewalt durch Intimpartner. Prävention und Fallmanagement.
Vgl. Barz, M.; Helfferich, C. (2006): Häusliche Gewalt beenden: Verhaltensänderung von Tätern als Ansatzpunkt. Eine Evaluationsstudie. Schriftenreihe der Landesstiftung Baden-Württemberg Bd.23. Stuttgart.
21
Greber, F. (2011): a.a.O.
22
Helfferich, C. (2006) a.a.O.
20
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013
«instinktiv» – d.h. sie erkennen genau, was eskalierend oder deeskalierend wirkt und wer was von ihnen
will. Bei einer ambivalenten Mutter ist davon auszugehen, dass Beratung eher toleriert wird, d.h. dass die
Kinder somit der Beratung zugänglich sind. Befindet sich die Mutter in einem Dilemma, sind auch die Kinder kaum für Beratungen zugänglich und machen i.d.R. auch keine Anzeigen oder Aussagen.
12. Bleiben oder gehen?
23
24
Die meisten Frauen verlassen den Partner nicht nach der ersten Gewalterfahrung. Im Durchschnitt tren25
nen sich Opfer bis zu 5-mal, bevor sie ausziehen. Eine Trennung führt nicht automatisch zur Beendigung
26
der Gewalt und eine Trennung kann Anlass für (weitere) Gewalt sein. In 43 von 57 Fällen, in denen eine
Frau von ihrem Partner ermordet wurde, lebte diese getrennt vom Täter/bzw. versuchte sich zu trennen.
Bei anstehenden Trennungen stellt sich für die Frauen aber auch für die Fachleute die Frage, ob sie mit
der Unterstützung der Trennung eine Eskalation verhindern oder fördern. Zur differenzierten Beurteilung
der Gefahr einer Eskalation dienen folgende Fragen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
War der Partner früher bereits gewalttätig?
War der Partner bereits einmal psychiatrisch hospitalisiert?
War der Partner bereits einmal in psychiatrischer/psychologischer Behandlung?
Ist der Partner vorbestraft?
War der Partner schon einmal im Gefängnis?
Ist der Partner in der Freizeit in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt?
Ist der Partner auch gegenüber den Kindern gewalttätig?
Drohte der Partner in der Vergangenheit mit Waffen/gefährlichen Gegenständen?
Hat der Partner schon Mord- und/oder (erweiterte) Suiziddrohungen ausgesprochen?
Die Checkliste bezieht sich auf männliche, erwachsene Täter und müsste für minderjährige Täter, minderjährige oder erwachsene weibliche Täterinnen sicher teilweise angepasst werden.
Besondere Situation von Migrantinnen
MigrantInnen verlieren bei einer Trennung oder Scheidung evt. ihr Aufenthaltsrecht und dies gilt teilweise
auch für die Kinder. Möglicherweise droht ihnen als Folge sogar Gewalt aus ihrer Gemeinschaft. Beim
Vorgehen gegen (Häusliche) Gewalt muss das weitere Umfeld, d.h. die Reaktion der Gemeinschaft und
der kulturelle Kontext mitbedacht werden. Komplexe soziale und rechtliche Implikationen spielen dabei
eine zentrale Rolle. Täter zwingen die Opfer teilweise unter Todesdrohungen zum Verbleib in der Beziehung. Viele Opfer ziehen die Strafanzeige nur zurück, um weitere Eskalationen zu verhindern – einer der
Gründe für eine Desinteresseerklärung (StGB 55a). Es ist eine Aufgabe der Politik, diese Ausgangslage
dahingehend zu verändern, dass Opfer in ihrem Willen, sich zu trennen und ihre Kinder zu schützen un27
terstützt werden.
23
Rossegger, A. (2012) a.a.O.
Henderson, A. J. Z. et al. (1997): He Loves Me; He Loves Me Not: Attachment and Separation Resolution of Abused Women. Journal
of Family Violence, Vol. 12, No. 2. http://www.sfu.ca/psyc/faculty/bartholomew/violencepub_files/loveme.pdf
25
Okun, L. E. (1986): Woman abuse: Facts replacing myths. Albany, NY: State University of New York Press.
26
Stawar, T. L. (1996): Suicidal and homicidal risk for respondents, petitioners, and family members in an injunction program for domestic violence." Psychological reports 79.2 (1996): 553-554.
27
Siehe: Häusliche Gewalt – Manual für Fachleute, Kapitel 6. www.ist.zh.ch
24
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Multikontextuelle und multikonstellationelle Häusliche Gewalt, November 2013
106 Multikonstellationelle und multikontextuelle (Häusliche) Gewalt
Seit einigen Jahren wird der Blick vermehrt auch auf drohende und gewaltausübende Frauen gerichtet,
damit der Opferschutz des Partners und/oder der Kinder sichergestellt werden kann. Im Kanton Zürich
werden durchschnittlich in 7% der Fälle polizeiliche Gewaltschutzmassnahmen gegen gewaltausübende
Frauen angeordnet. Im Unterschied zu gewaltausübenden Männern weiss man über gewaltausübende
Frauen wenig. Frauen werden meistens nur einseitig als Opfer wahrgenommen und befragt. Der Gewaltkontext, die Beziehungskonstellationen und die Formen der Gewalt sind in allen Gewaltkonstellationen
auch unter einem genderdifferenzierten Blick zu analysieren, um Konzepte anzupassen. Das in Baselland
entwickelte Lernprogramm für Täterinnen von Häuslicher Gewalt trägt diesen Unterschieden Rechnung.
Auch bei Minderjährigen müssen sich Massnahmen nicht nur am Alter, sondern auch an der unterschiedlichen Problematik der Knaben und Mädchen als Opfer und TäterInnen orientieren.
Häusliche Gewalt kann in jeder familiären und partnerschaftlichen Beziehungskonstellation angedroht
oder ausgeübt werden. Bei Interventionen wird oft als erstes auf die erwachsene, heterosexuelle Beziehungskonstellation i.S.v. „männlicher Täter ‒ weibliches Opfer“ reagiert. Bei den Beratungsstellen wird
eine Zunahme Häuslicher Gewalt durch Minderjährige, d.h. von Elternmisshandlung oder Geschwistergewalt festgestellt.
Multikonstellationelle Häusliche Gewalt
Die Möglichkeit einer „multikonstellationellen Häuslichen Gewalt“, d.h. mehrerer gleichzeitiger Gewaltbeziehungen, ist immer in Betracht zu ziehen. PartnerInnengewalt gilt als zentraler Risikofaktor für Kindsmisshandlung, d.h. dass oft gleichzeitig auch Gewalt gegenüber Kindern und anderen Personen ausgeübt
wird.
1
Voindrot (2010) unterscheidet einseitig (monodirektionale) und wechselseitig (bidirektionale) ausgerichtete Gewalt. Multikonstellationelle Gewalt umfasst somit alle Formen einseitiger und wechselseitiger Häuslicher und weiterer Gewalt in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen.
So hat ein Partner, welcher seine Gewalthandlungen gegenüber seiner Partnerin über Jahre rechtfertigt
und ihr die Schuld zuschiebt, gegenüber seinen Kindern mit grosser Wahrscheinlichkeit ähnlich gewalttätige Erziehungsmethoden. Auch für die Partnerin, die die jahrelange Gewalt aus verschiedensten Gründen
erleidet und erduldet, ist es oft schwer, die Not ihrer Kinder wahrzunehmen und diese vor der väterlichen
Gewalt zu schützen. Die Evaluationsstudie des Marie Meierhofer Instituts für das Kind über die zeitnahe
Kinderansprache, welche im Dezember 2012 verfasst wurde, zeigte auf, dass bei Gewalt in der elterlichen
Beziehung 40% der Kinder direkt Gewalt von einem oder beiden Elternteilen erleben.
Multikonstellationelle Gewalt gibt es auch bei Minderjährigen. So können Kinder von elterlicher Gewalt
betroffen sein und später oder gleichzeitig gegen Geschwister oder gegenüber einem Elternteil das gelernte und vorgelebte Gewaltverhalten fortsetzen.
In manchen Fällen ist mit der polizeilichen Intervention nur gegen eine gefährdende Person das Opfer
noch nicht genügend geschützt. Oft können Opfer und Gefährdende nicht eindeutig abgegrenzt werden.
Manchmal sind gewaltausübende Personen auch Opfer. So gibt es Jugendliche (meist Söhne), die von
ihren Vätern instrumentalisiert werden, um ihre Schwestern zu kontrollieren, auszuspionieren und ihnen
nachzustellen und/oder mit Gewalt zu bedrohen.
Es ist zu prüfen, ob Erwachsen und/oder Minderjährige
– Opfer einer Person sind
– Opfer mehrerer Personen sind
– nur Opfer sind
–
–
–
Gewalt gegen eine Person androhen/ausüben
Gewalt gegen mehrere Personen gleichzeitig androhen/ausüben
nur TäterIn sind
–
Opfer und TäterIn in verschiedenen Beziehungskonstellationen sind.
1
Voindrot, F. (2010): L’enfant face à la violence conjugale: une réalité clinique déniée. Referat gehalten am 4. Nov. 2009 in Bern an der
Nationalen Tagung der Interventionsstellen, Interventionsprojekte, Fachstellen und Gleichstellungsbüros gegen häusliche Gewalt der
Schweiz.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Multikontextuelle und multikonstellationelle Häusliche Gewalt, November 2013
Multikontextuelle (Häusliche) Gewalt
2
Eisner et al. kommen zum Schluss, dass gewaltausübende Minderjährige oft gleichzeitig in verschiedenen Kontexten und Beziehungskonstellationen Gewalt androhen oder ausüben. Findet die Gewalt gleichzeitig in unterschiedlichen Kontexten statt, handelt es sich um multikontextuelle Gewalt. Auch Gewalt in
Liebesbeziehungen Jugendlicher wird als Häusliche Gewalt verstanden.
Es ist also auch zu prüfen, ob Erwachsene und/oder Minderjährige
– Gewalt in einem spezifischen Kontext androhen/ausüben
– Gewalt in verschiedenen Kontexten gleichzeitig androhen/ausüben
–
Opfer und/oder TäterIn in verschiedenen Kontexten sind.
Das Verhalten der Opfer und Gefährdenden, das spezifische Gewaltmuster und die Gewaltdynamik unterscheiden sich je nach Gewaltkonstellation, Gewaltkontext sowie Geschlecht und Alter der involvierten
3
Personen (Greber 2010).
Um sowohl Opfer von Häuslicher Gewalt zu schützen als auch Gefährdende in die Verantwortung zu
nehmen, müssen alle Gewaltkonstellationen und Gewaltkontexte bekannt sein. Die Angst vor Konsequenzen auf der einen und Scham bzw. Schuldgefühle auf der anderen Seite sind oft zu gross, als dass ohne
Rückfragen überhaupt darüber gesprochen wird.
2
Eisner, M.; Ribeau, D.; Bittel, S. (2006): Prävention von Jugendgewalt: Wege zu einer evidenzbasierten Präventionspolitik, BernWabern: Eidgenössische Ausländerkommission EKA.
3
Greber, F. (2010): Die Vielfalt und Komplexität Häuslicher Gewalt erkennen. In: Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich et al.
(Hrsg.): Häusliche Gewalt erkennen und richtig reagieren. 2. Überarbeitete Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 175-180.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Kinder als Mitbetroffene Häuslicher Gewalt, November 2013
107 Kinder als Opfer Häuslicher Gewalt
Mädchen und Jungen sind von Häuslicher Gewalt in der Elternbeziehung und/oder jeder partnerschaftlichen oder familiären Gewalt immer mitbetroffen, sei dies als ZeugInnen und/oder direkte Opfer. Die
heute bekannten gravierenden Folgen fordern eine noch stärkere interinstitutionelle, inter- und transdisziplinäre Auseinandersetzung sowie weiterreichende Massnahmen zur Früherfassung und Prävention sowie
1
zum Schutz der Kinder.
2
Schröttle et al. unterscheiden drei Typen von Gewaltbetroffenheit:
1. Einmalige oder geringe Häufigkeit/Intensität der Gewalt
2. Mässige bzw. hohe Häufigkeit/Intensität der Gewalt
3. Sehr hohe Häufigkeit/Intensität der Gewalt (Schröttle, Müller, Glammeier 2004).
In der Gruppe 3 zeigen Daten, dass Alkohol eine grössere Rolle spielt als in den beiden anderen Gruppen. Das gibt einen Hinweis auf die Gefährlichkeit, der in diesen Fällen oft völlig unkontrollierten Gewalt,
3
gleichzeitig aber auch auf eine Mehrfachbelastung der Kinder (Helfferich et al. 2004) .
Kinder erleben die Gewalthandlungen
Die auch von Müttern geäusserte Annahme, die Kinder wären aus dem Gewaltgeschehen herausgehalten
worden, erwies sich im Gespräch mit den Kindern meistens als eine Illusion.
- Sie sind in 80-90% der Fälle anwesend oder im Nebenraum.
- Sie erleben Gewalt unterschiedlicher Häufigkeit und Schweregrade.
- Sie erleben verbale, körperliche und sexuelle Gewalt.
- Sie sind häufig auf sich alleine gestellt, da beide Eltern von eigenen Konflikten und Problemen absorbiert sind.
- Sie haben Sorge um die jüngeren Geschwister.
- Sie erleben existenzielle Bedrohungen.
- Sie haben Angst, dass
- Vater und Mutter sterben könnten;
- die Mutter ohne sie weggeht, Suizid begeht;
- die Mutter sich trennt und dann vom Vater umgebracht wird;
- oder dass der Vater die Mutter, die Kinder und sich selbst tötet.
4
- Sie sind isoliert und stehen unter Druck, das Familiengeheimnis vor anderen zu wahren.
Die wissenschaftliche Begleitung von Interventionsprojekten gegen Häusliche Gewalt (WiBIG) von 1998
5
bis 2004 in Deutschland zeigt, dass Kinder in grosser Zahl nicht nur von Häuslicher Gewalt mitbetroffen
sind, sondern auch die staatliche Intervention miterleben. Die meisten dieser Kinder waren unter 12 Jahre
alt. Dies führte im Kanton Zürich dazu, dass sich zwei Pilotprojekte (KidsPunkt und KidsCare) des Amtes
für Jugend- und Berufsberatung zeitnah, d.h. so rasch als möglich, den Kindern und deren Bedürfnissen
angenommen haben.
Die Pilotprojekte wurden durch das Marie Meierhofer Institut für das Kind begleitend evaluiert Die Resultate zeigen, dass Kinder in über 40% direkt von Gewalt betroffen sind und massive, klinische Symptome
zeigen. Durch die rasche Ansprache durch Fachpersonen, die im Einverständnis der Eltern erfolgte, konnte den Kindern eine Orientierungshilfe geboten werden, die auch zur kurzfristigen Entlastung der Kinder
führte. Es wäre wünschbar, die zeitnahe Kinderansprache im ganzen Kanton einzuführen, damit die Zeit
zwischen Gewaltvorfall und dem Aktivwerden der Kinderschutzbehörden , überbrückt werden kann.
Die Folgen für die Kinder sind unterschiedlich
Angst, Schuld- und Schamgefühle der Mutter sind für die Kinder ebenso spürbar wie das spezifische
Trennungsverhalten. Eine Rolle spielt auch, ob die Mutter in der Lage ist, die Kinder zu schützen. Übt
auch sie gegen die Kinder Gewalt aus, beeinflusst dies zusätzlich die Befindlichkeit und den Umgang der
Kinder und Jugendlichen mit der Situation. Dies kann bedeuten, dass sie vergleichbare Schuldgefühle
entwickeln, weil sie die Gewalteskalationen nicht stoppen können. Oft werden auch ihre Bedürfnisse kaum
oder nicht wahrgenommen und sie erleben die mangelnde Selbstwirksamkeit als tiefgreifende Ohnmacht.
Diese Kinder werden z.B. als „HelferIn“ von der Mutter ausgenutzt und vom Vater instrumentalisiert, die
Mutter oder Geschwister zu kontrollieren und zu stalken.
1
Kavemann, B. (2000): Kinder und häusliche Gewalt - Kinder misshandelter Mütter. In: Kindesmisshandlung und Vernachlässigung,
Jahrgang 3, Heft 2, S. 106-120.
2
Schröttle, M.; Müller, U.; Glammeier, S. (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
3
Helfferich, C.; Kavemann, B.; Lehmann, K. (2004): „Platzverweis“: Beratung und Hilfen bei häuslicher Gewalt. Abschlussbericht eines
Forschungsprojektes im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Stuttgart: Sozialministerium.
4
Kavemann, B.; Kreyssig, U. (HG.) (2006): Handbuch Kinder und häusliche Gewalt, VS-Verlag Sozialwissenschaften, Wiesbaden
5
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004): Gemeinsam gegen häusliche Gewalt. Kooperation, Intervention,
Begleitforschung. Berlin.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Kinder als Mitbetroffene Häuslicher Gewalt, November 2013
Heidi Simoni differenzierte anlässlich einer Weiterbildung der IST für Fachleute (2013) altersspezifische
6
Unterschiede :
1. Im Vorschulalter
• existentielle Bedrohung
• alterstypische Fantasien, Zwiespälte, Ängste, Wut
• Allmacht ⇔ Ohnmacht
• Widersprüchen ausgeliefert sein
2. Im Primarschulalter
• Angst, Versagensgefühle, Ohnmacht, Wut
• Gefühl durch Fehlverhalten VerusacherIn zu sein
• Recht ⇔ Unrecht, moralische Entrüstung (ist möglich)
3. Im Jugendalter
• Schuldgefühle aufgrund von Ablösungswünschen und Verantwortungsübernahme
• Versagensgefühle, Ohnmacht, Wut
Erkenntnisse über (Häusliche) Gewalt bei Erwachsenen können nicht 1:1 auf Kinder und Jugendliche
7
übertragen werden. Eine zeitnahe und flächendeckende Beratung auch der Kinder und Jugendlichen als
Mitbetroffene und Opfer Häuslicher Gewalt fehlen. Im Rahmen von Prävention und Intervention muss die
Bedeutung der Peergruppe und des sozialen Nahraumes der Kinder und Jugendlichen geklärt werden.
Eine wichtige Frage ist: wirkt die Peergruppe und das Umfeld gewaltfördernd oder deeskalierend. Kindesschutz muss ein zwingend integrierter Bestandteil von Prävention und Bedrohungsmanagement sein.
Resilienz und Vulnerabilität
Die Ausprägung der Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) und die Stärke der Vulnerabilität (Verletzbarkeit) sind auch bei Kindern als Mitbetroffenen und Opfer Häuslicher Gewalt bedeutsam für die Art
des Umgangs mit extremen Belastungssituationen.
6
Simoni, H.; (2013): Vortrag 'Häusliche Gewalt und Kinder' anlässlich der IST-WB vom 27.02.2013
Kurzbericht. Evaluation der Projekte KidsCare und KidsPunkt im Kanton Zürich (2012):
http://www.zh.ch/internet/bildungsdirektion/ajb/de/forschung_entwicklung/gewaltbetroffene_kinder.html
7
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Corinna Seith, Juli 2011
108 Corinna Seith 1961 - 2010
Corinna Seith war zweifellos eine der ersten Forscherinnen, die sich mit Kindern im Kontext Häuslicher Gewalt befasste. Anstelle eines Nachrufes geben wir einen Text von Paula Lanfranconi, Journalistin in Zürich, wieder, mit dem sie anlässlich des 175. Jubiläums der Universität Zürich
im Jubiläumstram das Wirken von Corinna Seith würdigte. Der Text erschien auch im UniMagazin 2/2007.
Der erste Anrufer war ein türkischer Vater. Er bekannte, er habe seine Frau geschlagen. Man könne
kommen und ihn und seine Familie befragen. Corinna Seith war erstaunt - die Leiterin der Nationalfondsstudie zur häuslichen Gewalt aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen hatte Frauenhäuser und Opferhilfestellen kontaktiert, um von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder ausfindig zu machen. Und
jetzt meldete sich ein Mann. «Zuerst war ich misstrauisch», erzählt die Wissenschaftlerin. Doch der Familienvater habe ihre Bedingungen akzeptiert: getrennte Befragung aller Familienmitglieder und Vertraulichkeit.
Solche Interviews mit von häuslicher Gewalt betroffenen Familien ergänzen die grossangelegte schriftliche Befragung, die Seith zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Irene Böckmann durchgeführt hat: Im Rahmen
des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 52 «Kindheit, Jugend, Generationenverhältnisse im gesellschaftlichen Wandel» haben sie im Kanton Zürich 1400 Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 17 Jahren
schriftlich befragt und mit 29 Mädchen und Jungen zwischen 8 und 18 Jahren und ihren Müttern Interviews durchgeführt. Ergänzt wurde diese Erhebung durch Gespräche mit Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern und Opferhilfestellen in den Kantonen Bern, Luzern und Zürich. Die 2006 abgeschlossene, multimethodologisch angelegte Untersuchung ist eine Premiere im deutschsprachigen Raum.
Die Befragung förderte Überraschendes zu Tage: So hatten 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler
schon von häuslicher Gewalt gehört. Die Probleme mit Gewalt innerhalb der Familie vertrauen die Schülerinnen und Schüler am ehesten ihren Geschwistern, Gleichaltrigen, den Grosseltern und dem Sorgentelefon an. Lehrpersonen gegenüber sind sie sehr skeptisch. Ein 14-jähriges Mädchen schrieb: «Lehrer sind
einfach Lehrer und somit ‹Quälpersonen›. Man will nicht, dass sie wissen, was zu Hause abgeht.» Und
eine Dreizehnjährige befürchtete, Lehrpersonen könnten dem Jugendamt Bescheid sagen und die Kinder
von den Eltern wegholen.
Die Schule spielt auch bei der Vermittlung des Wissens über häusliche Gewalt nur eine untergeordnete
Rolle, sie rangiert erst an zweitletzter Stelle - anders als in England, wo sie an zweiter Stelle steht. Die
wichtigste Informationsquelle sind die Medien. Die Schule sollte mehr Verantwortung übernehmen, findet
Corinna Seith. Sie empfiehlt, das Thema Gewalt in Geschlechterbeziehungen in die Lehrpläne aufzunehmen. Der Forscherin fällt auch auf, dass die Schere zwischen den Geschlechtern extrem auseinander
geht: Neun- bis Elfjährige sind auf einem ähnlichen Kenntnisstand, doch ab zwölf nimmt das Wissen der
Mädchen stark zu, während jenes der Jungen stagniert. Für die Praxis, betont Seith, bedeute dies, dass
die Präventionsarbeit nicht erst in der Pubertät, sondern bereits bei den Neunjährigen beginnen sollte.
Wie erleben Kinder und Jugendliche häusliche Gewalt? Ein Teil ist selber direkt von physischer Gewalt
betroffen, andere beschrieben, welchen Turbulenzen sie ausgesetzt waren, wie bedrohlich für sie die Situation oft war, auch wenn nicht sie selbst, sondern «nur» die Mutter geschlagen wurde. Internationale
Studien zeigen, dass zwischen 10 und 30 Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Verlauf ihrer Kindheit
Zeugen von häuslicher Gewalt werden. Zwischen 30 und 60 Prozent dieser Kinder erlebten auch selber
Misshandlungen. Von ihnen zeigen 35 bis 45 Prozent klinische Auffälligkeiten. Seith kommt zum Schluss:
«Damit es nicht zu chronischen Störungen kommt, sollte die Situation der Kinder möglichst parallel zur
Beratung der Mütter abgeklärt werden. Und es sollten spezifische Unterstützungsangebote für die Kinder
entwickelt werden.» Solche gibt es in der Schweiz bisher nicht. Baden-Württemberg ist bereits ein Stück
weiter. Auf Grund von Seiths Studien hat man dort das Aktionsprogramm «Kinder als Zeugen häuslicher
Gewalt» gestartet, das sie wissenschaftlich begleitet.
Das Problem sei, konstatiert Corinna Seith, dass die verschiedenen Misshandlungsformen oft separat
betrachtet werden. Dabei gebe es häufig Überschneidungen zwischen Kindesmisshandlung, sexueller
Ausbeutung und häuslicher Gewalt. Diese müssten deshalb auch gemeinsam angegangen werden: «Bei
häuslicher Gewalt sind die Eltern oft nicht einfach nur überfordert und hilfebedürftig, sondern es gibt ein
Machtgefälle zwischen den Geschlechtern und eine klare Täter-Opfer-Struktur. Wenn man das nicht berücksichtigt, verkennt man auch, dass eine Mutter ihr Kind gar nicht schützen kann, weil sie selber von
Gewalt betroffen ist.» Deshalb müsse dieses Problem zuerst angegangen werden: «Der Schutz der Mutter
ist der beste Kinderschutz», bringt sie es auf den Punkt. Kinder, ist Seith überzeugt, seien eine gute Möglichkeit, Schieflagen im Geschlechterverhältnis zur Sprache zu bringen.
Für Seith ist es wichtig, dass mit ihren Forschungsergebnissen etwas passiert. Wenn sie ihre Arbeit präsentiert, stellt sie immer wieder fest, dass auch gestandenen Praktikern aus der Jugendhilfe, die sich in
ihrem Alltag mit Fällen von sexueller Ausbeutung und Kindesmisshandlung befassen, die Augen aufgehen.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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schwerpunkt
Schwerpunkt
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen
Kinder und häusliche Gewalt –
Herausforderungen für Behörden und Fachstellen
Behörden haben die Mitbetroffenheit von Kindern und
Jugendlichen als Zeugen und Opfer von häuslicher
Gewalt bislang nicht systematisch berücksichtigt,
kaum anders präsentiert sich die Forschungslage im
deutschsprachigen Raum. Eine im Rahmen des NFP 52
durchgeführte Untersuchung ermöglicht nun umfassende Ergebnisse vorzulegen. Was heisst Mitbetroffenheit? Welche Auswirkungen hat häusliche Gewalt auf
Kinder und Jugendliche? Sind die Unterstützungsangebote von Behörden und Fachstellen ausreichend?
Der Artikel plädiert dafür, die Mitbetroffenheit von
Kindern und Jugendlichen künftig systematisch in das
professionelle Handeln zu integrieren und macht Vorschläge, wie bestehende Lücken im Angebot geschlossen werden könnten.
Corinna Seith
Pädagogisches Institut,
Universität Zürich
1 Die Änderung des Strafgesetzes (SR3111) trat am 1.4.2004 in Kraft. Im
Juni 2006 verabschiedete das Parlament eine Änderung des ZGB (Art.
28b zum Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen und
Nachstellungen). Einige Kantone wollten die Revision des ZGB nicht
abwarten und änderten ihre kantonalen Gesetze bereits vorher (z.B.
St.Gallen).
2 Eine Ausnahme bildet die traumatheoretische Studie von Strasser
(2001), die auf Interviews mit Kindern und Müttern in einem Frauenhaus in Österreich basiert.
3 Das Projekt «Häusliche Gewalt aus Sicht von Kindern und Jugendlichen» wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogamms 52
«Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen
Wandel» durchgeführt (Nr. 405240-68971, www.nfp52.ch). Leitung:
Dr. Corinna Seith, wissenschaftliche Mitarbeiterin: lic. phil. Irene Böckmann. Interessierte LeserInnen mögen sich für weitere Publikationen
über die Homepage des Schweizerischen Nationalfonds auf dem Laufenden halten oder sich direkt an die Autorin wenden. Dr. Corinna
Seith, Universität Zürich, Freiestr. 36, 8032 Zürich, Tel. 0041 (0)44
634 27 57, Email: [email protected].
1. Kinder und häusliche Gewalt – ein neues
Thema auf der Agenda
Seit Mitte der 1990er Jahre konzentrierten sich die
(fach-)öffentlichen Diskussionen auf die Frage, inwieweit Institutionen Gewalt in Ehe und Partnerschaft
steuern können und welche Reformen notwendig wären, um nicht nur die Opfer besser zu schützen, sondern
auch die Täter konsequenter zur Verantwortung zu ziehen (Seith, 2003). Forschungen in den USA wiesen bereits in den 1980er Jahren die Bedeutung von Rechtsund Polizeireformen nach. Auch in der Schweiz wurde
der Weg zu Rechts- und Institutionenreformen beschritten, namentlich die unter dem Begriff der «Offizialisierung von häuslicher Gewalt» bekannt gewordene
Gesetzesreform und das «Gewaltschutzgesetz», das die
Wegweisung der gewaltbereiten Person erlaubt.1 Gerade das Gewaltschutzgesetz ist für die mibetroffenen
Kinder und Jugendlichen von besonderer Bedeutung,
weil es eine Alternative zur Flucht ins Frauenhaus darstellt und umfassendere Möglichkeiten bietet, Schutz
und Sicherheit im vertrauten Umfeld zu schaffen. Die
Implementation des Gewaltschutzgesetzes in Österreich seit 1997 und in Deutschland seit 2002 zeigt, dass
es bei den Opfern und auch bei der Polizei auf grosse
Akzeptanz stösst. Im Zuge der Rechts- und Institutionenreformen wurden in interinstitutionellen Kooperationsgremien bestehende Vorgehensweisen überprüft
und Strategien zur Optimierung der Praxis entwickelt.
Zahlreiche Aspekte, die im Hinblick auf einen professionellen Umgang mit häuslicher Gewalt zu berücksichtigen sind, wurden erörtert, doch es fällt auf, dass die
Situation von Kindern und Jugendlichen, die im Kontext von häuslicher Gewalt aufwachsen, nicht in gebührendem Masse Berücksichtigung fand.
Für eine fundierte Fachdiskussion fehlten darüber
hinaus wissenschaftliche Grundlagen. Im Unterschied
zum anglo-amerikanischen Raum und zu Skandinavien
ist die Situation von Kindern, die im Kontext von häuslicher Gewalt aufwachsen, in der deutschsprachigen
Forschung bis zu Beginn des Milleniums als eigentliche
«terra incognita» zu bezeichnen (Seith, 2006).2 Mit einem vom Schweizerischen Nationalfonds (NFP 52) und
vom Bundesamt für Sozialversicherungen finanzierten
Forschungsprojekt liegen nun Ergebnisse vor, die auf
30 Interviews mit betroffenen Kindern und Jugendlichen (im Alter zwischen 8 und 18 Jahren) und einer
schriftlichen Befragung der allgemeinen Population
von SchülerInnen im Alter zwischen 9 und 17 Jahren
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
249
Schwerpunkt
(N=1400) im Kanton Zürich basieren und ferner die
Perspektive von gewaltbetroffenen Müttern und Fachstellen in den Kantonen Bern, Luzern und Zürich erfassen (Seith & Böckmann, 2006).3
2. Aufwachsen im Kontext von häuslicher
Gewalt
Häusliche Gewalt, wenn es sich um ein Muster von
Macht, Kontrolle und Gewalt handelt, strukturiert das
Familienleben und das Verhältnis der Generationen
und Geschlechter durch alltägliche Praktiken von Dominanz und Macht.
Direkte Zeugenschaft kann nicht nur verbale Auseinandersetzungen und Erniedrigungen umfassen, sondern auch Tätlichkeiten, massive Bedrohung (auch mit
Waffen) wie auch schwere physische und sexuelle Gewalt. Eine 13-Jährige, die im Rahmen der erwähnten
NFP 52 Studie interviewt wurde, erinnerte sich, wie sie
nachts aufwachte, sich heranschlich und sah, wie ihr Vater ihre Mutter an die Wand drückte, sie mit einem
Gürtel bedrohte und dass die Mutter im Gesicht blutete. Eine 8-Jährige beschrieb im Detail, wie ihr Vater ihre Mutter packte und schlug, dass er wütete und manchmal die ganze Wohnung demolierte. Beide haben Kontakt zum Vater, wobei die daraus entstehende Belastung für die Kinder gross erschien. Ein 9-jähriges Mädchen fiel in Ohnmacht und erlitt einen Schock, als sie
aus Angst versuchte wegzulaufen und der Vater ihr den
Fluchtweg versperrte. Sie hatte keinen Kontakt zum
Vater, fürchtete sich aber davor, dass er ihr auflauern
könnte, da er mit Kindsentführung gedroht hatte. Sexuelle Gewalt nannten die Kinder und Jugendlichen in
den Interviews selbst nicht bzw. aus forschungsethischen Gründen wurde von der Frage Abstand genommen, doch die Interviews mit den Müttern und der Einblick in die Wohnsituation lassen darauf schliessen, dass
die Väter in dieser Beziehung rücksichtslos handelten
und die Versuche der Mütter, die Kinder zu schützen,
nicht immer gelingen konnten.
Kinder sind nicht nur Zeugen und aufgrund des Kontexts, in dem sie aufwachsen, belastet, sondern ein Teil
der Kinder erfährt selbst auch Misshandlungen und sieht,
wie die Geschwister geschlagen werden. Ein 8-jähriges
Mädchen erzählte, dass der Vater sie und ihren Bruder
oft schlug, wohin er schlug, was er dabei zu Hilfe nahm.
Zum Teil sei es ihr gelungen, aus der Wohnung zu rennen und sich bei den Nachbarn in Sicherheit zu bringen.
Zum Alltag der meisten Kinder und Jugendlichen gehört es, Eskalationen und Übergriffe mitzuhören. Oft
werden die Kinder ins Zimmer geschickt, aber sie hören
dennoch den Streit. Um nicht den Zorn des Vaters auf
sich zu ziehen, «haben wir zusammen heimlich geweint», wie ein 11-jähriger Junge über sich und seine
250
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen
zwei jüngeren Geschwister erzählte. Viele Kinder beschrieben, wie die 13-Jährige weiter oben, dass sie aus
dem Schlaf gerissen wurden und versuchten herauszufinden, was vor sich geht. Es sind oft Anblicke des
Schreckens, mit denen sie konfrontiert sind. Geschwister handeln zuweilen aus, wer die Situation ausspähen
muss, während die anderen voller Angst zurückbleiben.
Selbst wenn Kinder und Jugendliche nicht zugegen
waren, so erkennen sie an den Verletzungsfolgen und
der veränderten Atmosphäre, dass es wieder Streit gegeben hat. Manche Kinder versuchten nachzufragen, bei
wiederholter Gewalt erübrigte sich aus Sicht einer 12Jährigen die Nachfrage. Das blaue Auge der Mutter
war für sie selbsterklärend.
Mitbetroffenheit von häuslicher Gewalt kann, wie
deutlich wurde, bedeuten, dass Kinder direkte Zeugen
werden von Gewalt des Vaters an der Mutter, sie diese
mithören oder die Verletzungsfolgen sehen. Ferner lassen die Interviews erkennen, dass ihr Kontext des Aufwachsens von vielfältigen symbolischen Praktiken charakterisiert ist, die auf die Abwertung der Mutter abzielen und die Funktion haben, eine soziale Ordnung im
Geschlechter- und Generationenverhältnis herzustellen, die nicht auf Egalität, sondern auf Asymmetrie und
Hierarchie basiert. Aussagen wie «Sie konnte ihm nie etwas recht machen» oder «einmal war ihm das Essen zu
heiss, ein anderes Mal war ihm das Essen zu kalt» lassen
erkennen, dass die Kinder ein feines Gespür für ordnungsstiftende Alltagsrituale entwickeln.
Auch wenn sie nicht selbst von direkter Gewalt betroffen sind, lernen sie, dass ihnen Gleiches drohen
kann wie der Mutter oder ihren Geschwistern, wenn sie
sich nicht den Vorgaben des Vaters anpassen und
unterordnen. Zu beachten ist, dass gewaltbereite Elternteile Spaltungen zwischen den Geschwistern durchaus strategisch vornehmen.
Für die Einschätzung der Situation der Kinder ist nicht
nur eine differenzierte Phänomenbeschreibung wichtig,
sondern es stellt sich auch die Frage nach der Prävalenz
und den Auswirkungen auf betroffene Kinder und Jugendliche. Es liegt eine kleine Anzahl von Studien vor,
die Hinweise geben, wie häufig Kinder und Jugendliche
von häuslicher Gewalt betroffen sind. Diesen Studien zu
Folge werden zwischen 10 und 30 Prozent aller Kinder
und Jugendlichen im Verlauf ihrer Kindheit Zeugen von
häuslicher Gewalt (Baldry, 2003; Indermaur, 2001; Pfeiffer, Wetzel, & Enzmann, 1999). Legt man einen Zeitraum
von 12 Monaten zugrunde, dann wissen zwischen 10 und
16 Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter von Gewalttätigkeiten, die ihre Mütter von Seiten des Vaters,
Freundes oder Expartners erleiden. Obwohl es in unserer
im Kanton Zürich durchgeführten Befragung nicht erlaubt war, nach der Betroffenheit der SchülerInnen zu
fragen, gaben trotzdem 2 Prozent an, dass sie die Problematik selbst kennen (Seith & Böckmann, 2006).
Schwerpunkt
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen
Mitbetroffenheit von häuslicher Gewalt heisst empirisch gesehen meist, dass Kinder und Jugendliche Zeugen von Gewalt des Vaters oder des Partners an der
Mutter werden. Doch Kinder sind, wie bereits gezeigt
wurde, nicht nur Zeugen von häuslicher Gewalt, sondern erleben selbst auch Gewalt, wobei es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Gewalt gegenüber
der Mutter und Misshandlung der Kinder gibt. Die bisherige Forschungslage legt eine Überschneidung in 30
bis 60 Prozent der Fälle nahe (Edleson, 2001). Studien,
die auf von Fachstellen deklarierten Fällen von Kindsmisshandlung und/oder sexueller Ausbeutung basieren,
weisen erwartungsgemäss höhere Überschneidungsquoten mit häuslicher Gewalt auf: bei sexueller Ausbeutung und häuslicher Gewalt liegt diese zwischen 40
und 69 Prozent (Hester & Pearson, 1998), bei Kindsmisshandlung (physisch) wuchs mehr als die Hälfte der
Kinder im Kontext von häuslicher Gewalt auf (Hester,
2000). Eine neuere Studie des englischen NSPCC ergab, dass 80 Prozent der schwer körperlich misshandelten Kinder auch Gewalt des Vaters gegen die Mutter
kannten (Cawson, Wattan, Brooker, & Kelly, 2002).
Die Erfahrungen von Kindern, die im Kontext von
häuslicher Gewalt aufwachsen, untermauern komplexe
Konzeptionalisierungen von häuslicher Gewalt: Ihre
Aussagen bestätigen, dass häusliche Gewalt nicht auf
physische Gewalt oder andere im Strafrecht codierte
Übergriffe reduziert werden kann, vielmehr umfasst
häusliche Gewalt vielfältige Formen der Macht- und
Kontrollausübung, einschliesslich sexuelle Gewalt. Im
Leben der Kinder sind die verschiedenen Formen von
Macht, Dominanz und Gewalt meist miteinander verquickt. Wie die Mitbetroffenheit gelagert ist, muss deshalb im Einzelfall diagnostiziert werden, auch wie stark
Kinder und Jugendliche belastet sind. Die hauptsächlich in den USA durchgeführten Studien und Metaanalysen legen den Schluss nahe, dass zwischen 35 und 45
Prozent der Kinder, die Zeugen und/oder Opfer von
häuslicher Gewalt werden, klinische Auffälligkeiten
zeigen (Hughes, Graham-Bermann, & Gruber, 2001).
Dieses Ergebnis verweist auf die Notwendigkeit systematischer und zeitnaher Abklärung der Situation der
Kinder und Jugendlichen und auf die Bedeutung von
Schutz durch Behörden sowie Unterstützungsangebote
für diese Zielgruppe, um die Chronifizierung von Störungen zu verhindern und die Resilienz der Kinder zu
fördern.
3. Schutz der Mütter ist der beste
Kinderschutz
4 Da in nur wenigen Fällen Väter Opfer von Gewalt der Partnerin sind,
werde ich im Weiteren von den Müttern sprechen.
Die Sicherheit und das Wohl von Kindern und Jugendlichen, die im Kontext von häuslicher Gewalt
aufwachsen, ist eng an die Sicherheit der Mütter
gekoppelt, welchen Schutz sie vor weiterer Gewalt
erhalten und welche Unterstützungsmöglichkeiten
verfügbar sind.4 Kinder spielen in den Abwägungen
der Mütter eine doppelte Rolle: zunächst sind Kinder
ein zentraler Grund, an der Beziehung festzuhalten;
scheitern alle Versuche und dauert die Gewalt an, ist
es die Sorge um das Wohl der Kinder, das Mütter
nach Auswegen suchen lässt (Flucht ins Frauenhaus,
Trennung, Einschalten der Polizei, Anzeige u.ä.). Kulturelle Vorstellungen von der «guten» Mutter, die die
Familie zusammenhält, sich dem Wohl der anderen
Familienmitglieder unterordnet, sich für ihre Kinder
aufopfert wie auch der soziale Druck, eine komplette
Familie aufrechtzuerhalten, müssen von jeder einzelnen Frau, trotz aufgebrochenen Geschlechterarrangements, der hohen und steigenden Scheidungsquote
und den Freisetzungserfolgen für Frauen, neu überdacht werden. In diesem Klärungsprozess bieten
Frauenhäuser und Opferberatungsstellen wichtige
Unterstützung.
Bei diesen Abwägungen sind auch mögliche neue
Gefahren zu berücksichtigen, denn während der Verbleib mit dem gewalttätigen Partner mit vielen Risiken
verbunden ist, kann auch die Trennung neue Risiken in
sich bergen. Während empirische Studien nachweisen,
dass Trennung nebst konsequentem Schutz durch Polizei und Justiz zur Beendigung der Gewalt beiträgt, war
mindestens ein Drittel der Frauen daraufhin mit Trennungsgewalt/Stalking konfrontiert (Seith, 2003; Walby
& Allen, 2004). Auch einige der interviewten Mädchen
und Jungen kannten diese Problematik und erlebten,
dass der Vater die Mutter über Jahre hinweg immer
wieder verleumdete, der Vater oder Expartner der
Mutter auflauerte und die Mutter bedrohte. Eine 13Jährige erzählte, dass ihr Vater ihre Mutter seit Jahren
immer wieder als Prostituierte verleumdete, was insofern absurd ist, als die Frau in einer Wissenschaftsorganisation arbeitete.
Aus der Sicht der meisten interviewten Kinder, von
denen bis auf zwei vom Vater getrennt lebten, war die
Trennung der Eltern letztlich eine Erleichterung. Sie
stellten eine Verbesserung ihrer Lebensqualität fest.
Eine Kindheit, in der das Grundbedürfnis nach
Sicherheit, Schutz vor Gewalt, Ruhe und Stabilität gesichert ist, betrachteten sie als eindeutigen Vorteil der
neuen Lebenslage, wie auch die Aussagen zweier Kinder zeigen: «Dass es kein Theater mehr gibt», (…) «weil
ich wieder ruhig schlafen kann» (Junge, 10 Jahre) «weil
ich nicht mehr verprügelt werde. Er hat uns immer ge-
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
251
Schwerpunkt
hauen, das habe ich nicht schön gefunden.» (Mädchen,
8 Jahre).
Manche waren sogar der Meinung, ihre Mütter hätten sich früher trennen sollen oder sie sollten auf keinen
Fall einen erneuten Versuch in Erwägung ziehen:
«Sich nach dem ersten Mal gleich trennen, ich
weiss auch nicht, sich zurückziehen, weggehen
