Kennen Sie eigentlich schon „art but fair“

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Kennen Sie eigentlich schon „art but fair“
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist vollbracht! Der ARTikel geht in die
vierte Runde. Auch in dieser Ausgabe
haben wir wieder spannende Interviews
geführt und interessante Beiträge, bspw.
über Qualitätsmanagement im Kulturbetrieb, für Sie zusammengestellt.
Der ARTikel freut sich über eine stetig
wachsende Zahl seiner Leserschaft und
wir, das Redaktionsteam, hoffen, dass diese auch in Zukunft weiter wachsen wird.
Ihr
-Team
Was macht eigentlich...
ab Seite 3
... der Fachverband Kulturmanagement?
... ein Kunstverein?
... das kreativzentrum.saar?
... die Künstlervermittlung der Folkwang
AGENTUR?
... die Leiterin eines Kulturbüros?
... ein Hauptabteilungsleiter Klangkörper?
Wer ist...
... Davide Martello?
... Craig Schuftan?
ab Seite 13
Was ist eigentlich...
... ein Unternehmenstheater?
ab Seite 16
Wussten Sie etwas über ...
ab Seite 20
... die Kulturhauptstadt Aarhus 2017?
... die Kulturförderung Hohenlohe?
... die Dauerausstellung „Faszination und Ge
walt“?
... Wagner Calling?
... das Green Hill Festival?
... die Kunst des Tätowierens?
Worum geht es eigentlich in...
ab Seite 33
... „Wie überlebe ich als Künstler“?
Was ist sehenswert...
ab Seite 36
…„What happiness is“
... „Fremde Kinder“ und „Mädchengeschichten
Kennen Sie eigentlich schon „art but fair“ ?
Ein Beitrag von Johannes Maria Schatz
Art but fair ist eine neue, internationale Bewegung, die faire Arbeitsbedingungen sowie angemessene Gagen in den Darstellenden Künsten und der Musik zu erreichen
sucht. Die Organisation besteht aus drei untereinander koordinierten, gemeinnützigen Vereinen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die Facebook-Seite „Die traurigsten & unverschämtesten Künstlergagen und Auditionserlebnisse“ die am 19. Februar 2013 online ging, stieß bei darstellenden Künstlern rasch auf große Resonanz. Inzwischen hat sie beinahe 16.000 Fans. Künstler
aller Sparten begannen ihre unglaublichen Erlebnisse zu veröffentlichen. Der Fokus
lag dabei auf ihren alltäglichen Arbeitsbedingungen. Es wurde schnell deutlich, dass
einem Großteil ein finanzielles Auskommen allein aus künstlerischer Tätigkeit trotz
jahrelanger Ausbildung und entsprechender akademischer Qualifikation nahezu
unmöglich ist.
Erste Medienberichte über die „Künstler-Klagemauer“ erschienen in der Berliner
Zeitung und in der Frankfurter Rundschau. Unterstützung erhielt die FacebookSeite im März 2013 durch die österreichische Mezzosopranistin Elisabeth Kulman,
die Missstände in der „Oberliga“ des Kulturbetriebs öffentlich machte. Namentlich kritisierte sie die ersatzlose Streichung der Probengelder bei mehrwöchigen
Opernproduktionen der Salzburger Festspiele durch Intendant Alexander Pereira, enge Termindispositionen ohne Rücksicht auf die körperliche Belastbarkeit
der Sänger, Inkompetenz und Korruption bei den Entscheidungsträgern.
Welche neuen Publikationen gibt es im Fachbereich …
ab Seite 38
... Kulturmanagement?
... Eventmanagement?
Als sie am 16. März 2013 zur „Revolution der Künstler“ aufrief, griffen weitere Medien das Thema auf (Die Zeit, Salzburger Nachrichten, Die Welt, Wiener Zeitung,
Süddeutsche Zeitung, Neue Züricher Zeitung, Profil, Kurier, Artsjournalblog
„Slipped Disc“, ORF, ZDF, BR, WDR, NDR).
Wie funktioniert eigentlich...
ab Seite 39
... Qualitätsmanagement im Kulturbetrieb?
Inzwischen hat sowohl die österreichische als auch die Deutsche Presse Agentur
ausführlich über art but fair berichtet.
Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014
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Elisabeth Kulmans öffentliche Kritik fand Bekräftigung durch ihre Opernkollegen Laura Aikin, Marlis Petersen, Markus Brück, Thomas Moser, Jonas Kaufmann
und Simon Keenlyside. Auch der internationale Agent Germinal Hilbert, die
Intendanten Barrie Kosky, Peter Jonas, Ioan Holender, zahlreiche Kulturjournalisten sowie die Psychiaterin Déirdre Mahkorn, Leiterin der ersten deutschen
„Lampenfieber-Ambulanz“, waren sich einig, dass „das erkrankte System den
Künstlern schadet“. Eine breite Diskussion ist mittlerweile im Gange, die den
Handlungsbedarf verdeutlicht, nicht nur im Operbetrieb, sondern in allen Sparten der Musik und der Darstellenden Künste. Die Vereinsgründung von art but
fair fand am 7. September 2013 in Berlin statt.
Das Team um Johannes Maria Schatz und Elisabeth Kulman setzte sich folgende
Ziele:
Johannes Maria Schatz Gründer der
Facebookseite: „Die traurigsten & unverschämtesten Küstlergagen und Audtiotionserlebenisse“
-- die Künstler untereinander zu solidarisieren und zu vernetzen;
-- ie Öffentlichkeit auf die Missstände hinzuweisen und Aufklärungsarbeit hinsichtlich des Berufsbildes des Künstlers zu leisten;
-- die Bedeutung und den Wert der Kunst und der Künstler ins Bewusstsein
der Gesellschaft zu rücken;
-- mit den am Kulturbetrieb Beteiligten – Künstler, Veranstalter, Intendanten,
Agenten, Lehrer, Kulturpolitiker, Gewerkschaften etc. – Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu finden und diese umzusetzen.
-- das Kunstgütesiegels „art but fair“ einzuführen.
2013 wurden in einem langen kooperativen Prozess auf Social Media Plattformen die „Goldenen Regeln künstlerischen Schaffens“ formuliert. Diese sollen,
verbunden mit dem selbstverpflichtenden Gütesiegel, den gerechten, respektvollen Umgang innerhalb des Kulturbetriebs gewährleisten. Sie existieren
derzeit in einer „Betaversion“ und sollen nach einem Jahr der Erprobung und
Feinjustierung in den sogenannten „art but fair consultations“ 2014 in einer endgültigen Fassung veröffentlicht werden. Das Logo des Gütesiegels art but fair
wurde am 1. Mai 2013 der Öffentlichkeit präsentiert.
Das Redaktionsteam meint dazu:
Art but fair scheint mit ihrer Initiative ein längst überfällige Diskussion ins
Rollen gebracht zu haben und trägt dazu bei, die Öffentlichkeit über die Missstände, mit denen Künstler zu kämpfen haben, aufzuklären. Durch die mediale
Aufmerksamkeit hat ‚art but fair‘ die Möglichkeit ganz offen auch über schwierige Themen wie niedrige Gagen und schlechte Arbeitsbedingungen nicht nur
zu berichten sondern auch wirklich etwas bewirken. Tagungen mit Gewerkschaftern und Kulturfunktionären sowie die Kooperation mit dem Deutschen
Bühnenverein zeigen, dass Veränderungen möglich sind. Allerdings darf man
nicht nur mit dem Finger auf die Theater- und Opernhäuser zeigen und die
Künstler „bedauern“, sondern es muss zu einem Umdenken aller Akteure bis
hin zum Publikum kommen. Dann hat ‚art but fair‘ die besten Voraussetzungen
auch in Zukunft weiterhin ihre Ziele umzusetzen.
Weitere Informationen unter:
http://www.artbutfair.org
https://www.facebook.com/Kuenstlergagen
Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014
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Was macht eigentlich...
... der Fachverband Kulturmanagement?
Ein Beitrag von Birgit Mandel
Birgit Mandel ist seit Januar 2013 Vorsitzende des Fachverbandes für Kulturmanagement, dem Zusammenschluss der akademisch lehrenden und forschenden KulturmanagerInnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist Professorin für
Kulturmanagement und Kulturvermittlung an der Universität Hildesheim.
Der 2007 gegründete Fachverband für Kulturmanagement in Forschung und
Lehre vernetzt Studiengänge und Wissenschaftler im Bereich des Kulturmanagements in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ziel ist es, das noch
relativ junge Fach wissenschaftlich weiter zu entwickeln, indem es die Lehrenden und Forschenden der verschiedenen Hochschulen auf Fachtagungen und
im Rahmen von Forschungsprojekten zusammenbringt und wissenschaftliche
Ergebnisse in einem Jahrbuch publiziert.
Vorsitzende des Fachverbands für Kulturmanagement: Birgit Mandel
Die erste Tagung des Fachverbandes, die im Januar 2008 an der Universität
Hildesheim stattfand, beschäftigte sich unter dem Titel „Forschung im Kulturmanagement“ damit, wie sich aus den verschiedenen wissenschaftlichen
Bezugsdisziplinen, von der Betriebswirtschaftslehre über die Kunst- und Kulturwissenschaften bis zu den Sozialwissenschaften interdisziplinäre Forschungsansätze für das Fach Kulturmanagement generieren lassen.Die zweite Fachtagung
2009 an der Zeppelin University in Friedrichshafen untersuchte „Rollenmodelle
im Kulturmanagement“, die sich in den vergangenen Jahren sehr stark gewandelt haben vom pragmatischen Technokraten und „Diener von Kunstinstitutionen“ zum „Gestalter kultureller Kontexte“.
Welche zentralen „Theorien für das Kulturmanagement“ wissenschaftliche Basis
sein können, diskutierte die dritte Tagung 2010 an der Hochschule für Musik in
Wien.
Die vierte Fachtagung an der Universität Basel 2011 nahm das Verhältnis von
Kulturmanagement und Kulturpolitik in den Blick und fragte danach, wie viel
politischen Einfluss Kulturmanagement und Kulturmanager haben, inwiefern
sie evtl. beitragen zu einer unreflektierten Wachstumslogik im Kulturbetrieb
und wie sie ihrer Verantwortung für das kulturelle Leben gerecht werden können. Mit dem Kulturpublikum und der Kulturnutzerforschung beschäftigte sich
die fünfte Fachtagung 2012 an der Leuphana Universität in Lüneburg.
Thema der sechsten Tagung, die im Januar 2013 an der Hochschule in Potsdam
stattfand, war das Verhältnis von Kulturmanagement und Kunst als zentralem
Bezugsfeld.Die siebte Tagung wird sich vom 16.- 18. Januar 2013 an der Hochschule Kufstein mit neuen Modellen von Kulturfinanzierung und ihren Konsequenzen für Kunst- und Kulturproduktion und -Rezeption beschäftigen. Über
die wissenschaftliche Weiterentwicklung des Faches hinaus ist es Ziel, Kulturmanagement als eine auch inhaltlich gestaltenden Profession in der kulturellen
Praxis und Kulturmanager als einflussreiche strategische Akteure einer konzeptbasierten Kulturpolitik und Kulturentwicklungsplanung zu positionieren.
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Seit gut 20 Jahren gibt es in Deutschland Studiengänge, die für Kulturmanagement im weitesten Sinne qualifizieren. Nach anfänglichen Widerständen sowohl
aus der kulturellen Praxis, wo viele eine Kommerzialisierung des Kultursektors
durch Kulturmanagement befürchteten, wie auch an den Universitäten, die
dem Kulturmanagement zunächst seine Eignung als Wissenschaft absprachen,
hat sich Kulturmanagement inzwischen als Profession wie als wissenschaftliches, forschungsbasiertes Fach etabliert.
War das Kulturmanagement der 90er Jahre noch sehr stark auf den öffentlichen
Kulturbetrieb fokussiert und hier wiederum vor allem an der möglichst effizienten Organisation der Rahmenbedingungen für künstlerische Produktion, so
hat es inzwischen nicht nur seinen Radius in alle Sektoren des Kultursektors
ausgeweitet, sondern auch seinen inhaltlichen Einflussbereich in Felder der
Kulturvermittlung und der Kulturpolitik. Dem entsprechend sind auch wissenschaftliche Bezüge nicht mehr vorwiegend in der BWL und den Wirtschaftswissenschaften angesiedelt, sondern ebenso in den Politik-, den Sozial-, den
Kunst- und Kulturwissenschaften.
Grundsätzlich ist das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis im Kulturmanagement ein engeres als in anderen Hochschuldisziplinen. Kulturmanagementlehre und –forschung ist ohne einen direkten Bezug zur kulturmanagerialen Praxis
kaum zu leisten, wenn sie gesellschaftlich relevant sein will. Die systematische,
empirische Analyse und Reflexion von Praxis ist unverzichtbar, um Erkenntnisse
für die Weiterentwicklung der Disziplin zu generieren; praxisorientierte Forschung, auch in Lehrforschungsprojekten, ist Bestandteil vieler Studiengänge.
Neben dieser am Praxisfeld orientierten Lehre und Forschung ist aber auch die
Auseinandersetzung mit kulturtheoretischen Fragestellungen bereichernd und
notwendig für das Verständnis von Zielen und Funktionen des Kulturmanagements und dessen Einordnung in größere gesellschaftliche Zusammenhänge.
Derzeit gibt es in Deutschland ca. 50 Studiengänge, die für Kulturmanagement
qualifizieren, in grundständigen Bachelorstudiengängen fast immer in Kombination mit einem oder mehreren anderen Fächern; reine Kulturmanagementstudiengänge gibt es sinnvoller weise fast nur als zusätzlich qualifizierende
Masterstudiengänge, die auf einem anderen Fach aufbauen können.
Versteht man Kulturmanagement als die Moderation, Vermittlung, Organisation und Gestaltung der Rahmenbedingungen künstlerischer und kultureller
Produktion und Rezeption, so ist es Bestandteil des arbeitsteiligen Prozesses
kollektiver Kreativität und bestimmt auch künstlerisch-kulturelle Prozesse
mit, ohne dabei in einzelne Kunstwerke einzugreifen. Zugleich ist Kulturmanagement auch eine kulturpolitische Funktion, indem es zur Moderation verschiedener kultureller Interessen in der Bevölkerung, zur Formulierung und
Umsetzung von kultur- und gesellschaftspolitischen Zielen beiträgt. Denn die
(interkulturellen) Veränderungsprozesse der Gesellschaft verlangen neue Strategien, das kulturelle Leben zu stimulieren und zu moderieren.
Die Absolventen der Kulturmanagementstudiengänge, die bereits an den verschiedenen Stellen des Kultursektors und darüber hinaus tätig sind, haben zur
Professionalisierung des Kultursektors (und seiner Institutionen) sowie zur VerAusgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014
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netzung mit anderen Bereichen beigetragen. Sie haben in den Einrichtungen
und der Verwaltung für mehr Effizienz und Effektivität gesorgt, haben Zielorientierung und strategisches Vorgehen eingebracht und bestimmte ideologische
Scheuklappen (z.B. gegenüber einem strategischen Kulturmarketing) abgebaut.
