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Musik &Bildung Praxis Musikunterricht www.musikpaedagogik-online.de Erschienen im Heft Musik & Bildung spezial "Wert der Kreativität" Mehr zur Zeitschrift "Musik & Bildung" finden Sie unter: www.musikpaedagogik-online.de (in der Rubrik Journal) Bestellen Sie Heft und CD beim Leserservice: Postfach 3640,D-55026 Mainz, Telefon 061 31/24 68 57, Fax 061 31/24 64 83 E-Mail:[email protected] Musik & Bildung spezial Ausmach Alt Neu Kompositionsprinzipien im HipHop HB 4-7 In diesem Kapitel … • Breakbeats und History • Scratching • Produktionstechniken damals und heute • Rap-Playback selber machen (mitgelieferte Software Cubasis Education) Im Zentrum der Rapmusik steht der MC (Master of Ceremony), der seine Reime zum Begleitrhythmus abfeuert. Dementsprechend gibt es auch nur zwei Grundelemente, aus denen sich Rapmusik zusammensetzt. Sie werden als „Beats & Flows“ bezeichnet“, wobei „Flows“ für die Texte steht und „Beats“ für die Begleitungen. Das folgende Kapitel widmet sich den Möglichkeiten und Techniken bei der Erstellung von Beats und Flows. 24 Wert der Kreativität A nders als bei den meisten Musikrichtungen gehört es bei der Rapmusik zu den grundlegenden Prinzipien, Fragmente aus bereits existierenden Stücken als Basis für ein neues Stück zu verwenden. Aus Samples und Breakbeats entstehen Loops, die als Schleife fortwährend wiederholt werden. Verschiedene Versatzstücke werden collagiert, neu zusammengesetzt und mit eigenen Arrangements kombiniert (Achtung: Urheberrechtsschutz!). Je nach künstlerischem Potenzial der Produzenten reicht die Spannbreite dieses Verfahrens vom simplen Ideenklau bis zur artifiziellen Collage, die dem Vergleich mit Techniken der elektronischen Avantgarde standhält. Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, einen guten „Beat“ zu produzieren. Welche davon zur Anwendung kommt, hängt vom Einfallsreichtum, dem Geldbeutel und den technischen Gegebenheiten ab. Hier eine Auswahl der verschiedenen Techniken, derer sich Rapmusiker bei ihren Beats bedient haben und es immer noch tun – alles zum Ausprobieren und Nachmachen. BREAKBEATS VON SCHALLPLATTEN Die ersten, die den Rap als Kunstform populär machten, waren Anfang der 80er Jahre Cool Herc (Clive Campbell), Grandmaster Flash (bürgerlich: Joseph Saddler) und Africa Bambaataa (Afrika Bambaataa Aasim). Alle drei waren Discjockeys und benutzten den Schallplattenspieler wie ein Musikinstrument, auf dem sie Begleitungen für ihre Ansagen produzieren konnten. Cool Herc war einer der Ersten, der diese Technik nach New York brachte. Mit seinem Mixer schaffte er es, Stücke nahtlos ineinander übergehen zu lassen. Er besaß eine große Sammlung ausgefallener Platten, die niemand kannte, und benutzte von ihnen ausgesuchte Passagen, in denen nur Rhythmus zu hören war – so genannte Breakbeats. Durch Mischen, Überblenden und Filtern konstruierte er daraus ganz neue Stücke. Als später einige seiner Breakbeats wie z. B. „Bongo Rock“ von der Incredible Bongo Band oder „Pick Up The Pieces“ von der Average White Band bekannt wurden, waren diese Platten Praxis Scratching Grandmaster Flash, der zweite Urvater der Rapmusik, war gelernter Elektriker und nutzte seine Kenntnisse zum Verbessern des Equipments. Er baute Schalter zur VorhörKontrolle in sein Mischpult ein. Damit konnte er, während ein Song über die Anlage lief, den zweiten Plattenteller im Kopfhörer vorhören, z. B. um den Tonarm an die gewünschte Stelle zu bringen und den Song dann verzögerungsfrei dort zu starten. Das