irgendwie. Ich meine, du hast ja selber Schuld,
wenn du bleibst.»
(Mädchen, 12 Jahre).
«Sie sollte einfach nicht mehr mit meinem Vater
zusammenleben, weil, ja sie hatte dort zu wenig
Freiraum. Meinem Vater passte es einfach nicht,
dass meine Mutter, ähm, ja allein steht, also sozusagen ohne ihn klarkommt. Das passte ihm einfach nicht.»
(Mädchen, 11 Jahre)
Trennen sich die Mütter erst, wenn die Kinder älter
sind, so besteht die Gefahr, dass sich die Kinder von der
Mutter distanzieren, die Kinder die Perspektive des abwertenden Vaters übernehmen und die Beziehung zur
Mutter unterhöhlt wird. Es ist wichtig, Offenheit über
die Gewaltproblematik herzustellen und dass Professionelle in diesem Klärungsprozess Unterstützung anbieten. Für die Beziehung der Kinder zu ihren Eltern
macht es einen Unterschied, ob sie den wahren Grund
der Trennung kennen. Kommt es hier zu Umdeutungen, Verzerrungen und Verharmlosungen und ist z.B.
die Rede von Meinungsverschiedenheiten, etwa über
Religionsfragen, wie im Gespräch mit zwei Kindern
deutlich wurde, dann bleibt das Handeln der Mutter unverständlich und es eröffnet sich ein interpretatorischer
Spielraum, der zur Manipulation der Kinder genutzt
werden kann.
Für die Sicherheit und das Wohl der Kinder ist es elementar, dass Trennungsgewalt als typisches Muster von
häuslicher Gewalt erkannt wird und Institutionen der
Tendenz zur Verharmlosung entgegenwirken. Insbesondere Entscheidungen über das Umgangsrecht sollten auf dem Hintergrund des Fachwissens über Trennungsgewalt/Stalking getroffen werden. Wie Studien
aus England und Skandinavien belegen, wird die Gewaltgeschichte und die Frage von Trennungsgewalt
nicht ausreichend erfasst und nicht systematisch als Belastung bzw. als Risikofaktor bewertet, mit der Folge,
dass das Recht des biologischen Vaters auf Kontakt allzu oft über das Kindeswohl gestellt wird (Hester &
Radford, 1996).
Darüber hinaus werfen Trennungserwägungen Fragen nach der ökonomischen Absicherung auf. Eine
Analyse von Sozialdienstakten im Hinblick auf häusliche Gewalt im Kanton Freiburg ergab, dass in 80 Prozent der Fälle minderjährige Kinder im Haushalt lebten
(Seith, 2003). In der Hälfte der Fälle war die Gewalt des
Ehemannes der Grund für die Trennung. Dass die Müt-
252
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen
ter mit ihren Kindern zu Sozialhilfempfängerinnen werden, hat seinen Grund in der Art und Weise, wie Gerichte ihre Entscheidungen treffen. In Fällen, in denen
das Haushaltseinkommen nicht ausreichend ist, halten
die Gerichte den erwerbstätigen Vater ökonomisch unabhängig; die Mütter werden mit den Kindern an den
Sozialdienst verwiesen. Hier zeigt sich, wie die Entstehung von Frauen- und Kinderarmut mit dem Aufbrechen von Machtstrukturen im Privaten verquickt sein
kann. Um Sicherheit vor Gewalt zu erlangen, sieht sich
ein Teil der Mütter genötigt, neue Abhängigkeiten einzugehen und die Abhängigkeit vom Alleinernährer
durch Abhängigkeit vom staatlichen Sicherungsnetz in
Kauf zu nehmen (Seith, 2003).
4. Alte Probleme – neue Erkenntnisse –
interessante Herausforderungen?
Kinder, die im Kontext von häuslicher Gewalt aufwachsen, sind darauf angewiesen, dass Fachstellen und
Behörden sich auch um ihr Wohl kümmern. Analysen,
die auf Fällen basieren, die Institutionen bekannt wurden, belegen, dass Mütter mit minderjährigen Kindern
zur Kerngruppe der Nutzerinnen gehören und zeigen,
dass Kinder, wie die erwachsenen Opfer, über verschiedene Wege in die Institutionenkette kommen können.
Frauenhäuser befassen sich vergleichsweise intensiv
mit dieser Gruppe von Kindern. Sie scheinen die einzigen Stellen zu sein, die die Situation der Kinder auch im
Vorfeld der Entstehung massiver Auffälligkeiten systematisch abklären und ihnen Betreuung anbieten. Eine
Studie im Kanton Freiburg zeigt, dass 70 Prozent der
Frauenhausklientel Mütter mit minderjährigen Kindern waren (Seith, 2003). Ähnliche Zahlen liegen auch
von der Frauenhauskoordinierung in Deutschland vor
(Kavemann, 2006). Kommen die Kinder ins Frauenhaus, dann hängt es von der jeweiligen Konzeption ab,
wie mit ihnen gearbeitet wird. Die Interviews mit Mitarbeiterinnen zeigen, dass verschiedene Modelle seit
Gründung der Frauenhäuser erprobt wurden. Inzwischen zeichnet sich eine Tendenz in Richtung Spezialisierung und Trennung der fachlichen Arbeit mit den
Frauen und Kindern bei gleichzeitiger Aufwertung des
Kinderbereichs ab.
Bei den interviewten Kindern hat das Frauenhaus
keinen Schaden hinterlassen. Ihre Bewertung hängt
entscheidend davon ab, ob kindgerechte Angebote gemacht und altersgerechtes Spielmaterial zur Verfügung
stand, ob sie sich wohlfühlten, ob schöne Dinge unternommen wurden, die von den Sorgen mit der Familie
ablenkten und ob sie sich mit anderen Kindern anfreunden konnten. Dies gilt für Jungen und Mädchen
gleichermassen. Als Besonderheit war festzustellen,
dass Kinder, die im Frauenhaus waren, eine relativ
Schwerpunkt
klare Sicht von der Problematik hatten, man mit ihnen
gesprochen hatte und ihnen dadurch die Situation verständlicher wurde.
Frauenhäuser bearbeiten mit den Müttern auch Erziehungsfragen, versuchen Offenheit nicht nur über die
Gewalt, sondern auch über Erziehungsprobleme und
problematisches Erziehungsverhalten der Mutter zu
schaffen. Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
übernehmen sie auch eine Vermittlungsfunktion zum
Jugendamt und versuchen Ängste und Barrieren abzubauen. Frauenhäuser beraten die Mütter und Kinder
auch in der Frage, wie die Abwesenheit des Kindes vom
Unterricht und der Wiedereinstieg kommuniziert werden können. Ein 12-jähriger Junge erlebte es als grosse
Erleichterung, dass die Lehrerin die Klasse informiert
hatte und er nicht von jedem Kind einzeln auf die Gründe seiner Abwesenheit angesprochen wurde.
Die Interviews mit den Opferhilfeberatungsstellen
ergaben, dass die Frauen- und Kinderberatung in der
Organisation in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist.
Dies hat für von häuslicher Gewalt betroffene Kinder
zur Folge, dass sie zwischen Stuhl und Bank fallen.
Konzeptionell ist nicht vorgesehen, dass die für die
Frauenberatung Zuständigen auch die Situation der
Kinder abklären, da die Frau im Zentrum der Beratungsarbeit steht und nicht die Frau als Mutter. Die
Kinder können in der Beratung zum Thema werden, sofern die Mutter das wünscht, dann übernimmt die Opferhilfestelle auch Triage-Funktion, doch die Beraterinnen werden von sich aus nicht aktiv und übernehmen
keine Koordinationsaufgaben in Angelegenheiten, die
die Kinder betreffen. Zwischen der OHG-Frauen- und
der OHG-Kinder-Beratung besteht bei häuslicher Gewalt keine systematische Verbindung. Die organisatorische Aufteilung der beiden Bereiche kann so, wie sich
zeigt, den Bedürfnissen nach einer zeitnahen Abklärung der Situation der mitbetroffenen Kinder nicht gerecht werden.
Bei der Polizei ist davon auszugehen, dass in mindestens der Hälfte der Fälle Kinder involviert sind (Helfferich, Lehmann, Kavemann, & Rabe, 2004; Seith, 2003).
Die Einführung des Gewaltschutzgesetzes scheint an
dieser Zahl wenig zu ändern. Auswertungen von Polizeieinsätzen in Berlin (WIBIG, 2004) und von Platzverweisen im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes in BadenWürttemberg belegen, dass Kinder in 53 % bis 61% der
Fälle am Tatort anwesend waren (Helfferich et al.,
2004; Kavemann, 2006). Die Analyse von zivil- und fa5 Die Tagung fand am 23.1.2006 in Zürich statt und wurde von der Kommission für Kindesschutz des Kantons Zürich und dem Strategischen
Kooperationsgremium für häusliche Gewalt des Kantons Zürich organisiert.
6 Da die Bezeichnungen und Strukturen in den verschiedenen Kantonen
nicht einheitlich sind, verwende ich den Begriff Jugendamt, der je nach
lokalen Gegebenheiten die Vormundschaftsbehörde, Jugendamt, Amt
für Erwachsenen- und Kinderschutz u.ä. meint.
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen
milienrechtlichen Verfahren im Zusammenhang mit
dem Gewaltschutzgesetz ergab, dass in fast Dreiviertel
der Fälle, in denen Anträge nach dem Gewaltschutz
vorlagen, Kinder im Haushalt lebten. In 22 % der Fälle
wurden verschiedene Formen körperlicher Gewalt an
Kindern dokumentiert (Rupp, 2005 in Kavemann,
2006).
Die Frage stellt sich, welche Schritte die Polizei ergreifen soll, wenn Kinder bei häuslicher Gewalt involviert sind. An einer Anfang 2006 im Kanton Zürich
durchgeführten Fachtagung5, an der erste Ergebnisse
der Nationalfondsstudie zum Thema «Kinder und häusliche Gewalt» vorgestellt wurden, zeigte sich, dass es
bislang keine systematisch geführte Fachdiskussion
gab. Die VeranstalterInnen betonten, dass erstmals
VertreterInnen der Opferhilfe, der Polizei, der Justiz
und der Jugend- und Familienhilfe zu diesem Thema
zusammenkamen. Diskutiert wurde auch, ob die Polizei
von nun an bei allen Polizeieinsätzen von häuslicher
Gewalt dem Jugendamt6 eine Gefährdungsmeldung
übermitteln sollte. Diese Frage wird auch in anderen
Ländern kontrovers diskutiert. Das Verfahren der
Weiterleitung wird in Baden-Württemberg erprobt,
wobei sich bei der Implementation bereits zeigt, dass
die Kriterien, nach denen die Weiterleitung erfolgt, uneinheitlich sind (Seith und Kavemann, 2006). Ferner
bestehen Bedenken, dieses Vorgehen könnte gewaltbetroffene Mütter abschrecken. Umso wichtiger ist es,
dass die Jugendhilfe eine professionelle Praxis auf fachlich hohem Niveau leistet. Ein Anfang wurde mit der
Veranstaltung von Fachtagungen in einigen Kantonen
gemacht. Deutlich wurde, dass MitarbeiterInnen der
Jugendhilfe zwar die Problematik kennen, aber diese
bislang unter der Kategorie «multiple Problemlagen»
subsumiert wurde. Dies ist auch in Deutschland nicht
anders. Berlin, wo das vom Bundesministerium seit
Jahren geförderte Modellprojekt BIG ansässig ist, erfasst erst seit 2004 in der Hilfeplanstatistik für Hilfen
zur Erziehung (Art. 27 ff SGB VIII) systematisch häusliche Gewalt (Kreyssig, 2006). Statistische Grundlagen
sind wichtig und nützlich, doch im ganzen deutschsprachigen Raum sind wissenschaftliche Studien über die
Praxis der Jugend- und Familienhilfe ausstehend. Mit
einem vom Schweizerischen Nationalfonds bewilligten
Forschungsprojekt wird es möglich sein, künftig auch
diese Lücke zu schliessen und einen Beitrag zur Professionalisierung der Jugendhilfepraxis im Umgang mit
häuslicher Gewalt zu leisten.
5. Zeitnahe Beratung und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche
Häusliche Gewalt reflektiert Spannungen und das
Aufbrechen von Hierarchien und Machtstrukturen im
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253
Schwerpunkt
Geschlechter- und Generationenverhältnis. Die Mitbetroffenheit von Kindern und Jugendlichen wurde bislang unterschätzt. Die Frage nach Auswirkungen auf
die nächste Generation (Stichwort intergenerationelle
Transmission) und welchen Beitrag Behörden und
Fachstellen leisten zur Prävention weiterer Gewalt, zur
Abwendung der Chronifizierung von Störungen und
zur Bewältigung von Schieflagen im Geschlechter- und
Generationenverhältnis steht zur Diskussion. Die
Schweiz hat 1997 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, mit welcher die Staaten erklären, das Recht auf
Schutz vor Gefahren und Sicherstellung der Grundbedürfnisse von Kindern zu garantieren. Das Recht von
Kindern auf Schutz vor weiteren Gefahren und mit ihren eigenen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden,
sollte auch für Kinder, die im Kontext von häuslicher
Gewalt aufwachsen, eingelöst werden.
Auf dem Hintergrund der Forschungslage, von Erfahrungen im Ausland und der Diskussionen mit Behörden und PraktikerInnen ergeben sich folgende Implikationen für die Optimierung der Sicherheits- und
Hilfeplanung für von häuslicher Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche:
1. zeitnahe, systematische Abklärung der Situation der
Kinder und Jugendlichen, möglichst als Parallelberatung zur Beratung der Mütter. Die Parallelberatung
sollte den Unterstützungsbedarf und die Situation
mit dem Kind abklären.
2. Unterstützungsangebote, die den individuellen Problemlagen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden. Aus diesem Grund kommen idealerweise verschiedene Methoden zum Einsatz wie Einzel- und
Gruppenarbeit sowie aufsuchende Arbeit. Erfahrungen liegen bereits vor mit aufsuchender Arbeit, die
bei den Müttern auf grosse Akzeptanz stösst
(Humphreys & Thiara, 2002; Seith & Kavemann,
2006).
Ferner ist es wichtig, das öffentliche Bewusstsein für
die Problematik zu schärfen und Kinder und Jugendliche als Zielgruppe von Präventionsanstrengungen einzubeziehen (Seith, 2006). Verstärkte Kooperationen
zwischen Schulen, der Kinder- und Jugendhilfe sowie
der Fraueneinrichtungen scheinen hier sinnvoll.
Corinna Seith, Dr. phil., Universität Zürich, Pädagogisches Institut,
Leiterin von Forschungsprojekten und Lehrbeauftragte an in- und
ausländischen Universitäten. E-Mail: [email protected]
254
Soziale Sicherheit CHSS 5/2006
Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Minderjährige, die Häusliche Gewalt ausüben, November 2013
109 Minderjährige, die Häusliche Gewalt ausüben
Kinder und Jugendliche können gegenüber verschiedenen Personen Gewalt ausüben.
- Häusliche Gewalt gegen Eltern (auch Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern)
- Häusliche Gewalt gegen Geschwister (auch Halb-, Stief- und Pflegeschwister, Cousins, Cousinen)
- Häusliche Gewalt in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen
Häusliche Gewalt Minderjähriger gegen Eltern
Meistens wird bei der Gewalt gegen Eltern oder Elternteile davon ausgegangen, dass es sich um eine familiäre Machtumkehr handle und sich die Eltern gegenüber den Kindern zu wenig durchsetzen. Dies, so
zeigt die Praxis, ist aber nur eine der möglichen Erklärungen. Gewalteskalationen und -dynamiken unterscheiden sich auch je nach gesellschaftlichem Kontext, Alter, Geschlecht, Zeitpunkt des Beginns der Gewalt und der Beziehungskonstellation.
Gewalt gegen Eltern hat verschiedene Formen:
- unrealistische Forderungen an die Eltern
- Erwartung, dass die Eltern (egal, was sie gerade machen) sofort auf die Jugendlichen eingehen
- von zu Hause wegrennen oder gar nicht nach Hause kommen
- verletzen oder gar verstümmeln der Eltern.
Allen ist gemeinsam, dass sie nicht vereinzelt, sondern in einer Serie von verbalen oder physischen Tätlichkeiten, die das Autoritätsgefälle zwischen Eltern und Kindern angreifen, ausgeübt werden. Nach Wilhelm Rotthaus und Hilde Trapmann ist die Dauer der elterlichen Misshandlung für die Folgen entschei1
dend.
2
Robinson et al. (2004) quantifizieren die häufigsten Arten der Elternmisshandlung:
- 57% physische Gewalt
- 22% verbale Gewalt
- 17% Gebrauch von Schusswaffen, Messer oder gefährlichen Gegenständen
- 5% werfen von Gegenständen
Bei Häuslicher Gewalt Minderjähriger gegen Eltern können drei Formen der Eskalation unterschieden wer3
den (Greber 2010) :
Eskalation als
Serie von Tätlichkeiten
Eskalation als
Macht-Umkehr
Eskalation als
Gewalt-Muster
(aus fehlender Elternkompetenz)
(aus Angst oder fehlender
Elternkompetenz)
(aus Angst)
-
Bei der Eskalation als Serie von Tätlichkeiten verläuft die Gewalt oft schubweise mit Gewaltpausen.
Eltern hoffen immer wieder, dass sich die Situation beruhigt hat, ohne dass weiterführende Interventionen (auch von aussen) notwendig werden.
Bei der Eskalation als Machtumkehr spielt die Angst der Eltern vor den Kindern/Jugendlichen und
häufig fehlende oder mangelnde Elternkompetenz eine wichtige Rolle. Eltern lassen ihre Kinder
machen, was sie wollen.
Bei der Eskalation als Machtmuster zeigt sich eine Wiederholung immer gleicher Gewaltabläufe,
was viele elterliche Opfer derart erschüttert, dass sie handlungsunfähig werden.
Allen Eskalationsmustern ist gemeinsam, dass die Gewalt nicht vereinzelt, sondern über längere Zeit
4
und teilweise gar gewohnheitsmässig angedroht oder ausgeübt wird (Cottrell 2002).
- In einigen Studien wird davon ausgegangen, dass
- ca. 10% der Kinder, die ihre Eltern misshandeln, unter 10 Jahre alt sind,
- ca. 80% der Misshandlungen sich gegen die Mütter richten und
5
- ca. 20% der Misshandlungen sich gegen die Väter richten (Robinson et al. 2004 , Rotthaus et al.
2004).
1
Rotthaus, W.; Trapmann, H. (2004): Auffälliges Verhalten im Jugendalter. Handbuch für Eltern und Erzieher. Bd. 2. Dortmund: Verlag
modernes Lernen
Robinson, P. W., Davidson, L. J., & Drebot, M. E. (2004). Parent abuse on the rise: A historical review. American Association of Behavioral Science, 58-67
3
Greber, F. (2010): Tatort Familie, Tatort Beziehung. Familiäre und partnerschaftliche Gewalt von Kindern und Jugendlichen. Themenheft Jugendgewalt. Plädoyer für eine ganzheitliche Sichtweise. In: SozialAktuell Heft 9/2010. Die Fachzeitschrift für Soziale Arbeit
4
Cottrell, B. (2002): Dringend Hilfe gesucht: Teenager misshandeln ihre Eltern. In: Systhema 3/2002. S. 212-225.
2
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Minderjährige, die Häusliche Gewalt ausüben, November 2013
Jede Eskalationsart hat eine eigene Dynamik. Die Eskalation als Machtmuster kann bei einem elterlichen
Opfer z.B. folgendes Verhalten zeigen:
SPANNUNGS-AUFBAU
Selbstbeschuldigungen,
Selbstzweifel, Stress
GEWALT
„HEILE FAMILIE-PHASE“
Panik, Überforderung,
Überdruss, Wut,
Hilfe in Betracht ziehen
…Probleme gibt’s in den besten
Familien, Herunterspielen,
Kinder/Jugendliche entschuldigen,
Kinder mit Liebe überhäufen
Eine besondere Herausforderung für elterliche Opfer ist die elterliche Sorge für das gewaltausübende Kind.
Schuld- oder Schamgefühle können verhindern, dass die Eltern Hilfe holen und die Kinder bzw. Jugendlichen in die (Mit-)Verantwortung von Behörden geben. Erschwerend ist, dass Häusliche Gewalt Minderjähriger keine Offizial- sondern Antragsdelikte sind. Eltern zeigen ihre eigenen Kinder kaum an oder erst nach
massiven und wiederholten Gewaltvorfällen. Bei der Elternmisshandlung muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.
Die Chancen für eine wirkungsvolle Intervention sind je nach Gewaltdynamik und in den einzelnen Phasen
eines Gewaltmusters unterschiedlich.
SPANNUNGS-AUFBAU
Intervention manchmal mit,
manchmal ohne Wirkung
„HEILE FAMILIE-PHASE“
Wenig Chancen für eine
wirksame Intervention
GEWALT
Grösstmögliche Chance für
wirksame Interventionen
Häusliche Gewalt gegen Geschwister
Geschwistergewalt ist doppelt tabuisiert. Geschwister sind oft liebend oder konflikthaft aneinander
gebunden. Treten Gewaltprobleme unter Geschwistern auf, kommen Eltern in einen Loyalitätskonflikt.
Die Eltern schauen oft weg, um eine schmerzhafte Parteinahme zu vermeiden oder aus Angst, eines
der Kinder abzulehnen.
Es gibt auch Eltern, oft Väter, die ein Kind, häufig einen Sohn, instrumentalisieren zur Kontrolle und zur
Überwachung eines anderen Kindes, meist einer Tochter in der Pubertät oder Adoleszenz. Zuweilen werden die Söhne auch befugt, direkt Sanktionen auszuüben. Dies ist zweifacher Verrat und letztlich elterliche
Gewalt gegenüber beiden Kindern.
Die im Kanton Zürich von der IST im 2007 befragten Fachpersonen und Organisationen gaben an, dass
Geschwistergewalt sowohl einzeln als auch in Gruppen angedroht und ausgeübt werde, und dass Stalking
6
auch gegen Geschwister und in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen stattfinde (Greber 2007/2008) .
5
Robinson, P.; Davidson, L.; Drebot, M. (2004): Parent abuse on the rise: a historical review. In: American association of behavioral
social science. Brigham Young University
6
Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige Häusliche Gewalt ausüben. Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes (GSG) auf Minderjährige GefährderInnen im Kontext von Häuslicher Gewalt, S. 45. www.ist.zh.ch
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Minderjährige, die Häusliche Gewalt ausüben, November 2013
Häusliche Gewalt in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen
Über Häusliche Gewalt in Teenagerbeziehungen gibt es erst seit etwa 2008 Untersuchungen. Immer wieder machen bereits Jugendliche Erfahrungen mit Beziehungsgewalt. Speziell in der Adoleszenz kann eine
Liebesbeziehung eine existentielle Bedeutung erlangen und Abhängigkeiten erzeugen, was bereits während der Beziehung zu Problemen und vor allem bei einer Trennung zu einem Trennungs-Stalking führen
kann.
7
Bei der 2002 in der Schweiz durchgeführten SMASH-Studie (repräsentative Befragung von 7428 Jugendlichen im Alter von 16-20 Jahren):
− 14.4% der Mädchen und 1.7% der Jungen gaben an, einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben.
− 33.9% der betroffenen Mädchen waren beim ersten Übergriff zwischen 12-16 Jahre alt; 18 % waren über 16 Jahre alt
Ein erheblicher Teil der betroffenen Mädchen erlebte den ersten sexuellen Übergriff also in der Adoleszenz.
Die im Jahr 2009 in der Schweiz durchgeführte Optimus-Studie (einer Befragung von 6749 SchülerInnen
8
aus 161 Schulen der neunten Schulstufe und allen Sprachregionen) ergab:
− Jugendlichen machen die meisten Opfererfahrungen im Kontakt mit etwa Gleichaltrigen, oft im
Rahmen von Partnerbeziehungen oder «dates
− bei Kindern stehen Viktimisierungen im familiären Umfeld im Vordergrund
− Mädchen sind etwa dreimal häufiger von sexuellen Übergriffen durch den Liebespartner betroffen
als Knaben.
−
−
−
Rund 8% der Knaben und 22% der Mädchen berichten, schon einmal Opfer eine sexuellen Viktimisierung mit Körperkontakt geworden zu sein.
Rund 20% der Knaben und 40% der Mädchen gaben an, schon einmal Opfer einer Viktimisierung
ohne Körperkontakt geworden zu sein.
Am verbreitetsten sind Cyberviktimisierungen (18%), verbale oder schriftliche Belästigung (15%)
und ungewolltes Berühren/Küssen durch Andere (12%).
Opfererfahrungen haben erhebliche negative psychische Folgen für die Opfer und gehen mit einem etwa
ums zweifache erhöhten Risiko von weiteren Problemen einher. Viktimisierungen durch Gleichaltrige sind
ähnlich belastend wie Viktimisierungen durch Erwachsene.
Rund 60% der Opfer berichten einer Drittpersonen von ihrem Erlebnis.
Mädchen vertrauen ihre Erfahrungen eher einer Drittperson an als Knaben.
− Ca. 50% der Opfer vertrauen sich KollegInnen oder FreundInnen an.
− Ca. 21% der Opfer vertrauen sich den Eltern an.
− Ca. 4-7% der Opfer kontaktieren die Polizei.
− Ca. 3-5% der Opfer nehmen die Hilfe einer Fachorganisation in Anspruch.
Wenn im Rahmen von partnerschaftlichen Jugendbeziehungen sexuelle Übergriffe stattfinden, ist mit einer
hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass gleichzeitig auch andere Formen von Viktimisierungen
9
durch den Partner/die Partnerin vorkommen.
Manche Eltern verbieten ihren Kindern aus unterschiedlichen Gründen Liebesbeziehungen, anstatt sie
dabei zu begleiten. Erfahren diese Jugendlichen Gewalt, fehlt ihnen – Opfern wie TäterInnen – ein stützendes und strukturierendes Hilfsangebot. Sie sind auf sich selber gestellt. Dies betrifft Probleme der Verhütung, ungewollte Schwangerschaften, aber auch Probleme der Gewalt, vor allem dann, wenn es zu
Trennungsgewalt und (Cyber-)Stalking kommt. Manchmal werden diese Jugendlichen von ihrem (Ex)Freund oder ihrer (Ex-)Freundin unter Einbezug anderer Jugendlicher bedroht, erpresst oder sonst wie
unter Druck gesetzt.
„Auch die Art der Gewaltausübung ist altersabhängig. Sowohl bei Gewalt gegen Geschwister als auch in
partnerschaftlichen Jugendbeziehungen ist der Missbrauch im Umgang mit Bildmaterial häufig. Weiter
stellen Fachpersonen fest, dass Minderjährige häufig innerhalb ihrer Peergruppe auch Häusliche Gewalt
ausüben. Speziell in der Adoleszenz kann eine Jugendbeziehung eine existenzielle Bedeutung haben und
7
Narring, F. et al (2003). Gesundheit und Lebensstil 16- bis 20 Jähriger in der Schweiz. SMASH (Swiss multi-center adolescent study
on health) 2002. Lausanne: Institut universitaire de medicine sociale et preventive; Bern: Institut für Psychologie; Bellinzona: Ufficio di
promozione e di valutatione sanitaria.
8
Averdijk M. et al. (2011). Sexual victimization of children and adolescents in Switzerland. Final report for the UBS Optimus Foundation.
Zürich: Optimus Foundation.
9
Optimus-Studie, S. 76
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Minderjährige, die Häusliche Gewalt ausüben, November 2013
Unter dem Begriff der „interpersonal“ und „physical dating violence“ wird sowohl die physische, die psychische als auch die sexuelle Gewalt in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen verstanden und erfasst. Im
Speziellen werden unter diesem Begriff auch jegliche Formen von verbaler Gewalt und Abwertung als
10
auch Drohungen und/oder Einschüchterungen verstanden.
Weiter sagt jede vierte Jugendliche aus, dass die sexuelle Beziehung weiter gehe, als sie eigentlich wolle.
Sie lasse dies zu, aus Angst, den Partner zu verlieren.
11
Die in Deutschland 2013 erschienene Studie über Teen Dating Violence über psychische, physische und
sexuelle Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen zeigt folgende Ergebnisse:
Die Mehrheit der 14- bis 18-jährigen Jugendlichen (76,6 %) haben bereits Teenager-Beziehungen oder
Verabredungen.
− 65,7 % der befragten Schülerinnen und 60,1 % der Schüler haben durch ihren Partner oder durch
ihre Partnerin mindestens einmal irgendeine Form von grenzüberschreitendem Verhalten oder
Gewalt erlitten.
− 61,3 % der Mädchen und 56,6 % der Jungen berichten mindestens eine emotional schwierige Situation (Kontrolle, verbale Aggressionen, Zwang oder Drohung); 75,0 % der Mädchen und 51,0 %
der Jungen gaben negative Folgen für das Wohlbefinden an.
− 10,5 % der Mädchen und 10,4 % der Jungen berichteten von körperlicher Gewalt; 85,0 % der betroffenen Mädchen und 44,0 % der betroffenen Jungen berichteten von negativen Folgen.
− 26,0 % der Mädchen und 12,7 % der Jungen berichteten von sexualisierter Gewalt; 72 % der
Mädchen und 23 % der Jungen benannten negative Auswirkungen.
− Jugendliche, die in ihrem familiären Umfeld Gewalt erlebten/bezeugten sind stärker betroffen.
− Negative Auswirkungen der Erfahrungen auf das Wohlbefinden und die Frequenz solcher Ereignisse zeigen sich stärker bei den Mädchen als bei den Jungen.
− Ausgeübt wurden die Grenzüberschreitungen zu 56,9 % von männlichen Jugendlichen.
− Hilfe holen sich Jugendliche überwiegend bei ihren Freundinnen und Freunden, erst an zweiter
und dritter Stelle bei Eltern oder Geschwistern.
Partnerschaftliche Jugendbeziehungen werden in der Heftigkeit der Gewaltdynamik regelmässig unterschätzt. Fälschlicherweise werden sie häufig auch nicht als Tatbestand nach Gewaltschutzgesetz betrachtet, sodass die relativ einfachen und effizienten Schutzmassnahmen wie Kontakt- und Betretverbot in solchen Fällen selten zur Anwendung gelangen. Dies ist unter gewaltpräventiven Aspekten zu bedauern, weil
damit auch die proaktive und eventuell aus der Gewaltdynamik herausführende Beratung entfällt.
Häusliche Gewalt Minderjähriger ist eine Form der Jugendgewalt
Jugendgewalt meint landläufig Gewalt im öffentlichen Raum. Kinder zeigen z.T. bereits sehr früh Verhaltensweisen, die auf eine gewalttätige Entwicklung hinweisen. Sie werden oder sind gewalttätig gegenüber
Eltern und Geschwistern. Besteht die Möglichkeit, in der Familie frühzeitig zu intervenieren, besteht die
Möglichkeit, einer weiteren Gewaltentwicklung entgegenzuwirken.
In der Arbeit gegen Jugendgewalt wird der Einbezug des familiären Umfeldes auf die Frage reduziert, ob
dieses unterstützend oder schädigend auf die Jugendlichen einwirkt bzw. einwirkte. Es wird nicht gefragt,
ob das familiäre Umfeld durch den Jugendlichen selber bedroht oder gefährdet ist.
Minderjährige, die (Häusliche) Gewalt ausüben, sind in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und gefährdet.
Das Kindswohl ist tangiert. Ihre spezifische und entwicklungsbedingte Situation ist sowohl in Bezug auf
Präventions- wie Interventionsmassnahmen zu berücksichtigen. Nur präzises Nachfragen bei allen Beteiligten kann die Komplexität der vorliegenden (Häuslichen) Gewalt ans Licht bringen und ein wirksames
und nachhaltiges Handeln ermöglichen.
Minderjährige Gewaltausübende im Gewaltschutzgesetz
12
Grundsätzlich gilt das Gewaltschutzgesetz auch für minderjährige Gewaltausübende in der Familie. Da
diese nicht einfach weggewiesen werden können, sondern für sie auch eine Timeout-Platzierung für eine
befristete Zeit sichergestellt werden muss, muss das Gewaltschutzgesetz ergänzt werden.
10
Fausch, Sandra (2010): Gewalt in Teenagerbeziehungen. In: Häusliche Gewalt erkennen und richtig reagieren. Handbuch für Medizin, Pflege und Beratung. Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich (Hg.), S. 99-106.
11
Blättler, B. et al.: Teen Dating Violence (2013): Ausmass von Teen Dating Violence (TeDaVi) unter Schülerinnen und Schülern in
Hessen: www.fh-fulda.de/index.php?id=10643
12
Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige Häusliche Gewalt ausüben. Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes (GSG) auf Minderjährige GefährderInnen im Kontext von Häuslicher Gewalt. www.ist.zh.ch
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Gewalt im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013
110 Gewalt in Betagtenbeziehungen und gegen pflegebedürftige Menschen
Häusliche Gewalt in Partnerschaften Betagter oder Häusliche Gewalt gegen pflegebedürftige, betagte
Menschen, wird bislang kaum öffentlich thematisiert. Es existieren auch nur sehr wenige Untersuchungen.
Gewalt in Partnerschaften betagter Menschen
In Partnerschaften, in denen es im Alter zu Häuslicher Gewalt kommt, gibt es verschiedene Konstellationen:
- Partnerschaften, in denen über lange Zeit Gewalt eingesetzt wurde (in der Regel einseitig), und sich
diese Gewaltanwendung ins Alter hinein fortgesetzt;
- langjährige Partnerschaften, in denen Gewaltanwendung erst im Alter beginnt als Folge altersbedingter Veränderungen wie Ausscheiden aus dem Beruf, Erkrankungen etc.;
- im höheren Alter eingegangene Partnerschaften, in denen es zu Häuslicher Gewalt kommt.
Soweit Untersuchungen zu Partnergewalt älterer Menschen vorhanden sind, setzen sie bereits im mittleren Alter ein:
Eine US-amerikanische Untersuchung von 257 Frauen im Alter von 51 bis 79 ergab
- 4,3% der Frauen leben aktuell in einer Partnerschaft, in der sie bereits mindestens einmal bedroht
worden
- 3,9% berichten, dass sie sich aktuell zu Hause nicht sicher fühlen;
- in Schweden erlebten 8% der befragten 55 bis 64-jährigen Frauen im Jahr vor der Befragung Gewalt durch ihren Partner;
- in Finnland berichteten 13,4% der über 45jährigen Frauen über mindestens eine Gewaltsituation
durch ihren Partner im Jahr vor der Befragung;
1
- in Australien waren es 5,5% der Befragten der gleichen Altersgruppe.
Häusliche Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen und Betagte
Die Bonner Initiative gegen Gewalt im Alter „Handeln statt Misshandeln (HsM)“ ist eine umfassende Beratungseinrichtung für alte Menschen und deren Angehörige. Eine ihrer Untersuchungen ergab, dass ältere
Menschen mit gesundheitlichen Problemen oft von Häuslicher Gewalt betroffen sind. Die eigene Wohnung
2
und das Altersheim sind häufig Ort der erlebten Gewalthandlungen.
In der Bonner HsM-Studie gaben 10,8% der über 60jährigen an, innerhalb der letzten fünf Jahre Häusliche
Gewalt erlebt zu haben (60-74-jährige: 13%; 75jährige und ältere: 7,5%).
Häufigste Formen sind körperliche und psychische Misshandlungen, Vernachlässigung und finanzielle
Schädigung. Regelmässig wird psychische Gewalt ausgeübt. Eine besondere Risikogruppe sind kranke
und hilfebedürftige sowie (finanziell) abhängige und sozial isolierte Personen.
1
Nägele, B. (2006): Nahraumgewalt im Alter - die besondere Situation älterer weiblicher Gewaltopfer. In: Wehrlos im Alter? Dokumentation einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien für die Praxis - Nr. 2/2006, S. 33-45.
2
Hirsch, R. D. / Brendebach, Christiane (1999), Gewalt gegen alte Menschen in der Familie: Untersuchungsergebnisse der "Bonner
HsM-Studie", in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, Jg. 32/1999, H. 6, S. 449-455.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
 110 / 1
Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Gewalt im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013
In der Literatur werden folgende Formen der Gewalt gegen betagte Menschen unterschieden:
- Physische Misshandlung durch Zufügung von Schmerzen und Verletzungen, Anbinden, Festhalten,
Einsperren;
- Medikamentöse Misshandlung durch Verabreichung von Beruhigungsmitteln zur Ruhigstellung oder
Medikamentenentzug;
- Psychische Misshandlung (Demütigung, Quälen, Manipulation);
- Soziale Misshandlung (Isolation, Beeinträchtigung des Lebensraums);
- Sexuelle Übergriffe;
- Vernachlässigung, Verwahrlosung (Gewalt als Ergebnis der Unterlassung notwendiger Pflegehandlungen);
- Finanzielle Ausnützung durch widerrechtliche Aneignung von Vermögen, Betrugshandlungen etc.
Gewaltformen im Häuslichen Bereich
Angehörige sind in der Betreuung und Pflege betagter und pflegebedürftiger Eltern vielseitig belastet und
auch überfordert durch:
- Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit;
- hohe körperliche und psychische Beanspruchung;
- fehlende Hoffnung auf Veränderung der Situation;
- Angst vor einer weiteren Verschlechterung;
- Verwirrtheitszustände;
- Harn- oder Stuhlinkontinenz;
- veränderte Beziehung zum pflegebedürftigen Elternteil;
- zunehmende Anomie durch Persönlichkeitsveränderungen (d.h. nicht mehr Einhaltenkönnen von
Regeln, Normen und Abmachungen);
- Klagen und Trauer des pflegebedürftigen Elternteils;
- fehlende Zuneigung;
- zunehmendes Gefühle, den familiären Ansprüchen nicht zu genügen;
- Konflikte mit anderen Angehörigen wegen geringer Unterstützung;
- mangelnde Unterstützung durch ambulante Dienste (u. U. wegen fehlender Geldmittel);
- mangelnde gesellschaftliche Anerkennung;
- mangelnde professionelle Beratung und psychoedukative Unterstützung (Nägele 2006).
In den meisten Studien wird zwischen den verschiedenen Gewaltkontexten und den unterschiedlichen
Beziehungskonstellationen nicht unterschieden (Gewalt professioneller Pflegender, Häusliche Gewalt in
betagten (Ex-)Partnerschaften oder Häusliche Gewalt durch pflegende Angehörige), so dass das Ausmass der jeweiligen Gewaltkontexte unklar ist. Häuslicher Gewalt gegen betagte Eltern geht oft eine durch
die Pflege bedingte Überforderung oder bereits vorher bestehender belasteter Beziehung voraus. Die
Pflege wird häufig auch aus Druck- und Schuldgefühlen oder Spargründen übernommen. Die Erwartungshaltung diese Pflege zu übernehmen ist meist gegenüber erwachsenen Töchtern sehr gross.
Triade der Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen und Betagte
3
Anhand des Gewaltdreiecks wird deutlich, dass Gewalthandlungen gegen alte Menschen vielfältige Hintergründe haben. Häusliche Gewalt hat Aspekte aus jedem Teil der Triade.
3
Hirsch, R. D. (2001): Misshandlung und Gewalt an alten Menschen. Notfallmedizin 27, 324-328.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
 110 / 2
Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Gewalt im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013
Einige der aufgezählten Merkmale gelten sowohl bei Häuslicher Gewalt gegen betagte, pflegebedürftige
Menschen wie auch im professionellen Kontext.
Pflegebedürftige Menschen sind in mehrfacher Hinsicht anders und stärker von Häuslicher Gewalt betroffen:
- Alters- und krankheitsbedingt sind die Opfer in geringerem Umfang als Jüngere in der Lage, sich
gegen entsprechende Handlungen zu wehren.
- Die Gefahr schwerwiegender Verletzungen wächst bei Gebrechlichkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit.
- Die Optionen der Opfer, sich aus einer gewaltbelasteten Beziehung zu lösen und "von vorn zu beginnen", sinken im hohen Alter.
Typologie der Personen, welche pflegebedürftige Menschen gefährden
Es werden drei Typen unterschieden:
Typus 1: "Nicht auf Schädigung des Betroffenen abzielendes, problematisches Verhalten gegenüber
Pflegebedürftigen im häuslichen Umfeld". Ein typisches Beispiel für diesen Falltypus ist die Vernachlässigung eines Pflegebedürftigen aus Unwissen oder aus Überforderung, oder die Zufügung körperlicher
Schmerzen, um den Widerstand des Pflegebedürftigen für vermeintlich notwendige Pflegehandlungen zu
überwinden, oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mit dem Ziel, diesen dadurch vor Selbst- oder
Fremdgefährdungen zu schützen.
Typus 2: „Viktimisierungen Pflegebedürftiger im häuslichen Umfeld mit situationsgebundener Intention
bedeutsamer Schädigung des Opfers". Hierzu gehören insbesondere Fälle, bei denen in einer bestimmten
emotional sehr aufgeladenen Situation der Wunsch entsteht, die pflegebedürftige Person zu verletzen, sie
zu demütigen, ihr Schmerzen zuzufügen, im Extremfall sogar sie zu töten. Ein Beispiel ist der pflegende
Angehörige, der von der demenzkranken, pflegebedürftigen Person zum wiederholten Male körperlich
attackiert wird und ihr schliesslich in einer Art von "überschiessender Reaktion" einen Schlag versetzt oder
die pflegende Tochter, die sich im Verlauf einer Auseinandersetzung von der pflegebedürftigen Mutter in
hohem Masse provoziert und gekränkt fühlt und darauf mit Beschimpfungen antwortet.
Typus 3: „Viktimisierungen Pflegebedürftiger im häuslichen Umfeld mit situationsübergreifender Intention
bedeutsamer Schädigung des Opfers". Beispiel: Die pflegende Angehörige, die vor dem Hintergrund eines
langjährigen Beziehungskonfliktes den Entschluss fasst, die pflegebedürftige Person nicht mehr adäquat
zu versorgen. Das Handeln der Pflegenden ist nicht nur situativ, sondern auch von dem Bestreben geleitet
und getragen, die pflegebedürftige Person zu schädigen, ihr Schmerzen zuzufügen, sie in ihrer Würde,
ihrer Identität, ihrem Selbstwertgefühl zu beeinträchtigen oder sich auf ihre Kosten zu bereichern.“ (Gör4
gen 2006)
Wahrnehmen Häuslicher Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen
Hausärztinnen und Pflegende können oft als erste Misshandlungen erkennen oder erahnen. Sie hören
von den Überforderungen pflegender Angehöriger und sehen einhergehende psychische Veränderungen