Eine wichtige zukünftige Aufgabe, an der auch die Kulturmanagement-Studiengänge mitwirken sollten, besteht darin, das Bild des Kulturmanagers in der
Fachöffentlichkeit zu weiten vom „Diener der Kunsteinrichtungen“ und „Kommerzialisierer“ zum Gestalter, der auch gesellschaftspolitisch denkt und handelt und wesentlich zur Innovationsfähigkeit des Kulturbetriebs beiträgt.
www.fachverband-kulturmanagement.net
SAVE THE DATE:
Die nächste Jahrestagung des Fachverbandes wird im Januar 2015 an
der Reinhold-Würth-Hochschule der Hochschule Heilbronn am Campus
Künzelsau stattfinden!
Nähere Informationen zu dieser Veranstaltung und einen „Call for paper“ finden
Sie zeitnah auf den Webseiten der Hochschule und des Fachverbandes.
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... ein Kunstverein?
Ein Beitrag von Gunhild Schweizer
1. Vorsitzende des Kunstverein Erlangen e.V.
Es gibt in Deutschland über 250 Kunstvereine, die sehr unterschiedlich aufgestellt
sind – vom kleinsten Club bis zu großen Ausstellungshäusern. Das Kunstmagazin
ART nannte die Kunstvereine in einem ausführlichen Artikel „Pfadfinder der zeitgenössischen Kunst“. (Ausgabe Nr.5 2008)
So unterschiedlich die Vereine sind, es verbindet sie das Ziel, den Menschen an
verschiedensten Orten, zeitgenössische Kunst nahe zu bringen. Das geschieht
vor allem durch Ausstellungen, Künstlergespräche, durch Austausch, persönliche Kontakte und Reisen in jeder Form und Dimension. Einer der großen Vorteile ist ihre örtliche Präsenz, ihre räumliche Nähe zu allen Interessierten.
Die großen Häuser mit hochkarätigen Ausstellungen und Projekten bieten zudem eine gute Vorbereitungsebene auf dem Weg zur Arbeit in Museen. Die
Vereine können Kunst ohne wirtschaftlichen Erfolgsdruck zeigen. Ihre Vorstände arbeiten meistens ehrenamtlich. Dafür werden diese Vereine in der Regel
als gemeinnützige anerkannt. Sie dürfen Spenden annehmen und bekommen
steuerliche Vorteile.
Die meisten von ihnen sind im Dachverband der „ Arbeitsgemeinschaft der
Deutschen Kunstvereine“ - ADKV – organisiert, der ein Bindeglied zwischen seinen Mitgliedern, Politik und Medien darstellt. Der Kunstverein Erlangen gehört
mit seiner Gründung 1904 zu den ältesten Kunstvereinen in Deutschland und
ist mit seinen 110 Jahren ein fester Bestandteil des Kulturlebens dieser kleinsten
Großstadt in Bayern.
Im Gegensatz zu anderen Vereinen gibt es keine Aufnahmekriterien. Von den
knapp 550 Mitgliedern sind etwa 70 % Künstler- auf jedem Niveau- vom „ Hobby- Künstler“ bis zum gut ausgebildeten Künstler mit akademischem Grad. Er ist
der Verein, der sich in erster Linie um die Interessen und Belange der Künstler
in der Region kümmert. Er bietet ein Netzwerk, Möglichkeiten, sich zu treffen,
sich zu Gruppenausstellungen zusammen zu finden, vor allem aber in seinen
Galerieräumen Möglichkeiten für Ausstellungen.
Einen Augenblick lang Rauminstallation, Lackfarbe auf MDF
Foto: Striebel
Darüber hinaus können sich aber Künstler auch von überall her für Ausstellungen in der „ Neuen Galerie“ des KVE bewerben. Die eingereichten Arbeiten werden juriert. Es zählt hier nur die künstlerische Qualität. Höhepunkt des
Jahres aber ist unsere Winterausstellung, die nur für Mitglieder zugänglich ist.
Sie findet in den repräsentativen Räumen des hiesigen Kunstpalais statt. Eine
wechselnde Jury wählt nach strengen Kriterien aus. Wir freuen uns immer über
die vielfältigen Arbeiten aus Malerei, Graphik, Skulptur und Installation.
Sie findet als Verkaufsausstellung immer im Dezember statt.. In Zusammenarbeit mit der Stadt Erlangen haben wir ein Künstlerportal erstellt, das den Mitgliedern die Möglichkeit bietet, sich zu präsentieren. Dieses Portal ist sowohl
über die Homepage der Stadt als auch des KVE frei zugänglich.
Es ist eine selbstverständliche Aufgabe aller Kunstvereine, vor allem junge
Künstler zu beobachten und zu fördern.
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Seite 6
... das kreativzentrum.saar?
Ein Beitrag von Tamay Zieske
Das kreativzentrum.saar ist ein Projekt des KuBa - Kulturzentrum am EuroBahnhof
e. V. und wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des
Saarlandes gefördert.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft steht hoch im Kurs und wird nicht nur als Innovationstreiber, sondern auch als starker und wachsender Wirtschaftsfaktor
gehandelt. Ihr werden all diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen zugerechnet, die überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Produktion, Schaffung, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kreativen
Gütern und Dienstleistungen befassen - soweit die Statistik.
Tamay Zieske tätig bei
kreativzentrum.saar
Doch der typische Kreativunternehmer tickt anders als der klassische Unternehmer - und das ist auch gut so. Häufig hat man es mit Einzelkämpfern, Querdenkern, A-typischen Lebensläufen und innovativen Ideen zu tun, die nicht mit
einem standardisierten Fragen/Antwortkatalog abzuwickeln sind. Auf diese
besonderen Anforderungen gilt es durch ein spezielles Beratungsangebot einzugehen. Diesem Umstand wurde im Saarland, durch die Eröffnung des kreativzentrum.saar, im September 2012 Rechnung getragen. Seitdem kann man sich
bei dem Wahlsaarländer und Alumnus des Studiengangs Betriebswirtschaft mit
Kultur-, Freizeit- und Sportmanagement Tamay Zieske persönlich beraten lassen
und seine Ideen auf Kurs bringen.
In individuell abgestimmten und kostenlosen Beratungen zu Gründungs- und
Unternehmensfragen der Kreativwirtschaft, wird auf die außergewöhnlichen
Ideen der Kreativschaffenden eingegangen. Dabei muss oft quer gedacht und
regelmäßig müssen neue Wege gefunden werden. Das kreativzentrum.saar
hilft Kreativschaffenden dabei, einen Schritt zurückzutreten, um das eigene
Projekt mit dem nötigen Abstand kritisch betrachten und zu einem belastbaren
Geschäftsmodell weiterentwickeln zu können. Ebenso wichtig wie eine gute
Beratung ist der Kontakt zu Gleichgesinnten, möglichen Partnern, Kunden oder
Zulieferern. Denn gerade in einer Branche, die zu 97% aus Selbstständigen,
Klein- und Kleinstunternehmen besteht, sind Netzwerke eine wichtige Grundlage des unternehmerischen Handelns. Durch vielzählige Veranstaltungsformate
unterstützt das kreativzentrum.saar den Erfahrungsaustausch zwischen Kreativschaffenden, präsentiert Best-Practice Beispiele und fördert den Kontakt mit der
traditionellen Wirtschaft.
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Seite 7
... die Künstlervermittlung der Folkwang AGENTUR?
Ein Beitrag von Antje Breucking
Die Folkwang AGENTUR GmbH wickelt im Auftrag der Folkwang Universität der
Künste seit ihrer Gründung 2008 verschiedene Geschäftsbereiche als Dienstleister
und Servicegesellschaft der Hochschule ab. Zu unseren Kernbereichen gehören die
Künstlervermittlung und die Vermietung und das Veranstaltungsmanagement für
das SANAA-Gebäude. Unsere Geschäftsfelder werden ergänzt durch die Umsetzung von Weiterbildungsangeboten und neuerdings auch das Jobportal KREATIV.
STELLENWERK-ESSEN.
Mit der Künstlervermittlung verfolgt die Agentur bzw. die Folkwang Universität
der Künste zwei Ziele: Sie möchte den Folkwang-Studenten praktische Erfahrungen bieten und Veranstaltern exzellente junge Künstler vermitteln. Neben der
universitären Ausbildung und der Möglichkeit bei universitären Veranstaltungen aufzutreten, sollen die Studenten auch außerhalb des universitären Raums
frühzeitig Fertigkeiten entwickeln. Die jungen Musiker, Musical-Darsteller,
Schauspieler, Tänzer, Komponisten, Designer und Fotografen, die die Agentur
vertritt, treffen auf professionelle Veranstalter, Privatleute oder Unternehmensmitarbeiter und rüsten sich so für ihre mögliche Zukunft als freischaffende
Künstler. Sie werden vertraut im Umgang mit den verschiedenen Auftraggebern und sammeln wichtige Erfahrungen. Bei vielen Projekten – gerade in den
Bereichen Musical, Gesang, Schauspiel und Tanz – steht jedoch im Vordergrund
auch eine Absprache mit den Professoren und Dozenten der Universität, sodass
der Studienverlauf der Studenten nicht beeinträchtig wird und jede Studentin/
jeder Student optimal gefördert wird.
Bei allen Engagements ist es der Agentur und der Universität wichtig, dass es ein
für alle Seiten erfreuliches und positives Erlebnis ist – das geht von der vertraglichen Absicherung der Künstler und der Kunden bis zur Sicherstellung, dass alle
Details besprochen sind. Dafür ist eine Mitarbeiterin der Künstlervermittlung
gleichermaßen Ansprechpartnerin für die Studenten sowie für die Auftraggeber
und Veranstalter.
Die Folkwang AGENTUR schaut bereits auf einige erfolgreiche Jahre in der
Künstlervermittlung zurück und hat vielen Studenten der Folkwang Universität der Künste die Möglichkeit geboten, ihr Können zu präsentieren und dabei
durchaus auch Geld zu verdienen. Natürlich ist es der Folkwang AGENTUR ein
Anliegen neben der Freude über die hochwertige Kunst auch die Tatsache zu
vermitteln, dass Kunstschaffen seinen Wert hat und entsprechend entlohnt werden muss. Nur so können Kunst und Kultur sich auch in Zukunft entfalten.
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Seite 8
... die Leiterin eines Kulturbüros?
Ein Beitrag von Elke Sieber
Die Stadt Karlsruhe fördert Kultur und Kunst im Wissen um deren Bedeutung
für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Sie entwickelt dabei ein Profil, das
Traditionen bewahrt und Zukunftsperspektiven aufnimmt. Die zahlreichen und
herausragenden Kulturakteure in der Stadt - vom ZKM über das Staatstheater
Karlsruhe bis hin zu den soziokulturellen Zentren und Einzelakteuren - tragen
zu diesem herausragenden Kulturprofil bei. Das Kulturbüro mit seinen über 20
Mitarbeitenden, welches wie auch die Städtische Galerie, das Stadtarchiv und
die Stadtbibliothek dem Kulturamt angehört, beteiligt sich an der Entwicklung
eines qualitativen Kulturprofils der Stadt Karlsruhe und setzt sich dafür ein, das
kulturelle Leben zu sichern und auszubauen. Es berücksichtigt sowohl die Breite
als auch die Spitzenkompetenzen Karlsruhe.
„Die spannende Arbeit in der Kulturverwaltung: Gestalten, beraten, fördern“.
Elke Sieber Leiterin des Kulturbüros
Karlsruhe
Fördern und beraten, planen und veranstalten: Der Slogan des Kulturbüros
drückt schon sehr gut die dortigen Tätigkeiten aus. Das Kulturbüro ist die zentrale Förder- und Beratungsstelle für institutionelle und freie Kulturakteure in der
Stadt. Dazu gehören die administrative, projektbezogene sowie institutionelle
Finanzierung, die Beratung von Kulturakteuren hinsichtlich Räumen, Projektpartnern, Fördermöglichkeiten, Drittmittelerschließung, Infrastruktur, Vernetzung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit oder PR. Die Förderungen werden in der
Regel durch den Haushalt, politische Entscheidungen und gesellschaftliche
Entwicklungen bestimmt. Die Kulturförderung umfasst auch die Prüfung und
Bearbeitung von institutionellen und projektbezogenen Förderanträgen und
die Begleitung und Betreuung von Projekten der geförderten Einrichtungen.
Außerdem sind die Evaluierung und Auswertung der Ergebnisse, die Belegprüfung und Abrechnung sowie Kontrolle der Mittelverwendung inbegriffen. Dazu
kommen in erheblichem Maße die Betreuung baulicher Sanierungs-, Umbauund Infrastrukturerhaltungsmaßnahmen.
Eigene Veranstaltungen des Kulturbüros, wie beispielsweise die Karlsruher Wochen gegen Rassismus oder das KiX/JuX Kulturfestival der Kinder und Jugendlichen, werden in der Regel in Kooperation mit anderen Kulturakteuren und
städtischen Dienststellen durchgeführt und tragen zum Kulturprofil der Stadt
Karlsruhe nach innen und außen bei. Außerdem begleitet und unterstützt das
Kulturbüro Veranstaltungen der Kulturinstitutionen und Kulturakteure und tritt
als Partner von Veranstaltungen auf.
Des weiteren ist das Kulturbüro für die Planung, Entwicklung und Umsetzung
von Konzepten im Auftrag des Gemeinderats oder des Oberbürgermeisters
bzw. Bürgermeisters zuständig, wie beispielsweise das zurzeit in der Entstehung
befindliche Kulturkonzept der Stadt Karlsruhe. Das Kulturbüro ist neben der externen Dienstleistung im Bereich der Kulturförderung auch interner „Dienstleister“. Hier werden hauptsächlich Reden, Stellungnahmen und Antwortschreiben
verfasst. Außerdem ist das Kulturbüro die Koordinationsstelle für verschiedene
Gremien wie: Stiftungsrat ZKM, Verwaltungsrat Badisches Staatstheater Karlsruhe, Stiftungsrat Centre Culturel Franco-Allemand, Kulturausschuss, Kunstkommission, Forum für Kunst, Recht und Technik.
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... ein Hauptabteilungsleiter Klangkörper?
Ein Beitrag von Holger Kruppe
Um es vorweg zu nehmen: Alle die gedacht haben, hier würde nun ein neues Instrument der zeitgenössischen Musik inklusive Spielanweisung erläutert,
müssen (leider) enttäuscht werden. Dieser Begriff, oder sagen wir ruhig, dieses
typisch deutsche Wort-Ungetüm entspringt dem organisatorischen Vokabular
unserer öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten: so da wären der NDR, der rbb,
Deutschland Radio und Deutschlandfunk, Radio Bremen, der WDR und der HR,
der MDR und SWR und der SR und ganz im Süden der BR.
Davon haben einige „Anstalten“ Orchester, Big Bands, Chöre, Musikfestivals und
so manche „Spezial-Ensemble“ für Alte Musik oder Neue (zeitgenössische) Musik
u. a. m. und diese nennt man Klangkörper. Die jeweiligen Klangkörper (z. B. Sinfonierochester, Chor, Big Band etc.) einer Rundfunkanstalt sind in Abteilungen
und bei größeren Anstalten darüber in Hauptabteilungen organisiert.Organisatorisch leiten – das haben Sie sich sicher schon gedacht - die Abteilungen die
„Abteilungsleiter“ und die Hauptabteilung? Richtig! Die Hauptabteilungsleiter.
Holger Kruppe über seine Tätigkeit als
Hauptabteilungsleiter Klangkörper
Somit ist der Hauptabteilungsleiter der Klangkörper einer Rundfunkanstalt eine
Art Geschäftsführer für alles, was in einer Rundfunkanstalt Musik produziert.