tat er per Hand, weil das schneller ging als mit dem langsam anlaufenden Motor. Das dabei entstehende Kratzgeräusch setzte er als zusätzlichen Effekt ein, indem er die Platte gleich mehrmals vor- und zurückdrehte. Auf diese Weise erfand er das Scratchen. Im Gegensatz zu Cool Herc, der sich ohne seinen Partner Coke La Rock eher introvertiert gab, war Kurzer Backscratch Laufrichtung Langer Backscratch Nico Phillip, ein 17-jähriger DJ in Berlin, arbeitet gewöhnlich mit zwei Plattentellern, auf denen dieselbe Platte gleichzeitig abgespielt wird. Während auf dem linken Teller die Musik durchgehend läuft, dient der rechte für das Platzieren von Scratch-Effekten – immer passend zum gerade laufenden Songteil. Wenn Nico bei Privatparties auflegt, bei denen kein vollständiges Turntable-Setup vorhanden ist, lässt er auch schon mal eine CD über die Hifi-Anlage des Gastgebers ablaufen und benutzt seinen mitgebrachten Plattenspieler für die Scratches. Fotos: Friedrich Neumann monatelang ausverkauft. Cool Herc wäre sicherlich niemals so berühmt geworden, wenn er nicht seinen Partner Coke La Rock dabeigehabt hätte. Er war der Erste, der in dieser Kombination als MC (Master of Ceremony) auftrat und zu den Breakbeats von Herc das Publikum anfeuerte. Von ihm stammen Spruch-Klassiker wie: „Ya rock and ya don’t stop“ oder „To the best y’all“. Der Text des ersten Rap-Hits der Welt, „Rappers Delight“, war nichts anderes als eine Sammlung solcher Sprüche, eingeflochten in PartyGeschwätz und Aufschneiderei. Die erste Scratch-Bewegung ist immer gegen die Laufrichtung („Backscratch“) gerichtet. Gescratched wird möglichst weit entfernt vom Tonarm, damit die Laufruhe nicht beeinträchtigt wird und der Tonarm nicht springt. Die übliche Gummi-Oberfläche des Plattentellers ist zum Scratchen ungeeignet, denn auf ihr bleibt die Platte haften und lässt sich nicht drehen. Früher legte man ein zurechtgeschnittenes Stück Papier unter die Platte, heute gibt es spezielle „Slipmattes“ zu kaufen, die optimales Gleiten ermöglichen. Laufrichtung Foto: Friedrich Neumann Die Grundbewegung beim Scratchen ist der „Backscratch“. Dabei reißt der Finger die Platte während des Laufens ein kleines Stück nach hinten, je nach Belieben und Rhythmus mal kurz, mal lang oder auch in vielen kurzen Abfolgen. Wert der Kreativität 25 Musik & Bildung spezial Breakbeats und Scratching Der Song „When The Levee Breaks“ von der Gruppe Led Zeppelin beginnt ganz allein mit dem Schlagzeug. Erst im zweiten Takt setzt der Gesang ein. Durch geschicktes Zurückdrehen der Schallplatte im richtigen Moment kann man wieder zum Anfang des Stücks kommen und so den kurzen Breakbeat verlängern. An welcher Stelle muss die Platte zurückgedreht werden, damit das Schlagzeug wieder von vorn beginnt? Hört die Stelle mehrmals und dreht mit der Hand einen imaginären Plattenteller. HB 8 When The Levee Breaks In „Rhymin’ And Stealin’“ von den Beastie Boys ist genau dieser Breakbeat zu hören und er wird auch an der entsprechenden Stelle zum Anfang zurückgedreht. Darüber hinaus erzeugen die Beastie Boys durch rhythmisches Hin- und Herdrehen des Plattentellers zusätzliche Beats – das Scratchen. Achtet danach auf das Gitarrenriff. HB 9 Rhymin’ And Stealin’ Kunstvolles Scratchen ist schwierig und bedarf viel Übung. Ausprobieren kann es jeder, der einen Plattenspieler besitzt. Wenn man dabei nicht zu grob vorgeht, kann nichts kaputtgehen. Nur das Springen des Tonarms schädigt die Mechanik, aber das sollte schon aus klanglichen Gründen vermieden werden. Die Hersteller haben