bei den Opfern. Frühe Interventionen sind nur möglich, wenn bereits auf ersten Anzeichen reagiert und
das Gespräch gesucht wird.
Gemäss Zürcher Gesundheitsgesetz können im Gesundheitswesen tätige Personen bei einem Verdacht
eines Deliktes gegen Leib und Leben Anzeige bei der Polizei erstatten, ohne sich vom Berufsgeheimnis
entbinden zu müssen.
Das Erwachsenenschutzrecht verpflichtet „in amtlicher Tätigkeit“ wirkende Personen, Meldungen an die
Erwachsenenschutzbehörde zu machen, falls sie von der Hilfsbedürftigkeit einer Person erfahren.
In akuten Fällen wird eine fürsorgerische Unterbringung in ein Akutspital notwendig werden, bis ein Pflegeplatz oder Unterstützung in der Pflege die Situation entspannen kann.
4
Görgen, T. (2006): Gewalt in engen persönlichen Beziehungen älterer Menschen. Zwischenergebnisse der Studie "Kriminalität und
Gewalt im Leben alter Menschen". In: Wehrlos im Alter? Dokumentation einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien
für die Praxis - Nr. 2/2006, S. 10-32.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Postvention und/oder Paarberatung nach Häuslicher Gewalt, November 2013
111 Postvention und Paarberatung nach Häuslicher Gewalt
Prävention vor, Intervention während und Postvention nach Häuslicher Gewalt setzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten an und haben je eigene Zielsetzungen und Vorgehensweisen.
Postvention ist ein systemisches, kontextbasiertes, verhaltensorientiertes und professionelles Beratungsund Begleitkonzept für Paare, (Rest)-Familien und Kinder nach Vorfällen Häuslicher Gewalt, das sich
auch am Case-Management orientiert.
Ziele der Postvention sind: Wiederholungen von Gewalt verhindern, Schutz der gewaltbetroffenen Personen (insbesondere auch der Kinder) unter gleichzeitiger Inverantwortungnahme der gewaltbereiten oder
gewalttätigen erwachsenen oder minderjährigen Person, Reduktion von belastenden Stressfaktoren, Unterbrechung destruktiver Prozesse, Entwickeln und Ermöglichen von Alternativen zur Gewalt, Erarbeiten
von konstruktiven Lösungswegen und Lösungen (auch einer Trennung), Etablieren einer konstruktiven
Konfliktkultur sowie ein sorgfältiger Umgang mit Abhängigkeitsverhältnissen unter grösstmöglichem Einbezug vorhandener persönlicher, familiärer und sozialer Ressourcen.
Grundsätzlich kann Postvention in unterschiedlichen Settings arbeiten, abhängig von der Einschätzung
der Fachperson bezüglich Gefährlichkeit des Täters/der Täterin und bezüglich Eignung eines Paar- oder
Familiensettings.
Die Arbeit mit Paaren nach Häuslicher Gewalt wurde während vieler Jahre als ungeeignetes BeratungsSetting und Angebot abgelehnt. Dabei ging man von einem massiven Macht- und Abhängigkeitsverhältnis
zu Ungunsten des Opfers (meistens der Frau) aus und empfahl ihr deshalb eine parteiliche Beratung und
Einzeltherapie.
In vielen Fällen Häuslicher Gewalt in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen ist von einer Paarberatung immer noch abzuraten, denn sie setzt eine egalitäre Beziehung und gemeinsame Ziele voraus,
welche in vielen Gewaltbeziehungs-Konstellationen nicht vorhanden sind.
Postvention und Beratung im Paarsetting? Bedeutung der unterschiedlichen Tätertypen
1
Beim angepassten, auf die Familie beschränkten Gewalttypus (family only batterer) kann eine
Paarberatung erfolgreich sein.
2. Für den zyklischen / Borderlinetypus (borderline / dysphoric batterer) ist ein Beratungsangebot
zuerst im Einzelsetting sinnvoll. Danach kann eine Paarberatung geprüft werden.
3. Beim antisozialen / psychopathischen Typus (generally violent / antisocial batterer) kann eine
konfrontative Paarberatung eskalierend wirken. Eine Täter-Opfer-Begegnung ist zu vermeiden,
was eine Paarbehandlung ausschliesst.
4. Beim mittelgradig antisozialen Typus (low level antisocial batterer) muss im Einzelfall geprüft
werden, wieweit eine Paarberatung eskalierend wirken kann.
1.
Bei manchen Paarberatungen werden das Opfer von einer Opfer- und der Täter von einer Täterberatungsstelle begleitet. Diese Art Beratungen werden dann von einem gemischtgeschlechtlichen BeratungsPaar gemeinsam durchgeführt.
Studien über Paartherapien und Paarberatungen nach Häuslicher Gewalt fehlen. Wichtig wären vor allem
Erkenntnisse zu Indikation, Methodik, Vorgehensweise und Nachhaltigkeit mit dem Ziel einer gewaltfreien
Beziehung.
Die Praxis zeigt, dass die meisten Paare nach Häuslicher Gewalt zusammenbleiben und dass auch nach
Ablauf einer polizeilich angeordneten Schutzmassnahme (z.B. Wegweisung) oft weder der Opferschutz
gewährleistet, noch die Gewaltdynamik nachhaltig verändert sind. Bei Gewaltbeziehungen ist deshalb in
jedem Fall in Einzelgesprächen kritisch vorab abzuklären – und zwar unabhängig davon, ob eine polizeiliche Intervention stattfand oder nicht –, ob sich das Paar-Setting eignet.
2
„Gewalt macht nicht gleich – der Bedarf an Unterstützung und Beratung bei Frauen ist sehr verschieden.“
Tätertypologien und Opferverhalten, spezifische Paar- und Familiendynamiken, Alters- und Genderunterschiede, so wie die Reaktionen der jeweiligen Gemeinschaft sind ebenso zu differenzieren, wie der Bedarf
an Unterstützung weiterer von Gewalt betroffener Personen.
Eine offene und bis heute ungeklärte Frage ist, wie bei Häuslicher Gewalt in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen mit den Jugendlichen gearbeitet werden soll und unter welchen Umständen Paarberatung
auch bei ihnen in Frage käme.
Viele Behörden und Beratungsstellen führen heute auch nach Häuslicher Gewalt Paar- und Familienge1
Vgl. Kap. 105, 3. Tätertypologien bei (Häuslicher) Gewalt.
Helfferich, C. et al. (2005): Wissenschaftliche Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem Platzverweis bei häuslicher Gewalt. Abschlussbericht. Freiburg.
2
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Postvention und/oder Paarberatung nach Häuslicher Gewalt, November 2013
spräche durch. Sie sind gefordert, zum Thema und gegenüber den beteiligten Erwachsenen und Kindern
eine klare Haltung einzunehmen. Eine systemische, verhaltensorientierte Beratung oder Therapie des
Paares und/oder der Familie durchführen und eine daraus hervorgehende (mögliche) Gefahr für die Opfer
einschätzen und abwenden können jedoch nur spezialisierte Fachpersonen (z.B. in Postvention ausgebildete oder andere in Häuslicher Gewalt geschulte BeraterInnen oder PsychotherapeutInnen). Solche
Paarberatungen haben nicht nur eine andere Zielsetzung, sondern bedingen auch andere, vernetztere
Vorgehensweisen und Methoden. Das für ein Paar und/oder eine Familie geeignete Setting ist vor allem
auch auf der Zeitachse, der Dauer der Gewaltbeziehung und der Frage, was im Vorfeld zur Unterstützung
bereits installiert wurde, zu beurteilen. Im Zentrum steht in jedem Fall: Nulltoleranz gegenüber jeder Form
von Gewalt und Schutz der Kinder.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Neurowissenschaftliche Aspekte Häuslicher Gewalt, November 2013
112 Neurowissenschaftliche und forensische Aspekte in der Behandlung gefährdender Personen
Für die verbreitetsten Formen Häuslicher Gewalt sind psychosoziale Erklärungsmodelle, auf die sich die
meisten Fachpersonen stützen, angemessen. Für einen Teil der gefährdenden Personen genügen diese
Erklärungsansätze jedoch nicht, nämlich für jene, deren gewalttätigem Handeln z.B. neurobiologische
und/oder psychiatrische Krankheiten zu Grunde liegen. Gemeint sind angeborene, durch Krankheit oder
Unfall erworbene Einschränkungen, Veränderungen oder Störungen (in Folge eines Hirntumors, einer
Hirnprellung, einer Demenz, einer unbehandelten Schizophrenie-Erkrankung, eines Defizites der Hirnentwicklung, perinatale Einflüsse, Intoxikation, Stoffwechselstörung oder einer schweren Psychotraumatisierung etc.). Auch Manuel Rupp bestätigte, dass Funktionsstörungen des Gehirns und psychische Störun1
gen, als Folge einer multifaktoriellen Entstehung, das Risiko für Gewalttätigkeit erhöhen können . Menschen mit Hirnfunktionsstörungen oder psychiatrischen Erkrankungen sind jedoch nicht grundsätzlich gewalttätiger als Gesunde.
Nicht alle Individuen mit psychiatrischen Erkrankungen zeigen gewalttätiges Verhalten. Der Zusammenhang bei jungen Erwachsenen, die Gewalt androhen oder ausüben, wurde in der in den USA 2000 durch2
geführten Studie in Bezug auf drei Diagnosen beschrieben:
− Alkohol-Abhängigkeit
− Drogen-Abhängigkeit
− Schizophrenie-Erkrankung
Menschen mit mindestens einer der genannten Störung machen 1/5 der Befragten Gewalttäter aus, waren
jedoch für mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle verantwortlich. Menschen mit zwei der genannten Störungen tragen ein ca. 10-20-mal grösseres Risiko Gewalt auszuüben, als Menschen ohne diese Störungen.
3
Auch die aktuelle Studie von Gloor und Meier weist einen Zusammenhang von Alkoholabhängigkeit und
Häuslicher Gewalt nach.
Von zentraler Bedeutung ist jedoch: es müssen – vor allem auch Angehörige – nach gewalttätigem Verhalten solcher erwachsener und minderjähriger PatientInnen gefragt werden.
Richtigerweise sind die Behandlung der Krankheit und die Empathie für den gefährdenden Patienten/Patientin im Vordergrund. Allerdings wird dabei leicht übersehen, dass durch die Gewalt, die der Patient/die Patientin ausgeübt hat, andere Personen verletzt wurden bzw. u.U. vor dem Patienten geschützt
werden müssen. Es ist deshalb unumgänglich, dass im Gesundheitswesen in der Behandlung solcher
Patienten auch Erkenntnisse, namentlich der forensischen Psychiatrie Eingang finden müssen. Der Psychiatrisch-psychologische Dienst der Direktion der Justiz PPD hat ein grosses Team von versierten ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen, die sowohl HausärztInnen wie auch ÄrztInnen in Kliniken für forensische Fragen zur Verfügung stehen.
Es ist bekannt, dass im Vorfeld schwerer Gewalttaten bei Häuslicher Gewalt ein Drittel der späteren Täter
in ärztlicher Behandlung waren. Deshalb liegt hier eine grosse Chance der Früherkennung möglicher Gewaltentwicklungen, die mit einer adäquaten Behandlung und/oder weiterer Massnahmen u.U. verhindert
werden können.
Kriminologie und Soziologie, Psychologie und Psychiatrie, Gehirnforschung und Genetik haben gemäss
ihren Traditionen bisher vorwiegend separat geforscht und theoretisiert. Die Internationale Klassifikation
der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ICF der Weltgesundheitsorganisation WHO adaptierte das von G. Engel bereits 1977, mehrheitlich in der Medizin verwendete, „bio-psycho-soziale“ Modell zu
einem multidimensionalen, holistischen Gesundheits- und Krankheitsmodell. Ein umfassendes, mehrdimensionales Verständnis der komplexen Phänomene Häuslicher Gewalt steht bisher noch aus. Ein „biopsycho-soziales“ Verstehen Häuslicher und anderer Formen von Gewalt ist notwendig, um diese gefährdenden Personen soweit möglich einer adäquaten Behandlung zuzuführen, sie zu begleiten, zu beraten
und deren Opfer zu schützen.
1
Rupp, M. (2010): Wie beeinflusst eine psychische Störung die Gewaltbereitschaft? Referat gehalten an der Weiterbildung der IST.
Arseneault, L.; Moffit, T. E.; Caspi, A.; Taylor, P.J.; Silva, P.A. (2011): Mental Disorders and Violence in a Total Birth Cohort - Results
From the Dunedin Study. www.archgenpsychiatry.com
3
Gloor, D.; Meier, H. (2013): Gewalt in der Partnerschaft und Alkohol. Häufigkeit einer Dualproblematik, Muster und Beratungssettings.
Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit. www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/30687.pdf
2
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Verletzungen und gesundheitliche Folgen Häuslicher Gewalt, November 2013
113 Verletzungen und gesundheitliche Folgen körperlicher Häuslicher
Gewalt
Angriffe gegen den Hals (z. B. Würgen)
Erstaunlich oft werden Frauen von ihrem Partner im Verlaufe der gewalttätigen Auseinandersetzung gewürgt. Die Gefahr für das Opfer durch Würgen (Strangulation mit der Hand/den Händen) wird unterschätzt. Auch die Opfer sind sich der effektiven Gefahr, in der sie gewesen sind, oft nicht bewusst.
Halsarterie, sichert die Sauerstoffversorgung des Hirns.
Halsvene, sichert den Blutabfluss. Unterbrechung führt zu einem Blutrückstau.
Halsnerven. Druckimpuls, kann im Einzelfall zu einer Veränderung der Herzfrequenz bzw. zum Herzstillstand führen.
Atemwege, Druckeinwirkung führt zu
Atembehinderung bzw. Verletzung derselben.
Beeinträchtigt werden nicht nur die Luftröhre, sondern auch Blutgefässe. Wird der Blutzufluss durch das
Abdrücken der Halsarterien nur für wenige Sekunden minimiert oder gar unterbunden, kann die dadurch
auftretende Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff zu schwerwiegenden Hirnschädigungen bis zum
Tod führen.
Wird die Halsvene zugedrückt, entsteht ein Rückstau des Blutes im Kopf-/Halsbereich, welcher durch Einblutungen in die Haut-/Schleimhäute objektiviert werden kann.
In seltenen Fällen kann es bei Druckeinwirkung auf ein spezielles Nervenbündel über der Verzweigung
der Halsschlagader, zu einer reflexartigen Verlangsamung des Herzschlages oder sogar zu einem Herzstillstand kommen.
Hinweise für das Ausmass der akuten Gefährlichkeit sind u.a. spontaner Urinabgang (der fälschlicherweise oft als Ausdruck der Todesangst interpretiert wird), Bewusstseinsstörungen (z. B. Erinnerungslücken),
Punkteinblutungen in der Haut des Kopfes/Gesichts und den Schleimhäuten von Augen, Ohren, Mund und
Nase. Die äusserlich sichtbaren Beeinträchtigungen am Ort der Gewalteinwirkung am Hals sind oft nur
kleine Hämatome, Hautrötungen oder Schürfungen. Angriffe gegen den Hals sollten immer eine ärztliche
Untersuchung nach sich ziehen. Für die Interpretation der festgestellten Befunde ist der Beizug eines
Rechtsmediziners bzw. einer Rechtsmedizinerin des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Zürich
(IRM-UZH) empfohlen, sofern das IRM-UZH nicht bereits die ärztliche Untersuchung vornehmen konnte.
Auszug aus den Richtlinien des IRM-UZH bei Angriffen gegen den Hals (Anamnese):
-
Dauer der Handlung / des Ereignisses ?
Wie ist gewürgt worden: ein- oder beidhändig?
Atemnot, Bewusstseinsstörung, („Schwarz-werden vor Augen“) ?
Amnesie (retro/anterograd) ?
Schluckbeschwerden ?
Heiserkeit ?
Sehstörungen ?
Spontaner Urin- und/oder Stuhlabgang ?
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Verletzungen und gesundheitliche Folgen Häuslicher Gewalt, November 2013
Status: - Sind Verletzungen des Halses bzw. der benachbarten Regionen feststellbar?
-
Hautrötungen, Schürfungen an Hals, Kiefer und Gesichtshaut
Schwellungen, Hämatome an Hals und Kiefer
Druckschmerz an Hals und Kiefer
Verschiebeschmerz des Kehlkopfes (behutsam untersuchen)
Sind punktförmige Einblutungen vorhanden
Augenbindehäute (einfaches Hochklappen der Augenlider), Gesichtshaut, Mundschleimhaut,
Trommelfelle, Nasenschleimhaut (schnäuzen lassen)
Bissverletzungen der Zunge
Bei Schluck- und Kehlkopfbeschwerden: Laryngoskopie (ORL) ernsthaft erwägen, da Gefahr des
Erstickens bei Hämatom oder Ödembildung bestehen kann (MRI-Hals-Untersuchung empfohlen!)
Verletzungen müssen fotografisch dokumentiert werden.
Verletzungen bei Häuslicher Gewalt
Viele als Haushaltunfälle deklarierte Verletzungen wie Knochenbrüche, „Platzwunden“, Kratzer etc. sind
Folgen direkter Gewalteinwirkungen durch fremde Hand.
Gesundheitliche Folgen Häuslicher Gewalt
Eine Studie der Maternité Inselhof Triemli in Zürich hat die dramatischen gesundheitlichen Folgen für
Frauen, die Häusliche Gewalt erfahren haben, aufgezeigt. Häusliche Gewalt hinterlässt deutliche, unmittelbare körperliche und psychische sowie psychosomatische Symptome. Diese reichen je nach Intensität
der erlittenen Gewalt von Verletzungen jeglichen Schweregrades, über Schmerzen am ganzen Körper,
Atemprobleme, Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit oder Erbrechen, Verdauungsbeschwerden bis zu Essstörungen. Sehr häufig kommt es zu Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit, Nervosität und Angstgefühlen bis hin zu Panikattacken und Depressionen. Weiter kann es auch zu Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauch und zu Suizidalität kommen. Frauen mit Gewalterlebnissen haben
1
signifikant mehr gesundheitliche Beschwerden als nicht betroffene Frauen.
Medizinische Fachpersonen nehmen eine Schlüsselstellung ein
Physische Gewalt führt oft zu Verletzungen und Beschwerden, die medizinisch behandelt werden müssen.
Deshalb sind Ärztinnen und Ärzte sowie generell Fachpersonen aus dem Gesundheitsbereich häufig die
ersten Ansprechpersonen für von körperlicher Gewalt betroffene Frauen, Kinder und Männer. Die Schwelle, sich an die Polizei oder an spezialisierte Stellen zu wenden, ist für Gewaltbetroffene oft deutlich höher.
Ärztinnen und Ärzte können mithelfen, das Problem wahrzunehmen und durch fachgerechte und detaillierte Dokumentation die Beweislage für den Schutz zu sichern, wenn die von Gewalt betroffene Person polizeilichen Schutz beanspruchen kann und will.
Bei Fragen können sich Fachpersonen jederzeit (24-h-Dienst) an das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich IRM-UZH, Forensische Medizin und Bildgebung, Winterthurerstrasse 190, 8057 Zürich,
Tel. 044 63 55 611; [email protected], www.irm.unizh.ch wenden.
1
Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004): Frauen, Gesundheit und Gewalt im sozialen Nahraum. Repräsentativbefragung bei Patientinnen
der Maternité Inselhof Triemli. Hrsg. von Büro für die Gleichstellung von frau und Mann der Stadt Zürich und Maternité Inselhof Triemli
Zürich. Bern: Edition Soziothek.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Rechtliche Interventionen bei Häuslicher Gewalt (Übersicht), November 2013
114 Rechtliche Interventionen bei Häuslicher Gewalt (Übersicht)
Komplexität auch in der Rechtsanwendung
Häusliche Gewalt tangiert diverse Rechtsgebiete, die sich sowohl bezüglich des angestrebten Zweckes,
wie auch in den Verfahren stark unterscheiden. Oft sind mehrere Verfahren parallel hängig, was zuweilen
auch für Fachleute eine Herausforderung ist.
Ausser im Züricher Gewaltschutzgesetz ist „Häusliche Gewalt“ gesetzlich nicht definiert. Im Strafrecht sind
es diverse Straftatbestände, die erfüllt werden; im Kindsrecht die Gefährdung des Kindswohls durch die
Gewalt; im Zivilrecht ist die Folge der Gewalt eine Trennung oder Scheidung und hat Einfluss auf die Ausgestaltung des elterlichen Sorgerechts. Voraussichtlich am 1. Januar 2014 wird die Revision des Elternrechts, d.h. die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall, in Kraft gesetzt. Wird das Kindswohl durch die
Gewaltvorfälle ernsthaft beeinträchtigt, kann u.U. das alleinige Sorgerecht auch künftig beantragt werden.
Schutzmassnahmen und
proaktive Beratung (GSG)
Kurzfristiger Opferschutz und
Deeskalation
Strafrecht
Beschuldigte Person im Fokus
Opferhilfe
Zivilrecht
Regelung unter den Parteien
(z.B. Ehe-, Partnerrecht,
zivilrechtlicher Gewaltschutz )
Beratung und Unterstützung
Kindesschutz
Kindesschutzmassnahmen bei
gefährdetem Kindswohl;
Besuchsrechtsregelungen
Zeitpunkt der Wirksamkeit des Schutzes
Die rechtlichen Normen werden zu verschiedenen Zeitpunkten wirksam. Die gewaltschutzrechtlichen
Massnahmen ermöglichen sofortigen Schutz und Deeskalation, während straf- und zivilrechtliche Regelungen mittel- bis langfristig wirksam werden.
Bei den Kindesschutzmassnahmen ist es stark von der akuten Gefährdung des Kindes abhängig, ob der
Kindesschutz durch Vorsorgliche Massnahmen sichergestellt werden muss.
Interventionen von Amtes wegen oder auf Antrag der Betroffenen
Sind Voraussetzungen zur Anordnung von gewaltschutzrechtlichen Schutzmassnahmen gegeben, handelt
die Polizei von Amtes wegen unabhängig vom Willen der Betroffenen. Dasselbe gilt auch für einige Straftatbestände, die bei Häuslicher Gewalt unter Erwachsenen ausgeübt werden. Erfährt die Kindesschutzbehörde von Kindswohlgefährdungen, was durch die gesetzlich vorgeschriebene Zustellung der polizeilichen
Gewaltschutzverfügung der Fall ist, muss sie von Amtes wegen die Situation abklären.
Demgegenüber verlangen die privatrechtlichen Regelungen eine Intitiative jener Partei, die etwas will: „Wo
keine Klägerin, da keine Richter“ ist die Umschreibung dessen, was in der Juristensprache die Dispositionsmaxime ist. Auch einige Straftatbestände bei Häuslicher Gewalt werden nur auf Antrag der geschädigten Person verfolgt, so der „Hausfriedensbruch“, die „Sachbeschädigung“, der „Telefonterror“. Selbst Körperverletzungen von Kindern bei Elternmisshandlungen sind (nur) Antragsdelikte.
Beweisintensität
Grundsätzlich ist ein Schutz nur möglich, wenn die Gewalt, Drohung oder eine Kindswohlgefährdung
nachgewiesen ist. Die Anforderungen an die Beweisintensität ist in den verschiedenen Rechtsgebieten
unterschiedlich. Im Strafrecht müssen die Tatbestandsmerkmale eines Delikts im Einzelnen zweifelsfrei
nachgewiesen sein. Für die Anordnung von Gewaltschutzmassnahmen reicht der Nachweis einer Gefährdung durch ausgeübte Gewalt oder Drohungen und für deren Verlängerung die Glaubhaftmachung der
fortbestehenden Gefährdung.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Nachweis Häuslicher Gewalt, November 2013
115 Nachweis Häuslicher Gewalt
Kein Schutz ohne Beweis
In jedem rechtlichen Verfahren muss der Lebenssachverhalt, aus welchem ein Recht abgeleitet wird,
nachgewiesen sein. Dies gilt auch für die Anordnung kurzfristiger Schutzmassnahmen. Die Behörden
müssen sich ein Bild vom Vorgefallenen machen können. Die Intensität des Nachweises ist je nach Verfahren unterschiedlich und reicht von blosser Glaubhaftmachung bis zur Zweifelsfreiheit, d.h. die Richterin,
der Richter dürfen keine „unüberwindlichen“ Zweifel haben.
In einigen Verfahren müssen nicht die Gewaltvorfälle nachgewiesen werden, sondern in erster Linie deren
Folgen. Dies trifft bei Gefährdung oder Schädigung des Kindswohls zu. Im Kindsschutz steht der Nachweis der Kindswohlgefährdung im Zentrum. Die Ausgestaltung adäquater Kindsschutzmassnahmen und
die Regelung der Elternrechte (Sorge-, Obhuts-, Betreuungs- und Besuchsrechts) müssen möglichen Gewalteskalationen Rechnung tragen.
Für gewaltbetroffene Personen mit abgeleitetem Verbleiberecht in der Schweiz, die sich von ihrem gewalttätigen Ehegatten trennen wollen und erst kurze Zeit in der Schweiz leben, hängt das weitere Verbleiberecht vom Nachweis der Gewalt ab.
Dokumentation von Gewaltvorfällen, Anzeigemöglichkeit von Berufs-und Amtsgeheimnisträgern
Kommt es zu Gewalt wird oft aus Angst, Scham oder Gefühlen des Versagens darüber geschwiegen.
Manchmal erfahren Dritte davon. Zum Beispiel in der Mütterberatung oder beim Arztbesuch, wenn eine
Frau unter dem Siegel der Verschwiegenheit über ihre Situation berichtet.
Für die ärztlichen Untersuchungen gibt es gute Checklisten, was untersucht und erfragt werden sollte in
Fällen Häuslicher Gewalt.
Personen des Gesundheitswesens haben im Kanton Zürich die Möglichkeit, der Polizei eine Anzeige ohne
Entbindung vom Arztgeheimnis zu machen, wenn sie Kenntnis von Gewaltvorfällen haben. Besteht eine
Fremd- oder Selbstgefährdung mit Waffen, können sowohl Berufs- wie Amtsgeheimnisträger ohne Entbindung die Polizei avisieren, die die Waffen konfiszieren kann.
Auch wenn noch keine Anzeige erfolgt, ist die genaue Dokumentation wichtig.
Zu einer Dokumentation gehört:
- das Erzählte genau festhalten: Ort, Datum und allenfalls anwesenden Personen;
- zentrale Aussagen oder eine typische Wortwahl genau aufschreiben;
- auf suggestives Nachfragen verzichten (Erzählfluss nicht stören);
- Mitgeteiltes als Mitgeteiltes und nicht als selbst Erlebtes notieren;
- Verletzungen dokumentieren, auch fotografisch (nicht nur mit Detailsaufnahmen, sondern auch mit
Gesamtaufnahmen, die zeigen, wo am Körper die Verletzungen oder die Hämatome sind);
- die seelische Verfassung des Opfers beschreiben;
- evtl. ergänzen, weshalb das Erzählte aus Sicht der Fachperson zutreffend sein muss.
In einen Bericht zuhanden einer Justizbehörde gehört auch der Anlass der Feststellungen und eine kurze
Beschreibung der Dauer und Intensität der professionellen Beziehung zur gewaltbetroffenen Person.
Veränderung der Aussagen unter psychotherapeutischer Behandlung
Wird in Psychotherapien über sexuelle, psychische und physische Gewaltvorfälle erzählt, erhalten die Vorfälle unter der therapeutischen Bearbeitung oft eine andere Bedeutung. Eine veränderte, eventuell distanzierter wirkende Wortwahl kann direkter Ausdruck davon sein. Unterzog sich z.B. eine Frau Sexualpraktiken ihres Ehemannes, die sie nicht wollte, kann es sein, dass sie erst in der Psychotherapie wahrnimmt,
dass die Nichtbeachtung ihres Willens eine Form der Gewalt ist. Im juristischen Verfahren kann die Neubenennung des Vorgefallenen als mangelnde Glaubwürdigkeit ausgelegt werden. Es ist deshalb Aufgabe
der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, verändernde Benennungen und verändernde Wortwahlen in der Therapiedokumentation festzuhalten, damit für andere nachvollziehbar wird, dass dies eine
Folge des psychotherapeutischen Prozesses ist.
Grundsätzlich keine Befragung von Kindern und Jugendlichen, Anzeigepflicht
Wer in seiner amtlichen Tätigkeit von einem Verdacht ausgehen muss, dass Kinder Opfer Häuslicher Gewalt sind, ist verpflichtet, der zuständigen Kindesschutzbehörde eine Gefährdungsmeldung zu machen.
Diese wird die Kinder bzw. deren Eltern anhören und gegebenenfalls Kindesschutzmassnahmen anordnen.
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013
116 Die IST im Rückblick und im Heute
Die Geschichte der Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt IST geht zurück in die 1990er Jahre. Bereits seit den 1970er Jahren hatte gemäss Martha Weingartner die Frauenbewegung erstmals öffentlich
auf die Gewalt aufmerksam gemacht, die zuhause hinter verschlossenen Türen von Männern gegenüber
ihren Frauen ausgeübt wird. Es entstanden die ersten Frauenhäuser, die gewaltbetroffenen Frauen und
ihren Kindern Zuflucht und Unterstützung boten. Dann entstanden Mitte der 1990er Jahre auch in der
Schweiz Interventionsprojekte. Ziel war, Häusliche Gewalt mit „verschiedenen ineinander greifenden
Massnahmen zu vermindern“. Sie sollten bei Opfern und Tätern ansetzen und „nebst rechtlichen Konsequenzen auch längerfristige Beratung und Unterstützung beinhalten. Die Zusammenarbeit zwischen Opfer-Beratungsstellen, Polizei und Justiz wurde stark gefördert und führte zu wesentlichen Verbesserun1
gen“.
Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels war die Annahme der Beobachter-Initiative, die am 1. Januar
1993 zur Inkraftsetzung des Opferhilfegesetzes führte. Dieses Gesetz schuf die gesetzliche Grundlage für
die kantonale Finanzierung privater Beratungs-Organisationen und -Einrichtungen.
Im Jahr 1995 lancierte der Zürcher Stadtrat die Kampagne „Männergewalt macht keine Männer“. Zeitgleich entstand für die Stadt das „Zürcher Interventionsprojekt gegen Männergewalt ZIP“, welches von
Marlene Eggenberger geleitet wurde. Sie begann mit der Vernetzungsarbeit aller mit Häuslicher Gewalt
befassten Fachpersonen durch die Schaffung eines „Runden Tisches“. Nach Projektabschluss folgte im
Jahr 2000 der Aufbau des kantonalen Nachfolgeprojekts.
Nach der Ermordung von Carmen S., die grosse Mängel im justiziellen Vorgehen bei Häuslicher Gewalt
ans Licht brachte, gründete der damalige 1. Staatsanwalt Marcel Bertschi 1996 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Hilfe für bedrohte Opfer HIBO“. Aus ihr entstand 2001 die auf schwere Gewalttaten speziali2
sierte kantonale Bezirksanwaltschaft BAK V.
Aus der politischen Einsicht, dass die Koordination der Fachleute nicht nur ein städtisches Anliegen, sondern vor allem ein kantonales ist, wurde 2001 die „Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt IST“ im
Generalsekretariat der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich unter Leitung der Sozialarbeiterin Marlene Eggenberger (80%) und des Jugendanwaltes Riccardo Steiner als wissenschaftlicher
Mitarbeiter (70%) mit einer Sekretariatsstelle (50%) unter Regierungsrat Dr. Markus Notter ins Leben gerufen.
Das war auch die Geburtsstunde des „Strategischen Kooperationsgremium gegen Häusliche Gewalt des
Kantons Zürich“. In den Folgejahren wurde nach Kräften an der Einführung eines Zürcher Polizeigesetzes
gearbeitet, um polizeiliche Massnahmen zur Deeskalation und zum Schutz Gewaltbetroffener zu schaffen.
3
Eine Bestandesaufnahme der Situation im Kanton Zürich diente als Ausgangslage . Anders als in anderen
Kantonen sollte in Zürich die Polizei die Anordnungskompetenz erhalten mit der Möglichkeit der nachträglichen richterlichen Überprüfung. Die Daten der gewaltausübenden sowie der gewaltbetroffenen Personen
sollten automatisch an spezialisierte Beratungsstellen übermittelt werden mit dem Ziel, zeitnah an den
Vorfall Beratungen anzubieten. Bei Kindern sollte in jedem Fall eine Gefährdungsmeldung an die Kinderschutzbehörde erfolgen. Die Interventionsstelle IST und das Strategische Kooperationsgremium erhielten
eine gesetzliche Grundlage.
Nach heftigen Kontroversen und Auseinandersetzungen verabschiedete der Kantonsrat das Gewaltschutzgesetz am 19. Juni 2006 mit 92 gegen 48 Stimmen dennoch.
Im Herbst 2006 wurden Franziska Greber, Psychotherapeutin, Coach und Supervisorin und Cornelia Kranich, Rechtsanwältin, Mediatorin und Erwachsenenbildnerin Co-Leiterinnen zu je 50% mit einem zu 50%
dotierten Sekretariat.
2004 war die sogenannte Offizialisierung in Kraft gesetzt worden. Für einige Delikte im „häuslichen Nahbereich“, die in Ehe und Partnerschaft begangenen werden, sollte automatisch ein Strafverfahren eingeleitet werden, auch ohne Antrag des Opfers. Gleichzeitig sollte das Opfer die Möglichkeit haben, das Straf4
verfahren wieder zur Einstellung zu bringen . Dies führt derzeit zu einer hohen Einstellungsrate der Strafverfahren bei Häuslicher Gewalt.
Auf den 1. Januar 2007 wurde der Paradigmenwechsel des Schweizer Sanktionsrechts in Kraft gesetzt.
1
Weingartner, M.(2010): Einleitung. In Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich; Frauenklinik Maternité, Stadtspital Triemli; Verein
Inselhof Triemli (Hrsg).: Häusliche Gewalt erkennen und richtig reagieren. Handbuch für Medizin, Pflege und Beratung, 2. Überarbeitete und
erweiterte Aufl. Hans Huber-Verlag. Bern. S. 15.
2
Steiner, S. (2004): Häusliche Gewalt. Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien in der Stadt Zürich. Verlag
Rüegger. Zürich, Chur. S. 15ff.
3
Kranich Schneiter, C.; Eggenberger, M.; Lindauer, U. (2004): Gemeinsam gegen häusliche Gewalt. Eine Bestandesaufnahme im Kanton
Zürich. Schulthess. Zürich.
4
Art. 55a StGB
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013
Freiheitsstrafen bis 180 Tage wurden durch Geldstrafen ersetzt. Damit wurde für die Häusliche Gewalt ein
ungeeignetes Sanktionssystem geschaffen, das zu einer zusätzlichen Belastung gewaltbetroffener Famili5
enangehöriger führte. Für das Vorgehen gegen Häusliche Gewalt bedeutete dies ein Rückschritt .
6
Drei Monate später, am 1. April 2007, konnte das Zürcher Gewaltschutzgesetz (GSG) in Kraft gesetzt
werden, nachdem die IST und das Strategische Kooperationsgremium viele für das Gelingen einer raschen Umsetzung notwendigen Vorbereitungsarbeiten erledigt hatten. Als Veranschaulichung eine Abbil7
dung aus der Plakatkampagne der Zürcher Frauenzentrale, welche die Einführung medial begleitete und
als erstes Zeichen der Vernetzungsarbeit stand. Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere gut an
dieses Bild in den Trams und Bussen sowie übergross und animiert auf dem Bildschirm in der AnkunftsHalle des Zürcher Hauptbahnhofs.
Screenshot Zürcher Frauenzentrale, Frühjahr 2007
Die erste Aufgabe der Co-Leiterinnen bestand in der Umsetzung des GSG. § 17 Abs. 1 GSG definiert die
Aufgaben der IST (Steuerung, Koordination, Überprüfung, Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildung der Fachleute) und hält somit gesetzlich fest, dass es die IST als solche Stelle gibt. Weiter hält der Regierungsrat
8
im Konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan (KEF) 2007 – 2010 fest, dass das Generalsekretariat der
Direktion der Justiz und des Innern (JI) eine „Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt“ führt. So wurde
im Gesetz und im KEF die bereits bestehende Integration der IST in die JI bestätigt.
Die verschiedenen beruflichen Hintergründe der Co-Leiterinnen waren „Programm“. Damit wurde die Interund Transdisziplinarität sichergestellt. Vorerst gilt es, das Phänomen der Häuslichen Gewalt in seinen
vielfältigen bio-psycho-sozialen Aspekten zu verstehen. Dies ist eine Voraussetzung für die Entwicklung
von Herangehensweisen, die rechtlich zielfördernd und nachhaltig umgesetzt werden können. Die im Strategischen Kooperationsgremium vertretenen Fachleute und Organisationen gewährleisteten und unterstützten diesen Prozess, so wie zusätzlich den Theorie-Praxis-Transfer.
Das Gewaltschutzgesetz verlangt ein institutionalisiertes Strategisches Kooperationsgremium, d.h. eine
fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt unterstützt und begleitet. Das strategische Kooperationsgremium setzt sich aus Vertretern und Vertreterinnen von 20 privaten und staatlichen Institutionen und Behörden zusammen, um Strategien gegen Häusliche Gewalt für den
Kanton Zürich zu entwickeln. Kooperation ist der Schlüssel für eine wirksame Interventionsarbeit. Die Kooperation ist im Gewaltschutzgesetzt verankert und gibt ihr das notwendige Gewicht. Das „Strategische
Kooperationsgremium“ (StrK) trifft sich vier Mal pro Jahr mit der Aufgabe, Strategien zur Minderung Häuslicher Gewalt zu diskutieren und deren Umsetzung in die Wege zu leiten.
5
Der Nationalrat hat in der Sitzung vom 24. September 2013 der Wiedereinführung kurzer Freiheitsstrafen zugestimmt. Das Geschäft muss
noch in den Ständerat.
6
Gewaltschutzgesetz vom 19. Juni 2006, LS 351
7
Zürcher Frauenzentrale; Politische Projekte; Schutz vor häuslicher Gewalt
8
KEF 2007–2010, S. 96; Organisationsverordnung der JI (JIOV) vom 23. Dezember 2010
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin
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Kapitel 1: Häusliche Gewalt - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013
Die IST organisiert im Rahmen des StrK auch im Frühjahr je an vier Vormittagen Fachweiterbildungen z.B.
auf Grund neuer Forschungsergebnisse im Bereich Häuslicher Gewalt und sichert somit den Austausch
unter den Fachleuten, fördert Diskussionen zur Optimierung etc. Zur Unterstützung der täglichen Arbeit
9
erarbeitete die IST in Zusammenarbeit mit dem StrK ein umfassendes „Manual für Fachleute“ .
mit Häuslicher Gewalt befasste Fachleute
Als Untergruppe führt die IST die Arbeitsgruppe Monitoring. Auch diese trifft sich vier Mal pro Jahr mit
der Aufgabe, u.a. Schnittstellen-Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen und Lösungsvorschläge
auszuarbeiten. Dazu verschickt die IST jeweils vor den Sitzungen die sogenannte Problemerfassungsliste an gut 30 Stellen im Kanton Zürich. Der Verteiler soll sämtliche Bereiche der mit Häuslicher Gewalt
befassten Fachleute erreichen, damit eine möglichst lückenlose Monitorisierung allfälliger Schnittstellenprobleme stattfinden kann. Die Rückmeldungen an die IST erfolgen anhand anonymisierter Fälle, die
an der Sitzung besprochen werden. Die mögliche Lösung für ein Problem kann zum Beispiel sein, dass
einer Fachperson ein Fehler unterlaufen ist, der auf einen Informations- oder auf einen Weiterbildungsbedarf hinweist oder aber eine Behörde ein Formular anpassen muss, damit die Empfänger
mehr Klarheit haben für ihre Entscheidungen. Diese Lösungen sollen einfach und möglichst schnell
umsetzbar sein.
Es kann aber auch sein, dass eine Problematik nicht mit einer einfachen Formular-Anpassung gelöst
werden kann. Dann sind allenfalls auch Verordnungs- oder Gesetzesanpassungen ins Auge zu fassen.
Diese Änderungen sind dann einzubringen, wenn ein Gesetz gerade in Revision ist. So können Anregungen der Co-Leiterinnen und der Fachleute im Zuge von Vernehmlassungen durch die IST eingebracht werden. Ob diese Anregungen später im Gesetz verankert sind, hängt vom politischen Willen in
den vorbereitenden Kommissionen und schlussendlich vom Parlament ab und im Falle einer Abstimmung, von der Mehrheit des Stimmvolks.
Nach dem zweifachen Tötungsdelikt von Pfäffikon am 11. August 2011 wurde die IST und das Kooperationsgremium beauftragt, Verbesserungsvorschläge zum Vorgehen zusammen zu tragen, die im Schlussbericht über mögliche Optimierungsmassnahmen bei Verfahren im Rahmen von Häuslicher Gewalt vom
10
11
13. Juni 2012 zusammengefasst sind. Die Regierung nahm ihn am 20. Juni 2012 zur Kenntnis und
entschied gleichentags, dass Gewaltschutz und Gewaltbekämpfung als Schwerpunkt der Strafverfolgung
12
13
2012–2015 zu priorisieren sind. Die Regierung verortete als Konsequenz die Interventionsstelle per 1.
Januar 2014 in der neu geschaffenen Präventionsabteilung der Kantonspolizei unter Leitung von Oblt
Reinhard Brunner. Die Leitung der IST übernimmt eine zu 100% angestellte Fachperson.
9
www.ist.zh.ch / Manual für Fachleute
Download:
/www.ji.zh.ch/internet/justiz_inneres/de/themen/ist/_jcr_content/contentPar/downloadlist_1341314370536/downloaditems/bericht_m_gliche_opt
.spooler.download.1341313967990.pdf/0_120613_AG+Opt_Schlussbericht.pdf
11
RRB Nr. 660. Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Mögliche Optimierungsmassnahmen bei Verfahren im Rahmen von Häuslicher Gewalt»
(Kenntnisnahme) vom 20. Juni 2012
12
RRB Nr. 659. Berichterstattung zu den Schwerpunkten in der Strafverfolgung 2009–2012 und Schwerpunktbildung in der Strafverfolgung
2012–2015 vom 20. Juni 2012
13
RRB Nr. 941. Übertragung der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt vom 29. August 2013
10
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin
 116 / 3
Kanton Zürich
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt
Kapitel 2
Kurzfristiger Schutz und Deeskalation
bei Häuslicher Gewalt
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Inhaltsübersicht, November 2013
Inhaltsverzeichnis Kapitel 2
Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt
200
240
Grundlagen
201