Nach der umfassenden Begriffsbestimmung: „Musik ist eine vom Menschen
willentlich gestaltete akustische Erscheinung, die Informationen enthält und
Gefühle auslösen kann“, ist hier auch der breite Musikbegriff gemeint: also alles
was zwischen Renaissance und Zeitgenössischer Musik zu finden ist, ist damit
gemeint. Der Hauptabteilungsleiter stimmt sein Budget (das Geld, was er für
Personalkosten und alles andere – später näher erläutert) mit der Geschäftsleitung, dem/der Hörfunkdirektor/in ab.
Diese/r hat wiederum dieses Teilbudget mit dem Budget des Hörfunks in der
Runde mit den anderen Direktoren und deren Chef, dem Intendanten der Rundfunkanstalt abgestimmt. Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angedeutet, dass das Gesamtbudget einer Rundfunkanstalt durch Gebühren (und
zumindest z. Z. noch durch Werbeeinnahmen) erzielt wird, die wieder in der
Höhe von den Ministerpräsidenten der Länder genehmigt werden müssen.
Zurück zur Hauptabteilung Klangkörper.
Der Hautabteilungsleiter oder kurz der HA (es gilt in diesem Text für alle HA auch
die Summe der weiblichen HA’innen) genannt stimmt sein Gesamtbudget mit
den Abteilungsleitern (die gleiche Summenbezeichnung wie für HA) ab: dem für
den Chor, dem für den Kinderchor, für die Big-Band für das Sinfonieorchester,
für das Rundfunkorchester für die Konzerte, Festivals und Wettbewerbe und
anderen zahlreichen musikalischen Aktivitäten. Nachdem die Einzel-Budgets
abgestimmt sind, „tagen“ die künstlerischen Runden: der HA zusammen mit
den Abteilungsleitern und den künstlerischen Leitern. Diese haben, in der Regel
für zwei Jahre im voraus, ihre Programme entworfen und möchten nun die entsprechenden finanziellen Mittel, Ihre Ideen um zu setzen.
Um es kurz zu machen: wir gehen hier, wie in der BWL und VWL von Modellen
aus: unser Modell ist der künstlerische Leiter eines „Klangkörpers“ der mit den
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gegebenen Mitteln ein maximales musikalischen Ziel/Niveau des Klangkörpers
erzielt: in der Praxis finden hier durchaus – aber an dieser Stelle nicht näher
bezeichnete – hochengagierte Diskussionen zwischen den künstlerischen und
den organisatorischen Leitern statt......wie man sich denken kann und gelegentlich ja auch durch die schreibende Zunft Wikki-Leaks gemäß an die Öffentlichkeit kolportiert.Der Tagesablauf eines HA ist mit zahlreichen Sitzungen mit den
einzelnen Abteilungen seiner Hauptabteilung, aber auch mit zahlreichen vom
Hörfunk und dem Fernsehen, aber auch mit der Öffentlichkeitsarbeit der Rundfunkanstalt „verziert“.
Beispielsweise finden Gespräche über Fernsehproduktionen mit den Klangkörpern statt. Dies sind entweder Mitschnitte von Konzerten oder aber auch Reportagen über Tourneen oder Produktionen im Studio von Auftragskompositionen
der Rundfunkanstalt und deren Erarbeitung. Aber die Klangkörper produzieren
natürlich auch große „Sendestrecken“ –so nennt man die Zeit im Hörfunk und
Fernsehen - für den eigenen Sender oder das Archiv, für geplante und später gesendete Sendungen. Es geht bei der Planung also nicht nur um Geld und Kunst,
sondern auch um Zeit: wann muss was zu welcher Zeit fertig sein, damit die
geplante Sendung auch über die richtige Musik verfügen kann, die es ggf. noch
nicht auf CD oder Schallplatte auf dem Markt gibt.
Aber auch Wettbewerbe werden von den Rundfunkanstalten durchgeführt, die
dann von den Klangkörpern „begleitet“ werden. Dafür müssen Extra-Proben
mit jungen, noch nicht so erfahrenen Künstlern eingeplant werden, deren Leistungsstand zu der Zeit (also vor Bekanntgabe, wer den Wettbewerb gewonnen
hat) dem Klangkörper unbekannt ist. Und hier liegt der Teufel im Detail. Die
Klangkörper arbeiten nach besonderen Tarifverträgen, die auf die besonderen
Bedürfnisse solch spezieller Anforderungen der Arbeitsleistung: immer und
ständig auf Spitzenniveau (!!!) abgestellt sind.
Ohne auf die Kompliziertheit dieser Tarifverträge einzugehen kann man sich
leicht vorstellen, dass die Zeit für Proben und Aufführungen in der Woche limitiert ist. Limits sind immer kompliziert zu organisieren; und werden heiß umkämpft zwischen dem HA und der gewerkschaftlichen Vertretung der Klangkörper: den jeweiligen Chor- und Orchestervorständen. Das Ziel ist die Einigung
und der Weg ist steinig!
Ich fasse zusammen:
Das Budget, die Programmabstimmung mit Hörfunk und Fernsehen. Die Suche
nach den jeweiligen Leitern der Klangkörper aber auch die nach den Mitarbeitern der Hauptabteilung, die Programmabstimmung der Klangkörper untereinander in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen künstlerischen Leitern
und den Gastdirigenten/-leitern und wiederum mit den Solisten und deren
Engagement, dazu gehört auch das Aushandeln der Verträge, entweder mit
den Künstlern direkt oder mit deren Agenten, die dann von der Hörfunkleitung
und dem Direktor für die Finanzen in Zusammenarbeit mit der so genannten
„HoLi“ (der Hauptabteilung für Honorare und Lizenzen) abgezeichnet wird und
die Veranlassung der Überweisungen der Honorare unter der jeweiligen steuerlichen Besonderheit, die Koordination der künstlerischen Planung für Konzerte,
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auch die jeweiligen Orte und die organisatorische Zusammenführung von Buchungen der Konzertorte, Koordination des Verkaufs der Eintrittskarten/Abonnements und die entsprechende Werbung (hier können auch unterschiedliche
organisatorische Formen in den Rundfunkanstalten vorliegen: teilweise intern,
teilweise extern), sowie die rechtzeitige Erstellung der Jahresprogrammhefte
und der einzelnen Konzertprogrammhefte, alles geht über den Tische des HA.
Und da sind noch gar nicht innovative Projekte genannt, die ungewöhnliche
Musik an ungewöhnlichen Orten mit ungewöhnlichen Künstlern in ungewöhnlicher Aufführungsregie beinhalten. Es sei aber auch die Zusammenarbeit mit
der Tonträgerindustrie erwähnt, doch ist diese im Lauf der Jahre immer mehr
in den Hintergrund getreten. Nicht zuletzt und immer stärker zunehmend die
Akquisition von Sponsoren für die Realisation von Projekten außerhalb des Budgets und neuen Besuchergruppen in der gesamten Spreizung der menschlichen
Altersstrecke. Man sieht leicht, der Arbeitstag eines HA umfasst leicht 10-12 Std.
pro Tag und das Wochenende besteht aus „ganz normalen Arbeitstagen“. Mit
anderen Worten, wer nicht bereit ist, sich für die Sache auch selbst auszubeuten,
der sollte den Schritt auf einen solchen Posten überdenken.
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Wer ist eigentlich...
… Davide Martello?
Ein Beitrag von Carolin Jakob
Davide Martello‘s Ziel ist es mit seinem
Flügel alle Hauptstädte der Welt zu
bespielen.
© Foto: Willy Brüchle
Als ich diesen Sommer eine Freundin in Konstanz besuchte, fragte sie mich,
ob ich nicht Lust hätte auf die Konstanzer Fahrradbrücke zu gehen, um einem
Straßenmusiker zuzuhören. Sie erzählte mir, dass dieser bei den politischen Unruhen in der Türkei vor kurzem noch auf dem Taksim-Platz Klavier gespielt hätte
und jetzt wieder in Konstanz sei. „Ach ja!“ dachte ich mir, „Das sagt mir doch
etwas, davon habe ich gelesen.“ Wir setzten uns also, wie 200 weitere Menschen
(oder waren es noch mehr?), bei strahlendem Sonnenschein auf den Gehsteig
und lauschten den Kompositionen des Pianisten.Der junge Klavierkünstler heißt
Davide Martello und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in jede Hauptstadt dieser Welt zu reisen und dort mit seinem Klavier zu spielen. Davide Martello lebt
eigentlich in Konstanz und spielt auch dort des Öfteren bevor er sich dann erneut aufmacht, in die nächste „unbespielte“ Hauptstadt dieser Welt. Im Sommer
dieses Jahres war er zur Zeit der politischen Unruhen auch in der Türkei unterwegs. Über seinen Auftritt auf dem Taksim-Platz sagt er: „Es war eine allgemeine
Entspannung zu spüren: Keine Proteste, kein Gas, keine Steine.“ 1 Nach diesem
Auftritt war der Künstler in aller Munde, weil er mit Musik etwas erreichte, was
beispielsweise der Polizei vor Ort nicht gelang: Er brachte Ruhe in die Proteste
und bot den Menschen eine „Auszeit“.
Was bewegt einen Menschen, der sich vornimmt mit seinem Flügel - den er übrigens eigens für dieses Projekt umgebaut hat - durch die Welt zu reisen, um für
die Menschen dort seine Musik zu spielen? Und das, ohne Konzerthallen füllen
zu wollen, sondern ausschließlich um der Kunst willen? Nach seinem Auftritt in
Istanbul wurde ihm sogar ein Plattenvertrag angeboten, doch Martello möchte
„frei sein“ wie er selbst sagt und in dieser Freiheit kreativ sein und uneingeschränkt spielen können. In erster Linie geht es ihm bei seinen Reisen darum, die
Welt zu sehen und sich durch die einzelnen Länder und deren Hauptstädte für
seine Musik inspirieren zu lassen. Seit dem Auftritt auf dem Taksim-Platz fühlt er
sich nun jedoch auch ein wenig wie ein Botschafter. Durch sein Spiel konnte er
etwas Frieden in die angespannte Lage der Proteste bringen und die Menschen
positiv beeinflussen. Und das ist das Schöne dabei: Menschen zu erreichen, die
sich vielleicht vorher nie mit Klaviermusik beschäftigt haben und sie dann auch
noch damit zu berühren und zu begeistern. Ein Mann auf dem Taksim-Platz
sagte zu Martello, dass er für die Menschen dort über Nacht zum Nationalheld
wurde. 2 Dies mag vielleicht übertrieben scheinen, leugnen kann man anhand
der Ereignisse jedoch nicht, dass hier etwas Besonderes stattgefunden hat und
dies durch die Klaviermusik eines den Menschen dort Fremden ausgelöst wurde. Dies und viele weitere Erlebnisse werden es wohl sein, die Davide Martello
dazu bewegen, seine Musik für alle Menschen zugänglich zu machen – ohne
Konzertsaal und Eintrittsgelder, nur um der Musik selbst willen.
www.klavierkunst.com
1
Jung, J., Konstanzer Pianist auf Taksim-Platz: „Die Stimmung war gigantisch“, Spiegel Online GmbH(Hrsg.), online unter: http://www.
spiegel.de/panorama/leute/pianist-martello-spielt-auf-dem-taksim-platz-in-istanbul-a-905685.html Stand: 10.12.2013
2
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Siehe oben
Seite 13
... Craig Schuftan?
Ein Beitrag von Craig Schuftan
Schuftan, Autor, Broadcaster und Musikproduzent aus Sydney, Australien lebt seit
einiger Zeit in Berlin. Wissbegierig wie er ist, erforscht er neugierig Alles und jede
kulturelle Bewegung, die ihm vor die Nase kommt. Dabei lässt er uns alle an seinen
Entdeckungen teilhaben. Jeden Monat präsentiert er seine neusten Erkenntnisse im
Rahmen seines KulturKlubs im Cafe Tischendorf in Kreuzberg, hat mittlerweile aber
auch drei Publikationen veröffentlicht: The Culture Club (2007), Hey! Nietzsche! Leave Them Kids Alone! (2009) and Entertain Us! The Rise and Fall of Alternative Rock in
the 90s. 2014 geht er nun mit seinem Buch Hey! Nietzsche! Leave Them Kids Alone!
auf Lesetour in Deutschland. Den Inhalt des Buches erklärt er uns hier in ARTikel.
Craig Schuftan - setzt sich auf ganz individuelle Weise mit den Einflüssen der Romatik auf die Rock- und Popkultur außeinander
My name is Craig Schuftan, and I love misery. I love hopeless suffering and
thwarted desire, loneliness that drives you mad and love that kills. But I’m not
morbid or depressed, and there’s nothing really wrong with me. I just like pop
music a lot, and to like pop music is, as I’ve discovered, to develop a taste for
these things, and others besides; things like self-expression, individualism, the
superiority of feeling over thinking, the desire to escape society, the divinity of
sin, the tragic view of nature, ideal love, dying young, melancholy, medievalism
and mountains - big, big mountains.
These are some of the recurring themes and preoccupations of the last half century of rock and pop, from Phil Spector to Kanye West, from Bruce Springsteen
to Bright Eyes, David Bowie’s ‘Heroes’ to Depeche Mode’s ‘Personal Jesus’, from
the first lines of the first song on the first Weezer album, to the tune that plays in
the final scene of the final episode of the Sopranos. They also happen to be the
defining ideals and characteristics of romanticism, the artistic and philosophical
movement that dominated much of the nineteenth century. But what does that
have to do with rock and roll? The Romantic movement peaked somewhere in
between the start of the Napoleonic wars and the publication of Nietzsche’s
‘The Birth of Tragedy’. It was certainly well and truly over by the time rock music
arrived on the scene in the 1950s.
And yet, listening to the radio today, you wouldn’t know it. Romance is everywhere, on every singer’s lips, in every video clip and magazine photo shoot,
in every other word we use to describe or criticise music. Whenever we praise
an album for being ‘heartfelt’, or applaud a singer for sharing her innermost
feelings on stage, we’re employing a standard no-one would have thought to
apply to music or verse before the romantics came along. Romance is in love
songs, of course, but it’s also in a lot of places you’d never expect. Skrillex makes
party soundtracks for the masses, but he rarely looks like he’s having a good
time - the producer builds his personal mystique by adopting an air of sullen
detachment which hints at a secret sadness. The look is copped, ultimately, from
Lord Byron, who partied just as hard as any of today’s superstar DJs, but was also
very careful never to appear to be enjoying himself. Daft Punk pose as Futurists,
techno-cyborgs entertaining the masses from within a giant 3D pyramid. But
their world-view is as romantic as that of a 19th century lyric poet, and they love
technology about as much as William Blake loved factories. They’re obsessed
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with love, landscape, and in particular, childhood - their utopia lies not in the
future, but in the past.
Given that Romanticism originally developed and flourished as a response to a
very specific set of historical circumstances, the French Revolution, the expansion of industry and the growth of the middle-classes in Europe, the question is:
why do we still need it? Are artists and fans simply stuck in a historical rut, or do
the Romantics still have something important to say to us in the 21st century?