sich mittlerweile auf die Bedürfnisse der DJs eingestellt und offerieren extrem robuste, anlaufstarke Laufwerke mit Start/Stop-Schalter, im Kopf versenkter Nadel (damit sie sich beim Scratchen nicht verzieht) und Slipmattes für gutes Rutschen. Plattenfirmen offerieren in kleiner Auflage so genannte DJ-Editions, in denen sie CDs ihrer Künstler auf LP herausgeben. Star-DJs können sich sogar „Dubplates“ leisten. Das sind individuell gefertigte Einzelexemplare, bei denen ein Künstler seinen Titel speziell für diesen DJ auf LP schneidet. Links: DJ-Edition einer RapAufnahme, zu erkennen am runden Button unten links. Bild unten: Katalog mit Slipmattes Flash ein Show-Talent, der seine Kunststücke mit dem Plattenteller vor einem staunenden Publikum zelebrierte. Auch er kam meistens nicht allein, sondern in Begleitung von Freunden, die als MCs das Publikum anheizten. Später traten sie als Band unter dem Namen „Grandmaster Flash And The Furios Five“ auf. Sie gehörten zu den Ersten, die Reime benutzten und sich Worte, Sätze und Fragmente wie Spielbälle zuwarfen. Von ihnen stammen die populärsten Rap-Hits der ersten Stunde, wie z. B. „Hey Teacher“ oder „The Message“. Auch bei „Rappers Delight“ wirkten sie mit. Afrika Bambaataa fiel durch seinen Hang zur Avantgarde auf. Er verarbeitete in seinen Cuts Breakbeats von Kraftwerk (z. B. „Trans Europa Express“) oder „Dance To The Drummers Beat“ von Herman Kelly. Darüber hinaus engagierte er sich stark politisch. Mit verschiedenen Breakdancern, DJs, Writern und Homeboys (= Gang-Mitglieder) gründete er die Zulu Nation, eine Organisation, die ihren Angehörigen ein ähnliches Zuhause wie die Gang anbot, aber ohne Kriminalität. Ihr schlossen sich zahlreiche berühmte Musiker an. 1995 verfügte Zulu Nazion über rund 60 000 Mitglieder. Afrika Bambaataa, Vater des politischen Rap 26 Fotos: Nelson George Hört den Ausschnitt aus „Sweat Leaf“ (Black Sabbath) und achtet auf die Gitarre. Dieses Riff haben die Beastie Boys als Breakbeat herausgezogen und mit dem Schlagzeug von „When The Levee Breaks“ kombiniert. Sie haben also ihrem Songtitel „Rhymin’ And Stealin’“ entsprechend nicht nur gereimt, sondern auch geklaut. HB 10 Sweat Leaf Grandmaster Flash 1979, Vater des Old-School-Rap und Meister der Turntables Praxis DER BEAT AUS DER RHYTHM-BOX HB 11-13 Seit der Erfindung der programmierbaren – besonders der digitalen – Rhythmusmaschinen gehörten die Drummachines zum Rap. Nichts ist bei der Begleitung des Rap wichtiger als ein solider Beat. „Wenn der Beat dich nicht anzeckt, dann rap nicht!“ (aus einer Aufforderung zum Freestyle-Jam des Internet-Magazins rap.de). Der Sound der Rhythmusmaschine gehört zu den wichtigsten Wiedererkennungsmerkmalen eines RapKünstlers. Human Beat Box Die Technik besteht darin, bestimmte Silben (z. B. „Bff – tschah“), rhythmische Wörter (z. B. „Dumm – bist du dumm“), Zungenschnalzen oder Spuck-Laute so ins Mikrofon zu bringen, dass es aus dem Lautsprecher wie eine Drum-Machine klingt. Die Ergebnisse hören sich oft verblüffend an. Dincer Citak (16) aus Berlin zeigt, wie er es macht (siehe CD-ROM Videosequenz). Die erste programmierbare Rhythmusmaschine erschien 1981. Es war die Roland TR 808. Ihre Klangerzeugung war analog, d. h. sie besaß keine Naturklänge, sondern synthetisch erzeugte. Ihr Klang – besonders die „fette“ Bassdrum – hatte es vielen Rappern angetan. Die TR 808 ist deshalb auch heute noch ein teures und begehrtes Sammlerstück und in vielen Rap-Studios zu finden. Für einen Bassdrumähnlichen Klang werden die Lippen nach vorn