Rechtlicher Schutz bei Häuslicher Gewalt
November 2013
202

Das Gewaltschutzgesetz (GSG) in Kürze
November 2013
203

Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG
November 2013
204

Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht?
November 2013
205

Verfahren vor dem Zwangsmassnahmen- und dem Verwaltungsgericht
206

Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen
November 2013
207

Die proaktive Beratung
November 2013
208

Gefährdungsmeldung an die KESB und zeitnahe Kinderansprache
November 2013
209

Probleme in der Anwendung des Zürcher Gewaltschutzgesetzes
November 2013
Merkblätter, Flyer, Informationsmaterial
241
260
Beispiele, Verfügungen, Musterbriefe
261
280
 Flyer zu Schutzmassnahmen bei Häuslicher Gewalt
 Polizeiliche Schutzverfügung nach GSG
Gesetzestexte, Rechtsprechung
281

Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor Gewalt
282

Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz
1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
Dazu: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Serviceteil im Kapitel 9
Januar 2013

Januar 2012

September 2013
§
Januar 2013
November 2013

901

Wichtige Zürcher Adressen
November 2013
902

Weiterführende Links
September 2011
903

Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme
November 2013
904

Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen
November 2013
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Rechtlicher Schutz bei Häuslicher Gewalt, November 2013
201 Rechtlicher Schutz bei Häuslicher Gewalt
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Arten von Schutzmassnahmen
Die meisten Gesetze sehen Massnahmen vor, die bei einer besonderen Dringlichkeit eine vorsorgliche, einstweilige Regelung ermöglichen. So auch für akute Gewaltsituationen, wenn der Schutz Gewaltbetroffener gesichert sein muss.
In der akuten Gewaltsituation ist eine Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung
kombiniert mit einem Rayon- und Kontaktverbot meistens eine genügende Massnahme zur vorläufigen Beruhigung der Situation.
Wird aber mit einer Kindsentführung gedroht, braucht es weitergehende Massnahmen. Bei ernsten Morddrohungen reicht i.d.R. eine Wegweisung alleine nicht aus.
Ist die Gewalt krankheitsbedingt, braucht es u.U. zusätzliche Massnahmen. U.U.
muss auch Schutz gewährleistet werden können, ohne dass es bereits zu einer
Gewalteskalation gekommen ist, wenn ernsthafte Hinweise vorliegen, dass es zu
einem schweren Gewaltdelikt kommen könnte.
Benötigt eine gewaltbetroffene Person zwar Schutz, will aber die Polizei aus unterschiedlichen Gründen nicht einschalten, stellt sich für involvierte Fachleute oft die
Frage, ob gleichwohl Schutzmassnahmen beantragt werden können und sollen.
Es gilt also im Einzelfall zu prüfen, welche Schutzmassnahmen kurzfristig angezeigt
sind und welches Verfahren angestrengt werden muss.
Gewaltschutzrechtliche Massnahmen
Im Kanton Zürich ist seit dem 1. April 2007 das Gewaltschutzgesetz (GSG) vom
19. Juni 2006 in Kraft. Es handelt sich um Polizeirecht in Konkretisierung der allgemeinen polizeilichen Generalklausel, deren Zweck die Aufrechterhaltung von Ruhe
und Ordnung ist, u.a. durch den Schutz von Personen, die an Leib und Leben bedroht sind. Die Polizei muss, wenn sie sich von der Drohung oder der Gewalt überzeugt hat, die Schutzmassnahmen auch gegen den allfälligen Willen der gefährdeten Person anordnen. Mit einer 14-tägigen, polizeilichen Wegweisung, einem
Betret- und Kontaktverbot und der nachfolgenden pro-aktiven Beratung durch spezialisierte Stellen wird diesem Schutzbedürfnis in der akuten Situation Rechnung
getragen. Die Massnahmen können richterlich um weitere drei Monate verlängert
werden, wenn glaubhaft die Gefahr fortbesteht.
Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden unentgeltlich angeordnet. Für die
richterliche Verlängerung fallen Kosten von etwa CHF 300 bis CHF 600 an, die von
der gefährdenden Person zu tragen sind, falls dem Verlängerungsgesuch entsprochen wird. Eventuell müssen zusätzlich Parteientschädigungen für die Vertretung
der Gegenpartei bezahlt werden.
Hält sich eine gefährdende Person nicht an die Schutzverfügung, wird sie auf Anzeige mit Busse bestraft. Ist der Vollzug der Schutzmassnahme durch ihr Verhalten
in Frage gestellt, kann ein gewaltschutzrechtlicher Gewahrsam angeordnet werden,
der richterlich um vier Tage verlängert werden kann.
Provisorische oder superprovisorische Massnahmen im Eheschutz- und
Scheidungsverfahren sowie bei Auflösung der Partnerschaft
Ein Eheschutz- oder Scheidungsverfahren wird nur eingeleitet, wenn sich die gewaltbetroffene Person trennen will und eine Klage am zuständigen Gericht einleitet.
Es werden sämtliche Folgen der Trennung (Unterhalt, Wohnungszuweisung, Elternrechte, insb. Obhut- und Besuchsrecht) geregelt.
Ist ein Gewaltschutzverfahren vorausgegangen und damit die unmittelbare Gefahr
beseitigt, werden im Eheschutzverfahren i.d.R. keine vorsorglichen Massnahmen
angeordnet, sofern der eheschutzrichterlicher Entscheid noch innerhalb der Laufzeit
der gewaltschutzrechtlichen Massnahmen ergehen kann.
Art. 172ff ZGB
Art. 248ff ZPO
Spezielle Umstände können es notwendig machen, im Eheschutzverfahren vorsorgliche oder gar superprovisorische Massnahmen zu erwirken. Im Kontext Häuslicher Gewalt gilt dies bei einer akuten, konkret nachweisbaren Gefahr einer Kindsentführung. Da gilt es, das Sorgerecht unverzüglich auf den bedrohten Elternteil zu
übertragen, damit überhaupt ein Rechtstitel besteht, der eine Rückführung des Kin-
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Rechtlicher Schutz bei Häuslicher Gewalt, November 2013
des möglich machen kann. Die Massnahmenanordnung dauert immer einige Tage
evtl. sogar Wochen.
Nach Ablauf der gewaltschutzrechtlichen Wegweisung kann die gefährdende Person in die gemeinsame Wohnung zurückkehren. Ist aufgrund der konkreten Umstände diese Rückkehr unzumutbar, muss die Rückkehr mit einer eheschutzrechtlichen Ausweisung gerichtlich festgehalten werden.
Sowohl im Eheschutz- wie im Scheidungsverfahren können auf Antrag langfristige,
d.h. über mehrere Monate oder Jahre gültige Rayon-, Annährungs- und Kontaktverbote angeordnet werden.
Art. 28b ZGB
Diese privatrechtlichen Schutzmassnahmen können auch im Scheidungsverfahren
bzw. bei Auflösung einer Partnerschaft auf Antrag angeordnet werden.
Nichteinhalten der privatrechtlichen Schutzmassnahmen zieht nur dann Folgen
nach sich, wenn im Gerichtsentscheid ausdrücklich eine Bestrafung vorgesehen ist.
Auf Anzeige werden Widerhandlungen gebüsst.
Die Kosten eines Eheschutzverfahrens mit vorsorglichen Massnahmen betragen
zwischen CHF 800 – 2‘500 (ohne Gebühren und Übersetzungskosten). Die Kosten
sind von der unterliegenden Partei zu bezahlen. Allerdings ist die klagende Partei
kostenvorschusspflichtig und das Gericht kann die Gerichtskosten damit verrechnen. Sofern in Gewaltfällen das Gericht keine situationsadäquate Kostenvorschussregelung trifft, heisst dies faktisch, dass die gewaltbetroffene Partei die Gerichtskosten finanziert.
Zivilrechtlicher Gewaltschutz (vorsorgliche Massnahmen) für Konkubinatspaare und Geschiedene
Sind die gewaltausübende und gewaltbetroffene Person nicht mehr verheiratet oder
leben sie im Konkubinat, besteht die Möglichkeit, zivilrechtlich ein Betret-, Rayonund Kontaktverbot, das über mehrere Monate oder Jahre angeordnet werden kann,
zu beantragen. Auch diese Massnahmen können vorsorglich vor der Einleitung des
Hauptverfahrens angeordnet werden. Ist die Gewalt nachweisbar, so sind in der
Regel die Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen gegeben, sofern nach
wie vor eine nachweisbare Gefährdungssituation besteht. Eingeleitet werden muss
ein Zivilprozess im Vereinfachten Verfahren bei der Schlichtungsstelle (FriedensrichterIn). Die Anordnung vorsorglicher Massnahmen dauert in der Regel immer einige Tage oder Wochen.
Kapitel 3
Art. 28b ZGB
Art. 243ff ZPO
Die klagende Partei ist i.d.R. kostenvorschusspflichtig, d.h. es müssen ca. CHF
2‘000 geleistet werden, ausser das Gericht sehe wegen der Gewaltsituation davon
ab. Werden zivilrechtliche Schutzmassnahmen ausgesprochen, so muss die beklagte Partei die Gerichtskosten übernehmen. Wurde ein Vorschuss verlangt, werden die Gerichtskosten allerdings damit verrechnet und die klagende Partei muss
dann selbst sehen, wie sie die Gerichtskosten bei der beklagten Partei, also der
gewaltausübenden, einfordern kann.
Nichteinhalten der Massnahmen hat auf Anzeige nur Folgen, falls die Bussenandrohung im Widerhandlungsfall bereits im richterlichen Entscheid vorgesehen ist.
Strafprozessuale „Schutzmassnahmen“
Im Kanton Zürich ist bei Häuslicher Gewalt in rund 80% der Vorfälle ein ernsthafter
Verdacht auf ein Vergehen oder Verbrechen gegeben. Deshalb wird parallel zu den
gewaltschutzrechtlichen Massnahmen von Amtes wegen auch ein Strafverfahren
eröffnet.
Kapitel 5
Besteht die Gefahr, dass das Gewaltopfer in seinem Aussageverhalten unter Druck
gesetzt wird oder ist die dringende Gefahr gegeben, dass es zu Wiederholungstaten kommt oder zur Ausführung eines schweren, angedrohten Delikts, wird die beschuldigte Person in der Regel durch das Zwangsmassnahmengericht auf Antrag
der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft versetzt. Kann mit einem Kontakt- und
Rayonverbot oder z.B. mit Arztbesuchen, Hinterlegung von Ausweisschriften,
Zwangsberatungen beim mannebüro etc. die Kollusions- oder Ausführungsgefahr
verhindert werden, wird die Untersuchungshaft durch Ersatzmassnahmen ersetzt,
d.h. es kommt zu einer Entlassung aus der Untersuchungshaft mit Auflagen. Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen gelten maximal drei Monate, wenn sie durch
das Zwangsmassnahmengericht nicht weiter verlängert werden.
Art. 221 StPO
Art. 237 StPO
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Rechtlicher Schutz bei Häuslicher Gewalt, November 2013
Widerhandlung gegen die Ersatzmassnahmen hat meist erneut Untersuchungshaft
zur Folge.
Gewaltopfern erwachsen keine Kosten durch die Ersatzmassnahmen.
Friedensbürgschaft
Selten beantragt wird die „Friedensbürgschaft“. Wurde mit einer Körperverletzung
oder dem Tod gedroht und handelt es sich um eine (nachgewiesene) Gewaltbeziehung, kann verlangt werden, dass die drohende Person vor der Staatsanwaltschaft
verspricht, die Tat nicht zu begehen und dafür eine Sicherheit leisten muss. Verweigert sie das Versprechen, kann sie bis zu zwei Monaten in Sicherheitshaft gesetzt werden. Die Friedensbürgschaft kann in einem laufenden Strafverfahren oder
selbständig bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden. Sie hat wegen der hergestellten Öffentlichkeit der gemachten Drohungen eine nicht unwesentliche zusätzliche Schutzfunktion. Die Friedensbürgschaft wird in der Praxis allerdings selten beantragt.
Art. 66 StGB
Art. 372ff StPO
Die Sanktion ist die Eröffnung eines Strafverfahrens, wenn ein Delikt begangen wird
sowie der Verlust der hinterlegten Sicherheit.
Strafrechtliche Weisungen und Bewährungshilfe
Kommt es zu einer bedingten Verurteilung einer beschuldigten Person, so kann das
Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft Weisungen auferlegen. Es handelt sich um
Verhaltensanforderungen, die während der Dauer der angeordneten Probezeit der
bedingten Strafe, d.h. während minimal zwei bis maximal fünf Jahren, einzuhalten
sind und der Verhinderung weiterer Delikte dienen.
Art. 94ff StGB
Ein Ersttäter bei Häuslicher Gewalt wird i.d.R. nur eine bedingte Strafe erhalten, sofern es überhaupt zu einer Verurteilung kommt. Die Weisungen verbieten ihm z.B.
einen bestimmten Ort aufzusuchen, sich einer Person auf eine definierte Distanz
anzunähern, Kontakt aufzunehmen oder verpflichten ihn, regelmässige Beratungsgespräche, evtl. ein Lernprogramm zu absolvieren.
Werden die Weisungen missachtet, kann die Probezeit verlängert oder eine zusätzliche Weisung durch das Gericht angeordnet werden. Besteht die Gefahr, dass der
Verurteilte ernsthaft Delikte begeht, kann die bedingte Strafe widerrufen werden.
Weisungen werden im Urteil mit einer Bewährungshilfe kombiniert. Deren Aufgabe
ist es u.a. zu überprüfen, ob die Weisungen eingehalten und die gewünschte Wirkung auch eintreten. Die Bewährungshilfe hat gegebenenfalls einen Bericht zu
schreiben und zu beantragen, dass andere Weisungen oder sogar die Strafe zum
Vollzug gelangen sollte, wenn sich zeigt, dass eine erneute Delinquenz droht.
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Das GSG in Kürze, November 2013
202 Das Gewaltschutzgesetz (GSG) in Kürze
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Häusliche Gewalt nach GSG
Häusliche Gewalt liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden oder aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen
oder psychischen Integrität verletzt oder gefährdet wird
− durch Ausübung oder Androhung von Gewalt oder
− durch wiederholtes Belästigen, Auflauern, Nachstellen (Stalking).
§ 2 Abs. 1 GSG
Gesetzestext GSG: 281
Rechtsprechung zum GSG
282
Ob die gefährdende Person mit der gefährdeten Person einen gemeinsamen Haushalt führt oder jemals geführt hat, spielt keine Rolle. Es muss eine familiäre oder
partnerschaftliche Beziehung bestehen oder bestanden haben, die sich u.a. durch
Vertrautheit, Verletzlichkeit und Abhängigkeit äussert. Damit fallen auch ElternKinder-, Verwandtschafts-, Geschwister- und auch Liebesbeziehungen unter Teenagern unter die Legaldefinition. Weil ‚häuslich’ keine adjektivische Konnotation hat,
wird ‚Häuslich’ als Begriff in den Texten der IST grossgeschrieben.
Schutzbedürftigkeit
Das Gewaltschutzgesetz schreibt vor, dass die Polizei „die zum Schutz notwendigen Massnahmen“ anzuordnen hat, sobald ein Fall von Häuslicher Gewalt vorliegt.
Dies wird immer dann der Fall sein, wenn
- die gefährdete Person eine Wiederholung des Vorfalls oder gar eine Eskalation befürchtet oder
- die Polizei aus früheren Interventionen bereits um die Gewalt weiss und wiederum Hinweise darauf vorliegen;
- es Hinweise auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt gibt.
§ 3 Abs. 1 GSG
Die Polizei ist verpflichtet auch gegen den Willen der Parteien, namentlich auch gegen den Willen der gefährdeten Person, Schutzmassnahmen anzuordnen. Bei der
Feststellung des Sachverhalts, aber auch bei der Beurteilung der Frage nach der
Schutzbedürftigkeit der gefährdeten Person, stellt die Polizei in erster Linie auf die –
glaubhaften – Schilderungen der gefährdeten Person und nicht auf diejenigen der
gefährdenden ab. Schutzmassnahmen sind auch anzuordnen, wenn sich die gefährdende Person vorübergehend an einen anderen Ort aufhält (z.B. im Frauenhaus, im Ausland etc.).
Polizeiliche Schutzmassnahmen
Die Polizei kann für die Dauer von 14 Tagen drei Arten von Schutzmassnahmen
verfügen:
- eine Wegweisung aus dem Haus oder aus der Wohnung und / oder
- ein Betretverbot für bestimmte Strassen und Quartiere (Wohn-, Arbeitsort,
Schule) und / oder
- ein Kontaktverbot mit der gefährdeten Person und – wo nötig – mit dieser
nahe stehenden Personen (insb. betroffene Kinder).
Die Schutzmassnahmen ergehen unter der Strafandrohung von Art. 292 StGB „Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen“. Ein angezeigter Verstoss wird mit Busse
bestraft.
§ 3 Abs. 2 GSG
Verfügt die Polizei eine Wegweisung, muss die gefährdende Person eine
- Zustelladresse für behördliche Mitteilungen nach GSG bekannt geben,
- alle Schlüssel zur Wohnung oder zum Haus abgeben,
- dringend benötigte Gegenstände packen (Reiseutensilien).
§ 4 Abs. 3 GSG
Verfügt die Polizei ein Betretverbot, werden die erfassten Strassen und Quartier(e)
auf einer Strassenkarte eingetragen. In der Regel wird die unmittelbare Umgebung
der Wohnung und/oder des Arbeitsorts, die Schule, sowie der Weg dahin erfasst.
Auf der Strassenkarte ist damit der Rayon sichtbar, der nicht betreten werden darf.
Verfügt die Polizei ein Kontaktverbot, so kann sie dieses auf andere Personen
ausdehnen, die der gefährdeten Person nahe stehen, insbesondere auch auf
betreuungsbedürftige Kinder, wenn deren Schutzbedürfnis durch die Situation ausgewiesen ist. Diese Ausweitung muss begründet werden.
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Das GSG in Kürze, November 2013
Richterliche Überprüfung und Verlängerung
Innert fünf Tagen kann eine Schutzverfügung durch die gefährdende Person beim
zuständigen Zwangsmassnahmengericht angefochten werden. Die gefährdete Person hat die Möglichkeit, innert acht Tagen eine Verlängerung der Schutzmassnahme um maximal drei Monate zu beantragen. Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet innert vier Arbeitstage. Der richterliche Entscheid kann innert fünf Tagen
mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden, wobei der Bestand
der Schutzmassnahme bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts nicht berührt
wird.
§ 5 GSG
§ 6 GSG
§§ 8 GSG
Zuständig sind Einzelrichterinnen und Einzelrichter am Zwangsmassnahmengericht
der Zürcher Bezirksgerichte.
§33 GOG
Fristberechnung
Die Zählung des Fristenlaufs beginnt immer mit dem folgenden Tag, an welchem
die Schutzverfügung nachweislich in Empfang genommen, spätestens sieben Tage,
nachdem ein eingeschriebener Brief nicht abgeholt wurde. Ab diesem Tag werden
alle Kalendertage durchgezählt (inkl. Samstage, Sonntage, Feiertage so auch an
Ostern, Pfingsten und Weihnachten).
Die Frist hört am letzten Tag aus. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag
oder einen Feiertag, läuft sie am nachfolgenden Werktag ab, also am Montag oder,
nach Ostern und Pfingsten, am Dienstag.
Die Frist ist eingehalten, wenn am Tag des Fristablaufs das Gesuch an das Gericht
der Schweizerischen Post (also nicht privaten Organisationen) übergeben wurde.
Zum Nachweis der eingehaltenen Frist empfiehlt sich, den Brief eingeschrieben
wegzuschicken. Diese Fristberechnung gilt für das Gewaltschutz-, Zivil- und Strafverfahren.
Die prozessuale Fristberechnung ist anders als im Privatrecht: Fristen für Kündigungen eines Miet- oder Arbeitsvertrags sind nur eingehalten, wenn am Tag des
Fristablaufs das Schreiben bei der Adressatin ist (die siebentägige Abholfrist für
eingeschriebene Briefe ist auch zu berücksichtigen).
Der Gewahrsam
Neben der Anordnung einer Schutzmassnahme kann die Polizei eine gefährdende
Person für maximal 24 Stunden in Gewahrsam nehmen. Diese Massnahme kann
zum Zug kommen
-
§ 13 Abs. 1 GSG
falls eine schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann oder
zur Sicherung des Vollzugs einer Schutzmassnahme:
> bei Widerstand durch die gefährdende Person während der polizeilichen
Intervention oder
> wenn sich herausstellt, dass die gefährdende Person gegen die Schutzmassnahme verstösst oder verstossen hat (Vollzugssicherung).
Ist nach Beurteilung durch die Polizei ein Gewahrsam von mehr als 24 Stunden notwendig, stellt die Polizei beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht umgehend
einen begründeten Antrag um Verlängerung (maximal vier Tage).
§ 14 GSG
Proaktive Beratung für gefährdete und gefährdende Personen
Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden Opferberatungs- und Beratungsstellen für gefährdende Personen zugeschickt, deren Mitarbeitende je mit den Betroffenen umgehend Kontakt aufnehmen, um die Situation abzuklären.
§ 15 Abs. 2 GSG
§ 16 Abs. 2 GSG
Zeitnahe Kinderansprachen
Das GSG sieht nicht vor, auch die Kinder rasch anzusprechen. Die alten Vormundschaftsbehörden brauchten teilweise sehr viel Zeit, bis sie auf die Kinder bzw. Eltern zugingen. Mit der neuen Behördenorganisation der professionellen Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörden wird sich das Problem dann verringern, wenn die Arbeitslast dieser Behörden in den Normalbereich kommt.
Mit zwei Pilotprojekten in Winterthur einerseits und in zwei Zürcher Stadtkreisen
und dem Bezirk Horgen andererseits wurde zeitnah an das Gewaltereignis mit dem
elterlichen Einverständnis auch mit den im Haushalt lebenden Kindern gesprochen.
Den Kindern sollte zur Intervention der Kindsschutzbehörden eine erste Orientierungshilfe und Informationen gegeben werden. Die Pilotprojekte wurden durch das
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Zeitnahe Kinderansprachen
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Das GSG in Kürze, November 2013
Marie Meierhofer Institut für das Kind in Zürich begleitet und evaluiert. Die Studie
zeigte die dringende Notwendigkeit für eine rasche Unterstützung der Kinder auf.
Derzeit wird abgeklärt, ob die zeitnahe Kinderansprache definitiv eingeführt werden
kann.
Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)
und vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen
Sind Kinder im Haushalt, wird die Schutzmassnahme der zuständigen KESB zugestellt, die abklärt, ob eine kindesschutzrechtliche Massnahme notwendig ist.
§ 15 Abs. 1 GSG
Handelt die KESB nach Eingang einer Gefährdungsmeldung rasch und hört sie sich
die Kindseltern bzw. die Kinder an, hat sie die Möglichkeit des Erlasses einer provisorischen kindsschutzrechtlichen Massnahme. Wenn sie diesem Entscheid auch
gleichzeitig die aufschiebende Wirkung für den Fall einer Beschwerde entzieht, tritt
die Kindesschutzmassnahme unverzüglich in Kraft (unter Vorbehalt eines später
ergehenden Endentscheides des KESB).
Art. 273, 275 ZGB i.V. 445
Abs. 1, i.V. 450c ZGB
Hat die Polizei oder das Zwangsmassnahmengericht die Kinder in das Kontaktverbot zum Schutz des gefährdeten Elternteils einbezogen, kann die KESB, falls sich
das gänzliche Kontaktverbot als zu weitgehend erachtet, einstweilen einen Beistand
zur Überwachung des Besuchsrechts anberaumen oder – falls die Eltern eine adäquate Lösung bieten können – diese übernehmen. Damit kann die GSGMassnahme bezüglich des gänzlichen Kontaktverbots zu den Kindern im Sinne des
Kindesschutzes rasch modifiziert werden.
Aufhebung der GSGMassnahme mit adäquaten Kindsschutzmassnahmen
§ 7 Abs. 1 GSG
Gelingt es, dieses Vorgehen zu implementieren, werden auch die Zwangsmassnahmenrichte, die zur Prüfung von Kindesschutzmassnahmen nicht zuständig sind,
entlastet.
Interventionsstelle und Kooperation der Fachleute
Die Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt, die ab dem 1. Januar 2014 der
Kantonspolizei, Dienststelle für Gewaltprävention angegliedert ist, hat Koordinations- und Evaluationsaufgaben. Sie ist auch zuständig für Weiterbildungen und Öffentlichkeitsarbeit. Ihr zur Seite steht das Strategische Kooperationsgremium, ein
behörden- und fachübergreifendes Gremium, das die Arbeit der Interventionsstelle
unterstützt.
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§§ 17 GSG
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG, November 2013
203 Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901;
Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Beziehungskonstellation § 2 Abs. 1 GSG
bestehend
aufgelöst
Familie
z.B. Eheleute, Eltern-Kind, Schwiegereltern,
Geschwister, Verschwägerte, Grosseltern
z.B. Geschiedene, Getrennte, Ex-Schwager, ExSchwiegereltern
(nicht die neue Partnerin bzw. Partner!)
Partnerschaft
z.B. Paarbeziehung, Lebenspartnerschaft,
Freundschaft, auch intime Beziehungen unter
Jugendlichen (keine Wohngemeinschaft
erforderlich)
z.B. Ex-Partner, Ex-Freundin, Ex-Lebenspartner
Gefährdung oder Verletzung der Integrität § 2 Abs. 1 GSG
Verletzung
Gefährdung
Körperliche Integrität
z.B. Kratzen, Schlagen, Würgen, Einsperren,
Aussperren, Festbinden, etc.
z.B. Androhung von Verletzungen oder sonstige
Nachteile, Schläge androhen, Morddrohungen,
etc.
Sexuelle Integrität
z.B. Vergewaltigen, gegen Willen in sexuelle
Handlungen einbeziehen, etc.
z.B. Vergewaltigung androhen, Androhung
sexueller Handlungen gegen den Willen der
gefährdeten Person, etc.
Psychische Integrität
z.B. Nötigen, Drohen, gezielter Hinweis auf
Waffen, regelmässig Demütigen, stetes
Beschimpfen, Abwerten, mit Suizid/Rache
drohen, Misshandeln, die freie Lebensgestaltung
in wichtigen Belangen verbieten oder
verunmöglichen (Zwang zu Heirat, striktes
Ausgehverbot, Zwang zu sozialer Isolation),
wiederholtes Nachstellen, Belästigen, Auflauern
(Stalken), Telefon-, Mailterror, etc.
z.B. Gegenstände mit hohem Gefühlswert
absichtlich zerstören, Haustiere quälen, gezielte
Verunglimpfung im sozialen Umfeld (auch im
Internet), mit Verlust der Kinder oder
Kindsentführung drohen, etc.
Nicht erfasst werden heftige verbale Streitigkeiten, die keine Verletzung oder Gefährdung zur Folge haben.
Tathandlung § 2 Abs. 1 lit. a; lit. b GSG
Ausüben oder Androhen
von physischer, sexueller oder psychischer Gewalt
Stalking
wiederholtes Belästigen,
Auflauern, Nachstellen
Schutzbedürftigkeit § 3 Abs. 1 GSG
JA
In der Regel, wenn
→ nachvollziehbare Befürchtung vor weiterem Übergriff oder Gefahr der
Eskalation droht
→ ein Machtungleichgewicht in der Beziehung besteht (körperlich oder
finanziell)
→ Unfähigkeit, sich zu wehren infolge seelischer Ohnmacht, frühere
Vorkommnisse o.Ä. vorliegt
→ gegen bestehende Schutzmassnahmen verstossen wurde.
→
NEIN
→
→
Bei erstmaligem geringfügigem Vorfall ohne Anzeichen auf
Wiederholung und ohne Angst der gefährdeten Person
Einmalige Entgleisung unter ähnlich starken Personen ohne
Gewaltauswirkungen
Erstmaliger, eher geringfügiger Vorfall im Zusammenhang mit beidseits
übermässigem Alkohol- oder Drogenkonsum
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Schutzmassnahme
anordnen
Keine
Schutzmassnahme
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG, November 2013
Schutzmassnahmen § 3 Abs. 2 GSG
Wegweisung
Betretverbot
Kontaktverbot
→ Zustelladresse angeben.
Wenn keine Adressangabe innert ca. 24
Stunden erfolgt, werden Zustellungen für
die GSG Verfahren an die polizeiliche
Fachstelle gerichtet und müssen dort
abgeholt werden.
→ Schlüsselabnahme
→ Mitnahme Reiseutensilien
→ Rayonverbot
Gebiet wird auf einer Strassenkarte
eingezeichnet, welche unterschrieben
und der Verfügung beigelegt wird.
→ Verbot, mit gefährdeter Person in
Kontakt zu treten
→ Evtl. zusätzlich: Verbot mit
nahestehenden Personen in Kontakt
zu treten, wenn dies zu deren Schutz
angezeigt ist (z.B. Kinder, neuer
Partner etc.). Muss begründet
werden.
Anordnen mit Schutzmassnahme-Verfügung
(gilt für 14 Tage nach Kenntnisnahme durch Gefährder)
Kopie an gefährdete Person
Wenn keine sofortige Kenntnisnahme möglich ist, wird am vermuteten Aufenthaltsort der gefährdenden Person eine Aufforderung
deponiert, sich bei der Polizei zu melden. Nach drei Tagen ohne Meldung wird die Verfügung im Amtsblatt veröffentlicht. Die Verfügung gilt
ab Datum der Veröffentlichung (§ 4 Abs. 2 GSG).
Mitteilung der Schutzmassnahme-Verfügung
→ an GSG-Opferberatungsstelle
→ an Beratungsstelle für gefährdende Personen
→ an Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) bei Kindern im Haushalt
Die gefährdende Person kann innert fünf Tagen die Überprüfung durch
das Zwangsmassnahmengericht verlangen (§ 5 GSG). Der Entscheid
ergeht unter Anhörung der Parteien innert vier Arbeitstagen (§ 9 Abs. 1
GSG).
Die gefährdete Person (Opfer) kann innert acht Tagen beim
Zwangsmassnahmengericht eine Verlängerung um maximal 3
Monate beantragen (§ 6 Abs. 1 GSG). Der Entscheid ergeht unter
Anhörung der Parteien innert vier Arbeitstagen (§ 9 Abs. 1 GSG).
Innert fünf Tagen kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die richterliche Massnahme bleibt bis zum Entscheid des
Verwaltungsgerichts in Kraft (§ 11a GSG).
Falls ein Verdacht auf ein Verbrechen oder ein Vergehen mit Kollusionsgefahr vorliegt, gibt es evtl. zusätzlich eine polizeiliche Festnahme
gemäss Strafprozessordnung und eine Zuführung an die Staatsanwaltschaft.
Gewahrsam §§13 GSG
Evtl. wird polizeilich zusätzlich ein gewaltschutzrechtlicher Gewahrsam angeordnet (für 24 Stunden)
→ Wenn eine schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung vorliegt, die nicht anders abgewendet werden kann (entfällt aber, falls es zu
einer polizeilichen Festnahme nach Strafprozessordnung kommt);
→ Zur Sicherung des Vollzugs einer Schutzmassnahme z.B. bei Widerstand gegen die polizeiliche Intervention oder weil die Schutzmassnahme während der Geltungsdauer nicht beachtet wurde. Zusätzlich kann die widerhandelnde Person auf Anzeige wegen Verstoss gegen
Art. 292 StGB gebüsst werden.
Die Polizei kann innert 24 Std. eine Verlängerung des Gewahrsams beim Zwangsmassnahmengericht beantragen (§ 14 GSG).
Die gefährdende Person wird durch das Zwangsmassnahmengericht innert zwei Arbeitstagen angehört.
Verlängerung um max. vier Tage.
Innert fünf Tagen kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die richterliche Massnahme bleibt bis zum Entscheid des
Verwaltungsgerichts in Kraft (§ 11a GSG).
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013
204 Was regeln die GSG-Schutzmassnahmen? Was nicht?
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Die Schutzmassnahme will kurzfristigen Schutz und die Beruhigung der Situation
Das Zürcher Gewaltschutzgesetz will den rechtlichen Schutz, die Sicherheit und die
Unterstützung gefährdeter Personen bei Häuslicher Gewalt sicher stellen. Die 14tägigen polizeilichen Schutzmassnahmen dienen der Beruhigung und Deeskalation
der Situation. Sie können richterlich um maximal drei Monate verlängert werden.
Eine Unterbringung im Frauenhaus kann trotz Schutzmassnahmen bei akuter Gefahr oder starker Beeinträchtigung der psychischen Integrität und Isolation der gefährdeten Frau und Kinder notwendig sein.
§ 1 Abs. 1GSG
§ 6 Abs. 3 GSG
Das GSG wird von Amtes wegen angewendet - auch gegen den Willen der Betroffenen
Schutzmassnahmen werden von Amtes wegen angeordnet. Ist für die Zürcher Polizei offensichtlich, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, ordnet sie die 14 Tage
dauernden Schutzmassnahmen an - auch gegen den Willen der Betroffenen. Damit
wird die Gewaltspirale unterbrochen und genügend Zeit für eine flankierende Krisenberatung sichergestellt.
§ 3 Abs. 1 GSG
Auch Kinder werden geschützt
Für die Dauer der polizeilichen, evtl. der richterlichen Schutzmassnahmen kann das
Kontaktverbot auch auf Kinder ausgedehnt werden, sofern die Kinder selber direkt
von Gewalt betroffen sind, die elterlichen Gewalthandlungen beobachten mussten
oder damit zu rechnen ist, dass der Kontakt zu den Kindern zu einer erneuten Gewalteskalation führt. Kann der Schutz der Kinder z.B. durch eine mindere Massnahme erreicht werden, muss diese angeordnet werden.
Allerdings ist der Zwangsmassnahmerichter weder zuständig noch durch das rasche Verfahren in der Lage, kindsschutzrechtliche Aspekte abzuklären. Das ist Sache der KESB, die neuerdings auch vermehrt den kindsschutzrechtlichen Handlungsbedarf nach Eingang der Schutzmassnahmeverfügung abzuklären beginnt,
und wo möglich, noch innerhalb der 3-monatigen Verlängerungsfrist eine vorsorgliche Massnahme (mit Entzug der aufschiebenden Wirkung) erlässt. Damit kann das
weitgehende, gewaltschutzrechtliche Kontaktverbot gegenüber den Kindern aufgehoben bzw. modifiziert werden.
In schwierigen Fällen kann das Zwangsmassnahmegericht auch zusätzlich nochmals eine Gefährdungsmeldung an die KESB machen.
§ 3 Abs. 1 lit. c GSG
Vgl. Rechtsprechung zum
GSG 282, 2.4
Art. 273, 275 i.V. Art 445
Abs. 1, 450c ZGB
§ 7 Abs. § ZGB
Art. 442 Abs. 2 ZGB
Sowohl die Polizei wie die Richtenden müssen die Gründe, die eine Ausweitung
des Kontaktverbotes auf Kinder rechtfertigen, festhalten und begründen.
Das GSG löst eine Beratung in der Krisensituation aus
Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden unverzüglich zuständigen Opferberatungsstellen sowie Stellen für die Beratung gefährdender Personen zugestellt. Den
Betroffenen soll für ihre individuelle Situation ein Ausweg aus der Gewaltsituation
aufgezeigt werden. Sind die betroffenen Personen Eltern, werden auch der Schutz
der Kinder und die Auswirkungen der Gewalt auf die Kinder thematisiert, um so die
elterliche Verantwortung anzusprechen.
§ 15 Abs. 2 GSG
Derzeit wird geprüft, ob für die Kinder eine Ansprache flächendeckend sichergestellt
werden soll, die zeitnah an den Gewaltvorfall erfolgt, bis die KESB die Abklärungen
veranlasst hat bzw. Kindesschutzmassnahmen verfügen kann.
Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)
Leben Kinder im Haushalt, erhält die zuständige KESB eine Kopie der Schutzmassnahmeverfügung. Sofern die Familie der KESB bzw. den Kinder- und Jugendhilfe (KJH) nicht bereits bekannt ist, wird u.U. eine erste Abklärung ausgelöst um zu
prüfen, ob zur Wahrung des Kindswohls die Anordnung von Kindsschutzmassnahmen notwendig ist.
In Fällen von Trennungsgewalt kann mit der Anordnung eines Beistands, welcher
bei der Besuchsrechtsabwicklung hilft, evtl. mit geringem Aufwand ein deeskalierender Effekt bewirkt werden.
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§ 15 Abs. 1 GSG
Art. 302ff. ZGB
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013
Das GSG kommt auch bei Trennungsgewalt zur Anwendung
In rund 40% der polizeilichen Schutzmassnahmen handelt es sich um Formen der
Trennungsgewalt. Das heisst, die Partnerschaft oder Familie lebt bereits getrennt.
Die gefährdende Person übt aber Gewalt aus, sei dies in Form von (Mord-) Drohungen, Telefon-, Mail- und SMS-Terror, Belästigungen, Verunglimpfung bei Arbeitgeber oder Drittpersonen, Nachstellungen. Mit den GSG-Kontakt- und Betretverbot kann die Situation häufig beruhigt werden.
§ 2 Abs. 1 lit. b GSG
Das GSG findet auch Anwendung, wenn gleichzeitig ein Strafverfahren eingeleitet wird
Die 14-tägige polizeiliche Schutzmassnahme wird auch verfügt, wenn gleichzeitig
ein Strafverfahren eingeleitet und eine Untersuchungshaft angeordnet wird. Die Untersuchungshaft dauert oft nur ein paar Tage. Die Dauer ist für die gefährdeden
Personen nicht voraussehbar. Entlassungen erfolgen sehr kurzfristig und verunmöglichen dem Opfer oft, eigene Massnahmen zu treffen. Der Gefährder darf trotz
Entlassung aus der Untersuchungshaft während der Dauer der GSG-Massnahme
nicht in die Wohnung zurückkehren.
Eine GSG-Schutzmassnahme kann auch angeordnet werden, wenn kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt. Anwendungsfälle sind Stalkinghandlungen
ohne Gewalt (wiederholtes Auflauern, Nachstellen) oder wenn Gewalthandlungen
vorliegen, die nur auf Strafantrag verfolgt werden und kein Strafantrag vorliegt (z.B.
Körperverletzungen oder Tätlichkeiten gegen eine Mutter durch ihr Kind sind
Antragsdelikte, Sachbeschädigungen, Hausfriedensbruch, Telefonterror).
In rund 89% der Fälle wird
gleichzeitig ein Strafverfahren eingeleitet; in ca.
80% besteht der Verdacht
auf ein Verbrechen oder
Vergehen.
Keine verhaltensändernden Massnahmen durch das GSG
Mit dem GSG kann die gefährdende Person nicht verpflichtet werden, sich Gewalt
mindernden Massnahmen zu unterziehen, wie z.B. dem Lernprogramm der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Zürich „Partnerschaft ohne Gewalt“ (PoG),
einer Therapie, einer Alkohol- oder Drogenbehandlung. Es kann lediglich versucht
werden, in der Krisenberatung die Person zu motivieren, sich freiwillig einem solchen Programm oder einer Behandlung zu unterziehen.
www.justizvollzug.zh.ch
Strafrechtlich sind verhaltensändernde Massnahmen möglich
Eine Verpflichtung, sich einer verhaltensändernden deliktsmindernden Massnahme
zu unterziehen, kann mit einer strafrechtlichen Verurteilung oder einem Strafbefehl
als Weisung aufgenommen werden. Allerdings ist die Einstellungsrate der Strafverfahren aus unterschiedlichen Gründen bei Häuslicher Gewalt hoch, so dass dieses
einfache, spezialpräventive strafrechtliche Instrument in der Praxis wenig angewandt wird.
Art. 94 StGB Weisungen
(Kapitel 5)
Anordnungen zur Ausübung des Besuchsrechts
Zu Gewalt neigenden Eltern kann aus kindsschutzrechtlichen Erwägungen das Aufsuchen eines Lernprogramms oder einer geeigneten Therapie oder Begleitung nahe gelegt werden. Dies ist möglich, falls ein Obhutsentzug in Betracht gezogen
werden muss, wenn die Gewalt nicht eingedämmt werden kann oder wenn bei getrennt Lebenden Gewalt bei der Besuchsrechtsabwicklung befürchtet wird.
Art. 307 Abs. 3 ZGB
Weisungen
Art. 308 ZGB
Beistandschaften
Das GSG regelt weder Unterhaltsverpflichtungen noch Elternrechte
Verfügt nur die weggewiesene Person über Geldmittel und weigert sie sich, Haushaltsgeld zu hinterlassen, müssen Bekannte oder Verwandte aushelfen bzw. es
muss eine Überbrückungshilfe von der Sozialhilfe beansprucht werden. Evtl. bestehen opferhilferechtliche Möglichkeiten. Mit den Schutzmassnahmen können keine
wirtschaftlichen (z.B. Unterhaltsfragen) oder kindsrechtliche Fragen (z.B. Besuchsrecht für die Kinder) geregelt werden. Will die gefährdete Person dafür eine Regelung, muss sie selbst aktiv werden, d.h. ein zivilrechtliches Verfahren einleiten (z.B.
ein Eheschutzverfahren).
Art. 172ff ZGB
Eheschutzverfahren
Art. 111ff ZGB
Ehescheidung
Das GSG regelt die Trennung nicht - es erfolgt auch keine Zuteilung der Wohnung
Die Gewaltschutzmassnahmen regeln das Getrenntleben nicht. Sie erzwingen lediglich eine kurze, behördlich angeordnete Trennung, deren Zweck die Herstellung
von Sicherheit und Deeskalation ist. Kommt es zur zivilrechtlichen Trennung, müssen deren Folgen (Wohnungsnutzung, Unterhalt, Elternrechte) gütlich oder vor Gericht geregelt werden. Zusätzlich können auf Antrag privatrechtliche Schutzmöglichkeiten angeordnet werden (Annäherungs- und Kontaktverbot).
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Richterliche Trennung;
Persönlichkeitsrechtlicher
Schutz, Art. 28b ZGB
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013
205 Verfahren vor dem Zwangsmassnahmen- und dem Verwaltungsgericht
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Inhaltsübersicht
- Gerichtliche Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahme
- Verlängerung, Änderung und Aufhebung der Schutzmassnahmen (§6 GSG)
- Anhörung der Gesuchstellenden bzw. –gegner,
- Prozessparteien
- Gerichtentscheid innert vier Arbeitstagen
- Zustellung der Vorladung
- Beschwerde an das Verwaltungsgericht
- Kosten- und Entschädigungsfolgen
Gerichtliche Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahme
Eine Person, gegen die eine polizeiliche Wegweisung, ein Betret- oder Kontaktverbot
verfügt wurde, hat die Möglichkeit, innert fünf Tagen nach Aushändigung der Verfügung eine richterliche Überprüfung der Verfügung zu verlangen. Das zuständige
Zwangsmassnahmegericht am Begehungsort ist in der Schutzmassnahmeverfügung
aufgeführt. Mit der Möglichkeit der (nachträglichen) gerichtlichen Beurteilung der polizeilichen Schutzmassnahme bleibt das rechtliche Gehör gewahrt, indem anstelle vorheriger gerichtlicher Anhörung Gelegenheit zur Einsprache gegeben wird. Die Einsprache hat schriftlich unter Beilage der Verfügung zu erfolgen und muss eine kurze Begründung enthalten, weshalb die Anordnungen der Schutzmassnahme(n) unrechtmässig oder unverhältnismässig waren.
§ 5 GSG
Ihrem Wesen nach entsprechen die anzuordnenden Schutzmassnahmen superprovisorischen Verfügungen. Die polizeilichen Schutzmassnahmen des GSG sollen unmittelbar angeordnet und vollzogen werden können. Ansonsten wären weitere akute Gefährdungssituationen und damit verbunden Nachteile für die betroffene Person absehbar. Diese Dringlichkeit drängt das Interesse an der vorgängigen gerichtlichen Anhörung zurück, da in den vom GSG zu schützenden Sachverhalten eine schwerwiegende
Gefahr im Verzug liegt, welche erhebliche Anliegen wie die körperliche und seelische
Integrität von Personen berührt und dementsprechend sofortiges Handeln gebietet. Die
Gewährung des rechtlichen Gehörs kann deshalb, wenn die gefährdende Person innert
Frist nicht erreicht werden kann, einspracheweise nochmals durch das Zwangsmassnahmengericht nachgeholt werden.
Kölz/Bosshart/Röhl,
Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, § 6 N23
Die nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Rechts- und Verhältnismässigkeit der
polizeilichen Schutzmassnahme nach § 5 GSG hat unter Berücksichtigung und Würdigung der konkreten Umstände im Zeitpunkt der Anordnung der Schutzmassnahme zu
erfolgen (sog. „ex-ante“-Betrachtung). In der Zwischenzeit neu eingetretene Tatsachen
wie eine behauptete Aussöhnung etc., sind an dieser Stelle nicht zu beachten. Dies
deshalb, weil das Einspracheverfahren nach § 5 GSG kein eigentliches Rechtsmittelverfahren ist, indem im Sinne des nachträglichen Rechtschutzes die Rechtmässigkeit
der ursprünglichen Verfügung überprüft werden kann. Es hat eine gerichtliche Beurteilung der Situation auf den Zeitpunkt der Anordnung zur Folge. Es ist zu prüfen, ob die
polizeiliche Schutzmassnahme im konkreten Falle zum Zeitpunkt der Anordnung zulässig und verhältnismässig, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar gewesen ist. Hier
zeigt sich die Verbindlichkeitswirkung der polizeilichen Verfügung, welche sich auf eine
Regelung nach der Tatsachen- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anordnung bezieht
und beschränkt, also nachfolgende tatsächliche Veränderungen des „Streitgegenstandes“ (Integritätsverletzungen im Rahmen bestehender oder aufgelöster familiärer oder
partnerschaftlicher Beziehungen; vgl. § 2 GSG) grundsätzlich nicht miterfasst.
Kölz/Bosshart/Röhl,
Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, § 20 N48
Diese Rechtsfolge entspricht dem Grundgedanken des Gesetzes. Die Schutzmassnahmen sollen während der Frist von 14 Tagen auch präventiv wirken und möglichst zu
einer Entspannung der Gesamtsituation führen. Es soll verhindert werden, dass durch
reuevolle Beteuerungen das Opfer erneut unter Druck gerät. Das Gesetz setzt die vorläufige Dauer der polizeilichen Schutzmassnahmen deshalb auf exakt 14 Tage fest und
sieht nicht vor, dass die Polizei eine kürzere Dauer der Schutzmassnahmen anordnen
kann. Es handelt sich um eine zwingende gesetzliche Sperrfrist. Dem Begehren um gerichtliche Beurteilung kommt ausdrücklich keine aufschiebende Wirkung zu und ent-
§ 3 Abs. 3 GSG Regierungsrätliche Weisung vom 6. Juli 2005
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§ 8 Abs. 2 GSG
§ 8 Abs. 1 GSG
Zürich, § 8 N45
Gygi F., Verwaltungsrecht, S.307
§ 5 GSG
 205 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013
sprechend können die gefährdende und die gefährdete Person die Schutzmassnahmen auch nicht durch Parteierklärung verkürzen oder aufheben.
Sofern eine gerichtliche Beurteilung und Überprüfung der angeordneten polizeilichen
Schutzmassnahmen ergibt, dass diese im Zeitpunkt der Anordnung rechtsmässig und
der konkreten Situation angemessen waren, bleiben die Schutzmassnahmen bis zum
Ablauf der 14-tägigen Frist in Kraft, ohne dass während dieser 14 Tage eine Revisionsmöglichkeit, d.h. eine Überprüfung unter Berücksichtigung neuer Umstände, bestünde. Eine solche ergibt sich (auf Antrag hin) erst nachfolgend im Rahmen einer richterlich verfügten Verlängerung der Schutzmassnahmen.
Diese Lösung des Gesetzes ist sinnvoll und zweckmässig, da es in vielen Fällen einige
Tage nach der Gewalteskalation zu vermeintlichen Aussöhnungen kommt (sog. „Honeymoon-Phase bzw. OK-Phase“), welche die Schutzmassnahmen zum Zeitpunkt der
Einsprache als nicht mehr dringlich erscheinen lassen, ohne dass am Gewaltmuster
etwas geändert würde. Um Gewaltwiederholungen zu vermeiden, soll die betroffene
Familie aber zuerst mit Gefährder- und Opferberatenden in Kontakt kommen.
Kapitel 1
Verlängerung, Änderung und Aufhebung der Schutzmassnahmen (§ 6 GSG)
Die gefährdete Person kann beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht innert acht
Tagen ein Gesuch um Verlängerung der polizeilichen Schutzmassnahmen stellen. Die
richterliche Verlängerung kann auf maximal drei Monate festgelegt werden. Die Gesamtdauer der polizeilichen und richterlichen Schutzmassnahmen beträgt maximal drei
Monate und 14 Tage.
§ 6 Abs. 1 GSG
§ 6 Abs. 3 GSG
Im Verlängerungsverfahren wird der gegenwärtige Sachverhalt gewürdigt. Dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung gegen die ursprüngliche polizeiliche Schutzmassnahmenverfügung, welche auf ihre Rechts- und Verhältnismässigkeit hin geprüft
werden muss (§ 5 GSG). Entsprechend sind im Verlängerungsverfahren nicht nur die
konkreten Umstände im Zeitpunkt der polizeilichen Anordnung der Schutzmassnahme
zu berücksichtigen, sondern es ist zu prüfen, ob sich die Umstände in der Zwischenzeit
soweit verändert bzw. verbessert haben, dass sich eine Verlängerung oder die Aufrechterhaltung der Schutzmassnahmen nicht mehr rechtfertigen lässt. Entscheidend ist
hier die Berücksichtigung der Situation, wie sie sich im Zeitpunkt des Entscheids über
eine allfällige Verlängerung der Schutzmassnahmen darstellt. Es kommen also zunächst nur Umstände in Betracht, die nach der ursprünglichen Anordnung eingetreten
sind. Dabei müssen die Veränderungen bzw. Verbesserungen in der konkreten Situation, aber insbesondere auch auf Seiten der gefährdenden Person, erheblich und dauerhaft sein.
Ein Verlängerungsgesuch hat die gefährdete Person innert acht Tagen nach der ursprünglichen Anordnung der Schutzmassnahmen einzureichen (begründet und unter
Beilage der Verfügung). Die polizeilichen Schutzmassnahmen fallen nach der 14tägigen Sperrfrist ersatzlos dahin, wenn kein Verlängerungsgesuch gestellt wird. Der
Verlängerungsentscheid muss innert vier Arbeitstagen gefällt werden. Damit wird sichergestellt, dass keine Lücken im Schutz der gefährdeten Person entstehen.
§ 6 Abs. 1 GSG
Während der Dauer der richterlich verlängerten Schutzmassnahmen (nie jedoch während der ursprünglichen Sperrfrist von 14 Tagen) kann jederzeit und von beiden Parteien ein Gesuch um Aufhebung oder Änderung der Schutzmassnahmen gestellt werden.
Wurde die Verlängerung beim ersten Mal nicht auf die maximalen drei Monate festgelegt, kann ein weiteres Verlängerungsgesuch bis hin zur maximalen Geltungsdauer von
drei Monaten gestellt werden.
§ 6 Abs. 2 GSG
§ 9 Abs. 1 GSG
Der richterliche Entscheid richtet sich bei Gesuchen gemäss § 6 GSG (Verlängerung,
Aufhebung, Änderung) nach § 10 Abs. 1 GSG. Die Richtenden haben zu beurteilen, ob
zum Zeitpunkt des Entscheides ein Fortbestand der Gefährdung wahrscheinlich ist.
Diese Bestimmung gilt nur für Gesuche nach § 6 GSG (gerichtlich verfügte Verlängerung, Änderung oder Aufhebung), nicht jedoch für Gesuche nach § 5 GSG (gerichtliche
Beurteilung der polizeilichen Schutzmassnahmen). Dort richtet sich die Beurteilung
nach der Situation zum Zeitpunkt der ursprünglichen polizeilichen Anordnung. § 10
GSG ist bei solchen Gesuchen nicht anwendbar.
Gesuche sind schriftlich unter Beilage der Verfügung zu begründen. Beweismittel (insbesondere Arztzeugnisse, Therapieberichte, Nennung von Zeuginnen und Zeugen etc.)
sollten im Gesuch genannt und beigebracht werden. Soweit das Verfahren keine Verzögerungen erfährt, können sämtliche Beweise abgenommen werden. Die richterlichen
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§ 9 Abs. 4 GSG
 205 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013
Schutzmassnahmen sind auf längstens drei Monate limitiert und haben den Charakter
einer vorsorglichen Massnahme. Deshalb genügt bei der Zulassung und Würdigung
von Beweisen blosse Glaubhaftmachung einer fortdauernden Gefährdung.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass die jeweils andere Partei bei einem Gesuch um Verlängerung, Aufhebung oder Abänderung der Schutzmassnahmen
einen Anspruch darauf hat, im Verfahren Stellung zu nehmen und angehört zu werden.
Da es um eine Beurteilung unter Würdigung einer auch veränderten Sachlage geht,
genügt es in diesen Fällen nicht, diesem Verfahren alleine die polizeilichen Feststellungen und Anhörungsprotokolle der polizeilichen Schutzmassnahmeanordnung zugrunde
zu legen.
Ein eingereichtes zivilrechtliches Trennungsverfahren kann ein gewichtiges Indiz für einen Fortbestand der Gefährdung sein. Es ist wissenschaftlich untersucht, dass es in
Trennungssituationen zu gefährlichen Gewalteskalationen kommen kann. Die meisten
vollendeten und versuchten Tötungen fallen in die erste Phase der Trennung.
Im Zürcher Gewaltschutzgesetz wurde die Verlängerung der Schutzmassnahmen aufgrund der unbefriedigenden Erfahrungen anderer Kantone nicht an die Einleitung eines
Trennungsverfahrens gekoppelt.
§ 10 Abs. 1 GSG
§ 10 Abs. 1 GSG
§ 9 Abs. 3 GSG
FN
Regierungsrätliche
Weisung vom 6. Juli
2005, S. 15
Anhörung der Gesuchstellenden bzw. -gegner
Das Zwangsmassnahmengericht hat gesetzlich die Möglichkeit, einen vorläufigen Entscheid ohne Anhörung des Gesuchsgegners bzw. der Gesuchsgegnerin zu fällen. Das
Bundesgericht und das Verwaltungsgericht haben festgehalten, dass die Anhörung
trotz Einsprachemöglichkeit grundsätzlich nicht im freien richterlichen Ermessen liegt.
Es darf nur in begründeten Ausnahmefällen darauf verzichtet werden. Oft sind die Parteiaussagen das einzige Beweismittel. Die Aussagen sind oft bestritten und widersprüchlich. In der persönlichen Befragung kann sich die richtende Person einen Eindruck über die Glaubhaftigkeit machen. Dies ermöglicht eine Würdigung der Aussagen
um festzustellen, ob der Sachverhalt zur Verlängerung einer Schutzmassnahme genügend glaubhaft nachgewiesen ist.
Mit der Anhörung kann das Zwangsmassnahmengericht unverzüglich entscheiden.
Ohne Anhörung wird der Entscheid nur endgültig, wenn innert fünf Tagen ab Erhalt des
Entscheides keine der Parteien Einsprache erhebt. Die gefährdete Person hat die Möglichkeit, eine getrennte Anhörung zu beantragen.
§ 9 Abs. 3 GSG
BGer 31. Jan. 2008
(BGE 134 I 140)
VGer 11. Dez. 2009
(VB.2009.00642,
E. 3.1.)
§ 9 Abs. 3 GSG
Prozessparteien
Das polizeiliche Verfahren zur Anordnung von Schutzmassnahmen wird von Amtes
wegen eingeleitet, sobald ein Fall von Häuslicher Gewalt vorliegt und wird durch den
Erlass der Schutzmassnahmeverfügung abgeschlossen. Es gilt die Offizial- wie auch
die Untersuchungsmaxime. Entsprechend stellt sich die Frage, wem in einem allfällig
nachfolgenden Einspracheverfahren nach § 5 GSG Parteistellung zukommt. Es sind
dies einerseits die durch die Verfügung belastete Person, andererseits die zuständige
Polizei, vertreten durch die polizeiliche Fachstelle, und die gefährdete Person. Dies
deshalb, weil es sich um ein Anfechtungsstreitverfahren handelt. In einem solchen Verfahren treten entsprechend dem Verfügungsverhältnis der Verfügungsadressat und die
verfügende Behörde als Parteien auf. Der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität betroffener Personen stellt ein öffentliches Interesse des Staates dar, unabhängig davon, ob die Häusliche Gewalt zu einer straf- oder zivilrechtlichen Ver- oder Beurteilung führt. Auch für die gefährdete Person besteht ein grosses Rechtsschutzinteresse, da sie in ihren höchstpersönlichen Rechtsgüter betroffen ist und ein Interesse
am Bestand oder Nichtbestand der Schutzmassnahmen hat. Demgegenüber sind im
Verlängerungs-, Aufhebungs- oder Änderungsverfahren stets nur die gesuchstellende
und die gesuchgegnerische Person Partei.
Häner I., Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess,
S. 155f.
§ 3 GSG
Gerichtsentscheid innert vier Arbeitstagen
Das Zwangsmassnahmegericht ist verpflichtet, innert vier Arbeitstagen einen Entscheid
zu fällen. Von den polizeilichen Fachstellen und, wenn gleichzeitig ein Strafverfahren
hängig ist, von der Staatsanwaltschaft oder im Übertretungsstrafverfahren vom
Statthalteramt, können die Akten beigezogen werden.
§ 9 Abs. 1, 2 GSG
Zustellung der Vorladungen
