GESTRANDET

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GESTRANDET
REISE
SCHÖN
GESTRANDET
Weißer Sand und klares Wasser – auf Sardinien gibt es reihenweise
traumhafte Buchten. Doch welcher Strand ist der perfekteste?
Wir haben uns auf die Suche gemacht. Und einige Favoriten entdeckt
Wild und romantisch: Sardinien ist
für seine ursprüngliche Natur berühmt
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REISE
K
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apitän Pietro Romdino, 40 Jahre
alt, lehnt sich auf das Steuerrad
seines Schiffes und blinzelt der
aufgehenden Sonne entgegen.
Sein weißes Uniformhemd strahlt im
Morgenlicht, seine Haut ist tief gebräunt, in den Augenfältchen beinahe
schwarz. Im Gegenlicht ist eine Inselgruppe zu erkennen: Felshaufen am
Horizont. Die Brise, die das Steuerhaus
von Romdinos Schiff streift, riecht nach
Salz und Diesel. „Wo der schönste
Strand Sardiniens liegt? Da hinten!“
Romdinos Hand deutet über das Wasser,
auf dem sich die Sonnenstrahlen brechen. „Und da!“ Er zeigt auf einen weißen Sandstreifen vor einem Kiefernwäldchen. „Und da. Und da!“ Sein Finger schnellt in alle Richtungen, dann
stimmt er ein bellendes Lachen an, während sich sein Schiff langsam aus dem
Hafen von Palau schiebt. „Hier gibt es
die besten Strände der Welt, du bist
schließlich auf Sardinien.“
Romdino ist Kapitän auf der „Agatha“,
einer Fähre mit orangefarbenem Rumpf,
die täglich siebzehnmal zwischen dem
sardischen Festland und der vier Kilometer entfernten Inselgruppe La Maddalena pendelt, einem Nationalpark wie
aus dem Urlaubskatalog: 62 Inselchen,
manche mit Pinien bewachsen und
mehrere Quadratkilometer groß, andere so winzig, dass sie gerade mal als Terrasse für eine Handvoll Möwen taugen.
Flamingos fliegen
über das Meer
„Den herrlichsten Strand Sardiniens finden? Das kann dauern“, spottet Romdino weiter. Und recht hat er, denn Sardiniens Küste ist 2000 Kilometer lang,
die gesamte Insel größer als das Bundesland Hessen, und ihre rund anderthalb
Millionen Bewohner sind sich in einem
Punkt einig: Der Strand vor ihrer Haus-
tür ist natürlich der allerschönste. Jeder
kennt eine Bucht – auf Italienisch „Cala“ –, die er für die beste, für die windgeschützteste, für die mit der grandiosesten Bar hält.
Das sehen Francesca Capobianco, 72,
und ihr Mann Domenico, 70, genauso.
120 Kilometer westlich der Route von
Kapitän Romdino stehen sie im Wasser
einer winzigen Bucht. Das Rentnerpaar
hat sich die Hosenbeine hochgekrempelt. Sie staksen über Felsen, klauben
Seeigel vom Meeresgrund, als sammelten sie Kartoffeln von einem Feld. „Der
beste Strand?“ Domenico Capobianco
kratzt sich seinen grauen Dreitagebart,
spaltet mit seinem Messer einen Seeigel
und schaufelt sich den Inhalt in den
Mund. „Für uns ist dieser Abschnitt hier
das schönste Stück der Küste. Denn das
Wasser ist auf einer Länge von 30 Kilometern so klar, dass man frisch gefangene Seeigel und Muscheln essen kann.
Drei Buchten weiter gibt es einen π
Über dem kleinen Hafen thront die mittelalterliche Burg von Castelsardo
Das Trachtenfest „Sagra della Madonna dei Martiri“ findet Anfang Juni in Fonni statt, einem Dorf im Inselinneren
In die malerische Bucht Cala Goritze kommt man nur zu Fuß oder mit einem Boot
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braucht man ein Schiff. Oder gute Wanderstiefel. Eine der schönsten Buchten
ist die Cala Goloritze. So traumhaft, dass
sie es schon in die Kataloge der großen
Modefirmen geschafft hat – Bikinis vor
der perfekten Kulisse. Rund zweieinhalb
Stunden fährt man die Küste von der
Hauptstadt Cagliari im Süden Richtung
Norden bis Baunei. Vom Parkplatz in
Il Golgo geht es einen steilen Wanderweg hinunter.
Yachten ankern
vor den Buchten
Die roten Felsen von Arbatax an der Ostküste Sardiniens gelten als Wahrzeichen der Insel
Sandstrand, und außerdem …“, der grauhaarige Domenico macht eine Pause
und lässt seine Hüften kreisen, „… außerdem habe ich hier mit meiner Frau
das erste Mal Liebe gemacht.“ Die Angesprochene verdreht die Augen und öffnet einen weiteren Seeigel.