In 2009, I wrote a book called ‘Hey Nietzsche! Leave Them Kids Alone!’, in which
I set out to answer these questions. By taking key examples of romantic philosophy, poetry, music and painting, and comparing and presenting them side by
side with the work of artists like David Bowie, The Cure, The Smiths, The Buzzcocks, Siouxsie and the Banshees, Depeche Mode, Smashing Pumpkins, Weezer,
Bright Eyes and My Chemical Romance, I tried to demonstrate the extent of the
Romantics’ influence on popular music, and to show how an understanding of
romantic themes and ideas could enrich our understanding of contemporary
culture.
2014 auf Lesetour in Deutschland
Having returned from my travels in the nineteenth century I found that the world
I thought I knew looked slightly different. I heard new ideas and relationships
jumping out of the speakers, a new sense of the history that informs a song like
‘Heroes’ or ‘Born to Run’ or ‘Bohemian Rhapsody’, a new sense of excitement at
the demands being made in an album like Faith, The Queen Is Dead, Violator or
Siamese Dream. But I also realised that there were some more sinister implications behind pop music’s ongoing obsession with romantic themes. Because
we all know music is used today to sell things, not just products and lifestyles,
but also ideas and ideals, and romance is one of them. And while Romantic
art remains exciting, the philosophy behind it is nevertheless notoriously, and
perhaps dangerously flawed. Some fret about the 20 year nostalgia cycle, about
the seemingly unstoppable course of the 90s revival. I wonder whether this 200
year old retro trend, this craze for love, landscape and loss, is the one we ought
to be most concerned about.
www.craigschuftan.com
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Was ist eigentlich...
... ein Unternehmenstheater?
Künstlerische Leiter, Michael Bandt im Gespräch mit Andrea Barthelmeß
Seit über 28 Jahren spielt das Scharlatan theater. Es ist Deutschlands größtes Unternehmenstheater, mit Sitz in Hamburg und sticht durch das Spielen mit ganz neuen
Perspektiven und emotionalen Impulsen heraus. Im Jahre 1985 trifft Ali Wichmann
Deed Knerr und gemeinsam bringen die beiden ihr erstes Stück in der Hamburger
Markthalle auf die Bühne. Hier war die Idee geboren, Theater nicht nur als kulturelle
Ausdrucksform, sondern auch als Mittel der Kommunikation einzusetzen.
Interviewpartner ist Michael Bandt: Regisseur, Autor und Schauspiellehrer. Nach
Stationen an deutschen Bühnen, wie dem Schauspielhaus Hamburg, Kampnagel
Hamburg oder dem Bayerischen Staatsschauspiel München, prägt er heute als
künstlerischer Leiter das Scharlatan theater auf kreative und künstlerische Weise.
Außergewöhnliche Namensgebung - Scharlatan theater. Laut Duden ist
Scharlatan ein eher negativ definierte Persönlichkeit: „Jemand, der bestimmte Fähigkeiten vortäuscht und andere damit hinters Licht führt“.
Wie definieren Sie für sich den Begriff Scharlatan?
Ein Scharlatan ist immer einer, der eine Art andere Realität vorgibt – eine andere
Realität vortäuscht. Bei diesem Ansatz sind wir schnell bei dem Begriff Theater.
Ich beziehe dies immer auf den Möglichkeitssinn!
Michael Bandt, künstlerische Leiter des
Scharlatan theaters
Foto: Oliver Nimz
Wir, die Scharlatane, versuchen das Leben so darzustellen, wie es ebenso möglich sein könnte. Eben nicht den Wirklichkeitssinn zu stärken, sondern den
Möglichkeitssinn. Ein Scharlatan soll diesen Möglichkeitssinn aktivieren, weil
er damit prüft, wie die Realität auch noch sein könnte. In jedem unserer Stücke durchlebt die Hauptfigur eine Art Entwicklung und die Entwicklung wird
exemplarisch vorexerziert. Einer zeigt spielerisch den möglichen Weg, den das
Unternehmen plant, der gemeinsam bestritten werden soll. Und täuscht, spielt
also die zukünftig auch mögliche Realität vor.
Unternehmenstheater - was muss man sich genau darunter vorstellen
und wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus?
Eine Firma plant einen Change-Prozess. In diesem Fall tritt die Firma an uns
heran und informiert sich darüber, was wir dazu beisteuern können, um den
Veränderungsprozess für die Mitarbeiter und die Führungsebene möglichst angenehm zu gestalten. Hierbei begleiten wir die Unternehmen mit Theater und
künstlerischen Mitteln.
Wichtig allerdings: immer auf der Grundlage von Interviews, die wir zum einen
mit den Auftraggebern führe, zum anderen aber auch mit denjenigen, die die
Maßnahme letztendlich erleben und umsetzen werden. Also immer mit den
Betroffenen. Deren Meinungen, Ängste, Befürchtungen, Zweifel, deren Skepsis
werden in unseren Theaterstücken abgebildet. So, dass deren Wort, durch unsere Stimme auf der Bühne durchdringt. Dies ist ein elementarer Bestandteil
unsers Konzeptes.
Nach dem das Unternehmen uns gerufen hat, werden Interviews mit einzelnen
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Mitarbeitern geführt. Hierbei ist es Aufgabe des Unternehmens, fünf bis sechs
Mitarbeiter zu bestimmen, die interviewt werden sollen und damit helfen, die
problematischen Bereiche im Unternehmen herauszuarbeiten. Auf Basis der gemeinsamen Erarbeitungen entsteht dann ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Stück, mit dessen individuellen Problemstellungen.
Von diesen auserwählten Personen hängt die Qualität des Stückes ab, denn die
Personen sollten in der Firma geschätzt sein, aber genau so dafür bekannt sein,
dass sie ein offenes Wort pflegen. So dass tatsächlich die kritischen Situationen
ans Licht gebracht und angepackt werden können.
Wenn die Zuschauer, sowohl die Führungsebene als auch die Mitarbeiter dann
das Theaterstück sehen, ist immer deutlich zu spüren, dass sich die Zuschauer
extrem wertgeschätzt fühlen, weil ihre Stimmen in einem Theaterstück aufgenommen wurden. Selbstverständlich verfolgen unsere Auftraggeber, meist die
Managementebene, gewisse Ziele. Diese Ziele werden aber immer in die im
Vordergrund stehenden Befürchtungen und Ängste der Mitarbeiter eingebettet. Dies kann Theater sehr gut, weil es vielseitig perspektivisch Phänomene beleuchten kann ohne, dass sich der Zuschauer angegriffen bzw. befohlen fühlt.
Denn letztendlich bleibt es dem Zuschauer selbst überlassen, welche Botschaft
er aus dem Stück verinnerlicht.
Es gibt drei Formate, wie die Umsetzung in der Praxis erfolgen kann, die sich am
Grad der Beteiligung der Mitarbeiter unterscheiden.
Keine aktive Beteiligung am Stück findet sich im klassischen Unternehmenstheater wieder. Das auf Basis der Interviews entwickelte Stück wird von unseren
Schauspielern aufgeführt, aber es wird keine weitere Teilnahme der Mitarbeiter
verlangt.
Das Forumstheater (Theaterform entwickelt von Augusto Boal) fordert hingegen während des Stückes die Beteiligung der Zuschauer, der Mitarbeiter. Die
Szene wird zu Beginn im worst-case dargestellt. Folgend dürfen die Zuschauer
durch Zwischenrufe und das Einfrieren der Situation Verbesserungsvorschläge
einbringen und verhelfen dadurch letztendlich, die Szene zu einem best-case
Szenario, durch einen Entwicklungsprozess zu transformieren.
Den höchsten Grad an Beteiligung fordert der Theaterworkshop selbst. Mit den
Mitarbeitern wird ein Stück entwickelt und selbst gespielt. Oft haben diese Stücke eine inhaltliche Fragestellung, wie bspw. „Wo soll das Unternehmen in 10
Jahren stehen“. Durch das intensive Auseinandersetzten mit der Thematik wird
das Ziel verstärkt verinnerlicht.
Wie schaffen Sie es, dass die Mitarbeiter ihre Ängste und Zweifel im Unternehmen gerade Ihnen anvertrauen?
Das ist eine sehr große Herausforderung. Wir versichern, dass unsere Interviews
immer anonym bleiben. Informationen werden nicht aufgezeichnet, werden
zwar verschriftlicht, gehen aber nie personalisiert an den Arbeitgeber zurück.
Und auf der Bühne spielt nie eine personalisierte Person auf die man namentlich
oder durch Äußerlichkeiten auf die interviewte Person rückschließen könnte.
Niemand wird persönlich diskreditiert.
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Durch diese Versicherungen fangen die Mitarbeiter an Vertrauen zu fassen, die
sich dann Stück für Stück auf den gemeinsamen Erarbeitungsprozess ausweitet.
Häufig kommen auch Unternehmen auf Sie zu, wenn diesen große Herausforderungen bevorstehen. Was ist dann besonders zu beachten?
Der Hauptanker ist der Auftraggeber selbst. Er muss uns die Freiheit geben,
offen kritische Situationen anzusprechen. Nur dann besteht die Chance, die
Mitarbeiter zum Mitmachen zu bewegen und auch durch das Theater mitzunehmen. Im ersten Briefing appellieren wir daran, dass die Führungsebene den
Mut haben soll, Dinge kritisch ansprechen zu lassen. Dies ist im Endeffekt auch
der Schlüssel, damit die Mitarbeiter bereit sind es anzunehmen und zu öffnen.
Zweiter Schlüssel ist die Kommunikation immer über Komik erfolgen zu lassen.
Wir produzieren immer eine Komödie. Dadurch können wir Bewegung in einige
verfahrene Strukturen oder auch Konfliktlinien bringen. Wenn man darüber mal
wieder lachen und die Situation aus Distanz betrachten kann, entsteht wieder
ein aufgebrochener Blickwinkel auf die verfahrene Situation.
Lässt sich der Erfolg eines Unternehmenstheaters betriebswirtschaftlich
messen?
Dies ist sehr schwer zu messen. Der Erfolg passiert im Moment. Theater funktioniert im Moment. Man nennt die Kunst auch time-based media – eine Kunstform
die nur im Moment passiert. Wenn ich ein Bild haue, kann ich als Bildhauer die
Skulptur noch Jahre danach anschauen, aber Theater funktioniert so nicht - nur
im Augenblick. Schon eine Videoaufzeichnung ist eine 70 -80% Reduktion von
dem was beim Spielen passiert. Dies entspricht auch dem Erfolg, auch er ist im
Moment spürbar - man spürt, ob die Leute lachen, applaudieren oder Standing
Ovation geben. Erfolg betriebswirtschaftlich nach einem Jahr zu messen, ist
schwer für uns.
Unser Erfolg ist der Wandel, der in der Person geschieht. Die Botschaft, die der
Zuhörer persönlich aus dem Stück mitnimmt. Die Freiheit dessen, was der Zuschauer für sich aus dem Stück mitnimmt, ist gleichzeitig unsere Schwierigkeit
es messbar zu machen.
Gibt es Gegner dieser Art des Theaters – Missbrauch der Kunst für einen
betriebswirtschaftlichen Zweck?
Das trifft genau meine Zweifel, die ich selbst zu Beginn hatte. Ich habe damit
sehr lange gehadert, ob ich vermehrt im Bereich des Unternehmenstheaters
tätig werden möchte. Man versteht sich mehr als Arbeitgeber einer betriebswirtschaftlichen Zielsetzung. Bei mir fand dann der Paradigmenwechsel statt,
als ich gesagt habe:
Nicht Kunst statt Auftrag sondern viel mehr Kunst trotz Auftrag!
Vorher war ich der Meinung entweder ich mache Kunst oder erfülle einen Auftrag. Hierbei lag für mich eine ganz strickte Trennung vor. Nur wenn ich eigene
Stücke und eigene Bühnen gesucht habe, dann war das für mich Kunst. Aber
nun sag ich Kunst trotz Auftrag. Auch in einem Auftrag ist Kunst möglich. Unsere Stücke sind zudem auch sehr kunstfertig. Viele Stücke sind stark musikalisch.
Unsere Schauspieler müssen sowohl schauspielern als auch musizieren können.
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Erst als ich diesen Wandel gedanklich vollzogen hatte, konnte ich mich guten
Gewissens verstärkt im Scharlatan theater engagieren. Und das Besondere an
unseren Unternehmenstheatern ist, dass wir eine extreme Wertschätzung der
Mitarbeiter vermittelt bekommen, da es in de Stück ganz gezielt um sie und
deren Probleme geht! „Jemand hat sich so intensiv mit meinem Unternehmen,
mit meiner Problematik beschäftigt, dass er darüber sogar ein Stück geschrieben hat.“
Wenn man durch Spielen einen Wandel im Denken ermöglichen kann,
würde es dann nicht jedem von uns gut tun ‚spielender‘ durch das Leben
zu schreiten?
Hier möchte ich sehr gerne auf den Schriftsteller Friedrich von Schiller verweisen, der dies treffend in nur einem Satz erfasst: „Der Mensch spielt nur, wo er in
voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er
spielt.“
Herzlichen Dank Herr Bandt für das offene und sehr angenehme Gespräch.
Und wenn Sie, liebe Leser, sehen wollen, wie ein produziertes Stück aussieht,
schauen sie einfach in das Videomaterial des Scharlatan theaters:
http://www.scharlatan.de/
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Wussten Sie etwas über ...
... Aarhus Kulturhauptstadt Europas 2017?
Ein Bericht von Prof. Dr. Raphela Henze über ein Treffen mit der britischen Kulturmanagerin Rebecca Matthews und ein Plädoyer für die Internationalisierung des Kulturmanagements
Viele werden weder Aarhus noch Rebecca Matthews kennen. Das sollte sich
ändern! Aarhus ist mit 319.000 Einwohnern die zweitgrößte dänische Stadt
(nach Kopenhagen) und darf sich im Jahr 2017 mit dem Titel Europäische Kulturhauptstadt (gemeinsam mit Paphos auf Zypern) schmücken. Rebecca Matthews
ist diejenige, die Aarhus darauf vorbereiten und erfolgreich durch das Kulturhauptstadtjahr führen soll. Im August 2013, knapp zwei Monate nachdem die
gebürtige Britin ihr Amt als ‚Managing Director‘ der Stiftung Aarhus 2017 angetreten hat, war sie – trotz bereits vollen Terminkalenders – bereit, sich mit
meinen dänischen Studierenden und mir zu treffen und darüber zu berichten,
wie sie das relativ kleine Aarhus auf die kulturelle Landkarte zu heben gedenkt.
3 ½ Jahre hat sie Zeit für die Vorbereitung. Ein Jahr lang muss sie unter dem
Motto „Rethink“ eine Veranstaltung nach der nächsten (100 Projekte stehen bereits) für die erwarteten 4 Millionen Besucher anbieten. Und über 2017 hinaus
soll – so will es die EU, so wollen es die Stadtväter – nach Möglichkeit auch noch
was bleiben: gerne Touristen, ein Ruf als Kulturmetropole des hohen Nordens
mit einer kulturellen Infrastruktur die ihresgleichen sucht, gesteigerte Mobilität
europäischer Kulturschaffender und natürlich die unvermeidlichen Netzwerke.