Sofern die weggewiesene Person in der Schutzmassnahmeverfügung noch keine Zustelladresse bezeichnet hat, kann diese über die polizeiliche Fachstelle in Erfahrung
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§ 4 Abs. 3 GSG
VGer 1. Okt. 2009
(VB.2009.00460,
 205 / 3
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013
gebracht werden. Hat sie keine bezeichnet, erfolgt die Vorladung gemäss Säumnisfolge an die polizeiliche Fachstelle und gilt als zugestellt. Es ist Sache der weggewiesenen Person, die Vorladung abzuholen.
E. 3.3.)
Die Zustellung an die von Gewalt betroffene Person erfolgt in der Regel an deren
Wohnsitz. Verliess diese die Wohnung aus Sicherheitsgründen, kann die polizeiliche
Fachstelle kontaktiert werden, um die Zustellung sicherzustellen.
Beschwerde an das Verwaltungsgericht
Gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts kann innert fünf Tagen Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich erhoben werden. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, d.h. während der Beschwerdefrist und bis
zum Beschwerdeentscheid durch das Verwaltungsgericht bleibt die Schutzmassnahme
wirksam.
§ 11 a GSG
Kosten- und Entschädigungsfolgen
Im Gegensatz zum polizeilichen Verfahren, d.h. zur Anordnung der Schutzmassnahmen, löst das gerichtliche Verfahren Kosten- und Entschädigungsfolgen aus. Wird
das Gesuch um Aufhebung einer Schutzmassnahme abgewiesen, werden der gesuchstellenden Person die Gerichtskosten auferlegt, andernfalls werden sie auf die Gerichtskasse genommen. Im Verlängerungs-, Änderungs- und Aufhebungsverfahren wird
die unterliegende Partei kostenpflichtig. Die Auflage und Höhe der Kosten beträgt zwischen CHF 300 und CHF 600. Zusätzlich können Kosten einer allfälligen Übersetzung
anfallen.
Die Gerichtskosten des Verwaltungsgericht betragen ca. CHF 1‘200 und sind von der
unterliegenden Partei zu bezahlen.
§ 12 GSG
CK Kosten überprüfe
Die unterliegende Partei hat ausserdem die Gegenpartei auf Antrag für Kosten und
Umtriebe zu entschädigen.
Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV ist die unentgeltliche Rechtspflege garantiert, sofern deren
Voraussetzungen (keine Aussichtslosigkeit, Mittellosigkeit, Notwendigkeit) erfüllt sind.
Im Rahmen derselben Garantie besteht auch ein Anspruch auf einen unentgeltlichen
Rechtsbeistand.
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Art. 29 Abs. 3 BV
§ 16 VRG
 205 / 4
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen, November 2013
206 Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen
Anordnungen
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Verhältnis zu zivilrechtlichen Massnahmen
Ist bereits ein zivilrechtliches Verfahren, z.B. eine Eheschutzverfügung rechtskräftig
und kommt es zu einem Gewaltvorfall, der eine GSG-Massnahme auslöst, so geht
die Gewaltschutzmassnahme der zivilrechtlichen Massnahme vor.
§ 7 Abs. 1 GSG
Wenn nach Erlass einer GSG-Schutzmassnahme eine entsprechende zivilrechtliche Massnahme rechtskräftig angeordnet und vollzogen wird, fällt die GSGSchutzmassnahme dahin. Diese Bestimmung hat seit der Inkraftsetzung des erweiterten Persönlichkeitsschutzes an Bedeutung gewonnen, da nunmehr auch zivilrechtliche Schutzmassnahmen für gewaltbetroffene Personen möglich sind.
Art. 28b ZGB
Wurde ein Kontaktverbot auch auf Kinder ausgeweitet, so kann dieser Teil der
GSG-Massnahme durch eine neu angeordnete zivil- oder kindsrechtliche, modifizierte Besuchsregelung gegenstandslos werden.
Vgl. Rechtsprechung 282,
2.4
Parallelität des Gewaltschutz- und Strafverfahren
Die GSG-Massnahmen knüpfen am Rechtsgüterschutz der gefährdeten Person und
am Interesse einer Deeskalation an. Anders das Strafrecht: Hier gilt es zu prüfen,
ob der Vorwurf strafbaren Verhaltens nachgewiesen werden kann und gesetzlich
vorgesehene Strafen zu verhängen sind. Häusliche Gewalt ist in den meisten Fällen
strafrechtlich relevant. Viele Delikte werden von Amtes wegen verfolgt. Es gibt aber
auch Delikte (wie beispielsweise Elternmisshandlung), welche nur auf Antrag verfolgt werden.
Art. 122 ff StGB
Wird das Strafverfahren eingestellt, ist es nicht möglich, staatlich Auflagen zu machen, wie z.B. ein Lernprogramm zu befolgen oder sich einer ärztlichen Behandlung
zu unterziehen.
Verhältnis zu strafprozessualen Zwangsmassnahmen (Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen)
Besteht ein Verdacht auf ein Vergehen oder Verbrechen und ist davon auszugehen,
dass der Beschuldigte das Aussageverhalten des Opfers beeinflussen könnte oder
besteht die Gefahr der Ausführung eines angedrohten, schweren Verbrechens,
kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft angeordnet werden.
§7 Abs. 2 GSG
Art. 221 StPO
Der Zeitpunkt der Entlassung aus der Untersuchungshaft ist für ein Opfer nicht voraussehbar. Die Entlassung orientiert sich nicht am Schutzbedürfnis oder an der
Notwendigkeit der Beruhigung der familiären Situation. In der Praxis ist es oft so,
dass die Opfer erst unmittelbar vor der Entlassung Kenntnis erhalten, was immer
wieder grossen Stress und Angst verursacht. Will ein Opfer Gewissheit über den
Zeitpunkt der Entlassung, muss es von sich aus mit der Staatsanwaltschaft Kontakt
aufnehmen. Deshalb hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die beiden Verfahren
parallel laufen zu lassen. Das heisst, die 14-tägige polizeiliche GSG-Massnahme
bzw. die richterliche Verlängerung muss auch über eine vorgängige Entlassung aus
der Untersuchungshaft hinaus beachtet werden.
Das Zwangsmassnahmengericht hat die Möglichkeit, die Entlassung aus der Untersuchungshaft an strafprozessuale Ersatzmassnahmen zu knüpfen. Anstelle von Untersuchungshaft tritt ein Rayon- oder Kontaktverbot. Als Ersatzmassnahme können
auch Reisepapiere hinterlegt (z.B. bei Entführungsdrohungen), Arztkonsultationen
oder Pflichtberatungen verlangt werden, soweit diese mit dem deliktischen Vorwurf
in Verbindung stehen. Hält sich der Angeschuldigte nicht an die Verbote, kann er
erneut inhaftiert werden, soweit der Haftgrund noch besteht. Die Sanktionen gegen
eine Widerhandlung der strafprozessualen Verbote sind deshalb effizienter als jene
bei GSG-Schutzmassnahmen.
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Art. 226 StPO
Art. 237 Abs. 2 StPO
Art. 237 Abs. 5 StPO
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen, November 2013
Einstellung der Strafuntersuchung und Auswirkungen auf die GSG-Massnahme
Ehe- und Lebenspartner haben bei einigen Delikten nach Häuslicher Gewalt die
Möglichkeit durch eine Desinteresseerklärung das Strafverfahren gegen den Partner bzw. die Partnerin zur Einstellung zu bringen, unabhängig davon, ob der Sachverhalt nachgewiesen ist oder nicht. Dies ist möglich bei einigen Delikten, die bei
Häuslicher Gewalt oft erfüllt sind, so bei der „einfachen Körperverletzung“, den
„wiederholten Tätlichkeiten“, bei „Drohung“ (auch Morddrohungen) und bei der „Nötigung“. Verlangt die geschädigte Person innerhalb von sechs Monaten nach Abgabe der Desinteresseerklärung die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, wird dieses
weiterverfolgt. Andernfalls wird es eingestellt.
Einstellungen nach Häuslicher Gewalt Art. 55a
StGB bei:
Einfache Körperverletzung, Art. 123 Ziff. 2 Abs.
3-5 StGB; wiederholten
Tätlichkeiten, Art. 126 Abs.
2 Bst. b, bbis und c StGB;
Drohung, Art. 180 Abs. 2
StGB; Nötigung, Art. 181
StGB
Ein Strafverfahren kann bei allen Delikten, an denen kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, zur Einstellung gebracht werden,
selbst wenn der Sachverhalt nachgewiesen ist, sofern die beschuldigte Person eine
situationsadäquate Wiedergutmachung (Schadenersatz und Genugtuung) leistet.
Die Staatsanwaltschaft kann in solchen Fällen zu einer „Vergleichsverhandlung“
vorladen, die aber seitens der gefährdeten Person nicht befolgt werden muss. Diese Einstellungsmöglichkeit entfällt i.d.R. bei Häuslicher Gewalt. Im Gegensatz zur
Desinteresseerklärung bei Häuslicher Gewalt ist die WiedergutmachungsEinstellung nicht an die provisorische Sistierungsfrist von sechs Monaten gebunden. Sie wird sofort rechtswirksam.
Einstellungen zur Wiedergutmachung
Art. 53 StGB
Art. 316 StPO
Einstellungen sind Freisprüchen gleichgestellt. Sie werden nicht im Strafregister
eingetragen. Die gefährdende Person ist nicht vorbestraft. Sie gilt deshalb auch bei
wiederholter Gewalt als nicht vorbestraft.
Das Opfer mag aus unterschiedlichsten Gründen – wirtschaftliche, rechtliche, persönliche Bedenken, Rücksicht auf die berufliche Zukunft etc. – kein Interesse an einer strafrechtlichen Verurteilung haben, selbst wenn sein Schutzbedürfnis nach wie
vor gegeben ist. Das Schutzbedürfnis wird durch das GSG geschützt und entsprechend kann ein (durch das Strafrecht ausdrücklich legitimiertes) Absehen von einer
strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung kein Indiz dafür sein, dass keine fortdauernde Gefährdungssituation mehr besteht.
Straffrei dank Einstellung
Wird das Strafverfahren eingestellt, ist es nicht möglich, Auflagen wie zum Beispiel
ein Lernprogramm oder eine ärztliche Behandlung anzuordnen. Evtl. ist es möglich,
die vorgängige Durchführung einer solchen unterstützenden Massnahme von der
Abgabe der Desinteresseerklärung abhängig zu machen.
Der Bestand einer polizeilichen oder richterlichen GSG-Schutzmassnahme wird von
der Einstellung des Strafverfahrens nicht tangiert.
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Die proaktive Beratung, November 2013
207 Die proaktive Beratung
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Eine zentrale Neuerung des Gewaltschutzgesetzes ist die proaktive Beratung. Opfer- wie Beratungsstellen für gefährdende Personen werden von der Polizei von
Gesetzes wegen informiert, wenn Schutzmassnahmen angeordnet wurden. Der
Auftrag der Beratungsstellen besteht darin, möglichst schnell nach Erhalt der polizeilichen Verfügung mit der gefährdeten bzw. der gefährdenden Person Kontakt
aufzunehmen. In einem ersten, meist telefonischen Gespräch, wird auf die Möglichkeit der Beratung hingewiesen und auch erste Informationen zum Verfahren und zur
Situation abgegeben. Wünscht die Person ein Beratungsgespräch, wird dies auf der
Beratungsstelle durchgeführt. Sinn und Zweck der proaktiven Ansprache ist es, die
Gewalt anzusprechen und zum Thema zu machen, damit den betroffenen Personen
Handlungsmöglichkeiten zur Veränderung eröffnet werden. Idealerweise kann an
eine weitergehende, begleitende medizinische, therapeutische, soziale oder rechtliche Unterstützungs- oder Förderungshilfe triagiert werden.
§15 Abs. 2 GSG
§16 Abs. 2 GSG
Mit dem dreijährigen Pilotprojekt „zeitnahe Kinderansprache“ werden Kinder
nach einem Polizeieinsatz
rascher erreicht, sofern die
Eltern mit einer Kontaktaufnahme einverstanden
sind.
Beratung gefährdeter Personen
In 93% sind die von Gewalt betroffenen Personen Frauen. Die Kontaktaufnahme
wird von den meisten betroffenen Personen sehr geschätzt und hat eine positive
Wirkung. Die gefährdete Person kommt dadurch häufig zum ersten Mal in Kontakt
mit einer spezialisierten Hilfestelle und erfährt, dass sie in dieser schwierigen Situation Hilfe bekommt. Rund 90% der gewaltbetroffenen Frauen haben nach einer polizeilichen Intervention das Beratungsangebot in Anspruch genommen. Dank des
proaktiven Ansatzes werden auch Frauen erreicht, die bislang keine Beratung in
Anspruch genommen hätten, sei es aus Scham, Isolation oder wegen ihrer schlechten psychischen Verfassung. Vor allem Migrantinnen, die oft wegen Sprachproblemen keine Beratung aufsuchen, werden besser erreicht. Die Beratung erfasst
auch Männeropfer aus hetero- wie homosexuellen Beziehungen, die vormals nie
Hilfe in Anspruch genommen hatten.
Insbesondere bei der Trennungsgewalt, die 40% aller Fälle ausmacht, zeigt sich,
dass durch die Beratung und Unterstützung weiterer Eskalationen verhindert werden können. Das ist wichtig, weil Trennungsgewalt tendenziell eskaliert und es häufig auch zu schweren Verletzungen der physischen und psychischen Integrität
kommt.
Beratung gefährdender Personen
Mit der Beratung gefährdender Männer wurde das mannebüro züri beauftragt. Die
Beratung gefährdender Frauen wird durch Mitarbeiterinnen des Amt für Justizvollzug, Bereich Fachsupport & Lernprogramme, wahrgenommen.
Die Erfahrungen des mannebüro züri und des BVD sind vorwiegend positiv. Das
GSG wirkt auf verschiedenen Ebenen. Einerseits unterstreicht es die gesamtgesellschaftliche Haltung, dass Gewalt in der Partnerschaft nicht toleriert wird.
Andererseits kann die polizeiliche Intervention die Gewaltdynamik unterbrechen und
Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, künftig gewaltfreie Wege in der Partnerschaft
zu beschreiten.
Der Wunsch nach Unterstützung bei den gefährdenden Männern stösst auf Interesse. Etwas mehr als ein Viertel der Gefährder beansprucht die freiwillige Beratung.
Der Grossteil der Männer sind auch Väter. Neben rechtlichen Informationen wird
auf eine Deeskalation der Situation hingearbeitet. Insbesondere werden sie mit den
schädigenden Folgen für die Kinder konfrontiert, die die Gewalt gegen die Mutter für
diese hat. Es wird versucht, ihre väterliche Verantwortung anzusprechen, um sie zu
gewinnen, gegen die Gewalt anzugehen.
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Gefährdungsmeldung an die KESB und zeitnahe Kinderansprache, November 2013
208 Gefährdungsmeldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und zeitnahe Kinderansprache
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Sind Kinder im Haushalt, erhält die KESB eine Kopie der polizeilichen Verfügung.
Kinder, die mit Gewalt, Angst und Ohnmacht aufwachsen, werden in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und oft nachhaltig geschädigt.
Das Kindswohl ist gefährdet. Deshalb erhält die KESB Kenntnis von der polizeilichen Schutzmassnahme. Diese enthält einige Angaben zu den Kindern:
-
-
Unter Tatbestand/Kontaktverbot kann der Schutzverfügung entnommen
werden, ob das Kontaktverbot auch auf Kinder ausgeweitet wurde;
Unter dem Titel „GSG-Feststellungen“, Ziff. 15. ist ersichtlich, ob Kinder anwesend und direkt in den Gewaltvorfall involviert waren und wie sie auf die
intervenierenden Polizeileute gewirkt haben;
Unter „Weitere Hinweise“ ist das Geschlecht und Alter der Kinder ersichtlich;
Unter „Sachverhalt“ findet sich eine Kurzbegründung, weshalb das Kontaktverbot auf die Kinder ausgeweitet wurde.
§ 15 Abs. 1 GSG
§ 59 EG zum ZGB
§ 3 Abs. 2 lit. c GSG
Schutzverfügung siehe 261
Die regional am Wohnsitz der Eltern zuständige KESB erhält eine Verfügungskopie.
Die KESB klärt ab, ob Sofortmassnahmen notwendig sind. Falls die Familie bereits
bekannt ist, wird abgeklärt, ob weitere Massnahmen notwendig sind. In der Regel
wird versucht, die Eltern für eine freiwillige Zusammenarbeit zu gewinnen. Muss eine Kindesschutzmassnahme verfügt werden, kommt es zu einer Anhörung der Eltern und der Kinder durch die KESB.
Steht der nicht obhutsberechtigten Person ein Besuchsrecht zu und werden nachträglich Gewaltschutzmassnahmen oder ein auf die Kinder erweitertes Kontaktverbot angeordnet, so gehen die Schutzmassnahmen vor, weil sie eine akute Gefahr
für Leib und Leben des Kindes abwenden. Es müssen konkrete Hinweise vorliegen, die eine Erweiterung des Kontaktverbotes auf die Kinder rechtfertigen. Ist die
Sicherheit der Kinder durch die Gewalt direkt beeinträchtigt, was bei betreuungsbedürftigen Kleinkindern angenommen werden kann, muss der kurzfristige, leibliche Schutz der Kinder höher gewichtet werden, als das väterliche (oder auch das
mütterliche) Recht auf Besuch und Kontakt für die Dauer der Schutzmassnahme.
Die GSG-schutzrechtliche Einschränkung des Elternrechts kann durch eine sofort
vollstreckbare, kindsrechtliche oder zivilrichterliche Anordnung, die nach Erlass der
Schutzmassnahmen ergeht, aufgehoben werden. Diese kann auch als vorsorgliche
Massnahme ergehen.
Kinder, die elterliche Gewalt und anschliessend eine Polizeiinterventionen miterleben, brauchen dringend Orientierungshilfen. Mit dem elterlichen Einverständnis
wird mit den Kindern von einer aussenstehenden Person Kontakt aufgenommen.
Es ist deren Aufgabe, sich in der akuten Krise der Kinder anzunehmen und sie altersadäquat zu informieren bis die Kindesschutzbehörden die Abklärungen bzw.
die notwendigen Anordnungen treffen können. Das Pilotprojekt, welches 2013 abgeschlossen wird, wird möglicherweise für den ganzen Kanton implementiert.
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Art. 308ff ZGB
§ 7 Abs. 1 GSG
Zeitnahe Kinderansprache
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Probleme in der Anwendung des Zürcher Gewaltschutzgesetzes, November 2013
209 Probleme in der Anwendung des Zürcher Gewaltschutzgesetzes
Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Gefährdende Minderjährige
In partnerschaftlichen und familiären Beziehungen wenden auch Minderjährige Gewalt an, sei dies gegen Eltern (Elternmisshandlungen), gegen Geschwister oder gegen ihre Jugendfreundin oder -freund. (i.S.v. partnerschaftlichen Jugendbeziehungen, insbesondere auch durch Missbrauch von Foto- und Videomaterial oder Formen des Cyber-Stalkings). Die Polizei wird zunehmend sensibilisiert, auch nach
diesen Formen der Gewalt zu fragen, um situationsadäquate Schutzmassnahmen
anzuordnen. Soweit mit Kontakt- oder Betretverboten ein Schutz gesichert werden
kann, bietet das GSG gegenüber Minderjährigen keine Probleme.
Häusliche Gewalttaten Minderjähriger gegenüber den Eltern, meist gegenüber alleinerziehenden Müttern, sind i.d.R. keine Offizialdelikte. D.h., wenn der gewaltbetroffene Elternteil keinen Strafantrag stellt, was der Regelfall ist, können auch kurzfristige jugendstrafrechtliche Massnahmen nicht greifen. Selbst eine kurzfristige
deeskalierende Time-Out-Platzierung ist nicht möglich.
Elternmisshandlungen
Gewaltschutzrechtlich können keine Wegweisungen Minderjähriger aus der elterlichen Wohnung gemacht werden. Die Polizei kann einen Jugendlichen, der seine
Mutter bedroht, nicht gegen deren Willen wegweisen, da sie - bundesrechtlich - die
elterliche Sorge hat und für den Aufenthaltsort ihres Sohnes verantwortlich ist. Eine
rasche Krisenintervention und Deeskalation ist bei minderjährigen Gefährdenden
nicht gewährleistet, wenn sich die Eltern mit einer Fremdplatzierung, auch nur für
wenige Tage, nicht einverstanden erklären.
Grundsätzlich können Kindesschutzmassnahmen als vorsorgliche Massnahmen
angeordnet werden. Es ist offensichtlich, dass solche Gewalteskalationen Minderjähriger auch als Kindswohlgefährdung, d.h. auf eine schädigende Entwicklung des
Kindes hinweisen. Die meisten KESB sind in der Lage, rasch Abklärungen und Anhörungen durchzuführen.
Wenngleich körperliche wie sexuelle Gewalt gegenüber Geschwistern grundsätzlich
Offizialdelikte sind, kommen sie selten zur Anzeige. Überdurchschnittlich oft kommen diese Formen Häuslicher Gewalt in Familien vor, in denen die Eltern in einer
Gewaltbeziehung leben oder der Vater gewalttätig ist.
Gewaltschutzrechtlich kann in diesen Fällen bei noch bestehender Familiengemeinschaft nichts ausgerichtet werden, wenn das gewalttätige Geschwister noch minderjährig ist. GSG-Massnahmen sind aber gegen mündige Geschwister ohne weiteres
möglich.
Geschwistermisshandlungen
Intime Jugendbeziehungen begründen eine starke Abhängigkeit. Die „erste Liebe“
ist emotional existenziell. Ein Auseinandergehen löst subjektiv grosse Schmerzen
aus. Dürfen Eltern oder Verwandte von der Beziehung oder deren Intensität nichts
wissen, fehlt bei auftretenden Problemen oft eine Person, der sich die Jugendlichen
anvertrauen können. Minderjährige erkennen sich anbahnende Formen von Grenzverletzungen (noch) nicht. So wird z.B. permanentes Anrufen mit der Nachfrage, wo
sie oder er sich aufhält, als Ausdruck der grossen Liebe verstanden, ohne darin ein
Kontrollverhalten zu erkennen, das sich u.U. zu Gewalt weiterentwickeln kann. Der
oft sorglose Umgang mit intimen Bildaufnahmen in der Jugendbeziehung kann nach
einer Trennung zu (sexuellen) Nötigungshandlungen führen, wenn die Bilder in der
Peer-Gruppe der Jugendlichen herumgezeigt werden.
Jugendbeziehungen
Gewaltschutzrechtlich können solche Formen des Stalkings mit einem gewaltschutzrechtlichen Kontakt- und Betretverbot unterbunden werden. Sie zeigen Wirkung, wenn sie mit einer klaren Haltung durchgesetzt werden.
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Probleme in der Anwendung des Zürcher Gewaltschutzgesetzes, November 2013
Gewalt in Partnerschaften betagter Menschen oder gegen pflegebedürftige Eltern
Bei demenz- oder psychisch kranken (betagten) Personen kann es zu massiven
Aggressionen gegen Familienangehörige kommen. Auch Gewalt gegen pflegebedürftige Eltern gehört in diesen Themenkreis. Mit einer Wegweisung alleine kann
das Problem nicht angegangen werden, da sowohl für die pflegebedürftige, Gewalt
ausübende Personen und die pflegebedürftige Gewaltbetroffene längerfristige Lösungen gesucht werden müssen. In der akuten Situation müssen Ärztinnen und Ärzte eingeschaltet werden, damit notfalls mit einer fürsorgerischen Unterbringung (FU)
eine mindestens vorübergehende Einweisung in ein Spital oder eine Pflegestation
veranlasst werden kann.
VGer 20. Aug. 2009
(VB.2009.00395)
In diesem Fall wurde jedoch das Vorliegen psychischer Gewalt verneint.
Art. 426 ff. ZGB
Die gleichzeitig angeordneten Gewaltschutzmassnahme löst eine proaktive Beratung aus, sodass mit den Betroffenen das weitere Vorgehen besprochen und angegangen werden kann unter Beizug oder Überweisung an die spezialisierten Beratungsstellen wie Pro Senectute, pro mente sana oder der gemeindeeigenen Sozialdienste und der Spitex.
In der Stadt Zürich haben die Stadtpolizei und der Stadtärztliche Dienst ein Konzept
erarbeitet, welches in Fällen demenzbedingter Gewalt oder von Gewalthandlungen
pflegender Kinder, die mit der Situation überfordert sind, rasche Hilfe und Unterstützung garantiert.
Häusliche Gewalt bei unsicherem Verbleiberecht in der Schweiz
Drittstaatsangehörige, deren Ehegemeinschaft in der Schweiz erst von kurzer Dauer
ist, verlieren ihr Verbleiberecht, wenn sie die eheliche Gemeinschaft auflösen. Eine
vorübergehende Trennung ist dann unerheblich, wenn gewaltschutzrechtliche
Massnahmen zur Deeskalation und ehelichen Neuorientierung dienen, ohne dass
der Wille, die Ehe weiterzuführen grundsätzlich gebrochen ist.
Eheliche Gewalt bei kurzer Ehedauer
Ist wegen der gewalttätigen Vorfälle der Ehewille erloschen, so kann bei kurzer
Ehedauer in der Schweiz dann ein selbstständiges Aufenthaltsrecht erwirkt werden,
wenn die Intensität der nachgewiesenen Gewalt eine weitere Fortdauer der Ehe unzumutbar machen. Der Nachweis der Gewalt ist zwingend erforderlich. Dafür ist jedoch nicht zwingend (aber vorteilhaft) die Einleitung eines Strafverfahrens erforderlich. Es können auch Berichte von Ärztinnen, Psychotherapeuten oder von Beratungsstellen für den Nachweis beigebracht werden.
Werden Frauen in ihren Herkunftsländern als Geschiedene geächtet, kann dies zusätzlich geltend gemacht werden.
Anders ist die Situation für jene Frauen, die nie einen Ehewillen besessen haben,
sei es, dass sie zwangsverheiratet wurden (im Gegensatz zur arrangierten Ehe)
oder eine Scheinheirat eingegangen sind, um in der Schweiz ein Verbleiberecht zu
erlangen.
Kommt es in diesen Situationen zu ehelicher Gewalt, wird das Verbleiberecht tangiert. Bei zwangsverheirateten Personen, die ehelicher Gewalt ausgesetzt sind,
müssen mögliche migrationsrechtliche Folgen im Einzelfall geklärt werden. Bei
Scheinehen ist eine Wegweisung i.d.R. unumgänglich.
Zwangs- und Scheinehen
Postvention nach Häuslicher Gewalt
Postvention ist eine Methode zur Begleitung gewaltbetroffener Familien. Gewaltbelastete Familien brauchen oft eine punktuelle, längere Begleitung, damit mit der
Familie nach Wegen gesucht werden kann, um die Faktoren, die die konkrete Familie belasten zu verringern und die vorhandenen persönlichen und sozialen Ressourcen und Netze zu aktiviert werden können. Ziel ist es abzuklären, ob und unter was
für Voraussetzungen ein gewaltfreies Zusammensein möglich ist oder ob eine geordnete Trennung ohne Gewalt zielführend ist.
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www.postvention.ch
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Flyer zu Schutzmassnahmen bei Häuslicher Gewalt, November 2013
241 Flyer zu Schutzmassnahmen bei Häuslicher Gewalt
Der Flyer der Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt der Direktion der Justiz
und des Innern informiert über die verschiedenen Möglichkeiten eines kurzfristigen
Gewaltschutzes. Hauptsächlich werden die Möglichkeiten gewaltschutzrechtlicher
Massnahmen erklärt. Kurz wird auch auf die strafprozessualen Zwangsmassnahmen und die persönlichkeitsrechtlichen Schutzmassnahmen verwiesen.
Das Informationsmaterial dient vor allem Betroffenen, sich zu informieren. Es wird
auch von der Polizei abgegeben, die gemäss Gewaltschutzgesetz verpflichtet ist,
Personen über das Verfahren zu informieren.
§ 4 Abs. 1 GSG
Im Flyer finden Sie Adressen der spezialisierten
Beratungsstellen und der
polizeilichen Fachstellen.
Der deutschsprachige
Flyer kann bei der
Interventionsstelle gegen
Häusliche Gewalt
Kantonspolizei Zürich
Präventionsabteilung
Postfach 8021 Zürich
gratis bezogen werden.
Download als pdf auf
www.ist.zh.ch.
Der Flyer ist auf 12 Sprachen übersetzt, die ebenfalls auf www.ist.zh.ch
heruntergeladen werden
können.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
 241 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor Gewalt, November 2013
281 Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor Gewalt
Nachfolgend werden die wichtigsten Gesetzestexte aufgeführt. Gesetzesartikel aus anderen Gesetzen sind kursiv und unterstrichen hervorgehoben. Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901;
Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.
Übersicht
1. Gewaltschutzrechtliche Massnahmen
2. Gewaltschutzrechtliche Massnahmen in Wohngemeinschaften
3. Persönlichkeitsrechtlicher Gewaltschutz
Massnahme aufhebt(vgl.
§ 7 Abs. 1 GSG).
1. Gewaltschutzrechtliche Massnahmen
A. Allgemeines
§ 1 GSG Zweck
1
Das Gesetz bezweckt den Schutz, die Sicherheit und die Unterstützung von Personen, die durch häusliche Gewalt betroffen
sind.
2
Der Kanton fördert vorbeugende Massnahmen zur Verminderung der häuslichen
Gewalt und die Zusammenarbeit der damit
befassten Stellen.
§ 2 GSG Begriffe
1
Häusliche Gewalt liegt vor, wenn eine
Person in einer bestehenden oder einer
aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität verletzt
oder gefährdet wird
a) durch Ausübung oder Androhung von
Gewalt oder
b) durch mehrmaliges Belästigen, Auflauern oder Nachstellen.
2
Als gefährdende Person gilt, wer häusliche Gewalt ausübt oder androht.
3
Als gefährdete Person gilt, wer von häuslicher Gewalt betroffen ist.
„Vom Erfordernis des
gemeinsamen Haushaltes wurde abgesehen, um auch jene Gefährdeten zu schützen,
die nie oder noch nie
mit ihrem Partner einen
gemeinsamen Haushalt
gründeten (…)“.
In ca. 5% der Fälle sind
Jugendliche gegen Eltern gewalttätig. Es war
notwendig, die Legaldefinition auf diese Fakten auszurichten (..)
Nicht erfasst werden
heftige, verbale Streitigkeiten zwischen Partnern, die keine Integritätsverletzung oder -gefährdung zur Folge haben.“
„Stalking (lit. b) wird
i.d.R. nicht strafrechtlich
erfasst. Gleichwohl
kann zum Schutz einer
betroffenen Person,
z.B. bei Trennungsgewalt, eine Schutzmassnahme notwendig sein.“
B. Anordnung von Schutzmassnahmen
§ 3 GSG Polizeiliche Anordnung; Geltung
1
Liegt ein Fall von häuslicher Gewalt vor,
stellt die Polizei den Sachverhalt fest und
ordnet umgehend die zum Schutz der gefährdeten Personen notwendigen Massnahmen an.
2
Die Polizei kann
a) die gefährdende Person aus der Wohnung oder dem Haus weisen,
b) ihr untersagen, von der Polizei bezeichnete, eng umgrenzte Gebiete zu
betreten, und
c) ihr verbieten, mit den gefährdeten und
diesen nahe stehenden Personen in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen.
3
Die Schutzmassnahmen gelten während
14 Tagen ab Mitteilung an die gefährdende
Person. Sie ergehen unter der Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB.
„Die Polizei muss die
Situation vor Ort beurteilen.“
Voraussetzung ist
1. familiäre, partnerschaftliche Beziehung;
2. Gewalt, Androhung
von Gewalt oder Stalkinghandlungen
3. Gefährdung oder Verletzung der Integrität.
Funktion der Schutzmassnahme ist nicht nur
der unmittelbare Schutz
gefährdeter Personen,
sondern auch eine Deeskalation und Beruhigung der Situation. Abs.
1 lit. c ermöglicht die
Ausdehnung des Kontaktverbotes auf Drittpersonen, insb. auf Kinder. Das Verhältnismässigkeitsprinzip erfordert,
dass eine Beeinträchtigung der Kinder vorliegt,
die die faktische Aufhebung des Besuchsrechts
für die Dauer der
Schutzmassnahmen
rechtfertigt (BGer 19.
Okt. 2007, (1C_219/
2007), VGer vom 1.
Nov. 2010, (VB.2010.
00561). Vorbehalten ist
eine zivilrechtliche Regelung, die die GSG-
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
§ 4 GSG Mitteilung
1
Die Polizei teilt die angeordneten
Schutzmassnahmen schriftlich mit. In der
Regel händigt sie die Verfügung der gefährdenden und der gefährdeten Person zusammen mit einer Information über das
weitere Verfahren persönlich aus.
2
Ist die persönliche Aushändigung an die
gefährdende Person trotz sachdienlicher
Nachforschungen nicht möglich, wird sie
durch geeignete Bekanntmachung am Ort,
wo sie wohnt oder sich gewöhnlich aufhält, aufgefordert, sich sofort bei der Polizei zu melden. Meldet sie sich innert drei
Tagen nicht, wird die Verfügung zusammen mit einem Hinweis auf Abs. 3 Satz 2
im Amtsblatt veröffentlicht.
3
Wurde eine gefährdende Person im Sinne
von § 3 Abs. 2 lit. a aus der Wohnung oder
aus dem Haus gewiesen, so hat sie eine
Adresse für behördliche Mitteilungen zu
bezeichnen. Unterlässt sie dies, können
Vorladungen und Verfügungen nach diesem Gesetz während der Geltungsdauer
der Schutzmassnahmen bei der Polizei hinterlegt werden und gelten als zugestellt.
§ 5 GSG Gerichtliche Beurteilung
Innert fünf Tagen nach Geltungsbeginn der
Schutzmassnahme kann die gefährdende
Person das Gesuch um gerichtliche Beurteilung stellen. Dem Begehren kommt keine aufschiebende Wirkung zu.
„Festzuhalten ist (..),
dass es sich um eine
blosse Hinterlegung
handelt. Die Polizei ist
nicht verpflichtet, aktiv
nach dem Aufenthaltsort (..) zu forschen.“
Das zuständige Gericht
ist auf der Verfügung
vermerkt.
§ 6 GSG Verlängerung, Änderung und
Aufhebung
1
Die gefährdete Person kann innert acht
Tagen nach Geltungsbeginn der Schutzmassnahmen beim Gericht um deren Verlängerung ersuchen.
2
Ändern sich die Verhältnisse, so können
die Parteien um Aufhebung, Änderung
oder Verlängerung der haftrichterlichen
Schutzmassnahmen ersuchen.
3
Die gerichtlich verfügten Schutzmassnahmen dürfen insgesamt drei Monate
nicht übersteigen.
Die Verlängerung ist
nicht von der Einleitung
eines Eheschutz- bzw.
Trennungsverfahrens
abhängig. Mit der Verlängerungsmöglichkeit
soll zusätzlich Ruhe
gewonnen werden. Betroffenen, die ein Eheschutzverfahren anstrengen gewinnen
durch die Beruhigung
mehr Distanz und Sicherheit. Die Verfahren
verlaufen deshalb weniger hektisch.
§ 7 GSG Verhältnis zu anderen Massnahmen
1
Schutzmassnahmen fallen dahin, wenn
entsprechende zivilrechtliche Massnahmen
rechtskräftig angeordnet und vollzogen
sind. In diesen Fällen teilen die Organe der
Zivilrechtspflege ihre Entscheidungen der
Polizei mit.
2
Schutzmassnahmen werden durch die Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nicht aufgehoben.
Mit einer vollziehbaren,
kindsschutz- oder eherechtlichen Massnahme
kann eine GSGMassnahme aufgehoben werden. Untersuchungshaft ist meist
kurz. „Ausserdem werden die Opfer (..) oft
nicht oder zu spät über
die Entlassungen aus
der U-Haft orientiert (..).“
Die polizeiliche Schutzmassnahme dauert
deshalb in jedem Fall 14
Tage.
§ 281 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor Gewalt, November 2013
C. Gemeinsame Verfahrensbestimmungen
§ 8 GSG Form der Gesuche; Zuständigkeit
1
Die Gesuche um gerichtliche Beurteilung
einer polizeilichen Schutzmassnahme und
um Verlängerung, Änderung oder Aufhebung einer haftrichterlichen Schutzmassnahme müssen unter Beilage der Verfügung schriftlich begründet werden.
2
Zuständiges Gericht ist die Haftrichterin
oder der Haftrichter am Ort der Begehung
der häuslichen Gewalt.
§ 33 GOG Zwangsmassnahmen des
Verwaltungsrechtes
1
Das Einzelgericht ist Haftrichterin oder richter gemäss GSG vom 19. Juni 2006
und gemäss Polizeigesetz vom 23. April
2007.
2
Die Mitglieder der Bezirksgerichte sind
für die Funktion als Haftrichterin und richter im ganzen Kantonsgebiet einsetzbar. Das Obergericht kann für dieselbe
Funktion Ersatzmitglieder für das ganze
Kantonsgebiet einsetzen.
3
(..)
Zum Nachweis mit Arztund/oder Therapieberichten (auch früherer
Arztbesuche); Chronologie der Gewaltereignisse, die von einer Beratungsstelle beigebracht wird. Eine minimale Begründung ist
Gültigkeitserfordernis
für die gerichtliche Beurteilung (BGer, 13. Juli
2007, (1C_89/2007).
Zuständig ist das Einzelgericht (§ 33 GOG);
VGer, 3. Mai 2010,
(VB.2010.VO177; E.
3.1.).
folgt unter der Androhung, dass es im
Säumnisfall beim vorläufigen Entscheid
sein Bewenden habe.
2
Die Einsprache ist schriftlich begründet zu
erheben. Ihr kommt keine aufschiebende
Wirkung zu.
lich begründet werden
muss.
Das Zwangsmassnahmengericht kann keine
Unterhaltsfragen oder
sonstigen Trennungsfolgen, wie die Zuteilung der Wohnung, regeln!
§ 11a GSG Beschwerde ans Verwaltungsgericht
1
Gegen Entscheide des zuständigen Gerichts kann innert fünf Tagen beim Verwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden.
2
Dem Lauf der Beschwerdefrist und der
Einreichung der Beschwerde kommt keine
aufschiebende Wirkung zu.
Beschwerden betr.
Massnahmen nach §§ 3
- 14 GSG fallen nach §
38 b Abs. 1 lit. d Ziff. 4
VRG seit
1. Juli 2010 in die einzelrichterliche Zuständigkeit des Verwaltungsgericht. Auch
bei Rückweisung zur
Durchführung einer Anhörung der Parteien
und Neubeurteilung
bleiben die Schutzmassnahmen in Kraft
und der Einsprache
kommt keine aufschiebende Wirkung zu;
VGer vom
25. März 2010
(VB.2010.00109, E.
3.2.)
§ 43 b VRG Verwaltungsgericht
1
Die Beschwerde ist unzulässig gegen Entscheide der erstinstanzlichen Zivil- und
Strafgerichte, ausgenommen Beschwerden
betreffend Massnahmen nach
a.
§§ 3–14 des Gewaltschutzgesetzes
vom 19. Juni 2006 (..)
§ 9 GSG Verfahrensgrundsätze
1
Das zuständige Gericht entscheidet innert
vier Arbeitstagen über Gesuche nach den
§§ 5 und 6.
2
Es stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest und fordert unverzüglich die polizeilichen Akten und, sofern ein Strafverfahren eingeleitet wurde, jene der Strafuntersuchung an. Auf Verlangen des Gerichts
nehmen die Polizei und die Staatsanwaltschaft zum Gesuch Stellung.
3
Das Gericht hört die Gesuchsgegnerin
oder den Gesuchsgegner nach Möglichkeit
an. Es kann auch eine Anhörung der Gesuchstellerin oder des Gesuchstellers anordnen. Es sorgt dafür, dass sich die Parteien vor Gericht nicht begegnen, wenn die
gefährdete Person darum ersucht und dem
Anspruch der gefährdenden Person auf
rechtliches Gehör in anderer Weise Rechnung getragen werden kann.
4
Beweise können abgenommen werden,
soweit sie das Verfahren nicht verzögern.
Das Verfahren der gerichtlichen Überprüfung
der polizeilichen
Schutzmassnahme
nach § 5 GSG ist vom
Verlängerungsverfahren nach § 6 GSG zu
unterscheiden.
Im Verlängerungsverfahren muss der Gesuchsgegner angehört
werden, es sei denn,
dass eine Anhörung unter den gegebenen
Umständen nicht möglich ist. BGer
30. Jan. 2008; (134 I
140, E. 5.5); VGer,
25. März 2010.
(VB.2010.00109, E.
3.1.) 17. Juni 2010.
(VB:2010.00265, E.
4.4.).
„Grundsätzlich sind
sämtliche Beweismittel
zugelassen wie schriftliche Auskünfte, Augenschein, Urkunden und
Zeugenbefragung.“
§ 10 GSG Haftrichterlicher Entscheid
1
Das zuständige Gericht weist das Gesuch
um Aufhebung der Schutzmassnahmen ab
oder heisst das Gesuch um Verlängerung
der Massnahmen gut, wenn der Fortbestand der Gefährdung glaubhaft ist. Es
kann eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 anordnen.
2
Bei Gesuchen um Verlängerung, Änderung oder Aufhebung von Schutzmassnahmen entscheidet es vorläufig, wenn die
Gesuchsgegnerin oder der Gesuchsgegner
nicht angehört worden ist.
3
Es teilt den Entscheid den Parteien sowie
der Polizei mit einer kurzen Begründung
schriftlich mit, auch wenn der Entscheid
mündlich eröffnet wurde.
Die Gefährdung besteht
entweder in weiteren
Tathandlungen gemäss
§ 2 GSG und/oder in
der anhaltenden Integritätsgefährdung oder verletzung. Die Einleitung eines Eheschutzverfahrens bewirkt in
Gewaltbeziehungen oft
eine Zunahme der Gewalt, weshalb i.d.R. von
einer Perpetuierung der
Gefährdung auszugehen ist.
§ 11 GSG Einsprache gegen vorläufige
Entscheide
1
Entscheidet das zuständige Gericht vorläufig, so setzt es der Gesuchsgegnerin
oder dem Gesuchsgegner eine Frist von
fünf Tagen, um gegen den Entscheid Einsprache zu erheben. Die Fristansetzung er-
Das Zwangsmassnahmengericht kann aufgrund der Akten vorläufig entscheiden. Dieser
Entscheid unterliegt der
Einsprache, welche innert fünf Tagen schrift-
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
§ 38 b VRG Einzelrichter (des VGer)
1
Ein voll- oder teilamtliches Mitglied entscheidet als Einzelrichter über Rechtsmittel,
a.
– c. (..)
d. bei Streitigkeiten betreffend (..)
1. – 3. (..)
4. Massnahmen erstinstanzlicher Gerichte nach § 43 Abs. 1 lit. a–c.
2
In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung
kann die Entscheidung einer Kammer
übertragen werden. 3(..)
§ 12 GSG Kosten
1
Wird das Gesuch um Aufhebung einer
Schutzmassnahme gemäss § 5 gutgeheissen, so werden die Verfahrenskosten auf
die Staatskasse genommen. In den übrigen
Fällen werden die Kosten in der Regel der
unterliegenden Partei auferlegt.
2
Jede Partei hat die Gegenpartei nach
Massgabe ihres Unterliegens für Kosten
und Umtriebe zu entschädigen.
„Die Auflage und Höhe
der Kosten richtet sich
nach der VO über die
Gerichtsgebühren (LS
211.11).“ Gemäss der
verfassungsmässigen
Garantie von Art. 29
Abs. 3 BV kann die unentgeltliche Rechtspflege gewährt werden
sowie eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung (§ 16 VRG).
Die Kosten werden auf
CHF 300 - 600
angesetzt. Die polizeilichen Schutzmassnahmen sind
demgegenüber unentgeltlich.
§ 16 VRG Unentgeltliche Rechtspflege
1
Privaten, welchen die nötigen Mittel fehlen und deren Begehren nicht offensichtlich aussichtslos erscheint, ist auf entsprechendes Ersuchen die Bezahlung von Verfahrenskosten und Kostenvorschüssen zu
erlassen.
2
Sie haben überdies Anspruch auf die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, wenn sie nicht in der Lage sind,
ihre Rechte im Verfahren selbst zu wahren.
3
(..)
4
Eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, ist zur Nachzahlung
verpflichtet, sobald sie dazu in der Lage
ist. Der Anspruch des Kantons verjährt
zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens.
Stundung der Verfahrenskosten in der wirtschaftlichen Notsituation. Sofern eine anwaltschaftliche Vertretung notwendig ist,
auch für Anwaltskosten.
Die zentrale Inkassostelle des Obergerichtes fordert die gestundeten Beiträge regelmässig ein.
Die unentgeltliche
Rechtspflege entbindet
nicht von der Zahlung
einer allfälligen Parteientschädigung.
§ 281 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei Häuslicher Gewalt, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor Gewalt, November 2013
D. Gewahrsam
§ 13 GSG Anordnung
1
Neben der Anordnung von Schutzmassnahmen kann die Polizei die gefährdende
Person überdies in Gewahrsam nehmen,
wenn
a) die Gefährdung gemäss § 2 Abs. 1
schwerwiegend und unmittelbar ist
und nicht auf andere Weise abgewendet werden kann oder
b) dies zur Sicherung des Vollzugs einer
Schutzmassnahme notwendig ist.
2
Die Polizei darf eine Person nicht länger
als notwendig, längstens aber 24 Stunden
in Gewahrsam behalten. Die Rechtmässigkeit des Gewahrsams wird auf Gesuch der
betroffenen Person durch das zuständige
Gericht überprüft. Dem Begehren kommt
keine aufschiebende Wirkung zu.
„Vorausgesetzt wird (..)
eine nicht anders abwendbare schwere Gefährdung. Besteht ein
Verdacht auf ein Vergehen oder Verbrechen, so kann die Polizei (..) eine Person
festnehmen, ohne dass
(..) eine schwerwiegende und unmittelbare
Gefährdung des Opfers
bzw. der gefährdeten
Person vorliegen muss.
Damit wird verdeutlicht,
dass der Fokus dieses
Gesetzes nicht das deliktische Handeln, sondern das ausgewiesene
und glaubhaft zu machende Schutzbedürfnis der von Gewalt betroffenen Person ist.“
§ 14 GSG Verlängerung
1
Ist ein Gewahrsam von mehr als 24 Stunden notwendig, so stellt die Polizei innert
24 Stunden ab Beginn des Gewahrsams
dem zuständigen Gericht gemäss § 8 Abs.
2 einen begründeten Antrag auf Verlängerung.
2
Das Gericht hört die gefährdende Person
an und entscheidet innert zwei Arbeitstagen ab Antragseingang. Die Verlängerung
erfolgt für längstens vier Tage. Art. 224ff.
StPO sind sinngemäss anzuwenden.
3
Der Entscheid ist mit Beschwerde beim
Verwaltungsgericht anfechtbar. § 11a gilt
sinngemäss.
§ 16 GSG Beratungsstellen
1
Der Kanton bezeichnet spezialisierte Beratungsstellen für gefährdende und gefährdete Personen und unterstützt die Tätigkeit
dieser Organisationen.
2
Nach einer Mitteilung gemäss § 15 Abs. 2
nimmt die Beratungsstelle mit den gefährdeten und den gefährdenden Personen umgehend Kontakt auf. Wünscht eine Person
keine Beratung, werden die von der Polizei
übermittelten Unterlagen von den Beratungsstellen vernichtet.
§ 18 GSG Aus- und Weiterbildung
1
Der Kanton sorgt für die fachliche Ausund Weiterbildung der mit häuslicher Gewalt befassten Behörden und Beratungsstellen.
2
Er fördert die regelmässige Information
der Bevölkerung zu Fragen der häuslichen
Gewalt.
3
Er unterstützt die Tätigkeit entsprechender
Organisationen, insb. für vorbeugende
Massnahmen zur Verminderung der Gewalt.
In über 55% der Haushalte sind Kinder.
Die KESB muss abklären, ob Kindsschutzmassnahmen notwendig sind.
Die Schutzverfügung
wird von der Polizei
übermittelt. Die Beratungsstellen klären ab,
ob die Betroffenen eine
Beratung wollen (vgl. §
16 GSG).
In einer akuten Gefährdungssituation ist eine
Unterbringung im Frauenhaus notwendig.
Auch kann sich die
Frage einer fürsorgerischen Unterbringung
(426ff ZGB) stellen,
wenn die Drittgefährdung Folge einer Erkrankung ist.
Adressen der Beratungsstellen in Kap.
901.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Die IST Interventionsstelle gegen Häusliche
Gewalt ist bei der Präventionsabteilung der
Zürcher Kantonspolizei.
Das strategische Kooperationsgremium
setzt sich aus ca. 20
Fachpersonen zusammen, die Behörden und
NGO vertreten, die sich
mit Häuslicher Gewalt
befassen.
www.ist.zh.ch
2. Gewaltschutzrechtliche Massnahmen in
Wohngemeinschaften
Art. 28 b ZGB Gewalt, Drohungen oder
Nachstellungen
2/3
(..)
4
Die Kantone bezeichnen eine Stelle, die
im Krisenfall die sofortige Ausweisung der
verletzenden Person aus der gemeinsamen
Wohnung verfügen kann, und regeln das
Verfahren.
E. Flankierende Massnahmen
§ 15 GSG Informations- und Mitteilungspflichten
1
Leben Unmündige im Haushalt der gefährdeten oder gefährdenden Person, so
teilt die Polizei die angeordneten Schutzmassnahmen der zuständigen Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde (KESB) mit.
2
Die Polizei informiert die gefährdete und
die gefährdende Person über das weitere
Verfahren und die spezialisierten Beratungsstellen. Sie übermittelt die Verfügung, mit der die Schutzmassnahmen angeordnet worden sind, sowie allenfalls
weitere notwendige Unterlagen je einer
Beratungsstelle für gefährdete und gefährdende Personen.
3
Die polizeilichen und haftrichterlichen
Akten werden der KESB und den Organen
der Zivilrechtspflege auf Anfrage zugestellt.
§ 17 GSG Interventionsstelle
1
Die kantonale Interventionsstelle gegen
häusliche Gewalt gewährleistet, steuert,
koordiniert und überprüft die Zusammenarbeit der mit häuslicher Gewalt befassten
Behörden und Beratungsstellen.
2
Die zuständige Direktion des Regierungsrates setzt eine fachübergreifende Arbeitsgruppe ein, welche die Arbeit der Interventionsstelle unterstützt und begleitet.
§ 42a EG zum ZGB Polizeiliche Zuständigkeit
1
Die Polizei ist zuständige Stelle im Sinne
von Art. 28b Abs. 4 ZGB.
2
Liegt ein Fall häuslicher Gewalt im Sinne
von § 2 GSG vor, richtet sich das Verfahren nach diesem Gesetz.
3
In den übrigen Fällen sind die §§ 3 Abs. 3,
4, 5 und 7 Abs. 1 GSG sinngemäss anwendbar.
3.
Im Kanton Zürich
kommt diese eidgenössische polizeirechtliche
Schutzbestimmung in
der akuten Gewaltsituation selten zur Anwendung, da meist das
GSG genügt.
Die Anordnung der
Schutzmassnahme erfolgt nach GSG. Für eine Verlängerung und
Beibehaltung des
Schutzes muss im Vereinfachten Verfahren
ein Zivilprozess angestrengt werden.
Persönlichkeitsrechtlicher Gewaltschutz
Art. 28 b ZGB Gewalt, Drohungen oder
Nachstellungen
1
Zum Schutz gegen Gewalt, Drohungen
oder Nachstellungen kann die klagende
Person dem Gericht beantragen, der verletzenden Person insbesondere zu verbieten:
1. sich ihr anzunähern oder sich in einem
bestimmten Umkreis ihrer Wohnung
aufzuhalten;
2. sich an bestimmten Orten, namentlich
bestimmten Strassen, Plätzen oder
Quartieren, aufzuhalten;
3. mit ihr Kontakt aufzunehmen, namentlich auf telefonischem, schriftlichem
oder elektronischem Weg, oder sie in
anderer Weise zu belästigen;
2/3/4
(..)
Zu den privatrechtlichen, im Persönlichkeitsrecht begründeten
Schutzmassnahmen
vgl. Kapitel 3.
§ 281 / 3
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
282 Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz
1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
Inhaltsübersicht
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Zweck von Gewaltschutzmassnahmen § 1 GSG
Tatbestandsmerkmale
2.1. Familiäre Beziehung § 2 Abs. 1 GSG
2.2. Gewalt und Drohung § 2 Abs. 1 lit a. GSG
2.3. Stalking § 2 Abs. 1 lit. b GSG
Gewaltschutzrechtliche Massnahmen
3.1. Wegweisung § 3 Abs. 2 lit a. GSG
3.2. Rayonverbot § 3 Abs. 2 lit. b GSG
3.3. Kontaktverbot § 3 Abs. 2 lit. c GSG
3.4. Kontaktverbot gegenüber Kindern § 3 Abs. 2 lit. c GSG
3.5. Verhältnismässigkeit von Gewaltschutzmassnahmen
3.6. Teilaufhebung der GSG-Massnahme durch zivilrechtliche, vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen
Sachverhaltsabklärung durch Polizei und Gerichte
4.1. Rechtliches Gehör, Anhörung, Glaubhaftigkeit § 3 Abs. 1 GSG, 9 Abs. 23 GSG
4.2. Beweisabnahme, Glaubhaftmachung § 10 Abs. 1 GSG
4.3. Kognition des Zwangsmassnahmen- und des Verwaltungsgerichts
Zuständigkeit und Verhältnis zu den Parallelverfahren
5.1. Örtliche und sachliche Zuständigkeit § 8 Abs. 2 GSG
5.2. Verhältnis zu zivilrechtlich angeordneten Massnahmen (insb. Ehe- und Kindesschutz) § 7 Abs. 1 GSG
5.3. Verhältnis zu strafprozessualen und strafrechtlichen Massnahmen und Auflagen § 7 Abs. 2 GSG
Rechtsmittelinstanzen
6.1. Beschwerde an das Verwaltungsgericht § 11a GSG
6.2. Beschwerde an das Bundesgericht
Verfahrensrechtliche Fragen
7.1. Zustellung der Vorladung im GSG-Gerichtsverfahren § 4 Abs. 3 GSG
7.2. Aktuelles Rechtsschutzinteresse und Gegenstandslosigkeit
7.3. Keine aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde § 11a Abs. 2 GSG
7.4. Weitere verfahrensrechtlichen Fragen
Gerichtskosten, Parteientschädigung, Unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung
8.1. Kostenauflage, Parteientschädigung § 12 GSG
8.2. Unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung § 16 VRG
Linke Spalte: Wörtliche Auszüge aus den Entscheiden; Hervorhebungen durch die IST
Rechte Spalte: Prozessnummern; Stichworte; Hinweise zum Sachverhalt des Entscheides und Kommentare der IST sind kursiv.
Seit 2008 ist das Zürcher Verwaltungsgericht Beschwerdeinstanz gegen richterliche GSG-Entscheide. Seit dem 1. Juli 2010 ist ein
Einzelrichter des Verwaltungsgerichts zuständig.
Mit der Einführung der Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 wurde der Haftrichter als Zwangsmassnahmengericht bezeichnet.
Die vollständigen Texte der publizierten Urteile können mit Hilfe der Prozessnummern für das Zürcher Verwaltungsgericht unter
www.vgrzh.ch; für das Bundesgericht unter www.bger.ch abgerufen werden.
1. Zweck von Gewaltschutzmassnahmen § 1 GSG
2. (..) Auf das Zürcher Gewaltschutzgesetz abgestützte Massnahmen werden im öffentlichen Interesse zum
Schutz gefährdeter Personen und zur Entspannung einer häuslichen Gewaltsituation angeordnet (vgl.
die Weisung des Regierungsrats vom 6. Juli 2005 zum Gewaltschutzgesetz, Amtsblatt des Kantons Zürich
2005, S. 767 ff., 771). Sie sind weder an die Eröffnung eines Strafuntersuchungsverfahrens gebunden noch an
die Einleitung eines Zivilverfahrens, namentlich eines Eheschutzverfahrens geknüpft (vgl. die Weisung des
Regierungsrats, a.a.O., insb. S. 774 und 776 f.).
Schutz, Deeskalation BGE 134
I 140, E.2
u.a. VGr, 28. Okt. 2013; E.3.1,
VB.2013.000609
VB.2013.00092, E..4,
VB.2010.00109, E. 2.
VB.2009.00246, E. 2.
Ein wichtiges Anliegen der Schutzmassnahmen im Sinne des Gewaltschutzgesetzes ist, dass die gefährdete
Person wieder Sicherheit gewinnen und zur Ruhe kommen kann (ABl. 2005, 774).
VGr, 3. Dez. 2009,
VB.2009.00632, E. 6.
Der Beschwerdeführer ist in seiner Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 10 Abs. 2 BV eingeschränkt worden.
Diese Verfassungsgarantie stellt für sich allein genommen kein "civil right" dar. Mit der Auferlegung von Gewaltschutzmassnahmen (Rayon- und Kontaktverbot) besteht aber die Möglichkeit der Gefährdung des "guten
Rufs", wie er vom nationalen Recht durch Art. 28 ff. ZGB und Art. 173 ff. StGB geschützt ist. Der "gute Ruf"
stellt grundsätzlich ein "civil right" dar und ist geeignet, in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1
EMRK zu fallen. Der vom Beschwerdeführer angerufene Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teilgehalt des
allgemeinen Grundsatzes des fairen Verfahrens von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 BV. Er wird auch
durch Art. 29 Abs. 2 BV geschützt.
Recht auf faires Verfahren
BGer, 31. Jan. 2008,
BGE 134 I 140, E. 5.2.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
§ 282 / 1
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert die Öffentlichkeit des Verfahrens. Die Pflicht zur Durchführung einer öffentlichen
Gerichtsverhandlung setzt nach der Rechtsprechung allerdings einen klaren Parteiantrag voraus. Blosse Beweisabnahmeanträge, wie die Durchführung einer persönlichen Befragung, reichen nicht aus. Art. 29 Abs. 2 BV
räumt keinen Anspruch auf eine mündliche Anhörung ein.
Unter dem Begriff "Freiheitsentziehung" im Sinne von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV ist gemäss Rechtsprechung
nicht bloss Haft im engen Sinn zu verstehen. Umgekehrt fällt nicht jede Art der Freiheitsbeschränkung unter
diese Garantie, sondern nur Freiheitsbeschränkungen von gewissem Ausmass und gewisser Intensität. Allgemein kann Freiheitsentziehung als eine Massnahme der öffentlichen Gewalt umschrieben werden, durch die
jemand gegen oder ohne seinen Willen an einem bestimmten, begrenzten Ort für gewisse Dauer festgehalten
wird. Bei der Abgrenzung der Freiheitsentziehung von der blossen Beschränkung der Bewegungsfreiheit sind