Die Sarden lieben ihre schneeweißen
Badebuchten – und sie haben auch
allen Grund dazu: Wenn einmal im Jahr
der italienische Umweltverband „Lega
Ambiente“ seine Noten vergibt, gehen
bei den Inselbewohnern die Mundwinkel hoch. Allein 14 Orte an Sardiniens
Küste wurden im letzten Jahr für ihr
sauberes Wasser ausgezeichnet. Einer
davon ist der von Porto Pino an der Südspitze Sardiniens. „Da glaubst du, du
bist im falschen Film, oder?“ Alessandro
Marongiu imitiert den typischen Blick,
den ihm die Touristen zuwerfen, wenn
er ihnen die Bucht zeigt. Weil nichts an
diesem Strand nach Italien aussieht.
Florida vielleicht – aber Italien?
Ein Schwarm Flamingos hat die Lagune, die hinter dem Strand beginnt, vor
wenigen Augenblicken verlassen, jetzt
schweben die Vögel in der Mittagshitze
wie rosafarbene Papierflieger. Doch der
16-Jährige hat dafür keine Augen, er
steht auf einer elf Meter hohen Düne,
seine Füße stecken in den Schlaufen seines Snowboards. Kurz verlagert er das
Gewicht, dann rauscht er samt seinem
Board den festen beigefarbenen Sandberg hinunter. Hinab zum Meer. Auf
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Schnee ist er noch nie gefahren, immer
nur auf Sand, in Namibia und hier in
den Dünen seiner Heimat. „Sardinien
vereint auf kleinem Raum so viel. Berge
und grüne Täler wie in der Schweiz,
Luxusbadeorte an der Costa Smeralda,
Beachlife wie hier bei uns vor der Haustür“, sagt seine Mutter, während ihr
Sohn die Düne für eine zweite Fahrt
hinaufstapft.
Die Strände der Westküste oder die breiten Sandbuchten im Golf von Olbia im
Osten – sie alle liegen meist nur zwei,
drei Gehminuten von den Küstenstraßen entfernt. Doch für die ganz besonderen Orte, die einsamen Buchten,
Die Luft flimmert über Steineichen und
den verlassenen Schäferhütten in den
Fels-Nischen. Das Knirschen der Schritte mischt sich mit dem Bimmeln von
Kuhglocken. Und dann, nach einer
guten Stunde, liegt sie vor einem, die
Cala Goloritze. Wasser so hellblau wie
in der Karibik, Sand so gleißend weiß,
dass man die Sonnenbrille auf die Augen schiebt. Eine Wandergruppe aus
Spanien hat sich in den Sand plumpsen
lassen. Ein paar Schweden sind durch
das Wasser zu einem der Felsen geschwommen und sonnen sich auf den
grauen Steinen.
Alle paar Stunden tauchen vor der kleinen Bucht Yachten auf, um hier zu ankern und die Ruhe zu genießen. Sie sind
von der Nordspitze Sardiniens herabgesegelt, von der Costa Smeralda, aus dem
Hafen von Porto Cervo. Der kleine Ort
ist das Saint Tropez und das Monte π
Katholische Feiertage begehen die Sarden mit aufwendigen Prozessionen durch ihre Dörfer
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Carlo Sardiniens. Alles in einem – und
von allem zu viel. Das Glas Prosecco
kostet zehn Euro, die Häuser sehen
aus wie ein Freizeitpark für Superreiche: leblos, glatt renoviert. Sogar die
Stromkästen wurden für die Touristen
in Terracotta-Farben überpinselt und
mit Dachziegeln beklebt. Eine Kunstwelt, geschaffen für die Yachtbesitzer
und die Fahrer der großen Geländewagen, die hier Urlaub machen.
Ein Steg im
türkisen Wasser
Anderthalb Autostunden weiter Richtung Norden taucht wieder der Hafen
von Palau auf, von dem aus Kapitän
Romdino seine Fähre zu den La-Maddalena-Inseln schippert. Wieder steht man
neben dem Kapitän, das Schiff gleitet
aufs Meer. Noch ein Versuch: Wo liegt
nun der perfekte Strand, Capitano Romdino? „Probier es auf Caprera, von der
Anlegestelle aus zehn Autominuten
über die Brücke.“
Die Brücke – das ist ein schmaler Damm,
auf dem sich Vespas und Mountainbikes
aneinander vorbeidrängen. Das Auto
ruckelt hinüber und fährt dann in den
Schatten der Waldstraßen. Caprera war
bis ans Ende des 18. Jahrhunderts unbewohnt, jetzt kommen zwar jeden Sommer die Touristen, im Frühling aber ist
die Insel nahezu verlassen. Den Wagen
Die Dünen von Piscinas, ein paar Kilometer hinter Porto Pino im Süden, sind bis zu 40 Meter hoch
parken, mit der Badetasche zwischen
Sträuchern hinab – Punta Galera heißt
die felsige Bucht, die man nach zehn Minuten erreicht. Ein Steinsteg führt in
das türkise Wasser. Man blickt zurück,
und dann liegt er plötzlich rechterhand
vor einem: makellos, umgeben von schulterhohen Felsen. Fünf mal drei Meter ist
dieser Strich aus puderfeinem Sand.