2017 wird das Projekt offiziell ein Jahr alt sein. Inoffiziell hat das Vorhaben „Kulturhauptstadt“ aber bereits zehn Jahre früher begonnen. 2007 machten sich die
Stadtväter erstmals Gedanken über eine Bewerbung, um dann im September
2011 mit einem Programm-Vorschlag ins Rennen zu gehen. Kurz nachdem die
Stadt Ende August 2012 den Zuschlag erhielt, machte man sich auf die Suche
nach einer Person, die das Ganze fortan professionell vorantreiben wird. Daran, dass die Geisteswissenschaftlerin Rebecca Matthews (M.A. in Modern
Languages aus Cambridge) dieses – wohl umstrittenste – EU Projekt stemmen
kann, besteht nach wenigen Minuten des Gesprächs mit ihr kein Zweifel. Sie
bringt Berufserfahrung in einer Vielzahl von Institutionen und Ländern mit (u.a.
Sydney Opera, British Council). Die Dänen wussten, warum sie jemanden mit
einem derart internationalen Netzwerk ins Boot holten, obwohl es sicher viele
qualifizierte einheimische Bewerber gegeben hätte. Das Kulturhauptstadtjahr
ist ein europäisches Projekt mit – wie es häufig so schön heißt – internationaler
Strahlkraft. Hier braucht es „internationale Kulturmanager“, die fähig sind, sich
schnell in die Besonderheiten des Landes, in dem sie arbeiten, einzudenken –
und dies am besten schon in verschiedenen Kontexten geübt haben – darüber
hinaus aber ebenso in der Lage sind, über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus
Begeisterung zu entfachen. Das Beherrschen der Landessprache ist kein Muss
mehr, wie Rebecca Matthews, deren Dänisch rudimentär (aber ausbaufähig)
ist, beweist. Ihre, durch ihre Berufserfahrung durchaus schon vorhandenen,
Managementkenntnisse hat sie parallel zu ihrer Tätigkeit an der Oper an der
Australian Graduate School of Management noch weiter ausgebaut.
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Im Sommer 2013 war Rebecca Matthews mit ihrer Assistentin noch alleine. Zu
Hochzeiten sollen knapp 80 Personen an dem 67 Millionen € Vorhaben „Rethink“ mitwirken. Nicht alle werden extra dafür eingestellt. Die Stadt und die
Region stellen Mitarbeiter zur Verfügung, die für diese befristete Tätigkeit von
ihren eigentlichen Aufgaben freigestellt werden. Noch ist die Finanzierung der
Projekte nicht komplett gesichert. Hier wird noch viel Fundraising von Nöten
sein, um aus Plänen Realitäten werden zu lassen. Aber nicht nur die Suche nach
geeigneten Sponsoren wird das Team von Aarhus 2017 umtreiben, auch geht
es darum, die Menschen in der Stadt und der Region „mitzunehmen“, sie zu begeistern, begeisterte Gastgeber zu werden.
Schlagworte wie kulturelle Infrastruktur, Diversity und Kreativität lassen selbstverständlich auch bei der Vorstellung von „Rethink“ nicht lange auf sich warten.
Aarhus und Rebecca Matthews haben sich viel vorgenommen und wollen dies
nun u.a. in enger Kooperation mit der renommierten Universität vor Ort angehen. Im Gespräch mit der Kulturmanagerin wurde deutlich, welch eine Komplexität und wie viele Erwartungen mit dem Vorhaben Kulturhauptstadt verbunden sind. Es geht um mehr als das Abfackeln von Events, deren Wirkung früher
oder später verpufft. Es geht darum, die Potentiale einer Stadt zu erkennen, sie
zu präsentieren, aber auch sie zu ändern. Von daher hat das Vorhaben weitreichendere, insbesondere auch kulturpolitische Implikationen als man gemeinhin
annehmen könnte. Bleibt dem wachsenden Team um Rebecca Matthews zu
wünschen, dass viele Menschen 2017 und darüber hinaus den Weg nach Jütland
finden, um sich von den unzweifelhaft vorhandenen kulturellen Höhepunkten
inspirieren zu lassen.
Weitere Informationen finden sich unter:
www.aarhus2017.dk
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... die Kulturstiftung Hohenlohe?
Christian Schmierer im Interview mit Marcus Meyer
Marcus Meyer studierte nach seiner Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik an der Europäischen Medien und Eventakademie Baden Baden Betriebswirtschaftslehre mit Kultur- und Freizeitmanagement an der Reinhold-Würth-Hochschule in Künzelsau. Er arbeitete mit Justus Franz und der Philharmonie der Nationen, der
Bachwoche in Ansbach sowie dem Pasadena Roof Orchestra zusammen und ist seit
September 2013 Geschäftsführer der Kulturstiftung Hohenlohe.
Marcus Meyer Geschäftsführer der
Kulturstifung Hohenlohe
Was ist der Stiftungszweck der Kulturstiftung Hohenlohe und wie wird
dieser erfüllt?
Die Kulturstiftung Hohenlohe nahm 1994 ihre Arbeit auf. Ihr Ziel ist, das vielfältige kulturelle Leben Hohenlohes „über den Tag hinaus“ zu bereichern, zu
unterstützen und zu fördern. Dies geschieht insbesondere durch den „Hohenloher Kultursommer“ als Kulturangebot, das die historischen Gebäude der Region
durch Konzerte zu einem kulturellen Gesamterlebnis und letztendlich zu einem
Festival werden lässt. Neben anderen kulturellen Initiativen und Veranstaltungen verfolgt die Kulturstiftung Hohenlohe mit den Projekten „Internationaler
Wettbewerb für Violine“ und „Meisterkurs für Streicher“ insbesondere die Förderung des musikalischen Nachwuchses. In 2014 steht zum ersten Mal ein kleines Jazz-Festival mit Workshops und Konzerten im schulmusikalischen Bereich
auf unserer Agenda.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Hohenloher Kultursommer“?
Ein Festival! Ein Musikfestival, das 1987 mit der Idee gegründet wurde, eine
Region, die reich an Schlössern, Burgen, Kirchen und Klöstern ist, durch ein Kulturereignis zu verbinden und diesen kulturellen Reichtum erlebbar zu machen –
übrigens im gleichen Jahr gegründet wie das Schleswig Holstein Musikfestival,
das ein ähnliches Konzept verfolgt. Mittlerweile finden jährlich zwischen Juni
und September bis zu 70 Konzerte an über 40 verschiedenen Spielstätten in
Orten über 4 Landkreise verteilt statt. Historische Musik in historischen Räumen
ist die ursprüngliche Formel des Hohenloher Kultursommers. Im Kern ist das
immer noch so, aber über die Jahre hinweg ist z.B. auch die Sparte Weltmusik
hinzugekommen, was zum Teil auch folkig-poppige Töne möglich macht.
„Historische Musik in historischen Gebäuden“ ist wahrscheinlich nicht der
beste Ansatz, um junges Publikum anzuziehen. Wie gehen Sie mit dem
Thema „Audience Development“ um?
Für jeden Kulturbetrieb ein sehr wichtiges Thema. Das Ziel ist natürlich, ein
nachwachsendes Publikum zu generieren und jüngere Leute mit den Konzertangeboten zu erreichen. Der erste Ansatz, den ich hierzu verfolgt habe,
erfolgte über das Programm selbst. Gerade in der Sparte Weltmusik haben wir
bewusst junge Künstler, die teilweise gerade auf dem Weg zum Profi sind, mit
aufgenommen. Und das geht auch im klassischen Bereich. Ich denke, wenn das
Programm und der Auftritt frisch ist und nicht angestaubt wirkt, dann findet
sich auch ein jüngeres Publikum. Ich denke auch, dass jüngere Leute bei Musik
mehr und mehr zu Authentizität tendieren – und das bieten unsere Konzertprogramme auf jeden Fall. Auch medial erfolgreiche Künstler wie David Garret,
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Nigel Kennedy oder Lang Lang helfen dabei, Klassik im weitesten Sinne einem
breiten Publikum näher zu bringen, weil sie nicht „angestaubt“ sind. Im Sektor
Weltmusik sind die Grenzen zu Pop und Folk eh fließend – das zeigen Künstler
wie Helene Blum, Levantino, Passenger oder The Lumineers. Instrumente wie
Akkordeon, Geige, Banjo, Mandoline, Ukulele etc. halten Einzug in die Popmusik und „öffnen“ das Ohr. Heutzutage funktioniert viel über „lifestyles“, die sehr
vielfältig sein können und im Prinzip der Motor unseres Konsums sind. Das muss
auch der Kultur- und Festivalbetrieb erkennen und ich möchte es hier „livestyles“ nennen – die Live-Atmosphäre ist der beste Trumpf, den wir haben. Die
Verbindung von Kultur, Landschaft und Geschichte als Gesamtpaket in einem
Festivalgedanken ist meiner Meinung nach zukunftsträchtig und wird auch von
jungen Menschen zukünftig mehr nachgefragt. Ein weiterer Aspekt ist natürlich
kulturelle Bildung durch neuartige, attraktive Initiativen. Somit zielt unser JazzProjekt mit Workshops an Schulen auch auf Audience Development für den
Hohenloher Kultursommer ab.
Ist ein solches „Flaggschiff“ wie das Festival im Sommer für die Stiftung in
Bezug auf das Branding eher ein Fluch oder ein Segen?
Ohne den schnellen Erfolg des Hohenloher Kultursommers in den ersten Jahren
hätte es wahrscheinlich keine Kulturstiftung Hohenlohe gegeben. Man suchte
damals nach einer professionellen und rechtlichen Struktur, das Festival erfolgreich weiter führen zu können. Dafür wurde die Kulturstiftung Hohenlohe
ins Leben gerufen und fungiert seither als übergeordnete Trägerstruktur für
die einzelnen Projekte. Der Hohenloher Kultursommer ist dabei natürlich das
Aushängeschild und in gewisser Weise wahrscheinlich mehr eine Marke als die
Kulturstiftung selbst. Das ist aber - denke ich - nicht nachteilig – da fallen mir
spontan „Rama“ und „Unilever“ ein. Die Kulturstiftung Hohenlohe definiert sich
über ihre Projekte und Initiativen. Diese wiederum über ihre Formen, „live-styles“ und deren künstlerische Qualität. Das „Branding“, wenn Sie so wollen, fängt
für mich im „eigenen Haus“ an – bei jedem Konzert in jeder Stadt, Kommune,
Pfarrgemeinde oder in jedem Fürstenhaus, mit den Verantwortlichen, mit denen wir bei der Durchführung der Konzerte und Veranstaltungen zusammenarbeiten. Hier gilt es erkennbar zu machen, welchen Wert die jeweilige „Marke“
(Kultursommer, Violinwettbewerb, Meisterkurs) für die Region hat. Dann werden
die einzelnen Projekte attraktiv für lokale Sponsoren, Förderer und im Idealfall
davon ausgehend für überregionale Interessenten und für den Tourismus. Das
ist meiner Meinung nach bereits gut gelungen und soll weiter verfolgt werden.
Idealerweise befruchten sich die Projekte gegenseitig und stärken letztendlich
so das Branding der Stiftung.
Dass die vielen Projekte der Kulturstiftung Hohenlohe durch die Qualität
und Quantität einen beträchtlichen Finanzmittelbedarf aufweisen, liegt
auf der Hand. Wie ist das Finanzierungsmodell ausgestaltet?
Eigentlich fast lehrbuchmäßig möchte ich sagen. Ein Großteil des FundingMixes erfolgt über öffentliche Zuschüsse seitens des Landes und seitens der
Landkreise Hohenlohekreis und Schwäbisch Hall sowie über die einzelnen Gemeinden. Hinzu kommen private Gelder von Sponsoren und Spendern sowie
Förderbeiträge eines Förderkreises, der aus Privatpersonen und Firmen besteht.
Die finanzielle Unterstützung ist zum Teil projektbezogen. Somit ist eine geAusgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014
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trennte Kalkulation und finanzielle Zielplanung für die Projektinitiativen nötig.
Die Hälfte des jährlichen Etats des Hohenloher Kultursommers soll durch die
Ticketeinnahmen erzielt werden.
Was sind die Ziele für die nächsten Jahre?
Erfolgreich weiterarbeiten und nicht „verstauben“. Neue Initiativen anregen und
die Vernetzung der Kulturstiftung und ihrer Projekte weiter stärken, verankern
und profilieren. Und somit die finanzielle Grundstruktur sichern, um Weiterentwicklungspotentiale ausschöpfen zu können.
Herzliches Dankeschön Herr Meyer für die Zeit, die Sie sich für das Interview genommen haben!
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... über die Dauerausstellung „Faszination und Gewalt“
Ein Beitrag von Lisa Eisemann auf den Spuren der deutschen Geschichte
Die Masterstudierenden des Fachbereichs Kultur-, Freizeit- und Sportmanagement der Hochschule Heilbronn vom Standort Künzelsau begaben sich am
11.12.2013 auf eine Reise in die deutsche Vergangenheit.
Lisa Eisemann studiert an der Hochschule Heilbronn am Standort Künzelsau im
Masterstudiengang Kultur-, Freizeit- und
Sportmanagement.
Zunächst nahmen die Studierenden an einem Workshop in der Dauerausstellung „Faszination und Gewalt“ des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg teil. Inhalt der 1.300m² großen Ausstellung sind die
Ursachen, Zusammenhänge und Folgen der nationalsozialistischen Herrschaft,
die hauptsächlich in Verbindung zur Stadt Nürnberg chronologisch dargestellt
werden. Der Workshop, der unter dem Motto „Propaganda“ steht, beinhaltet
eine bildliche und schriftliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Teilnehmer werden dazu angeregt, sich in kleinen Arbeitsgruppen mit dem Begriff, seinem damaligen Verständnis und seiner Umsetzung zu befassen. Im Anschluss
an einen Workshop, können in einem der dafür vorgesehenen Seminarräume,
brisante Themen noch einmal besprochen werden, beispielsweise das heutige
Verständnis von Propaganda. Die Studierendengruppe hat hierbei definiert,
dass Propaganda eine Art Werbung mit einem bestimmten Zweck ist, meist mit
politischen Inhalten belegt. Es geht darum, Menschen auf der Gefühlsebene
anzusprechen und diese zu beeinflussen, vorwiegend unter Verwendung der
Massenmedien.
Die Teilnahme an einem Workshop im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist aufschlussreich und im Vergleich zu klassischen Führungen
sicher ein abwechslungsreiches Angebot – für Personen mit Vorwissen jedoch
möglicherweise zu grundlegend. Das vor zwölf Jahren eröffnete Museum könnte authentischer nicht sein, da noch heute riesige Baureste auf einem Areal von
circa elf Quadratkilometern an den Größenwahn des NAZI-Regimes erinnern.
Diese beeindruckende Kulisse bietet eine optimale Ausstellungsfläche und
setzt, durch ihre Konstruktion aus Glas und Stahl, nicht nur von innen, sondern
auch von außen ein weithin sichtbares architektonisches Zeichen. Insgesamt
kann hervorgehoben werden, dass das Doku-Zentrum ein empfehlenswertes
Museum ist, gekennzeichnet durch seine kaum vergleichbare Architektonik,
die ansprechende und gepflegte Aufmachung der Ausstellungsstücke sowie
die Einbindung diverser Medien und Lichteffekten. Ein Besuch des Memorium
Nürnberger Prozesse ist zusätzlich empfehlenswert, besonders in Kombination
mit einer Führung. Die Nürnberger Prozesse sind zwar auch Inhalt im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, jedoch werden hier am Originalpatz
die Vorgeschichte, der Verlauf und die Nachwirkungen der Verfahren vertieft
dargestellt. Zudem sind ausgewählte Objekte, wie beispielsweise Teile der originalen Anklagebank oder Ton- und Filmdokumente, Bestand des Museums.