verschiedene Kriterien zu berücksichtigen, vor allem die Art und Weise, die Dauer, das Ausmass und die
Intensität der Beschränkung; massgeblich sind die Auswirkungen der zu beurteilenden Massnahme insgesamt.
Typische Beispiele sind Untersuchungs- und Auslieferungshaft sowie fürsorgerische Freiheitsentziehung. Durch
die Auferlegung eines Rayon- und Kontaktverbots wird eine Person in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt. Es wird ihr untersagt, bestimmte Orte aufzusuchen und mit bestimmten Personen Kontakte zu pflegen. Abgesehen von einem relativ eng begrenzten Gebiet kann sie ihren Aufenthaltsort frei wählen, ihren Alltag
frei gestalten und ist dabei keinen Kontrollen unterworfen. Diese Art der Freiheitsbeschränkung ist in ihrem
Ausmass und in ihrer Intensität nicht vergleichbar mit einer Festhaltung an einem bestimmten Ort (vgl.
ebenso die regierungsrätliche Weisung, a.a.O., S. 773). Das Rayon- und Kontaktverbot fällt daher nicht unter
den Begriff "Freiheitsentziehung" von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV. Die in diesen Bestimmungen enthaltenen
Garantien können vorliegend nicht angerufen werden.
Der Begriff "strafrechtliche Anklage" im Sinne von Art. 6 EMRK ist autonomer Natur und wird vom Bundesgericht entsprechend der Praxis der Strassburger Organe nach drei Kriterien bestimmt: Massgeblich ist erstens
die Zuordnung der Vorschrift im nationalen Recht. Diesem Gesichtspunkt kommt allerdings nur relative Bedeutung zu. Von grösserer Tragweite ist zweitens die Natur der vorgeworfenen Handlung und deren Folgen. Wird
als Folge eine Sanktion vorgesehen, die sowohl präventiven als auch vergeltenden Charakter aufweist, so ist
die strafrechtliche Natur der Zuwiderhandlung zu bejahen. Als drittes Kriterium ist auf die Schwere der Sanktion
abzustellen. Zu ermitteln sind die Auswirkungen der Sanktion auf den konkret Betroffenen.
Das GSG wird dem Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet, nicht aber als Strafsache qualifiziert. Die
Anordnung von Gewaltschutzmassnahmen ist nicht zwingend mit der Einleitung eines Strafverfahrens verbunden. (..) Die Gewaltschutzmassnahmen sind in ihrer Zielsetzung nicht darauf ausgerichtet, die gewaltausübende Person zu bestrafen, sondern eine konkrete Person in einer bestimmten Gewaltsituation zu
schützen (vgl. § 2 Abs. 1 GSG). Auch die Konsequenzen für die gefährdende Person - die Pflicht zur Einhaltung eines rechtlich gebotenen Verhaltens - sind nicht mit denjenigen einer strafrechtlichen Sanktion vergleichbar. Die Auferlegung von Gewaltschutzmassnahmen fällt demnach nicht unter den Begriff "strafrechtliche Anklage" i.S.v Art. 6 EMRK, und es können die spezifischen Garantien im Strafverfahren (Art. 6 Ziff.
2 und 3 EMRK, Art. 32 BV) nicht angerufen werden.
Gewaltschutzrecht ist nicht
Strafrecht
BGer, 31. Jan. 2008,
BGE 134 I 140, E. 3.2.
Ebenfalls
VGr, 11. März 2013,
VB.2013.00092
E. 4.2. Keine Berufung auf die
Verfahrensgarantien des Strafrechts; Art. 6 EMRK
2. Tatbestandsmerkmale
2.1 Familiäre Beziehung § 2 Abs. 1 GSG
Zwischen der gefährdenden und der gefährdeten Person muss eine familiäre oder partnerschaftliche Beziehung bestehen bzw. bestanden haben, die sich durch Vertrautheit, Verletzlichkeit und Abhängigkeit äussert; das Vorhandensein eines gemeinsamen Haushalts wird nicht vorausgesetzt (Weisung des Regierungsrats, ABl 2005 S. 762 ff., 771).
VGr, 25. März 2010,
VB.2010.00098, E. 2.
Die in einem gemeinsamen Haushalt wohnende 77-jährige Mutter und ihre Tochter stellen eine familiäre
Beziehung im Sinn von § 2 Abs. 1 GSG dar, auch wenn hier die gefährdete Person nicht – wie sonst eher
üblich – das Kind, sondern ein Elternteil ist.
Mutter-Tochter Beziehung
VGr, 20. Aug. 2009,
VB.2009.00395, E. 3, 5.1.
2.2. Gewalt und Drohung § 2 Abs. 1 lit. a GSG
Es sind nicht nur physische Gewaltübergriffe des Beschwerdeführers aktenkundig, sondern es ist auch glaubhaft, dass die Beschwerdegegnerin durch die Dominanz des Beschwerdeführers, der ihr kaum Raum für
eigene Entscheidungen lässt, auch psychischer Gewalt ausgesetzt war.
Psychische Gewalt
VGr, 20. Mai 2010,
VB.2010.00200, E. 4.2.
Unter Gewalt fallen gemäss den regierungsrätlichen Weisungen z.B. strafbare Handlungen wie Tätlichkeiten,
Körperverletzungen, Beschimpfungen, Drohungen, Nötigungen und Sachbeschädigungen, sofern sie in der
konkreten Situation geeignet sind, gefährdende oder verletzende Auswirkungen auf die Integrität einer Person
zu haben. Nicht erfasst werden hingegen heftige verbale Streitigkeiten zwischen Partnern, die nicht zu
einer derartigen Verletzung führen.
Verbale Streite ohne Integritätsverletzung
VGr, 28. Dez. 2009,
VB.2009.00705, E 2.1.
In engen familiären Beziehungen kann die Schwelle zur Bejahung von Gewalt aufgrund einseitiger oder gegenseitiger Abhängigkeiten tiefer liegen als bei partnerschaftlichen Beziehungen. Angesichts des fortgeschrittenen
Alters, des Gesundheitszustands und der Abhängigkeit der Mutter von der Tochter, welche für sie tägliche
Verrichtungen erledigte, ist vorliegend davon auszugehen. Dennoch erreicht die Aussage der Tochter, die
Mutter solle "sterben und verrecken", noch nicht die Intensität psychischer Gewalt. Kein anderes Bild ergibt
sich, wenn diese Aussage im Zusammenhang mit weiteren Äusserungen der Beschwerdeführerin gelesen wird,
wie etwa, es herrsche der dritte Weltkrieg und sie habe einen Termin beim Militärtribunal in Paris. Diese Aus-
Psychische Gewalt
VGr, 20. Aug. 2009,
VB.2009.00395, E. 5.3.1.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
§ 282 / 2
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
sagen sind wohl vor dem Hintergrund der psychischen Krankheit der Tochter zu sehen. Sofern sie die Mutter
am Boden liegen lassen haben soll, nachdem jene gestürzt ist, liegt darin ebenfalls keine psychische Gewalt.
Zudem bestreitet sie, das Hinfallen bemerkt zu haben.
Selbst wenn das Vorliegen niedrigschwelliger psychischer Gewalt bejaht würde, könnten die Gewaltschutzmassnahmen aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht um drei Monate verlängert werden, würde es
sich doch um einen Fall sehr leichter Gewalt handeln, welcher eine so lange Dauer nicht rechtfertigen würde.
Gegen die psychische Belastung und die Angstgefühle kann die Körperstatur des Beschwerdegegners (2 Meter
gross, 100kg schwer) nichts ausrichten. Das Verhalten der Beschwerdeführerin gefährdete insbesondere die
psychische Integrität des Beschwerdegegners.
VGr, 11. März 2010,
VB.2010.00066, E. 4.2.3.
Sie zündete das T-Shirt an
Die Aussage eines Ehepartners, dass er zum Erhalt der Ehe alles zu tun bereit wäre, selbst wenn er ins Gefängnis gehen müsste, kann zwar nicht per se und losgelöst von den übrigen Sachverhaltsumständen als
Häusliche Gewalt im Sinne des Gewaltschutzgesetzes qualifiziert werden.
(..) dass er auf Biegen und Brechen an der Ehe festzuhalten bereit ist und zu diesem Zweck auch strafrechtlich
verpönte Mittel einsetzen würde. Was die gewaltschutzrechtliche Qualifikation der Aussage angeht, muss diese
vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Beschwerdeführer nur sechs Monate zuvor seine Ziele damit
zu erzwingen versucht hatte, dass er mit einem Bild einen Schlag in das Gesicht der Beschwerdegegnerin
andeutete und die Bewegung erst 10 cm vor ihrem Kopf bremste, und dass er auch sonst durch sein unbeherrschtes Verhalten auffiel. Dass die Beschwerdegegnerin relativ kurze Zeit zuvor bereits einmal einer häuslichen Gewaltsituation ausgesetzt war und in diesem Zusammenhang durch Androhung von Gewalt in ihrer
psychischen Integrität verletzt wurde, lässt die Aussage des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2009 deutlich
bedrohlicher erscheinen. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin am Abend des 10. Juli 2009 per SMS mitteilte, er habe ihr im Rahmen des nachmittäglichen
Telefonanrufs nicht drohen wollen; zum Zeitpunkt des SMS-Versandes wusste der Beschwerdeführer bereits,
dass die Beschwerdegegnerin ihn inzwischen bei der Polizei angezeigt hatte. Zusammenfassend ging der
Haftrichter zu Recht davon aus, dass die Äusserung des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2009 eine Androhung
von Gewalt im Sinne von § 2 Abs. 1 GSG darstellte, die die Beschwerdegegnerin in ihrer psychischen Integrität
verletzte und somit den Tatbestand der Häuslichen Gewalt erfüllte.
Würdigung von Drohungen
unter Einbezug der Vorgeschichte
VGr, 3. Sep. 2009,
VB.2009.00422, E. 5.3.
2.3. Stalking § 2 Abs. 1 lit. b GSG
§ 2 Abs. 1 lit. b GSG will Formen der Trennungsgewalt tatbestandsmässig erfassen, die auch als „Stalking“
bezeichnet werden und bei den Betroffenen schwere psychische Schädigungen verursachen können (Weisung
des Regierungsrates, ABl 2005, S. 762 ff., 772).
VGr, 3. Dez. 2009,
VB.2009.00632, E. 3.1
Der Beschwerdeführer deckte das gesamte Umfeld der Beschwerdegegnerin mit massiven Indiskretionen
aus der gemeinsamen Ehezeit ein und beschränkt sich nicht darauf, die für seine Anliegen zuständigen
Instanzen auf sachliche und neutrale Art zu informieren. Damit bezweckte er offensichtlich, den Ruf der Beschwerdegegnerin zu schädigen. Die zahlreichen Aktivitäten des Beschwerdeführers erscheinen ohne Weiteres
geeignet, die psychische Integrität der Beschwerdegegnerin zu verletzen. Die anhaltenden massiven Belästigungen des Beschwerdeführers sind demnach als Häusliche Gewalt im Sinne von § 2 Abs. 1 GSG zu qualifizieren.
Fortgesetze Verleumdung
VGr , 4. Juni 2009,
VB.2009.00246, E.1
Der Haftrichter erachtete diverse Äusserungen in den an die Beschwerdegegnerin gerichteten Schreiben als
durchaus geeignet, um die psychische Integrität eines Menschen zu verletzen oder zu gefährden. So habe der
Beschwerdeführer u.a. festgehalten: „Jedes Mal, wenn du in den Spiegel schaust, wirst du eine Frau sehen, die
feige und verlogen ist…“. In einem weiteren Schreiben hiess es „Tatsache ist, dass du bereits um 1.40 Uhr
wieder zu ihm ins Bett gestiegen bis und bis 6.45 Uhr bei ihm gewesen bist, was ich anhand des Bildes beweisen kann, das ich am 17. Juli morgens gemacht habe.“ (..). Insbesondere erfolgten solche - teilweise sehr
lange - Schreiben nicht nur unmittelbar oder kurz nach Auflösung der Beziehung, sondern wiederkehrend
auch noch Monate danach. Dem Beschwerdeführer war ausserdem bewusst, dass die Beschwerdegegnerin
keine Schreiben oder SMS mehr zu empfangen wünscht. Die Qualifikationen des Beschwerdeführers zielen
unmissverständlich darauf hin, der Beschwerdegegnerin zu suggerieren, charakterlich schlecht und unfähig zu
sein, ihr Leben - insbesondere in partnerschaftlicher Hinsicht - selber bzw. ohne ihn gestalten zu können. Wie
der Haftrichter zu Recht ausführte, macht der Beschwerdeführer in „zermürbender Regelmässigkeit“ entsprechende Vorhalte, welche das Selbstwertgefühl der Beschwerdegegnerin in untragbarer Weise beeinträchtigen sollen und objektiv massive Belästigungen darstellen. Das Verhalten ist durchaus als „Stalking“ zu
werten und geeignet, bei der Beschwerdegegnerin schwere psychische Schäden zu verursachen.
VGr, 25. März 2010,
VB..2010.00098, E 3.3 f., E. 4.3.
Der Beschwerdeführer sei zusammen mit seiner heutigen Ehefrau und einem Kollegen in der Bar in Winterthur
erschienen, in der die Beschwerdegegnerin arbeite. Trotz entsprechender Aufforderung durch sie und ihren
Chef hätten die drei Personen die Bar erst nach Aufbieten der Polizei verlassen. Es sei anzunehmen, dass dem
Beschwerdeführer damals bewusst gewesen sei, dass sich die Beschwerdegegnerin durch seine Anwesenheit
bedroht gefühlt habe. Das Aussageverhalten der Beschwerdegegnerin sei konsistent. Sie habe glaubhaft
gemacht, dass der Beschwerdeführer auch an ihrem früheren Arbeitsort immer wieder aufgetaucht sei und
dass er das Rayonverbot kurz nach Erlass der Gewaltschutzmassnahmen missachtet habe. Sodann sei davon
auszugehen, dass die mehrfachen Wohnsitzwechsel der Beschwerdegegnerin auf das belästigende Verhalten
des Beschwerdeführers zurückzuführen seien. Insgesamt spreche das Verhalten des Beschwerdeführers dafür,
dass er das Bedürfnis der Beschwerdegegnerin nach Ruhe nicht respektiere. Es sei von einem subtilen Stal-
Annäherung ohne sachlichen
Grund
VGr, 5. Nov. 2009,
VB.2009.00514, E. 4.2.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Der Beschwerdeführer schrieb
der Beschwerdegegnerin seit
Sommer 2009 wöchentlich
teilweise eingeschriebene
Briefe, zahllose SMS und EMails, welche mehr als einen
Bundesordner füllten.
§ 282 / 3
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
king auszugehen, das als Häusliche Gewalt im Sinne des Gewaltschutzgesetzes zu werten sei. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin aufgrund der seit 2006
anhaltenden Streitigkeiten in einer emotional sehr belastenden Situation befinden. Dem Beschwerdeführer
musste aufgrund des Strafprozesses 2007 und des Scheidungsverfahrens 2008 klar geworden sein, dass sich
die Beschwerdegegnerin vor ihm fürchtet und dass sie es als bedrohlich auffassen musste, wenn er sich
ihr ohne sachlichen Grund bewusst näherte und trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder entfernte. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer psychischen Integrität verletzt wurde, als der Beschwerdeführer am 1. Sep. 2009 die Bar, wo sie arbeitete, betrat
und diese erst wieder verliess, nachdem der Geschäftsführer die Polizei gerufen hatte. Das Verhalten des
Beschwerdeführers ist objektiv als massive Belästigung der Beschwerdegegnerin einzustufen – selbst wenn
man davon ausgehen würde, dass der Beschwerdeführer beim Betreten der Bar noch nicht wusste, dass die
Beschwerdegegnerin in diesem Lokal tätig ist.
3. Gewaltschutzrechtliche Massnahmen
3.1 Wegweisung § 3 Abs. 2 lit a. GSG
4.1 Die Wegweisung des Beschwerdegegners aus der Wohnung würde im vorliegenden Fall einen Eingriff in
sein Recht auf Achtung seines Privatlebens gemäss Art. 13 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999
(BV) bedeuten. Letzteres vermittelt einen Anspruch darauf, vom Staat nicht in der freien Gestaltung des Lebens
und des Verkehrs mit anderen Personen beeinträchtigt zu werden (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 20.
November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1999 S. 152; Pascal Mahon in: Jean-François Aubert/Pascal Mahon [Hrsg.], Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération Suisse, Zürich
etc. 2003, Art. 13 N. 2). Der Beschwerdegegner wäre durch eine Wegweisung gezwungen, sein Leben anders
zu gestalten. Zudem findet er sich in einer persönlich schwierigen Situation, bei der es seinen Anspruch auf
Schutz seiner psychischen Unversehrtheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV zu berücksichtigen gilt. Eine Wegweisung
ist mithin nur dann zulässig, wenn sie den Anforderungen von Art. 36 BV genügt. (..)
So frequentierte die Beschwerdeführerin regelmässig das Wohnzimmer des Beschwerdegegners, während
Letzterer die Küche der Beschwerdeführerin benutzte. Nach den glaubhaften Schilderungen der Beschwerdeführerin befinden sich sodann zahlreiche, in ihrem Eigentum stehende Gegenstände auf der "Seite" des Beschwerdegegners. Dass es ihr unter diesen Umständen nicht möglich ist, die für die Entspannung der Situation
nötige Ruhe zu finden und sich vom Beschwerdegegner auch mental zu distanzieren, erscheint damit als
glaubhaft. Aufgrund des offenen Durchgangs dürfte sich die Beschwerdeführerin auch stets der unmittelbaren
Gegenwart des Beschwerdegegners bewusst sein, kann das ihm auferlegte Betretverbot doch optische und
akustische, von der Beschwerdeführerin wahrnehmbare Einwirkungen seinerseits nicht verhindern.
Wegweisung und Recht auf
Privatleben bzw. psychische
Unversehrtheit
VGr, 28. Aug. 2012, E. 4.1,
VB.2012.00472
Diese Massnahmen müssen als Eingriff in Grundrechte der gefährdenden Person, vorliegend insbesondere in
die durch Art. 10 Abs. 2 BV geschützte persönliche Freiheit und in die durch Art. 27 BV garantierte Wirtschaftsfreiheit, verhältnismässig sein. Der Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers darf dabei in sachlicher,
räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht über das Notwendige hinausgehen. Das öffentliche Interesse an der Vermeidung Häuslicher Gewalt überwiegt die privaten Interessen des Beschwerdeführers,
die von der Gewaltschutzmassnahme betroffene Zone zu betreten sowie sich dort aufzuhalten.
Gemeinsamer Arbeitsraum
der getrenntlebenden Parteien
wird ins Betretverbot aufgenommen.
VGr, 3. Dez. 2009,
VB.2009.00632, E. 6.
Der Haftrichter ging angesichts der Umstände zu Recht davon aus, dass ein Fortbestand der Gefährdung der
Beschwerdegegnerin durch Häusliche Gewalt glaubhaft gemacht wurde. Auch Verhältnismässigkeitsüberlegungen vermögen dies nicht zu ändern. Nachdem die Parteien die ehemalige gemeinsame Wohnung auf Ende
Sep. gekündigt haben und der Haftrichter die Wegweisung und das Rayonverbot ab 1. Sep. 2010 aufgehoben
hat, verbleibt dem Beschwerdeführer ein ganzer Monat Zeit, um seine Gegenstände aus der Wohnung zu
räumen.
Zeit zum Zügeln
VGr, 25. Aug. 2010,
VB.2010.00394, Erw. 4.4.
Betraf zwei aneinanderliegende
Wohnungen von Mutter und
Sohn
3.2 Rayonverbot § 3 Abs. 2 lit. b. GSG
Das Rayonverbot gemäss § 3 Abs. 2 lit. b GSG ist von der Wegweisung aus der Wohnung oder dem Haus
gemäss § 3 Abs. 2 lit. a GSG zu unterscheiden. Die Wegweisung bezieht sich stets auf eine Liegenschaft bzw.
eine Wohnung. Sie wird angeordnet, wenn die gefährdete und die gefährdende Person im gleichen Haushalt
leben, und bezweckt, dass die gefährdete Person unabhängig von der sachen- oder vertragsrechtlichen Situation ihren Haushalt am bisherigen Ort weiterführen kann. Mit dem Rayonverbot wird hingegen bezweckt, dass
die gefährdete Person sich in einem eng umgrenzten Gebiet sicher aufhalten kann. Rayonverbote umfassen
denn auch regelmässig nicht nur einzelne Liegenschaften, sondern auch deren nähere Umgebung.
Indem der Haftrichter das Rayonverbot auf einzelne Liegenschaften (Wohnhaus und Arbeitsort der Beschwerdeführerin und Schulhaus der Kinder) beschränkte, kam er dem Schutzgedanken des Gewaltschutzgesetzes
nicht genügend nach. Ein wesentliches Anliegen der Schutzmassnahmen ist, dass die gefährdete Person
wieder Sicherheit gewinnen und zur Ruhe kommen kann. Dies ist nur möglich, wenn auch die nähere Umgebung der Wohnliegenschaft, des Arbeitsorts und des Schulhauses vom Rayonverbot erfasst werden. Andernfalls würde der Beschwerdeführerin faktisch aufgezwungen, sich nur in ihrer Wohnung und an ihrem Arbeitsort
aufzuhalten. Die Anordnungen der Kantonspolizei erweisen sich in dieser Hinsicht als gerechtfertigt, beziehen
sie sich doch auf eng umgrenzte Gebiete mit einem maximalen Durchmesser von 300–400 Metern und lassen
der Beschwerdeführerin damit die Möglichkeit offen, sich in der näheren Umgebung sicher aufzuhalten. Für die
Wahrung der Verhältnismässigkeit ist dem Beschwerdeführer aber zu ermöglichen, seine Arbeitsorte aufzusuchen, wobei dafür zu sorgen ist, dass die Beschwerdeführerin dadurch so wenig wie möglich beeinträchtigt
wird.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Umfang des Rayons
VGr, 23. Sep. 2009, VB.2009.
00461, E. 5.4.
Die Vorinstanz schränkte das
Betretverbot auf einzelne Liegenschaften ohne deren Umgebung ein.
§ 282 / 4
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
4.4 (..) das auf Montage beschränkte Rayonverbot in D einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit des Beschwerdeführers darstellt, da dieser daran gehindert wird, im Mehrzweckraum des Schulhauses "H" jeden zweiten Montag von 11.05 bis 11.50 Uhr eine Sportlektion zu erteilen. Die Zulässigkeit eines solchen Eingriffs setzt voraus,
dass es sich beim Rayonverbot um eine geeignete, erforderliche und zumutbare Massnahme handelt. Im
vorliegenden Fall stellt sich insbesondere die – vom Haftrichter nicht näher geprüfte – Frage, ob nicht ein
milderer Eingriff genügen würde, um das Ziel, die Beschwerdegegnerin an ihrem Arbeitsort in D vor häuslicher
Gewalt zu schützen, zu erreichen. Dies ist zu bejahen: Erlaubt man dem Beschwerdeführer zu Arbeitszwecken,
das Schulhaus H in D von 11 bis 12 Uhr an jenen Montagen zu betreten, an denen er im dortigen Mehrzweckraum Sport unterrichtet, so bedeutet dies für die Beschwerdegegnerin – verglichen mit einem auch von 11 bis
12 Uhr geltenden Rayonverbot – keine oder höchstens eine äusserst geringfügig gesteigerte Gefährdung. Zu
Begegnungen zwischen den Ex-Partnern wird es bereits deshalb kaum kommen, weil der Beschwerdeführer im
Mehrzweckraum und die Beschwerdegegnerin im Spielgruppenraum arbeiten. Ferner hat die Beschränkung der
Betreterlaubnis auf die Stunde von 11 bis 12 Uhr zur Folge, dass der Beschwerdeführer das Schulhausareal,
das er nur zu Arbeitszwecken betreten darf, vor und nach dem Unterricht umgehend und auf direktem
Weg verlassen muss. Umgekehrt führt die zeitliche Lockerung des Rayonverbots dazu, dass der Eingriff in die
Wirtschaftsfreiheit des Beschwerdeführers weitgehend entfällt. Demnach steht eine Massnahme zur Verfügung,
die die Grundrechte des Beschwerdeführers in wesentlich geringerem Umfang beschränkt, ohne dass das Ziel,
die Beschwerdegegnerin vor häuslicher Gewalt zu schützen, dadurch beeinträchtigt würde. Das in D an Montagen geltende Rayonverbot erweist sich somit insofern als unverhältnismässig, als es für die Stunde von 11 bis
12 Uhr keine Ausnahme vorsieht.
Wirtschaftsfreiheit
Rayonverbot, welches den
Arbeitsplatz umfasst.
Verhältnissmässigkeit
VGr, 11. April 2013, E.4.4,
VB.2013.00145
3.3. Kontaktverbot § 3 Abs. 2 lit. c GSG
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer – wenn auch über die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin – versuchte, an die Beschwerdegegnerin zu gelangen, obwohl das Verbot auch eine Kontaktaufnahme über
Drittpersonen umfasste, lässt überdies den Schluss zu, dass er allfällige Treffen mit E auch zu einem untersagten Annäherungsversuch zur Beschwerdegegnerin missbrauchen könnte (vgl. VGr, 21. Juli 2011,
VB.2011.00410, E. 6.2; 7. April 2011, VB.2011.00142, E. 4.2)
Kontaktaufnahme über Drittpersonen
VGr, 11. März 2013,
VB.2013.92
3.4. Kontaktverbot gegenüber Kindern § 3 Abs. 2 lit. c GSG
Art. 13 Abs. 1 BV gewährleistet den Anspruch einer jeden Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fällt unter den verfassungs- und konventionsrechtlichen Begriff
"Familie" in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Beziehung zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und
minderjährigen Kindern. Inhaltlich schützt das Recht auf Achtung des Familienlebens das Recht auf Zusammenleben oder auf persönliche Kontakte unter den Familienmitgliedern. Zwischen dem minderjährigen Kind
und den Elternteilen gilt dies auch dann, wenn die Beziehung zwischen den Eltern beendet ist, die Eltern nicht
mehr zusammenleben oder geschieden sind. Die Auferlegung eines vollständigen Kontaktverbots zwischen einem Elternteil und dem minderjährigen Kind stellt einen schweren staatlichen Eingriff in das
Recht auf Familienleben dar. Ein solcher ist nur zulässig, wenn er auf einer formellgesetzlichen Grundlage
beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und der Kerngehalt des Grundrechts unangetastet
bleibt (Art. 36 BV, Art. 8 Abs. 2 EMRK, Art. 17 Abs. 2 UNO-Pakt II).
Der Haftrichter begründete die Verlängerung der Gewaltschutzmassnahmen in erster Linie mit der lang andauernden Anspannung der ehelichen Beziehungen sowie mit der Körperverletzung zum Nachteil der Ehefrau. Das
Kontaktverbot mit den Kindern stützte der Haftrichter auf den Umstand, dass die Kinder bei der gewaltbetroffenen Mutter leben und der Vater sie in der Vergangenheit ebenfalls geschlagen habe. Zudem habe die Ehefrau
angegeben, der Beschwerdeführer habe ihr wiederholt mit der Wegnahme der Kinder gedroht. Die Aufrechterhaltung des Kontaktverbots sei jedenfalls so lange gerechtfertigt, als nicht ein Eheschutzrichter den Kontakt
zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern geregelt habe. Der Haftrichter hat vorliegend mildere
Massnahmen nicht einmal ansatzweise in Betracht gezogen. Dies hätte er umso mehr tun müssen, als er die
Auffassung vertritt, die Schutzmassnahme solle während der gesetzlichen Maximaldauer von drei Monaten
bestehen bleiben. Der Haftrichter hätte die Frage milderer Massnahmen in Betracht ziehen müssen.
BGer, 19. Okt. 2007,
BGE 1C_219/2007, E. 2.3.
Recht auf Familienleben
Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung und Kontaktverbot mit der Ehefrau und den
Kindern.
Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob die Kinder selber von häuslicher Gewalt betroffen, d.h. in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität verletzt oder gefährdet sind (§ 2 Abs. 1 GSG). Dabei kann nicht
davon ausgegangen werden, dass dies regelmässig und gewissermassen automatisch der Fall ist, wenn vom
Vater gegenüber der Mutter Gewalt ausgeübt wird. Insbesondere genügt dazu allein die Tatsache, dass die
Eltern nicht in der Lage sind, die Kinder aus ihren ehelichen Problemen herauszuhalten, und dass die Konflikte
der Eltern zu Nervosität, Loyalitätskonflikten und schulischen Problemen der Kinder führen, nicht. Solche
Probleme bestehen häufig auch bei gewaltfreien Ehekonflikten und stellen für sich keine Gefährdung durch
häusliche Gewalt dar. Übt jedoch die gefährdende Person wiederholt Gewalt gegen die gefährdete Person in Anwesenheit der Kinder aus, so kann dies zu einer Traumatisierung der Kinder führen, welche sie
selber zu von (psychischer) Gewalt betroffenen Personen macht.
Sind die Kinder nicht selber von häuslicher Gewalt betroffen, so stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage,
ob Grund für eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen auf nahe stehende Personen im Sinn von § 3 Abs. 2
lit. c GSG besteht bzw. unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist. Dazu lässt sich der Weisung des
Regierungsrats zum Gewaltschutzgesetz nichts entnehmen (ABl 2005 762 ff.). Die Kinder einer gefährdeten
Person sind zwar zweifellos nahe stehende Personen im Sinn von § 3 Abs. 2 lit. c GSG. Doch erlaubt dies
nicht, die Kinder voraussetzungslos in das Kontaktverbot einzubeziehen, denn das Gewaltschutzgesetz bezweckt den Schutz von Personen, die durch häusliche Gewalt betroffen sind (§ 1 GSG). § 3 Abs. 2 lit. c GSG ist
Voraussetzung für Kontaktverbot gegenüber Kindern
VGr, 7. April 2011
VB 2011.00142, E. 4.2
VB.2013.261, E 4.2.2.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Ebenfalls
VGr, 1. Nov. 2010,
VB.2010.00561, E. 4.2.,5.
§ 282 / 5
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
vielmehr so auszulegen, dass die Ausdehnung des Kontaktverbots auf nahe stehende Personen zulässig
ist, wenn dies zum Schutz der gefährdeten Person notwendig ist, wenn also beispielsweise Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kontakt mit den Kindern zur verbotenen Kontaktaufnahme zur gefährdeten Person missbraucht wird, um diese weiterhin zu bedrohen.
Sowohl die direkte Betroffenheit der Kinder von häuslicher Gewalt als auch die Ausdehnung der Schutzmassnahmen auf die Kinder ist vom Haftrichter zu prüfen und zu begründen. Dies erfordert der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. dazu VGr, 1. November 2010, VB.2010.00561, E. 2.3).
Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung ist schliesslich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein
dreimonatiges gänzliches Kontaktverbot der gefährdenden Person zum unmündigen Kind einen schweren
staatlichen Eingriff in das verfassungsmässige Recht – der gefährdenden Person wie des Kindes – auf Familienleben darstellt (vgl. E. 3.2). Der Eingriff setzt daher eine Interessenabwägung voraus, welche eine gleichsam automatische Ausdehnung des Kontaktverbots auf die Kinder ebenfalls ausschliesst. Damit kann
vermieden werden, dass dieses Instrument zur Vorbereitung des Scheidungsverfahrens hinsichtlich der Frage
der Zuteilung der elterlichen Obhut missbraucht wird.
5.1 (..) Übt jedoch die gefährdende Person wiederholt Gewalt gegen die gefährdete Person in Anwesenheit
des Kindes aus, so kann dies zu einer Traumatisierung des Kindes führen, die es selbst zu einer von
(psychischer) Gewalt betroffenen Person macht. (..)
5.3 (..) Die Anordnung bzw. Verlängerung eines solchen Verbots kommt deshalb nur infrage, wenn den drohenden Gefahren nicht mittels milderer Massnahmen begegnet werden kann (..) In Würdigung der gesamten
Umstände ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme das Zwangsmassnahmengericht hätte anordnen
können, um den Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung von Personen, die durch häusliche
Gewalt betroffen sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es nicht in der Kompetenz der Gewaltschutz anordnenden Instanz liegt, ein begleitetes oder unbegleitetes Besuchsrecht anzuordnen.(..)
Kind als Zeuge von Gewalt
VGr, 25. Okt. 2013,
VB.2013,000609
4.2.2. (..)Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer zwar nie häusliche Gewalt ausgeübt, die sich direkt
gegen die beiden Kinder richtete (..). Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass der knapp sechsjährige Sohn
und die vierjährige Tochter unbestrittenermassen beim Vorfall vom 18. Februar 2013, als der Beschwerdeführer
gegenüber der Beschwerdegegnerin häusliche Gewalt ausübte, anwesend waren. Werden Kinder Zeugen
von häuslicher Gewalt, ist ihr Wohl gefährdet (Büchler/Michel, S. 551). Die Kinder des Beschwerdeführers
und der Beschwerdegegnerin werden von der Beratungsstelle H betreut, wo sie gemäss Aussagen der Beschwerdegegnerin geäussert hätten, dass sie Angst vor ihrem Vater hätten (act. 9, Anhörungsprotokoll S. 4).
Wie die Vorinstanz ausgeführt hat, ist es aufgrund der massiven Gewalt, die der Beschwerdeführer gegen die
Beschwerdegegnerin angewendet hat, nachvollziehbar, dass die Kinder derzeit Angst vor ihm haben.(..)
4.3. (..) Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass die kleinen Kinder mit der Situation überfordert
sind, nachdem sie miterlebt haben, wie ihr Vater ihre Mutter geschlagen hat, auch als sie bereits am Boden lag.
Es ist daher mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass es eine gewisse Zeit benötigt, die Kinder wieder an
den Beschwerdeführer heranzuführen. Es sind daher keine mildere Massnahmen im Vergleich zu einem dreimonatigen Kontaktverbot ersichtlich, die das Zwangsmassnahmengericht hätte anordnen können, um dem
Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung von Personen, die durch häusliche Gewalt betroffen
sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es nicht in der Kompetenz der Gewaltschutz anordnenden
Instanzen liegt, ein (begleitetes oder unbegleitetes) Besuchsrecht anzuordnen.
Kinder als Zeugen väterlicher
Gewalt
VGr, 24. April 2013,
VB.2013.261, E.4.2.2.; E.4.3
Ebenfalls
VB.2012.00276
VB.2012.00162
6.2 (..) Die Rüge des Beschwerdeführers, der Schutz vor Entführung von Kindern sei gar nicht durch das
Gewaltschutzgesetz abgedeckt, ist unzutreffend. Von der Drohung, die Kinder nach G zu entführen, sind die
beiden Söhne direkt betroffen, da befürchtet werden muss, dass sie gegen ihren Willen ins Ausland und weg
von ihrer gewohnten Umgebung gebracht werden. (..) Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass sich die
Ängste der Beschwerdegegnerin, die sich vor einer Entführung ihrer Kinder fürchtet, auf die kleinen Kinder
übertragen können.
Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers und seiner ambivalenten Ausführungen in Bezug auf die
angebliche Drohung gegenüber der Betreuerin im Kinderheim ging das Zwangsmassnahmengericht zu Recht
von einem glaubhaft gemachten Fortbestand der Gefährdung der Kinder im Sinn von § 10 Abs. 1 GSG aus.
Auch falls die Beschwerdegegnerin an dem Tag, an dem sie bei der Polizei war, am Nachmittag den Beschwerdeführer getroffen hat, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, da dies keine Auswirkung auf
die Gefährdung der Kinder hat.
Entführungsandrohung
VGr, 27. März 2012, E 6.2,
VB.2012.00141
5.4 (..), zumal das Bedürfnis der Beschwerdegegnerin nach Ruhe – insbesondere unter Berücksichtigung
ihrer persönlichen Situation als alleinerziehende, berufstätige Mutter – anderweitig nicht entsprochen
werden kann (..). Dies gilt auch für ihr engeres familiäres Umfeld, weshalb sich die Ausdehnung der besagten
Massnahmen auf ihre Kinder rechtfertigt.
Stiefkindern: Berücksichtigung der Situation der alleinerziehenden Mutter
VGr, 18. März 2013,
VB.2013.34/68, E.5.4
Die Anordnung der Verlängerung von Gewaltschutzmassnahmen setzt gemäss § 10 Abs. 1 Satz 1 GSG die
blosse Glaubhaftmachung des Fortbestandes einer Gefährdung voraus.
(..) Ein Kontaktrecht hätte damals in Anbetracht des Alters des Sohnes nur über (unerlaubte) Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und der obhutsberechtigten Beschwerdegegnerin umgesetzt werden können und
wäre unter den gegebenen Umständen mit einem erheblichen Konfliktpotenzial verbunden gewesen. Allenfalls
denkbar wäre ein Kontaktrecht zwar unter Einbezug einer vermittelnden Vertrauensperson gewesen, die Gewähr für ein geordnetes Besuchsrecht hätte bieten können. Doch zum Zeitpunkt des Entscheides des Haftrichters waren die erforderlichen Abklärungen zur Bestimmung einer Vertrauensperson und zur Regelung der
Kontaktverbot während notwendiger Abklärungszeit
VGr, 30. April 2009,
VB.2009.00175, E. 5.2.
Einmonatige Verlängerung des
Kontaktverbots zwischen dem
Beschwerdeführer und seinem
7-jährigen Sohn
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Verhältnismässigkeit und sachliche Zuständigkeit des ZMG
4- und 6-jähriges Kind
Verhältnismässigkeit des dreimonatigen Kontaktverbots
Betr. 5 bzw. 8-jährigen Knaben
§ 282 / 6
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
Besuchsmodalitäten noch nicht abgeschlossen. Solche Abklärungen, die inzwischen vom Eheschutzrichter in
die Wege geleitet wurden, sind erfahrungsgemäss mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden.
Die Anordnung eines einmonatigen Kontaktverbotes stellte eine geeignete, erforderliche und zumutbare Massnahme dar, um die momentane Konfliktsituation zu entschärfen, potenzielle Gefährdungen abzuwenden und
eine längerfristig gangbare Lösung in die Wege zu leiten. Anzumerken ist, dass sich ein vollständiges Kontaktverbot vor dem Hintergrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur während jener kurzen Zeit rechtfertigt, die erforderlich ist, um die Modalitäten für ein geordnetes und der konkreten Konfliktsituation
angemessenes Kontaktrecht zu regeln. Im vorliegenden Fall erscheint eine baldige Beendigung des Kontaktverbotes umso dringlicher, als dieses den Beschwerdeführer hart trifft, da er als nicht erwerbstätige
Person mit seinem Sohn regelmässig viel Zeit verbracht und offenbar eine wichtige Betreuungsfunktion
ausgeübt hat. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdeführer in Bezug auf Lösungsvorschläge kooperativ
gezeigt hat, indem er innert Kürze eine Vertrauensperson für ein begleitetes Besuchsrecht vorgeschlagen hat und sich zur Hinterlegung des eigenen Reisepasses bereit erklärte, um seine fehlende Entführungsabsicht zu belegen
E. 5.3. Der Eheschutzrichter
ordnete als superprovisorische
Massnahme die Aufhebung des
gemeinsamen Haushaltes, das
Getrenntleben und die Obhutszuteilung an die Mutter an. Der
Ehemann wurde verpflichtet,
alle Reisepapiere abzugeben.
(..) Soweit die angeordneten Massnahmen den 2-jährigen Sohn betreffen, darf zwar nicht übersehen werden,
dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein legitimes Interesse daran hat, Kontakte zu seinem Kind zu pflegen. Doch diesem Interesse stehen im vorliegenden Fall gewichtige private und öffentliche Interessen am
Schutz der Sicherheit und der persönlichen Integrität der Beschwerdegegnerin gegenüber. Hinzu
kommt, dass der Beschwerdeführer seinen Sohn bisher noch nie gesehen hat und folglich weder eine
Betreuungs- noch eine Erziehungsfunktion ausübte, sodass die Gewährung eines Kontaktrechts nicht
als dringlich anzusehen ist. Vielmehr erscheint es als zumutbar, das Kontaktverbot zum Sohn vorläufig
aufrechtzuerhalten bzw. den anstehenden zivilgerichtlichen Entscheid über die Gewährung eines allfälligen
Besuchsrechts abzuwarten.
Kontaktverbot zu 2-jährigem
Sohn
VGr, 4. Juni 2009,
VB.2009.00246, E. 2.
.
Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss beachtet werden, dass ein dreimonatiges gänzliches
Kontaktverbot zwischen einem Elternteil und einem minderjährigen Kind einen schweren staatlichen Eingriff in
das Recht auf Familienleben darstellt und – abgesehen von konkreten Gefährdungshinweisen – nicht im Interesse des Kindes an der Aufrechterhaltung seiner Beziehung zum Elternteil steht, mit dem es nicht zusammenlebt. Die Anordnung eines solchen Verbots kommt deshalb nur infrage, wenn den drohenden Gefahren nicht
mittels milderer Massnahmen begegnet werden kann.
Der Haftrichter trug dem gewichtigen Interesse an der Aufrechterhaltung der Vater-Tochter-Beziehung dadurch
Rechnung, dass er das Kontaktverbot nicht pauschal um drei Monate verlängerte, sondern nur bis zu jenem
Zeitpunkt, da im Rahmen zivilrechtlicher Anordnungen (etwa eines begleiteten Besuchsrechts) eine
Regelung für ein Besuchsrecht zum Vater getroffen sein würde.
Kontaktverbot zur 8-jährigen
Tochter bis zur Regelung
eines begleiteten Besuchsrechts.
VGr, 3. Dez. 2009,
VB.2009.00640/
VB.2009.00646, E. 4.5.2.
Dass das Rayon- und Kontaktverbot ihr gegenüber zu "logistischen" Problemen bei der Ausübung des
Besuchsrechts mit den Kindern bzw. zur Regelung der Übergabe der Kinder führt, wie dies der Beschwerdeführer geltend macht, kann zwar nicht von der Hand gewiesen werden. Es ist allerdings nicht gerechtfertigt, die
die Beschwerdegegnerin betreffenden Schutzmassnahmen deswegen aufzuheben, denn die Erschwerung von
Treffen mit seinen Kindern lässt die Gefährdungssituation gegenüber derselben nicht dahinfallen. Überdies
sieht das Scheidungsurteil zu diesem Zweck eine Beistandschaft vor, auch wenn eine solche gemäss dem
Beschwerdeführer bis anhin offenbar noch nicht eingerichtet werden konnte.
Besuchsrechtsabwick-lung
VGr,18. Juli 2013, VB.2013.458
(..), wenn die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer aufgrund ausserordentlicher Gegebenheiten unter
Missachtung des Rayonverbots einmalig gestattete, den gemeinsamen Sohn nach Hause zu bringen (act.
12/3). Würde dies mehrfach geschehen, müsste allerdings zu Recht in Zweifel gezogen werden, ob die Beschwerdegegnerin der Gewaltschutzmassnahmen noch bedürfe. (..) konnte das Zusammentreffen der Parteien
bei der Übergabe des gemeinsamen Sohnes dank der Hilfe der Schwester des Beschwerdeführers vermieden
werden.
Missachtung des Kontaktverbots wegen des Besuchsrechts
VGr, 5. Juli 2013, VB.2013.428
Als Eingriff in die durch Art. 10 Abs. 2 BV geschützte persönliche Freiheit, insbesondere auch in die Bewegungsfreiheit, müssen Schutzmassnahmen verhältnismässig sein. Dies wird einerseits dadurch gewährleistet,
dass nur die notwendigen Massnahmen angeordnet werden dürfen. Andererseits sind stets die Interessen der
gefährdeten Person und diejenigen der gefährdenden Person gegeneinander abzuwägen. Mit dem Kontaktverbot als mildeste aller Massnahmen und der damit verbundenen Möglichkeit Ruhe in den Alltag einkehren
zu lassen, wird in casu überdies dem Wohl des gemeinsamen Kindes am besten entsprochen, was für
die werdenden Eltern nunmehr im Vordergrund stehen sollte. Die Verlängerung des Kontaktverbots erscheint
verhältnismässig.
Kontaktverbot während
Schwangerschaft zum Schutz
des Ungeborenen
VGr, 11. März 2010,
VB.2010.00066, E 4.5.
3.5. Verhältnismässigkeit von Gewaltschutzmassnahmen
Das Verhältnismässigkeitsprinzip besagt, dass die Grundrechtseinschränkung zur Erreichung des
angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein muss und dem Betroffenen zumutbar ist. Zudem darf
die Grundrechtsbeschränkung den Kerngehalt des Grundrechts nicht antasten (Art. 36 Abs. 4 BV).
Zweck des Rayonverbots ist der Schutz der Beschwerdegegnerin vor Gewaltausübung durch den Beschwerdeführer. Die Anordnung und Verlängerung des Rayonverbots ist geeignet, die Beschwerdegegnerin zumindest
im Umkreis ihrer Wohnung vor dem Beschwerdeführer zu schützen. Eine mildere Massnahme ist nicht ersichtlich, zumal gegen den Beschwerdeführer bereits einmal Gewaltschutzmassnahmen verhängt wurden. Die
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BGer, 31. Jan. 2008,
BGE 134 I 140, E. 6.2. f.
§ 282 / 7
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Massnahme ist ohne weiteres zumutbar, da das Verhalten des Beschwerdeführers selbst Anlass zu deren
Anordnung gab. Der Kerngehalt der persönlichen Freiheit bleibt unangetastet. Das Rayonverbot stellt somit
keine unverhältnismässige Einschränkung der persönlichen Freiheit dar.
3.6. Teilaufhebung der GSG-Massnahme durch zivilrechtliche vorsorgliche Kindsschutzmassnahmen
(..) Dass das Zwangsmassnahmengericht Winterthur mit Verfügung vom 23. August 2013 die gegenüber der
Mutter sowie den Kindern angeordnete Schutzmassnahme bis zum 1. Dezember 2013 verlängerte,
dass der Vater anlässlich der Anhörung vom 16. September 2013 bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Winterthur-Andelfingen ausführte, er habe seine Kinder sehr gerne und vermisse sie sehr,
Dass die Mutter anlässlich der Anhörung vom 18. September 2013 bei der KESB Winterthur-Andelfingen
ausführte, der Vater habe ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Töchtern, sie ihn sehr vermissen würden und sie
damit einverstanden sei, wenn A und B während der Dauer der Schutzmassnahmen ihren Vater besuchen
würden,
dass A und B anlässlich der Anhörung vom 18. September 2013 (bei der) KESB Winterthur-Andelfingen ausführten, dass sie ihrem Vater am liebsten jeden Sonntag sehen würden und mit ihm auch ihre Geburtstage
feiern wollten,
dass sich M, gemeinsame Freundin der Kindseltern, mit Telefongespräch vom 24. September 2013 bereit
erklärte, A und B jeden Sonntag bei der Mutter zuhause abzuholen und wieder nach Hause zu bringen,
dass bei der Anordnung von zivilrechtlichen Massnahmen gem. Art. 273ff ZGB gemäss § 7 Abs. 1 GSG die
Schutzmassnahmen dahinfallen,
dass die aufschiebende Wirkung gemäss Art. 450c ZGB zu entziehen ist, damit das behördlich geregelte
Besuchsrecht zum Wohl von A und B seine Wirkung ohne Verzug entfalten kann, (..)
entscheidet die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde:
1.
(Der Vater) wird berechtigt erklärt für die Dauer des Rayons- und Kontaktverbots bis zum 1. Dezember
2013 seine Töchter A und B jeden Sonntag von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr zu sehen. Der erste Besuchstag soll
am Sonntag den 29. September 2013 stattfinden. (..)
3.
Es wird davon Vermerk genommen, dass es sich bei der behördlichen Regelung des Besuchsrechts um
eine zivilrechtliche Massnahme gem. Art. 273 und Art. 275 ZGB handelt und somit gemäss § 7 Abs. 1 GSG die
vom Zwangsmassnahmengericht W. angeordneten Schutzmassnahmen gegenüber A und B entfallen.
4.
Es wird davon Vormerk genommen, dass die mit Verfügung vom Zwangsmassnahmengericht Winterthur
vom 23. August 2013 angeordnete Schutzmassnahme gegenüber der Mutter weiterhin Geltung hat
5.
Es wird davon Vermerk genommen, dass sich M mit Telefon vom 24. September 2013 bereit erklärt hat,
A und B jeden Sonntag um 10.00 Uhr bei der Mutter von zuhause abzuholen und um 18.00 Uhr wieder nach
Hause zu bringen.
6.
Es wird davon Vormerk genommen, dass die KESB Winterthur-Andelfingen den Erlass von weiteren
Kindesschutzmassnahmen prüft und sich den Erlass von weiteren Entscheiden vorbehält.
7.
Es wird davon Vormerk, genommen, dass die Prüfung ob weitere Kindesschutzmassnahmen erforderlich
sind, im Endentscheid dieses Verfahrens festgehalten werden.
8.
Es wird davon Vormerk genommen, dass die Gebühr für dieses Verfahren im Endentscheid festgesetzt
wird.
Anordnung vorsorglicher
Kindsschutzmassnahmen mit
Entzug der aufschiebenden
Wirkung für eine allfällige
Beschwerde zur Aufhebung
des Kontaktverbots nach Art.
273;275 ZGB und § 7 Abs. 1
GSG
KESB vom 25. Sept. 2013
Zwischenentscheid
Die Töchter sind 9 bzw. 11
jährig
Die unverzügliche Anhörung
und Abklärung durch die KESB
ermöglichte rasche vorsrogliche
Kindesschutzmassnahmen (in
casu modifiziertes Besuchsrecht)
4. Sachverhaltsabklärung durch Polizei und Gerichte
4.1. Rechtliches Gehör, Anhörung, Glaubhaftigkeit § 3 Abs. 1 GSG; 9 Abs. 3 GSG
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gründet in der Auffassung, dass der Bürger in einem staatlichen Verfahren
nicht blosses Objekt sein darf, sondern Prozesssubjekt ist und in dieser Eigenschaft durch aktives Mitwirken
seine Rechte zur Geltung bringen kann.
BGer, 24. Sep. 2009,
BGE 1C_339/2008, E. 2.1.
3.2 (..) Unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 GSG, wonach die Polizei den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt und
„umgehend die zum Schutz der gefährdeten Personen notwendigen Massnahmen“ anordnet, hat sie nicht nur
die gefährdete, sondern auch die gefährdenden Personen (VGr, 25. Juli 2011, VB.2011.00343, E. 3.2.2; Andreas Conne/Kaspar Plüss, Gewaltschutzmassnahmen im Kanton Zürich, Sicherheit&Recht, 2011, S. 127ff.,
136). Ohne Anhörung der gefährdenden Person ist die Anordnung von Schutzmassnahmen nur dann zulässig,
wenn eine kurzfristige Anhörung nicht möglich ist, die Polizei vom Vorliegen häuslicher Gewalt überzeugt ist
und die Anordnung von Massnahmen aus Gründen des Opferschutzes als dringlich erscheint. Jedenfalls ist
nach Massgabe des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) nur in Ausnahmefällen von der Anhörung der gefährdenden Person
abzusehen, soweit sie sich nicht bewusst davon entzieht (..)
Polizeiliche Anhörung der
gefährdenden Person
VGr, 18. März 2013,
VB.2013.00034/68
Die Haftrichtenden haben gesetzlich die Möglichkeit, einen vorläufigen Entscheid ohne Anhörung des Gesuchsgegners/-gegnerin zu fällen. Das Bundesgericht hat in Auslegung von § 9 Abs. 3 GSG dazu festgehalten,
dass die Anhörung trotz Einsprachemöglichkeit grundsätzlich nicht im freien richterlichen Ermessen
liegt, sondern begründet sein muss. Mit Anhörung können die Haftrichtenden unverzüglich entscheiden.
Ohne Anhörung wird der Entscheid nur endgültig, wenn innert fünf Tagen ab Erhalt des Entscheides keine der
Parteien Einsprache macht. Wird eine Anhörung durchgeführt, kann die gefährdete Person eine getrennte
Anhörung vor Gericht beantragen.
BGer, 31. Jan. 2008; BGE 134 I
140, E. 5.5.
Unter welchen Umständen auf eine Anhörung der Parteien verzichtet werden darf, ist im Gesetz nicht geregelt.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nach bundesgerichtlicher Praxis als geheilt gelten, wenn die
Anhörung des Beschwerdegegners ohne Anhörung der
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betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei prüfen kann.
Im Gewaltschutzverfahren finden regelmässig keine Verhandlungen, sondern Anhörungen der betroffenen
Personen statt, da es sich um ein verwaltungsgerichtliches und nicht um ein privatrechtliches Verfahren handelt.
Die Anhörung der Beschwerdeführerin fand – wie in GSG-Fällen üblich – ohne die Anwesenheit des Beschwerdeführers statt. Nachdem dieser dem Haftrichter ein Gesuch um Änderung der GSG-Massnahmen beantragt
und diese bereits schriftlich begründet hatte, musste ihn der Haftrichter nicht erneut anhören. Das rechtliche
Gehör wurde nicht verletzt.
Beschwerdeführerin: keine
Gehörsverletzung
VGr, 25. Aug. 2010,
VB.2010.00394, E. 2.2.
Die mündliche Anhörung der Parteien durch den Haftrichter dient zum anderen auch der Wahrung des rechtlichen Gehörs der beteiligten Parteien und stellt insbesondere für den Gesuchsgegner ein Verteidigungsrecht
dar. Die Regelung in § 9 Abs. 3 Satz 1 GSG, wonach der Haftrichter den Gesuchsgegner „nach Möglichkeit“
anhört, ist deshalb in dem Sinn restriktiv zu verstehen, dass der Verzicht auf eine Anhörung nur ausnahmsweise infrage kommt. Zulässig ist die definitive Verlängerung von Schutzmassnahmen trotz fehlender Anhörung der Parteien lediglich dann, wenn diese auf eine Anhörung bewusst verzichten oder der Anhörung
unentschuldigt fernbleiben, obwohl sie rechtzeitig dazu vorgeladen worden sind. In den übrigen Fällen
darf der Haftrichter hingegen bloss im Rahmen einer vorläufigen, mit Einsprache anfechtbaren Verfügung über
ein Verlängerungsgesuch entscheiden.
Mündliche Anhörung
VGr, 17. Juni 2010,
VB.2010.00265, E. 4.4.
Beschwerdeführer erschien
nicht zur Anhörung, da er die
Vorladung zu spät erhielt.
(s. auch unter Verletzung rechtliches Gehör)
In der Rolle als Gesuchsteller kann der Beschwerdeführer den Anspruch auf mündliche Anhörung nicht geltend
machen. Nach Satz 2 von § 9 Abs. 3 GSG steht es im Ermessen des Haftrichters, ob auch eine Anhörung des
Gesuchstellers, welcher von der Polizei bereits mündlich angehört worden ist, durchgeführt wird.
Dagegen war der Beschwerdeführer im Verfahren um Verlängerung der verhängten Massnahmen Gesuchsgegner. Er hätte deshalb gestützt auf § 9 Abs. 3 Satz 1 GSG grundsätzlich mündlich angehört werden müssen.
In der angefochtenen Verfügung legte der Haftrichter mit keinem Wort dar, dass eine Anhörung des Beschwerdeführers unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen wäre. Es liegt nicht im Ermessen des
Richters, ob eine Anhörung durchzuführen ist. Die Gehörsverletzung ist mit der schriftlichen Einsprache
indessen geheilt worden, da es sich angesichts der kurzen Verfahrensfristen nicht um einen schwerwiegenden Fehler handelt, das Gesetz selbst die Möglichkeit der Einsprache anstelle der mündlichen
Anhörung vorsieht und der Haftrichter im Einspracheverfahren mit gleicher Kognition entscheidet. Eine
Verletzung des Verbots der willkürlichen Anwendung kantonalen Rechts liegt zumindest im Ergebnis nicht vor.
Einspracheverfahren heilt die
Gehörsverletzung
BGer, 31. Jan. 2008, BGE
134 I 140, E. 5.2.
Die Verletzung des Gehörsanspruchs führt grundsätzlich unabhängig von den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise geheilt werden, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu
äussern, die sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei prüfen kann. Von einer Rückweisung ist
selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die
Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit
dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht vereinbar wäre.
Indem der Haftrichter die Argumente des Beschwerdeführers betreffend den Kontakt mit seinem Sohn überhaupt nicht in seine Erwägungen einbezog, verletzte er dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Beschwerdeführer verlangt eine materielle Entscheidung der Streitsache durch das Verwaltungsgericht um möglichst früh wieder Kontakt zu seinem Sohn erhalten zu können. Entscheidet das Verwaltungsgericht in der
Sache neu, so ermächtigt dieses Vorgehen das Gericht ausnahmsweise auch zur Beurteilung von Ermessensfragen.
Rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren
Die detailreichen und widerspruchsfreien Aussagen der Beschwerdegegnerin erscheinen glaubhaft; zudem
gestand sie ein, den Beschwerdeführer ebenfalls geschlagen zu haben. Dieses Eingeständnis erhöht die
Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zusätzlich. Überdies werden ihre Aussagen teilweise durch diejenigen des
Beschwerdeführers bestätigt. So gab er der Polizei ebenfalls zu Protokoll, nach dem Würgevorfall im Jan. 2009
im Badezimmer die Polizei angerufen und dieser gemeldet zu haben, von der Beschwerdegegnerin mit einem
Elektroschockgerät bedroht zu werden. Zudem gestand er ein, sie geschlagen zu haben, auch wenn es ihm
nicht bewusst gewesen sei, dass er sie verletzt haben könnte. Er räumte auch ein, dass es ihm ab und zu
Mühe bereite, sich bezüglich verbaler Entgleisungen zu beherrschen. Schliesslich wird dieses Gesamtbild
durch die Aussagen zweier weiteren Personen bestärkt. Angesichts der glaubhaft wirkenden Aussagen der
Beschwerdegegnerin und der ansatzweisen Geständnisse des Beschwerdeführers ging der Haftrichter zu
Recht davon aus, dass die Beschwerdegegnerin ihre fortbestehende Gefährdung durch den Beschwerdeführer
glaubhaft dargelegt habe.
Glaubhaftigkeit, Kriterien
VGr, 16. Juli 2009,
VB.2009.00345, E. 4.2.
VGr, 1. November 2010,
VB.2010.00561, E. 2.2.
4.2. Beweisabnahme, Glaubhaftmachung § 10 Abs. 1 GSG
4.2 Gemäss § 10 Abs. 1 GSG genügt bereits die Glaubhaftmachung des Fortbestandes einer Gefährdung.
Es ist daher nicht notwendig, den Ablauf der Geschehnisse im Details zu rekonstruieren, was sich aufgrund der
gegensätzlichen Angaben der Parteien ohnehin nicht bewerkstelligen liesse. Die VI hat sich den auch zu Recht
darauf konzentriert, in erster Linie die Darstellung der Ereignisse durch die Parteien und deren Aussagen vor
den Behörden in den Grundzügen zu analysieren und auf deren Glaubhaftigkeit hin zu untersuchen (..)
Glaubhaftmachung der Gefährdung
VGr 3. Juli 2013,
VB.2013.000428
3.3 Erscheint der Sachverhalt umfassend ermittelt, obgleich nicht alle Möglichkeiten der Beweisführung ausge-
Beweisabnahme, Antizipierte
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schöpft wurden, und versprechen zusätzliche Abklärungen keine wesentlichen neuen Erkenntnisse,
rechtfertigt es sich, auf weitere Untersuchungen zu verzichten. Um festzustellen, ob ein Sachverhalt hinreichend feststeht und ein Beweis zur Klärung der Sachlage etwas beiträgt, kommt die Behörde bzw. das Gericht
allerdings nicht umhin, das Beweisergebnis vorläufig zu würdigen. Eine solche antizipierte Beweiswürdigung
und der darauf beruhende Verzicht auf Beweisabnahme sind mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar (Kölz/Bosshard/Röhl, § 7 N. 10, § 60 N.5; BGE 131 I 153 E.3; 130 II 425 E.2.1; 124 I 208 E. 4a; je mit
Hinweisen) (..).
Beweiswürdigung
VGr, 18. März 2013,
VB.2010.00034/68
4.3. Kognition des Zwangsmassnahmen- und des Verwaltungsgerichts
3.3 Im Zusammenhang mit der Prüfung der angefochtenen Verlängerung der angeordneten Gewaltschutzmassnahme ist dem Zwangsmassnahmengericht ein relativ grosser Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Zum einen kann sich dieses im Rahmen der Anhörung der Parteien einen umfassenden Eindruck von der
Situation machen, während das Verwaltungsgericht primär aufgrund der Akten zu entscheiden hat. Zum anderen greift das Verwaltungsgericht nur im Falle von Rechtsverletzungen im Sinne von § 50 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 lit. A VRG ein, nicht aber bei blosser Unangemessenheit. In Bezug auf den Nachweis
häuslicher Gewalt dürfen nicht allzu hohe Beweisanforderungen gestellt werden; Grundsätzlich genügt diesbezüglich das Beweismass der Glaubhaftigkeit (VGr, 26. Mai 2011, VB.2011.00228, E. 4.3), was sich auch
vorliegend nicht anders verhält. Es ist auch nicht notwendig, den Ablauf der Geschehnisse im Detail zu rekonstruieren, was sich aufgrund der gegensätzlichen Angaben der Parteien ohnehin nicht bewerkstelligen liesse.
Auch der Fortbestand einer Gefährdung muss gemäss § 10 Abs. 1 GSG nur glaubhaft gemacht werden. Demzufolge rechtfertigt sich eine gewisse Zurückhaltung bei der Beurteilung der vorinstanzlichen Würdigung (vgl.
VGr, 5. Nov. 2009, VB.2009.00514. E. 4.1)
Kognition des VGr, Glaubhaftigkeit
VGr, 25. Okt. 2013, E.3.3
ebenso VB.2010.00066, E.
4.1.VB.2010.0098, E. 4.1.;
VB.2009.00705, E. 4.1;
VB.2009.00422, E. 6.;
VB.2009.005014, E. 4.1.,
VB.2010.00243, E. 4.1.
5. Zuständigkeit und Verhältnis zu den Parallelverfahren
5.1. Örtliche und sachliche Zuständigkeit § 8 Abs. 2 GSG
5.3 (..) In Würdigung der gesamten Umstände ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme das Zwangsmassnahmengericht hätte anordnen können, um den Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung
von Personen, die durch häusliche Gewalt betroffen sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es
nicht in der Kompetenz der Gewaltschutz anordnenden Instanz liegt, ein begleitetes oder unbegleitetes
Besuchsrecht anzuordnen. Ausserdem bedarf es zur Entspannung der Situation einer gewissen Zeit. Entsprechend ist es angezeigt, die verfügten Massnahmen aufrechtzuerhalten.
Besuchsrechtsanordnungen
VGr, vom 26. Okt. 2013,
VB.2013.00609
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung können Gewaltschutzmassnahmen und eheschutzrechtliche
Anordnungen parallel angeordnet werden; letztere gehen allerdings vor und können im gewaltschutzrechtlichen
Verfahren nicht in Frage gestellt oder abgeändert werden. Auf das Eventualbegehren des Beschwerdeführers
betreffend Übertragung der Obhut ist deshalb nicht einzutreten. Der Entscheid über die Obhutszuteilung ist
Sache des Eheschutzrichters (vgl. Art. 315a ZGB).
Obhutszuteilung
VGr, 30. April 2009,
VB.2009.00175, E. 1.3.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann einzig die Frage bilden, ob die Haftrichterin die Gewaltschutzmassnahmen zu Recht verlängert hat (§ 1 VO GSG i.V.m. § 10 Abs. 1 GSG). Für die Anträge des Beschwerdeführers hinsichtlich des Besuchsrechts und der Herausgabe diverser Gegenstände ist hingegen der
Eheschutzrichter im Rahmen des hängigen Eheschutzverfahrens zuständig (vgl. Art. 172 Abs. 3 ZGB).
Besuchsrechtsregelung
VGr, 20. Mai 2010,
VB.2010.00200, E.1.3.
3.7 (..) Das für die Verlängerung von Gewaltschutzmassnahmen zuständige Gericht ist gemäss § 8 Abs. 2 GSG
die Haftrichterin oder der Haftrichter am Ort der Begehung der häuslichen Gewalt. Im vorliegenden Fall ist der
im Kanton Zürich gelegene Wohnort der Beschwerdegegnerin – G – als Ort der Begehung der häuslichen
Gewalt zu erachten, denn dort empfing die Beschwerdegegnerin gemäss den polizeilichen Ermittlungen die
Comboxnachricht des Beschwerdeführers, die die Drohungen enthielt (..).
Örtliche Zuständigkeit bei
SMS-, Telefonnachrichten im
interkt. Verhältnis
VGr, 5. März 2013,
VB.2013.00069
Der Gefährder lebt in Dt.
Gemäss § 8 Abs. 2 GSG ist der Haftrichter am Ort der Begehung der Häuslichen Gewalt zur Verlängerung
einer Schutzmassnahme zuständig.
Nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin nach deren Aussagen vor der Polizei nicht nur in I,
sondern insbesondere auch in ihrer gemeinsamen Wohnung in O (im Bezirk P) bedroht hat, ist der Haftrichter
des Bezirks P zuständig. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter nun
im Kanton F wohnen und sich folglich – mit Ausnahme desjenigen bezüglich des Reithofs in O – alle Gebiete
des Rayonverbots im Kanton F befinden.
Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;
dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei für die Dauer von 14 Tagen angeordneten
Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im
Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das
Gericht eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch
hält § 6 Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit
bereits beim Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war
demnach zur räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.
Örtliche Zuständigkeit, am
Begehungsort
VGr, 3. Mai 2010,
VB.2010.00177, E. 3.1.
§ 8 Abs. 2 GSG
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E. 3.2.
Ausdehnung Rayonverbot durch
das Gericht (reformatio in peius)
§ 282 / 10
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5.2. Verhältnis zu zivilrechtlich angeordneten Massnahmen (insb. Ehe- und Kindsschutz) § 7 Abs. 1 GSG
Die Dauer von Gewaltschutzmassnahmen darf einzig aufgrund des Fortbestehens der häuslichen Gewaltsituation beurteilt werden (vgl. § 10 Abs. 2 GSG). Die Vorladung zu einer Eheschutzverhandlung hingegen ist kein
sachliches Kriterium für eine veränderte Beurteilung des Gefährdungspotenzials bzw. für eine Änderung der
Geltungsdauer von Schutzmassnahmen. Die Ansetzung eines Verhandlungstermins in einem parallel
laufenden Eheschutzverfahren stellt keine Gewähr dafür dar, dass am Verhandlungstag effektiv eine
definitive zivilrechtliche Regelung des Getrenntlebens gefunden sein wird, die die gewaltschutzrechtlichen Anordnungen hinfällig werden lässt.
Der Haftrichter hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Parteien spätestens am 17. Dez. 2009 eine
zivilrechtliche Lösung finden werden, die die Aufrechterhaltung der Gewaltschutzmassnahmen hinfällig
machen würde. Eine rasche Regelung insbesondere des Besuchsrechts des Vaters zur Tochter steht zwar im
Interesse aller Beteiligten. Doch dies darf nicht dazu führen, dass eine gewaltschutzrechtliche Massnahme trotz
glaubhaft gemachtem Gefährdungsfortbestand auf das Datum einer Eheschutzverhandlung terminiert wird und
die Parteien so dazu gedrängt werden, an diesem Tag eine zivilrechtliche Regelung zu finden. Indem der
Haftrichter die maximale Dauer der angeordneten Schutzmassnahmen aufgrund der Vorladung zur Eheschutzverhandlung um einen Monat verkürzte, stützt er sich in Bezug auf die Geltungsdauer auf ein sachfremdes
Kriterium und überschritt das ihm zustehende Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise.
Paralles Eheschutzverfahren
VGr, 3. Dez.2009,
VB.2009.00640/
VB.2009.00646, E. 4.5. f.
.
Gemäss § 7 Abs. 1 Satz 1 GSG fallen Gewaltschutzmassnahmen dahin, wenn entsprechende zivilrechtliche Massnahmen rechtskräftig angeordnet und vollzogen sind. Zivilrechtlich angeordnete Massnahmen gehen Gewaltschutzmassnahmen deshalb vor und können im gewaltschutzrechtlichen Verfahren
nicht infrage gestellt oder abgeändert werden. Die zivilrechtliche Sistierung des Besuchsrechts kann nicht
im Rahmen des gewaltschutzrechtlichen Verfahrens aufgehoben werden. Der Haftrichter hat diesem Umstand
insofern Rechnung getragen, als er das Kontaktverbot zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn nur
bis zur Anordnung einer neuen Besuchsrechtsregelung durch die Vormundschaftsbehörde verfügt hat. Da das
gewaltschutzrechtlich angeordnete Kontaktverbot im Vergleich zur momentan ohnehin geltenden zivilrechtlichen Sistierung des Besuchsrechts für den Beschwerdeführer keine weitergehenden Einschränkungen bewirkt,
fehlt es ihm im Rahmen des vorliegenden Verfahrens an einem schutzwürdigen Interesse, die Aufhebung des
Kontaktverbots zu seinem Sohn zu verlangen.
GSG Massnahmen und
Kindesschutzmassnahmen
VGr, 5. Nov. 2009,
VB.2009.00514, E. 1.3.
Die Parteien sind geschieden.
Die Mutter hat das Sorgerecht.
Der Vater hat das Besuchsrecht über einen Beistand
wahrzunehmen, welcher das
Besuchsrecht sistiert hat.
Der Eheschutzrichter ist bei seinem Entscheid über vorsorgliche Massnahmen in keiner Weise an Urteile
gebunden, die im Zusammenhang mit dem Gewaltschutzgesetz ergangen sind (vgl. Art. 172 ff. ZGB). Es
verhält sich vielmehr genau umgekehrt: Die Schutzmassnahmen fallen dahin, wenn entsprechende zivilrechtliche Massnahmen rechtskräftig angeordnet und vollzogen sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 GSG). Eheschutzrechtliche Anordnungen gehen Gewaltschutzmassnahmen vor und können im gewaltschutzrechtlichen Verfahren nicht mehr in Frage gestellt oder abgeändert werden. In Bezug auf Anordnungen
über Kinder gelten Offizial- und Untersuchungsmaxime (Art. 145 Abs. 1 ZGB). Der Entscheid, wem der Eheschutzrichter die eheliche Wohnung überlässt, hängt in der Regel vom Obhutsentscheid ab. Das vorliegende
Urteil stellt den Eheschutzrichter demnach keineswegs vor vollendete Tatsachen in Bezug auf die Zuteilung der
Liegenschaft und der Kinderobhut.
VGr, 3. Sep. 2009,
VB.2009.00422,
zwei gemeinsame Söhne (13
und 15 Jahre alt)
5.3. Verhältnis zu strafprozessualen und strafrechtlichen Massnahmen und Auflagen § 7 Abs. 2 GSG
Die strafprozessualen Massnahmen sowie die Ersatzmassnahmen einerseits und die Gewaltschutzmassnahmen inklusive Kontaktverbot anderseits unterscheiden sich demnach sowohl hinsichtlich ihres Zwecks als auch
der Voraussetzungen zur Anordnung erheblich voneinander. Während die strafprozessualen Massnahmen vor
allem dazu dienen, einen Beschuldigten für ein Strafverfahren zur Verfügung zu halten und ihn der Bestrafung
zuzuführen, bezwecken die Gewaltschutzmassnahmen den kurzzeitigen Schutz eines Opfers vor weiterer
häuslicher Gewalt. Der unterschiedliche Zweck der Massnahmen erklärt auch die unterschiedlichen Voraussetzungen zu deren Anordnung. So können die Gewaltschutzmassnahmen, welche im Unterschied zu den Ersatzmassnahmen nach der Strafprozessordnung verwaltungsrechtlicher Natur sind, auch bei Verdacht auf
Übertretungen (z.B. Tätlichkeiten) angeordnet werden. Zudem ist deren Dauer unabhängig von der Straflänge.
Die Gewaltschutzmassnahmen, welche einen anderen Zweck verfolgen als die Ersatzmassnahmen zur Untersuchungs- oder Sicherheitshaft, werden demnach entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durch die
strafprozessualen Zwangsmassnahmen der Schweizerischen Strafprozessordnung nicht verdrängt. Dies gilt
auch im Verhältnis der jeweiligen Kontaktverbote untereinander.
VGr, 7.April 2011
VB.2011.00142, E.2.2
Im Strafverfahren gelten höhere beweisrechtliche Anforderungen als im Gewaltschutzverfahren.
VGr, 5. Nov. 2009,
VB.2009.00514, E. 4.2.
Nach Entlassung aus der Haft, könnten allenfalls Gewaltschutzmassnahmen den Schutz der Ehefrau vor dem
wiederholungsgefährdeten Ehemann bieten.
BGer, 6. Nov. 2009, BGE
1B_280/2008
1.3 Die Staatsanwaltschaft hat mit Strafbefehl vom 22. Februar 2012 für die Dauer von zwei Jahren angeordnet, dass Kontakte des Beschwerdeführers zur Regelung und Ausübung des Besuchsrechts zum gemeinsamen Sohn über das Jugendsekretariat D bzw. über Drittpersonen zu erfolgen hätten. Diese auf Art. 44 Abs. 2
des Strafgesetzbuchs (StGB) gestützte, inzwischen rechtskräftige Weisung führt nicht zur Gegenstandslosigkeit
des vorliegenden Verfahrens, da der Strafbefehl vom 22. Februar 2012 – anders als die vorliegend umstrittene
Gewaltschutzanordnung – kein Kontaktverbot gegenüber dem Sohn des Beschwerdeführers enthält.
GSG und strafrechtliche
Weisung
VB.2012.00162
VGr. 2.April 2012
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
§ 282 / 11
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
6.2 (..) Schutzmassnahmen werden von der Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nicht beeinflusst (vgl. § 7 Abs. 2 GSG). Zudem behandelte dieser Entscheid die anstelle der Untersuchungshaft zu ergreifenden Ersatzmassnahmen und setzte sich mit der Frage der Kollusionsgefahr betreffend die Beschwerdegegnerin und F auseinander. Der hier massgeblichen Drohungen des Beschwerdeführers gegenüber E bzw. die
der Anordnung der Gewaltschutzmassnahmen zugrundeliegenden Umstände waren dagegen kein Thema. Der
Beschwerdeführer kann damit aus dem Verzicht auf ein Kontaktverbot gegenüber E im Entscheid vom 28.
Januar 2013 nichts zu seinen Gunsten ableiten.
GSG und StPRErsatzmassnahmen
VGr, 11. März 2013,
VB.2013.00092
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann einzig die Frage bilden, ob die Haftrichterin die Gewaltschutzmassnahmen zu Recht verlängert hat (§ 1 VO GSG i.V.m. § 10 Abs. 1 GSG). Für die Anträge des Beschwerdeführers hinsichtlich des Besuchsrechts und der Herausgabe diverser Gegenstände ist hingegen der Eheschutzrichter im Rahmen des hängigen Eheschutzverfahrens zuständig (vgl. Art. 172 Abs. 3 ZGB).
Besuchsrechtsanträge
VGr, 20. Mai 2010,
VB.2010.00200, E.1.3.
3.7 (..) Das für die Verlängerung von Gewaltschutzmassnahmen zuständige Gericht ist gemäss § 8 Abs. 2 GSG
die Haftrichterin oder der Haftrichter am Ort der Begehung der häuslichen Gewalt. Im vorliegenden Fall ist der
im Kanton Zürich gelegene Wohnort der Beschwerdegegnerin – G – als Ort der Begehung der häuslichen
Gewalt zu erachten, denn dort empfing die Beschwerdegegnerin gemäss den polizeilichen Ermittlungen die
Comboxnachricht des Beschwerdeführers, die die Drohungen enthielt (..).
Zuständigkeit bei SMS-,
Telefonnachrichten im interkt. Verhältnis
VGr, 5. März 2013,
VB.2013.00069
Gemäss § 8 Abs. 2 GSG ist der Haftrichter am Ort der Begehung der Häuslichen Gewalt zur Verlängerung
einer Schutzmassnahme zuständig.
Nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin nach deren Aussagen vor der Polizei nicht nur in I,
sondern insbesondere auch in ihrer gemeinsamen Wohnung in O (im Bezirk P) bedroht hat, ist der Haftrichter
des Bezirks P zuständig. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter nun
im Kanton F wohnen und sich folglich – mit Ausnahme desjenigen bezüglich des Reithofs in O – alle Gebiete
des Rayonverbots im Kanton F befinden.
Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;
dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei für die Dauer von 14 Tagen angeordneten
Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im
Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das
Gericht eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch
hält § 6 Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit
bereits beim Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war
demnach zur räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.
Örtliche Zuständigkeit, am
Begehungsort
VGr, 3. Mai 2010,
VB.2010.00177, E. 3.1.
§ 8 Abs. 2 GSG
E. 3.2.
Ausdehnung Rayonverbot
durch das Gericht
6. Rechtsmittelinstanzen
6.1. Beschwerde an das Verwaltungsgericht § 11a GSG
Gegen provisorische Entscheide sieht das Gesetz die Einsprache an den Haftrichter im Sinne von § 11
Abs. 1 GSG vor, weshalb sich die Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Entscheids, in welcher die Beschwerde ans Verwaltungsgericht angegeben wurde, als unzutreffend erweist. Demgemäss ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
VGr, 11. Dez. 2009,
VB.2009.00642, E 3.2.
Soweit sich die Rügen des Beschwerdeführers gegen die am 3. Sep. 2009 angeordneten polizeilichen Massnahmen richten, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Seit dem 18. Sep. 2009 gelten die haftrichterlichen
Anordnungen und nicht mehr die polizeilichen Anordnungen, die vom Beschwerdeführer deshalb mangels Beschwer nicht mehr angefochten werden können.
VGr, 5. Nov. 2009,
VB.2009.00514, E. 1.2.
6.2. Beschwerde ans Bundesgericht
Der Zürcher Gesetzgeber hat darauf verzichtet, an die polizeilichen Schutzmassnahmen eine Frist für die
zwangsweise Einleitung eines Zivilverfahrens, namentlich eines Eheschutzverfahrens, zu knüpfen. Die polizeilichen Massnahmen werden einzig im öffentlichen Interesse zum Schutz gefährdeter Personen und zur Entspannung einer häuslichen Gewaltsituation angeordnet (vgl. Weisung des Regierungsrates, ABl 2005, S. 762 ff., 776
f.). Aus diesen Gründen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang der öffentlich-rechtlichen Angelegenheit zu
Zivilrecht im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG. Mithin ist vorliegend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 lit. a BGG gegeben.
BGer, 13. Juli 2007,
BGE 1C_89/2007, E. 1.1.
Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten
Der Rückweisungsentscheid des Verwaltungsgerichts ist als Zwischenentscheid zu qualifizierten, der sich nur
unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG weiterziehen lässt. Als Endentscheid im Sinne von
Art. 90 BGG lässt sich ein Rückweisungsentscheid dann einstufen, wenn der unteren Instanz kein Beurteilungsspielraum mehr verbleibt.
VGr, 25. März 2010,
VB.2010.00109, E. 5.
Rückweisungsentscheid
ans VGr
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§ 282 / 12
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
7. Verfahrensrechtliche Fragen
7.1. Zustellung der Vorladungen im GSG-Gerichtsverfahren § 4 Abs. 3 GSG
Aus Art. 29 Abs. 2 BV leitet das Bundesgericht unter anderem ein Recht auf rechtzeitige Vorladung zu einer
gerichtlichen Verhandlung ab.
Das Recht angehört zu werden, ist formeller Natur; die Verletzung des Gehörsanspruchs führt grundsätzlich zur
Aufhebung der angefochtenen Verfügung, ungeachtet der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Sache
selbst.
Vorladung
VGr, 1. Okt. 2009,
VB.2009.00460, E. 2.2.
Wer ein Verfahren anhängig gemacht und so ein Prozessrechtsverhältnis begründet hat, muss mit
behördlichen Zustellungen rechnen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hat er daher dafür
besorgt zu sein, dass ihm amtliche Urkunden reibungslos zugestellt werden können. Wird der Adressat
in einem solchen Fall bei der versuchten Zustellung einer eingeschriebenen Sendung nicht angetroffen und
daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt nach der bundesrechtlichen
Rechtssprechung die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, da die Post abgeholt wird. Geschieht dies
nicht innerhalb der Abholfrist von sieben Tagen, gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt.
Unter den vorliegenden Umständen verstösst die Berufung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers auf
die siebentätige Zustellfrist gegen Treu und Glauben, wurde doch die Ansetzung des Anhörungstermins auf die
Ferienpläne des Rechtsvertreters ausgerichtet, wie er sie angegeben hatte.
Durch die kurzfristige Vorladung verletzte die Haftrichterin § 175 Abs. 1 GVG, nach welchem die Vorladung dringende Fälle vorbehalten - wenigstens fünf Tage vor der Verhandlung zugestellt werden muss, nicht. In
Übereinstimmung mit der Bejahung eines dringenden Falls nach § 14 Abs. 2 GSG muss auch die gerichtliche
Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahmen und der gerichtliche Entscheid über die Verlängerung,
Änderung oder Aufhebung der Massnahmen als dringender Fall im Sinne von § 175 Abs. 1 GVG betrachtet
werden, gilt doch für diese Verfahren eine Behandlungsfrist von vier Arbeitstagen.
VGr 1. Okt. 2009,
VB.2009.00460, E. 3.3.
7.2. Aktuelles Rechtsschutzinteresse und Gegenstandslosigkeit
Die Beschwerdelegitimation setzt ein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung oder Änderung der
angefochtenen Anordnung voraus. Auf dieses Erfordernis kann ausnahmsweise verzichtet werden, sofern eine
Anordnung zu beurteilen ist, die sich nach ihrer Art und ihrem Gegenstand jederzeit wiederholen kann und die
sonst der behördlichen oder gerichtlichen Überprüfung regelmässig entzogen bliebe, sodass die rechtliche
Klärung einer Grundsatzfrage nie erfolgen könnte.
Soweit der Beschwerdeführer die Verfügung des Haftrichters anficht, mit welcher sein Gesuch um Aufhebung
der durch die Kantonspolizei verfügten Schutzmassnahmen abgewiesen wurde, fehlt ihm ein aktuelles Rechtsschutzinteresse. Die Schutzmassnahmen liefen am 30. Aug. 2009, somit zwei Tage vor der Beschwerdeerhebung, ab, weshalb der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch die angefochtenen
Massnahmen nicht mehr beschwert war. Daran ändert nichts, dass er während der Geltungsdauer der Massnahmen offenbar gegen das Rayonverbot verstossen hat. Sollte er deswegen androhungsgemäss wegen
Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen im Sinn von Art. 292 StGB sanktioniert werden, dürfte der
Strafrichter nämlich die Verfügung mit gleicher Kognition, wie sie dem Verwaltungsgericht zukommt,
überprüfen.
VGr, 23. Sep. 2009,
VB.2009.00461, E.1.3.
Ausnahme des Erfordernisses des aktuellen Rechtsschutzinteresse
Da die im vorliegenden Fall von der Polizei angeordneten Gewaltschutzmassnahmen nur bis am 27. März 2009
(bzw. bis zum Tag der Beschwerdeeinreichung) in Kraft waren, ist der Antrag des Beschwerdeführers auf
Aufhebung der Massnahmen gegenstandslos geworden. Der Beschwerdeführer macht jedoch an sich zu Recht
geltend, dass er in Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfragen des vorinstanzlichen Entscheids nach wie
vor beschwert sei; in diesem Zusammenhang wird die Frage der Rechtmässigkeit der polizeilich angeordneten
Massnahmen denn auch summarisch zu prüfen sein.
VGr, 20. Aug. 2009,
VB.2009.00159, E. 1.2.
Rechtsschutzinteressen
hinsichtlich polizeilich angeordneter Gewaltschutzmassnahme
Der Beschwerdeführer war bezüglich der haftrichterlichen Bestätigung der von der Kantonspolizei angeordneten Schutzmassnahmen nicht mehr beschwert, weshalb es ihm an einem aktuellen Rechtsschutzinteresse
mangelt. Auf dieses Erfordernis kann vorliegend auch nicht verzichtet werden, da keine grundsätzliche Frage
zu klären ist, die aufgrund ihrer Natur der Anordnung regelmässig einer gerichtlichen Überprüfung entzogen
bliebe. Demnach ist auf die Beschwerde in diesem Punkt nicht einzutreten.
VGr, 3. Juni 2010,
VB.2010.00243, E. 1.2.
Die Schutzmassnahmen der
Kantonspolizei dauerten bis
zum 12. Mai 2010 und waren im
Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bereits abgelaufen.
7.3. Keine aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde § 11a Abs. 2 GSG
Trotz Rückweisung zur Durchführung einer Anhörung der Parteien und anschliessender Neubeurteilung, bleiben die mit Verfügung des Haftrichters verlängerten Schutzmassnahmen weiterhin in Kraft und der Einsprache
kommt keine aufschiebende Wirkung zu (§ 11 Abs. 2 GSG).
VGr, 25. März 2010,
VB.2010.00109 E. 3.2.
Der Beschwerdeführer beantragt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerden. Da
vorliegend der Entscheid in der Hauptsache ergeht, erweist sich sein Antrag als gegenstandslos.
Vgr, 23. Sep. 2003,
VB.2009.00461, E. 1.4.
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§ 282 / 13
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
7.4. Weitere verfahrensrechtliche Fragen
Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;
dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei für die Dauer von 14 Tagen angeordneten
Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im
Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das Gericht
eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch hält § 6
Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen
Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit bereits beim
Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war demnach zur
räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.
Ausweitung der Schutzmassnahme durch das
ZMG
Erweiterung des Rayons
VGr, 3. Mai 2010,
VB.2010.00177, E. 3.2.
Gemäss § 140 Abs. 1 GVG finden in der Zeit vom 10. Juli bis und mit 20. Aug. sowie vom 20. Dez. bis und mit 8.
Jan. keine Verhandlungen statt; die gesetzlichen und die richterlichen Fristen stehen still. Vorbehalten bleiben die
in Abs. 2 genannten Fälle. Die Aufzählung in § 140 Abs. 2 GVG ist nicht erschöpfend. Für die Beurteilung der
Dringlichkeit ist auf die Natur der hängigen Streitsache und nicht auf das einseitige Interesse einer Partei an der
Förderung des Prozesses abzustimmen. Aus den Ausführungen in der Weisung des Regierungsrats geht hervor,
dass die gerichtliche Beurteilung der Schutzmassnahmen bzw. der Entscheid über deren Verlängerung, Änderung
und Aufhebung bewusst dem Haftrichter übertragen wurde, um ein rasches Verfahren sicherzustellen. Aus der
mehrfachen Betonung des zentralen Anliegens der Beschleunigung des Verfahrens wird deutlich, dass es
sich bei den genannten Entscheiden um dringende Fälle im Sinne von § 140 Abs. 2 GVG handeln muss,
für welche die Gerichtferien nicht gelten. Diesen Schluss legt auch der Umstand nahe, dass die gerichtlich
verfügten Schutzmassnahmen insgesamt drei Monate nicht übersteigen dürfen. Es ist daher als offensichtliches
Versehen des Gesetzgebers zu werten, dass er beim Erlass des Gewaltschutzgesetzes nicht ausdrücklich auf die
Nichtgeltung der Gerichtsferien für das Verfahren nach diesem Gesetz hinwies.
VGr 1. Okt. 2009,
VB.2009.00460, E. 3.2.
Unter Vorbehalt hier nicht zutreffenden Ausnahmen erwächst nur das Dispositiv einer Verfügung in Rechtskraft.
Nur darin enthaltene Anordnungen sind anfechtbar, nicht auch die Begründung oder andere Bestandteile einer
Verfügung.
Der Beschwerdeführer wehrte sich ausdrücklich nicht gegen die Gewaltschutzmassnahmen, sondern nur gegen
das Strafverfahren wegen Drohung und Nötigung. Ein Anfechtungswille des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich. Auf die Beschwerde ist entsprechend nicht einzutreten.
Rechtskraft
VGr, 23. Juni 2010,
VB:2010.00294, E. 2. und
3.2. VB.2009.00545, E. 1.2
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb sie gemäss § 38 Abs. 1 Satz 2 VRG (neu ab
1. Juli 2010: § 38 Abs. 2 VRG) auf dem Zirkulationsweg abzuweisen ist.
Zirkulationsbeschluss
VGr, 28. Dez. 2009,
VB.2009.00705, E 5.
Aus dem Wortlaut von § 5 Satz 1 GSG ergibt sich mit genügender Klarheit, dass die schriftliche Begründung ein
Gültigkeitserfordernis für das Begehren um gerichtliche Beurteilung darstellt. Wird die Gültigkeit eines Rechtsmittels kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung davon abhängig gemacht, dass es eine minimale Begründung
enthalte, so liegt darin weder eine Verweigerung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch kann darin ein überspitzter Formalismus gesehen werden. Der verfassungsmässige Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV)
schliesst es nicht aus, dass ohne Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung auf ein mangelhaftes Rechtsmittel
dann nicht eingetreten wird, wenn der Rechtsmittelkläger die diesbezügliche Unvollständigkeit bzw. Mangelhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkannt hat oder mit zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen müssen. Aus § 8 GSG mit
dem Marginale "Form der Gesuche" folgt das Erfordernis einer schriftlichen Gesuchsbegründung - wiederum auch
für einen Laien - klarerweise.
Begründungspflicht der
GSG-Gesuchs § 8 GSG
BGer, 13. Juli 2007,
BGE 1C_89/2007, E. 2.1. f.
Es ist zwar nicht zu bezweifeln, dass der Beschwerdeführer ein berufliches Interesse an der Aufhebung des
Rayonverbots hat. Allerdings hat er sich nicht genauer dazu geäussert, inwiefern ihn dieses konkret an der Ausübung seines Berufs einschränke, sondern es bei einem bloss pauschalen Hinweis darauf bewenden lassen,
weshalb sein Vorbringen als ungenügend substanziiert erscheint.
Substanziierungspflicht
VGr, 23. Dez. 2009,
VB.2009.00665, E 4.2.
Der Beschwerdeführer kritisiert ganz allgemein namentlich die Verfügung des Haftrichters, ohne im Einzelnen
darzulegen, inwiefern die ihr zugrunde liegenden Erwägungen bzw. die Verfügung im Ergebnis rechts- bzw.
verfassungswidrig sein soll. Schon mangels hinreichender Begründung ist daher nicht auf die Beschwerde
einzutreten.
Substanziierungspflicht
BGer, 8. Juni 2010,
BGE 1C_28672010
in diesem Sinne auch
BGer, 13. Juli 2010,
BGE 1C_338/2010
Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und
ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt, was aber nicht bedeutet, dass sich die Behörde ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Die
Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene einen Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten
kann.
Urteilsbegründung
VGr, 20. Aug. 2009,
VB.2009.00395, E. 2.2. f.
Dass der Haftrichter die Beschwerdeführerin nicht nochmals mit den einzelnen Vorwürfen ihrer Mutter konfrontierte, ist nicht zu beanstanden, hatte dies doch bereits die Polizei getan. Zudem wusste die Beschwerdeführerin um
die Vorwürfe der Mutter, auf die sie denn auch in der Anhörung einging. Mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Einsprache und anlässlich der Anhörung befasste sich der Haftrichter in der Tat nicht sehr einge-
Urteilsbegründung
VGr, 20. Aug. 2009,
VB.2009.00395, E. 2.2. f.
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Gerichtsferien
Ab 1. Jan. 2011 richtet sich
die Regelung der Gerichtsferien nach § 71 VRG i.V.m.
§ 145 f. ZPO: Analog zum
summarischen Verfahren
gibt es im GSG keine Gerichtsferien.
§ 282 / 14
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
hend. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass an die Begründungsdichte der Entscheide des Haftrichters angesichts der vorgeschriebenen Verfahrensdauer nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden
können. Eine sachgerechte Anfechtung verunmöglichte die Begründung des angefochtenen Entscheids
jedenfalls nicht; dies behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht.
2.3 (..) Eine Rückweisung würde denn auch zu einer Verzögerung führen, (..). Von einer Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz wäre demnach ohnehin selbst bei einer – hier allerdings nicht gegebenen – Gehörsverletzung abzusehen.
Keine Rückweisung an das
ZMG
VGr, 11. Màrz 2013,
VB.2013.00092. E. 2.3
3.4 Nach dem Gesagten stellt der Entscheid der Haftrichterin vom 16. Mai 2012 richtigerweise lediglich eine
vorläufige, mit Einsprache beim Haftrichter anfechtbare Verfügung dar (§ 10 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 GSG), weshalb sich die Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Entscheids, in welcher die Beschwerde an das Verwaltungsgericht angegeben wurde, als unzutreffend erweist. Demgemäss ist auf die Beschwerde mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nicht einzutreten. Die Akten sind der Haftrichterin des Bezirksgerichts Zürich zur
Behandlung als Einsprache zu überweisen (§ 5 Abs. 2 VRG). Diese wird den Beschwerdeführer anzuhören
haben, bevor sie den Einspracheentscheid fällt (vgl. E. 2.3). Der Klarheit halber ist anzufügen, dass die im Entscheid der Haftrichterin vom 16. Mai 2012 angeordneten Gewaltschutzmassnahmen bis zum neuen Entscheid der
Haftrichterin aufrechterhalten bleiben.
Unkorrekte Rechtsmittelbelehrung, Überweisung
als Einsprache
VGr 27. Juni 2012
VB.2012.00356
4.3 Die Verfügung vom 26. Juli 2012 ist somit wegen ungenügender Anhörung im Sinn von § 9 Abs. 3 GSG
aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerde ist dementsprechend teilweise gutzuheissen. Eine Rückweisung erweist sich aufgrund der beschränkten Kognition des Verwaltungsgerichts (vgl. § 50
VRG) und angesichts der äusserst kurzen Begründung der vorinstanzlichen Verfügung als unumgänglich (vgl. §
64 Abs. 1 VRG). Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin im Einzelnen anzuhören bzw. zu befragen und
anschliessend die Frage der Verlängerung oder Aufhebung der gegen die Beschwerdeführerin angeordneten
Gewaltschutzmassnahmen neu zu beurteilen.
Rückweisung und Aufrechterhaltung als Vorsorgliche
2 VGr, 27. Aug. 2012
VB.2012.00492
8. Gerichtskosten, Parteientschädigung, Unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
8.1. Kostenauflage und Parteientschädigung § 12 GSG
Im Gegensatz zur polizeilichen Anordnung der Schutzmassnahmen löst das gerichtliche Verfahren Kosten- und Entschädigungsfolgen aus. Wird das Gesuch um Aufhebung einer Schutzmassnahme abgewiesen, werden der gesuchstellenden Person die Verfahrenskosten auferlegt, andernfalls werden sie auf die Gerichtskasse genommen. Im Verlängerungs-, Änderungs- und Aufhebungsverfahren wird
die unterliegende Partei kostenpflichtig. Die Auflage und Höhe der Kosten beträgt zwischen CHF 100 und CHF 600. Zusätzlich können Kosten einer allfälligen Übersetzung anfallen. Vor Verwaltungsgericht betragen die Kosten inkl. den Gebühren zwischen CHF 800 bis CHF
1‘200.Jede Partei hat die Gegenpartei nach Massgabe ihres Unterliegens für Kosten und Umtriebe zu entschädigen. Verordnung über Gerichtsgebühren (LS 211.11)
Die Gerichtskosten des vorliegenden Verfahrens sind aufgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch
den Haftrichter auf die Gerichtskasse zu nehmen (§ 70 i.V.m. § 13 Abs. 2 VRG).
Kostenauflage
VGr, 25. März 2010,
VB.2010.0010,9 E. 4.
Die Gerichtskosten sind aufgrund der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung auf die Gerichtskasse zu nehmen
(§ 70 i.V.m. 13 Abs. 2 VRG).
VGr, 11. Dez. 2009,
VB.2009.00642, E. 3.2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens - Unterliegen der Beschwerdeführerin - wären die Gerichtskosten ihr
aufzuerlegen. Unter den vorliegenden Umständen - insbesondere aufgrund der Ungewissheit, ob sie überhaupt
eine Beschwerde erheben wollte - rechtfertigt es sich aber, die Kosten auf die Gerichtskasse zu nehmen.
VGr, 7. Okt. 2009,
VB.2009.00545, E. 3.
Da der Haftrichter die polizeilich angeordneten Schutzmassnahmen im Rahmen seines Entscheids verlängerte,
hätte er auf eine Kostenauferlegung an die unterliegende Partei nicht ohne Begründung verzichten dürfen.
VGr, 17. Juni 2010,
VB.2010.00265, E. 6.2.
Bei dieser Ausgangslage hätte der Haftrichter die Kosten des zweiten Verfahrens zu einem Teil auf die Gerichtskasse nehmen müssen, da der Beschwerdeführer mit seinem Gesuch zu einem gewissen – wenn auch
nicht sehr hohen – Anteil durchdrang.
VGr, 25. Aug. 2010,
VB.2010.00394, Erw. 5.3.
Die Nebenfolgenregelung des vorinstanzlichen Entscheids wird bei Gegenstandslosigkeit vor Verwaltungsgericht nach Ermessen und im Sinne der Billigkeit überprüft. Neu festzusetzen sind die Nebenfolgen nur dann,
wenn sich ihre Regelung ohne Weiteres als unzutreffend herausstellt. Dabei fordert die Prozessökonomie
grundsätzlich, auf die eingehende Behandlung hypothetisch gewordener Fragen zu verzichten. Wenn die
Vorinstanz Kosten und Parteientschädigungen nach dem Unterliegensprinzip verteilt hat, so ist ihre Regelung
der Nebenfolgen dann fehlerhaft, wenn der betreffende Entscheid im Ergebnis nicht haltbar ist. Entsprechend
nimmt das Verwaltungsgericht in solchen Fällen, wenn ein materieller Entscheid angefochten worden ist, eine
summarische Prüfung des angefochtenen Entscheids in der Hauptsache vor.
Überprüfung der Kostenregelung der Vorinstanz durch das
VGr.
VGr, 20. Aug. 2009,
VB.2009.00159, E. 1.2.
Anlass zum bundesgerichtlichen Verfahren und dem damit insbesondere für die Parteien verbundenen Aufwand hat die Vorinstanz gegeben. Dem Kanton werden keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dagegen
rechtfertigt es sich, ihn in Anwendung von Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG zur Bezahlung einer Entschädigung an den Vertreter der Beschwerdeführerin, sowie an die Vertreterin des Beschwerdegegners zu
Parteientschädigung
BGer, 16. Jan. 2009,
BGE 1C_272/2008, E. 2.2.
Die Vorinstanz sprach der
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Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
verpflichten. Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche
Verfahren sind damit gegenstandslos.
Beschwerdeführerin keine
Prozessentschädigung zu und
befand nicht über deren Antrag
um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters.
Mangels eines Antrages auf Prozessentschädigung, ist dem Beschwerdegegner trotz Obsiegens keine Prozessentschädigung zuzusprechen (§ 17 Abs. 2 VRG).
VGr, 11. März 2010,
VB.2010.00066, E 5.2.
8.2. Unentgeltliche Rechtspflege, unentgeltlicher Rechtsbeistand § 16 VRG
Die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung ist zu bejahen, wenn die Interessen des Gesuchstellers in
schwerwiegender Weise betroffen sind und das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erfordern. Neben dem Schwierigkeitsgrad der sich
stellenden Rechts- und Sachverhaltsfragen sind auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe
zu berücksichtigen - etwa die Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden, der Gesundheitszustand
des Gesuchstellers und die Bedeutung der Angelegenheit für diesen. Im Allgemeinen ist eine Verbeiständung grundsätzlich geboten, wenn das infrage stehende Verfahren besonders stark in die
Rechtsstellung des Gesuchstellers eingreift.
Angesichts des schwerwiegenden Eingriffs der Gewaltschutzmassnahmen in das Privatleben des Beschwerdeführers, seines Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik wegen der starken psychischen Belastung und der
nicht ganz einfachen Rechtsfragen ist die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung vorliegend zu bejahen.
Von der Mittellosigkeit ist aufgrund der eingereichten Mietzinsmahnungen und da er seit vielen Jahren kein
Einkommen erzielt und als Hausmann tätig war, auszugehen.
Voraussetzung für URB
VGr, 25. März 2010,
VB.2010.00109, E. 4.
Vgl. auch VB.2010.00177
6.2.1. (..) Als aussichtslos sind Begehren anzusehen, bei denen die Aussicht auf Gutheissung um derart viel
kleiner als jene auf Abweisung erscheint, dass sie deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.
Massgebend ist, ob ein Selbstzahler, der über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung und
Abwägung der Aussichten zu einem Verfahren entschliessen würde oder davon Abstand nähme. Der Private
soll ein Verfahren, das er auf eigene Rechnung und Gefahr führen würde, nicht deshalb anstrengen können,
weil es ihn nichts kostet. Dagegen gilt ein Begehren als aussichtsreich, wenn sich die Aussichten auf Gutheissung oder Abweisung ungefähr die Waage halten oder nur geringfügig differieren (..)
Aussichtslosigkeit
VGr, 18. Juli 2013,
VB.2013.00458, E. 6.2.1
VGr, 11. März 2010,
VB.2010.00066, E 5.2.
Im vorliegenden Fall konnte den Begehren des Ehemanns indessen zum vornherein kein Erfolg beschieden
sein, denn aufgrund des gegebenen Gefährdungspotenzials sowie des Deeskalationsbedürfnisses kam eine
sofortige ersatzlose Aufhebung der angeordneten Schutzmassnahmen offensichtlich nicht infrage. Somit ist das
Gesuch des Ehemanns um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsvertretung abzuweisen.
VGr, 3. Dez. 2009,
VB.2009.00640/VB.2009.00646,
E.6.
Mittellos im Sinne von § 16 VRG ist, wer die erforderlichen Vertretungskosten lediglich bezahlen kann,
wenn er jene Mittel heranzieht, die er für die Deckung des Grundbedarfs für sich und seine Familie
benötigt. Die Bedürftigkeit ist aufgrund der gesamten Verhältnisse, namentlich der Einkommenssituation, der
Vermögensverhältnisse und allenfalls der Kreditwürdigkeit zu beurteilen.
Mittellosigkeit
VGr 1. Okt. 2009,
VB.2009.00460, E. 4.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdeführerin und die Kinder zu unterstützen. Bei der Beurteilung der
Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin sind deshalb die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers mit zuberücksichtigen. Daneben erzielt die Beschwerdeführerin selber ein Einkommen. Schliesslich
schweigt sie sich darüber aus, ob es ihr möglich wäre, finanzielle Leistungen von Dritten (so etwa vom Beschwerdeführer oder ihren Eltern) zusätzlich erhältlich zu machen. Sie hat demnach – wie der Beschwerdeführer – nicht als mittellos zu gelten, weshalb sich eine nähere Prüfung ihrer zudem nicht deklarierten Einkommens- und Vermögensverhältnisse erübrigt.
VGr, 23. Sep. 2009,
VB.2009.00461, E. 6.
Nettoeinkommen Beschwerdeführer: ca. Fr. 6'700.- (inkl.
Kinderzulagen),
Beschwerdeführerin: Fr. 2'300.-
Die Mittellosigkeit ist durch die eingereichten Unterlagen der Beschwerdegegnerin ausgewiesen. Ihr Begehren
ist zudem nicht aussichtslos. Hingegen war die Rechtsvertretung nicht notwendig: Die Beschwerdegegnerin
hatte bereits vor der Polizei und dem Haftrichter ohne Rechtsvertretung ausgesagt, und es stellten sich keine
rechtlich besonders schwierigen Fragen. Strittig war lediglich, ob die Wegweisung und das Rayonverbot für
zwei bzw. drei Tage aufgehoben werden solle, mithin eine einfache Frage. Das Begehren um unentgeltliche
Rechtsvertretung ist demnach abzuweisen.
Unentgeltliche Rechtsvertretung, Notwendigkeit
VGr, 25. Aug. 2010,
VB.2010.00394, E. 6.4.
Aufgrund der Steuerrechnung der Beschwerdeführerin (Tochter) ist von deren Mittellosigkeit auszugehen. Die
vorliegende Beschwerde kann zudem nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Angesichts ihrer psychischen
Situation, aber auch aufgrund einer für ein Verfahren nach Gewaltschutzgesetz eher ungewöhnlichen Konstellation mit einer Elternteil-Kind-Beziehung war die Beschwerdeführerin schliesslich kaum in der Lage, ihre
Rechte selber zu wahren. Entsprechend ist ihr die unentgeltliche Rechtsvertretung zu gewähren und für das
Beschwerdeverfahren in der Person ihres derzeitigen Vertreters ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Vor der Vorinstanz wurde die unentgeltliche Rechtsvertretung mit Hinweis auf die Aussichtslosigkeit des
Standpunkts der Beschwerdeführerin abgelehnt, was sich nunmehr als unzutreffend erweist.
VGr, 20. Aug. 2009,
VB.2009.00395, E. 6.
Die 77-jährige Mutter liess
gegen die im gleichen Haushalt
wohnende Tochter Gewaltschutzmassnahmen anordnen.
Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Prozessführung ist als gegenstandslos geworden
abzuschreiben, da die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer auferlegt wurden. Da die vorliegende Beschwerde abzuweisen ist, waren die Begehren der Beschwerdegegnerin nicht offensichtlich aussichtslos. Der
VGr, 5. Nov. 2009,
VB.2009.00514, E. 6.4 f.
Beschwerdegegnerin: Nettoein-
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
§ 282 / 16
Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei Häuslicher Gewalt: Ausgewählte Rechtsprechung zum Gewaltschutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013
Entscheid über die Geltung eines dreimonatigen Rayon- und Kontaktverbots war für die Beschwerdegegnerin
nicht von bloss unwesentlicher Bedeutung; es stellten sich Rechts- und Sachverhaltsfragen von einer gewissen
Komplexität; die Beschwerdegegnerin befand sich aufgrund des Verfahrens in einer emotional belastenden Situation; die Gegenpartei war anwaltlich vertreten. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen,
dass für die rechtsunkundige Beschwerdegegnerin eine sachliche Notwendigkeit bestand, ihre Rechte über
einen anwaltlichen Vertreter zu wahren.
kommen: durchschnittlich rund
Fr. 3'000.- pro Monat; ausgewiesenen monatlichen Fixkosten bei Fr. 2'285.25
Das Begehren des Beschwerdeführers kann nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Zudem war die Rechtsvertretung notwendig, da das vollständige Kontaktverbot des Beschwerdeführers zu seinem Sohn einen schweren staatlichen Eingriff in das verfassungsmässig geschützte Recht auf Familienleben darstellt und der Beschwerdeführer nur gebrochen Deutsch spricht.
VGr, 1. Nov. 2010,
VB.2010.00561, E. 6.2.2.
Aufgrund der Akten ist mit dem Haftrichter davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt, um einen Prozess zu führen. Ausserdem war ihr Antrag auf Abweisung der Beschwerde keineswegs aussichtslos. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass sich die Beschwerdegegnerin aus
nachvollziehbaren Gründen an einen geheimen Aufenthaltsort begeben hat, um eine befürchtete Kontaktaufnahme des Beschwerdeführers zu verhindern; sie war demnach dazu gezwungen, sich im Verfahren vertreten zu lassen. Aufgrund dieser besonderen Umstände ist nicht zu beanstanden, wenn sich die
rechtsunkundige Beschwerdegegnerin anwaltlich vertreten liess. Das Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertreterin ist somit gutzuheissen.
VGr, 30. April 2009,
VB.2009.00175, E. 7.
Nach Eskalation eines Streites
zog die Ehefrau und der 7jährige Sohn aus und begaben
sich an einen geheim gehaltenen Aufenthaltsort.
Die Prozesschancen zur Beurteilung, ob ein Begehren aussichtslos war, sind in einer vorläufigen und
summarischen Prüfung des Prozessstoffes abzuschätzen. Ob ein Begehren aussichtslos erscheint,
beurteilt sich aufgrund der Verhältnisse im Zeitpunkt des Gesuchs.
Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat die bedürftige Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand, soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist. Gilt in
einem Verfahren die Untersuchungsmaxime, so lässt dies die anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres
als unnötig erscheinen. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime allfällige Fehlleistungen der
Behörde nicht zu verhindern vermag, ist zu bedenken, dass sie nicht unbegrenzt ist. Sie verpflichtet die
Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen, die entscheidwesentlich sind, und
unabhängig von den Anträgen der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pflicht entbindet die Beteiligten
indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sachverhalt oder Bezeichnung von Beweisen am Verfahren
mitzuwirken. Somit kann auch in Verfahren wie dem vorliegenden, die vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht sind, eine anwaltliche Vertretung erforderlich sein.
Der Entscheid über die Verlängerung, Änderung oder Aufhebung dieser Schutzmassnahmen war für den
Beschwerdeführer von grosser Tragweite. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die Möglichkeit der
Wiedererwägung warfen zudem Rechtsfragen auf, denen der Beschwerdeführer als juristischer Laie nicht
gewachsen war. Dem Hinweis der Vorinstanz, die geltend gemachten sprachlichen Schwierigkeiten könnten
durch einen gerichtlich bestellten Dolmetscher behoben werden, kann nicht gefolgt werden. Ein Dolmetscher
vermag einen Rechtsbeistand, der juristisch ausgebildet ist und auch im Vorfeld des Verfahrens unterstützend tätig wird, nicht zu ersetzen.
BGer, 24. Sep. 2009,
BGE 1C_339/2008, E. 2.1.
Zeitpunkt der Beurteilung der
Aussichtslosigkeit
Die Beschwerdeführerin macht eine formelle Rechtsverweigerung geltend. Eine solche liegt vor, wenn eine
Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber entscheiden
müsste.
Die Vorinstanz hätte Anlass dazu gehabt, über den Antrag um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters zu befinden, nachdem sie zum Schluss gekommen war, der Beschwerdegegner könne nicht zur Zahlung
einer Prozessentschädigung an die Beschwerdeführerin verpflichtet werden und für eine Entschädigung aus
der Staatskasse nach § 12 GSG die gesetzliche Grundlage fehle. Indem die Vorinstanz das Gesuch der
Beschwerdeführerin um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes mitsamt ihrem Antrag um
Einräumung einer Nachfrist zur allenfalls erforderlichen Einreichung von Unterlagen zu den finanziellen
Verhältnissen nicht behandelt hat, hat sie eine formelle Rechtsverweigerung begangen und damit Art.
29 BV verletzt.
BGer, 16. Jan. 2009, BGE
1C_272/2008, E. 2.2.
Abkürzungen
ABl
BGE
BGG
BGer
BV
EMRK
GSG
KESB
VGr
VRG
ZGB
ZMG
Untersuchungsmaxime und
Notwendigkeit eines Rechtsbeistandes
Formelle Rechtsverweigerung
Amtsblatt des Kantons Zürich
in der amtlichen Sammlung publizierter Bundesgerichtsentscheid
Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz,), SR 173.110
Bundesgericht
Bundesverfassung vom 18. April 1999, SR 101
Konvention vom 4. Nov. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101
Gewaltschutzgesetz vom 19. Juni 2006, LS 351
Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959, LS: 175.2
Schweizerisches Zivilgesetzbuch, SR 210
Zwangsmassnahmengericht
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
§ 282 / 17
Kanton Zürich
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt
Kapitel 9
Kurzfassung
Nützliche Informationen
zu Häuslicher Gewalt
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Inhaltsverzeichnis, November 2013
Inhaltsverzeichnis Kapitel 9
Serviceteil, Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt
900
Serviceteil