gestülpt und stoßen ein stimmloses „p“ (wie beim Anblasen einer Flasche) oder „bff“ aus. Die zweite wichtige Rhythmusmaschine war die 1982 erschienene LinnDrum. Sie verfügte über digital gesampelte Natursounds und war zu dieser Zeit einzigartig (Preis damals: 12 000 Mark). Fast jede Rap-Platte der 80er Jahre verwendet entweder eine TR 808 oder die LinnDrum. Auf der Begleit-CD befinden sich ein paar Rhythmus-Loops von TR 808 und LinnDrum zum Anhören und rappen. In der Folgezeit gab es eine Reihe weiterer Maschinen, die ebenfalls Kultstatus im Rap erlangten, z. B. Oberheim DMX (wurde u. a. von Run DMC verwendet), Emu SP 12 (wurde u. a. von Public Enemy eingesetzt). Rhythmus-Maschine der armen Leute, die sich keine teuren Geräte leisten konnten. Der Beat wird hier einfach mit dem Mund gemacht. Über Mikrofon verstärkt lassen sich damit eindrucksvolle Klänge erzeugen (siehe Kasten). Mittlerweile zählt Beat-Boxing als Kunstform, die nur wenige gut beherrschen. Fotos: Bettina Ohligschläger Human Beat Box war ursprünglich die Einen Snaredrum-ähnlichen Klang macht er mit breitem Mund und einer Art Zungenschnalzen – weit hinten im Gaumen (mit viel Spucke). Den Platz zwischen den Beats von „Bassdrum“ und „Snare“ füllt Dincer mit mehreren stimmlos gesprochenen „d-t“-Silben – eine Art Hihat-Imitat. Wert der Kreativität 27 Musik & Bildung spezial Ein eigenes Rap-Playback mit Cubasis Education Als Grundlage und Übung zur Erstellung eines eigenen Songs befinden sich auf der CD-ROM im Ordner „Eigener Rapsong“ die folgenden vorbereiteten Dateien: • 01_Song_Vorlage (enthält den Vorrat an Sample-Sounds zur Weiterbearbeitung) • 02_Mustersong (enthält einen Song, der aus den vorbereiteten Samples erstellt wurde) • Diverse Sample-Sounds (Drum1, Drum2, Bongo, Bass, Piano, Synth) HB 14 Hört euch den Mustersong an und betrachtet den Ablauf. So ähnlich (oder auch ganz anders) könnte euer eigener Song aussehen. Audiodateien (können kopiert, verschoben und geschnitten werden) Der „Mustersong“ als Beispiel Stereo-Audiospur für Drums 1 Transportfenster für Play, Stop, Record, Vor- und Rücklauf Stereo-Audiospur für Drums 2 Mono-Audiospuren für Bongos, Bass, Piano, Synth 4 Takte Intro mit Break in Takt 4 8 Takte Vers 1 mit Break in Takt 8 Der „Vorlagen-Song“ als Basis für den eigenen Song Wenn der Vorlagen-Song geöffnet wird, muss er sofort unter einem anderen Namen gespeichert werden („Datei“ – „Sichern unter“ – z. B.: „Mein Rapsong“). In jeder Audiospur liegt ein kurzer Instrumentalsound. Insgesamt sind es acht Schnipsel, die meisten sind einen Takt lang, nur Piano und Synth sind zweitaktig. • Drums 1 (stereo, benötigt zwei Audiospuren) • Drums 2 (stereo, benötigt zwei Audiospuren) • Bongos (mono bzw. einspurig) • BassGrv (Bass-Groove, z. B. für einen Vers, mono) • BassBrk (Bass-Break, mono) • PianoGrv (Piano-Groove, z. B. für Vers, zweitaktig, mono) • PianoBrk (Piano-Break, mono) • Synth (Synthesizer-Effekt-Sound, zweitaktig, mono) 28 Wert der Kreativität 8 Takte Vers 2 mit Break in Takt 8 2 Takte Schluss-Break Praxis Fotos: Friedrich Neumann Sampling Ein eigenes Playback entsteht VORAUSSETZUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT Es ist zwar durchaus denkbar, die Produktionstechnik mit modernen AudioSequencern rein frontal per Tageslichtprojektor oder Beamer zu demonstrieren, ein tieferes Verständnis erschließt sich aber erst in der eigenen Arbeit. Dafür sollte ein Computerraum zur Verfügung stehen, bei dem jeweils zwei SchülerInnen an einem Rechner arbeiten können. Die Anforderungen an die