Im Rahmen eines Ausstellungsbesuches kann auch der Schwurgerichtssaal besichtigt werden, jedoch ist dieser auch heute noch Ort der Rechtsprechung und
deshalb nur eingeschränkt zugänglich.
http://www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum/
http://www.memorium-nuernberg.de/index.html
Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014
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... Wagner Calling?
Ein Beitrag von Anja Krauth
Aus den Monitorboxen wummert „Boys Boys“ von Sebo & Madmotormiquel.
Die tanzende Menge wird wogenweise in seegrünes und ozeanblaues Licht
getaucht. Auf einer riesigen Leinwand bewegen sich im Rhythmus der Musik
Unterwasserpflanzen und Fischschwärme. Auf einer Tanzbühne spielen drei
sexy Piratenbräute anmutig mit einer goldenen Discokugel. Über ihnen erhebt
sich ein vier Meter hohes Gesicht, das via Mapping das Geschehen mit Argusaugen überwacht. Auf einmal öffnen sich die roten Lippen und sprechen
mit schallender Stimme zur Partycrowd: „Im ewigen fließenden strömenden
Rhein...lagert das Rheingold...funkelt sein Schein“. Kurz darauf wechselt der DJ
Steve Senderos zum nächsten Track. Die Menge dankt es ihm mit lautstarkem
Stampfen und Pfeifen...
Am 3. August 2013 fand vor über 1000 Gästen „Wagner Calling. Ein Discomärchen“ in der Bayreuther Stadthalle statt. Dazu wurde das mondäne Theaterhaus
in eine Club- und Märchenlandschaft auf mehreren Areas umgestaltet. Auf der
Hauptbühne erzählten zur Primetime um 23 Uhr farbige Discoeffekte, bewegte Live-Visuals, surreales Mapping, fantasievolle Dekorationen und glitzernde
Show-Acts zusammen mit der Musik eine Geschichte - und zwar Auszüge aus
dem „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner. Auf weiteren Floors und an
Themenbars, die zu Originalschauplätzen aus Wagners größtem Musikdrama
umgestaltet wurden, konnten sich die Gäste ebenfalls amüsieren und austauschen. Da gab es das goldene „Göttermahl auf Walhall“, den grünen „Garten
der ewigen Jungend“ oder den blauen „Weisheitsbrunnen“. Die Firma dj-sets.
com GmbH aus Bayreuth bereitete zum Start der Bayreuther Festspiele Wagners
Heldenepos discoadäquat auf und schaffte damit erstmals eine Nische für junge
und jung gebliebene Erwachsene, die Partypeople.
„Elektronische Tanzmusik als universeller Schlüssel“, erklärt Mareike Dünkel,
kreativer Kopf von Wagner Calling und Erfindern vom Format Discomärchen.
Doch wie kommt man auf die Idee, Wagners gewaltige Musik mit Deep-HouseKlängen zu verbinden? „Wagners Musikdramen sind voll von Leitmotiven. Das
sind kurze Tonfolgen, die für Figuren, Gegenstände und Gefühle stehen. Da
gibt es das Drachenmotiv, die Liebessehnsucht oder das Rheingold. Nimmt man
nun diese kurzen Tonfolgen und unterlegt sie mit pumpenden House-Beats, erschafft man eine völlig neue Perspektive auf Wagners Heldengeschichten. Bühne und Zuschauerraum vermischen sich dazu im bunten Glanz der Lichteffekte.
Visuals nehmen die Gäste mit auf eine Reise. Schlüsselszenen werden durch
glitzernde Live-Acts vermittelt. Die Story kann durch Melodien, Rhythmus und
Farbstimmungen erfühlt und durchs Tanzen reflektiert werden. Der tanzende
Zuschauer wird somit Teil der Inszenierung.“
Für Urmutter Erdas Stimme wurde extra die schönste Stimme Bayreuths gecastet. Ein Marketingschachzug, mit dem schon Wochen vorher auf das großangelegte Schnittstellen-Projekt aufmerksam gemacht wurde. Das gigantische Gesicht und die riesige Leinwand bespielten am Abend die Münchner VJs Betty Mü
und Hiltmeyer.Inc. Neben insgesamt 9 House und HipHop-DJs legte außerdem
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der Weltstar und House-DJ Boy George als schillernder Paradiesvogel und Publikumsmagnet für ältere Party-Jahrgänge auf. Des Weiteren kamen traditionelle
chinesische Drachentänzer, tollkühne Parcour-Akrobaten und professionelle
Gogo-Tänzer zum Einsatz. Draußen
vor der Stadthalle wurde mit kostümierten Statisten, riesigen Requisiten und
farbenfrohem Mapping das Intro zum Disco-Ring geschaffen. Bayreuth ist
weltbekannt durch Richard Wagner und die Bayreuther Festspiele. Wagners
Heldengeschichten um Siegfried, Brünnhilde und die Nibelungen wurden und
werden bis heute immer wieder gerne aufgegriffen, wie beispielsweise auch im
letzten Tarantino-Film „Django“. Mareike und ihr Mann Norbert hegten schon
seit langer Zeit die Idee, etwas zur Festspielzeit zu machen für junge Erwachsene und in Kombination mit elektronischer Tanzmusik. Warum also nicht zum
200. Geburtstag eines der größten Komponisten? Das Konzept „Wagner Calling.
Ein Discomärchen“ wurde Anfang des Jahres geboren.
Was Richard Wagner zu dem bunten Treiben gesagt hätte, kann man nur erahnen. Vielleicht hätte er es sich sogar träumen lassen, denn bekannt als bunter
Hund und Genussmensch, stand er schon zu Lebzeiten für das Extravagante
und den Fortschritt. Wagner Calling soll auf alle Fälle wieder stattfinden. Für die
Zukunft sieht Mareike die Spielstätte allerdings nicht mehr im Theaterhaus, so
sehr sie die ganze Bühnentechnik auch reizt. „Ich will dahin, wo das Discomärchen seinen konzeptionellen Ursprung hat: in die Disco. Einfach um völlig barrierefrei am Besucher zu sein und auch aus organisatorischen Gründen. Man kann
halt echt nur mit schlechtem Gewissen um vier Uhr früh aufhören, wenn man
wochenlang deswegen kaum geschlafen hat!“
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... das Green-Hill-Festival in Birkenfeld?
Alexandra Enderle im Interview mit Moritz Fricke
Schon im Dezember geht es wieder los, die Line Ups für die Festivalsaison 2014 werden bekannt gegeben. Rock am Ring und Rock im Park sowie Southside Festival und
Hurricane Festival sind in dem Bereich wohl die bekanntesten Player in Deutschland.
Aber neben den großen und bekannten Festivals gibt es tausende von kleinen Musikfestivals aller Genres, von denen man vielleicht schon mal gehört hat und andere,
die sich nur regional einen Namen gemacht haben. Fest steht aber: der Festivaltrend wächst und in den Sommermonaten hat man jedes Wochenende freie Wahl
auf eines der Festivals zu gehen. Auch in Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) gibt es jährlich
ein Festival, das Green-Hill-Festival. Dieses Festival findet auf dem Grünen Hügel am
Umweltcampus Birkenfeld der Fachhochschule Trier statt und ist komplett von Studierenden organisiert.
Green-Hill-Festival Birkenfeld
Warum Green Hill? Seid ihr ein grünes Festival und was bedeutet „grünes“
Festival eigentlich?
Ja, das sind wir eindeutig. Als Studierende des Umwelt-Campus Birkenfeld lernen wir wie wichtig die Umwelt ist. Somit liegt es uns am Herzen, das Festival
klimafreundlich und nachhaltig zu gestalten. Wir bekommen unseren gesamten
Strom aus Photovoltaik und aus dem nah gelegenen Biomassekraftwerk. Wir
verwenden ausschließlich Mehrwegbecher.
Besteck und Teller sind aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Hierdurch
wollen wir größere Mengen Abfall vermeiden. Neben generellem Natur- und
Gewässerschutz und Mülltrennung sorgen wir beispielsweise auch dafür, dass
ausreichend Bus- und Bahnverbindungen am Veranstaltungstag zur Verfügung
stehen. Für alle, die trotzdem mit dem Auto anreisen möchten, haben wir ein
innovatives Parkleitsystem entwickelt: Es funktioniert über eine SmartphoneApp und zeigt den Autofahrern in Echtzeit, wo noch Stellplätze verfügbar sind.
Damit soll vermieden werden, dass ein Verkehrschaos überhaupt entstehen
kann. Dies alles geschieht in Zusammenarbeit mit „Sounds for Nature“, ein eingetragener Verein und Ableger des Bundesamtes für Naturschutz, der nachhaltige Festivals zertifiziert.
Das Ziel ist die Auseinandersetzung mit „Natur und Umwelt“ im Kontext mit
Livemusikveranstaltungen und auch anderen Events. Das Green Hill Festival hat
deswegen einen Leitfaden anhand der Sounds for Nature - Richtlinien entwickelt, um den Ansprüchen eines modernen, ökologischen Festivals gerecht zu
werden. Zur dritten Ausgabe des Green-Hill-Festivals in 2013 wurde uns das Umweltzertifikat von „Sounds for Nature“ verliehen. Das proklamierte, mittelfristige Ziel des Festivals ist es, CO²-neutral zu werden, was auf deutschem Boden
einmalig wäre.
Wie läuft die Organisation eines solchen Festivals ab?
Ganz zu Beginn suchen wir motivierte, engagierte Studierende. Dies geschieht
über eine Ausschreibung des AStA (Allgemeiner Studierenden Ausschuss). Hiernach gibt es erste Sitzungen, um den „Frischlingen“ die Idee hinter dem Festival
und den Ablauf zu erläutern. Bisher hatten wir das Glück, dass sich immer „alte
Hasen“ bereit erklärten die Leitung zu übernehmen, da ein solches Festival wirk-
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lich viel Übersicht und Planungsgeschick erfordert. Die Studierenden überlegen
sich daraufhin in welchem Bereich sie ihre Stärken sehen und wo sie sich engagieren möchten. So gibt es Teams von Bandbetreuung, Platzlogistik, Werbung
und Sponsoring über Internetpräsenz bis hin zu Controlling und Finanzen. Die
Bandplanung wird gemeinsam diskutiert und entschieden.
Jedes Team erstellt eine Kalkulation und diese werden als Gesamtfinanzplan
zusammengefügt und erörtert. So erarbeitet jede Gruppe ihre eigenen Ziele,
wobei zumeist jede Gruppe von einem Teammitglied, dass bereits bei der Organisation mitgewirkt hat, angeleitet wird. Besonders wichtig sind die Absprachen
mit den zuständigen Behörden bzgl. Ausnahmegenehmigungen und Sicherheit. Um alle Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen, erarbeiten wir jedes Jahr
ein Sicherheitskonzept. Dieses wird mit dem Sicherheitsunternehmen, Polizei,
Feuerwehr und Jugendamt abgesprochen. Durch das Zusammenspiel von Erfahrung und frischen Ideen entsteht jedes Jahr ein neues, einmaliges Festival.
So entwickelt sich Jahr für Jahr auch unser Besucherkreis und wir hatten nun
bereits Gäste aus den Niederlanden, Österreich und Hamburg vor Ort. Über
Facebook und unsere Homepage erreichen wir mehrere tausend Menschen.
Die Besucherzahl variiert je nach Jahr und Wetter. So hatten wir bis zu 4000
Besucher in 2011 als Jupiter Jones Headliner waren.
Wie kommt ihr an die Bands? Welche Bands fragt ihr bevorzugt an? Fördert
ihr lokale Künstler oder wollt ihr auch an die „großen Fische“?
Zuerst einmal geht es vor allem darum, den Musikgeschmack der Studierenden
zu treffen. Wir informieren uns bei Musikredakteuren und Booking Agenturen
über „aufstrebende Stars“ und lassen uns Vorschläge aus allen Musikgenres unterbreiten. Aus den gesammelten verfügbaren Bands suchen wir dann, passend
zu unserem Budget, einen bunten Musikmix. Meist war es so, dass 1-2 überregional bekannte Bands als Headliner gewonnen werden konnten und das Rahmenprogramm wurde von lokalen Bands abgerundet. So konnten bekannte
Bands wie Jupiter Jones, Pohlmann, Jamaram, Prinz Pi und Grossstadtgeflüster
für unser Festival begeistert werden.
Werdet ihr auch in 2014 wieder ein Green-Hill-Festival veranstalten?
Es ist geplant auch 2014 wieder ein Green-Hill-Festival zu veranstalten. Momentan stecken wir mitten in der Band- und Terminplanung. Alles Neue und Wichtige könnt ihr unter www.green-hill-festival.de erfahren.
www.green-hill-festival.de
Vielen Dank für das nette Gespräch!
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... über die Kunst des Tätowierens?
Daniela Maier im Interview mit Daniel Berner, Tätowierer aus Friedrichshafen
„Das tolle an der Kunst ist, dass sie nur dir gehört. Sie ist nicht handelbar,
sie ist persönlich!“
Die Kunst des Tätowierens ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern es gibt sie schon
seit ewigen Zeiten. Selbst die alten Ägypter nutzten Tätowierungen, um den Gottheiten zu huldigen. Ötzi, der vor über 5000 starb, ist der älteste Mensch, der mit Hautkunst gefunden worden ist. Es gibt Hinweise, dass sich in jeder Kultur das Tätowieren
individuell entwickelt hat. Jedoch ist es heutzutage gesellschaftlich immer noch
nicht voll akzeptiert und aus sozialrechtlicher Sicht sind Tätowierer keine Künstler
und haben somit auch kein Anspruch auf die Künstlersozialversicherung.
Daniel Berner, 24 Jahre alt, hat eine Ausbildung als Schreiner gemacht und danach
eine Produktdesignschule besucht. Durch die Tätigkeit als Technischer Zeichner und
Schreiner wurden ihm seine handwerkliche Geschicklichkeit und seine Leidenschaft
für die Kunst des Tatöwierens immer bewusster. Nach einer gewissen Zeit als Projektleiter in einer etablierten Firma am Bodensee, entschied er sich dann, etwas ganz
Neues anzufangen.
Daniel Berner, Tätowierer aus Friedrichshafen, beim Stechen.
Was hat dich dazu bewegt den Job als Projektleiter gegen den als Tätowierer einzutauschen?
Durch die moralischen Gewissensbisse, die ich in der Industrie hatte, konnte ich
die Arbeit nicht weiter mit mir vereinbaren. Die Schreinerei hatte mir schon damals aufgezeigt, wie gut mir gestalterische, handwerkliche und kreative Tätigkeiten liegen und gefallen. Tattoos waren schon immer ein Thema, mein erstes
hatte ich schon mit 15 Jahren. Die Beweggründe waren letztendlich die äußeren
Einflüsse durch Punks, Skateparks und natürlich die Musik, die mich inspiriert
hat, wie zum Beispiel Parolen „I wear my heart on my sleeve“.
Wie lief deine Ausbildung als Tätowierer ab?