901

Wichtige Zürcher Adressen
November 2013
902

Weiterführende Links
September 2011
903

Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme
November 2013
904

Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen
November 2013
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013
901 Wichtige Zürcher Adressen
Gewaltschutz (Kapitel 2 und 5)
Polizeinotruf 117
Anrufe aus der Stadt Zürich werden mit der
Notrufzentrale der Stadtpolizei Zürich verbunden.
Anrufe aus dem Kanton werden mit der Notrufzentrale der KAPO verbunden.
Anrufe aus der Stadt Winterthur werden mit
der Notrufzentrale der Stadtpolizei Winterthur
verbunden.
117
Kantonspolizei Zürich
Fachstelle Häusliche Gewalt
Postfach, 8021 Zürich
Fachstellenleiter Heinz Mora
Tel:
044 247 30 61 (Bürozeiten)
Fax:
044 247 21 45 ( täglich)
E-Mail: [email protected]
Stadtpolizei Zürich
Fachstelle Häusliche Gewalt
Fachgruppe Gewaltdelikte
Zeughausstrasse 31, 8004 Zürich
Fachstellenleiter Armin Schönenberger
Tel:
044 411 64 12 (Bürozeiten)
Fax:
044 291 51 36 (täglich)
E-Mail: [email protected]
Stadtpolizei Winterthur
Fachstelle Gewalt
Postfach 126, 8402 Winterthur
Fachstellenleiterin Frau Corinne Greuter
Tel:
052 267 64 69 (Bürozeiten)
Handy: 079 201 53 05
Fax:
052 267 65 27
E-Mail: [email protected]
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden
Eine Gefährdungsmeldung kann durch die
betreffende Person selbst oder durch
Angehörige, Nachbarn, Polizei oder von
anderen Personen bei der zuständigen KESB
im jeweiligen Bezirk eingereicht werden.
www.kesb-zh.ch
Beratungshilfe (Opferhilfe- und Gewaltschutzberatungen)
bif Beratungs- und
Informationsstelle
Stadt Zürich, Bezirke Dielsdorf,
Horgen, Meilen, Uster für
Gewaltschutzfragen
Frauenberatung sexuelle gewalt
Bezirke Affoltern und Dietikon für
Gewaltschutzfragen.
Frauen Nottelefon Winterthur
Bezirke Andelfingen, Bülach,
Hinwil, Pfäffikon, Winterthur für
Gewaltschutzfragen
Für Frauen, die von Häuslicher Gewalt betroffen sind, die physische und/oder psychische
Gewalt während oder nach Auflösung der
Ehe/Partnerschaft oder eingetragenen Partnerschaft erfahren.
Tel. 044 278 99 99
www.bif-frauenberatung.ch
Für Frauen, die von sexueller Gewalt betroffen
sind, mit Wohnsitz in der Stadt Zürich, den
Bezirken Affoltern, Dielsdorf, Dietikon, Horgen,
Meilen oder Uster
Tel. 044 291 46 46
www.frauenberatung.ch
Für Gewalt betroffene Frauen und weibliche
Jugendliche ab 14 Jahren (physische, psychische und sexuelle Gewalt), unabhängig von
der Art der Beziehung zum Täter oder zur
Täterin.
Tel. 052 213 61 61
www.frauennottelefon.ch
Für Frauen, die von sexueller Gewalt betroffen
sind, mit Wohnsitz in den Bezirken
Andelfingen, Bülach, Hinwil, Pfäffikon,
Winterthur
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
 901 / 1
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013
opferberatung zürich
Fachstelle der Stiftung Opferhilfe
Zürich
Für Frauen und weibliche Jugendliche, die
nicht von Partnergewalt, aber von Häuslicher
Gewalt durch andere Familienmitglieder oder
Verwandte betroffen sind (nicht primär sexuelle
Gewalt), mit Wohnsitz in der Stadt Zürich, den
Bezirken Affoltern, Dielsdorf, Dietikon, Horgen,
Meilen und Uster.
Für Männer und männliche Jugendliche, die
von Häuslicher Gewalt durch die Partnerin/den
Partner oder durch andere Familienmitglieder
betroffen sind, mit Wohnsitz im ganzen
Kanton.
Tel. 044 299 40 50
www.ohzh.ch
mannebüro züri Beratungs- und
Informationsstelle
für gefährdende Männer und Jugendliche.
Seit September 2010 Beratungen in
Winterthur, (jeweils Dienstag-Nachmittag/
Abend möglich).
Hohlstrasse 36, 8004 Zürich
Tel. 044 242 08 88
E-Mail: [email protected]
www.mannebuero.ch
Bewährungs- und Vollzugsdienste
für gefährdende Frauen.
Tel. 043 259 83 11
E-Mail: [email protected]
www.justizvollzug.zh.ch
Beratungshilfe (Opferschutzstellen)
Okey, Fachstelle für Opferhilfe
und Kinderschutz
Jugendsekretariat Winterthur
Tel. 052 266 90 09
Pikett-Telefon: 079 780 50 50 Kinderklinik
Kantonsspital Winterthur
Tel. 052 266 41 56
www.okey-winterthur.ch
Kinderschutzgruppe und
Opferberatungsstelle des
Kinderspitals Zürich
Tel. 044 266 76 46,
www.kinderschutzgruppe.ch
Castagna
Beratungsstelle für sexuell ausgebeutete
Kinder, weibliche Jugendliche und in der
Kindheit ausgebeutete Frauen.
Tel. 044 360 90 40
www.castagna-zh.ch
Mädchenhaus Zürich
Tel. 044 341 49 45
E-Mail: [email protected]
www.maedchenhaus.ch
schlupfhuus Zürich
Tel. 043 268 22 68
(auch Sorgentelefon für Kinder)
Beratung Tel. 043 266 22 66
E-Mail: [email protected]
www.schlupfhuus.ch
Allgemeine Beratungsstellen
Beratungsnotrufnummer für
Erwachsene
Tel. 143
www.143.ch
Beratungsnotrufnummer für Kinder sowie gratis SMS-Beratung.
und Jugendliche
Tel. 147
www.147.ch
FIZ Fraueninformationszentrum
für Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika
und Osteuropa.
Badenerstrasse 134
Tel. 044 240 44 22
www.fiz-info.ch
Infodona
Beratungsstelle für Migrantinnen und
Migranten, die in der Stadt Zürich wohnen.
Langstrasse 21
Tel. 044 271 35 00
www.stadt-zuerich.ch/infodona
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
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Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013
Beratungsstelle Frauenhaus
Zürcher Oberland
Beratungen auch per Mail.
Tel. 044 994 40 94
www.frauenhaus-zo.ch
E-Mail: [email protected]
Pinocchio
Beratungsstelle für Eltern und Kinder im
Vorschulalter (und Eltern).
Hallwylstrasse 29, 8004 Zürich
Tel. 044 242 75 33
E-Mail: [email protected]
www.pinocchio-zh.ch
Elternnotruf
Telefonische Elternberatung.
Ambulante Beratungsmöglichkeit ist kostenpflichtig.
Weinbergstrasse 135, 8006 Zürich
Tel. 044 261 88 66
E-Mail: [email protected]
www.elternnotruf.ch
Frauenhaus Zürich für Frauen
Tel. 044 350 04 04
www.frauenhaus-zhv.ch
Frauenhaus Winterthur
Tel. 052 213 08 78
www.frauenhaus-winterthur.ch
Frauenhaus Zürich Oberland
Tel. 044 994 40 94
www.frauenhaus-zo.ch
Projekt KidsPunkt Winterthur
Beratungsstelle für Stadt und Landgemeinden
des Bezirks Winterthur.
Tel. 052 266 90 48
Mobile 079 780 50 00 oder SMS
Projekt KidsCare Zürich
c/o Pinocchio Zürich
Beratungsstelle für die Stadt Zürich
(Stadtkreise 6,11,12 und Bezirk Horgen).
Tel. 044 240 41 08
E-Mail: [email protected]
Zürcher Fachstelle für
Alkoholprobleme ZfA
Die Zürcher Fachstelle berät, behandelt und
begleitet Menschen mit risikoreichem Alkoholund Medikamentenkonsum. Diverse Kursangebote.
Josefstrasse 91, 8005 Zürich
Tel. 043 444 77 00
www.zfa.ch
Sucht Info Schweiz
Gerichte, Staatsanwaltschaft, Statthalter, Betreibungsämter (Kapitel 3 - 5)
Bezirksgerichte des Kantons
Zürich
Gesamtverzeichnis aller Zürcher Bezirksgerichte.
Angabe der Öffnungszeiten für Beratungen.
www.gerichte-zh.ch
Friedensrichterämter
Gesamtverzeichnis aller FriedensrichterInnen
im Kanton Zürich. Notwendig für die Einleitung
selbständiger privatrechtlicher Schutzmassnahmen und für ordentliche Zivilprozesse.
www.friedensrichter-zh.ch
Zürcher Obergericht
Bezirke, Bezirksrat
Hirschengraben 13/15, 8001 Zürich
Tel. 044 257 91 91
www.gerichte-zh.ch/organisation
Adressen aller Bezirksräte.
Der Bezirksrat ist u.a. zuständig für Beschwerden gegen die Vormundschaftsbehörden.
Oberstaatsanwaltschaft Zürich
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
www.bezirke.zh.ch
Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich
Tel. 044 265 77 11
Fax 044 252 40 95
E-Mail: [email protected]
 901 / 3
Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013
Staatsanwaltschaften Zürich
Örtlich nach Amtskreisen eingeteilte
Staatsanwaltschaften, die alle Geschäfte der
Strafverfolgung Erwachsene bearbeiten, die
nicht in die Zuständigkeit der besonderen
Staatsanwaltschaften fallen.
Winterthur-Unterland
See-Oberland
Limmattal-Albis
Zürich-Limmat
Zürich-Sihl
Statthalter
Der Statthalter des Bezirks ist zuständig für die
Durchführung der ordentlichen Strafverfahren
bei Übertretungen, welche in seinem Gebiet
begangen wurden. Der Statthalter ist auch
zuständig für den Entzug ziviler Waffen, wenn
z.B. eine Dritt- oder Selbstgefährdung vorliegt.
www.bezirke.zh.ch
Stadtrichteramt Zürich
Das Stadtrichteramt hat auf dem Gebiet der
Stadt Zürich dieselbe Funktion wie der
Statthalter im Bezirks..
Gotthardstrasse 62, 8002 Zürich
Tel. 044 411 99 99
Öffnungszeiten: Mo - Fr 08.00 - 16.00 Uhr
Polizeirichteramt Winterthur
Der Winterthurer Polizeirichter hat dieselbe
Funktion wie der Bezirksstatthalter
Technikumstrasse 73, Postfach,
8402 Winterthur
Tel.: 052 267 50 93
Zentrale Inkassostelle der
Zürcher Gerichte
Ist zuständig für das Inkasso sämtlicher
Prozesskosten und weiterer Gebühren, die
durch einen Prozess entstehen.
Sie verschicken Rechnungen, Mahnungen und
auch Rückforderungen bei unentgeltlicher
Rechtspflege bzw. Verbeiständung. Auf
Rechnungen und Mahnungen muss reagiert
werden, wenn Ratenzahlungen oder weitere
Stundungen ausgewiesenermassen notwendig
sind.
Keine Homepage
Betreibungsamt
Adressen der Betreibungsämter. Sie sind auf
der Website des Betreibungsinspektorates
auffindbar, indem die Postleitzahl des
entsprechenden Ortes eingegeben werden
kann.
www.betreibungsinspektorat-zh.ch
Waffenhinterlegung
Logistikbasis der Armee
Angehörige der Armee können seit dem
1. Januar 2010 ihre persönliche Waffe ohne
Angabe von Gründen kostenlos bei einer
Retablierungsstelle (Zeughaus) hinterlegen.
Zeughaus Zürich, Retablierungsstelle
LBA, Uetlibergstrasse 113, 8045 Zürich
Tel. 044 465 41 11
Fax 044 451 12 90
Öffnungszeiten: 07:30 bis 16:30 Uhr
www.lba.admin.ch
Logistik-Center Hinwil
Zeughaus Zürich Oberland
Retablierungsstelle, Überlandstrasse 17,
Halle B/Trakt 1, 8340 Hinwil
Tel: 044 938 35 06
Fax: 044 938 35 81
Öffnungszeiten: 07:30 bis 11:45 und
13:30 bis 17:00 Uhr
Amt für Militär und Zivilschutz
Führungsstab der Armee FST A
Thurgauerstrasse 56
8050 Zürich-Oerlikon
Telefon: 044 257 92 39
Uetlibergstrasse 113, 8045 Zürich
Tel. 043 268 62 99
www.amz.zh.ch
Zuständig für definitiven Armeewaffenentzug.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
Papiermühlestrasse 20, 3003 Bern
Tel. 031 324 44 21 Auskunft Sekretariat
E-Mail: [email protected]
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Links zu Häuslicher Gewalt, September 2011 (Kurzfassung für Kapitel 1 und 2)
902 Weiterführende Links zu Häuslicher Gewalt
Links Allgemein (Kapitel 1)
Häusliche Gewalt im Kanton Zürich
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt
der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich. Informationen zu Häuslicher Gewalt
für Betroffene (mit Übersetzungen in mehrere
Sprachen), Manual für Fachleute, Weiterbildungshinweise.
www.ist.zh.ch
Fachstelle gegen Gewalt FGG
Fachstelle gegen Gewalt des Eidgenössischen
Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau.
Informationsblätter zu verschiedenen Aspekten
Häuslicher Gewalt und Stalking (mit Übersetzungen). Mit Toolbox zu Publikationen und Flyers
zum Thema.
www.against-violence.ch
www.ebg.admin.ch
Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich
Interessante Hinweise zu Gleichstellung und
Gewalt. Hinweise auf Veranstaltungen und Publikationen. Themen zu Häuslicher Gewalt in der
Stadt Zürich.
www.stadtzuerich.ch/gleichstellung
Kantonale Interventionsstellen der Schweiz
KIFS
Adressliste der Schweizer Interventionsstelle
www.ebg.admin.ch
AGAVA
AGAVA Arbeitsgemeinschaft gegen Ausnützung
von Abhängigkeitsverhältnissen:
Weiterbildungsveranstaltungen.
www.agava.ch
Elternnotruf
Hilfe für Eltern.
www.elternnotruf.ch
Stopp Gewalt
Informationen für Schulen und Eltern der Bildungsdirektion des Kantons Zürich.
www.bi.zh.ch
Fachstelle für Integrationsfragen
Informationen zur Migration, ausführliche Linkliste
zu Beratungsstellen.
www.integration.zh.ch
Rechtsfragen für Behinderte
Rechtsberatung für Behinderte, unentgeltliche
Beratung.
www.saeb.ch
Stalking
Forschungsprojekt zu Stalking, Universität Darmstadt.
www.stalkingforschung.de
Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter
in Zürich
Beratung und Unterstützung zu Fragen der Gewalt bei Betagten
www.uba.ch
Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und
Psychotherapie AGSP
Das FORUM ist die Internetzeitschrift des AGSP,
mit Artikeln, Forschungsresultaten, Neuigkeiten
etc. zu unterschiedlichen Fragen des Kindesschutzes.
www.agsp.de
Opferhilfestatistik
Bundesamt für Statistik. Verschiedene Statistiken
zu Opfer von Straftaten, Beratungsstatistik, Beziehung Opfer-Täter, Delikte, Entschädigungen
und Genugtuung
www.bfs.admin.ch
Eidgenössische Polizeistatistik
PublikationenBundesamt für Polizei, Polizeiliche
Kriminalitätsstatistik PKS
www.bfs.admin.ch
BigBerlin
BIG Koordinierung. Hilfe für Frauen und ihre
Kinder bei Häuslicher Gewalt.
www.big-koordinierung.de
4Uman
Für gewaltausübende Männer.
www.4uman.info
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Links zu Häuslicher Gewalt, September 2011 (Kurzfassung für Kapitel 1 und 2)
Links für Kinder und Jugendliche
147
Website von der pro Juventute für Kinder in Not.
Als Telefon 147 oder SMS sowie auf der Site sind
Anfragen (nicht anonymisiert) möglich.
www.147.ch
Lilli
Online-Beratung zu Sexualität, Verhütung und
sexueller Gewalt. Website für Kinder und Jugendliche. Fragen und Antworten sind anonym.
www.lilli.ch
LustundFrust
Fachstelle für Sexualpädagogik. Ein Angebot der
Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich und
der Zürcher Aids-Hilfe für Fachleute und Jugendliche
Langstrasse 21
8004 Zürich
www.lustundfrust.ch
Feelok (zu Gewalt)
Multithematische Website der schweizerischen
Gesundheitsstiftung RADIX für Jugendliche und
Fachpersonen zu allen Themen die Jugendliche
beschäftigen.
www.feelok.ch
mama.trinkt.ch / papa.trinkt.ch
Sucht Info Schweiz
Tschau
Antworten zu Themen aus dem Alltag Jugendlicher, zur Schule, Familie und Freundinnen. Veranstaltungshinweise. Pro Juventute
www.tschau.ch
Kantonspolizei - Häusliche Gewalt
Unter „Fachthemen“ finden sich Informationen zu
„Häuslicher Gewalt“ und „Stalking“ sowie die
wichtigen Kontaktadressen.
Generell werden die polizeilichen Aufgaben
vorgestellt. Das Organigramm mit den entsprechenden Kontaktpersonen und -adressen ist
hilfreich.
www.kapo.zh.ch
Stadtpolizei - Häusliche Gewalt
Informationen zur Stadtpolizei und deren Arbeit,
insbesondere zur Präventionsarbeit
www.stadt-zuerich.ch
Stadtpolizei Winterthur
Unter >online-Polizei Stichwort „Häusliche Gewalt“ sind Adressen und Informationen zur Häuslichen Gewalt
www.stapo.winterthur.ch
Institut für Rechtsmedizin
Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich,
wichtige Hinweise zum ärztlichen Vorgehen
www.irm.unizh.ch
Kantonale Opferhilfestelle
Gut strukturierte Website mit zahlreichen Informationen zur Opferhilfe, zur Stellung des Opfers
im Strafverfahren und Links vor allem auf die
Opfer-Beratungsstellen.
www.opferhilfe.zh.ch
Frauenberatungsstellen bei Gewalt
Übersicht und Links zu allen Zürcher Frauen- und
Kinderberatungsstellen sowie zu den Frauenhäusern.
www.frauengegengewalt.ch
Gewaltschutz (Kapitel 2)
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
 902 / 2
Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013
903 Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften,
Statistiken, Filme
Inhaltsübersicht:
A Literatur zu Häuslicher Gewalt
1. a. Allgemeine Literatur zu Häusliche Gewalt und den Folgen der Gewalt
b. Erfahrungsberichte
c. Filme
2. Partnergewalt, Opfer und Täter, Täterinnen
3. Kinder und Jugendliche im Kontext Häusliche Gewalt
4. Kinder und Jugendliche, die Gewalt ausüben (Elternmisshandlung, Gewalt in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen)
5. Häusliche Gewalt und Betagte (Gewalt im Alter, Gewalt pflegender Kinder)
6. Häuslicher Gewalt und Migration
B. Literatur und Gesetzesmaterialien zu Häusliche Gewalt und Rechtsfragen
1. Multinationale Verträge und ausländische Gesetzgebungen zu Häusliche Gewalt
2. Gewaltschutzrecht (zu Kapitel 2)
a. Aufsätze
b. Gesetzesmaterialien
3. Zivilrecht und Häusliche Gewalt (zu Kapitel 3)
a. Aufsätze
b. Gesetzesmaterialien
4. Kindesschutz und Häusliche Gewalt (zu Kapitel 4)
a. Aufsätze
b. Gesetzesmaterialien
5. Strafprozessualer und strafrechtlicher Schutz
a. Aufsätze
b. Allgemeine Kommentare zur StPO
c. Gesetzesmaterialien
6. Häusliche Gewalt und migrationsrechtliche Fragen
a. Aufsätze
b. Gesetzesmaterialien
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3.
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013
5.
Häusliche Gewalt im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen
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6.
Häusliche Gewalt und Migration
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Eidgenössische Fachstelle gegen Gewalt. Hrsg. (2009): Informationsblatt Häusliche Gewalt im
Migrationskontext. Bern.
FIZ Fraueninformationszentrum Hrsg. (2006): Champagner, Plüsch und prekäre Arbeit. Arbeits- und
Lebensbedingungen von Cabaret-Tänzerinnen in der Schweiz. FIZ. Zürich.
Frauenfragen 1/2005: Häusliche Gewalt und Migration. Bern.
Lanfranchi, Andrea (2011): Liebe und Gewalt in Migrationsfamilien - Problemtrance Kultur? In: Borst, Ulrike;
Lanfranchi, Andrea (Hrsg.): Liebe und Gewalt in nahen Beziehungen. Carl-Auer Verlag. Heidelberg.
Lanfranchi, Andrea (2009): Kompetenz statt Kulturalisierung. Ein mehrdimensionales Analysemodell für
Gewalt in Migrationsfamilien. Psychoskop 5/2009. S. 8 - 11.
Schröttle, Monika; Khelaifat, Nadia (2008): Gesundheit - Gewalt - Migration. Eine vergleichende
Sekundäranalyse zur gesundheitlichen und Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund
in Deutschland.
Schwertenleib, Marianne (2006): Begehrt aber unerwünscht. Illegalisierte Migrantinnen als Opfer von
Frauenhandel. In: Schweizerisches Rotes Kreuz SRK, Departement Migration (Hrsg.), Sans-Papiers in der
Schweiz. Unsichtbar - unverzichtbar. SRK. Zürich.
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Stahl, Judith (2006): Jugendliche mit Migrationshintergrund, Ansätze einer interkulturellen Sozialpädagogik.
Soziothek. Bern.
Terre des Femmes (2006): Unterrichtsmappe Zwangsheirat: Wer entscheidet, wen du heiratest? 3. Auflage.
Tübingen.
Widerspruch 59 (2010): Integration und Menschenrechte. Migration, Islam, Leitkultur, Citoyenneté,
Interkultur, Härtefallpraxix. Beiträge zu sozialistischer Politik. Heft 2/2010. Zürich.
B. Literatur und Gesetzesmaterialien zu Rechtsfragen bei Häuslicher Gewalt
1.
Multinationale Verträge und ausländische Gesetzgebungen zu Häuslicher Gewalt
Eidgenössische Fachstelle gegen Gewalt. Hrsg. (2010): Informationsblatt: Nutzen internationaler
Menschenrechtsinstrumente für die Arbeit im Bereich häusliche Gewalt in der Schweiz. Bern.
2.
Gewaltschutzrecht (Kapitel 2)
2a.
Artikel zum Gewaltschutzrecht
Büchler, Andrea; Michel, Margot (2011): Besuchsrecht und häusliche Gewalt. FamPra 2011, S. 525 – 552.
DuBois Jeanne; Vetterli, Rolf (2005): Häusliche Gewalt: erste Erfahrungen mit neuen Gesetzen. FamPra.
4/2004. S. 851-857.
Conne, Andreas; Kaspar, Plüss (2011): Gewaltschutzmassnahmen im Kanton Zürich. Agrenzung von
gewaltschutz-, zivil- und strafrechtlichen Massnahmen sowie Rechtsprechung zum Beweisrecht, zum
rechtlichen Gehör und zum Kontaktverbot gegenüber Kindern. In: Sicherheit & Recht. Dike Verlag. Zürich. S.
127 – 138.
Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF (2008): Häusliche Gewalt: eine Bestandesaufnahme, Frauenfragen 2/2009. Bern.
Gloor, Daniela; Meier Hanna (2001): Interventionen von Polizei und Justiz bei Anzeigen zu Gewalt im
sozialen Nahraum. Empirische Untersuchung zur Veränderungen in Basel-Stadt 1995-2000. FamPra 4/2001.
S. 651-675.
Konferenz der Städtischen Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren KSPD und dem Polizeidepartement der Stadt Zürich (Hrsg.) (2009): Häusliche Gewalt. Referate der Tagung vom
4. Sep. 2008. Schulthess. Zürich.
Kranich, Cornelia (2010): Rechtliche Interventionsmöglichkeiten. In: Fachstelle für Gleichstellung Stadt
Zürich: Häusliche Gewalt erkennen und richtig reagieren. Handbuch für Medizin, Pflege und Beratung. 2.
Überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 131 – 158.
Kranich, Cornelia; Vontobel, Eva (2008): Das neue Zürcher Gewaltschutzgesetz. FamPra 1/2008. S. 90107.
Kranich, Cornelia (2008): Gedanken zur Einführung und Implementierung eines Gewaltschutz-gesetzes (am
Beispiel des Kantons Zürich). Frauenfragen 6/2008. S. 56-59.
Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen Häusliche Gewalt: Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.
Impact. Luzern.
Schröder, Detlef; Berthel, Ralph (2004): Gewalt im Sozialen Nahraum. Eine erste Zwischenbilanz nach
Einführung des Gewaltschutzgesetzes. Band I. Verlag für Polizeiwissenschaften. Frankfurt.
Steiner, Silvia (2004): Häusliche Gewalt: Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien in der Stadt Zürich 1999-2001. Rüegger. Zürich, Chur.
Steiner, Silvia; Kranich, Cornelia (2009): Polizeiliche Interventionen gegen Häusliche Gewalt am Beispiel
des Kantons Zürich. Kriminalistik 2/2009. Seite 95-106.
2b.
Gesetzesmaterialien zum Gewaltschutzrecht (Kapitel 2)
Weisung des Regierungsrates vom 6. Juli 2005, ABl 2005. S. 761 – 792
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3.
Zivil- und Eherecht (Kapitel 3)
3a.
Artikel zum Zivil- und Eherecht
Büchler, Andrea (2010): Zivilrechtliche Aspekte der Ausgestaltung der elterlichen Kontakte zu Kindern in
Fällen von Trennung nach Häuslicher Gewalt. Gutachten. Zürich.
Büchler, Andrea; Vetterli, Rolf (2007): Ehe Partnerschaft Kinder. Eine Einführung in das Familienrecht
der Schweiz. Helbling und Lichterhahn. Basel.
Büchler, Andrea (2007): Zwangsehen in zivilrechtlicher und internationalprivatrechtlicher Sicht. Rechtstatsachen – Rechtsvergleich – Rechtsanalyse. FamPra 4/2007. S. 725-751.
Büchler, Andrea; Michel, Margot (2011): Besuchsrecht und Häusliche Gewalt. Zivilrechtliche Aspekte des
persönlichen Verkehrs nach Auflösung einer von häuslicher Gewalt geprägten Beziehung. FamPra
3/2011.
Büchler, Andrea; Gora, Justyna (2011): Eheschliessung in rechtsvergleichender Sicht. FamPra 1/2011.
S. 96-119.
Cottier, Michelle; Aeschlimann, Sabine (2010): Nichteheliche Lebensgemeinschaften (Cohabitation).
FamPra 1/2010. S. 109 -131.
Dahinden, Jeanine; Riaňo, Yvonne (2010): Zwangsheirat. Hintergründe, Massnahmen, lokale und
transnationale Dynamiken. Seismo. Zürich
Dolder; Mattias (2002): Das Informations- und Anhörungsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils
nach Art. 2785a ZGB. Dissertation Nr. 2576. Universität St. Gallen.
Fankhauser, Roland (2010): Das Scheidungsverfahren nach neuer ZPO. FamPra 2010/4. S. 753-784.
Fischbacher, Christian (2008): Stalking im Blickfeld des revidierten Persönlichkeitsschutzes (Art. 28b
ZGB). AJP/PJA 7/2006. S. 8008-8012.
Hrubesch-Millauer, Stephanie; Vetterli, Rolf (2009): Häusliche Gewalt: die Bedeutung des Artikels 28b
ZGB. FamPra 3/2009. S. 535-560.
Kantonales Sozialamt Zürich, Abteilung Öffentliche Sozialhilfe. Hrsg.(2010): Behördenhandbuch 1993 2009. Zürich. (Vollständig überarbeitete Neuauflage ist vorgesehen)
Leuzinger-Naef, Susanne (2011): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen
Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2009. FamPra 1/2011. S. 131-148.
Leuzinger-Naef, Susanne (2010): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen
Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2008. FamPra 1/2010. S. 132-144.
Leuzinger-Naef, Susanne (2009): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen
Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2007. FamPra 1/2009. S. 112-124.
Matefi, Gabriella (2003): Mediation bei Häuslicher Gewalt? FamPra 2/2003. S. 260-272.
Möckli, Urs Peter (2009): Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht im Jahr
2008. FamPra 3/2009. S. 672 – 690.
Möckli, Urs Peter (2008): Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht im Jahr
2007. FamPra 3/2008. S. 545 – 558..
Schwenzer, Ingeborg. Hrsg.(2011): Familienrechtskommentar Scheidung. Band I und II. 2. Auflage.
Stämpfli Verlag. Bern.
SKOS, Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (2011): Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung
der Sozialhilfe. Bern. (Das Zürcher Sozialhilfegesetz verweist zur Berechnung der Sozialhilfe auf diese
Richtlinien).
Umbricht Lukas, Barbara; Gloor, Urs (2010): Die Mediation in der Zivilprozessordnung. FamPra 4/2010.
S. 818-830.
Vetterli, Rolf (2010): Das Eheschutzverfahren nach der schweizerischen Zivilprozessordnung. FamPra
4/2010. S. 785-799.
Von Flüh, Karin (2009): Trau dich! Das gilt in der Ehe. Finanzen, Kinder, Partnerschaft – was Eheleute
wissen müssen. Beobachter-Buchverlag. Zürich.
Von Flüh, Karin (2010): Zusammen leben, zusammen wohnen. Was Paare ohne Trauschein wissen
müssen. 6. Aktualisierte Auflage. Beobachter-Buchverlag. Zürich.
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013
Zingg, Raphael (2008): Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen und Nachstellungen nach
Art. 28b ZGB, in: Jusletter 28. Juli 2008.
3b.
Gesetzesmaterialien zum Zivil- und Eherecht (Kapitel 3)
Scheinehen: Parlamentarische Initiative, Scheinehen unterbinden, Stellungnahme des Bundesrates vom
14. März 2008. Bundesblatt BBl 2008. S. 2481 – 2484.
Bericht vom 31. Jan. 2008 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates. Bundesblatt BBL 2008. S.
2467 – 2478.
Ergänzung des Persönlichkeitsrechts (Art. 28b ZGB):
Parlamentarische Initiative, Schutz vor Gewalt im Familienkreis und in der Partnerschaft.
Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. Aug. 2005. Bundesblatt BBl 2005.
S. 6871 – 6894.
Botschaft zur schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006. Bundesblatt BBl 2006. S. 6871 –
7412.
Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht, Änderung vom
19. Dezember 2008 (Gesetzestext), Bundesblatt BBl Nr. 1/ 2009. S. 141-200.
Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrech vom 28. Juni 2006. Bundesblatt BBl. Nr. 36 / 2006. S. 7001 – 7138.
4.
Kindesschutzrecht (Kapitel 4)
4a.
Artikel zum Kindesschutzrecht
AGAVA Arbeitsgemeinschaft gegen Ausnützung von Abhängigkeit (2007): Wenn Kinder Opfer von
Gewalt sind…. Referate der Fachtagung vom 16./17. Nov. 2007. Kongressreader. AGAVA. Zürich.
Arbeitsgruppe Kindsmisshandlungen (2002): Kindsmisshandlungen in der Schweiz. Bern.
Stellungnahme des Bundesrates vom 27. Juni 1995 zum Bericht Kindesmisshandlung in der Schweiz. In
BBl Jhg 147. Bd IV. S. 54 – 224.
Blum; Stefan; Cottier, Michelle; Migliazza, Daniela (2007): Anwalt des Kindes. Ein europäischer
Vergleich zum Recht des Kindes auf eigene Vertretung in behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Band
9 Schriftenreihe FamPra. Stämpfli Verlag. Bern.
Breithaupt, Esther; Alsaid, Munib (2003): Väter im Spannungsfeld von alten und neuen Erwartungen.
Anregungen für die Beratung von Migrantenfamilien aus dem Mittelmeerraum. Edition Soziothek.
Rubigen.
Cottier, Michelle (2006): Partizipation von Kindern im Verfahren. Ein rechtlicher und empirischer Vergleich
von Jugendstraf- und Kindesschutzverfahren. FamPra 4/2006. S. 823-844.
Eidgenössische Experten-Kommission über den Kinderschutz bei Kindesentführungen (2005):
Schlussbericht. Bern
Kinderschutz Zentrum Berlin (2009): Kindswohlgefährdung. Erkennen und Helfen. 11. überarbeitete
Auflage. Berlin.
Hegnauer, Cyril (1999): Grundriss des Kindesrechts. 5. überarbeitete Auflage. Stämpfli Verlag. Bern.
Heiliger, Anita (2007): Väter um jeden Preis. Forum. München.
Jametti Greiner, Monique (2008): Der neue internationale Kindesschutz in der Schweiz
(Kindsentführung). FamPra 2/2008. S. 277 – 308.
Kavemann, Barbara; Kreyssig, Ulrike (2007): Handbuch - Kinder und Häusliche Gewalt. 2. durchgesehene Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.
Müller-Rudolf von Rohr, Verena; Schmid, Lydia (2005): Soziale Arbeit im zivilrechtlichen Kindesschutz.
Edition Soziothek. Rubigen.
Pfister-Liechti, Renate; Heer, Marianne Hrsg. (2002): Das Kind im Straf- und Zivilprozess. Stämpfli. Bern.
Salgo, Ludwig (2006): Häusliche Gewalt und Umgang. ArbeitsGemeinschaft für Sozialberatung und
Psychotherapie AGSP. Internetforum 1/2006.
Schweizerische Stiftung des Internationalen Sozialdienstes SSI (2011): Ratgeber „Kindsentführung.
SSI. Zürich. [email protected].
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013
Schwenzer, Ingeborg (2005): Die elterliche Sorge - die Sicht des Rechts von aussen auf das Innen.
FamPra. 1/2005. S. 12-24.
Voll, Peter (2006): Vormundschaftsbehörden und Sozialdienste. Eine Untersuchung zur institutionellen
Kooperation im Kindesschutz. FramPra 2/2006. S. 262-285.
Weller, Cornelia (2007): Kindeswohl und Kindeswille in hochstrittigen Trennungs- und Scheidungssituationen. Edition Soziothek. Rubigen.
4b.
Gesetzesmaterialien zum Kindesschutz (Kapitel 4)
Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht) vom 28. Juni 2006. Bundesblatt Bbl 36/2006, S. 7001 – 7138.
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) Änderung vom
19. Dez. 2008. Bundesblatt Bbl 1/2009.S. 141 -200. (Gesetzestext, Inkraftsetzung per 1. Januar 2013)
5.
Strafprozessualer und strafrechtlicher Schutz (Kapitel 5)
5a.
Artikel zum Straf- und Strafprozessrecht
Bettermann, Julia; Feenders, Moetje (2004): Stalking - Möglichkeiten und Grenzen der Intervention.
Verlag Polizeiwissenschaft. Frankfurt.
Bommer, Felix (2006): Offensive Verletztenrechte im Strafprozess. Stämpfli. Bern.
Colombi, Roberto (2009): Häusliche Gewalt - Die Offizialisierung im Strafrecht am Beispiel der Stadt
Zürich. Schulthess. Zürich.
Eidgenössisches Büro für Gleichstellung, Bundesamt für Statistik (2006): Tötungsdelikte in der
Partnerschaft. Polizeilich registrierte Fälle 2000-2004. EBG. Bern.
Eidgenössische Fachstelle gegen Gewalt. Hrsg. (2010): Informationsblatt Tatmittel Schusswaffe. Bern.
Eidgenössische Fachstelle gegen Gewalt. Hrsg. (2011): Informationsblatt Rechtliche Beratung und
Vertretung bei häuslicher Gewalt gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Bern.
Egger, Therese (2008): Beratungsarbeit und Anti-Gewalt-Programme für Täter und Täterinnen Häuslicher
Gewalt in der Schweiz. EBG. Bern. Mit Kurzfassung.
Frei, Mirjam Annika ((2010): Der rechtlich relevante Kausalzusammenhang im Strafrecht im Vergleich mit
dem Zivilrecht. Schulthess Verlag. Zürich.
Gomm, Peter; Zehntner, Dominik (2009): Opferhilfegesetz. 3. Überarbeitete Auflage. Stämpfli. Bern.
Hoffmann, Jens; Wondrak, Isabel (2006): Häusliche Gewalt und Tötung des Intimpartners. Prävention
und Fallmanagement. Verlag für Polizeiwissenschaft. Frankfurt.
Jesionek, Udo; Hilf, Marianne (2006): Die Begleitung des Verbrechensopfers durch den Strafprozess.
Studienverlag GmbH. Innsbruck.
Logar, Rosa; Rösemann, Ute; Zürcher, Urs (2002): Gewalttätige Männer ändern (sich). Rahmenbedingungen und Handbuch für ein soziales Trainingsprogramm. Haupt. Bern, Stuttgart, Wien.
Mayer, Klaus (2002): Partnerschaft ohne Gewalt – Informationen zum deliktorientierten Lernprogramm für
Männer, die in Partnerschaft Gewalt ausüben. Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich. Zürich.
Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen Häusliche Gewalt: Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.
Interact. Luzern.
Pelikan, Christa; Hösch, Bernhard (1999): Die Wirkungsweisen strafrechtlicher Massnahmen bei
Gewalttaten in Paarbeziehungen. Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. Wien.
Pfister-Liechti, Renate; Heer, Marianne (2002): Das Kind im Straf- und Zivilprozess. Stämpfli. Bern.
Rae, Sarah-Joy (2009): Tatort Familie – strafrechtliche Delikte im Kreis der Familie und in der Partnerschaft. FamPra 3/2009. S. 579-604.
Sachs, Josef (2009): Umgang mit Drohungen; vom Telefonterror bis Amoklauf. Orell Füssli Verlag. Zürich.
Scheidegger, Alexandra (2006): Minderjährige als Zeugen und Auskunftspersonen im Strafverfahren.
Schulthess. Zürich.
Schwander, Marianne (2010): Das Opfer im Strafrecht. Aktuelles und potenzielles Opfer zwischen Recht,
Psychologie und Politik. Haupt Verlag. Bern.
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013
Steiner, Silvia (2004): Häusliche Gewalt: Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien in der Stadt Zürich 1999-2001. Rüegger. Zürich, Chur.
Weishaupt, Eva (1998): Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Opferhilfegesetzes (OHG), unter
besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Zürcher Verfahrensrecht. Schulthess. Zürich.
Weishaupt, Eva (2004): Die Schweigepflicht nach Art. 4 OHG unter besonderer Berücksichtigung des
Vorentwurfs. In: Bundesamt für Justiz (Hrsg.): Opferhilfe in der Schweiz, Erfahrungen und Perspektiven.
Haupt. Bern.
Weishaupt, Eva (2008): Die Ansprüche des Opfers im Adhäsions- und im Opferhilfeverfahren. In:
Fellmann, Walter; Weber, Stephan (Hrsg.): Haftpflichtprozess. Have. Zürich. S. 113 – 162. ff.
Wyss Sisti, Esther (2008): Strafprozessordnung. Die Rechte der Opfer. Plädoyer 1/2008. S. 34-39.
Zoder, Isabel; Maurer, Gabriela (2006): Tötungsdelikte. Fokus Häusliche Gewalt - Polizeilich registrierte
Fälle 2000-2004. Bundsamt für Statistik. Neuchâtel.
5b.
Gesetzesmaterialien zum Straf- und Strafprozessrecht
Strafprozessordnung: Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dez. 2005. BBl
2006. S. 1085-1576.
Offizialisierung: Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 28. Okt. 2002.
BBl 2003. S. 1909-1936. Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Feb. 2003. BBl 2003. S. 1937-1943.
6.
Migrationsrecht
6a.
Artikel zum Migrationsrecht
Bertschi, Susanne (2009): Berücksichtigung Häuslicher Gewalt in der aufenthaltsrechtlichen Praxis.
FamPra 3/2009. S. 605-611.
Dubacher, Claudia; Reusser, Lena (2011): Häusliche Gewalt und Migrantinnen. Schweizerische
Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht. Bern.
Frauenfragen 1/2005: Häusliche Gewalt und Migration. Bern.
Morais, Julia (2011): Chancen und Grenzen von Integrationsvereinbarungen. Erste Erfahrungen eines
Schweizer Pilotprojekts. SIAK - Journal. Zeitschrift für Polizeiwissenschaften und polizeiliche Praxis
1/2011. Bundesministerium für Inneres. Wien. S. 16-26.
Müller, Jörg Paul (2006): Menschenrechte und Grundrechte für alle. In: Schweizerisches Rotes Kreuz
SRK, Departement Migration (Hrsg.): Sans-Papiers in der Schweiz. Unsichtbar - unverzichtbar. SRK.
Zürich.
Schefer, Markus; Šmid, Nicole (2006): Drohende häusliche Gewalt als Hindernis der Ausweisung und
Auslieferung im Rahmen von Art. 3 EMRK. Gutachten Universität Basel. Asyl 2007. S. 1. 3-16.
Schwertenleib, Marianne (2006): Begehrt aber unerwünscht. Illegalisierte Migrantinnen als Opfer von
Frauenhandel. In Schweizerisches Rotes Kreuz SRK, Departement Migration (Hrsg.), Sans-Papiers in der
Schweiz. Unsichtbar – unverzichtbar. SRK. Zürich.
Spescha, Marc (2010): Die familienbezogene Rechtsprechung im Migrationsrecht (FZA/AuG/EMRK) ab
September 2009 bis Ende August 2010. FamPra 4/2010. S. 857-882.
Spescha, Marc (2009): Die familienbezogene Rechtsprechung im Migrationsrecht
(ANAG/AuG/FZA/EMRK) ab August 2008 bis Ende August 2009. FamPra 4/2009. S. 991-1011.
Spescha, Marc (2007): Migrationsabwehr im Fokus der Menschenrechte. Dike. Zürich.
Spescha, Marc; Thür, Hanspeter; Zünd, Andreas; Bolzli, Peter (2008): Kommentar zum Migrationsrecht.
Orell Füssli Verlag. Zürich.
Spescha, Marc (2008): Lichtblicke im Dunkel des Ausländerrechts. Plädoyer 2/2008. S. 30-33.
Übersax, Peter; Münch Peter; Geiser, Thomas; Arnold, Martin (2008): Ausländerrecht. Helbling und
Lichtenhahn. Basel
Widerspruch 51 (2006): Migration, Integration und Menschenrechte. Beiträge zu sozialistischer Politik.
Heft 1/2006. Zürich.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013
6b.
Gesetzesmaterialien zum Migrationsrecht
Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002. BBl 2002,
S. 3709-3850.
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013
904 Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen
Bundesgesetze, Staatsverträge
Die aktuelle Version der Staatsverträge und der Bundesgesetze kann unter www.admin.ch > Gesetzgebung > Systematische Sammlung (SR) abgerufen werden. Mit Hilfe der SR-Nummern können die entsprechenden Gesetze rasch gefunden werden. Die Bundesgesetze sind alle auf Deutsch, Französisch und
Italienisch, einzelne auch auf Englisch verfügbar.
AHVG
Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom 20. Dezember 1946, SR 831.1
ATSG
Bundesgesetz über den Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober
2000, SR 830.1
AuG
Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG) vom
16. Dezember 2005, SR 142.2
AVIG
Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und
die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG), SR 837.0
BetmG
Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) vom 3. Oktober 1951, SR 812.121
BGG
Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) vom 17. Juni 2005,
SR 173.100
BGIAA
Bundesgesetz über das Informationssystem für den Ausländer- und den Asylbereich
(BGIAA) vom 20. Juni 2003, SR 142.51
BG-KKE
Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum
Schutz von Kindern und Erwachsenen vom 21. Dezember 2007, SR 211.222.32
BüG
Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer
Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG), SR 141.0
CEDAW
(Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women)
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, abgeschlossen am 18. Dezember 1979, in Kraft getreten für die Schweiz am 26. April 1997, SR 0.108
ELG
BG über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
vom 6. Oktober 2006, SR 831.30
EMRK
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK vom 4. Nov.
1950, SR 0.101
EÜ
Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts vom
20. Mai 1980, Inkraftsetzung 1. Januar 1984, SR 0.211.230.01
FamZG
Bundesgesetz über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz) vom 24. März 2006,
SR 836.2
FZA
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit.
Abgeschlossen am 21. Juni 1999, von der Bundesversammlung genehmigt am 8. Oktober
1999, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 16. Oktober 2000
In Kraft getreten am 1. Juni 2002, SR 0.142.112.681
GgV
Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV), SR 831.232.21 (mit
Anhang „Liste der Geburtsgebrechen“)
HKsÜ
Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung,
Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der
Massnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996; Inkraftsetzung 1. Juli 2009,
SR 0.211.231.011
HKÜ
Haager Kindesentführungsübereinkommen HKÜ: Haager Übereinkommens vom 25.
Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung,
Inkraftsetzung 1. Januar 1984, SR 0.211.230.02
IPRG
Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987,
SR 291
IST Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt des Kantons Zürich www.ist.zh.ch
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Kapitel 9: Nützliche Informationen zu Häuslicher Gewalt, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013
IVG
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) vom 19. Juni 1959, SR 831.20
KRK
Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtskonvention) vom 20.
November 1989; In Kraft getreten für die Schweiz am 26. März 1997, SR 0.107
KVG
Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung, SR. 832.10
KLV
Krankenpflege-Krankenleistungsverordnung (KLV) vom 29. Sept. 1995, SR 832.112.31
MSA
Haager-Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende
Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961,
Inkraftsetzung am 4. Feb. 1969, SR 0.211.231.01
MG
Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung vom 3. Feb. 1995, SR 510.10
MStGB
Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 1927, SR 321.0
OHG
Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten
(Opferhilfegesetz, OHG), SR 312.5
OHV
Opferhilfeverordnung, OHV vom 27. Februar 2008, SR 312.5.1
OR
Obligationenrecht, SR 220
PartG
Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, SR 211.231
StGB
Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0
StPO
Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, SR. 312.0
SVG
Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG), SR 741.01
UNO Pakt II
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, abgeschlossen in New York
am 16. Dezember 1966, in Kraft getreten für die Schweiz am 18. September 1992,
SR 0.103.2
VIntA
Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern
(VIntA) vom 24. Oktober 2007, SR 142.205
VOSTRA
Verordnung über das Strafregister vom 29. September 2006, SR 331
VO
Kinderschutz
Verordnung über Massnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie zur
Stärkung der Kinderrechte vom 11. Juni 2010, SR 311.039.1
VPPA
VO über die persönliche Ausrüstung der Armeeangehörigen vom 5. Dez. 2003,
SR 514.10
VVG
Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) vom
2. April 1908 (Stand am 1. Januar 2011), SR 221.299.1.
VZAE
Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit
(VZAE) vom 24. Oktober 2007, SR 142.201
WG
BG über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) vom 20. Juni 1997,
SR 514.14
ZGB
Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210
Gesetze des Kantons Zürich, LS
Alle Zürcher Gesetze können unter www.zhlex.ch > „Loseblattsammlung“ (LS) abgerufen werden. Die
Ordnungsnummer erleichtert das Auffinden.
Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010, LS 251.3
EG OHG
Einführungsgesetz zum Opferhilfegesetz vom 25. Juni 1995, LS 341
EG FamZG
Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Familienzulagen vom 19. Januar 2009.
LS 836.1
EG KESR
Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht voom 26. Juni 2012, LS
232.3
EG ZGB
Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911, LS 230.0
GebV OG
Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010, LS 211.11
GesG
Gesundheitsgesetz vom 2. April 2007, ZH, LS 810.1
GOG
Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess
vom 10. Mai 2010, LS 211.1
IDG
Gesetz über die Information und den Datenschutz vom 12. Februar 2007, LS 170.4
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JHG
Gesetz über die Jugendhilfe(Jugendhilfegesetz) vom 14. Juni 1981, LS 852.1
JHV
Verordnung zum Jugendhilfegesetz vom 21. Oktober 1981, LS 852.11
SHG
Sozialhilfegesetz vom 14. Juni 1981 LS 851.1
SHV
Verordnung zum Sozialhilfegesetz vom 21. Oktober 1981, LS 851.11
PolG
Polizeigesetz vom 27. April 2007, LS 550.1
POLIS VO
Verordnung über das Polizei-Informationssystem vom 13. Juli 2005, LS 551.103
StJVG
Straf- und Justizvollzugsgesetz vom 19. Juni 2006, LS 221
VRG
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959, LS 175.2
VSG
Volksschulgesetz vom 7. Februar 2005, LS 412.100
VSM
Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen vom 11. Juli 2007,
LS 112.103
VSV
Volksschulverordnung vom 28. Juni 2006, LS 412.101
WafVO
Waffenverordnung vom 16. Dezember 1998
WOSTA
Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft zum Vorverfahren
Diverses
ABl
Amtsblatt des Kantons Zürich
Abs.
Absatz
AJB
Amt für Jugend- und Berufsberatung der Bildungsdirektion des Kantons Zürich
Art.
Artikel
BBl
Bundesblatt, publiziert auf www.admin.ch
BFM
Bundesamt für Migration
BG
Bundesgesetz
BGE
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
BGer
Bundesgerichtsentscheide, publiziert auf www.bger.ch
Bst.
Buchstabe
BSV
Bundesamt für Sozialversicherung
D-VRAG
The Domestic Violence Risk Appraisal Guide
EGRM
Europäischer Menschenrechtsgerichtshof
f.
und der Folgende
ff.
und die Folgenden
FFE
Fürsorgerische Freiheitsentziehung (bis 31. Dez. 2012), neu FU
FU
Fürsorgerische Unterbringung
i.V.
in Verbindung mit
IRM
Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich
IST
Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt
JUV
Amt für Justizvollzug
KAPO
Kantonspolizei Zürich
KESB
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
KIZ
Kriseninterventionszentrum
kjz
Kinder- und Jugendhilfezentren
KRISTA
Kriminalstatistik der Zürcher Polizeicorps (durch PKS ab 2009 abgelöst)
lit.
litera
LS
Zürcher Gesetzessammlung (ZH-Lex), Loseblattsammlung
LSTA
Leitende Staatsanwältin, Leitender Staatsanwalt
m.E.
meines Erachtens
MA
Migrationsamt des Kantons Zürich
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ODARA
Ontario Domestic Assault Risk Assessment
OSTA
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
PCL-R
Hare Psychopathy Checklist-Revised
PE
Prozessentschädigung
PKS
Eidgenössische Polizeikriminalstatistik
POLIS
Polizei Informationssystem
PPD
Psychiatrisch-Psychologischer Dienst
PUK
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
PV
Postvention
RRB
Beschlüsse des Regierungsrates des Kantons Zürich
SR
Systematische Sammlung des Bundesrechts; www.admin.ch/ch/d/sr/sr.html
STA
Staatsanwaltschaft
STAPO
Stadtpolizei Zürich
VB
Vormundschaftsbehörde (bis 31. Dez. 2012)
VG
Verfügung
VGer
Entscheide des Zürcher Verwaltungsgerichts, publiziert auf www.vger.ch
VO
Verordnung
WINPO
Stadtpolizei Winterthur
WS
Wohnsitz
ZMG
Zwangsmassnahmengericht
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