Technik sind gering. Die benötigten Rechner müssen weder neu noch besonders leistungsstark sein. Es reichen Windows-PCs ab Pentium III mit mindestens 64 (besser 128) MB RAM, wenigstens 500 MB freiem Festplattenspeicherplatz und einer handelsüblichen Soundkarte mit Duplex-Modus. Wenn noch kein schuleigener Computerraum bereitsteht, lassen sich solche Rechnermodelle von Unternehmen besorgen, die häufig froh sind, wenn sie ihren „Computerschrott“ auf diese Weise kostenlos entsorgen können. Zum Abhören werden zwei Kopfhörer pro Arbeitsplatz benötigt (Anschluss mit Verteiler-Stecker an die Soundkarte). Zusätzlich muss noch ein AktivLautsprecher bereitgestellt werden, damit die Arbeitsergebnisse im Plenum gehört werden können. Ideal ist eine Ausstattung mit Aktiv-Monitor an jedem Rechner, damit man nicht bei jedem Abhören eine Box von Rechner zu Rechner tragen muss. METHODISCHES VORGEHEN Wenn noch nicht an anderer Stelle (z. B. IT-Grundkurs) geschehen, müssen alle im Plenum in die grundsätzliche Bedienung des Computers eingewiesen werden, d. h. Ordnerstrukturen, Menü-Steuerung, Laden und Speichern. Es ist empfehlenswert, vor Beginn der Computerarbeit Regularien aufzustellen, die von allen beachtet werden, wie z. B. ein bestimmtes Ruhezeichen des Lehrers, wenn die Eigenarbeit für Erklärungen oder Plenumsphasen unterbrochen werden soll. Als Impuls kann mit der Vorführung des „Mustersongs“ begonnen werden. Die SchülerInnen bekommen einen Eindruck vom klanglichen Ergebnis und prägen sich dabei die Programmoberfläche visuell ein. Der Entwicklung der Sampling-Technologie Mitte der 80er Jahre revolutionierte den HipHop, denn damit wurde es sehr einfach, aus kurzen Breakbeats ganze Stücke zu machen. Man brauchte nur noch die gewünschte Passage einer Platte auszusuchen, den RecordButton des Samplers zu aktivieren und das aufgenommene Fragment am Anfang und Ende zu beschneiden. Dieser ein- bis viertaktige Breakbeat konnte als Schleife geschaltet werden und spielte dann in unablässiger Wiederholung so lange wie gewünscht – notfalls bis zum Stromausfall. Komplizierte und kunstvolle Aktionen mit mehreren Plattenspielern wurden zur Playback-Erzeugung überflüssig. Durch Sampling wurde der Breakbeat zum Loop. Hatte man bei der Drummachine einmal das richtige Tempo des Loops gefunden, konnten Sampler und Schlagzeug-Maschine gekoppelt werden. Der fremde Ausschnitt wurde dadurch mit eigenen Rhythmen und Sounds überlagert und bekam so eine individuelle Prägung. Ein preiswerter „Phrase-Sampler“: Einfach eine Klangquelle (Mikrofon oder CD-Spieler) anschließen, auf „record“ drücken und dann über eine beliebige Drucktaste abspielen. Durch geschicktes Abspielen mehrerer Samples lassen sich einfache Playbacks herstellen. Ende der 80er Jahre übernahmen die Musikcomputer wie z. B. Atari oder Macintosh die Synchronisation. Auf diese Weise ließen sich mehrere Synthesizer, Drumcomputer und Sampler miteinander verkoppeln. Die eigenen Playbacks wurden immer dichter und professioneller. Eine Band zur Playback-Einspielung wie früher noch bei „Rappers Delight“, war jetzt nicht mehr nötig. Wert der Kreativität 29 Musik & Bildung spezial Audio Sequencer Zur Zeit ist das am meisten verbreitete Produktionsmittel der AudioSequencer. Eine solche Software ermöglicht die komplette Musikproduktion inklusive Sampling, Synthesizer-Sounds, Vokal- und InstrumentalRecording innerhalb eines handelsüblichen PCs. Marktführer sind im professionellen Bereich die Anbieter der Programme Logic (Emagic) und Cubase (Steinberg). Im Amateur-Sektor weit verbreitet ist das Programm MusicMaker (Magix). Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Programme und Hersteller, die hier zu nennen aber zu weit führen würde. Im CD-ROM-Teil der Begleit-CD enthalten ist die Sequencer-Software „Cubasis VST Education“. Damit soll in einem kleinen Produktionslehrgang ein Rap-Playback erstellt werden (siehe Kasten). Die Arbeitsweise ist durchaus der auf professioneller Ebene vergleichbar und die ProgrammStruktur ist bei den meisten anderen Programmen ähnlich. „Logic Audio“ von der Firma Emagic ist das meist verbreitete Sequencer-Programm. Neben der professionellen Ausführung „Platinum“ gibt es die Freeware „LogicFun“ und eine Low-Budget-Version „Logic Education“. Weit verbreitet ist auch „Cubase“ von Steinberg. Damit arbeitet u. a. Filmkomponist Hans Zimmer. Es ist in verschiedenen Ausführungen erhältlich. Die Freeware „Cubasis Education“ befindet sich im ROM-Teil der CD zu diesem Heft. „MusicMaker“ heißt die preiswerte und leicht zu bedienende Software der Firma Magix. Im Unterschied zu „Logic“ und „Cubase“ ist es ein reproduktioves Programm, bei dem vorgefertigtes SampleMaterial neu zusammengestellt wird. Es gibt keine Midi-Option für eigene Einspielungen. 30 Wert der Kreativität Nun werden grundsätzliche Begriffe des Audio-Sequencers erläutert: Audio-Spuren (stereo und mono), Soundfiles (oder Samples oder „Musikschnipsel“) und Taktleiste. Vorbereitungen Anhand des „Vorlagen-Songs“ wird trainiert, Samples so zu verschieben, dass sie exakt an der „1“ eines Takts beginnen. Ebenso wird das Kopieren von Musikschnipseln durch „kopieren/einfügen“ bzw. Mausziehen bei gedrückter „Strg-Taste“ geübt. Beim Verlassen des „Vorlagen-Songs“ ist darauf zu achten, dass Änderungen nicht gespeichert werden. Wenn jetzt der „Mustersong“ geöffnet wird, sollte er sofort unter einem anderen Namen gespeichert werden. Ein bewährtes Prinzip ist es, die Namen der jeweils beteiligten SchülerInnen im Dateinamen zu verwenden, z. B. „MoritzArdilRap“. Das Stück lässt sich so später leicht auffinden und seinen Urhebern zuordnen. Technische Formalien Einige technische Prinzipien des AudioSequencers sind in jedem Fall erklärungsbedürftig: • Takt- und Zeitleiste Am oberen Rand des Programmfensters befindet sich die Takt- bzw. Zeitleiste. Die Zahlen darin geben den Takt an. Je nach Vergrößerung des Fensters kann ein Strich den Takt markieren oder die einzelnen Schläge eines Taktes. Die Lage der Audio-Schnipsel muss immer mit der Taktleiste abgestimmt werden, damit ein Sample nicht plötzlich im Off-Beat startet. Bei der Einweisung der SchülerInnen sollte beachtet werden, dass die grundsätzliche Laufrichtung von links nach rechts den meisten nicht von vornherein klar ist. • Spuren Es gibt Mono- und Stereo-Spuren. Das Programm erkennt sie selbstständig. Allerdings werden für Stereo-Samples zwei Audio-Spuren verbraucht, also z. B. Spur 1 + 2 oder Spur 3 + 4. Beim Mustersong liegen die Drum-Samples in Stereo vor, alle anderen – auch die Bongos – sind mono. Zwei Drum-Spuren benötigen also vier Audio-Spuren! Die Schnipsel werden in die jeweils obere Spur eines Spurpärchens gelegt (z. B. Spur 1), die darunterliegende (z. B. Spur 2) muss frei bleiben. Damit die Übersicht nicht verloren geht, ist darauf zu achten, dass Samples eines Instruments immer in derselben Spur bleiben. Da Anfängern das Spur-Prinzip oft nicht ganz einleuchtet, werden Drum, Bass, Keyboard-Spuren u. a. gern durcheinandergemixt. Dadurch geht nicht nur der Überblick verloren, sondern Praxis auch die