Es gibt ja keine Ausbildung im klassischen Sinne, sondern es ist eher eine traditionelle Ausbildung. Die Erfahrungswerte und das Wissen werden vom Lehrer an
den Schüler weitergebeben. „Learning by doing“ sozusagen. Ich bin im meinem
zweiten Lehrjahr, von insgesamt drei. Das erste halbe Jahr habe ich zugeschaut,
geputzt und gezeichnet. Dann habe ich langsam angefangen Kundengespräche
zu führen und Termine zu vereinbaren. Ab dem Zeitpunkt durfte ich ein paar
meiner Freunde unter Aufsicht tätowieren und nachdem die ersten Ergebnisse
schon sehr ordentlich waren, kamen meine ersten kleinen Kundenaufträge.
Was fasziniert dich an deinem Beruf?
Der Fokus in meinen früheren Berufen verkörperte den Zeitgeist und das Weltbild von heute. Alles ist hektisch, kapitalorientiert, konsumorientiert und kurzlebig. Dadurch ist die Frustration sehr hoch und man ist irgendwann emotional
geschädigt. Ich habe nach dem Gegenteil gesucht- nach Beständigkeit-und es
gefunden. Nichts auf der Welt bleibt für immer, aber Tätowierungen bleiben.
Und genau wie du selber, verändern sie sich mit dir! Das ist die Faszination. Es ist
die ehrlichste und höchste Kunstform die es gibt, du kannst nichts korrigieren
und Fehler können nicht rückgängig gemacht werden. Man muss zu jeder Zeit
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absolute Konzentration beim Stechen zeigen. Tätowierungen sind ein künstlerisches exklusives Handwerk, nicht pure Kunst.
Du bist selbstständig. Wie denkst du über die Künstlersozialversicherung
und davon, dass Tätowierer sie nicht bekommen?
Für Künstler ist das eine feine Sache. Jedoch werden Tätowierer und Goldschmiede nicht als solche angesehen. Die neue Ära von Tätowierern haben oft
studiert und werden trotzdem weniger geschätzt und weniger seriös als andere
Künstler angesehen.
Ich arbeite 13 Stunden am Tag, morgens entwerfe ich, danach tätowiere ich bis
das Studio schließt und abends tusche ich noch. Es ist schade, dass das nicht
honoriert wird.
Werden Tattoos in der heutigen Gesellschaft akzeptiert oder haben sie
immer noch ein verruchtes Image?
Sie werden immer mehr akzeptiert und sind kommerzialisiert. Es ist wie ein
Schrei nach Befreiung, der gesellschaftliche Druck wird immer größer und keiner wird ihm mehr gerecht. Somit ist das Tattoo eine Ausdrucksform der Persönlichkeit. Tätowierungen werden immer legitimer und gesellschaftsfähiger.
Skizze als Vorarbeit
Sind Tätowierungen nur Modeschmuck oder Kunst?
Das muss man für sich entscheiden. Für die meisten ist es heute eher Modeschmuck, früher war es ein Statement. Es war der Ausdruck für Randgruppen
und Individualisten wie Rocker, Punker und Skinheads. Dafür ist heute die
Qualität gestiegen und Tätowierungen bekommen viel mehr Aufmerksamkeit
durch den Fortschritt. Aber der Fortschritt hat auch immer seine Sonnen- und
Schattenseiten.
Verfällt Kunst dadurch, dass jeder Tätowierer werden kann?
Nein natürlich nicht. Umso mehr talentierte Tätowierer es gibt, desto höher wird
die Qualität der Szene und desto mehr Akzeptanz findet es in der Gesellschaft.
Davon profitiert jeder. Kunst ist Ästhetik. Bilder von Van Gogh wird man niemals
so auf die Haut tätowiert bekommen, wie es auf der Leinwand möglich ist, da die
Farbe nicht so in der Haut bleibt. Ein Van Gogh ist bei näherer Betrachtung ein
Mosaik und bei der gesamten Betrachtung fügen sich dann die Puzzleteile zu
einem Bild zusammen. Das wird eine Leinwand immer besser darstellen. Jedoch
gibt es auch Fälle, die auf der Haut besser als auf der Leinwand aussehen. Durch
die konvexen und konkaven Körperformen kann man Tattoos hervorheben und
somit Bilder wirkungsvoller auf der Haut aussehen lassen wie sie z.B. auf einer
Leinwand wären.
Tusche-Zeichnung
Wie wichtig ist Kreativität in deinem Beruf und inwieweit kannst du sie
ausleben?
Kreativität ist in meinem Beruf natürlich super wichtig. Aber der Spielraum ist
unterschiedlich. Du musst die Balance zwischen Kundenwunsch und deiner eigenen Ästhetik finden. Der Kundenwunsch muss zu dir passen und du musst ihn
erfüllen können.
Zeichnest du die Motive selber oder am Computer?
Ich zeichne alle Motive selber und das ist mir auch sehr wichtig und das, was mir
an dem Job auch den meisten Spaß macht. Am liebsten Zeichen ich mit Papier
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und Bleistift, aber wenn man grafische Elemente mit in das Bild einbeziehen
möchte, ist ein PC ab und zu schon sehr hilfreich.
„Die Haut ist eine Leinwand“. Was hälst du von dem Statement?
Damit muss man vorsichtig sein, wenn man die Gelegenheit bekommt, völlig
frei zu arbeiten, ist das natürlich eine Ehre und super. Doch das kommt wirklich
auf den Kunden an und wie gesagt, ich sehe mich eher als exklusiver Handwerker der individuelle Kundenwüsche umsetzt und nicht als Künstler
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Das Kunstwerk am Mensch
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Worum geht es eigentlich in ...
... „Wie überlebe ich als Künstler“?
Besprechung eines Buches und der Reaktionen, die es hervorrief von
Prof. Dr. Raphaela Henze
Ina Ross unterrichtet an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst-Busch
Projektmanagement und Marketing für Künstler. Allein das ist schon bemerkenswert, denn nur wenige der zahlreichen Kunsthochschulen in Deutschland
bieten solche Kurse überhaupt an. Dass diese Abstinenz Gründe hat, beweisen
die sehr unterschiedlichen Reaktionen auf ihr im Jahr 2013 erschienenes Buch
„Wie überlebe ich als Künstler? Eine Werkzeugkiste für alle, die sich selbst vermarkten wollen.“ Ina Ross hat – so mutet es an – ihre Vorlesung verschriftlicht
und zwischen zwei Buchdeckel gepackt. Offensichtlich herrscht in Berlin ein lockerer Umgangston, denn dass die Leser geduzt werden, ist für Außenstehende
anfangs doch eher etwas befremdlich.
Der geneigte Künstler ( aber auch für Studierende anderer Fachrichtungen etwa
des Kultur- und Medienmanagements kann die Lektüre zumindest zu Beginn
des Studiums durchaus wertvoll sein) erfährt hier etwas über das Schreiben von
Pressemitteilungen, den Sinn und Unsinn von Newslettern, über Sponsoring
und Crowdfunding. Alles erfrischend, gut verständlich und motivierend. Richtige Marketing-Profis werden hier allerdings nicht mehr viel finden, das ihnen
nicht bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Nun aber zurück zu den Reaktionen auf diese Veröffentlichung aus dem
transcript Verlag. Wer meint, dass der Ansatz, angehende Künstler frühzeitig auf
eine Existenz jenseits der etablierten Häuser und der Festanstellung vorzubereiten, einhelliges Lob erfährt, irrt. Dies verwundert insbesondere in Anbetracht
der immer wieder genannten Zahlen und Fakten, die eine solche Existenz für
viele – aber mit Blick auf die Bewerberzahlen an Kunsthochschulen offensichtlich
(und vielleicht auch dankenswerterweise) nicht für alle – wenig attraktiv erscheinen lassen (die Künstlersozialkasse taxiert das Einkommen eines freiberuflichen
Künstlers auf ungefähr 950 € im Monat). Vorneweg: dass ein Buch besprochen
wird, wenn auch kontrovers oder gar negativ, ist definitiv nicht immer etwas
Schlechtes (vielleicht wird Ina Ross in eine Neuauflage auch noch einen Absatz
zum Umgang mit Negativ-PR aufnehmen).
Von einer Besprechung in der FAZ, wie sie diesem Buch im Dezember 2013 zuteilwurde, können viele Autoren nur träumen. Zeigt die Resonanz in diversen
Foren doch, dass die Autorin einen Nerv getroffen hat. Und offensichtlich ist
dies der Nerv mehrerer Kunsthochschulen und der dort Lehrenden selbst. Es
scheint, als wolle man sehr bewusst verhindern, dass Studierende zu frühzeitig
beginnen, dem schnöden Mammon zu huldigen. Verständlich ist, dass an aller
erster Stelle die Konzentration auf die Kunst und auch der Glaube an die eigenen
Fähigkeiten stehen soll. Die Kunsthochschulen sollen ihr „Handwerk“ vermitteln
und das ist mit Sicherheit nicht als Kernkompetenz das Management oder gar
das Marketing. Darf dies aber gleichzeitig bedeuten, dass man die Augen vor
der Realität so komplett verschließt?
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Die Untersuchungen zu Künstlerkarrieren sind Legion, die daraus resultierenden Negativschlagzeilen – bis hin zur Forderung doch junge Menschen vor
sich selbst zu schützen und die Hälfte dieser Institutionen glatt zu schließen –
ebenso. Würde es den zahlreichen Kaderschmieden (interessanterweise haben
viele große Künstler nie eine solche besucht) nicht vielleicht doch gut zu Gesicht
stehen, sich Gedanken um die Zukunft derjenigen zu machen, die sie ausbilden?
Wäre das nicht sogar ihre Pflicht?
Fazit: Das Buch ist gut, weil es insbesondere Einsteigern eine Hilfe bei den ersten
Schritten im (Selbst-)Marketing ist. Es ist noch besser, weil es eine Diskussion
angestoßen hat. Mit welch ideologischem Ballast und in welcher Schärfe diese
in diversen Foren geführt wurde, ist jedoch erstaunlich.
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Was ist sehenswert...
... WHAT HAPPINESS IS. Ein Film von Harald Friedl
Ein Beitrag von Angelina König
Wie misst man eigentlich Glück?
„Was brauchen Sie persönlich, um richtig glücklich zu sein?“, beginnt der GlückForscher seinen Katalog. Die Beamten des Ministeriums für Glück sind insgesamt
acht Monate lang unterwegs, um mit dicken Fragebögen das Glück im Land zu
ermitteln. Dieses weltweit einzigartige Projekt soll den Status Quo ermitteln:
Wie ist es um das Glück der Bhutanerinnen und Bhutaner bestellt?
Bis 1961 war Bhutan vollkommen isoliert – tief im Himalaya gelegen, eingeklemmt zwischen Indien und China, zwischen eisigen Bergen im Norden und
dichtem Dschungel im Süden. Ein Land so groß wie die Schweiz, mit 700.000
Einwohnern, davon 70% Bauern. Über 80% des Landes liegen auf über 2.000
Meter Höhe.
Nun will sich das das Land Bhutan der Welt öffnen, ohne jedoch dem Materialismus zu erliegen. Es will sich modernisieren, ohne seine Seele zu verkaufen.
Maßstab für die Entwicklung ist „Gross National Happiness“, das Bruttonationalglück, das anhand eines Fragebogens mit an die 1.000 Fragen ermittelt werden soll. Die Fragen befassen sich mit Wünschen, Sehnsüchten, Infrastruktur,
Spiritualität und Psychologie. Es geht um das Leben, insbesondere das Private.
Jede Befragung nimmt drei Stunden in Anspruch. 7.000 Fragebögen sind im
Umlauf und werden mit zufällig ausgewählten Einwohnern von Bhutan durchgearbeitet.
‚WHAT HAPPINESS IS‘ aktuell im Kino zu
sehen
Der Filmemacher Harald Friedl gibt mit seiner Dokumentation nicht nur Einblick
in dieses erfrischende Projekt, sondern vor allem auch in das Königreich Bhutan.
Pressestimmen:
„Ein sensationeller Film“ (radioeins rbb)
„… Momentaufnahme einer fast schon utopisch wirkenden Gesellschaft.
Gerade das macht sie für einen des Kapitalismus müden Westler so faszinierend…“ (PROGRAMMKINO.DE)
„What happiness is“ läuft aktuell in folgenden Kinos: Duisburg, filmforum |
Düsseldorf, Atelier Kino im Savoy-Theater | Freiburg, Friedrichsbau Lichtspiele
GmbH & Co. KG | Hannover, Apollo | Mosbach-Neckarelz, Filmwelt Mosbach
Neckarelz
Weitere Informationen unter:
www.whathappinessis.de
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... „Fremde Kinder“ und „Mädchengeschichten“.
Ein Beitrag von Alexandra Neher
Hier möchte ich auf zwei besondere Dokumentarreihen hinweisen. Alle Filme
entstehen als Auftragsproduktionen von ZDF/3sat und beide laufen auf dem
Fernsehsender 3sat. Die 30-minütigen Dokumentarfilme erzählen einzigartige
Lebensgeschichten von Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt. Es
handelt sich um „Fremde Kinder“ und „Mädchengeschichten“.
Im Mittelpunkt eines jeden Beitrags steht ein Kind oder Jugendlicher dessen
oftmals schwierige Lebenssituation erzählt wird. So unterschiedlich wie die Personen von denen erzählt wird, ist auch deren Herkunft. Von der Taiga bis zum
Amazonas.
„Fremde Kinder“ widmet sich Jungen und Mädchen im Alter bis zu 14 Jahren,
erzählt unverfälscht deren Lebenssituation und ergreift Partei für sie. Dabei wird
aus der Perspektive der Kinder erzählt und ihnen so eine Stimme verliehen. Es
gibt dabei kein Schema F nach dem gefilmt wurde und das macht jeden Beitrag
so unverwechselbar. Die Beiträge sind keineswegs „leichte Kost“ und können
den Zuschauen ganz schön mitnehmen.
Ein Film zeigt den 13-jährigen Sohel aus Dhaka, Bangladesch. Er hat auf Wunsch
seiner Familie die Schule abgebrochen. Dann bekommt drei Handys unterschiedlicher Netzanbieter von seinem Vater geschenkt und soll nun helfen das
Einkommen der Familie zu sichern. Er wird auf die weit entfernten Schwemminseln geschickt und bietet dann dort seine Dienste bei den Insulanern als „Networker“ an. Für die bitterarmen Menschen dort ist er seine Art „Tor zur Welt“
mit seinen Handys und Sohel kann durch das verleihen seiner Handys für einen
geringen Betrag, seine Familie unterstützen. Weitere Titel wie „Von Bagdad nach
Dallas“ oder „Ein Sohn der Taiga“ lassen auf weitere außergewöhnliche Lebensgeschichten schließen.
Foto: 3 sat
„Mädchengeschichten“ stellt junge Frauen meist im Alter von 17 Jahren vor, die
noch auf der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein stehen. Die Beiträge zeigen ihre verschiedenen Lebensentwürfe mit kleinen und großen Träumen
für ihre Zukunft. Eine schmerzliche, wenn auch Mut machende Geschichte wird
von Tschetschenin Fatima geschildert. Nach dem Tod ihres Vaters im tschetschenischen Krieg hat es sie und ihre Familie durch die Wirren des Krieges in eine
abgelegene Berggegend im Nordosten Georgiens verschlagen. Sie heiratet einen Georgier und findet sich in einer patriarchalischen Familienstruktur wieder.
Doch die Geburt ihrer Tochter kann findet sie wieder Mut und entscheidet sich
dazu ihr Leben wieder selbst in die Hand zunehmen.