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Man muss zu ihm hinüberschwimmen,
die Kleider auf dem Kopf balancierend.
Die flachen Wellen, die den Strand erreichen, wirken so klar wie aus Glas. Von
Weitem hört man die Fähre von Kapitän
Romdino hupen, dann verweht der
Wind das Geräusch. Fort vom perfekten
x
Strand, aufs offene Meer.
YORK PIJAHN
FOTOS: Morandi/Le Figaro Magazine/laif (6), Bruno Morandi/hemis.fr/laif · KARTE: Merian-Kartographie
Infos für Ihre Reise
Anreise: TuiFly fliegt von Hamburg und
München ab 88 Euro nach Olbia oder Cagliari und zurück (www.tuifly.com).
Mietwagen gibt es zum Beispiel bei Autoeurope am Flughafen von Olbia oder Cagliari. 14 Tage kosten rund 300 Euro (Tel. 0 89/
2 44 47 35 00, www.autoeurope.de).
Übernachten: Tortoli: Das „Stanze di Patika“ wirkt von außen wie ein Wohnhaus. Von
innen ist es eine geschmackvolle Pension
mit bunt gestrichenen Zimmern, Balkonen
und modernen Bädern. DZ pro Nacht ab
70 Euro (www.lestanzedipatika.it).
Alghero: Das Bed and Breakfast „Nidi della
Poiana“ liegt in einem Olivenhain oberhalb
von Alghero. Vom Außenpool sieht man
das Meer, das man in rund sieben Minuten
mit dem Auto erreicht. DZ ab 90 Euro
(www.nididellapoiana.it).
San Pantaleo: Im „Hotel Sant’Andrea“ kann
man an der Costa Smeralda wohnen, ohne
viel Geld ausgeben zu müssen. Das
Haus ist familiengeführt, mit Pool und
schönen, hellen Zimmern. Herrlicher Blick
auf das Bergpanorama. DZ ab 55 Euro
(www.giagonigroup.com).
Essen & Trinken: Tortoli: Im Fischrestaurant
„Da Lenin“ werden hervorragende „Pasta
bottarga“ und frischer Fisch serviert. Auf der
Weinkarte finden sich nur sardische Tropfen. Beliebtes Lokal bei Einheimischen. Via
San Gemiliano 19.
Alghero: Das „Sa Mandra“ ist eines der besten Agritourismi (Bauernhofrestaurants) der
Insel. Das Essen dauert immer mindestens
zwei Stunden, dafür gibt es viele Gänge,
darunter hausgemachte Pasta, Salami aus
eigener Herstellung und selbst gebackene
Kekse. Strada Aeroporto Civile Pod. 21.
Die Agriturismi, Bauernhöfe, in denen es
Essen aus eigener Produktion gibt, haben in
der Regel das beste Essen. Spezialitäten der
Insel sind:„Malloreddus“,kleine Gnocchi mit
Wildschwein, und die Pasta mit „bottarga“,
einem salzigen, getrockneten Fischrogen –
die sardische Variante des Kaviars. Hausgemacht sind auch die harten oder weichen
Pecorino-Käse aus Ziegenmilch.
Tipp: Viele Strände, wie zum Beispiel die
Cala Goloritze an der sardischen Ostküste,
erreicht man nur zu Fuß. Oder mit dem Boot:
zum Beispiel von Santa Maria Navarrese aus,
einer Stadt nördlich von Arbatax. Das Ticket
kostet 15 Euro. Das Schiff fährt Gäste für ein
paar Stunden zu den Buchten. Die letzten
Meter muss man – zumindest im Fall von
Goloritze – allerdings schwimmen.
Wandern: Auf Sardinien kann man hervorragend wandern. Der Reiseveranstalter La Kooperativa organisiert entsprechende Wanderund Genussreisen entlang der
Costa Smeralda, ins Hinterland
oder an der Westküste rund um
Alghero. Außerdem bietet der Veranstalter spezielle Heilkundereisen und Übernachtungen in besonderen Unterkünften wie etwa
dem Wohnhaus des Liedermachers Fabrizio De André oder in
Stadthäusern mit Dachterrasse in
Borsa (www.lakooperativa.de).
Reisezeit: Sardinien ist im Frühling am schönsten. Ab Anfang Mai
ist die Insel grün, auch wenn das
Wasser dann noch ziemlich kühl
ist. Ab Juni beginnt die Zeit für
einen Badeurlaub. Bei gutem
Wetter wandern kann man auf
Sardinien noch im November.
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