Möglichkeit, ein Instrument in Lautstärke und Stereo-Panorama zu regeln. Ein Song entsteht Das Kopieren und Verschieben der AudioSchnipsel geht relativ schnell. Die eigentliche Arbeit besteht jetzt darin, aus den einzelnen Fragmenten eine sinnvolle Struktur zu bilden. Dazu muss als erstes das Form-Prinzip erläutert werden. Unerlässliche Formteile sind: Intro, Vers, Refrain. Zusätzlich können noch Zwischenspiel und Schluss (oder Coda) hinzukommen. Damit das Playback hinterher mit dem Rap-Text bzw. den Vocals harmoniert, sollte auf eine symmetrische Struktur geachtet werden, d. h. die Songteile sind vier- oder achttaktig. Ein Standard-Ablauf wäre z. B. vier Takte Intro mit Break im vierten Takt, acht Takte Vers mit Break im letzten Takt, dann vier Takte Refrain. Das Ganze wird wiederholt. Der jeweils im letzten Takt eines Formteils eingesetzte Break dient gleichzeitig als Schluss. Natürlich kann der Song später immer noch umgebaut werden, aber nun existiert bereits eine erste Vorlage. Das Playback auf CD Für die nachfolgende Vokal-Arbeit muss das Playback auf einem Tonträger vorliegen. Eine Möglichkeit besteht darin, einen Kassettenrekorder an den Ausgang der Audio-Karte anzuschließen und dann auf Kassette aufzuzeichnen. In diesem Fall ist es aber leichter und klangschöner, die Spuren rechnerintern in Stereo zusammenzumischen. In Cubasis Education geschieht das im Menü „Datei“, „Exportieren“. Dort wird „Audiospuren“ angewählt. Es öffnet sich eine Dialogbox, in der man einen Songnamen eingibt und den Dateityp (z. B. WAV) sowie einen Ablage-Ordner bestimmt. Die resultierende Wave-Datei kann mit jedem Brennprogramm auf einen Rohling als AudioCD gebrannt werden. Playback und Vocals Am einfachsten ist zunächst die Live-Aufführung: Zum Playback wird live gerappt/gesungen. Wenn davon eine Aufnahme hergestellt werden soll, kann man den Ausgang des Mischpults, in dem Mikrofon und CDPlayback zusammenlaufen, an einen Kassettenrekorder anschließen. Qualitativ besser ist es jedoch, die Vocals wieder im Audio-Sequencer aufzunehmen (siehe nebenstehenden Kasten). Vokal-Aufnahme beim Live-Mitschnitt CD-Player (Playback) Kassettenrekorder (Aufnahme) Die einfachste Möglichkeit, Sprache und Gesang zum Playback aufzunehmen, ist der Live-Mitschnitt. Das Playback wird von CD zugespielt und im Mischpult mit dem Mikrofon zusammengemischt. Die Summe geht sowohl zu den Lautsprechern wie auch zu einem Kassettendeck, auf dem die Darbietung aufgezeichnet wird. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass bei einer Live-Aufführung die ganze Klasse involviert ist, während bei einer Studio-Aufnahme Zuschauer eher stören. Die Nachteile liegen in der schlechten Klangqualität der Kassette sowie in den fehlenden Eingriffs- und Nachbearbeitungsmöglichkeiten. Vokal-Aufnahme unter Studio-Bedingungen Line Line in out Die qualitativ beste Möglichkeit, Sprache und Gesang zum Playback aufzunehmen, ist die Aufnahme im Studio oder unter studioähnlichen Bedingungen. Dabei befindet sich das Playback im Computer als Stereo-File und wird dem Sänger per Kopfhörer zugespielt. Der Gesang wird über das Mischpult (oder einen Mikrofon-Vorverstärker) in den Audio-Input des Rechners eingespeist. Voraussetzung ist eine Soundkarte mit DuplexModus, d. h. die Soundkarte muss in der Lage sein, gleichzeitig aufnehmen und wiedergeben zu können. Weil der Line-Out der Audio-Karte zu schwach ist, um einen Kopfhörer zu betreiben, muss ein Kopfhörerverstärker oder eine Computer-Aktivbox dazwischengeschaltet werden. Wert der Kreativität 31