Dabei sind nicht alle Geschichten tragisch sondern beschäftigen sich eher mit
den Wünschen der Mädchen und lassen so viel Platz für Hoffnung. Wie beispielsweise der Beitrag über die junge Häuptlingstochter Alina. Sie lebt im Urwald
Panamas und gilt mit ihren siebzehn Jahren nach indianischem Recht bereits als
Erwachsene. Sie ist verheiratet und führt zwei Haushalte. Doch das Territorium
des Stammes wird als Naturschutzgebiet deklariert und so sind die Embrá-Indianer gezwungen neue Wege einzuschlagen. Alina nutzt den Ökotourismus und
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präsentiert Touristen Stammesrituale , verkauft traditionelles Kunsthandwerk
ihres Stammes und trägt so zum Erhalt nicht nur ihrer Traditionen sondern ihres
gesamten Stammes bei. So kann sie den Spagat zwischen Tradition und der Modernen Welt meistern.
Die Leiterin der ZDF-Filmredaktion 3sat, Inge Classen, und die Redakteurin Katya Mader bekommen für Redaktion und Konzept der Dokumentarfilmreihe
„Mädchengeschichten“ (ZDF/3sat) in der Kategorie „Information und Kultur/
Spezial“ den Adolf-Grimme-Preis 2009.
Jeder einzelne dieser Dokumentarfilme regt zum Nachdenken an und drängt
einen dazu sein eigenes Leben zu reflektieren. Nicht jeder Beitrag hat ein Happy
End aber es handelt sich hier auch um das reale Leben und kein Hollywood Film.
Jeder der einmal Lust hat über den Tellerrand zu blicken, dem kann ich diese
Dokumentarreihe nur empfehlen. Die Dokumentarfilme können in der Mediathek von 3sat aufgerufen und angeschaut werden.
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Welche neuen Publikationen gibt es im Fachbereich …
... Exporting Culture - Which role for Europe in a Global
World?
European culture as export commodity?
Is European culture visible enough in the globalized world? Why is culture from
this continent often perceived as ‘old-fashioned’ or even worse as ‘out-dated’? Is
the export of national cultural products and services – in most European countries subsidized by the taxpayer – no longer relevant, or more relevant than ever
before? Is it a huge waste of money, time, and effort or an attempt to create
another form of globalization? Culture – in its broadest sense – is often viewed
and accepted in ways that differ completely from those of other internationally
traded goods. This might be one of the reasons why so many institutions, foundations and cooperations invest time, power, and money in cultural projects.
Is this an exaggerated approach or an intelligent recognition of the genuine
values of the 21st century – creativity and cultural sensitivity? These and several
other questions concerning the export of culture are addressed by authors from
differentcountries in order to initiate a debate about the role European cultural
products and services are able to play globally.
Editors are Raphaela Henze who is professor of Cultural Management at Heilbronn University and Gernot Wolfram who teaches as professor of Arts Management at the MHMK University of Berlin.
... Eventmanagement – How to create the Wow Effect!
Das Lehrbuch spannt den inhaltlichen Bogen vom konzeptionellen Anfang bis
hin zu Planung, Organisation, Umsetzung und der Erfolgskontrolle von Events.
Ausgangspunkt ist die Funktion des Events als Instrument der Marketingkommunikation, das eine Kampagne anführen oder in eine solche integriert werden
kann. Mit der Event Toolbox werden die relevanten Umsetzungsdimensionen
vollständig abgebildet. Daneben werden alle für die Umsetzung wichtigen
Randthemen verständlich erläutert sowie aktuelle Eventtrends und Tendenzen
der Media-Entwicklung, Bedeutung und Einfluss von Web 2.0 und Social Media
beleuchtet. Brancheninformationen zum Eventmarkt, Eventagenturen, Ausbildungsmöglichkeiten, Berufsbild des Eventmanagers geben handfeste Orientierung und vermitteln Transparenz. Fallbeispiele, Checklisten und ein Sicherheitskonzept zusammen vermitteln Rundum Know how für den sicheren Beginn und
die ersten Jahre einer beruflichen Tätigkeit im Bereich Eventmanagement.
Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel lehrt seit 1997 an der Hochschule Heilbronn.
Dipl-Kfm. Univ. Ralf Bäuchl ist seit 1998 ist er als Lehrbeauftragterund seit 2007
Mitinitiator sowie zusammen mit Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel in der wissenschaftlichen Leitung des BEA BlachReport Event Award zusammen mit dem
TechAward der Aktivmedia GmbH.
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Wie funktioniert eigentlich...
... Qualitätsmanagement in der Staatsgalerie Stuttgart?
Ein Beitrag von Dr. Sabine Hirschle, Projektmanagerin und Qualitätsmanagementbeauftragte der Staatsgalerie Stuttgart und Dirk Rieker, Kaufmännischer Geschäftsführer und Vorstandsmitglied
Der Begriff „Qualität“ ist im Museum allgegenwärtig. Aufgrund der sich rasant
verän-dernden Umfeldbedingungen und durch den gestiegenen Wettbewerb
der Museen untereinander und mit den Anbietern des expandierenden Freizeitsektors wird die Qualität, die von Besuchern und Partnern der Museen wahrgenommen wird, zum wichtigen Differenzierungsmerkmal und Erfolgsfaktor. Damit Museen auch zukünftig ihre Kernaufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen
und Vermitteln entsprechend der eigenen und von außen an das Museum
herangetragenen Qualitätsansprüchen erfüllen können, ist ein professionelles
Management und eine gezielte Marktorientierung notwendig.
Dr. Sabine Hirschle, Projektmanagerin
und Qualitätsmanagementbeauftrage
der Staatsgalerie Stuttgart
Die Erfahrung aus anderen Branchen zeigt, dass ein fundiertes Qualitätsmanage-ment (QM) die Effizienz und Effektivität der inhaltlichen und auch fachlichen
Arbeit sicherstellen und signifikant verbessern kann. Im erwerbswirtschaftlichen Bereich ist das QM de facto nicht mehr wegzudenken, in der Museumslandschaft befindet sich der Ansatz noch weitgehend in der Entwicklungs- und
Erprobungsphase.
Die Einführung des QM inklusive der Zertifizierung nach den in der DIN EN ISO
90011 gestellten Anforderungen an ein QM ist somit ein zielführender Schritt
zur Sicherung und Stärkung der Marktposition von Museen, insbesondere um
aktuellen und zukünftigen Herausforderungen adäquat begegnen zu können.
Da die ISO 9001 nur definiert was von einem Qualitätsmanagementsystem gefordert ist und nicht wie die Umsetzung zu erfolgen hat, eignet sie sich branchenübergreifend für die Produktions-, Dienstleistungsunternehmen also auch
für Kultureinrichtungen wie Museen.
Aus dieser Motivation heraus hat sich die Staatsgalerie Stuttgart für den Aufbau
ei-nes Qualitätsmanagementsystems entschieden. Dabei stehen die Hauptaufgaben eines Museums im Vordergrund. Die ganzheitliche Betrachtungsweise
des Quali-tätsmanagements schafft hierfür klare Zieldefinitionen, Strukturen
und Geschäftsprozesse. Neben den Kernaufgaben stehen auch weitere relevante Aufgaben, wie z. B. das Management der Geschäftsprozesse, die Planung und
Umsetzung der Qualitätspolitik oder das IT Service Management beim qualitätsmanagementorientieren Denken im Museum im Vordergrund.
Von zentraler Bedeutung ist es, diese Aufgaben stets im Kontext des strukturellen
Umfelds des Museums zu fokussieren. Das ganzheitliche Qualitätsmanagement
trägt hierbei zu einer besseren Ausnutzung und Einschätzung der Ressourcen
bei, deckt Verbesserungspotential stetig auf, gestaltet Prozesse transparenter
und hilft Kosten und Zeit einzusparen.
Auch die Größe 2 der Staatsgalerie Stuttgart und die Entwicklungen3 seit 1984
ver-langen nach einem professionellen Qualitätsmanagement.
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Geschäftsprozesse und Kommunikationswege gestalten sich immer komplexer
und müssen systematisch analysiert werden. Das Qualitätsmanagement ermöglicht eine kritische Selbstbeurteilung der eigenen Prozesse und verlangt eine
allgemeine Qualitätssicherung. Darüber hinaus dient das Qualitätsmanagement
der Rechenschaftslegung innerhalb des Museums, aber auch gegenüber der
Öffent-lichkeit, also auch gegenüber den Aufsichtsgremien.
Befasst man sich zum ersten Mal mit der Thematik Qualitätsmanagement, ist
zu-nächst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Qualität“ notwendig. Die
Anzahl an Definitionen ist ebenso groß wie die unterschiedlichen Auffassungen
jedes Einzelnen von „Qualität“. Versteht man Qualität im Sinne der ISO 90004
ist sie der „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.
(…) „Inhärent“ bedeutet im Gegensatz zu „zugeordnet“ „einer Einheit innewohnend“, insbesondere als ständiges Merkmal.“5 Eine einfachere, aber ebenso
treffende Beschreibung von Qualität ist die Erfüllung von Anforderungen.
Dirk Rieter, Kaufmännischer Geschäftsführer und Vorstandsmitglied
Die Qualitätsanforderungen kommen von drei Seiten. Zum einen von den
interessierten Parteien.6 Für die Staatsgalerie sind dies z. B. die Besucher, die
zuständigen Ministerien, der Landesrechnungshof, die Denkmalpflege, sowie
die Leihgeber und der Verein „Freunde der Staatsgalerie“. Zum anderen von der
Organisation selbst und von gesetzlicher Seite.
Zur systematischen und strukturierten Umsetzung der Qualitätsanforderungen
dient das Qualitätsmanagementsystem. Vereinfacht gesagt werden Spielregeln
aufgestellt, eingehalten, aufrechterhalten, ggf. verändert und verbessert. Damit
wird der zentrale Leitgedanke des kontinuierlichen Verbesserungsprozess von
Qualitätsmanagement im Sinne des PDCA7 – Regelkreis umgesetzt.
Beim Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001 wird der
prozess-orientierte Ansatz verfolgt. Dieser hat die Zielsetzung die Effizienz und
Effektivität der Prozesse messbar zu steigern, die Betriebskosten langfristig zu
senken und über eine höhere Motivation der Mitarbeiter Innovationen anzuregen. Ein Prozess setzt sich vereinfacht aus den Elementen Input, definierter
Ablauf und Output zu-sammen.
Zwischen den Prozessen bestehen verschiedenartige Wechselbeziehungen
sowie externe und interne Kunden-Lieferanten-Verhältnisse. Dies bedeutet, der
Pro-zessoutput kann sowohl für Kunden außerhalb der Organisation erstellt
werden, als auch für interne Kunden, sprich Mitarbeiter.
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Auf dem Weg zur Erfüllung der Norm und damit zur Zertifizierbarkeit hat die
Staats-galerie Stuttgart durch die Norm definierte Aufgaben zu erarbeiten. Der
erste Schritt war die Identifizierung der zu erfüllenden Vorschriften der ISO
9001/2008 als Pla-nungsgrundlage für das weitere Vorgehen. Die Erstellung
einer Prozesslandkarte sowie die Modellierung der festgelegten Führungs-,
Kern-, Unterstützungs- sowie ausgegliederten Prozesse zur Veröffentlichung
in einem speziell für QM aufgebauten Intranet. 8 Weitere zentrale Elemente bei
der Normenerfüllung sind die Festlegung einer Qualitätspolitik9 und Zielen, die
Erstellung des Handbuches, die Durchführung einer Managementbewertung
sowie eines internen Audits. Des Weiteren müssen die Verantwortlichkeiten und
Befugnisse festgelegt sowie ein Dokumenten- und Aufzeichnungsmanagement
aufgebaut werden. Nach erfolgreicher Einführung des Qualitätsmanagementsystems und „Leben“ der festgelegten QM-Spielregeln kann die Zertifizierung
durch eine externe Zertifizierungsstelle erfolgen. Dies ist für September 2014
geplant.
Die Zeit nach der Zertifizierung wird zeigen, inwieweit das QM für die Staatsgalerie Stuttgart die Zielsetzungen erfüllt, sich für den gesellschaftlichen und
politischen Wandel zu rüsten, ohne dabei ihren Bildungs- und wissenschaftlichen Auftrag aus den Augen zu verlieren und zur reinen Freizeiteinrichtung zu
mutieren.
1
DIN EN ISO 9001:2008 – Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen
Staatsgalerie – Fakten zur Größe: Eröffnet 1843, ca. 500.000 Kunstwerke, 12.000 qm Ausstellung-fläche, 220 Mitarbeiter (110 VZÄ), Jahresetat 2013: 10 Mio. €, Besucher 2012: 284.000, Rechtsform: Landesbetrieb.
3
Staatsgalerie – Fakten zur Entwicklung: Verdreifachung der Ausstellungsfläche, Vervierfachung der Mitarbeiterzahl, Erweiterung der Son
derausstellungen, Erhöhung des Vermittlungsangebotes, Erhö-hung der Qualitätsanforderungen bei Kunsttransporten und Restaurie
rung, Steigerungen der Anforde-rungen der öffentlichen Hand, Umwandlung in einen Landesbetrieb.
4
DIN EN ISO 9000:2005 – Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe
5
DIN EN ISO 9000:2005 Nr. 3.1.1
6
Die ISO 9001 orientiert sich an den Kundenanforderungen. Für Museen eignet sich eine Erweiterun-gen der Anforderungsgruppen auf die
interessierten Parteien im Sinne der DIN EN ISO 9004:2009.
7
PDCA ins Deutsche übersetzbar in: Planen – Umsetzen – Überprüfen – Handeln
8
Die Staatsgalerie Stuttgart hat sich hierbei für die Prozesessmodellierungssoftware Xpert der Firma Axon Active entschieden.
9
Für Museen ist die Begrifflichkeit „Leitbild“ gängiger und für die Mitarbeiter verständlicher als „Quali-tätspolitik“. Grundsätzlich sollte die
durch die Norm gegebene Freiheit genutzt werden und Begriffe gewählt werden, die für die Mitarbeiter gut verständlich und bestenfalls
bereits gängig sind.
2
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SAVE THE DATE
... 2. Künzelsauer Kulturmnanagement -Konferenz
„Kultur im off“
Nach zwei Jahren ist es wieder soweit. Am 23. und 24. Januar 2014 findet
die 2. Künzelsauer Kulturmanagement Konferenz diesmal zum Thema
„Kultur im off“ organisiert von den Bachelor-Studierenden des 6. Semesters statt.
Über die Herausforderungen von Kulturschaffenden jenseits der Metropolen
wollen wir mit namhaften Wissenschaftlern und Praktikern aus unterschiedlichen Sparten diskutieren.
Wir freuen uns auf spannende Vorträge und Diskussionen und natürlich auch auf
Ihre Beteiligung. Auch der Kunst- und Kulturgenuss wird während der zwei Tage
nicht zu kurz kommen. Wir bieten Ihnen Führungen in der Kunsthalle Würth und
in der Johanniterkirche sowie ein Konzert in absoluter Dunkelheit durchgeführt
vom PODIUM Festival Esslingen. Die Plätze zu dieser kostenfreien Veranstaltung
sind begrenzt. Wir bitten Sie daher, sich noch heute umgehend anzumelden.
Nähere Informationen finden Sie auf unserer Tagungswebseite:
www.hs-heilbronn.de/kultur-im-off
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